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ID1108900500

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    Plenarprotokoll 11/89 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 89. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Unglücks bei der Flugschau in Ramstein 6059 A Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Dr. Johann Baptist Gradl 6059 B Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Friedrich Schäfer 6059 D Verzicht der Abg. Dr. Wörner, Sauter (Ichenhausen) und Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 6060 A Eintritt der Abg. Jäger (Wangen), Graf Huyn und Frau Dr. Wegner in den Deutschen Bundestag 6060 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Buschfort, Sauter (Epfendorf), Koltzsch, Dr. Stercken und des Vizepräsidenten Stücklen 6060 B Erweiterung der Tagesordnung 6060 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6060D, 6106B Wieczorek (Duisburg) SPD 6072 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6080 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 6085 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6088 C Esters SPD 6093 B Dr. Rose CDU/CSU 6096 C Frau Rust GRÜNE 6100A Dr. Solms FDP 6101 D Frau Will-Feld CDU/CSU 6104 A Walther SPD 6108B Nächste Sitzung 6110 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6111 *A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 6059 89. Sitzung Bonn, den 6. September 1988 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Mitzscherling 6. 9. Niegel* 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oostergetelo 9. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Frau Saibold 6. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Vosen 6. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Würtz 6. 9. Zierer * 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte war ursprünglich Hans Apel als erster Redner der SPD vorgesehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tatsächlich?)

    Wie Sie wissen, hat Hans Apel gestern sein Amt als finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion niedergelegt. Ich möchte deshalb zu Beginn meiner Rede Hans Apel ausdrücklich für seine großartige Arbeit hier im Deutschen Bundestag danken.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Wir alle haben seine offene und kollegiale Art stets geschätzt. Er hat mit seinem Sachverstand unser aller Hochachtung erworben. Ich spreche für uns alle, wenn ich sage, daß wir diese persönliche Entscheidung von Hans Apel bedauern, aber sie verdient unseren Respekt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Man kann sie verstehen!)

    Ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, herzlich für die Worte danken, die Sie für Hans Apel gefunden haben.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wer jedoch glaubt, daß damit ein finanzpolitischer Kurswechsel der SPD verbunden wäre, der irrt, meine Damen und Herren.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hatten Sie überhaupt einen Kurs?)

    An unserer Beurteilung der Finanzpolitik dieser Bundesregierung ändert sich durch die Entscheidung von Hans Apel nichts.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bundeshaushalt 1989 und der Finanzplan 1988
    bis 1992, die der Bundesfinanzminister heute morgen hier eingebracht hat, sind für uns Anlaß zu einer Zwischenbilanz über sechs Jahre konservativer Finanzpolitik.
    Diese Bundesregierung ist 1982 mit einer Reihe von Versprechungen angetreten. Die öffentlichen Haushalte sollten grundlegend saniert und die notwendigen Opfer auf alle Bürger sozial gerecht verteilt werden. Die öffentlichen Investitionen sollten verstärkt und die Subventionen abgebaut werden. Die Neuverschuldung sollte „spürbar unter 20 Milliarden DM ohne Bundesbankgewinne" zurückgeführt werden, ohne dabei Steuererhöhungen vorzunehmen — Zitat von Herrn Dr. Stoltenberg am 28. Oktober 1984 in der „Welt am Sonntag".
    Am 4. Mai 1983 hat der Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag versprochen:
    Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat keines ihrer Versprechen gehalten. Die einmalige Chance, die eine seit sechs Jahren anhaltende, weltweit günstige Wirtschaftsentwicklung geboten hat, ist vertan worden. Die öffentlichen Haushalte stecken in einer tiefen Finanzkrise. Die Staatsverschuldung hat ein historisches Rekordniveau erreicht. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich vergrößert. Während die sozial Schwachen zu Beginn Ihrer Amtszeit große Opfer für die angebliche Konsolidierungspolitik bringen mußten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

    werden heute die Steuern für Spitzenverdiener gesenkt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Struktur der öffentlichen Haushalte war noch nie so schlecht. Während die Investitionsquote weiter zurückgeht, ufern die Subventionen immer mehr aus. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit 1982 um eine halbe Million gestiegen und steigt weiter. 2,3 Millionen Arbeitslose werden von der Teilhabe am wachsenden Wohlstand ausgegrenzt.

    (Beifall bei der SPD — Seiters [CDU/CSU]: Und die Arbeitsplätze?)

    An Millionen von Bürgern und Familien geht der Aufschwung vorbei.
    Die Schulden des Bundes, Herr Bundesfinanzminister, sind noch nie so stark gestiegen wie in diesem Jahr. Die Neuverschuldung von mehr als 39 Milliar-



    Wieczorek (Duisburg)

    den DM im Nachtragshaushalt 1988 ist die höchste in der Geschichte der Bundesrepublik, auch wenn Sie sie jetzt heruntermanipulieren wollen, um von dieser Rekordziffer wegzukommen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Die Rekordziffer des Bundes ist aber nicht einmal ein einmaliger Ausrutscher, sondern dauerhaft.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei ein paar hundert Milliarden DM mehr Bruttosozialprodukt!)

    Der neue Finanzplan dieser Bundesregierung weist aus, daß in den Jahren 1988 bis 1992 — und ich wiederhole die Zahl von Herrn Vogel, Herr Stoltenberg —171 Milliarden DM mehr neuer Schulden aufgenommen werden sollen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Das sind durchschnittlich 34 Milliarden DM pro Jahr. Eine höhere Neuverschuldung hat es in der Geschichte unseres Volkes niemals gegeben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei ein paar hundert Milliarden DM mehr Bruttosozialprodukt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Die Bundesregierung wird nach ihrer eigenen Finanzplanung bis 1992 in zehn Jahren — Herr Friedmann, als Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses bitte ich Sie ganz herzlich, zuzuhören —

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Macht der immer!)

    genausoviel Schulden machen wie alle Bundesregierungen vorher in 33 Jahren.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! „Weiter so! " — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Der Schuldenstand des Bundes betrug bei der „Wende" 1982 300 Milliarden DM — viel zuviel, wenn Sie mich fragen. Aber er wird am Ende dieses Finanzplanungszeitraums 600 Milliarden DM betragen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Weil wir eure Schulden mitbezahlen müssen, die ihr gemacht habt!)

    Man muß sich diese Zahl einmal vor Augen führen.
    Es ist mir schlicht unbegreiflich, Herr Dregger, wie der Bundeskanzler angesichts dieser Fakten am 11. Januar vor der Bundespressekonferenz erklären konnte — ich zitiere — : „Unser Markenzeichen ist, daß wir keine Schulden machen."

    (Dr. Vogel [SPD]: Hei! — Widerspruch bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [SPD]: Wir bezahlen die Zinsen für eure Schulden!)

    Man muß sich so etwas nur einmal vorstellen. Denn das wußte auch der Bundeskanzler, daß diese Aussage schlicht und einfach falsch ist.

    (Walther [SPD]: Wohl wahr! — Zander [SPD]: Wer weiß, ob er es wußte! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wie immer!)

    In Wahrheit, meine Damen und Herren, machen Sie eine Politik der Schuldenrekorde. Denn ohne Bundesbankgewinne müßte diese Regierung ab 1989 Jahr für Jahr 40 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen. Ohne die vorgesehene Verbrauchsteuererhöhung und die massiven Kürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit wären es, wenn Sie korrekt und sauber rechnen, gar 50 Milliarden DM jährlich.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Und bei Ihnen 70 Milliarden!)

    Für diese Zahlen hätten Sie heute morgen, Herr Bundesfinanzminister, die Verantwortung übernehmen müssen, wenn Sie ehrlich bilanzieren würden.
    Ich erinnere noch einmal an die schlimmen und unredlichen Reden hier im Deutschen Bundestag Anfang der 80er Jahre. Damals malten Sie den drohenden Staatsbankrott an die Wand und stellten Ihre großen Konsolidierungsversprechungen daneben. Vor diesem Hintergrund sind die heutigen Ergebnisse Ihrer Politik so entlarvend, daß jeder weitere Kommentar überflüssig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie wußten damals genausogut, wie wir es heute wissen: Unserem Land drohte damals kein Staatsbankrott, und er droht uns auch heute nicht. Dieses miese Geschäft mit der Angst unserer Sparer betreiben wir nicht. Wir verwerfen Ihre Finanzpolitik, weil sie unredlich und falsch ist. Selbst in einer Phase ohne konjunkturelle Einbrüche und außenwirtschaftliche Störungen sind Sie gescheitert.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie versprechen Steuererleichterungen, erhöhen aber vorher die Steuern. Sie reden von Konsolidierung, präsentieren aber Rekorddefizite. Diese Haushaltsdefizite, meine Damen und Herren, sind doch nicht Ausdruck einer aktiven, berechenbaren Steuer- und Finanzpolitik im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit oder im Kampf für eine bessere Umwelt. Sie sind vielmehr das Ergebnis Ihrer verfehlten Steuerpolitik, Ihrer unberechenbaren Politik der Wohltaten für die Gruppen, denen gegenüber Sie sich abhängig fühlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Weil Ihrer Politik die Perspektive fehlt, häufen Sie Schuldenberge auf, die uns vor schwere Probleme stellen werden.
    Auch die drastischen Steuer- und Abgabenerhöhungen im kommenden Jahr haben mit einer vorausschauenden Politik nichts zu tun. Für ein sinnvolles Konzept, für eine ökologische Neuorientierung der Besteuerung könnten Sie jederzeit mit unserer Hilfe rechnen.
    Es geht Ihnen aber nicht darum, sondern Sie stopfen nur die gröbsten Haushaltslöcher, die Sie an anderen Stellen mit dem überzogenen Steuerpaket 1990 aufreißen. Genau in diesem Punkt liegt der entscheidende Unterschied zwischen Ihren und unseren steuerpolitischen Vorstellungen.
    Sie haben heute morgen so viel über Münster geredet. Ich will Ihnen unsere Position von Münster verdeutlichen. Wir wollen unser Steuersystem so um-



    Wieczorek (Duisburg)

    strukturieren, daß es den dringenden umweltpolitischen Erfordernissen gerecht wird. Diese ökologische Umstrukturierung unseres Steuersystems wird nicht zu einer höheren Gesamtbelastung für kleine und mittlere Einkommen führen; sie wird in diesem Bereich nicht eine Erhöhung, sondern im Gegenteil Entlastungen bewirken. Wir wollen ein Nullsummenspiel. Wir wollen aber die Einnahmen des Staates anders verteilen. Wir möchten die Leute mit kleinen und geringen Einkommen entlasten und statt dessen jene, die das ökologische Gleichgewicht stören, in größerem Maße belasten. Das ist unsere Grundaussage.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Sie wollen doch den Benzinpreis verdoppeln!)

    Wir wollen das Mehraufkommen bei den einzelnen Energiesteuern in erster Linie zur Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen verwenden. Wir werden damit einen Teil der Umverteilung von unten nach oben, die das Ergebnis Ihrer Steuerpolitik ist, berichtigen.
    Sie dagegen nehmen den Arbeitnehmern und Verbrauchern das Geld aus der Tasche, um es den Begüterten zuzuschieben. Was bedeuten denn Ihre Steuerpläne für den durchschnittlichen Verbraucher? Die drastische Verteuerung des Benzins und die Kraftfahrzeugsteuer für Diesel-Pkw kosten jeden Autofahrer 200 DM im Jahr, egal, wieviel er an Einkommensteuer zahlt. Die Vervierfachung der Heizölsteuer kostet den Eigenheimbesitzer noch einmal um die 200 DM. Die Anhebung der Versicherungsteuer, der Tabaksteuer und die Quellensteuer wird Ihnen nach Ihren Berechnungen 51/2 Milliarden DM in die Kasse bringen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Ihr wollt doch den Benzinpreis verdoppeln!)

    Unter dem Strich bedeutet das für 1989 13 Milliarden DM mehr Steuern pro Jahr für Bürger und Wirtschaft, Herr Finanzminister.
    Das ist das größte Steuererhöhungspaket aller Zeiten.

    (Beifall bei der SPD — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wovon redet der Mann? — Beckmann [FDP]: Wie hoch ist denn Ihre Energiesteuer?)

    Aber es kommt noch schlimmer, ob es Ihnen paßt oder nicht.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Dagegen war der Apel noch Gold!)

    1989 soll auch schon die Gesundheitsreform in Kraft treten. Sie müssen ehrlich sagen, was Sie wollen. Die Gesundheitsreform wird die Menschen draußen schlicht und einfach 3,4 Milliarden DM an zusätzlichen Belastungen kosten, die sie dann für die steigenden Krankenversicherungsbeiträge aufzubringen haben.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Eigenbeitrag!)

    — Zum Eigenbeitrag komme ich noch, Herr Dr. Weng.
    Damit noch nicht genug. Denn der Eigenbeitrag wird zu einer weiteren Kostenbelastung der Bürger von 6,5 Milliarden DM jährlich führen. Das sind die Kosten für die Selbstbeteiligung im Krankheitsfall, die die einzelnen Menschen aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssen.
    Das sind zusammen weitere 10 Miliarden DM an Mehrbelastung für die Bürger.
    Insgesamt wollen Sie in den nächsten Jahren also 23 Milliarden DM bei den Bürgern und der Wirtschaft abkassieren. Wir müssen uns darüber klar sein, was das eigentlich bedeutet, was der Herr Bundsfinanzminister heute morgen so vollmundig hier umschrieben hat.
    Der Bund der Steuerzahler hat Ihnen im Juni, also noch vor dem Kabinettsbeschluß, ausgerechnet, was das eigentlich bedeutet. Die Abgabenbelastung der Arbeitnehmer und die Nebenkosten der Wirtschaft werden durch Ihre Politik auf neue Rekordhöhen getrieben, und Sie reden hier von Entlastung der Lohnnebenkosten.

    (Beifall bei der SPD)

    Trotzdem haben Sie die Steuererhöhung beschlossen. Sehenden Auges treiben Sie die Ungerechtigkeiten Ihrer Steuerpolitik auf die Spitze. Sie verstecken die schlimmen Folgen Ihrer Politik so gerne hinter Durchschnittszahlen — heute morgen haben Sie dafür wieder ein Musterbeispiel geliefert — , bei denen die Spitzenverdiener und die Arbeitslosen in einen Topf geworfen werden. Mit dieser Art von Statistik läßt sich alles beweisen.
    Aber können Sie denn bestreiten, Herr Finanzminister, daß 17 Millionen Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bei Ihrem Steuerpaket 1990 völlig leer ausgehen, aber in Zukunft von ihrer Rente, ihrem Arbeitslosengeld, ihrer Sozialhilfe auch noch höhere Verbrauchsteuern zahlen müssen?

    (Beifall bei der SPD)

    Können Sie denn bestreiten, daß Millionen Normalverdiener 1990 von Ihnen weniger zurückbekommen werden, als sie bereits 1989 und in allen weiteren Jahren durch Ihre Beschlüsse bezahlen müssen? Sie können das nicht, Herr Finanzminister; denn sonst hätten Sie uns das schon heute morgen gesagt.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Der ADAC hat das schon nachgewiesen!)

    Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung geplanten Steuer- und Abgabenerhöhungen sind nicht nur ungerecht, sie sind auch wirtschaftspolitisch völlig verfehlt. Das Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut hat die Verbrauchsteuererhöhung in kaum überbietbarer Deutlichkeit eine ,,Bankrotterklärung der Politik" genannt.
    Trotz einer seit sechs Jahren andauernden weltwirtschaftlich bedingten Aufschwungphase ist diese Bundesregierung unfähig, den Bundeshaushalt in Ordnung zu halten. Schlimmer kann man sich überhaupt nicht blamieren.
    Da helfen auch die Beschönigungen des Bundesfinanzministers nicht weiter, der heute morgen hier erklärt hat, daß er jetzt 1,5 bis 2 Milliarden DM Steuer-



    Wieczorek (Duisburg)

    mehreinnahmen für den Bundeshaushalt erwarte. Das wäre erfreulich. Aber wir schreiben heute erst den 6. September. Warten wir also doch einmal ab, wie es bei der zweiten und dritten Lesung sein wird oder besser: wie es am Jahresende sein wird. An den Größenordnungen, Herr Bundesfinanzminister, ändert sich dadurch doch nichts. Die Neuverschuldung beträgt 39 Milliarden DM allein beim Bund, 65 Milliarden DM, wenn Sie Länder und Gemeinden dazunehmen, 75 Milliarden DM, wenn Sie den Schattenhaushalt Bahn und Post dazunehmen. Das ist die richtige Größenordnung. Hier müssen auch Sie bemerken, wie gering die Einnahmeverbesserung durchschlagen wird.
    Es ist erstaunlich, wie die Bundesregierung angesichts dieser verheerenden Bilanz Glauben machen will, die Konjunkturentwicklung dieses Jahres sei ihr Verdienst. Da ist am 11. August 1988 sogar dem den Unternehmen nahestehenden Institut der Deutschen Wirtschaft der Kragen geplatzt. Es zeigt sich verwundert, „daß das Hauptverdienst für die konjunkturelle Besserung ausgerechnet von der Wirtschafts- und Finanzpolitik beansprucht wird".
    Meine Damen und Herren, auch wenn der Bundeswirtschaftsminister bekanntlich häufiger auf Reisen im Ausland als zu Hause ist, liegt darin wohl kaum der Grund, daß die Exporte in den letzten Monaten wieder angestiegen sind.

    (Zander [SPD]: Da richtet er aber weniger Schaden an!)

    Dem Bundesfinanzminister hat das Institut der Deutschen Wirtschaft gleich noch ins Stammbuch geschrieben, die Politiker sollten nicht glauben, daß die finanzpolitischen Probleme heute weniger drängend seien als vor Jahresfrist.
    Im Klartext: Herr Bundeskanzler, Sie sollten endlich dafür sorgen, daß die Hausaufgaben, die Sie aufgeben, ordentlich erledigt werden, und daß sich Ihre Administration nicht mit fremden Federn schmückt.
    Aber dafür gibt es klare Indizien: Die seit Monaten anhaltende Kapitalflucht — 60 Milliarden DM seit Jahresanfang — ist ein eindeutiges Mißtrauensvotum der Kapitalanleger und Investoren im In- und Ausland gegen Ihre unsolide und unberechenbare Finanzpolitik.

    (Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Und treibt das Zinsniveau hoch!)

    Inzwischen, meine Damen und Herren, bremst die Deutsche Bundesbank nicht mehr den Verfall des Dollars, sondern sie muß mit Milliardenbeträgen gegen eine Abwertung der Deutschen Mark intervenieren. Das wird hier leider verschwiegen.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Wir haben es aber ganz gut im Griff, habe ich den Eindruck!)

    Das beweist, daß diese Bundesregierung mit ihrer Finanzpolitik im internationalen Vergleich tatsächlich immer schlechtere Noten bekommt.
    Es ist auch nicht das Verdienst der Bundesregierung, wenn sie im kommenden Jahr gerade wegen der umfangreichen Stützungsmaßnahmen der Bundesbank zugunsten der Deutschen Mark mit höheren Bundesbankgewinnen rechnen kann.
    Meine Damen und Herren, bereits in der Vergangenheit hat der Bundesfinanzminister vor allem vom Bundesbankgewinn gelebt. 1988, als die Milliardengewinne aus Frankfurt plötzlich ausblieben, schnellte die Neuverschuldung im Bundeshaushalt sofort auf Rekordhöhe. Das zeigt doch deutlich, wie fragwürdig diese Art der Haushaltsfinanzierung ist. Die angebliche Konsolidierung war in Wirklichkeit auf Sand gebaut.
    Trotzdem sind im Haushalt 1989 wiederum 5 Milliarden DM Bundesbankgewinn eingesetzt worden; offenbar zuwenig, denn gleichzeitig teilt uns der Finanzminister mit, daß er eigentlich 7 bis 8 Milliarden DM einnehmen werde. Ich gehe davon aus, daß die Einnahme deutlich über 10 Milliarden DM betragen wird. Wenn Sie sich mit Ihren Fachleuten unterhielten, würde Ihnen diese Zahl auch bestätigt. Das ist aber pure Augenwischerei; denn dahinter steckt Absicht. Es geht nämlich darum, die vorgesehenen Verbrauchsteuererhöhungen politisch durchzusetzen.

    (Walther [SPD]: Richtig!)

    Deshalb haben Sie den Bundesbankgewinn bewußt zu niedrig angesetzt und das Haushaltsgesetz geändert.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Diese eigenartige Regelung im Haushaltsgesetz zur Tilgung von Altschulden ist in Wahrheit ein neuer Versuch, die Haushaltskompetenz des Parlaments auszuhöhlen. Das von Ihnen vorgesehene Verfahren führt nämlich dazu, daß der Bundesfinanzminister in dem gleichen Umfang, in dem er 1989 Altschulden tilgt, 1990 ohne Ermächtigung des Parlaments zusätzliche Kredite zum Ausgleich von Haushaltslücken aufnehmen kann. Damit wollen Sie vermeiden, daß Sie 1990 vor der Wahl erneut gezwungen sind, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Dafür bauen Sie sich diese schwarze Sparkasse. Das wollen wir hier schon heute sagen, damit Sie nicht im Wahljahr, von neuen Grundpositionen ausgehend, die Sie sich selbst geschaffen haben, wieder Erfolge feiern, die in Wirklichkeit nicht da sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich zu einem anderen, aber dieses Haus sehr interessierenden Thema kommen. Die Neuverschuldung von 39,2 Milliarden DM im Nachtragshaushalt verstößt klar gegen das Grundgesetz.

    (Walther [SPD]: Sehr richtig!)

    Nach der Verfassung darf die Neuverschuldung des Bundes nicht höher als die Summe der Investitionen sein. Tatsächlich betragen die Investitionen jedoch nur 34 Milliarden DM, also 5 Milliarden weniger als die Neuverschuldung.
    Der Bundesfinanzminister hat sich dazu bis heute nur sehr ausweichend geäußert. Die Verfassung dagegen ist sehr eindeutig: Die Neuverschuldung darf nur dann die Summe der Investitionen übersteigen, wenn dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts notwendig ist. Sie behaupten aber: Unsere Konjunktur läuft prima. Dann



    Wieczorek (Duisburg)

    aber darf die Neuverschuldung die Investitionen nicht übersteigen, und dann darf dieser Nachtragshaushalt nicht Gesetz werden.
    Meine Damen und Herren, ich gehe aber davon aus, daß Sie ihn mit Ihrer Mehrheit trotzdem beschließen werden.

    (Seiters [CDU/CSU]: So ist das! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Eine gute Prognose!)

    Dann aber bringen sich zumindest die Herren von der CDU/CSU und ihr damaliger Oppositionsführer und heutiger Bundeskanzler in eine unmögliche Situation.
    Um was geht es denn? Helmut Kohl und die Bundestagsfraktion der CDU/CSU haben 1982 die sozialliberale Koalition verklagt, weil sie im Krisenjahr 1981 eine höhere Nettokreditaufnahme beschlossen hat, als Ausgaben für Investitionen vorgesehen waren. Das war damals zur Abwehr der Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts auf Grund der weltwirtschaftlichen Probleme erforderlich. Das Grundgesetz läßt dies in einer Notlage — und das war eine Notlage — ausdrücklich zu.
    Nun wird diese Klage der CDU/CSU im Dezember dieses Jahres vor dem Verfassungsgericht behandelt. Da kommen also die Kläger der CDU/CSU Ende des Jahres nach Karlsruhe, nachdem sie zuvor für 1988 einen eindeutig verfassungswidrigen Nachtragshaushalt beschlossen haben

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und damit selber gegen das Grundgesetz verstoßen haben.

    (Zuruf von der SPD: Da kennen die nichts!)

    Wie wollen Sie eigentlich, Herr Dr. Dregger, vor dem Bundesverfassungsgericht argumentieren?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warten Sie doch einmal ab!)

    Ich würde Ihnen raten: Sagen Sie einfach die Wahrheit.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Das ist aber schwer! — Dr. Vogel [SPD]: Etwas Unmögliches!)

    Denn die Wahrheit ist: Zur Diffamierung Ihrer politischen Gegner waren Ihnen damals alle Mittel recht, und heute, wo Sie sich Ihren eigenen juristischen Fallstricken ausgesetzt sehen und die Klage loswerden müssen, argumentieren Sie nach dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

    (Walther [SPD]: Mein dummes Geschwätz von gestern!)

    Wir treten heute neu an" .

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich aber zu den Lücken kommen, die sich nach unserer Bewertung jetzt noch im Haushalt zeigen.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Noch mehr Lücken?)

    Wir haben bei den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres immer wieder darauf hingewiesen, wo Ihre Lücken sind. Sie haben Milliardenrisiken nicht veranschlagt. Da wir eine verbundene Debatte haben, gilt es hier auch noch einmal über den Haushalt 1988 zu reden und über seine Entstehung, also darüber, wie er zu dem geworden ist, was er heute ist, und warum der Finanzminister heute einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr einbringen muß. Wir haben Ihnen das immer gesagt, und Sie haben mit gespielter Empörung immer wieder von Horrormeldungen der Opposition geredet. Wir haben Ihnen die Finanzlükken bei der Bundesanstalt bereits im letzten Sommer aufgezeigt, nachdem Sie nämlich zur Entlastung des Bundeshaushaltes eine Reihe von sachfremden Aufgaben auf die Bundesanstalt für Arbeit verschoben haben. Das war Ihnen bekannt, Herr Stoltenberg.

    (Walther [SPD]: Das war sogar verfassungswidrig, Herr Kollege!)

    Trotzdem erklärte der Bundesfinanzminister am 2. Juli 1987, die Bundesanstalt könne — ich zitiere — „ihre Verpflichtungen in den nächsten Jahren bei Beachtung der Grundsätze sorgfältiger Haushaltsführung erfüllen". Jetzt muß der Finanzminister selber einräumen, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr 1,1 Milliarden DM und im nächsten Jahr gar 5,1 Milliarden DM fehlen. Jetzt zeigt sich, Herr Finanzminister: In der Finanzpolitik haben Lügen wirklich kurze Beine.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie uns zu dem nächsten für Sie damals unbekannten Risiko kommen: den Milliarden-Mehrbelastungen durch die EG. Diese waren bereits im Sommer 1986 bekannt. Damals haben Sie selber sogar eine Reserve für höhere Abführungen an die EG für 1988 in den Finanzplan eingestellt. Aber Sie haben diese Reserve trotz unserer Warnungen aufgelöst, um andere Löcher im Bundeshaushalt 1988 zu vertuschen.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ist das nun Ihre Rede oder die von Apel?)

    Geben Sie es doch endlich zu: Aus diesem Grund werden jetzt die Verbraucher mit höheren Steuern zur Kasse gebeten. So seriös ist Ihre Finanzpolitik.
    Auch noch im November letzten Jahres haben Sie an dem Ansatz für den Bundesbankgewinn festgehalten. Sie haben den Dollarkursverfall einfach ignoriert. Am 7. Januar mußten Sie schon eingestehen, daß das eine reine Luftbuchung war. Daß Ihr Haushalt 1988 keinen Bestand haben würde, war also bereits bei der Verabschiedung im Bundestag und im Bundesrat erkennbar. Trotzdem ist diese Regierungskoalition ihrer Regierung gefolgt und hat den Bundeshaushalt kurz vor Weihnachten des letzten Jahres beschlossen. Das war das vorläufige Ende eines Possenspiels. Drei Wochen später war der Haushalt 1988 in seinen Eckdaten bereits Makulatur, und jetzt beraten wir den Nachtrag für 1988, und weiter geht das Possenspiel.
    Auch mit dem Bundeshaushalt 1989 verstößt die Bundesregierung gegen die selbstgesteckten Ziele, gegen öffentlich abgegebene Erklärungen und Versprechungen.



    Wieczorek (Duisburg)

    Noch am 7. Januar 1988 ist im Zusammenhang mit den Fehlbeträgen für 1988 im Kabinett beschlossen worden: „Im Haushaltsjahr 1989 muß die Nettokreditaufnahme des Bundes um mindestens 10 Milliarden DM zurückgeführt werden. Dies soll durch Subventionsabbau, Erhöhung spezifischer Verbrauchsteuern und konsequente Ausgabenbegrenzung erfolgen."
    Und heute? Machen wir wieder einmal Zwischenbilanz : Die Rückführung der Neuverschuldung ist nicht um 10 Milliarden DM, sondern nur um 7 Milliarden DM gelungen, aber sie muß allein von den Verbrauchern bezahlt werden und nicht etwa von den Gruppen, die vorher angesprochen waren.
    Meine Damen und Herren, noch im Mai dieses Jahres hat der Finanzminister vor dem Finanzplanungsrat festgestellt, der Bundeshaushalt 1989 werde um weniger als 3 % wachsen.

    (Zander [SPD]: Was der schon alles erzählt hat!)

    Heute sind es über 4,6 % geworden. Diese höhere Ausgabensteigerung hat nichts mit einer planvoll gestalteten Haushaltspolitik zu tun, im Gegenteil: Die Ausgaben laufen Ihnen davon, weil Ihre Politik so konzeptionslos ist und Sie längst überfällige Weichenstellungen verschlafen haben.
    Sie machen über Jahre eine falsche Agrarpolitik, vergeuden gegen unseren Willen Milliarden für die umsatzstarken Betriebe, auch für die Massentierhalter, und müssen immer mehr Subventionen für unsere Bauern nachlegen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie zerstören mit Ihrer überzogenen und ungerechten Steuerpolitik die Handlungsfähigkeit unserer Städte und Gemeinden, und daran ändert auch Ihre Durchschnittsrechnung nichts. Vielmehr müssen die strukturschwachen Bundesländer und die darin befindlichen Städte und Gemeinden nun mit Strukturhilfen dafür bezahlt werden.
    Sie räumen die Kassen der Arbeitslosenversicherung aus und müssen nun die Defizite ausgleichen.

    (Jungmann [SPD]: Das ist ein Kassenplünderer!)

    Sie haben die viel zu hohe Ausgabensteigerung im nächsten Jahr in voller Höhe selbst zu verantworten.
    Jahrelang haben Sie, Herr Dr. Stoltenberg, die eigentliche Aufgabe des Finanzministers im Kabinett nicht wahrgenommen. Die erste Pflicht des Finanzministers ist es, den Haushalts- und Finanzplan nach den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aufzustellen. Nur mit einem verläßlichen Zahlenwerk läßt sich eine berechenbare und solide Politik betreiben. Mit Ihren Mogeleien, mit Ihrer Scheinkonsolidierung mit Hilfe der Bundesbankgewinne und Ihren optimistischen Modellrechnungen und Beschwichtigungen haben Sie das heillose Finanzchaos selbst angerichtet.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Von Stetigkeit, Klarheit und Verläßlichkeit ist in Ihrer Finanzpolitik keine Spur.

    (Beifall bei der SPD — Jungmann [SPD]: Unzuverlässiger Geselle!)

    Auch jetzt ist der Bundesfinanzminister augenscheinlich nicht bereit, alle Haushaltsrisiken nach dem Prinzip der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu veranschlagen. 1989 fehlt eine halbe Milliarde für die Kokskohlenbeihilfe. Wo ist das Geld, um die unbezahlten Rechnungen von 3 Milliarden DM zu begleichen, die bis Ende dieses Jahres bei dem Verstromungsfonds aufgelaufen sein werden

    (Walther [SPD]: 4 Milliarden!)

    und für die der Bund eintreten muß? Im Haushalt sind bisher noch nicht die Mittel, die Sie für die Eingliederung der vielen deutschen Zuwanderer aus Osteuropa zugesagt haben. Der Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit ist erneut um mindestens 500 Millionen DM zu niedrig angesetzt. 500 Millionen DM gar verlangt die EG für zuviel zugeteilte Milchquoten zurück. Die Post treiben Sie mit überhöhten Ablieferungen an den Bundeshaushalt immer tiefer in die Verschuldung.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wer hat sie denn festgesetzt?)

    Die Gebührenerhöhung im nächsten Jahr muß in Wirklichkeit der Finanzminister verantworten.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Zuweisungen an die Bundesbahn sind seit 1982 um keine einzige Mark gestiegen. Auch die steigenden Bahnschulden sind in Wahrheit Schulden des Bundesfinanzministers.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir werden, meine Damen und Herren, hoffentlich auch mit Unterstützung der Abgeordneten der Koalition, in den Fachausschüssen und vor allen Dingen im Haushaltsausschuß alle Anstrengungen unternehmen, um Ihre Vorlage zu dem zu machen, was ein Haushalt zu sein hat: das Schicksalsbuch der Nation, in dem alle Ausgaben und Einnahmen des Bundes korrekt verzeichnet sind.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Die GRÜNEN werden euch helfen!)

    Die mittelfristige Finanzplanung ist bei Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, leider zu einem Muster ohne Wert verkommen.

    (Zuruf von der SPD: Makulatur!)

    Das haben wir Ihnen bereits vor einem Jahr für Ihre Finanzplanung bis 1991 vorgeworfen. Ihre neue Finanzplanung bis 1992 bestätigt die Richtigkeit unserer damaligen Feststellungen. Vor einem Jahr hatten Sie in Ihrer Finanzplanung für das Jahr 1989 eine Neuverschuldung von 27,2 Milliarden DM angesetzt, und das ohne Verbrauchsteuererhöhung. Jetzt planen Sie für 1989 eine Neuverschuldung von 32 Milliarden DM. Das sind 5 Milliarden DM mehr, trotz massiver Verbrauchsteuererhöhung. Wo ist da bei Ihnen eine klare Planung zu erkennen? Sie wursteln sich durch, Herr Finanzminister.

    (Beifall bei der SPD)




    Wieczorek (Duisburg)

    Für 1990 hatten Sie noch vor einem Jahr eine Neuverschuldung von 30,9 Milliarden DM geplant. In Ihrer neuen Finanzplanung gehen Sie jetzt auf 36 Milliarden DM. Das sind wiederum 5 Milliarden DM mehr als veranschlagt. Das alles geschah innerhalb eines Jahres. Für 1991 hatten Sie noch vor einem Jahr eine Neuverschuldung des Bundes von 26,1 Milliarden DM veranschlagt. Jetzt haben Sie in Ihrer neuen Finanzplanung für 1991 eine Neuverschuldung von 34 Milliarden DM.

    (Walther [SPD]: Das reicht ja nicht!)

    Das sind 8 Milliarden DM mehr, als noch vor einem Jahr geschätzt.
    Wie lange werden die Eckwerte dieser Finanzplanung nun Geltung haben?

    (Jungmann [SPD]: Bis morgen!)

    Werden Ihnen erneut Bundesbankgewinne aus der Patsche helfen, oder werden Sie uns im nächsten Jahr neue Schuldenrekorde präsentieren müssen?

    (Zander [SPD]: Lotto spielen!)

    Denn für milliardenschwere Ansprüche an den Bundeshaushalt haben Sie keine Vorsorge getroffen. Die CDU/CSU ist bei den Bürgern im Wort, noch in dieser Legislaturperiode das Kindergeld und das Erziehungsgeld anzuheben: 6 Milliarden DM. Dafür sind in Ihrer Finanzplanung keine Mittel vorgesehen. Selbst wenn die Zahl der Arbeitslosen bis 1992 nicht wächst, sondern bei 2,3 Millionen stagniert, muß der Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit und die Arbeitslosenhilfe bis 1992 um 10 Milliarden DM höher sein, als vom Finanzminister geplant.
    Im Verteidigungsetat fehlen bis 1992 3 Milliarden DM gegenüber der Bundeswehrplanung. Wessen Zahlen sind nun eigentlich richtig? Plant die Bundeswehr richtig, oder muß die Bundeswehr ihre Gefährdungsanalyse den finanziellen Bedingungen des Bundesfinanzministers anpassen?

    (Jungmann [SPD]: Die haben beide keine Ahnung!)

    Aber wir sind ja noch nicht fertig. Die Rentenversicherung braucht auf jeden Fall einen erhöhten Bundeszuschuß, wenn massive Beitragsanhebungen vermieden werden müssen. Im neuen Finanzplan findet sich dafür keine Mark. Im Gegenteil, der Zuschuß ist 1990 und 1991 jeweils um 340 Millionen DM niedriger angesetzt als bisher.

    (Walther [SPD]: Das ist unglaublich!)

    Da fehlen spätestens 1991 Milliarden, wenn die Renten sicher bleiben sollen.
    Wo sind, Herr Finanzminister, eigentlich die Milliarden für den Airbus, die noch bis 1992 aus dem Bundeshaushalt fällig werden, wenn Sie Ihr Konzept der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste durchziehen wollen?

    (Beifall bei der SPD)

    Was wird denn aus dem Programm zur Rettung der Nordsee, das der Bundesumweltminister angekündigt hat?

    (Jungmann [SPD]: Keine müde Mark!)

    Der Deutsche Städtetag hat ein Finanzierungskonzept des Bundes bereits angemahnt. Wir werden mit eigenen Vorschlägen in dieser Richtung kommen, wenn hier die zweite Lesung ansteht.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Wir auch!)

    Die Zahl der Zivildienstleistenden — wir sind noch gar nicht fertig, Sie brauchen sich noch nicht zu freuen — wird viel höher werden, als in der Finanzplanung eingestellt. Auch hier fehlt bis 1992 schlicht und einfach eine halbe Milliarde DM. Oder haben Sie insgeheim schon vorgesehen, das Anerkennungsverfahren wieder zu verschärfen? Man muß diese Fragen ja stellen, weil der Bundesfinanzminister die politischen Zielvorstellungen eigentlich in Geld ummünzen muß. Wenn er es nicht tut, kann man vermuten, daß dahinter eine politische Absicht steht.
    Wo sind eigentlich die internationalen Verpflichtungen eingestellt, die Sie für die Raumfahrt eingegangen sind? Der Bundesforschungsminister mußte selbst zugeben, daß die Finanzierung nicht gesichert ist, und bei Ihrer globalen Minderausgabe muß der Bundesforschungsminister seine Programme in unangemessener Weise reduzieren.
    Das Zahlengerüst des Finanzplans, den der Bundesfinanzminister heute morgen hier eingebracht hat, bietet schon heute mittag keine verläßliche Orientierung mehr. Den Kassensturz, den die Bundesregierung für Mitte dieser Legislaturperiode angekündigt hat, hat der Bundesfinanzminister mit seiner Finanzplanung jedenfalls nicht geleistet. Er wird auch weiterhin versuchen, mit geschönten Zahlen den Tag der Wahrheit so lange wie möglich vor sich herzuschieben.
    Die Bundesregierung ist mit dem Anspruch angetreten, die öffentlichen und privaten Investitionen zu steigern, um Arbeitsplätze zu schaffen und Massenarbeitslosigkeit abzubauen. Tatsache ist heute: Während Ihrer Regierungszeit ist die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote auf einen historischen Tiefstand gesunken.

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider wahr!)

    Ein gut Teil der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit ist damit hausgemacht. Gerade der Bund ist mit seinen Investitionen mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Der Anteil der Investitionen am Bundeshaushalt ist von 13,1 % im Jahre 1982 auf 12,4 % in diesem Jahr zurückgefallen. Bis 1992 soll die Investitionsquote des Bundes nach Ihrer Finanzplanung auf gar nur noch 11,51)/0 fallen. Das wird die niedrigste Investitionsquote sein, die jemals ein Bundeshaushalt aufwies.
    Nicht besser sieht es bei den Investitionen von Ländern und Gemeinden aus. Besonders schlimm ist es bei den Gemeinden, die zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen tragen. Die kommunalen Investitionen liegen heute real auf dem Niveau der frühen 60er Jahre, und Sie freuen sich hier heute morgen über die Investitionskraft der Städte und Gemeinden. Herr Minister, das ist unredlich.

    (Dr. Struck [SPD]: Das ist falsch!)

    Wenn die explosionsartig gestiegenen Sozialhilfeaufwendungen für Langzeitarbeitslose ausgeglichen



    Wieczorek (Duisburg)

    werden sollen, müssen Sie, auch wegen der Einnahmeverluste durch Ihre Steuerpolitik, da eingreifen. Das schadet nämlich sonst der örtlichen Beschäftigung und verhindert notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt. So darf das nicht weitergehen. Deshalb haben wir Sozialdemokraten die Übernahme der Sozialhilfekosten von den Gemeinden für Langzeitarbeitslose in Höhe von 4 Milliarden DM jährlich durch den Bund gefordert.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Ohne Finanzierung natürlich!)

    Deshalb führt an einer Entlastung der Kommunen von den Sozialhilfeaufwendungen für Pflegefälle kein Weg vorbei.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb war auch die Forderung der sieben nord- und westdeutschen Länder nach Übernahme von Sozialhilfeaufwendungen durch den Bund ein Schritt in die richtige Richtung. Leider ist der Ministerpräsident Albrecht ohne sachlichen Grund aus der gemeinsamen Front der sieben Länder ausgeschert, nur um das Steuerpaket der Bundesregierung, das auch Niedersachsen schwer trifft, nicht zu gefährden.
    Natürlich werden die Länder, Herr Finanzminister, die 2,4 Milliarden DM Strukturhilfen des Bundes nehmen, aber gemessen an der ursprünglichen Forderung ist das für Herrn Albrecht eine herbe Niederlage und für die strukturschwachen Länder eine schwere Enttäuschung.

    (Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Für die Gemeinden vor allem!)

    Wir Sozialdemokraten werden genau darauf achten, daß die Strukturhilfen des Bundes nicht zur Sanierung der Länderhaushalte verwandt werden. Es geht nicht an, daß Hilfen, wie im Haushaltsentwurf des Landes Niedersachsen vorgesehen, zum großen Teil einkassiert werden, nur um die Steuerausfälle aus der Steuerreform 1990 auszugleichen. Die Mittel sind für Städte und Gemeinden in Regionen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und hohen Sozialaufwendungen bestimmt. Gerade diese Städte und Gemeinden brauchen dieses Geld dringend, damit durch eigene Anstrengung etwas zur Überwindung der Strukturschwäche getan werden kann.

    (Beifall bei der SPD)

    Seit seinem Amtsantritt hat der Bundesfinanzminister systematisch eine Finanzpolitik auf dem Rücken der Länder und Gemeinden betrieben. Nicht nur die Kosten der Massenarbeitslosigkeit müssen zu einem wachsenden Teil von ihnen getragen werden, auch durch die Steuerpolitik werden sie weiterhin belastet. Während die Einnahmeausfälle aus der Steuerreform 1990 zu fast 60 % von den Ländern und Gemeinden getragen werden müssen, gehen die Mehreinnahmen aus den Verbrauchsteuererhöhungen nahezu vollständig an den Bund.

    (Walther [SPD]: Unglaublich!)

    Bis Ende 1992 bleibt dem Bund aus den steuerlichen Maßnahmen der Jahre 1989 und 1990 ein Einnahmeüberschuß von 9 Milliarden DM, die Länder dagegen verlieren 26 Milliarden DM und die Gemeinden zusätzlich noch einmal 9 Milliarden DM. Dabei ist die Verringerung des kommunalen Finanzausgleichs, die zwangsläufig eintritt, noch nicht einmal berücksichtigt. Das ist massive Umverteilung von unten nach oben, auch in der Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Mit einem fairen Miteinander hat das nichts zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glauben, daß Sie mit dieser einseitigen und kommunalfeindlichen Finanzpolitik auf Dauer durchkommen.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Kommunalfreundliche Finanzpolitik!)

    Die Länder werden Ihnen ihre Forderungen präsentieren, und das wird dann zusätzliche Löcher in Ihre Finanzplanung reißen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie sind 1982 mit dem Versprechen angetreten, die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger zu senken. Für die Bürger ist das Gegenteil herausgekommen: Der Bund der Steuerzahler hat Ihnen nachgewiesen, daß die durchschnittliche Abgabenbelastung der Arbeitnehmer seit 1982 von 39,8 % auf 42,2 % in diesem Jahr angestiegen ist. Trotz des beschlossenen Steuerpaketes wird 1990 die Abgabenbelastung nicht niedriger sein als heute. 1992 wird sie sogar bei 43,7 % liegen. Dieser massive Anstieg der Abgabenquote von 1982 bis 1992 bedeutet für die Arbeitnehmer eine Erhöhung ihrer Abgabenbelastung um 40 Milliarden DM jährlich. Da Sie mit Ihrer Steuerpolitik vor allem Bezieher hoher Einkommen entlasten, steigt die Lohn- und Einkommensteuer nach 1990 in Wirklichkeit höher als nach dem alten Tarif. Hören Sie also endlich auf, wahrheitswidrig von einer dauerhaften Entlastung der Bürger durch Ihre Steuerpolitik zu sprechen! Das Gegenteil ist richtig!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie setzen mit Ihrer Steuerpolitik den Marsch in den Lohnsteuerstaat faktisch ungebremst fort.
    Die schmerzhafteste Verfehlung Ihrer eigenen Ziele liegt aber darin, daß Sie die Arbeitslosigkeit nicht abgebaut, sondern weiter erhöht haben. „Die schlimmste soziale Unausgewogenheit wäre eine andauernde Arbeitslosigkeit von 2 Millionen Erwerbsfähigen oder gar noch mehr." Das hat Graf Lambsdorff in seinem Wende-Papier vom 9. September 1982 geschrieben.

    (Walther [SPD]: Otto, der Kandidat!)

    Das gilt! Recht hat er! Der Bundeskanzler Kohl hat damals den Abbau der Massenarbeitslosigkeit zum Schwerpunkt seiner Regierungstätigkeit erklärt. Noch 1985, vor drei Jahren, hat uns Herr Stoltenberg für 1990 die Vollbeschäftigung versprochen. So leichtfertig gehen Sie mit Ihrem Wort um!

    (Beifall bei der SPD)

    In den sechs Jahren Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Arbeitslosen nicht zurückgegangen, sondern um eine knappe halbe Million gestiegen. Mit Ihren Kürzungen der Mittel für Umschulung und Weiterbildung



    Wieczorek (Duisburg)

    bei der Bundesanstalt für Arbeit sorgen Sie selber dafür, daß die Massenarbeitslosigkeit dauerhaft über 2 Millionen bleibt. Die Bundesregierung hat hinsichtlich ihres wichtigsten Zieles, der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, kläglich versagt.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Bundesregierung hat ihre wichtigsten Versprechungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gebrochen. Sie hat ohne Not in einer Zeit weltweit günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen vollkommen versagt. Nach sechs Jahren konservativer Finanzpolitik bieten die öffentlichen Haushalte ein Bild der Zerrüttung. Es ist keine Perspektive erkennbar, wie die großen anstehenden Reformvorhaben, der Abbau der Massenarbeitslosigkeit und die Bewältigung wachsender ökologischer Probleme, sachgerecht bewältigt werden können.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Glauben Sie nicht, Sie seien mit Ihrer Steuer- und Finanzpolitik aus dem Gröbsten heraus, wenn Sie die Steuerbefreiung des Flugbenzins rückgängig gemacht und die Verbrauchsteuererhöhungen beschlossen haben. Glauben Sie nicht, Sie seien Ihre finanzpolitischen Probleme los, wenn Sie diesen Haushalt beschlossen haben! Die schlimmen Konsequenzen Ihrer verfehlten Steuer- und Finanzpolitik werden Sie weiter verfolgen.
    Unser Land kann sich den fortschreitenden Verfall politischer Führung nicht länger leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir brauchen einen Neuanfang in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens (Emstek).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit dem beginnen, mit dem mein Vorredner aufgehört hat. Er hat von der Notwendigkeit eines Neuanfangs gesprochen.

    (Beifall bei der SPD)

    Er ist in der Tat notwendig für die SPD-Bundestagsfraktion.
    Wir hörten soeben eine Aneinanderreihung von Vorwürfen und Behauptungen.

    (Becker [Nienberge] [SPD]: Aber auch Wahrheiten!)

    die kaum bis gar nicht mit Fakten untermauert worden sind. Die Berechtigung dieser Vorwürfe bricht in den meisten Fällen in sich zusammen, wenn man nur ein einziges Argument dagegen vorbringt: Wir müssen 1989 etwa 32 Milliarden DM neue Schulden — leider — aufnehmen. Im Jahre 1989 müssen wir aber allein für Zinsen 32,1 Milliarden DM aufbringen. Im Durchschnitt der letzten fünf, sechs Jahre haben wir
    nicht mehr Kredite aufgenommen, als wir Zinsen gezahlt haben.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Für deren Schulden! — Zuruf von der SPD: Unsinn!)

    Diese Zinsen sind für die Schulden aufzuwenden gewesen, die wir von der SPD übernommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: 011e Kamellen!)

    Das heißt, wenn wir nicht die Schulden mit der Zinslast hätten übernehmen müssen; hätten wir in den letzten Jahren überhaupt keine neuen Kredite aufzunehmen brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD Dr. Struck [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Diese Haushaltsdebatte — das darf man schon sagen — begann ja doch mit einer nicht sehr kleinen Überraschung; denn am gestrigen Vormittag war man noch allgemein davon ausgegangen, daß der Kollege Apel nach der Einbringung des Haushalts durch den Bundesfinanzminister als erster in der Debatte reden würde.

    (Dr. Vogel [SPD]: Und nun will die FDP Herrn Stoltenberg auswechseln!)

    Das kam nun anders. Ich kann mir vorstellen, daß Kollege Apel mit großer Bitternis und Enttäuschung von seinen Fraktionsämtern zurückgetreten ist. Nun weiß jeder, daß ich mit seiner finanzpolitischen Auffassung nie übereingestimmt habe; aber ich finde es doch schade und auch bezeichnend, daß offensichtlich für solche Männer wie Hans Apel mit seiner integren Persönlichkeit in der heutigen SPD, zumindest an angemessener Stelle, kein Platz mehr ist. Das ist höchst bedauerlich; mir persönlich tut das leid.
    Man kann annehmen, daß Kollege Apel nicht nur aus persönlichen Gründen zu diesem Rücktritt gekommen ist. Es werden auch sachpolitische Gründe vorhanden sein; ich denke allein an die Auseinandersetzungen und die Diskussionen auf Ihrem Bundesparteitag in Münster. Sie haben kein finanzpolitisches Konzept, und da ist es natürlich mißlich, finanzpolitischer Sprecher zu sein. Wie soll man aber auch mit solch unterschiedlichen Persönlichkeiten, wie es z. B. Herr Steinkühler und Herr Lafontaine sind, zu einem Gesamtkonzept kommen?

    (Dr. Vogel [SPD]: Immerhin Persönlichkeiten!)

    Herr Steinkühler weiß zwar genau, was er finanzpolitisch will. Aber das sind ausgetretene Pfade, die nicht einmal für Oppositionszwecke herhalten können. Herr Lafontaine scheint noch nicht genau zu wissen, was er will. Aber er weiß genau, daß das, was Herr Steinkühler für sein Konzept hält, auf keinen Fall funktionieren kann. Wie wollen Sie da zu einem Lösungsansatz für ein finanzpolitisches Gesamtkonzept kommen?
    Der heutige Tag und auch schon die letzten Wochen und Monate haben eindeutig bewiesen, daß sich die Finanzpolitik der SPD sowohl sachlich als auch personell in einer erheblichen Krise befindet. Auch die An-



    Carstens (Emstek)

    einanderreihung von Vorwürfen konnte heute ja nicht das Gegenteil beweisen.
    Demgegenüber möchte ich hier aus fester innerer Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition heute und nicht nur heute ihre Handlungsfähigkeit bewiesen haben mit den Beschlüssen für das Haushaltsjahr 1989, für das laufende Rechnungsjahr und mit den steuerpolitischen Entscheidungen, die notwendig waren, die wir rechtzeitig angekündigt haben und die wir auch durchziehen werden. Allen Unkenrufen zum Trotz und trotz gezielter Meinungsmache wird bei uns rechtzeitig entschieden, ohne Wenn und Aber.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Na, na! — Walther [SPD]: Auch wenn es falsch ist!)

    Ich denke an die vielen unterschiedlichen Vorschläge, die uns über Jahre ständig neu gemacht worden sind: Steuern vorziehen, höhere Steuerentlastung, geringere Steuerentlastung, Konjunkturprogramme auflegen. Die SPD hat uns über Jahre hinweg vorgeworfen, wir wollten die Mehrwertsteuer erhöhen. Ich kann dazu heute feststellen, daß wir unsere Linie eingehalten haben, daß die Bevölkerung weiß, worauf sie sich einstellen kann, und daß das auch in den nächsten Jahren so bleiben wird. Denn gerade diese finanzpolitische Linie trägt in entscheidendem Umfang dazu bei — ich möchte gleich erläutern, wie —, daß wir uns in einer gesunden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung befinden mit all den Vorzügen, die der Großteil unserer Bevölkerung davon hat.
    Auch wenn es unangenehm wird, auch dann, wenn wir in eine relativ schwierige Situation kommen — z. B. auf Grund weltwirtschaftlicher Ereignisse, auf Grund des ausgefallenen Bundesbankgewinns —, reagieren wir, sobald es möglich ist. So geschah es z. B. Anfang des Jahres 1988, als wir bewußt eine höhere Neuverschuldung in Kauf genommen haben, wobei wir aber auch verdeutlichen, daß wir sie dort begrenzen, wo es möglich ist — auf Grund eines relativ geringen Ausgabenanstiegs — , und dann auch gleichzeitig hinzufügen, daß wir schon im Jahre 1989 wieder in die Nähe von 30 Milliarden DM zurückkommen wollen.
    Nun hat der Finanzminister heute morgen zum Ausdruck gebracht, daß man noch nicht klar absehen kann, wo wir bei der Aufnahme der Neuverschuldung im Jahre 1988 abschließend landen werden, aber er hat auch zum Ausdruck gebracht, daß es sehr gute Chancen dafür gibt, daß wir in etwa die Höhe erreichen werden, die wir 1981 und 1982 — in einer gänzlich anderen Situation — gehabt haben. Wenn der Kollege Wieczorek soeben von einer „Notlage" gesprochen hat, dann mag er mit der Bezeichnung der Lage, die 1981/82 für die SPD vorgelegen hat, nicht ganz falsch liegen; sie ist aber richtiger bezeichnet, wenn ich sage, es war eine ausweglose, aussichtslose Lage mit ständig steigender Neuverschuldung. Wir aber haben mit dieser Summe für ein Jahr zu tun gehabt, weil wir — das wollten wir; das ist bewußt gemacht worden — schon zweimal, 1986 und 1988, die Steuern ganz erheblich gesenkt haben und den Bürgern das Geld zurückgegeben haben. Es gab einen, fast gänzlich entfallenen Bundesbankgewinn, es
    gab zusätzliche EG-Abführungen, und wir haben — das muß man bedenken — ein erheblich größeres Volumen des gesamten Haushalts, d. h. der prozentuale Anteil der Kredite liegt erheblich niedriger. Ähnlich verhält es sich mit dem viel größeren Bruttosozialprodukt unseres Landes. Wie gesagt, wir führen die Neuverschuldung innerhalb eines Jahres wieder in die Nähe von 30 Milliarden DM zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Fakten beweisen eindeutig den gewaltigen qualitativen Unterschied zwischen der Neuverschuldung von 1981 und der Neuverschuldung des Jahres 1988, und sie machen auch den qualitativen Unterschied zwischen Ihrer Finanzpolitik und unserer Finanzpolitik deutlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich habe soeben zum Ausdruck gebracht, daß unsere Finanzpolitik seit der Regierungsübernahme im Herbst 1982 für Stetigkeit und Klarheit, für Kontinuität und Verläßlichkeit gesorgt hat. Ich habe hinzugefügt, daß das auch in Zukunft so bleiben wird. Das hängt damit zusammen, daß wir eine ganz klare haushaltspolitische und finanzpolitische Vorstellung haben, und die sieht so aus, daß wir die Ausgabenzuwächse sehr eng begrenzen. Wir wollen den Staatsanteil zurückführen und den Privatanteil ausbauen. Wir tun das deswegen, weil wir glauben, daß es in den wirtschaftlichen Abläufen ohne erhöhte Privatinitiative keine Erfolge geben kann. Dadurch, daß wir die Ausgabenzuwächse abbremsen, und zwar ganz erheblich — im Laufe der letzten sechs Jahre auf durchschnittlich 2 % —, schaffen wir Spielräume in der Finanzpolitik, um zum einen die Neuverschuldung abzubauen, was wir in den ersten drei, vier Jahren der Regierungstätigkeit getan haben, und zum anderen, um die Steuern in gewissen Abständen regelmäßig zu senken. Diese Linie kann im Prinzip auch in den nächsten Jahren so beibehalten werden. Das Motto der damaligen Finanzminister Schmidt, Apel und Matthöfer hieß: mehr ausgeben als einnehmen.
    Meine Damen und Herren, unsere Politik, die wir nun seit 1982 so betreiben, ist nicht immer populär und kann auch nicht so ohne weiteres in Einzelheit erläutert werden, aber der Erfolg spricht für sie. Ich möchte an Hand von Einzelbeispielen deutlich machen, wie diese Politik wirkt. Selbstverständlich ist es einfacher, auf kurze Sicht zu neuen ausgabewirksamen Beschlüssen zu kommen, d. h. hier in diesem Hohen Hause zu beschließen: Dieser oder jener Bevölkerungsteil bekommt mehr Geld. Dann kann man durch die Lande fahren, um sich für die Wohltaten feiern zu lassen. Das haben Sie ein paar Jahre versucht, und das Ergebnis haben Sie genauso wie die Bevölkerung unseres Landes feststellen können.
    Wir setzen auf Steuersenkungen und auf zurückhaltende Ausgabenzuwächse, um die Privatinitiative anzuregen.
    Dabei ist der Neid, den Sie im Lande ausstreuen, als Argumentationshilfe kein guter Ratgeber. Selbstverständlich — das wissen wir auch — gibt es bei Steuerentlastungen immer wieder auch Bürger, die davon



    Carstens (Emstek)

    kaum Vorteile haben, und es gibt auch immer wieder Bürger, die nur wenige Vorteile davon haben.

    (Walther [SPD]: Und andere, die gar keine haben!)

    Daran muß man bei der Haushaltspolitik denken, wie wir es beispielsweise 1986 gemacht haben, als wir für diejenigen, die Kinder haben und kaum Steuerentlastungen wahrnehmen konnten, das Kindergeld angehoben haben. Das kann man aber nicht über die Steuerpolitik regeln.
    Man muß hierbei auch die Kehrseite der Medaille in Betracht ziehen. Der Staat hat die Pflicht, darauf zu achten, daß diejenigen, die soziale Leistungen erst ermöglichen, gerecht behandelt werden.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Friedmann [CDU/ CSU])

    Beide Seiten müssen in der Politik ihren Platz haben.
    Wir haben bei der Befolgung dieses Weges darauf geachtet, daß wir fast von Jahr zu Jahr neu diesen Anteil des Staates um ein halbes Prozent zurückgeführt haben. Es ist etwas unterschiedlich gelaufen, aber im Durchschnitt der Jahre war es so. 0,5 % des Sozialprodukts bedeuten 10 bis 12 Milliarden DM. Die Schere zwischen Staatsanteil und Privatanteil geht dadurch jedes Jahr um etwa 20, 25 Milliarden DM auseinander. Es ist ein ständig wiederkehrendes Konjunkturprogramm, es sind ständig neue Möglichkeiten für zusätzliche Privatinitiativen.
    Um das noch zu verdeutlichen: Wäre beispielsweise die Staatsquote 1988 noch so hoch wie 1982, dann würden die öffentlichen Haushalte allein im Jahre 1988 60 Milliarden DM mehr ausgeben, als sie es jetzt tun. Wäre die Steuerquote noch so hoch wie 1982, dann würden die Bürger allein in diesem Jahr 25 Milliarden DM mehr Steuern zahlen, als sie es jetzt tun. Das heißt, wenn man es auf die Neuverschuldung bezieht, zahlten unsere Steuerzahler 25 Milliarden DM mehr Steuern, und die Neuverschuldung bei allen öffentlichen Haushalten wäre um 35 Milliarden DM höher, als sie es jetzt ist.
    Stellen Sie sich eimal vor, meine Damen und Herren, was das hieße für die Zinshöhe, was das hieße für die Inflationsrate und was das heißen müßte für die realen Einkommen. Wie will man bei hohen Inflationsraten auf Dauer noch Realeinkommen erzielen? Was würden die Häuslebauer sagen, die ihre Abträge zu zahlen haben, wenn die Zinsrate 11, 12 oder 13 % wäre? Das wäre eine katastrophale Situation, in der wir uns befinden müßten, falls diese verhängnisvolle Politik von 1982 fortgesetzt worden wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Insofern kann man sagen, daß diese Haushalts- und Finanzpolitik mehr zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Wachstums und zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft beiträgt als alles andere sonst.
    Wir setzen nicht auf mehr staatliche Investitionen. Das Notwendige muß getan werden, und der Staatsapparat muß auch das nötige Geld zur Verfügung haben, um seine Aufgaben bewältigen zu können. Aber wenn es um neue zusätzliche wirtschaftliche
    Betätigung geht, um Investitionen, um die Schaffung von Arbeitsplätzen, dann setzen wir nicht auf den Staat, sondern dann wollen wir den Freiraum für die Privaten ausweiten; denn diese verstehen vom Wirtschaften viel mehr als jeder Staatsapparat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Sie sich einmal vorstellen, wie wir die Steuerentlastungen finanziert haben, dann spricht das allein für sich. Da verblaßt alles, was hier seitens der SPD vorgetragen wurde Ich erlebe oft auf Veranstaltungen, daß die Bürger erstaunt fragen: Wie konnten Sie denn zweimal — 1986 und 1988 — die Steuern um 25 Milliarden DM senken, ohne daß Sie bisher die Verbrauchsteuern erhöht haben? Wir haben schon zweimal die Steuer gesenkt, ohne daß wir auf der anderen Seite irgendwo Steuern angehoben hätten. Meine Damen und Herren, das hängt einzig und allein damit zusammen, daß die öffentlichen Haushalte — in der Federführung und an der Spitze mit dem Bundeshaushalt — nicht wie bisher alles das, was in der Wirtschaft neu erarbeitet wird, für sich in Anspruch nehmen, sondern sich bescheiden zurückhalten und nur das Nötigste für sich in Anspruch nehmen, um den Rest den Steuerzahlern zurückzugeben, wiederum zur Ausweitung der Privatinitiative.
    Die Wirtschaft ist in den letzten Jahren im Durchschnitt um sage und schreibe nominell 4,5 % gewachsen, der Bundeshaushalt nur um 2 %. Die Länderhaushalte und die Kommunen haben eine etwas größere Steigerung gehabt, aber das blieb zusammengenommen so um 3 %. Wenn man eineinhalb Prozent von der Wirtschaftsleistung seitens der öffentlichen Haushalte nicht selbst in Anspruch nimmt, dann sind das jährlich so etwa 8 bis 10 Milliarden DM. Wenn man die Jahre 1986, 1987 und 1988 zusammenzählt, dann haben wir damit ein Volumen von um die 25 Milliarden DM. Das ist genau der Betrag, den wir den Bürgern zur Verfügung gestellt haben. Das haben wir denen auf der anderen Seite nicht aus der Tasche gezogen, das haben wir niemandem sonst weggenommen, sondern dadurch, daß der Staat nicht — wie das bisher bei der SPD üblich war — alles selbst mit großen Händen in Anspruch genommen hat, konnten wir die Bürger schon zweimal hintereinander steuerlich entlasten, und das wird 1990 fortgesetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dann betrachte man bitte einmal, wie Steuersenkungen wirken. Es wird oft gesagt, sie seien nicht sozial ausgewogen. Ja, meine Damen und Herren, wir haben bei Familien mit zwei Kindern dafür gesorgt, daß bei etwa 24 000 DM die Besteuerung anfängt. Das war bei der SPD noch etwa bei 14 000 DM. Man muß sich das einmal vorstellen: Bei Familien mit zwei Kindern bei rund 14 000 DM. Da mußten sie feste Steuern bezahlen.

    (Walther [SPD]: Wann war das?) — Noch 1985, aus Ihrem Tarif.

    Jetzt haben wir bei Familien mit vier Kindern dafür gesorgt, daß sie den ersten Pfennig Steuern erst ab 31 000 DM Jahreseinkommen brutto zahlen müssen. Das war bei der SPD noch nach dem alten Steuertarif bei etwa 15 000 DM. Diese Familie mit einem Brut-



    Carstens (Emstek)

    toeinkommen von rund 31 000 DM mit vier Kindern wird aber um 2- bis 3 000 DM entlastet. Ich habe die Zahl gerade nicht im Kopf, aber es sind über 2 000 DM und unter 3 000 DM. Wenn ich nun eine solche Familie mit 2 000 DM bei den Steuern entlaste, dann ist das netto bar in der Tasche. Wenn ich das über Lohnerhöhung bringen wollte, dann müßte ich zunächst einmal den Bruttolohn um etwa 4 000 DM anheben, weil die andere Hälfte für Steuern und Sozialabgaben weggeht. Wenn ich dann aber diese Firma mit rund 4 000 DM belaste, dann kommen die Lohnnebenkosten mit ca. 80 % dazu.

    (Stratmann [GRÜNE]: Jetzt rechnen Sie doppelt!)

    Dann liege ich bei gut 7 000 DM, mit denen die Firma kostenmäßig belastet würde, damit die Familie 2 000 DM netto hat. Wenn ich aber die Steuern senke, wie wir es tun und wie wir es tun können, weil der Staat sich bei den Ausgaben zurückhält, dann kommen diese 2 000 DM bar in die Taschen der Familien, und Kosten entstehen nirgendwo.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In diesem Zusammenhang kommt manchmal der Vorwurf, es nähmen aber nicht alle teil. Das stimmt zwar; aber bei Umfragen ergibt sich, daß auf die Frage, ob sie mit ihrer eigenen finanziellen Lage zufrieden sind, nahezu 80 % sagen, sie seien zufrieden. Das hat es ja kaum gegeben.

    (Walther [SPD]: Das kann nur von Aliensbach kommen!)

    Nun sind immer noch 20 % da, die von sich aus sagen, sie seien nicht zufrieden. Wir wollen einmal die Hälfte streichen, denn 50 % kritisieren, auch ohne daß sie einen eigentlichen Grund dafür haben. Der Rest sind aber immer noch 6 Millionen in unserem Lande. Ich kann mir schon vorstellen, daß nicht wenige Landwirte dabei sind, kann mir schon vorstellen, daß auch Sozialhilfeempfänger dabei sind, auch Arbeitslose, die Arbeit haben möchten, selbstverständlich. Aber in dem Maße, wie die Regierung erfolgreiche Politik macht, in dem Maße, wie die Wirtschaft läuft, zu neuen Erträgnissen führt, in dem Maße kann auch unsere Politik auf Dauer denen helfen, die heute zu Recht noch nicht zufrieden sein können mit ihrer eigenen finanziellen Lage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)