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    Plenarprotokoll 11/89 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 89. Sitzung Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Unglücks bei der Flugschau in Ramstein 6059 A Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages, Bundesminister a. D. Dr. Johann Baptist Gradl 6059 B Nachruf auf das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Friedrich Schäfer 6059 D Verzicht der Abg. Dr. Wörner, Sauter (Ichenhausen) und Lemmrich auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 6060 A Eintritt der Abg. Jäger (Wangen), Graf Huyn und Frau Dr. Wegner in den Deutschen Bundestag 6060 B Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Buschfort, Sauter (Epfendorf), Koltzsch, Dr. Stercken und des Vizepräsidenten Stücklen 6060 B Erweiterung der Tagesordnung 6060 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 6060D, 6106B Wieczorek (Duisburg) SPD 6072 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6080 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 6085 C Dr. Weng (Gerlingen) FDP 6088 C Esters SPD 6093 B Dr. Rose CDU/CSU 6096 C Frau Rust GRÜNE 6100A Dr. Solms FDP 6101 D Frau Will-Feld CDU/CSU 6104 A Walther SPD 6108B Nächste Sitzung 6110 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6111 *A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 89. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 6. September 1988 6059 89. Sitzung Bonn, den 6. September 1988 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Mitzscherling 6. 9. Niegel* 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oostergetelo 9. 9. Pfuhl 6. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Frau Saibold 6. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Vosen 6. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Würtz 6. 9. Zierer * 6. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidungen zum Entwurf des Bundeshaushalts 1989 und der mittelfristigen Finanzplanung stehen unter dem Vorzeichen erheblicher neuer Anforderungen an den Staat, grundlegend verbesserter wirtschaftlicher Daten und Erwartungen sowie einer Neubestimmung von Ausgaben und Einnahmen im Verhältnis von Bund, Ländern und Europäischer Gemeinschaft. Der vorgelegte Etat setzt auch unter veränderten Bedingungen den Kurs sparsamer, verantwortungsbewuß-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    ter Verwendung der öffentlichen Mittel fort und trägt nach unserer Überzeugung dazu bei, das Wachstum unserer Volkswirtschaft weiter nachhaltig zu fördern.
    Wesentlich ist, daß die in diesem Jahr durch Sonderfaktoren vorübergehend erhöhte Neuverschuldung wieder deutlich zurückgeführt werden soll. Sie soll nach knapp 40 Milliarden DM 1988 auf weniger als 32 Milliarden DM im Jahre 1989 absinken. Die Bundesregierung will am Ziel dauerhafter stabiler Grundlagen für die öffentliche Finanzwirtschaft festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Ausgaben im Bundeshaushalt 1989 sollen um 4,6 % auf rund 288 Milliarden DM zunehmen. Der Anstieg ist damit deutlich höher als in den letzten sechs Jahren, als er durchschnittlich nur 2 % betrug. Diese einmalig erhöhte Wachstumsrate ist auf die vereinbarten zusätzlichen Leistungen des Bundes an strukturschwache Länder in Höhe von 2,45 Milliarden DM jährlich sowie auf Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit von 3,3 Milliarden DM zurückzuführen. Ohne diese Sonderfaktoren, die ich begründen werde, wäre der Ausgabenanstieg bei 2,5 % geblieben. 1990 soll der Zuwachs wieder auf etwa 2%, in den folgenden Jahren auf 2,5 To zurückgeführt werden.
    Meine Damen und Herren, wir haben es erneut erlebt: Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist in den Ablauf wirtschaftlicher Trends und ihrer manchmal kurzfristigen Schwankungen eingebunden. So sind gewisse Abweichungen von angestrebten Zielgrößen und quantitativen Orientierungen in einer Zeit des raschen Wandels der Daten und Prognosen unvermeidbar.

    (Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE]: So kann man es auch nennen!)

    — Im Augenblick geht der Trend erfreulicherweise wieder nach oben. Dazu spreche ich auch noch.
    Stetigkeit und Verläßlichkeit in der Finanzpolitik heißen deshalb — bei aller Flexibilität und Reaktionsfähigkeit — vor allem, langfristig an klar gesetzten Zielen und Grundsätzen festzuhalten und auch unter veränderten Bedingungen die für richtig erkannten Konzeptionen Zug um Zug zu verwirklichen.
    Für das laufende Haushaltsjahr 1988 hatten wir im Herbst letzten Jahres für die Nettokreditaufnahme einen Rahmen von 29,5 Milliarden DM vorgesehen. Die schon damals zu erwartenden, von uns in die Diskussion eingeführten, aber in der Größenordnung zunächst noch nicht abschätzbaren Einnahmeverluste durch erhöhte Finanzbeiträge an die Europäische Gemeinschaft sollten — wie ja bereits von der Koalition Anfang 1987 vereinbart und angekündigt — durch eine maßvolle Anhebung bei den Verbrauchsteuern ausgeglichen werden.
    Um den Jahreswechsel ergab sich jedoch eine erheblich veränderte Lage. Nach den weltweiten Erschütterungen an den Devisen- und Aktienmärkten wurden die Wachstumserwartungen für das Jahr 1988 beträchtlich zurückgenommen. Vor allem von der sozialdemokratischen Opposition wurde die Gefahr einer Rezession in düstersten Farben beschworen.
    Der in den letzten Wochen 1987 überraschend starke Kurseinbruch des US-Dollars erreichte Ende Dezember seinen Tiefpunkt. So entfiel die eingeplante Ablieferung des Bundesbankgewinns von rund 6 Milliarden DM auf Grund des plötzlich eingetretenen Abschreibungsbedarfs der Bundesbank nahezu völlig.
    Wir haben — ich will daran erinnern, meine Damen und Herren — in jenen Wochen der erheblichen Unruhe und des übergroßen Pessimismus den verbreiteten Forderungen nach hektischen Aktionen widersprochen. Wir sind froh, daß wir ihnen widersprochen haben und ihnen nicht gefolgt sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat und auch den führenden internationalen Organisationen rechneten wir ebenfalls mit einem verhalteneren Wachstum. Deshalb schätzten wir im Januar im Jahreswirtschaftsbericht eine Zunahme des realen Bruttosozialprodukts von nur 1,5 % bis höchstens 2 %. Ich will daran erinnern, daß uns diese vorsichtige Prognose damals heftige Kritik von der sozialdemokratischen Opposition und vielen Kommentatoren und den Vorwurf eingetragen hat, wir huldigten hier einem Zweckoptimismus.
    Auf Grund der vorhergesagten Wachstumsstokkung entschlossen wir uns, ein höheres Haushaltsdefizit vorübergehend hinzunehmen und die vorgesehene Anhebung der Verbrauchsteuern auf 1989 zu verschieben.
    Wir haben bereits am Jahresanfang eindeutig gesagt, daß die sich abzeichnende Neuverschuldung von etwa 40 Milliarden DM nur kurzfristig und nur einmalig vertretbar sei. Das Kabinett erklärte in seinem Beschluß vom 7. Januar, bereits im Haushaltsjahr 1989 müsse wieder eine Größenordnung von etwa 30 Milliarden DM angestrebt werden. Dabei haben wir massiven Forderungen nach zusätzlichen milliardenschweren und kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen ebenso widerstanden wie den vielfältigen Appellen — etwa von Wirtschaftsverbänden —, die Steuern noch schneller und umfassender zu senken.
    So konnten wir eine noch wesentlich höhere Ausweitung der Nettokreditaufnahme abwehren, erhebliche Zusatzbelastungen vom Bundeshaushalt abwenden, und — wie ich glaube — auch das Vertrauen in die Berechenbarkeit der Finanzpolitik stärken.

    (Zuruf des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    — Sie reden ständig vor sich hin. Aber es trägt zur Klärung der Probleme, die wir behandeln, wirklich nicht bei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich erinnere noch einmal an diese sorgenvollen und kritischen Debatten, an diese pessimistischen Vorhersagen; denn seit dem Jahresanfang hat sich der zunächst verhangene wirtschaftliche Horizont aufgehellt. Die Wachstumsdynamik verstärkt sich ganz erheblich. Das zeigen auch die gestrigen Zahlen über die Auftragseingänge des Monats Juli, die wir morgen in den Zeitungen lesen werden.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Zu einer über Erwarten guten Exportentwicklung kommen vor allem die erhebliche Steigerung der Binnennachfrage und als wichtigster Trend seit einigen Monaten ein sehr starker Anstieg der privaten Investitionen.
    Meine Damen und Herren, heute früh hat das Statistische Bundesamt Zahlen über die Wirtschaftsentwicklung im ersten Halbjahr 1988 veröffentlicht.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das haben Sie gut hingekriegt!)

    Ich möchte sie hier vortragen: Danach ist das Bruttosozialprodukt real um 3,9 % angestiegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der private Verbrauch wuchs um 3,2 %, der Staatsverbrauch — ich sage das als Finanzminister mit Genugtuung — nur um 1,9 %.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!) Die Bruttoinvestitionen nahmen um 11 % zu,


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    die Bauinvestitionen um 10,4 %. Ich unterstreiche das im Hinblick auf die großen Sorgen der Firmen der Bauwirtschaft und ihrer Mitarbeiter, die endlich wieder bessere Erfahrungen machen, was wir nur begrüßen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist ein eindrucksvolles Zwischenergebnis, über das wir uns alle freuen können. Für das ganze Jahr 1988 können wir jetzt mit einem realen Wachstum von mindestens 3 % rechnen. Sicher wird sich der Trend in dieser Zahl ein Stück abschwächen, aber die Auftragseingänge sprechen dafür, daß die positive Entwicklung anhält.
    Zu dieser positiven Wende hat unsere Finanz- und Wirtschaftspolitik einen maßgeblichen Beitrag geleistet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Dregger [CDU/CSU] : Das kann man wohl sagen!)

    Vor allem durch ein sehr hohes Maß an Preisstabilität und die Steuersenkungen — in diesem Jahr wird die Einkommen- und Lohnsteuer erneut um fast 14 Milliarden DM gesenkt — stiegen die real verfügbaren Einkommen der Bürger 1986 und 1987 nach den Feststellungen der Bundesbank jeweils um gut 4 % an. 1988 werden es voraussichtlich erneut 3,5 % sein.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Traumhaft, ein Traumergebnis!)

    Meine Damen und Herren, man muß in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sehr weit zurückgehen, um eine vergleichsweise eindrucksvolle Entwicklung über jetzt drei Jahre hinweg zu verzeichnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Zahlen widerlegen ja auch überzeugend die ständig — zuletzt in Münster — gebetsmühlenartig wiederholte Propagandaparole der SPD, unsere Politik sei gegen die Interessen der breiten Schichten der Bevölkerung gerichtet. Immer mehr Menschen wissen, was Preisstabilität für sie an sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt tatsächlich bedeutet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben an der Erneuerung und Vertiefung der scheinbar im Herbst gefährdeten internationalen Zusammenarbeit der Industrieländer in der Wirtschafts-, Währungs- und Handelspolitik aktiv und erfolgreich mitgewirkt. Es gibt bei allen unbestreitbaren Unterschieden im einzelnen eine wachsende Übereinstimmung zwischen ihnen in den vorrangigen Zielen. Dies wird in der Finanz- und vor allem Steuerpolitik der Industrieländer ebenso sichtbar wie in dem gemeinsamen Bemühen, zu extreme Ausschläge bei den Wechselkursen zu vermeiden, wie auch in den Verhandlungen über eine schrittweise Öffnung der Märkte.
    Wir gehen — das können wir heute schon sagen — mit dieser gestärkten Dynamik in das Jahr 1989. Die gute Konstitution unserer Volkswirtschaft begründet die Erwartung, daß der Aufschwung dann auch im siebten Jahr anhalten wird.
    Meine Damen und Herren, nach sechs Jahren ständiger Expansion wird es für die Opposition immer schwieriger, wirtschaftliche Erfolge glücklichen Zufällen zuzuschreiben. Zunächst — wir haben das zwei Jahre von Ihnen gehört, Herr Vogel, drei Jahre —

    (Dr. Vogel [SPD]: Vier Jahre!)

    sollten es nur die günstigen Exportbedingungen gewesen sein.

    (Walther [SPD]: Die waren es ja auch!)

    — Aber 1986 und 1987, Herr Walther, verminderte bereits der sinkende Außenbeitrag den Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts rechnerisch jährlich um über einen Prozentpunkt. Und jetzt sucht die Opposition — bisher vergeblich — nach Gründen, warum die von ihr angekündigte Stagnation oder Rezession in diesem Jahr ausblieb.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Dabei sind die Zusammenhänge nicht schwer zu erkennen:
    Wir haben seit 1982 den Zuwachs der öffentlichen Ausgaben, die Staatsquote und den Anteil der öffentlichen Kreditaufnahme am Bruttosozialprodukt zurückgeführt. Das war eine entscheidende Voraussetzung für mehr Preisstabilität und steigende private Investitionen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir verwirklichten gegen heftige Widerstände
    — das muß man sagen — die Steuerreform und sorgen damit für eine nachhaltige Verringerung der Steuerlast. Bis 1990 wird der Anteil der Steuern an der gesamtwirtschaftlichen Leistung mit 22,7 % den niedrigsten Wert seit 1960 erreichen. Das gilt unter Einbeziehung der von der Bundesregierung vorgeschlagenen maßgeblichen, nein: maßvollen Anhebung von Verbrauchsteuern.

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    — Ich verspreche mich gern noch einmal, wenn ich Ihnen damit eine so große Freude bereite. — Es bedeutet im Ergebnis eine wesentlich stärkere Anerken-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    nung beruflicher Leistung und auch unternehmerischer Erfolge.
    Wir haben über die Grundfragen und Einzelprobleme der Steuerreform bis zur Sommerpause hier immer wieder debattiert. Ich möchte in diesem Zusammenhang drei Punkte besonders betonen.
    Durch die Steuerreform wird die ganz überwiegende Mehrzahl der Bürger — auch unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Anhebung einiger indirekter Steuern — dauerhaft entlastet und nicht zusätzlich belastet, wie es die Opposition unverdrossen in völliger Verdrehung der Tatsachen behauptet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: He, he!)

    So vermindert sich für einen verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von 42 700 DM die sich im Zeitraum 1986 bis 1990 ergebende Bruttoentlastung von rund 2 000 DM durch die vorgeschlagenen Veränderungen bei den Verbrauchsteuern im Durchschnitt um rund 300 DM. Das sind die Relationen, die im Deutschen Bundestag einmal vorgetragen werden müssen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Höchste Zeit!)

    Durch die gleichmäßigere Erfassung der steuerpflichtigen Einkommen und den Abbau von Steuerprivilegien und Steuersubventionen wird unser Steuersystem

    (Dr. Vogel [SPD]: Sukzessive!)

    insgesamt gerechter und volkswirtschaftlich wirksamer gestaltet.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wunderbar! Hobbyflieger!)

    Der immer wieder beschworene Subventionsabbau erfolgt jetzt um 6 Milliarden DM. Unter Einbeziehung von bisherigen Ausnahmetatbeständen und Sonderregelungen sind es 13 Milliarden DM jährlich, die durch unsere gesetzgeberische Entscheidung abgebaut wurden.

    (Walther [SPD]: Die Nachtzuschläge!)

    In immer mehr westlichen Industrieländern werden übrigens dieselben Grundgedanken bei der Reform der Steuersysteme verwirklicht. In den letzten Monaten, seit wir zum letzten Mal über internationale Trends der Steuerpolitik geredet haben, haben auch Italien und Belgien vergleichbare Konzepte eingebracht, übrigens bei sozialistischer Regierungsbeteiligung in beiden Ländern, mit einer Absenkung des Spitzensteuersatzes und einer generellen Verringerung des Tarifverlaufs.
    Wir stehen im internationalen Wettbewerb der Steuersysteme um unternehmerische Investitionen und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.

    (Roth [SPD]: Sie machen doch nichts!)

    Es geht um die spürbare Reduzierung der Steuersätze bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, um die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Verringerung steuerlicher Vergünstigungen. Es wäre verhängnisvoll, diesen internationalen Trend weiterhin zu ignorieren.
    Sozialdemokraten — das zeigen die Beratungen in Münster — leisten sich immer noch diesen Luxus.

    (Bohl [CDU/CSU]: Ja!)

    Aus ihrem erst kürzlich zurückgezogenen Alternativkonzept zur Steuerreform der Bundesregierung geht hervor, daß ein wirklicher Abbau der Progression im Einkommensteuertarif von ihnen nicht gewollt wird, daß Steuererleichterungen für Betriebe, die wir seit 1983 verwirklicht haben, sogar in wichtigen Punkten zurückgenommen werden sollen.
    Zu solchen steuerpolitischen Vorstellungen schrieb die Wochenzeitung „Die Zeit" am 29. April 1988
    — ich zitiere mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten — :
    In nahezu allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft und in den wichtigen Konkurrenzländern der Bundesrepublik und auf den Weltmärkten sind die Regierungen dabei, die Steuerlast für ihre Unternehmen zu senken. Das Kontrastprogramm der SPD-Kommission paßt dazu wie die Faust aufs Auge .. .

    (Dr. Dregger [CDU/CSU] : Jawohl!) Gegen den Strom

    — so schreibt die von Helmut Schmidt herausgegebene Wochenzeitung —
    sollte eine Opposition schon schwimmen, aber nicht gegen den Rest der Welt.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Mit wie wenig die Herrschaften zufriedenzustellen sind! Bescheiden! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sie müssen für die SPD erklären, wer Helmut Schmidt ist! — Heiterkeit)

    — Ja, für einige ist das nötig.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Der Herr Vogel kennt Helmut Schmidt nicht mehr! — Dr. Vogel [SPD]: Waigel in Hochform!)

    Knapper und treffender kann eine Bewertung des Beitrags der SPD zur aktuellen Steuerdiskussion kaum formuliert werden. Dieses Bild der Orientierungslosigkeit, Herr Kollege Vogel, ist in den letzten Tagen auf dem Münsteraner Parteitag nachhaltig bestätigt worden.
    Ihr langjähriger finanzpolitischer Sprecher, Herr Dieter Spöri

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bohl [CDU/CSU]: Ach so!)

    — ich meine jetzt wirklich Spöri —

    (Dr. Vogel [SPD]: Der Repräsentant Schleswig-Holsteins, Björn Engholm!)

    — es ist doch nichts dagegen einzuwenden, daß ich das sage, Herr Vogel; er war doch Ihr langjähriger finanz- und steuerpolitischer Sprecher —,

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    forderte in einem Interview im „Handelsblatt" einen Sonderparteitag zur Steuerpolitik und erklärte — ich zitiere — :



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Die Widersprüche unserer Vorstellungen müssen endlich diskutiert werden.
    Es fragt sich, was Sie die ganzen Jahre gemacht haben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Er sagte weiter:

    Die Steuerdiskussion ist zu lange übertüncht worden.
    Ich habe heute morgen im Protokoll des Parteitages
    — es ist lesenswert —(Dr. Vogel [SPD]: Sehr richtig!)

    festgestellt, daß er das am 31. August im Plenum noch härter formuliert hat. Auch das möchte ich mit der Genehmigung des Präsidenten sagen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Die brauchen Sie gar nicht!)

    — Doch.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aber die brauchen Sie gar nicht!)

    Sie haben es gehört, aber wir noch nicht. Deswegen will ich es hier mal vortragen. — Meine Damen und Herren, Herr Spöri sagte — ich zitiere — :
    Zur Steuerpolitik möchte ich eines sagen: Die wirtschaftliche Aussage dieses Parteitages leidet fundamental an ungeklärten steuerpolitischen Gegensätzen, die wir seit Jahren verkleistern, von Parteitag zu Parteitag in Form eines Verschiebebahnhofs verschieben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Seiters [CDU/CSU]: Das sind die Hobbypolitiker!)

    Ich muß sagen: Der Realitätssinn und die Offenheit der Beschreibung der Situation der SPD haben bei Herrn Spöri sichtbar zugenommen, seitdem er seinen Standort von Bonn nach Stuttgart verändert hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie können doch noch alle diese erstaunlichen Reden hier vor der Steuerreform erinnern. Da klang es ganz anders.
    Im Mittelpunkt seiner Vorstellungen stehe — so sagte Spar" — die Senkung des Energieverbrauchs mittels einer Energiesteuer für Privathaushalte. Er hat auch gesagt, die Lohn- und Einkommensteuer solle weiter gesenkt werden. Das haben dann andere entschieden kritisiert. Zur neuerlichen Veränderung des von der Koalition herabgesetzten Spitzensteuersatzes wollte sich Spöri im Interview mit dem „Handelsblatt" nicht näher äußern. Er wolle sich nicht festlegen. Auch das ist eine interessante Tatsache, wenn wir all das hier erinnern, was uns an furchtbaren Dingen gesagt wurde.
    Demgegenüber kritisierte der Kollege Apel

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist das denn?)

    die von Spöri und auch von vielen anderen SPD-Politikern geforderte Erhöhung von Verbrauchsteuern mit Argumenten, die wir von ihm auch aus dem Deutschen Bundestag kennen, allerdings vergebens, so
    muß man nach dem Ablauf in Münster sagen. Herr Apel sagte:
    Wir dürfen auch nicht indirekt Schützenhilfe für Stoltenbergs Verbrauchsteuererhöhungen leisten.
    Bei Herrn Roth klang das dann wieder ganz anders. Herr Roth sagte:
    Die SPD wirft Herrn Stoltenberg nicht vor, daß er die Mineralölsteuer erhöht.
    Ganz überraschend — nach manchen Reden vor der Sommerpause.
    Wir werfen ihm vor, daß er sie für den falschen Zweck erhöht, nämlich zum Stopfen von Haushaltslöchern.
    Jetzt müssen Sie sich mal verständigen, was eigentlich Sache ist, meine Damen und Herren der SPD.

    (Roth [SPD]: Das ist Sache!)

    Wenn Spöri, Hauff, Lafontaine und sehr starke Kräfte in der SPD den privaten Energieverbrauch durch eine massive Besteuerung absenken wollen
    — in den Antragsunterlagen, die Herr Hauff vor der Öffentlichkeit verkündete, stand eine Größenordnung von 80 Milliarden DM bei den Energiesteuern —, dann denken sie an ein Vielfaches an Steuerbelastungen für die Verbraucher und Betriebe im Vergleich zu unseren, vom Kollegen Apel immer wieder heftig kritisierten Vorlagen für die maßvolle Anhebung indirekter Steuern. Das gehört zur Bilanz von Münster. Und das muß hier im Deutschen Bundestag einmal gesagt werden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Apel, wir haben hier in den vergangenen sechs Jahren oft engagierte und auch harte Debatten miteinander geführt. Ich möchte Ihnen heute persönlich Respekt für Ihre Entscheidung bekunden, Ihre Fraktionsämter niederzulegen, auch Respekt für Ihren unermüdlichen Einsatz für Ihre Partei und für unsere parlamentarische Demokratie.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, die Erfolge der internationalen Kooperation in der Finanz- und Währungspolitik werden von manchen Kritikern ebenso gerne übersehen wie diejenigen unserer Steuerreformpolitik. Dem sogenannten Louvre-Akkord vom Februar 1987, der Vereinbarung der großen westlichen Industrieländer über die bessere Abstimmung der Finanz- und Währungspolitik auch mit dem Ziel größerer Stabilität bei den Wechselkursen und ausgeglichenerer Handelsbeziehungen, wurde vielfach der Mißerfolg prophezeit. Nachdem der Wertverfall des Dollars lange Zeit unaufhaltbar erschien, steht der Dollar heute übrigens einige Pfennig über dem Kurs vom Februar 1987, dem Zeitpunkt, als wir in Paris diese Vereinbarung trafen. Die Zentralbanken Europas und der USA haben in bestimmten kritischen Situationen
    — wie Sie wissen — durch erhebliche Interventionen die Märkte beeindruckt. Sie werden dies, falls erforderlich, auch in Zukunft tun, wobei wir wissen, daß Interventionen alleine nicht helfen. Die fundamenta-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    len Entwicklungen der Politik und der Daten der großen Industrieländer erfordern mehr Konvergenz.
    Stabilere Wechselkurserwartungen haben die Exportbedingungen in allen beteiligten Ländern wesentlich verbessert. Die Anpassung, insbesondere bei den Leistungsbilanzsalden, hat begonnen. Die Tatsache, daß dieser Prozeß zu ausgeglicheneren Daten zwischen den Industrieländern immer noch vergleichsweise langsam vorankommt, unterstreicht, wie notwendig die Erhaltung realistischer und stabiler Bedingungen für den internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen ist. Eine stärkere Abweichung des Dollarkurses vom gegenwärtigen Niveau würde bei uns wie in unseren Partnerländern neue Probleme bei Zinsen, Preisen und im Außenhandel hervorrufen.
    Enge Zusammenarbeit und zunehmende Stabilität des Dollarkurses haben vor allem das Europäische Währungssystem vor schwerwiegenden Turbulenzen bewahrt. Entgegen immer wieder anders lautenden Prophezeiungen haben die am 17. Januar 1987, also vor 20 Monaten, vereinbarten Leitkurse weiterhin Bestand. Ich sage das mit großer Befriedigung. Als wir damals nach einer Wechselkursveränderung von knapp 3 % im Europäischen Währungssystem aus Brüssel zurückkamen, haben uns viele Experten erklärt, das würde höchstens vier Monate halten. Es hält seit 20 Monaten! Das ist sehr wichtig; denn bei einem Anteil der westeuropäischen Länder von 50 % am deutschen Export bedeutet dies für eine sehr große Zahl unserer Betriebe und ihrer Mitarbeiter sichere Kalkulationsgrundlagen.
    Diese auf der Grundlage längerfristig angelegter wirtschafts-, finanz- und währungspolitischer Entscheidungen erreichten Erfolge bestärken uns darin, am eingeschlagenen Kurs festzuhalten.
    Neue Aufgaben ergeben sich vor allem in folgenden Bereichen:
    Wir haben vor der Sommerpause im Zusammenhang mit der Gesetzesinitiative Niedersachsens vereinbart, durch Strukturhilfen des Bundes noch stärker zu gleichgewichtigeren Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern und Regionen beizutragen. Wir haben hierfür längerfristig jährlich 2,45 Milliarden DM vorgesehen. Wir werden den Gesetzentwurf in Kürze einbringen. Der Bund stärkt damit die Investitionsfähigkeit der anderen Gebietskörperschaften.
    Meine Damen und Herren, im Vergleich zu 1982 hat die Bundesanstalt für Arbeit ihre Leistungen für aktive Arbeitsmarktpolitik im laufenden Jahr mehr als verdoppelt. Darüber hinaus wurden wesentliche Verbesserungen beim Arbeitslosengeld eingeführt. Auf Grund des sich abzeichnenden Defizits der Bundesanstalt für Arbeit sind zwei Maßnahmen vereinbart worden. Die an sich fällige Erhöhung der Beiträge unterbleibt, um die Lohnzusatzkosten nicht anzuheben. Das ist eine gut begründete, für die Haushaltspolitik aber nicht unproblematische Entscheidung,

    (Zustimmung bei Abgeordneten der FDP)

    denn wir müssen 1989 einen Zuschuß von 3,3 Milliarden in den Bundeshaushalt übernehmen. Zugleich
    werden gesetzliche und freiwillige Leistungen der Bundesanstalt um 1,8 Milliarden DM zurückgeführt.
    Durch die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 11. bis 13. Februar dieses Jahres werden die finanziellen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft erheblich gestärkt. Damit ist die Finanzierung der erweiterten vertraglichen Aufgaben der Gemeinschaft gesichert und vor allem die Möglichkeit geschaffen, durch eine spürbare Aufstockung der Strukturfonds zu einer gleichmäßigeren wirtschaftlichen Entwicklung in den schwächsten Mitgliedstaaten beizutragen.
    Wir stärken damit nicht nur den Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Vor allem schaffen wir so wesentliche Voraussetzungen für die Verwirklichung des Binnenmarktes bis 1992, für einen großen reformerischen Schritt, der Europa entscheidend voranbringen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Binnenmarkt soll Europas Stellung in einer sich verändernden Weltwirtschaft stärken, und er wird so allen Bürgern Vorteile bringen.

    (Stratmann [GRÜNE]: So ein Märchen! — Frau Garbe [GRÜNE]: Ganz vorsichtig! Fragen Sie mal Herrn Töpfer!)

    Wir sind fest davon überzeugt, daß ein großer gemeinsamer Markt allen Bürgern Vorteile bringt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

    Wie wollen Sie denn die grenzüberschreitenden ökologischen Probleme lösen, wenn nicht durch mehr Gemeinsamkeit in Europa die erforderlichen Strukturen geschaffen werden, meine Damen und Herren? Auch das ist eine Voraussetzung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Stratmann [GRÜNE]: Sie schaffen doch dadurch ökologische Probleme! — Frau Garbe [GRÜNE]: Fragen Sie mal Herrn Töpfer, der sieht das ganz anders!)

    Aber dieser Binnenmarkt bedeutet nicht Abschottung nach außen, wie jetzt von einigen Kommentatoren in den Vereinigten Staaten oder Japan zu Unrecht befürchtet wird. Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern im Frühjahr bei der Verabschiedung der wegweisenden EG-Richtlinie über die Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der Gemeinschaft festgelegt, daß dadurch die Freizügigkeit der Kapitalbewegungen über die EG hinaus in keiner Weise behindert wird. Dasselbe freiheitliche, liberale Prinzip wird die Bundesregierung auch bei den anderen anstehenden Entscheidungen leiten.
    Der Bund wird bereits in diesem Jahr auf über 4 Milliarden DM Einnahmen zugunsten der Europäischen Gemeinschaft verzichten. Bis 1992 wird sich dieser Betrag schrittweise auf über 9 Milliarden DM erhöhen.
    Meine Damen und Herren, aus den drei genannten neuen Aufgabenschwerpunkten ergeben sich bis 1992 jährliche Ausgaben und Mindereinnahmen für uns von rund 11 bis 12 Milliarden DM. Die vorgese-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    heue Anhebung der Verbrauchsteuern wird nur einen Teil des zusätzlichen Finanzbedarfs decken. Weitere 2 bis 3 Milliarden DM jährlich müssen durch eine sehr sparsame Ausgabengestaltung aufgefangen werden.
    Die positive Wirtschaftsentwicklung dieses Jahres führt auch zu höheren Steuereinnahmen. Das gilt erfreulicherweise vor allem für die Städte und Gemeinden. Sie verzeichneten im ersten Vierteljahr ein Plus von über 7 %. Für das zweite Quartal haben wir bisher die Zahlen über die Gewerbesteuereinnahmen. Sie stiegen im zweiten Quartal um 11.6 % an. Die dusteren Vorhersagen, vor allem des Deutschen Städtetages und seiner bekannten Präsidenten, der Oberbürgermeister Rommel und Schmalstieg, über die Wirkungen unserer Steuerpolitik sind durch diese erfreuliche Entwicklung des Jahres 1988 bereits völlig widerlegt worden, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    — Natürlich, Herr Vogel; wir senken in diesem Jahr die Einkommen- und Lohnsteuer um fast 14 Milliarden DM. Das ist eingebettet in ein gesamtwirtschaftliches Konzept, das Wachstumsimpulse fördert und sich bei den Kommunen gut auswirkt. Ich bin sicher, daß sich dies 1990 so wiederholen kann.

    (Dr. Struck [SPD]: Aber es gibt doch regionale Unterschiede!)

    — Darauf komme ich gleich noch; auf diesen Punkt komme ich noch.

    (Dr. Vogel [SPD]: Albrecht kommt noch! Rommel war schon dran!)

    — Ich komme gleich noch auf die regionalen Unterschiede.
    Für den Bund verläuft der positive Trend etwas verhaltener. Wir rechnen 1988 mit Mehreinnahmen von etwa 1,5 Milliarden DM, die zur Verringerung der im vorgelegten Nachtragshaushalt mit 39,2 Milliarden DM geschätzten Nettokreditaufnahme verwendet werden sollen.
    Erfreulich ist, meine Damen und Herren, daß sich die sehr verhaltene Ausgabenentwicklung unseres Haushalts in diesem Jahr fortsetzt. Sie dürfte etwa bei dem Haushaltssoll mit einem Zuwachs von nur 2,4 % verlaufen und abschließen.
    Bei aller Genugtuung über die verbesserten Einnahmen — die Neuverschuldung ist immer noch zu hoch. Wir wollen mittelfristig die Kreditaufnahme des Bundes wieder auf die 1985 und 1986 erreichte Größenordnung von 20 bis 24 Milliarden DM zurückführen, auf rund 1 % des Bruttosozialprodukts.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das erzählen Sie jedes Jahr!)

    Der entscheidende Grund dafür ist die Entwicklung der Zinsausgaben. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben des Bundes stieg in den Jahren von 1969 bis 1982 von 2,7 % auf 9 %. Mit verlangsamtem Tempo steigt die Zinsquote bis 1992 auf rund 121/2 % an. Jede Milliarde Nettokreditaufnahme belastet den Bundeshaushalt
    mit Zinszahlungen dauerhaft in einer Größenordnung von etwa 60 bis 70 Millionen DM jährlich.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Wo soll das hinführen?)

    Die Entscheidungen der Bundesregierung zur Finanzierung des Bundeshaushalts 1989 gewinnen nach meiner Überzeugung dadurch an Gewicht, daß eine in sich schlüssige Alternative in der öffentlichen Diskussion bisher nicht vorgelegt wurde. Vor allem die Opposition ist auch in den Fragen der Gestaltung der öffentlichen Etats in ihren Forderungen und ihrer Kritik in tiefe Widersprüche verstrickt.
    Bis ins Frühjahr überboten sich Vertreter der SPD mit angeblich realistischen Vorausschätzungen der drohenden Deckungslücke im Bundeshaushalt. Ich zitiere, Herr Dr. Vogel, Ihren Beitrag aus der „Eßlinger Zeitung" vom 7. April 1988. Das ist nicht lange her. Sie haben damals geschrieben:
    In Wahrheit wird die Neuverschuldung
    — für 1988 —
    jedoch auf mindestens 45 Milliarden DM steigen.
    Dann haben Sie gesagt:
    Im Jahr 1990 wird selbst bei kräftig erhöhten Verbrauchsteuern das Defizit im Bundeshaushalt bei mindestens 50 Milliarden DM liegen.
    Noch am 24. Juni, Herr Vogel, haben Sie Ihre Prognose zur Finanzierungslücke des Bundes in der Debatte über die Regierungserklärung weiter gesteigert. Sie haben gesagt: rund 170 Milliarden DM für die Jahre 1989 bis 1991.

    (Dr. Vogel [SPD]: Deckungslücke!)

    Wir rechnen mit einer Größenordnung von rund 100 Milliarden DM für diese Zeit, eher etwas weniger als mehr.

    (Dr. Vogel [SPD]: Deckungslücke!)

    Da muß ich sagen: Die Abweichung zwischen bisherigen Daten und Prognosen ist bei Ihnen ein bißchen zu groß, selbst wenn man der Opposition — selbstverständlich — einen Rabatt einräumt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Man muß genauer lesen, Herr Stoltenberg!)

    Ich möchte Ihnen, nachdem ich im Fernsehen Kernsätze Ihrer Parteitagsrede in Münster gesehen habe, auch in einem anderen Punkt zur Vorsicht raten.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Fernsehen bildet!)

    Sie verkünden überall, in diesem Jahr hätten wir die
    höchste Kreditaufnahme der Nachkriegszeit. Seien
    Sie vorsichtig. Es ist nicht sicher, aber es ist möglich,
    — ich habe von einer Größenordnung von 38 Milliarden DM nach der letzten Schätzung gesprochen —, daß wir etwas unter den Neuverschuldungszahlen der beginnenden 80er Jahre liegen. Wir wissen das erst Anfang nächsten Jahres. Ich sage Ihnen das aber vorsorglich, um Sie nach so krassen Fehlprognosen



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    der letzten Monate vor weiteren falschen Aussagen nach Kräften zu bewahren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Über Prognosen müssen gerade Sie reden!)

    Zugleich werden von der SPD ständig Forderungen nach Mehrausgaben und Sonderprogrammen erhoben, die jeden Rahmen vertretbarer Finanzpolitik sprengen. Allein die im Zeitraum der Haushaltsberatungen für dieses Jahr von Ihrer Fraktion gestellten Anträge, Forderungen und Initiativen hätten in diesem Jahr zu Mehrbelastungen von 10 Milliarden DM geführt. Die haben Sie in Ihre schlechten Prognosen wahrscheinlich schon eingerechnet. Glücklicherweise haben wir sie alle abgelehnt, meine Damen und Herren. Das war sicher richtig.
    Die wirklichen Grundprobleme der Finanzsituation des Bundes stellen sich in einer ganz anderen Weise. Von der Mitte der 50er bis Anfang der 70er Jahre betrug der Anteil des Bundes am Gesamtsteueraufkommen mehr als 50 %. Das hat mein Vorgänger Fritz Schäffer, überzeugter bayerischer Föderalist, in den Auseinandersetzungen mit Ländern und Gemeinden einmal durchgesetzt. 1982 waren es noch 48,4 % In diesem Jahr wird der Anteil des Zentralstaats am Gesamtsteueraufkommen auf 45,2 % sinken. Im Vergleich zu 1982 sind das 15 Milliarden DM jährlich, die uns jetzt auf der Einnahmeseite fehlen, die an die Länder und Gemeinden und an die EG gegangen sind. Wäre der Anteil des Bundes an den Steuereinnahmen auf dem Stand von 1982 geblieben, würden wir für dieses Jahr nicht von knapp 40 Milliarden DM, sondern von weniger als 25 Milliarden DM Nettokreditaufnahme reden, und für das nächste Jahr würde es nicht um eine Neuverschuldung von etwa 30 Milliarden DM, sondern etwa 15 Milliarden DM gehen.
    Meine Damen und Herren, ich sage das in aller Klarheit: Die strukturelle Schwächung der Einnahmebasis des Bundes auch im Verhältnis zu den Steueranteilen von Ländern und Gemeinden kann nicht weitergehen, wenn der Zentralstaat seine wachsenden Aufgaben im internationalen Bereich und seine Verpflichtungen in der Innenpolitik langfristig erfüllen soll; auch dies muß im Deutschen Bundestag einmal angesprochen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich ist das auch ein maßgebender Grund dafür, daß wir uns im Grundsatz darauf verständigt haben, im Hinblick auf die Steuerabführung an Europa einen Ausgleich bei den indirekten Steuern zu suchen.
    Im Vergleich zur Lage des Bundes ist die finanzielle Situation der Gemeinden entgegen vielfachen Klagen im Durchschnitt wesentlich günstiger. Unbestritten, meine Damen und Herren, sind regionale Unterschiede, vor allem die ernsten Probleme und Belastungen mancher Städte in strukturschwachen Regionen. Aber insgesamt gilt folgendes: Der Anteil der kreditfinanzierten Ausgaben der Gemeinden an den Gesamtausgaben lag 1987 mit 1,9 % erheblich unter dem entsprechenden Wert des Bundes, der sich auf 10,2 % belief. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Gemeinden in jenem Jahr um 3,8 %; bei uns waren es, wie Sie wissen, 2,9 %.
    Im Mittelpunkt finanzpolitischer Entscheidungen wird auch weiterhin die Förderung international konkurrenzfähiger Bedingungen für private Investitionen, für mehr Beschäftigung und wirtschaftliche Expansion stehen müssen. Für die nächste Legislaturperiode haben wir uns eine weiterreichende Reform der Unternehmensteuern vorgenommen. Mit den Vorarbeiten hierfür werden wir noch in diesem Jahr beginnen.
    Die Privatisierung industrieller Bundesbeteiligungen konnte in diesem Jahr mit der Veräußerung der verbliebenen VW-Anteile des Bundes und der Vollprivatisierung der VIAG AG vorangebracht werden.

    (Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Weitere Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Banken, Deutsche Pfandbriefanstalt, bei der wir an eine Vollprivatisierung denken, Deutsche Siedlungs-
    und Landesrentenbank — eine Teilprivatisierung —, werden zur Zeit vorbereitet.
    Mehr Wettbewerb werden wir auch durch die Stärkung unternehmerischer Strukturen im Bereich der Deutschen Bundespost und die angestrebten beweglicheren Regelungen im Sektor der Dienstleistungen und des Ladenschlusses erreichen.
    Die Problematik des Subventionsabbaus haben wir oft diskutiert. Forderungen nach sehr drastischen Einschränkungen sind rasch gestellt, aber Einschnitte im System der zum Teil sozialpolitisch begründeten, zum Teil durch Verträge und Vereinbarungen langfristig festgelegten Zahlungen sind immer wieder sehr mühsam. Das Volumen der Finanzhilfen des Bundes wird durch Sonderentwicklungen von 15 Milliarden DM im Jahre 1988 auf 16,7 Milliarden DM im Jahre 1989 ansteigen. Das ist nicht einer der Glanzpunkte des Haushalts — ich sage es Ihnen ganz offen — , nur muß man dann natürlich auch die Gründe sehen: Allein 1,2 Milliarden DM hiervon sind auf die erhöhte Kokskohlenbeihilfe — auch eine Folge des Wechselkurses — und den als Folge der EG-Beschlüsse neuen soziostrukturellen Einkommensausgleich an die Landwirtschaft zurückzuführen. Dafür gehen allerdings die Steuersubventionen, wie bereits erwähnt, durch die Steuerreform ab 1990 erheblich und zusätzlich durch die parallele Verringerung der Vorsteuerpauschale für die Landwirtschaft ab 1989 noch einmal um 1,1 Milliarden DM zurück. Im Finanzplan wollen wir die Finanzhilfen weiter zurückführen.
    Allein die Unterstützung des deutschen Kohlebergbaus erfordert im nächsten Jahr Bundesmittel in Höhe von 3,7 Milliarden DM; ich rechne dabei die Subventionen für die Knappschaft gar nicht mit. Die — inzwischen allerdings wieder etwas günstigere — Entwicklung beim Dollarkurs und bei dem von ihm abhängigen Weltmarktpreis für Kohle läßt angesichts der vertraglichen Verpflichtungen und der im letzten Jahr getroffenen Entscheidungen zur sozialen Flankierung des Kapazitätsabbaus zur Zeit kaum Spielraum für Subventionsabbau in diesem Bereich.
    Der optisch starke Anstieg der Agrarausgaben um 11,6 % auf 9,5 Milliarden DM im nächsten Jahr ist im wesentlichen das Ergebnis der genannten haushalts-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    neutralen Umschichtung von einer Steuersubvention auf eine Ausgabensubvention.
    Hinzu kommen die während der deutschen Präsidentschaft vereinbarten Maßnahmen zur Begrenzung der Überschußproduktion. Dazu gehören der Einkommensausgleich an bäuerliche Betriebe bei Flächenstillegung und Extensivierung sowie die Produktionsaufgaberente.
    Meine Damen und Herren, die Verantwortung für künftiges Wachstum und mehr Beschäftigung liegt nicht allein im Bereich staatlicher Tätigkeit und verbesserter Rahmenbedingungen. Vor allem müssen auch die Tarifvertragspartner ihrer großen Verantwortung für das verstärkte Angebot an bezahlbarer Arbeit noch nachhaltiger Rechnung tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die vielfach beklagten, sicherlich überhöhten Lohnzusatzkosten in der Bundesrepublik Deutschland beruhen zu mehr als der Hälfte auf tarifvertraglichen Regelungen. Vor allem die Tarifpartner haben es in der Hand, durch sachgerechte und differenzierte Lohnabschlüsse zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beizutragen.
    Zwischen 1970 und 1982 sind die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik im Jahresdurchschnitt um 5,7 % gestiegen. Gleichzeitig gingen 600 000 Arbeitsplätze verloren. Demgegenüber hat der wesentlich verhaltenere Anstieg der Lohnstückkosten — plus 1,4 % im Jahresdurchschnitt 1983 bis 1987 — maßgeblich dazu beigetragen, daß in den letzten fünf Jahren die Zahl der Arbeitsplätze um mehr als 800 000 zunahm.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vor allem in einer stärkeren Differenzierung der Tarifabschlüsse nach Branchen und Regionen liegt der Schlüssel zur mittelfristigen Bewältigung der nach wie vor ernsthaften Probleme am Arbeitsmarkt. Wir können Förderprogramme verstärken — soweit die EG das noch ermöglicht, muß man einschränkend sagen — , wir können Strukturhilfen bewilligen: Wenn nicht Arbeitgeber und Gewerkschaften bereit sind, durch differenzierte Tarifabschlüsse Standorte in Grenzlagen attraktiver zu machen, werden wir nicht die gewünschten Erfolge haben, weder in Nordfriesland noch in Ostfriesland, noch im Bayerischen Wald. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist auch nicht vertretbar, daß gerade in einigen hochsubventionierten Branchen mit die höchsten Lohnkosten anfallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Stratmann [GRÜNE]: Airbus!)

    — Ich beziehe alle ein, über die man hier reden kann.

    (Stratmann [GRÜNE]: Warum machen Sie das immer wieder?)

    Dies gilt für alle, die hier als hochsubventionierte Branchen angesprochen sind. Ich sage das gar nicht nur in eine bestimmte Richtung.
    Meine Damen und Herren, die jetzt von der Sozialdemokratischen Partei übernommene Forderung der Industriegewerkschaft Metall nach schrittweiser Einführung der 30-Stunden-Woche ist ein verhängnisvoller Irrtum.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie würde im Ergebnis erhebliche Verluste an Wettbewerbsfähigkeit, an privater Einkommensentwicklung, an Beiträgen für die sozialen Sicherungssysteme und die Gefährdung zahlreicher Betriebe und Arbeitsplätze bewirken.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben schon heute im internationalen Vergleich der großen Industrienationen nicht nur sehr hohe Arbeitskosten, sondern auch die kürzeste Arbeitszeit. Während bei uns im Jahresdurchschnitt lediglich noch 1 582 Stunden gearbeitet wird, sind es in den Vereinigten Staaten 1 848 und in Japan sogar 2 166 Stunden.
    Wir alle wollen die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes. Fast alle in diesem Hohen Haus bejahen ein offeneres Weltwirtschaftssystem. Dann kann man aber bei den Tarifverträgen, den Kosten, den Arbeitszeitregelungen nicht weiter so tun, als ob wir noch in den autarken, abgeschlossenen Nationalstaaten und Nationalwirtschaften schalten und walten könnten, ohne sich um die Konsequenzen für den Wettbewerb und die Zukunft der Arbeitsplätze zu kümmern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir brauchen auch bei der Nutzung teurer Maschinen mehr Flexibilität. Ich freue mich, daß sich wenigstens bei Herrn Lafontaine die seit langem geäußerten Überzeugungen der Koalitionsparteien schrittweise durchsetzen. Allerdings haben wir gesehen, daß auch er in Ihrer Partei in solchen Dingen nicht mehrheitsfähig ist, was unter anderen Gesichtspunkten auch durchaus zu begrüßen ist. Aber in diesem Zusammenhang muß man anerkennen, daß sich der saarländische Ministerpräsident in einigen Punkten in sehr beachtlicher Weise der Politik der Bundesregierung annähert.
    Wir brauchen mehr Mobilität auch auf dem Arbeitsmarkt, wo selbst in Gebieten hoher Arbeitslosigkeit immer kritischer über den Mangel an Fachkräften diskutiert wird. Ein Arbeitsplatz kostet heute im Durchschnitt rund 180 000 DM. Die Frage lautet, wie lange wir es uns noch leisten können, dieses Kapital immer längere Zeit ungenutzt zu lassen. Wir haben die Möglichkeit, mehr zu produzieren und bessere ökonomische und soziale Dienstleistungen anzubieten. Zusätzliches Einkommen bedeutet zusätzliche Nachfrage und Zuwachs an Arbeitsplätzen. Wir dürfen uns deshalb nicht mit defensiven Strategien und der Verteilung des Mangels zufriedengeben.
    Es bedarf vielmehr der wirksameren Nutzung der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen — Kapital, Wissen, Ausbildung und Leistungsbereitschaft —, wenn wir die großen Zukunftsaufgaben bewältigen wollen. Im Mittelpunkt steht dabei die weitreichende Veränderung in der Bevölkerungsstruktur der Bun-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    desrepublik Deutschland mit schwerwiegenden Folgen, auch für die künftige Finanzierung der Alterssicherungssysteme. Nur in einer dynamischen Volkswirtschaft können wir die sozialen Anpassungsprozesse für die Arbeitnehmer und die Rentner in humaner Weise meistern.
    Steuerreform, Neuordnung unserer Alterssicherungssysteme und Reform des Gesundheitswesens stehen so in einem inneren Zusammenhang. Sie geben Antworten auf die tiefgreifenden Veränderungen in der Altersschichtung unseres Volkes, auf neue ökonomische und soziale Bedingungen.
    Die Begrenzung der Abgabenbelastung für die arbeitenden Menschen und die Betriebe bei der Lohn- und Einkommensteuer und bei den Sozialversicherungsbeiträgen ist die wichtigste Voraussetzung für ein größeres Angebot an bezahlbarer Arbeit, für verstärktes Wachstum auf der Grundlage hoher betrieblicher Investitionen. Die Lohnzusatzkosten belaufen sich heute auf rund 80% des direkten Arbeitsentgelts. Was mit der Steuerreform den arbeitenden Menschen zurückgegeben wird, darf ihnen nicht durch immer höhere Zwangsbeiträge wieder weggenommen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Wer erhöht denn?)

    Das verstärkte Abwandern von Produktion und Arbeitsplätzen in den Bereich der Schwarzarbeit oder in Länder mit wesentlich günstigeren Kostenbedingungen können wir nur abwenden, wenn der Abstand zwischen Brutto- und Nettoeinkommen wieder geringer wird.
    Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich des Sozialhaushalts ist neben der Rentenversicherung die Finanzierung des in den letzten Jahren erheblich verbesserten Familienlastenausgleichs. Allein für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung wird der Bund im Jahre 1989 rund 3 Milliarden DM zahlen. Bis 1992 wird dieser Betrag auf über 5 Milliarden DM ansteigen. Weitere Maßnahmen sind das Erziehungsgeld für alle Mütter oder Väter, das wir eingeführt haben und das 1989 allein 3,6 Milliarden DM erfordert, und der Kindergeldzuschlag für Familien mit geringem Einkommen. Die Steuerreform 1990 bringt, wie Sie wissen, eine weitere Erhöhung der Kinderfreibeträge.
    Meine Damen und Herren, der Sozialhaushalt bleibt mit jetzt 66,9 Milliarden DM auch 1989 der größte Einzelplan. Ihm folgt der Verteidigungsetat mit eingeplanten 53,3 Milliarden DM.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das wird einfach so hingenommen!?)

    Auch unter den Vorzeichen verbesserter Ost-WestBeziehungen soll die Bundeswehr ihren hohen Einsatzstand behalten, um ihre Verpflichtungen im Bündnis für Frieden und Freiheit wahrnehmen zu können;

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    denn bei allen wichtigen neuen Akzenten der Politik in Moskau: Der Ausbau des weit überlegenen Militärpotentials der Sowjetunion geht bis jetzt weiter.
    Wir treten für gleichgewichtige Abrüstung im konventionellen Bereich ein.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Das bietet doch Herr Gorbatschow an!)

    Wenn sie erreicht ist, wird man über grundlegende Veränderungen der Planungen für unsere Streitkräfte im einzelnen entscheiden.
    Jetzt plant die Bundeswehr wegen der abnehmenden Zahl wehrpflichtiger junger Menschen für die 90er Jahre eine höhere Zahl von Berufs- und Zeitsoldaten ein. Rund 60 % des vorgesehenen Zuwachses im Verteidigungshaushalt sind für zusätzliche Personalausgaben vorgesehen. Ein beachtlicher Teil davon dient dazu, den Arbeitsplatz Bundeswehr attraktiver zu machen. Gleichzeitig nehmen die verteidigungsinvestiven Ausgaben zu; allerdings werden wir bei dem Ansatz für militärische Beschaffungen etwa den jetzigen Stand von 11 Milliarden DM halten.
    Im Bereich des Umweltschutzes setzen wir konsequent auf die Verwirklichung des Verursacherprinzips. Die Kosten der vorsorgenden Vermeidung und der Beseitigung von Umweltschäden sind grundsätzlich von den dafür Verantwortlichen zu tragen. Zur Durchsetzung dieses Prinzips brauchen wir weiterreichende rechtliche Regelungen, brauchen wir vor allem strengere verbindliche Standards in der Europäischen Gemeinschaft, für die wir uns einsetzen.
    Der Etat des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit soll 1989 um 8,3 % steigen. Bei den neuen Finanzhilfen des Bundes an die strukturschwachen Länder erwarten wir, daß der Umweltschutz eine hohe Priorität erhält. Das gilt in der Verantwortung der Küstenländer und ihrer Kommunen vor allem auch für Investitionen zum Schutz der Nord- und Ostsee. Zur besseren Koordination und Überwachung im Bereich der Reaktorsicherheit und des Strahlenschutzes hat die Bundesregierung beschlossen, ein Bundesamt für Strahlenschutz einzurichten.

    (Stratmann [GRÜNE]: Was sind denn 8,3 % absolut?)

    In drei Wochen werden die zuständigen Minister und die Zentralbankpräsidenten aus 151 Mitgliedsländern des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank und darüber hinaus viele Gäste und Beobachter zur jährlichen Versammlung dieser Organisationen nach Berlin kommen. Damit werden die internationale Zusammenarbeit, die Festigung der internationalen finanziellen Beziehungen, die Schuldenkrise und die wirksamere Hilfe für weniger entwickelte Länder stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken.
    Die Mitgliederzahl von Währungsfonds und Weltbank hat ständig zugenommen. In den letzten Jahren sind elf weitere Staaten diesen Organisationen beigetreten, darunter Mosambik und Simbabwe sowie Polen und Ungarn, ausnahmslos vergleichsweise arme Entwicklungsländer oder kommunistische Staatshandelsländer. Man will Mitglied in diesen Organisationen werden; man tritt nicht aus. Das ist die Haltung der kommunistischen Länder und der Entwicklungsländer. Ich hebe dies hervor, weil es die Weltfremdheit und Verbohrtheit der sogenannten alternativen Kam-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    pagne gegen diese Institutionen, gegen die Tagung in Berlin mit den bekannten antikapitalistischen Schlagworten eines verstaubten Marxismus um so deutlicher macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Insbesondere die Situation der hoch verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländer erfordert weiterhin volles Engagement und engste Zusammenarbeit. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank nehmen bei dieser Aufgabe eine hervorragende Rolle ein. Durch erhebliche Mittelbereitstellung, durch Hilfen bei der Strukturanpassung und Projektfinanzierung

    (Stratmann [GRÜNE]: Bei der Indianerausrottung!)

    und vor allem auch durch fachkundige wirtschaftspolitische Beratung tragen sie maßgeblich dazu bei, die grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme dieser Länder zu analysieren und Wege aus einer überhöhten Verschuldung für ökonomischen und sozialen Fortschritt zu suchen.

    (Stratmann [GRÜNE]: Heuchelei ist das!)

    Mit der Hilfe dieser beiden Organisationen haben inzwischen zahlreiche Länder weitreichende Strukturreformen eingeleitet und vielfach Fortschritte bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten erzielt.
    Seit einiger Zeit müssen sich Internationaler Währungsfonds und Weltbank mit dem Vorwurf auseinandersetzen, sie würden die Situation der Menschen in den von ihnen unterstützten Ländern eher noch verschlechtern. Ein Teil der Kritik richtet sich gegen die im Zusammenhang mit der Kreditgewährung vereinbarten strukturellen Anpassungsprogramme. Dabei wird jedoch übersehen, daß die Verbesserung der Kreditfähigkeit der betroffenen Länder, ihre Fähigkeit am Welthandelssystem teilzunehmen — durch mehr Sparsamkeit in den öffentlichen Haushalten, durch Bekämpfung der Inflation und den Abbau wettbewerbshemmender Strukturen — , die Voraussetzung für mehr Wachstum und die Verringerung von Not und Armut ist.
    Neue Mittel müssen vor allem in erhöhte volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit umgesetzt werden. Anderenfalls wäre die Bereitstellung zusätzlicher Beiträge langfristig ziemlich sinnlos. Die Armut in der Dritten Welt würde bei einer falschen Verwendung dieser Mittel nur noch erhöht.
    Meine Damen und Herren, die Kreditmöglichkeiten von Währungsfonds und Weltbank werden auch weiterhin ausgeweitet. So ist noch in diesem Jahr das Kapital der Weltbank um rund 75 Milliarden amerikanische Dollar erhöht worden. In unserem vorliegenden Haushaltsentwurf sind die für das nächste Jahr erforderlichen Ermächtigungen vorgesehen, damit die Bundesrepublik ihren Anteil an den Einzahlungen von 184 Millionen DM leisten kann. Darüber hinaus sehen wir im Etat des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit einen weiteren Anstieg unserer Beiträge für die regionalen Entwicklungsbanken um 45 Millionen DM auf 915 Millionen DM vor.
    Hervorzuheben ist, daß Währungsfonds und Weltbank ihre Kreditvolumina und vor allem ihre Kreditbedingungen für die ärmsten Länder erheblich verbessert haben. So kann das neue strukturelle Anpassungsprogramm des Währungsfonds ihnen sehr langfristige und nahezu zinslose Darlehen gewähren. Wir brauchen diese neuen Instrumente. Es hat keinen Sinn, Ländern, die in extremster Armut leben und deren wirtschaftliche Grundlagen total erschüttert sind, Kredite zu Bedingungen anzubieten, die überhaupt keine Chance auf eine vernünftige Nutzung und Rückzahlung eröffnen.
    In Berlin wird darüber beraten werden, in welchem Umfang auch die Eigenmittel des Fonds aufgestockt werden sollen. Die Bundesregierung wird sich für eine beträchtliche Anhebung dieser Mittel einsetzen. Ob wir den Beschluß bereits in Berlin erreichen, ist allerdings offen.
    Meine Damen und Herren, über den Bürgschaftshaushalt — jetzt rede ich von einem wirklichen Sorgenpunkt für den Finanzminister — trägt die Bundesregierung dazu bei, daß in den Umschuldungsverhandlungen mit den öffentlichen Kreditgebern im Pariser Club angemessene Lösungen in den Fällen gefunden werden können, in denen hoch verschuldete Länder ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Im Haushaltsentwurf 1989 sind für Zahlungen aus Gewährleistungen insgesamt 2,8 Milliarden DM eingeplant. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß kennen diese Problematik. Bis 1982 haben meine Amtsvorgänger aus der Hermes-Versicherung und den Bürgschaften jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag eingenommen, wie man es auch gerne möchte, wenn man eine gutgehende Versicherung betreibt. Die internationale Schuldenkrise hat dazu geführt, daß wir seit 1983 jährlich einen Milliardenbetrag für notleidend gewordene Bürgschaften verwenden müssen. Wir sehen jetzt, daß bei einem Bürgschaftsvolumen des Bundes von über 200 Milliarden DM in diesem Sektor mit erheblichen Risiken zu rechnen ist. Allein auf Grund des Ergebnisses von Umschuldungsverhandlungen der letzten Wochen müssen wir den Bundestag bitten, den Ansatz der Regierung für 1989 zu erhöhen. Es ist mittelfristig eines unserer schwierigsten Probleme. Wir können auf Bürgschaften nicht verzichten: a) im Interesse unserer Exportwirtschaft und ihrer Arbeiter und b) im Interesse der verschuldeten Länder, die ja nur dadurch ihre Handelsbeziehungen aufrechterhalten können. Aber wir müssen einfach wissen, daß wir ein latentes erhebliches Haushaltsrisiko haben.
    Meine Damen und Herren, im Bereich der Kreditvergabe privater Banken an Entwicklungs- und Schwellenländer wird seit längerem nach neuen Wegen gesucht. Schuldenrückkaufmodelle und die Umwandlung von Krediten in Beteiligungen sind die wichtigsten Stichworte aus der jüngsten Entwicklung. Im Kern geht es darum, Belastungen aus Zins und Tilgungen zu verringern — und das ist auch bei Bankkrediten notwendig — , sie an die wirtschaftlichen Möglichkeiten der verschuldeten Länder besser anzupassen, ohne deren Kreditwürdigkeit zu gefährden; das letzte muß man unterstreichen. Das ist auch der Grund, weshalb wir unverändert nichts von Initiativen für globalen Schuldenerlaß halten, denn damit würde



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    auch die Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder vernichtet.
    Wir erwarten, daß sich die deutschen Banken auch weiterhin, ja, einige noch stärker aktiv an solchen Lösungen beteiligen. Deswegen haben wir ihnen vor Jahren, als die Schuldenkrise ausbrach, übrigens auch angemessene Möglichkeiten für steuerliche Wertberichtigungen in diesem Bereich eingeräumt. Sie sind großzügig, aber das heißt auch: Die großen deutschen Banken können sich aus Engagements in Problemländern nicht einfach zurückziehen. Das ist auch ein Teil der Beherrschung der Schuldenstrategie und der mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Probleme.
    Meine Damen und Herren, vor allem die Regierungen der Schwellenländer müssen in ihrem eigenen Interesse vertrauensbildende Wirtschaftsreformen durchführen. Immer noch gibt es, vor allem in Lateinamerika, einige Staaten, die nicht die Kraft zur dauerhaften Anpassung aufbringen, obwohl das Potential ihrer Länder an sich beachtlich ist. Das Ergebnis ist eine anhaltende Kapitalflucht aus diesen Ländern mit negativen ökonomischen und sozialen Folgen.
    Die ärmsten Entwicklungsländer, vor allem in Afrika südlich der Sahara, sind demgegenüber für lange Zeit überwiegend auf öffentliche Hilfe angewiesen. Nicht nur bei der Bereitstellung von Mitteln für internationale Organisationen hat sich die Bundesregierung besonders engagiert. Sie hat einer größeren Zahl der ärmsten Länder die Schulden aus Entwicklungshilfeleistungen völlig erlassen. Diese Länder erhalten solche Leistungen nur noch als Zuschüsse oder Schenkungen.
    Wir haben erst kürzlich den Kreis der so geförderten Länder noch erweitert. Darüber hinaus ist ein Schuldenerlaß für sechs weitere Länder Afrikas unter der Voraussetzung vorgesehen, daß sie vernünftige Anpassungs- und Reformprogramme in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank durchführen. Unser Schuldenerlaß wird dadurch um 3,3 Milliarden DM auf jetzt insgesamt 7,5 Milliarden DM ausgeweitet.
    Ich sage auch gegenüber dem deutschen Steuerzahler: Dies ist richtig. Aber wir können es, meine Damen und auch Herren, auch gegenüber dem deutschen Steuerzahler nur vertreten, wenn wir die Überzeugung haben, daß die so geförderten Länder durch eine vernünftige Wirtschaftspolitik alles tun, was ihnen selbst hilft, damit es ein sinnvoller Verzicht ist und eine sinnvolle Hilfe an Länder, die Hilfe brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen weiterhin die internationale Zusammenarbeit aktiv mitgestalten. Wir übersehen bei dem erfreulich aufgehellten Bild, das ich schildern konnte, nicht die Probleme, die es weiterhin gibt. Die großen Herausforderungen und Risiken für die Weltwirtschaft sind die erheblichen Ungleichgewichte in den Handels- und Leistungsbilanzen der Industrienationen und das große Gefälle, das zu große Gefälle zwischen ihrem Wohlstand und der Not der meisten Entwicklungsländer. Beides erfordert Verantwortungsbewußtsein, Kompetenz und Kooperation über die Grenzen der Staaten und Kontinente hinweg.
    Meine Damen und Herren, der Ausbau und die Stärkung der Europäischen Gemeinschaft, unsere Verpflichtungen für die Bundeswehr in der Allianz für Frieden und Freiheit, weltweite Mitverantwortung in der engeren Zusammenarbeit der Industrieländer und vor allem auch für die bedrängten Völker der Dritten und Vierten Welt — dies alles spiegelt sich im einzelnen auch im Entwurf unseres Bundeshaushalts 1989 ebenso wider wie die weitgespannten innenpolitischen Aufgaben des Bundes.
    Die Erfahrungen seit 1982 zeigen: Eine niedrigere Steuerquote, eine Erweiterung der Gestaltungsräume für die schöpferischen Kräfte mündiger Bürger und damit eine Konzentration des Staates auf seine eigentlichen Aufgaben führen nicht zur Absage an die soziale Verantwortung unseres Gemeinwesens, wie das immer wieder fälschlicherweise behauptet wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie schaffen vielmehr erst bessere Voraussetzungen für mehr Dynamik und Innovation, für Erneuerungsfähigkeit und die Meisterung der Zukunftsaufgaben.
    Deshalb müssen wir auch weiterhin vielen überzogenen Forderungen von Interessengruppen an den Bundeshaushalt widerstehen. Es liegen mehr als genug auf dem Tisch; jeder weiß das. Nur so gewährleisten wir stabile Grundlagen, auch um kurzfristig neue Aufgaben — wie jetzt die tatkräftige Hilfe für die ansteigende Zahl deutscher Aussiedler — finanzieren und meistern zu können. Auch hier vertrauen wir neben der Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel durch Bund, Länder und Gemeinden auf die Bereitschaft unserer Mitbürger, in einer ganz überwiegend vom Wohlstand bestimmten Gesellschaft jenen solidarisch zu helfen, die unverschuldet die verhängnisvollen Folgen der nationalsozialistischen Ära länger und härter erleiden mußten als wir. Das ist auch eine moralische Kategorie, die uns hier berührt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Nach dem Rückschlag und den Sorgen des vergangenen Winters sind auch in der Finanzpolitik positivere Daten und Perspektiven erkennbar. Ich habe sie geschildert. Aber es gibt keinen Anlaß, nach dem überzogenen Pessimismus der jüngsten Vergangenheit jetzt in einen blauäugigen Optimismus, in Verteilungsmentalität oder Sorglosigkeit zu verfallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    So glänzend ist das Bild auch nicht, das ich Ihnen für die öffentlichen Finanzen hier zeichnen konnte.
    Wir brauchen unverändert Ausgabendisziplin und Vorrang für die weitere Verringerung der Nettokreditaufnahme, nicht nur um die Zinsquote in unseren Haushalten endlich zu stabilisieren, sondern auch um das Vertrauen in stabile Preise und unsere harte Währung weiter zu erhalten und zu festigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist für die soziale und wirtschaftliche Zukunft
    unseres Volkes wichtiger als diese oder jene Einzel-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    maßnahme für diese oder jene Gruppe. Ich glaube, davon sind wir alle überzeugt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, große und schwierige Aufgaben liegen weiterhin vor uns — wir wollen sie meistern —, von der Neubestimmung der Finanzbeziehungen des Bundes zur Rentenversicherung — ein Thema der nächsten Wochen — bis zur Förderung der Strukturanpassungen.
    Dennoch: Wir stellen mit Befriedigung fest, daß die Vorhersagen der falschen Propheten vom letzten Winter über die Rezession oder über die explodierende Neuverschuldung widerlegt wurden. Der gute Verlauf des Jahres 1988 stärkt unsere Zuversicht, den heute eingebrachten Etat 1989 verantwortungsbewußt zu gestalten und die Herausforderung meistern zu können. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dabei um Ihre tatkräftige Mitarbeit.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/ CSU und der FDP)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Wir setzen die Beratung um 14 Uhr fort.

(Unterbrechung von 12.23 bis 14.00 Uhr)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
    Ich eröffne die Aussprache über die Beratung des Haushaltsgesetzes 1989, des Finanzplanes 1988 bis 1992 und des Nachtragshaushaltsgesetzes 1988.
    Das Wort hat Herr Abgeordneter Wieczorek.