Protokoll:
10071

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 71

  • date_rangeDatum: 24. Mai 1984

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:20 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/71 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 71. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Huber und des Abg. Buckpesch 4995 A Wahl des Abg. Baum als stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt 4995 A Erweiterung der Tagesordnung 4995 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben — Drucksache 10/1449 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben — Drucksache 10/1494 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Steuerstrafrechtliche Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Parteispenden — Drucksache 10/1496 — Dr. Vogel SPD 4996 A Dr. Dregger CDU/CSU 4999 C Schily GRÜNE 5005 C Genscher FDP 5007 D Dr. Emmerlich SPD 5012 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 5015A Dr. Apel SPD 5019 D Baum FDP 5022 C Hoss GRÜNE 5024 D Dr. Waigel CDU/CSU 5026 B Dr. Glotz SPD 5030 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 5033 C Dr. Schmude SPD 5038 A Mischnick FDP 5042 D Handlos fraktionslos 5044 C Voigt (Sonthofen) fraktionslos 5045 B Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 5046 B Jahn (Marburg) SPD (zur GO) . . 5047C, 5048 A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 5047 D Jahn (Marburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 5051 D Präsident Dr. Barzel 5014 D Namentliche Abstimmungen . 5048 B, 5050A, 5057 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" — Drucksache 10/1369 — Kroll-Schlüter CDU/CSU 5054 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 5059A Eimer (Fürth) FDP 5061 D Frau Schoppe GRÜNE 5062D, 5072 A Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . . 5066 A Jaunich SPD 5071 B Vizepräsident Westphal . . 5063 B, 5063 C, 5065 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 Fortsetzung der ersten Beratung (Ausschußüberweisung) des von den Abgeordneten Werner, Dr. Althammer, Dr. Czaja, Dr. Jobst, Jäger (Wangen), Sauter (Epfendorf), Petersen, Dr. Friedmann, Dr. Kunz (Weiden), Sauer (Stuttgart), KrollSchlüter, Graf Huyn, Brunner, Jagoda, Dr. Todenhöfer, Milz, Dr. Schwörer, Keller, Biehle, Graf von Waldburg-Zeil, Jung (Lörrach), Hornung, Tillmann, Rossmanith, Seehofer, Bühler (Bruchsal), Ruf, Höpfinger, Schneider (Idar-Oberstein), Dr. Kronenberg, Schlottmann, Weiß, Lemmrich, Dr. Unland, Dr. Möller, Hedrich, Müller (Wesseling), Gerlach (Obernau), Dr. Müller, Magin, Dr. Marx, Dr. Bötsch und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften über sonstige Hilfen (Sonstige Hilfen — Änderungsgesetz) — Drucksache 10/941 — 5072 C Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/311 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 10/1230 — 5073 A Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes — Drucksache 10/489 —Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses — Drucksache 10/1358 — Berger CDU/CSU 5073 C Heistermann SPD 5074 A Dr. Feldmann FDP 5074 C Frau Schoppe GRÜNE 5075 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Januar 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Bau und die Unterhaltung einer Grenzbrücke über die Sauer zwischen den Gemeinden Langsur und Mertert — Drucksache 10/1081 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 10/1302 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/1490 — 5076 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 10/1163 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/1343 — 5076 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. April 1983 zur Änderung des Vertrags vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutschösterreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben — Drucksache 10/1067 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/1363 — 5076 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Bereinigung des Verwaltungsverfahrensrechts — Drucksache 10/1232 — 5077A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes — Drucksache 10/1362 — 5077 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingbrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes — Drucksache 10/1361 — 5077 B Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anderung des Zweiten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/1375 — 5077 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes — Drucksachen 10/1314, 10/1370 — . . . 5077 C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 III Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksache 10/1483 — 5077 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 17. Oktober 1980 über die Gewährung ärztlicher Betreuung an Personen bei vorübergehendem Aufenthalt — Drucksache 10/1484 — 5077 C Beratung der Sammelübersicht 31 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1397 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 32 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1418 — 5077 D Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1983 — Einzelplan 20 —— Drucksache 10/1355 — 5077 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 5. April 1983 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über typenmäßig durch die Verwendung von hinten angebrachten Überrollbügeln, Überrollrahmen oder Schutzkabinen gekennzeichnete Umsturzschutzvorrichtungen für land- oder forstwirtschaftliche Schmalspurzugmaschinen auf Rädern — Drucksachen 10/92 Nr. 75, 10/1301 — . 5078A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Zugang zum Beruf des Unternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Binnenschiffsgüterverkehr und über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise für diesen Beruf — Drucksachen 10/873 Nr. 34, 10/1325 — . 5078 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur fünften Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 355/79 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates mit Regeln für die Bezeichnung der Spezialweine — Drucksachen 10/546 Nr. 9, 10/1258 — . 5078 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über eine gemeinschaftliche Aktion zum verstärkten Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände und saure Niederschläge — Drucksachen 10/376 Nr. 66, 10/1260 — . 5078 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/84 — Zollpräferenzen 1984 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS) — Drucksachen 10/1156, 10/1303 — . . 5078 D Nächste Sitzung 5078 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5081*A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Lammert, Clemens, Eylmann, Dr. Göhner, Dr. Olderog, Dr. Blank, Dr. Blens, Borchert, Lattmann, Rode (Wietzen), Schreiber, Seesing, Carstensen (Nordstrand) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben (Drucksache 10/1449) . . 5081* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 5081* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 4995 71. Sitzung Bonn, den 24. Mai 1984 Beginn: 14.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 5079 Berichtigungen 69. Sitzung, Seite 4949 B, 13. Zeile von unten: Statt „Siegmund" ist „Professor Simon" zu lesen. Auf der Seite 4953 B ist in der dritten Zeile statt „Erfolgsberichten" zu lesen: „Erfolgsaussichten". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 25. 5. Frau Dr. Bard 25. 5. Bastian 25. 5. Collet 25. 5. Engelsberger 25. 5. Hartmann 25. 5. Hauck 25. 5. Kalisch 25. 5. Frau Kelly 25. 5. Kiehm 25. 5. Kittelmann* 25. 5. Frau Dr. Krone-Appuhn 25. 5. Dr. Graf Lambsdorff 25. 5. Lenzer 25. 5. Dr. Müller* 25. 5. Offergeld 25. 5. Polkehn 25. 5. Porzner 25. 5. Schmidt (Hamburg) 25. 5. Schmidt (Wattenscheid) 25. 5. Vogt (Kaiserslautern) * 25. 5. Weiskirch (Olpe) 25. 5. Frau Dr. Wilms 25. 5. Wurbs 25. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Lammert, Clemens, Eylmann, Dr. Göhner, Dr. Olderog, Dr. Blank, Dr. Blens, Borchert, Lattmann, Rode (Wietzen), Schreiber, Seesing, Carstensen (Nordstrand) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben (Drucksache 10/ 1449) Wir teilen das Anliegen, das den Bemühungen um eine Regelung steuerstrafrechtlicher Zweifelsfragen bei der Parteienfinanzierung in der Vergangenheit zugrunde liegt. Der vorgeschlagenen Lösung in Form eines Straffreiheitsgesetzes für mögliche Verstöße gegen Steuergesetze im Zusammenhang mit Zuwendungen an die politischen Parteien können wir jedoch aufgrund gewichtiger rechtspolitischer Bedenken nicht zustimmen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Selbstgerechtigkeit und Scheinheiligkeit, mit der die SPD ihre Ablehnung einer solchen Regelung in dem zur Abstimmung anstehenden Entschließungsantrag formuliert, schließt in der Form und in der Sache unsere Zustimmung aus. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Bundesrates hat mit Schreiben vom 18. Mai 1984 mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 18. Mai 1984 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt hat: Achtes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (8. BAföGÄndG) Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Bildungsbeihilfen für arbeitslose Jugendliche aus Bundesmitteln Gesetz zu dem Übereinkommen vom 23. Juni 1979 zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. September 1979 über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume Gesetz zu dem Abkommen vom 27. Januar 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Paraguay zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Einkünfte aus dem Betrieb internationaler Luftverkehrsdienste Gesetz zu dem Abkommen vom 6. Mai 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Gesetz zu dem Vertrag vom 27. November 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Somalia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben mit Schreiben vom 15. Mai 1984 den von ihnen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Einstellung bestimmter Steuerstrafverfahren - Drucksache 10/1421 - zurückgezogen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 16. Mai 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Unterrichtung durch die Bundesregierung betreffend Internationale Bewertung des Kernbrennstoffkreislaufs (INFCE) - Drucksache 10/358 Nr. 97 - Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 18. Mai 1984 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein - Drucksache 10/873 Nr. 31 -
Gesamtes Protokol
Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, am 22. Mai 1984 hatte der Abgeordnete Buckpesch seinen 60. Geburtstag. Ich wünsche ihm von Herzen Glück und Segen.

(Beifall)

Des 60. Geburtstages der Frau Abgeordneten Antje Huber haben wir gestern gedacht; aber ich wünsche, daß das auch hier im Protokoll steht.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wenige Mitteilungen: Für den als stellvertretendes Mitglied aus dem Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt ausgeschiedenen Herrn Horst Dahlmeyer hat die Fraktion der FDP für den Rest der Amtszeit den Abgeordneten Baum als Nachfolger vorgeschlagen. Ich frage, ob Sie damit einverstanden sind. — Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Baum als stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt gewählt.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die verbundene Tagesordnung um folgende Zusatzpunkte erweitert werden:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
— Drucksache 10/1483 —
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 17. Oktober 1980 über die Gewährung ärztlicher Betreuung an Personen bei vorübergehendem Aufenthalt
— Drucksache 10/1484 —
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
Freilassung von Andrej Sacharow und Jelena Bonner
— Drucksache 10/1473 —
Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Freilassung von Andrej Sacharow und Jelena Bonner
— Drucksache 10/1495 —
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksache 10/1475 —
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksachen 10/773, 10/1485 —
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung
— Drucksache 10/1474 —
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD, Sicherung umweltfreundlicher Energieversorgung
— Drucksache 10/1476 —
Zugleich soll mit der Aufsetzung der Zusatzpunkte, soweit erforderlich, von der Frist für den Beginn der Beratungen abgewichen werden. Gibt es dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Die verbundene Tagesordnung dieser Woche wird weiterhin erweitert um eine von den Fraktionen der SPD und der CDU/CSU verlangte Aktuelle Stunde. Ihr Thema lautet: Lage im Arbeitskampf. Einer Vereinbarung im Ältestenrat entsprechend wird dieser Zusatzpunkt am Freitag um 9 Uhr aufgerufen.
Soweit die Mitteilungen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben
— Drucksache 10/1449 —
Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen Ihnen weitere Anträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1494 und der Fraktionen der CDU/



Präsident Dr. Barzel
CSU und der FDP auf Drucksache 10/1496 vor. Im Ältestenrat bestand Einvernehmen, diese Anträge ebenfalls auf die Tagesordnung zu setzen und in verbundener Beratung zu behandeln. Sind Sie damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Dann rufe ich auch auf:
Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben
— Drucksache 10/1494 —
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Steuerstrafrechtliche Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Parteispenden
— Drucksache 10/1496 —
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache vier Stunden vorgesehen. — Ich sehe auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1007100100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich, Herr Präsident, daß Sie mir zur Begründung der von meiner Fraktion vorgelegten Entschließung das Wort erteilt haben. Mein Recht, aus diesem Anlaß und zu diesem Zweck das Wort zu nehmen, ist gestern und heute in diesem Hause von der Unionsfraktion in Zweifel gezogen worden.

(Dr. Schäuble Die Sache hat wohl inzwischen durch die Beratungen im Geschäftsordnungsausschuß und im Ältestenrat eine Erledigung gefunden. Lassen Sie mich dazu nur eine Bemerkung machen: Es wird Ihr Geheimnis bleiben, meine Damen und Herren von der Union, warum jemand, den Sie zu Unrecht einer Handlung verdächtigen, die Sie amnestieren wollen, nicht gegen diese Amnestie soll das Wort ergreifen und sprechen dürfen. (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Grundgesetz sagt im ersten Absatz seines dritten Artikels: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Dieser Satz ist einer der fundamentalsten unserer Rechts- und Verfassungsordnung, er ist das Fundament unseres liberalen Rechtsstaates. Die von meiner Fraktion vorgelegte Entschließung und die heutige Debatte sind notwendig geworden, weil Sie, Herr Bundeskanzler, diesen Satz zumindest teilweise außer Kraft setzen wollen, weil Sie einen kleinen Personenkreis vor den Verfahren und sonstigen strafrechtlichen Konsequenzen bewahren wollen, die jeder andere Bürger und jede andere Bürgerin selbstverständlich zu tragen und hinzunehmen haben, wenn sie in den
Verdacht geraten, gegen Steuergesetze verstoßen zu haben.
Herr Bundeskanzler, das ist schlimm genug. Schlimmer ist, daß Sie Ihr Vorhaben unter anderem damit begründet haben, Sie wollten denen, die Ihnen und Ihrer Partei mit Geldspenden geholfen haben, mehr sagen als nur ein — ich darf Sie zitieren — Dankeschön zwischen Tag und Zwielicht.
Noch schlimmer ist, daß ein Staatsminister Ihrer Bundesregierung sich sogar zu der Äußerung verstieg, die Amnestie müsse durchgesetzt werden, weil seine Partei sonst keine finanziellen Zuwendungen mehr zu erwarten habe.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Das heißt doch im Klartext: Das Recht soll zur Ware gemacht werden, das Recht soll käuflich sein.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Unerhörte Unterstellung!)

Das, meine Damen und Herren, ist der Kern der Sache. Das ein für allemal zu verhindern ist das Anliegen unserer Entschließung.
Ihre Freunde und Sie versuchen jetzt, von diesem zentralen Punkt abzulenken. Sie sagen, nicht nur die Regierungsparteien, sondern alle schon länger im Bundestag vertretenen Parteien, auch die meine, hätten Spenden entgegengenommen, und zwar im Einzelfall auch unter Verletzung geltender Gesetze. Aber das, meine Damen und Herren, bestreitet niemand. Wir sagen es vielmehr ausdrücklich im ersten Satz unserer Entschließung. Das ist ein Gebot der Ehrlichkeit und der Fairneß.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Sie sagen weiter, Amnestiepläne seien schon früher erörtert worden, so in der Zeit der sozialliberalen Koalition. Auch das ist richtig; auch das sagen wir in unserer Entschließung. Nur, Herr Bundeskanzler, Sie sagen in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Dinge nicht: Sie sagen nicht, daß die Erörterungen auf Verlangen unseres damaligen und Ihres heutigen Koalitionspartners stattgefunden haben, und Sie sagen nicht, daß die damaligen Erörterungen mit dem Nein der Sozialdemokraten endeten,

(Beifall bei der SPD)

mit einem Nein, das Sie, Herr Kollege Genscher, am 19. Dezember 1981 übrigens mit dem Satz „Das nehmen wir nicht hin!" quittierten, mit einem Nein zu jeder Art von rückwirkender Strafbefreiung, einem Nein, das wir seitdem bei jeder Gelegenheit bekräftigt haben.
Herr Bundeskanzler, diese Ablenkungsmanöver verfangen nicht. Hier und heute geht es nicht um Enthüllungen und Verdächtigungen. Die aufzuklären ist Sache der Staatsanwaltschaften und Gerichte oder auch von Untersuchungsausschüssen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Freunde
in Ihrer Partei oder der Koalition dazu etwas vorzubringen haben, dann gehen Sie dorthin, zu Staats-



Dr. Vogel
anwaltschaft und Gericht, und erklären Sie, warum Sie Ihr vermeintliches Wissen so lange zurückgehalten haben.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, studieren Sie vorher bitte auch die Strafbestimmungen gegen Verleumdung, üble Nachrede oder falsche Anschuldigung!

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben es nötig! — Verleumder Nummer eins!)

Hier und heute geht es darum, meine Damen und Herren, daß Sie die Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht unterstützen, sondern ihnen in den Arm fallen wollen,

(Beifall bei der SPD)

daß Sie Grundprinzipien unseres Rechtsstaates in Frage stellen und daß Sie dies in einem Verfahren versucht haben, das jeder Beschreibung spottet.

(Zustimmung bei der SPD)

Der von Ihnen, Herrn Genscher und Ihren Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf ist von keinem Geringeren als dem langjährigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, unserem ehemaligen Kollegen und Innenminister, Herrn Benda, öffentlich schlichtweg als unzulässig bezeichnet worden;

(Beifall bei der SPD)

dies deshalb, weil er — ich zitiere ihn sinngemäß — nur diejenigen von Strafe freistellt, die große Beträge gespendet oder entgegengenommen und dabei schuldhaft gegen das Steuerrecht verstoßen haben. Kleine Spender und die Spender, die ihr Tun in gutem Glauben für erlaubt hielten, haben ohnehin nichts zu befürchten, haben den Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens zu erwarten.

(Beifall bei der SPD)

Nein, meine Damen und Herren, es geht nicht um die Kleinen, um die Ahnungslosen, es geht um die, die wußten, was sie taten, die wußten, warum sie wertlose Gutachten hoch bezahlten oder warum sie Gelder auf kunstvollen Umwegen ins Ausland schickten. Haben Sie sich, Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, eigentlich einmal überlegt, wie die Finanzämter, die Staatsanwaltschaften und die Gerichte eigentlich noch die durchschnittlichen Steuersünder hätten verfolgen sollen, wenn dieser Entwurf Gesetz geworden wäre?

(Beifall bei der SPD)

Beispielsweise den Handwerker oder den Arbeiter, der seine Einkünfte aus Schwarzarbeit nicht versteuert hat, oder den Gewerbetreibenden, dessen Belege oder dessen Buchführung einmal nicht in Ordnung gewesen sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zum eigenen Vorteil!)

Spätestens bei dieser Überlegung hätten doch die Warnlampen aufleuchten müssen, sogar bei dem Kollegen, der kraft Amtes in besonderer Weise zur
Wahrung der Verfassung und der Rechtsordnung verpflichtet ist. Ich meine, beim Bundesminister der Justiz.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesminister der Justiz hat zunächst geschwiegen. Dann hat er die Sache halbherzig verteidigt, dann ist er endgültig verstummt. Ist Ihnen, Herr Kollege Engelhard, nie der Gedanke gekommen, wie sich ein Thomas Dehler an Ihrer Stelle verhalten hätte, nein, im Jahre 1953 verhalten hat?

(Beifall bei der SPD)

Oder daran, daß Ihre Parteifreunde Bucher und Stammberger aus weit geringerem Anlaß zurückgetreten sind? Ich fürchte, der Kommentator einer angesehenen Zeitung hat recht, der kürzlich schrieb: Wenn Thomas Dehler könnte, würde er Ihnen das FDP-Parteibuch aus dem Grabe nachwerfen, und wohl nicht nur Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Entschließung kritisiert den Inhalt Ihres Vorhabens, Sie bedauert aber auch das Verfahren, in dem es verwirklicht werden sollte.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Herr, ich danke Dir, daß ich nicht so bin wie die anderen!)

Allein schon die Initiative verstieß gegen Treu und Glauben. Sie wissen doch genau, daß die Gutachterkommission des Bundespräsidenten 1982 mit Ihrer Zustimmung nur unter der Voraussetzung tätig geworden ist, daß es keine Amnestie gibt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)

Der Generalsekretär der Union, Herr Geißler, hat unmittelbar vor der Wahl vom 6. März 1983 auf die Frage, ob im Falle eines Wahlsiegs der Koalition eine Parteispendenamnestie für möglich gehalten werde, wörtlich erklärt: „Also, das ist völlig ausgeschlossen, und das ist eine reine Erfindung. So etwas kommt überhaupt nicht in Frage." Nach der Wahl hat er das im April 1983 noch einmal mit den Worten bekräftigt — ich zitiere wiederum den Generalsekretär der Union —: „Die CDU hat keinen Amnestiebedarf. Die vorgesehenen Neuregelungen dienen für uns nicht dazu, um strafrechtliche Vergehen oder um steuerrechtliche Vergehen der Vergangenheit zu vertuschen."

(Hört! Hört! bei der SPD)

Der Herr Generalsekretär ist mit dem Vorwurf der Lüge und des Betrugs gegen andere schnell bei der Hand. Ich meine, er sollte besser vor der eigenen Türe kehren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Geißler [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007100200
Herr Kollege Geißler, bei der Begründung ist eine Zwischenfrage nicht erlaubt.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Hans-Jochen Vogel (SPD):
Rede ID: ID1007100300
Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihr Generalsekretär hatten doch die feste Strafbefrei-



Dr. Vogel
ungsabsicht, wie Sie inzwischen mitgeteilt haben, schon seit langem und auch schon zur damaligen Zeit — Sie bestreiten das j a auch gar nicht —; dann die fast konspirative Geheimhaltung Ihres Vorhabens, mit der sich die Beteiligten zunächst sogar auch noch öffentlich gebrüstet haben; der Vertrauensbruch gegenüber unserer Fraktion, die ihre Zustimmung zum Parteienfinanzierungsgesetz ausdrücklich an die Bedingung geknüpft hat, daß jede Amnestie für die zurückliegende Zeit abgelehnt wird.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!)

dann der trickreiche Versuch — Herr Schäuble, das ist wohl Ihre Erfindung gewesen —, die Sache unter Umgehung des Plenums sogleich im Ausschuß mit einem interfraktionell eingebrachten Entwurf zu überwinden, der genau das Gegenteil bezweckte, nämlich eine strengere Ahndung von Steuerstraftaten. Selbst die „FAZ" sprach in diesem Zusammenhang von einem Schelmenstück — ich zitiere aus der „FAZ".

(Beifall bei der SPD — Dr. Schäuble [CDU/ CSU]: Haben Sie sie auch heute gelesen?)

Schließlich: Ist Ihnen nicht wenigstens im nachhinein bewußt geworden, in welch peinliche Situation Sie mit Ihrer Überrumpelungstaktik Ihre eigenen Fraktionskolleginnen und Fraktionskollegen gebracht haben oder die, denen Sie beispielsweise in Stuttgart das Ja mit Ihrer Amtsautorität abverlangten und von denen es Ihnen viele, so hoffe ich, mehr aus Loyalität als aus innerer Überzeugung gegeben haben?

(Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Autorität muß man eben haben!)

Und, Herr Bundeskanzler, war es Ihnen nicht ein Wort des Bedauerns wert, daß Ihr Pressesprecher, der Pressesprecher der CDU-Zentrale, sogar noch den designierten Bundespräsidenten wahrheitswidrig als Befürworter Ihres Vorhabens der Öffentlichkeit gegenüber in Anspruch genommen hat?

(Beifall bei der SPD)

Gewiß, Ihr Vorhaben ist — zunächst jedenfalls — gescheitert. Sie haben Ihren Entwurf zurückgezogen, nicht aus besserer Einsicht, auch nicht auf Grund unseres vehementen Widerspruchs,

(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es! — Sehr richtig!)

sondern weil Ihnen der öffentliche Widerspruch, weil Ihnen die allgemeine Empörung keine andere Wahl ließ. Unsere Entschließung sieht in dieser breiten Front der Ablehnung, die nahezu alle Gruppen unserer Gesellschaft umfaßt und quer durch unser ganzes Volk geht, ein ermutigendes Zeichen für das intakte Rechtsbewußtsein und das demokratische Selbstbewußtsein in unserer Gemeinschaft.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Herr Bundeskanzler, Sie sprechen oft von dem Optimismus, der Sie in allen möglichen Zusammenhängen beseelt. Ich sage für meine Freunde: Nichts hat uns in letzter Zeit so optimistisch gestimmt wie die Tatsache, daß die breite Empörung unseres Volkes dieses Vorhaben zunächst zum Stehen gebracht hat. Das stimmt uns optimistisch.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, wir haben alle miteinander in diesem Haus Anlaß, allen Gruppen und Einzelpersonen, die zu diesem Widerspruch aufgerufen und ihn durch ihre Argumente getragen und verstärkt haben, zu danken. Wir haben auch den Medien zu danken, die ihr Wächteramt im Geiste der rechtsstaatlichen Demokratie wahrgenommen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Unsere Entschließung lädt Sie ein, fordert Sie auf, diesen Dank zum Ausdruck zu bringen. Ich meine, wenigstens den Mitgliedern der Regierungsfraktionen — zwei oder drei in der Union, einige in der FDP —, die dem Vorhaben von Anfang an nicht zugestimmt, sondern öffentlich widersprochen haben oder ihm später entgegengetreten sind, sollte es möglich sein, sich diesem Dank an die deutsche Öffentlichkeit anzuschließen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie, Herr Bundeskanzler, und, ich fürchte, auch Sie, Herr Kollege Genscher, werden diesem Dank kaum zustimmen können. Sie halten ja Ihr Vorhaben nach wie vor für richtig und notwendig. Sie wollen es, wie Sie sagten, weiter durchkämpfen; zunächst einmal heute hier. Ihnen fehlt offenbar nicht die Absicht, es erneut zu versuchen, sondern gegenwärtig die Mehrheit. Weil das so ist, will unsere Entschließung mit ihrem vierten Absatz endgültig Klarheit schaffen.
Dieser Absatz enthält die Aufforderung, alle Pläne für eine Parteispendenamnestie ein für allemal aufzugeben, in Zukunft auch in veränderter Form nicht mehr aufzugreifen und dahin zielenden Bestrebungen künftig von Anfang an entgegenzutreten. Wer diesem Absatz unserer Entschließung — es wird Gelegenheit zur gesonderten Abstimmung gegeben sein — seine Stimme verweigert, der läßt den Eiterherd weiter schwären, statt die Gelegenheit zu nützen, ihn jetzt endgültig und ein für allemal auszutrocknen. Wer hier nein sagt, braucht künftig keine Jugendenqueten mehr zu veranstalten.

(Beifall bei der SPD)

Auch seine Bemühungen zur Überwindung der Parteiverdrossenheit kann er sich gänzlich sparen.
Weil Sie soviel von Heucheln reden: Wer hier ablehnt, der muß sich fragen, ob er nicht heuchelt, wenn er sich weiter mit biedermännischer Miene über Hausbesetzer oder Sitzblockaden erregt und hier den Rechtsstaat gefährdet sieht.

(Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/ CSU]: Da haben Sie ja besondere Erfahrungen aus Berlin! 116 Hausbesetzungen in einem Jahr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)




Dr. Vogel
Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, es bleibt eine Frage. Es bleibt die Frage, warum Sie, Herr Bundeskanzler, unserem Staat, unserem Volk, auch diesem Parlament das alles zugemutet haben. Eine Zeitung, die Ihnen überaus wohl will, die „Neue Zürcher Zeitung",

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Darf die erscheinen?)

antwortet auf diese Frage mit folgender Feststellung — ich zitiere —:
Kohls größter Fehler bleibt seine mangelnde Einsicht, daß ein derart zweifelhaftes Unternehmen, das bestimmte Steuerdelikte völlig einseitig begünstigen und außerdem eine Reihe von Politikern, die in entsprechende Verfahren verwickelt sind,

(Austermann [CDU/CSU]: Vogel zum Beispiel!)

zu Richtern in eigener Sache machen würde, weder in der FDP noch in der breiten Öffentlichkeit das nötige Vertrauen finden konnte. Hat ihn hier sein mit Recht gerühmter politischer Instinkt getäuscht, oder
— so fährt die „Neue Zürcher Zeitung" fort —
war der Druck, die leidigen Spendenverfahren gewissermaßen mit einem Federstrich aus der Welt zu schaffen, so stark, daß man sich trotz aller Risiken entschloß, den bedenklichen Rettungsversuch zu wagen? Diese Frage
— so schließt das Zitat — läßt sich vorläufig nicht klar beantworten.
Herr Bundeskanzler, Sie haben es in der Hand, diese Anwort heute zu geben. Es wäre eine befreiende Antwort, wenn Sie Ihren Irrtum eingestünden, wenn Sie dadurch einen Teil des Schadens, der angerichtet wurde, wiedergutmachen, wenn Sie mit uns zusammen das Rechtsvertrauen von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern wiederherstellen, wenn Sie sich nicht weiter in einen Irrweg verrennen und an diesem Irrweg festhalten würden. Wenn Ihnen dazu die Kraft fehlt, dann muß das Parlament an Ihrer Stelle mit seinem Votum handeln.

(Beifall bei der SPD)

Die Annahme unserer Entschließung, die sich in nüchterner Sprache auf die Sache konzentriert, schüfe dann die Klarheit, auf die unser Volk Anspruch hat, auf die Klarheit, daß gleiches Recht für alle gilt, daß unser Recht stärker ist als Macht und Einfluß.
Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern vor noch nicht 24 Stunden mit großer Mehrheit quer durch die Parteien einen Bundespräsidenten gewählt und damit bewiesen, daß wir ungeachtet harter Konfrontationen in einer zentralen Frage auch der Übereinstimmung fähig sind. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist eine ebenso zentrale Frage. Wir sollten auch hier der breiten Übereinstimmung fähig sein.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich, unserer Entschließung in der heutigen Sitzung, die der Frage der Amnestie — ja oder nein — gewidmet ist, Ihre Zustimmung zu geben, zumindest in den Absätzen 3 und 4.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/CSU]: Wie ist das mit Herrn Klasen?)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007100400
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dregger.

Dr. Alfred Dregger (CDU):
Rede ID: ID1007100500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Amnestiegedanke in diesem Zusammenhang ist viele Jahre hindurch, Herr Wischnewski, von Politikern der CDU/CSU, der SPD und der FDP erwogen worden.

(Fischer [Frankfurt) [GRÜNE]: Kein Wunder! Die sind ja auch betroffen!)

Hinter diesem Amnestiegedanken stand und steht die Einsicht, daß die Parteienfinanzierung in Deutschland bis zum Ende des vergangenen Jahres nicht eindeutig, nicht klar und nicht angemessen geregelt gewesen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das glauben Sie doch selber nicht, Herr Dregger!)

Die vom Herrn Bundespräsidenten berufene Sachverständigenkommission spricht in ihrem Bericht vom 18. April 1983

(Zuruf von der SPD: Ins Gesetzbuch gukken!)

gerade im Hinblick auf die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden zugunsten politischer Parteien von einem Zustand rechtlicher und tatsächlicher Unklarheit —

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Vor allen Dingen das zweite: Tatsächlicher Unklarheit!)

so die Feststellung dieser Sachverständigenkommission. Herr Präsident, meine Damen und Herren, Rechtsklarheit ist eines der wesentlichsten Elemente des Rechtsstaates. Nur wenn voraussehbar ist, wie heutiges Verhalten in späteren Jahren strafrechtlich gewürdigt wird, ist es möglich, in Freiheit und Sicherheit zu leben.
Es ist daher ein schlimmes Versagen des Gesetzgebers, daß er erst mit dem Gesetz, das dieser Bundestag am 22. Dezember 1983 beschlossen hat, erstmals eindeutig und umfassend für Rechtsklarheit in der Parteienfinanzierung in Deutschland gesorgt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir von den Unionsparteien sind an der Gesetzgebung beteiligt, aber wir können für uns in Anspruch nehmen, daß niemand so entschieden für



Dr. Dregger
klare Rechtsverhältnisse eingetreten ist wie wir, die Union.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich erinnere an das Niedersachsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das für die Klärung der rechtlichen Tatbestände nicht so ergiebig war, wie wir es erhofft hatten. Es ist von Ernst Albrecht, dem Unions-Freund, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten, auf den Weg gebracht worden. Ich erinnere vor allem an das, was jahrelang der Parteivorsitzende der CDU versucht hat, um in dieser Frage mit allen demokratischen Parteien zu einem Konsens zu kommen und dadurch zu einer eindeutigen rechtlichen Regelung. Meine Damen und Herren, das ist nicht an Willy Brandt gescheitert und auch nicht an Herbert Wehner, die dazu durchaus bereit gewesen sind, es ist vielleicht an Herrn Schmude und anderen Teilen der SPD gescheitert, jedenfalls an der völligen Zerstrittenheit und Handlungsunfähigkeit der SPD.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Gott sei Dank! Das war einmal etwas Positives an Handlungsunfähigkeit!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegte Straffreiheitsgesetzentwurf

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Gefangenenbefreiung!)

wollte einen Schlußstrich ziehen unter dieses für die deutsche Demokratie traurige Kapitel.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sehr richtig: traurig!)

Wir wollten verhindern, daß das frühere Versagen des Gesetzgebers auf dem Buckel von Bürgern ausgetragen wird, die nichts anderes getan haben, als sich ohne eigenen Vorteil für demokratische Parteien in Deutschland zu engagieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Vogel hat unseren Gesetzentwurf vor einiger Zeit — ich zitiere — „einen Anschlag auf den demokratischen Rechtsstaat" genannt;

(Demonstrativer Beifall bei der SPD)

für einen Juristen, Herr Professor Ehmke, und für einen verantwortlichen Politiker eine erstaunliche Aussage. Ich habe in der Rechtslehre und in der Rechtsprechung niemanden entdecken können, der den Standpunkt des Kollegen Vogel bestätigt hätte. Niemand zweifelt daran, daß das Instrument der Amnestie ein Instrument des Rechtsstaates ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das in mehreren Entscheidungen bestätigt.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Lesen Sie einmal nach, was der Richterbund gesagt hat!)

— Im übrigen, Herr Kollege Ehmke, hat der Deutsche Bundestag auf Betreiben der SPD schon einmal ein Amnestiegesetz beschlossen:

(Austermann [CDU/CSU]: Genau! 1972!)

am 18. März 1970, zugunsten von Demonstrationsstraftätern.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das war keine selektive Amnestie!)

Ich wäre Herrn Kollegen Vogel dankbar, wenn er erklären könnte, warum die eine Amnestie ein Anschlag auf den demokratischen Rechtsstaat sein soll und die andere Amnestie nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Schäuble [CDU/ CSU]: Das versteht nur ein Einser-Jurist!)

Ich sehe in der von uns vorgeschlagenen Amnestie nichts anderes als ein Gebot der Gerechtigkeit.

(Abg. Burgmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Der Brief des früheren Bundesbankpräsidenten Klasen, eines alten Sozialdemokraten, eines mit Recht hochangesehenen Mannes, an den Kollegen Vogel — er hat ihn heute nicht zitiert, deswegen will ich das tun — macht vielleicht deutlich, was ich meine.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007100600
Herr Kollege Dregger, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Alfred Dregger (CDU):
Rede ID: ID1007100700
Nein, ich erlaube keine Zwischenfragen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht!)

Ich jedenfalls zweifle nicht daran, daß Herr Klasen bei seiner Werbung für Spenden für die SPD von der Rechtmäßigkeit dessen überzeugt war, was er selbst tat und was er den Spendern geraten hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

— Ich bekomme keinen Beifall von seinen Parteifreunden. — Meine Damen und Herren, Karl Klasen ist kein Gauner.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Im Gegensatz zu manch anderen! Ist Herr Lambsdorff ein Gauner?)

Die anderen Spender und Spendensammler sind es in ihrer größten Mehrheit auch nicht. Ich frage: Hat die Führungsriege der SPD die Spendenpraxis, die in der Vergangenheit von allen demokratischen Parteien im Kern dieselbe war,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das macht's nicht besser!)

anders beurteilt als Karl Klasen?
Ich richte diese Frage an die früheren Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Ich richte diese Frage an die früheren Finanzminister — eine große Zahl — Alex Möller, Karl Schiller, Helmut Schmidt, Hans Matthöfer, Hans Apel und Manfred Lahn-



Dr. Dregger
stein. Ich richte sie an die früheren Justizminister, insbesondere an die Herren Schmude und Vogel,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

die sich ja in der Verurteilung der früheren Spendenpraxis und in der Verurteilung des Amestiegesetzes in der Vergangenheit in so besonderer Weise hervorgetan haben. Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, meine Herren.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Entweder dumm — —!)

Entweder haben Sie diese Praxis damals als rechtmäßig angesehen — so wie Karl Klasen und auch ich —; dann sollten Sie jetzt nicht schweigen, sondern reden und sollten sich an die Seite von Karl Klasen und aller derer stellen, die in demokratischer Weise die Finanzierung der demokratischen Parteien ermöglicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Aber Herr Dregger!)

Es gibt noch eine zweite Möglichkeit. Sie haben schon damals diese Spendenpraxis als unrechtmäßig angesehen. Dann stellen Sie sich bitte an dieses Pult und erklären Sie der deutschen Öffentlichkeit, was Sie als Kanzler und Minister getan haben, um diesen Rechtsverstößen Einhalt zu bieten.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Einem Kanzler und einem Minister — und das noch bei diesem Thema! — standen und stehen alle Medien zur Verfügung. Hätte nur einer von Ihnen diese Spendenpraxis vor der deutschen Öffentlichkeit eindeutig als Rechtsverstoß bezeichnet, dann wäre kein Spender bereit gewesen, Ihrer Partei oder einer anderen demokratischen Partei auf dem Wege über Stiftungen, Ebert-Stiftung, Staatsbürgerliche Vereinigungen,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt läßt er die Katze aus dem Sack!)

Berufsverbände, Gewerkschaften und ähnliches Geld zur Verfügung zu stellen, keiner!

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Herren, ich bitte Sie: Sagen Sie die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU/CSU — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Sie alle, die Sie im politischen Leben standen, haben von dieser Spendenpraxis gewußt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Profitiert! — Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Sie alle haben davon selbst oder durch Ihre Helfer für Ihre politische Arbeit Gebrauch gemacht. Jetzt aber schweigen Sie.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie distanzieren sich damit von denen, die Ihnen,
den damals höchsten Würdenträgern der Republik,
vertraut haben und Anlaß hatten, Ihnen zu vertrauen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

Wenn Sie jetzt schweigen und Ihre Hände in Unschuld waschen, dann erinnern Sie mich an Pilatus, meine Damen und Herren.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist Ganovenlogik, Herr Dregger!)

Diese Pilatus-Moral ist miserabel!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Mit meinen Vorstellungen von Ehre und Anstand ist das jedenfalls nicht vereinbar. Vielleicht haben Sie andere Maßstäbe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch das Verhalten der Staatsanwaltschaft wirft Fragen auf.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt kommt Beamtenbeschimpfung!)

Ich will sie — von einer Ausnahme abgesehen — nicht aufgreifen. Staatsanwälte folgen einem gesetzlichen Auftrag. Sie ermitteln, weil es ihre Pflicht ist. Das Vertrauen in die Justiz, insbesondere in die Gerichte, aber auch in die Staatsanwaltschaft ist ein wesentliches Element des Rechtsfriedens.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber bei Ihnen unterentwickelt!)

Das Ansehen der Justiz ist daher schutzwürdig. Aber ich sage das jetzt als deutscher Demokrat

(Zurufe von der SPD)

und als Vorsitzender der stärksten Parlamentsfraktion: Auch das Ansehen dieses Parlaments und seiner Mitglieder ist schutzwürdig!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Demonstrativer Beifall bei der SPD)

Der Deutsche Bundestag ist das einzige vom deutschen Volk gewählte und damit das höchste Organ der Republik.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Welche Schande, um so mehr!)

Warum ich diese Frage in diesem Zusammenhang anschneide, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Der jetzige Parlamentarische Staatssekretär Dr. Horst Waffenschmidt erhielt vor drei Jahren von der Staatsanwaltschaft die Mitteilung, daß gegen ihn wegen des Verdachts der Beteiligung an Steuerhinterziehungen im Zusammenhang mit Parteispenden ermittelt werde. Das wurde von der Staatsanwaltschaft der Presse mitgeteilt, und zwar mehrere Male. Angehört wurde Herr Kol-



Dr. Dregger
lege Waffenschmidt in diesen drei Jahren nicht ein einziges Mal.

(Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! — Unerhört! — Das kann doch nicht wahr sein!)

Unter dem Eindruck der Amnestiedebatte der letzten Wochen, die sich ja nicht gerade durch Besonnenheit und Ehrlichkeit ausgezeichnet hat — die Rede von Herrn Vogel war dafür ein Beispiel —,

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

hat sich der Meinungsdruck auf Horst Waffenschmidt weiter verstärkt. Am Gebäude der CDUKreisgeschäftsstelle in seinem Wahlkreis war in den letzten Tagen folgende Wandschmiererei zu lesen: „JVA" — d. h. Justizvollzugsanstalt — „Waffenschmidt rein, Bock" — einer der Terroristen —„raus!"

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: So weit sind wir schon! — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Ich frage die Herren der Staatsanwaltschaft: Waren diese mittelbaren Folgen ihres Verhaltens —

(Beifall bei der CDU/CSU — Pfui-Rufe von der SPD — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber Waffenschmidt ist kein politisch Verfolgter!)

drei Jahre Pressemitteilungen, aber keine Anhörung des Betroffenen — nicht voraussehbar?
Mir geht es nicht nur um die menschliche Seite dieser Angelegenheit für unseren Mitbürger Horst Waffenschmidt — obwohl sie mich natürlich auch berührt —, mir geht es auch um die Frage, ob das Parlament — unter dem Eindruck solcher Kampagnen, ausgelöst durch Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft ohne Anhörung der Betroffenen —, seine Aufgaben unbeeinflußt wahrnehmen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Grotesk! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Da ist der Rechtsstaat in Gefahr! Fragt sich nur, durch wen!)

Herr Kollege Vogel scheint weder die menschliche Seite des Problems zu berühren noch die von mir aufgeworfene Frage der Souveränität und der Handlungsfähigkeit des Deutschen Bundestages. Ihm ging es darum, den seit drei Jahren angeschuldigten, aber noch nicht ein einziges Mal angehörten

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Jetzt kommen mir bald die Tränen!)

Kollegen Waffenschmidt und andere Kollegen des Bundestages, die in gleicher Weise behandelt worden sind,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Solidarität!)

von der Abstimmung über ein Amnestiegesetz auszuschließen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Hände weg von Waffenschmidt!)

In einem Brief an den — ich zitiere jetzt wörtlich — „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland" vom 10. Mai 1984 meinte Herr Vogel, dieser — der Herr Bundeskanzler also — habe — ich zitiere wörtlich — „keinerlei Legitimation, solches" — gemeint ist die Mitwirkung an der Abstimmung — „zuzulassen".

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht zu fassen!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007100800
Herr Kollege Dregger, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lutz?

Dr. Alfred Dregger (CDU):
Rede ID: ID1007100900
Nein.
Herr Vogel, ich bin bestürzt. Ist es wirklich Ihre Meinung, der Regierungschef habe darüber zu entscheiden, ob wir, die frei gewählten Abgeordneten des deutschen Volkes, uns an einer Abstimmung beteiligen oder nicht?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Hände weg vom Bundestag!)

Ich kann nur hoffen, daß Sie diese Aussage korrigieren. Denn sonst müßte ich sagen, daß ich mit Ihrem Parlamentsverständnis in keiner Weise übereinstimmen kann.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN — Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Gott sei Dank!)

Meine Damen und Herren, ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Rechtsgedanken der Immunität des Abgeordneten. Diese dient nicht dem Schutz des Abgeordneten. Häufig schadet sie ihm. Denn wenn die Aufhebung der Immunität beantragt wird, kommt das in der Regel einer Vorausverurteilung gleich. Die Immunität dient allein der Handlungsfähigkeit des Parlaments.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ist sie denn beantragt worden?)

Das Parlament soll gegen Eingriffe der Exekutive — —

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Herr Kollege Dregger, ist sie in diesem Fall überhaupt beantragt worden?)

— Hören Sie doch mal zu, Herr Ehmke! Sie müssen doch auch erst mal nachdenken, dann können Sie reden, vorher nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie ist nicht beantragt worden!)

Die Immunität der Abgeordneten soll das Parlament vor Eingriffen der Exekutive und Judikative schützen, damit das Parlament seinen Auftrag erfüllen kann. Es kann doch nicht sein, daß die Nennung von Abgeordnetennamen — wie im Falle des Kollegen Waffenschmidt — durch die Staatsanwalt-



Dr. Dregger
schaft ein Weg dazu ist, die Parlamentsmehrheiten zu verändern. Das ist doch unvorstellbar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nein, das geht nur mit Bargeld! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das war die Begründung von Herrn Vogel!)

— Das war seine Begründung. Im Grunde dürfte er heute in der Tat nach seiner eigenen Rechtsauffassung gar nicht geredet haben, denn er ist ja bef an-gen, weil sein Name auch genannt worden ist. Aber wir haben eine andere Rechtsauffassung,

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN)

und die erläutere ich gerade. Von Extremfällen abgesehen, würde ich es als eine parlamentarische Pflichtverletzung ansehen, wenn ein Abgeordneter an einer wichtigen Abstimmung nur deshalb nicht teilnehmen würde, weil er von der Staatsanwaltschaft oder von anderer Seite beschuldigt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: In eigener Sache?)

Anders als ein Richter kann ein Abgeordneter sich nicht vertreten lassen. Das ist ein entscheidender Unterschied.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Dann kann er sich auch nicht selber freisprechen ...!)

Im übrigen: Ein Angeschuldigter und auch ein Angeklagter sind unschuldig, solange sie nicht verurteilt sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die in Deutschland leider weit verbreitete Vorausverurteilung ist unzulässig. Wir können sie doch nicht mittelbar noch zum Parlamentsprinzip erheben, meine Damen und Herren!

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

Zur Vorausverurteilung haben wir uns in Ziffer 4 unseres Entschließungsantrags geäußert. In Großbritannien würden Vorausverurteilungen, wie sie bei uns stattfinden, bestraft.

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Und wenn sie trotzdem stattfänden, würden die Verfahren niedergeschlagen, weil mit einem fairen Prozeß nicht mehr gerechnet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben einen großen Nachholbedarf an rechtsstaatlicher Gesinnung

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Beifall bei der CDU/CSU)

— ja, ja! — und an rechtsstaatlicher Praxis.

(Vereinzelter Beifall und Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

— Sie sollten nicht so lachen, sondern darüber nachdenken!

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben in dieser Debatte wenig getan, um das zu verwirklichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen mehr Fairneß und weniger Heuchelei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Wir brauchen mehr Anstand und weniger Unredlichkeit, die ja Triumphe gefeiert hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, bei dem Fairneßgebot und in der Amnestiefrage geht es uns nicht nur um Politiker wie Horst Waffenschmidt. Es geht uns um alle unsere Mitbürger, die in Freiheit und Rechtssicherheit leben wollen. Es geht auch um diejenigen, die guten Glaubens die Arbeit einer der demokratischen Parteien oder aller demokratischer Parteien unterstützt haben.
Der frühere Bundesbankpräsident und SPDSpendensammler bei der Industrie, Herr Klasen, hat dazu an Herrn Vogel folgendes geschrieben — ich zitiere wörtlich —:
Nun wird immer das Wort Steuerhinterziehung gebracht. Wenn man davon spricht, dann denkt man daran, daß der Betreffende für sich oder sein Unternehmen geldliche Vorteile damit erzielt hat. Aber auch steuermäßig abzugsfähige Parteispenden bedeuteten ein finanzielles Opfer. Wenn ein Unternehmen der SPD 100 000 DM gab — und ich kenne mehrere solcher Fälle —,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU) dann sparte er zwar 60 000 DM Steuern.


(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Wo denn?)

Aber hätte es nichts gespendet, hätte es 40 000 DM mehr in der Kasse gehabt.

(Lachen bei den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Davon wird nie gesprochen.
So Karl Klasen. Ich kann nur sagen: Leider.
Auch die Tatsache, daß nicht darüber gesprochen worden ist, hat zu einer erheblichen Fehleinschätzung der Situation und des Problems bei vielen unserer Mitbürger, auf die Sie sich heute zu Unrecht berufen haben, beigetragen.
Was bedeutet ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen einen Mitbürger, der



Dr. Dregger
nicht in der Politik tätig ist, z. B. gegen einen mittelständischen Unternehmer, wegen — —

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt kommt der Handwerksmeister! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

— Wir brauchen auch Unternehmer, meine verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn es keine gäbe, dann würden Sie nicht so ein bequemes Leben führen können, wie Sie es bisher geführt haben. —

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lebhafter Widerspruch bei den GRÜNEN und der SPD)

Was bedeutet ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen einen mittelständischen Unternehmer

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wie Flick!)

wegen angeblicher Steuerhinterziehung bei der Parteienfinanzierung?

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Er kommt ins öffentliche Gerede, er muß einen nicht geringen Teil seiner Zeit und Arbeitskraft diesem Thema zuwenden.

(Dr. Vogel [SPD]: Das muß jeder Bürger! — Weitere Zurufe von der SPD)

Warum soll er sich diesem Risiko in Zukunft noch unterziehen, warum?

(Horacek [GRÜNE]: Er hat Steuerberater! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Er selbst hat ja nichts davon, wie Karl Klasen mit Recht vorgerechnet hat. Ist nicht das, was hier wegen des Versagens des früheren Gesetzgebers geschieht, eine Abschreckung für das, was wir alle fordern, nämlich tätige Anteilnahme am demokratischen Leben?

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: So verstehen Sie also tätig! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Werden sich nicht viele unserer Mitbürger in ihrer historisch begründeten Einschätzung bestätigt fühlen, man solle sich von Politik möglichst fernhalten, man habe nur Last und Ärger damit und man müsse damit rechnen, daß man nachher auch noch mit Strafverfahren überzogen werde, vielleicht sogar bestraft werde?

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ei, ei, ei! — Reents [GRÜNE]: Was für eine Republik! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Daß Ihnen von den GRÜNEN das gleichgültig ist, wundert mich nicht.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nein, nein, Herr Dregger, wir sorgen uns um die Republik! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sie leben doch nur vom Staatssäckel!)

Aber daß die SPD nur teilweise nachdenklich, im übrigen nur selbstgerecht ist, das wundert mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun zum Amnestie-Gesetzentwurf selbst, den CDU/CSU und FDP vorgelegt hatten. Das Gesetz sollte sicherstellen, daß die früheren Spender aus der Zeit vor der Verabschiedung des Parteienfinanzierungsgesetzes von 1983 in strafrechtlicher Hinsicht — nur in strafrechtlicher Hinsicht — nicht schlechter behandelt werden als diejenigen, die die Arbeit der politischen Parteien künftig unterstützen.
Dabei waren folgende wesentliche Einschränkungen vorgesehen: Erstens. Die Frage der Steuerpflichtigkeit sollte nach früherem Recht beurteilt werden; Steuern sollten also nachgezahlt werden, soweit der Steuerfiskus das mit Recht beanspruchen kann.
Zweite Einschränkung: Für andere Straftatbestände, etwa für Vorteilsannahme, Bestechung, Untreue, Urkundenfälschung und Betrug, sollte es keine Amnestie geben. Nach den Amnestieerwägungen des Jahres 1981, wie sie uns von maßgebenden Sozialdemokraten vorgeschlagen worden sind, war das noch anders; da sollte das alles miterledigt werden, meine Damen und Herren.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! Kittelmann [CDU/CSU]: Pharisäer!)

Wir wollten durch unseren Entwurf nur die Strafbarkeit wegen angeblicher Steuerhinterziehung ausschließen. Ich sage: wegen angeblicher Steuerhinterziehung, weil die jetzige Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft nach meinen Informationen noch von keinem Gericht bestätigt worden ist.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Schon wieder Beschimpfung der Staatsanwaltschaft!)

Wenn heute von Rechtsirrtum die Rede ist, dann möge bedacht werden, daß noch nicht feststeht, wer sich geirrt hat: die Staatsanwaltschaft oder die Beschuldigten.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Geben Sie doch eine Chance für Freispruch! — Zurufe von der SPD)

In meinem ersten Statement habe ich erklärt, ich sähe in einem solchen Amnestie-Gesetz das geringere Übel. Ich habe mehrfach meinen Respekt vor denen bekundet, die bei ihrer Güterabwägung zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen sind. Auf dem Bundesparteitag der CDU gab es geteilte Auffassungen. Wie alle Presseberichte bestätigt haben, wurden diese unterschiedlichen Auffassungen fair und auf hohem Niveau ausgetragen.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber die Mehrheiten waren unseren Vorstellungen genau entgegengesetzt!)

In Stuttgart hat keiner dem anderen den guten Willen, die rechtsstaatliche Gesinnung oder das Bemü-



Dr. Dregger
hen um eine moralisch saubere Lösung abgesprochen — keiner dem anderen!

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wen wundert's? Das war ja auch Ihr Parteitag! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Der Parteitag hat sich dann nach eingehender Diskussion mehrheitlich, mit großer Mehrheit für den Amnestie-Gedanken entschieden. Meine Damen und Herren, ich meine, es würde unserem jungen demokratischen Gemeinwesen in Deutschland guttun, wenn dieses Beispiel von Stuttgart hier im Deutschen Bundestag und in der ganzen deutschen Öffentlichkeit Schule machen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Widerspruch bei den GRÜNEN)

Die Kampagne, wie sie in den letzten Wochen unter der Überschrift „Die Rechtsbeuger" geführt worden ist, hat Gefühle aufgeputscht, aber zur Klärung der Tatbestände und zur Festigung des demokratischen Bewußtseins wahrlich nichts beigetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden lange Zeit brauchen, um den Schaden zu begrenzen,

(Demonstrativer Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

der durch Ihre Selbstgerechtigkeit und Unehrlichkeit entstanden ist, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei sollen Fehler im eigenen Bereich gar nicht abgestritten werden, z. B. die zu späte und nicht wirksam genug gegebene Information über die Motive und den Inhalt unseres Gesetzentwurfs.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wenn ich diese Amnestiedebatte in eine allgemeine politische Wertung einmünden lassen darf, dann möchte ich sagen: Ich habe den Eindruck, daß das derzeitige Verhalten der SPD und unter ihrem Einfluß auch das derzeitige Verhalten einiger — nur einiger! — Gewerkschaften des DGB tragische Züge annimmt. Es kann nur zu Ergebnissen führen, die sowohl dem Gemeinwesen wie auch den Initiatoren selbst schaden. Die 35-Stunden-Kampagne des DGB und einiger seiner Gewerkschaften wird, wenn sie Erfolg haben sollte, neue Arbeitsplätze schaffen, aber nicht bei uns, sondern im Ausland.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Die Kampagne der SPD in der Frage der Parteispenden und der Amnestie wird möglicherweise Wählerströme verändern, aber nicht zugunsten der SPD, sondern zugunsten der GRÜNEN.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen unser eigenes Verhalten verantworten. Auch uns weht in dieser Frage, weil viele uns noch nicht verstehen, der Wind ins Gesicht, aber wir stehen,

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

und wir haben gute Gründe dafür.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Immer diese Kritik an der FDP!)

Auch diejenigen, die uns heute noch nicht verstehen, werden das erkennen, wenn sie bereit sind, die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und sich mit unseren Argumenten zu beschäftigen.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Dann muß es ja noch schlimm kommen!)

Wir Abgeordneten können irren, aber wir dürfen nicht feige sein. Wir können Fehler machen, aber wir müssen zu dem stehen, was wir nach gewissenhafter Prüfung als richtig erkannt haben. Wir, die Abgeordneten der CDU/CSU, werden auch in Zukunft — darauf kann sich jeder verlassen — so denken und so handeln — in Freiheit und Festigkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Frau Nickels [GRÜNE]: Wo bleibt das Recht?)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007101000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schily.

Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1007101100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, es fällt mir schwer, nach der dröhnenden Selbstgefälligkeit des Herrn Dr. Dregger hier das Wort zu ergreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Dann laß es doch bleiben!)

Ende März dieses Jahres befand sich der Jugendliche Hans-Dieter M. in Untersuchungshaft. Weil er es dort nicht mehr aushielt, zündete er kurz vor seiner Gerichtsverhandlung das Mobiliar seiner Einzelzelle an. Er starb wenige Tage später im Alter von 16 Jahren an den Folgen seiner schweren Brandverletzungen. Über seinen kurzen Lebensweg berichtete das „Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" am 29. April 1984:
Hans-Dieter M. war vor seinem 16. Lebensjahr nie straffällig gewesen. Er ist nicht Täter, sondern Opfer. Kurz nach seiner Geburt starb sein Vater, seiner mit sieben anderen Kindern überlasteten Mutter wurde das Sorgerecht entzogen. Seit seinem vierten Lebensjahr war Hans-Dieter M. in sieben verschiedenen Heimen untergebracht, schließlich in dem Hannoverschen Erziehungsheim Stephansstift. In der Zeit passierte es: Hans-Dieter M. entriß in einem Kaufhaus zwei Handtaschen, nach dem Gesetz kein Diebstahl, sondern Raub. Seine Beute: 400 DM. Die Aufenthalte in den verschiedenen Heimen reichten dem Haftrichter aus, wegen angeblicher Fluchtgefahr Untersuchungshaft zu verhängen.
Soweit der Bericht im „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt".



Schily
Schicksale wie das dieses armen Jugendlichen, den sein ohnmächtiger Protest sein Leben kostete, sind in unserer Gesellschaft keine Seltenheit. Ihnen begegnet der Staat in unerbittlicher Härte und gnadenloser Strenge.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genau!)

Wenn sich ein Jugendlicher in seinem verlassenen Leben 400 DM unrechtmäßig aneignet, kennt die Justiz, die Gesellschaft kein Erbarmen.

(Frau Nickels [GRÜNE]: Da ist auch Herr Dregger für Ordnung und Sicherheit!)

Wenn aber Millionenbeträge an• Steuern hinterzogen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kommt der Vorverurteiler? Verteidiger als Vorverurteiler!)

kriminelle Organisationen zur fortgesetzten Steuerhinterziehung gegründet, wenn mit großer Raffinesse und erheblicher krimineller Intensität über Jahrzehnte die Staatskasse ausgeplündert wird,

(Austermann [CDU/CSU]: Ist das rechtskräftig?)

dann sollen offenbar andere Gesetze gelten, die Gesetze der ehrenwerten Gesellschaft mit ihren Paten in Politik und Großindustrie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, die Ermittlungen der Steuerfahnder und Staatsanwaltschaften in den Spendenverfahren zu behindern oder zu unterlaufen. Spuren wurden verwischt, es wurde versucht, Zeugen zu beeinflussen oder unter Druck zu setzen, Urkunden wurden vernichtet und vieles andere mehr.

(Dr. Althammer [CDU/CSU]: Rechtsanwälte wurden beschäftigt!)

Die geltende Strafprozeßordnung nennt das Verdunkelungsmaßnahmen, die bei einem gewöhnlich Sterblichen dazu führen, daß er in Untersuchungshaft genommen wird.

(Frau Nickels [GRÜNE]: Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen!)

Nichts anderes als ein groß angelegtes, nun aber kläglich gescheitertes Manöver zur Verdunkelung und Strafvereitelung in den Spendenverfahren war das Vorhaben der Regierungskoalition, das ursprünglich den harmlosen Titel trug: „Regelung steuerlicher Zweifelsfragen bei der Parteienfinanzierung".

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was Sie hier wollen — das wollen Sie nicht erst seit vorgestern; es gab schon 1978 einen Versuch, auch unter Beteiligung des amtierenden Bundeskanzlers, zur Amnestierung, es gab den Versuch einer großen Koalition, einer Allparteienkoalition 1981 —, ist immer der hartnäckige, beharrliche und fortgesetzte Versuch, das Unrecht zu vertuschen. In einer Demokratie ist das Gegenteil notwendig, nämlich Aufklärung, und deshalb fordern wir die Bundesregierung mit der von uns vorgelegten Entschließung auf, statt Vertuschung in der Öffentlichkeit Aufklärung zu schaffen.
Ich hoffe, daß wir von Ihnen, Herr Bundeskanzler, wenn Sie heute in der Debatte das Wort ergreifen sollten, präzise Antworten auf präzise Fragen erhalten:
Erstens. Sind Sie bereit, Herr Bundeskanzler, einzugestehen, daß Sie als Bundesvorsitzender der CDU in den vergangenen Jahren in massiver Weise vorsätzlich gegen die Verpflichtung Ihrer Partei zur öffentlichen Rechenschaftslegung der ihr zugewandten Spenden, wie sie in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes und in den Vorschriften der §§ 23 und 25 des Parteiengesetzes vorgeschrieben ist, verstoßen haben, oder wollen Sie sich insoweit auch auf Rechtsunsicherheit berufen?
Was sollen wir denn von einer Bundesregierung halten, deren Bundeskanzler womöglich über diese elementaren Vorschriften im Grundgesetz und im Parteiengesetz nicht Bescheid weiß, zumal Sie immerhin — das habe ich Ihrer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung entnommen — eine Vorschrift des Parteiengesetzes sehr gut im Kopf haben,

(Austermann [CDU/CSU]: Daraus darf man zitieren, j a?)

nämlich die, nach Ablauf welcher Frist Unterlagen über Parteispenden vernichtet werden dürfen?

(Austermann [CDU/CSU]: Und daraus darf man zitieren?)

Zweitens. Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, der Öffentlichkeit endlich rückhaltlos und umfassend Aufklärung über die lukrativen Verbindungen Ihrer Partei zu finanzkräftigen Gönnern zu geben? Die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung nach Art. 21 verjährt nicht. Wenigstens nachträglich, sozusagen in einem Akt tätiger Reue, sollten Sie sich — wie alle anderen betroffenen Parteien; das ist auch an die SPD und die FDP gerichtet — dazu bequemen, Ihren Verpflichtungen nachzukommen.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das kann er nicht! Sowas bringt er nicht!)

Drittens. In welcher Form und in welcher Weise waren Sie, Herr Bundeskanzler, persönlich an Spendenakquisitionen beteiligt? Bisher haben Sie nur auf Befragen der Staatsanwaltschaft im Fall Flick eingeräumt, von dort Kuverts mit mehreren zehntausend DM in Bargeld erhalten zu haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er zitiert wieder aus den Akten!)

Nach anderen Mäzenen hat die Staatsanwaltschaft Sie nicht gefragt. Wie wäre es, wenn Sie von sich aus einmal der Öffentlichkeit Mitteilung darüber machten, was sonst an Bargeld in Ihre Taschen gewandert ist?

(Beifall bei den GRÜNEN — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das wäre sehr interessant! — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! — Weitere Zurufe und Unruhe bei der CDU/CSU)

Deutscher Bundestag — l0. Wahlperiode — 71. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Mai 1984 5007
Schily
— Der Herr Bundeskanzler kann j a sagen, daß es sonst kein Bargeld gab. Auch diese Erklärung werde ich gern zur Kenntnis nehmen, aber er soll uns darüber informieren!

(Zuruf von der CDU/CSU: Demagoge!)

Viertens. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der Steuermanipulationen und Steuerhinterziehungen, mit denen die Kassen der Parteien in den vergangenen Jahren reichlich gefüllt wurden?

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Was haben Sie von Ghaddafi bekommen?)

Haben Sie die Staatsanwaltschaft darüber informiert, haben Sie die Staatsanwaltschaft bei ihrer Ermittlungstätigkeit eigentlich unterstützt oder eher behindert?

(Zuruf von der CDU/CSU: Chaotenanwalt! — Weitere Zurufe!)

Fünftens. Wir fragen Sie: Ist seitens der Großindustrie auf die Bundesregierung eigentlich Druck ausgeübt worden? Wie sieht es mit Ihren Parteikassen aus? Stimmt es, daß Sie, wie Herr Möllemann gesagt hat, pleite gehen, wenn aus dem Spendenhahn nichts mehr fließt, und daß aus diesem Grunde eine solche Amnestie notwendig sei'? In welchen Verlegenheiten befinden Sie sich,

(Zuruf von der SPD: In vielen!) Herr Bundeskanzler?


(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Er ist immer verlegen!)

Ich finde, bei Ihren Erklärungen haben Sie ein Maß an Willfährigkeit, Liebedienerei, Beflissenheit und Dienstfertigkeit, gegenüber bestimmten Kreisen der Großindustrie erkennen lassen, daß diese Frage mehr als berechtigt ist.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Eine Frage möchte ich hinzufügen. Sie haben bei Ihren Ausführungen vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie erklärt: Vertrauen gegen Vertrauen in Fragen der Spendenzuwendungen. Aber, nun möchte ich eine Äußerung an den einfachen Bürger Kohl, der j a auch vor kurzem auf dem Bundesparteitag der CDU gesprochen hat, richten. Ist denn eigentlich der einfache Bürger Kohl berechtigt, weil er das Amt des Bundeskanzlers innehat, seinen Spezis in der Großindustrie im Do-it-yourself-Verfahren Strafbefreiung zu verschaffen? Das kann doch wohl nicht das Rechtsbewußtsein sein, was hier in unserer Bundesrepublik Geltung gewinnen soll!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie mögen den hochmögenden Gönnern der Industrie und Bankenwelt einiges zu verdanken haben, Herr Bundeskanzler. Das verleiht ihnen aber nicht das Recht, diese Herrschaften zu begnadigen.
Eine weitere Frage, Herr Bundeskanzler. Wir haben in beredter Form seitens des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört, daß er mit Entschiedenheit die gegen ihn gerichteten Vorwürfe wegen des Verdachts der Bestechlichkeit zurückweist.
Aber ich habe noch von keinem der Minister Graf Lambsdorff, Zimmermann und Schneider eine Äußerung zu den gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gehört. Haben Sie denn eine Erklärung dieser Herren zu diesen Vorwürfen herbeigeführt, und welchen Inhalt haben diese Erklärungen?

(Austermann [CDU/CSU]: Sie müssen mal die Strafprozeßordnung lesen!)

Haben die Herren die Vorwürfe eingestanden oder bestritten? Haben sie sich eventuell auf ein fehlendes Unrechtsbewußtsein, Rechtsunsicherheit oder womöglich zeitweise psychische Ausfallerscheinungen berufen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf, zu erfahren, wie sich die Herren in ihrer Eigenschaft als Minister — wie sie sich im Strafverfahren einlassen müssen und mögen, Herr Kollege, das mag dann immer noch auf einem anderen Blatt stehen — einlassen. In der Frage ihrer Ministereigenschaft, meine ich, sollten wir wissen, wie Sie sich zu diesen Vorwürfen gestellt haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die kennen sie doch gar nicht im einzelnen!)

Die Regierungskoalition, aber auch Vertreter der Regierung haben mit dem Amnestievorhaben ein erbärmliches, ein klägliches Rechtsverständnis, ein bis ins innerste Mark verfaultes Rechtsbewußtsein erkennen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Austermann [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Sie haben mit dem Amnestievorhaben der Unverbrüchlichkeit des Rechts und damit dem Ansehen der Bundesrepublik schweren Schaden zugefügt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hier tief verfault ist, muß man noch feststellen!)

Es ist ein dermaßen verludertes Rechtsbewußtsein, daß die Konsequenz nur heißen kann,

(Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

daß sich die Regierung nicht nur von diesem üblen Amnestieplan, sondern sich eiligst selbst von der politischen Bühne verabschiedet.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007101200
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.

(Oh-Rufe von der SPD — Reents [GRÜNE]: Abschiedsrede?)


Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID1007101300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundestagsfraktion der FDP begrüßt, daß eine Debatte, die seit einigen Wochen in unserem Lande leidenschaftlich geführt wird, hier im Deutschen Bundestag fortgesetzt werden kann. Hier ist der Ort der politischen Auseinandersetzung. Die Art, wie alle Seiten des Hauses



Genscher
diese Auseinandersetzung führen, wird auch darüber entscheiden, wer glaubwürdig Liberalität und Rechtsstaatlichkeit in Anspruch nehmen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Was wir eben an Vorverurteilungen und Angriff auf die Würde von Personen gehört haben, die eine andere Auffassung haben, hat eine schlimme Gesinnung und eine starke Verleugnung der für eine Demokratie unentbehrlichen Toleranz gezeigt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Mit einem gemeinsamen Schreiben vom 22. Januar 1982 haben die Vorsitzenden der SPD, der CDU, der CSU und der FDP den Bundespräsidenten gebeten, eine unabhängige Kommission zum Thema Parteienfinanzierung einzuberufen.

(Zuruf von der SPD: Das ist überhaupt nicht das Thema!)

Diese Kommission sollte Vorschläge unterbreiten
— ich zitiere jetzt wörtlich —, „wie die Parteien finanziell in die Lage versetzt werden können, ihren grundgesetzlichen Auftrag zu erfüllen, um zukünftige Unklarheiten und die sich daraus ergebenden Probleme zu vermeiden".

(Zuruf von der SPD: Zukünftige!)

— Ich wiederhole: „um zukünftige Unklarheiten und sich daraus ergebende Probleme zu vermeiden".
Damals sind vier Parteien davon ausgegangen, daß Unklarheiten bestehen

(Zuruf von der SPD: Zukünftig!)

und sich daraus Probleme ergeben. Was mit diesen Problemen gemeint war, ist klar: der Verdacht strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung. In der Aussprache des heutigen Tages kann niemand an dieser Tatsache vorbeigehen.
Genauso unverzichtbar ist es, daß die Führungen der Parteien die politische Verantwortung dafür übernehmen, daß es so spät zu einer Korrektur des Parteienrechts gekommen ist und daß es Fehlentwicklungen in diesem Bereich bei allen Parteien gegeben hat.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Fehlentwicklungen?)

Der Gesetzgeber, also der Deutsche Bundestag, hat es daher für notwendig gehalten, mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres neue Bestimmungen über die Finanzierung der Parteien in Kraft zu setzen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ja, ja, ja!)

Er hat das unter Berücksichtigung dieses Gutachtens getan.
Die Kommission hat sich mit den Rechtsunklarheiten eingehend befaßt. Sie hat dabei festgestellt, daß der Gesetzgebungsauftrag des Art. 21 des Grundgesetzes zu lange unerfüllt geblieben sei, so daß es fast zu einer Umkehr des normalen Ablaufs von Normsetzung und Normenkontrolle gekommen sei.
Der Bericht der Kommission führt weiter aus, daß auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung geschwankt habe. Es war in der Tat ein weiter Weg vom 19. Juli 1966, dem Datum des ersten grundlegenden Urteils des Verfassungsgerichts, bis zu diesem Gesetz, das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. In dieser Zeit sind mehrere Versuche unternommen worden, das Recht der Parteien zu regeln, um in Übereinstimmung mit der Verfassung die Grundlage für eine klare, die Unabhängigkeit der Parteien sichernde Finanzierung zu schaffen.
Ermittlungsverfahren, die vor allem seit dem Jahre 1980 eingeleitet worden sind, haben bei aller Unterschiedlichkeit der Einzelfälle gemeinsam, daß sie aus der Unsicherheit und Unklarheit des damaligen Rechts entstanden sind. Die FDP hat sich in den 70er Jahren und danach wiederholt bemüht, eine klare gesetzliche Regelung für die Parteienfinanzierung zu schaffen. Das Gesetz, das jetzt Gültigkeit hat, wäre viel früher erforderlich gewesen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Daß es so spät gekommen ist, lag in erster Linie an der fehlenden Bereitschaft der SPD, an einer solchen Gesetzgebung schon zu einem früheren Zeitpunkt mitzuwirken.

(Demonstrative Zustimmung bei der SPD)

— Daß Sie jetzt klatschen, erstaunt mich; denn im letzten Jahr haben Sie ja daran mitgewirkt und das Gesetz mit beschlossen.
Das jetzt geschaffene neue Recht stellt für die politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland einen deutlichen Einschnitt in die Gesetzgebung dar. Es schafft eine qualitative Veränderung der Finanzierungsregelung für die politischen Parteien. Diese Veränderung besteht vor allem in den Regeln für die Chancengleichheit, für die steuerliche Berücksichtigung von Spenden sowie in einer strikten Regelung für die Rechenschaftslegung.
Das neue Parteiengesetz bedeutet damit nicht nur eine Rechtskorrektur, sondern auch eine Rechtsbereinigung. Schon jetzt zeigen maßgebliche Stimmen — ich erinnere nur an die Erklärungen des früheren Präsidenten des Bundesfinanzhofs —, daß es mehr ist als nur das Vorbringen von Schutzbehauptungen, wenn viele von den durch Ermittlungsverfahren Betroffenen erklären, sie hätten ohne Unrechtsbewußtsein im Vertrauen auf eine gefestigte Verwaltungspraxis gehandelt.
Es gibt bisher zu diesen Fragen weder in der Finanzgerichtsbarkeit noch in der Strafgerichtsbarkeit höchstrichterliche Urteile. Ich fürchte, dieser Zustand wird für die Betroffenen noch mehrere Jahre fortbestehen.
Meine Damen und Herren, erst rechtskräftige Urteile werden über Schuld und Unschuld zu entscheiden haben.

(Zurufe von der SPD)

Ich habe mich wirklich gefragt, wie Sie, Herr Kollege Schily, als Rechtsanwalt hier mit solcher
Leichtigkeit das Wort „kriminell" gebrauchen kön-



Genscher
nen, obwohl Sie wissen, daß rechtskräftige Urteile nicht vorhanden sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Bei dem Amnestievorschlag, meine Damen und Herren, ging es ausschließlich um mögliche strafrechtliche Folgen aus einem abgeschlossenen Rechtszustand, so daß die Wiederholung gleichartiger Straftaten ausgeschlossen erscheint. An den Erlaß möglicher Steuerschulden war zu keiner Zeit gedacht. Ich sage mit Betonung: mögliche strafrechtliche Folgen; denn auch für diese Verfahren gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Was es in diesem Bereich an Vorverurteilungen gegeben hat, noch gibt und, wie ich fürchte, noch weiter geben wird, ist auch eine Frage der Rechtsstaatlichkeit, zu der Sie, Herr Kollege Vogel, auch ein Wort von diesem Pult aus hätten sagen sollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Strafrechtliche Konsequenzen aus der Rechtskorrektur zu ziehen und Befriedung für einen abgeschlossenen Tatbestand zu schaffen waren für mich das Motiv für die Unterstützung des Amnestiegesetzentwurfs.

(Zuruf von der SPD: Möllemann!)

Seine Zulässigkeit und seine Notwendigkeit stehen auch für mich heute noch außer Frage. Niemand, der sich wie ich zu dieser Entscheidung durchgerungen hat, hat sich die Sache leichtgemacht. Es wird kaum jemanden gegeben haben, der frei von Bedenken war. Trotzdem nehme ich für mich in Anspruch, daß ich von Anfang an eine eingehende und sorgfältige Güterabwägung vorgenommen habe.
Ausschlaggebend war schließlich die Absicht, eine jahrelange Unklarheit nicht auf dem Rücken von Staatsbürgern auszutragen, die sich selbst nicht bereichern wollten, sondern ihren Beitrag für die Arbeitsfähigkeit demokratischer Parteien leisten wollten, wobei es mich gar nicht interessiert hat, für welche der demokratischen Parteien sie diese Beiträge geleistet haben.

(Lachen bei der SPD — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Liechtenstein!)

— Meine verehrten Kollegen, Ihre Reaktion zeigt mir nur, wie wenig bei Ihnen Toleranz und Respekt vor einer anderen Meinung eine Heimstatt haben können. Ich bemühe mich, über eine wichtige rechtspolitische Frage eine sachliche Auseinandersetzung zu führen. Ich denke, Sie werden das Zuhören ertragen können. Sie haben j a noch Redner, die dazu Stellung nehmen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wer sich im Besitz der besseren Argumente weiß, sollte doch in dieser empfindlichen Frage dem anderen nicht bestreiten, daß auch er gute Gründe für seine Auffassung haben kann.
Ich bin in meiner Fraktion von Anfang an dafür eingetreten, daß jeder seine Entscheidung für sich trifft und zu verantworten hat. Amnesten, auch wenn sie sich in verfassungsrechtlichen Grenzen halten, gehören zu den rechtspolitisch empfindlichsten Entscheidungen des Gesetzgebers. Sie stellen immer einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtspflege dar. Der Gesetzgeber muß deshalb darauf bedacht sein, Gefahren für das Rechtsbewußtsein zu vermeiden. Wer selbst eine Güterabwägung vorgenommen hat, wird das Gewicht der Argumente richtig bewerten, die rechtspolitisch aus Gründen des Demokratieverständnisses oder aus Sorge um die Erfüllung des Befriedungszwecks zu einer Ablehnung der Amnestie führen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Eigene Sache!)

Das Gewicht dieser Einwände rechtfertigt auch diejenigen meiner Kollegen, die in einem intensiven Prozeß der Diskussion und der Güterabwägung ihre Auffassung geändert haben. Wir müssen heute erkennen, meine Damen und Herren, daß der Vorwurf, die Parteien handelten in eigener Sache, sie wollten sich selbst oder ihre Spender begünstigen, in einer breiten Öffentlichkeit nicht ausgeräumt werden konnte.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sehr gut!)

Die in der FDP erhobenen Einwände richten sich gegen die rechtspolitische Vertretbarkeit der Amnestie. Dabei spielt eine wichtige Rolle die Sorge um Stellung und Ansehen der Parteien in der Gesellschaft. Sie berühren damit auch Fragen des Demokratieverständnisses.

(Reents [GRÜNE]: Wie steht es um die FDP?)

Von erheblichem Gewicht ist auch die breite öffentliche Ablehnung; denn hier liegt eine Gefährdung des Befriedungszwecks, ja, es bestand die Gefahr, daß die Beseitigung von Unklarheit und Unsicherheit auf der einen Seite zu Rechtsunfrieden auf der anderen geführt hätte.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Deshalb widerspricht es dem Grundgedanken der repräsentativen Demokratie nicht, wenn gerade bei diesem Vorhaben der öffentlichen Meinung in besonderer Weise Rechnung getragen wird. Wir lehnen das imperative Mandat ab. Weder Parteien noch die öffentliche Meinung können es ausüben. Aber eine Amnestie, deren Zweck es doch ist, Rechtsfrieden zu schaffen, ist in besonderem Maße auf die Zustimmung der Bürger angewiesen.

(Dr. Vogel [SPD]: Sehr wahr!)

Nur diese Zustimmung kann zur Befriedung führen und Beeinträchtigungen des Rechtsbewußtseins vermeiden. Es erscheint uns deshalb auch ausgeschlossen, daß erneut eine Initiative für eine Amnestie im Zusammenhang mit Parteispenden ergriffen werden wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)




Genscher
Meine Damen und Herren, die leidenschaftliche Auseinandersetzung die Frage des Ja oder Nein zur Amnestie — —

(Unruhe bei der SPD)

— Herr Kollege Vogel, Ihre Fragen können Sie bitte auch laut erheben. Wir sind eine Partei, die in der Lage ist, die Argumente gegenseitig abzuwägen. Bei uns gibt es niemanden, der glaubt, er besitze die alleinige Wahrheit und könne nur diese Auffassung vertreten.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sagen Sie das mal auf dem Parteitag!)

Und diese Abwägung haben wir in unserer Partei in großer Ehrlichkeit, mit großem Respekt vorgenommen.

(Dr. Vogel [SPD]: Wir auch!)

Diese Abwägung trage ich hier dem Deutschen Bundestag vor.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die leidenschaftliche Auseinandersetzung, die Frage des Ja oder Nein zur Amnestie, bewegt die Öffentlichkeit. Niemand kann dabei übersehen, daß das Ja oder Nein nicht den herkömmlichen Kategorien von links oder rechts oder Regierung oder Opposition zugeordnet werden kann.
Die FDP hat diese Auseinandersetzung in sich ausgetragen und letztlich entschieden. Wir haben das mit Anstand untereinander, gegenüber unseren Wählern und auch gegenüber unserem Koalitionspartner getan. Daß diese Auseinandersetzung die FDP am meisten ergriff, bei ihr am leidenschaftlichsten geführt wurde, sollte für niemanden Anlaß für herablassende Kritik oder Schadenfreude sein.

(Beifall bei der FDP)

Ich halte das gerade in einer solchen Frage für einen Vorzug der liberalen Partei, ja, ich halte das für eines ihrer Wesensmerkmale. Das sage ich gerade als einer derjenigen in meiner Partei, die ihre Meinung nicht durchgesetzt haben, zu der sie heute noch stehen.
Meine Damen und Herren, die mehrheitliche Ablehnung in der FDP galt diesem Entwurf. Sie gilt in keiner Weise der Zusammenarbeit mit der CDU/ CSU. Sie gilt natürlich auch nicht der gemeinsamen Politik, für die die Regierungsparteien gewählt wurden und zu deren Verwirklichung sie sich verpflichtet haben.

(Beifall bei der FDP)

Daß die Regierungsparteien auf den Entwurf in ihrer Mehrheit unterschiedlich reagiert haben, bestätigt nur, daß es sich um selbständige Parteien handelt, die auch in einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit ihre eigene Identität bewahren.
Dennoch ist der Abstand in der Haltung zur Amnestie gar nicht so groß, auch wenn andere diesen Eindruck erwecken möchten. Es ist eben nicht zutreffend, daß die eine Regierungspartei das Vorhaben ohne Ausnahme ablehnt und die andere ihm ohne Ausnahme zustimmt.
Ich habe mit großem Respekt gesehen, mit welcher Sachlichkeit und welchem Ernst der Bundesparteitag der CDU in dieser Frage debattiert und mehrheitlich entschieden hat. Es nimmt dieser Diskussion auf dem CDU-Parteitag und der Entscheidung nichts von ihrer Bedeutung, daß auch innerhalb der Union die Diskussion weiterging.
Ich frage mich noch einmal, Herr Kollege Vogel, ob sich die SPD eigentlich wohlfühlen kann bei dem öffentlich erweckten Eindruck, als stünde sie wie ein Mann, mit Empörung und Abscheu gegen dieses Vorhaben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist doch ganz unbestritten, daß sich 1981 in der SPD-Bundestagsfraktion keine Mehrheit für eine Amnestie finden ließ.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber ebenso richtig ist doch auch, daß damals diese Amnestie von der Führung der SPD für notwendig gehalten wurde. Sie wollten sie auch. Ich will Ihnen sagen, warum Sie sie wollten: weil der frühere Schatzmeister der SPD aus genauer Kenntnis der Umstände Ihnen dazu geraten hatte.
Die Versuche, sich von der damaligen von Kollegen der SPD erarbeiteten Initiative loszusagen oder gar von einem Druck der FDP zu sprechen, zeigen nur zu deutlich Ihre Absicht: dieses Thema eben nicht als ein rechtspolitisches, sondern als ein wahlpolitisches Thema zu behandeln.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Bei dem werden sie scheitern! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Lieber Herr Genscher!)

Man will vergessen machen, daß die eigene Führung früher wollte, was heute zum Anschlag auf den Rechtsstaat erklärt wird. Wo sind denn heute die Stimmen, die damals in der SPD den Gesetzentwurf befürwortet haben?
Meine Damen und Herren, ich respektiere Ihre Ablehnung dieses Gesetzentwurfes. Aber die Art, wie auch heute wieder mit der Herabsetzung der Motive der Gegenseite operiert wurde, weise ich mit Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zurückweisung verdienen auch Versuche, Spenden für Parteien als solche ins Zwielicht zu ziehen. Der Bericht der vom Bundespräsidenten berufenen Sachverständigenkommission hat sich dazu geäußert.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wofür der alles herhalten muß!)

Ich bitte das zitieren zu dürfen. Es heißt dort:
Angesichts gewisser Kontroversen in der Öffentlichkeit besteht Anlaß, darauf hinzuweisen, daß Spenden an politische Parteien weder verboten noch moralisch bedenklich, sondern verfassungspolitisch erwünscht und geradezu unentbehrlich sind,

(Zurufe von der SPD)




Genscher
wenn man an der Staatsunabhängigkeit der Parteien festhalten will. Dadurch, daß Bürger einen Teil ihres Einkommens als private Spende freiwillig den Parteien zuwenden, machen sie von ihrem Recht auf politische Teilhabe Gebrauch und erfüllen eine legitime staatspolitische Aufgabe. Im Prinzip sind Spenden an Parteien deshalb nichts Ehrenrühriges, sondern Ausdruck einer anerkennenswerten politischen Betätigung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das war die Meinung dieser Sachverständigenkommission.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007101400
Herr Kollege Genscher, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID1007101500
Nein, bitte keine Zwischenfragen.
Auch die Sozialdemokratische Partei, meine Damen und Herren, hat in der Vergangenheit Spenden empfangen. Wir machen Ihnen daraus keinen Vorwurf.

(Lachen bei der SPD)

Aber tun Sie doch bitte nicht so, als sei mit Ausnahme von wenigen Einzelfällen das Spendenproblem ein Problem von CDU/CSU und FDP.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, was den Begriff des großen Geldes angeht, so läßt doch der Brief des früheren Bundesbankpräsidenten Klasen einiges von dem ahnen, was wir heute noch nicht wissen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Kollegen, ich bin dafür, daß wir über die Fragen unserer Rechtsstaatlichkeit leidenschaftlich diskutieren. Nur, Herr Kollege Dr. Vogel, Ihre Rolle als selbsternannter Gralshüter des Rechtsstaates wäre glaubwürdiger, wenn Sie sie überall wahrnähmen, z. B. auf Ihrem Parteitag, als Herr Ferlemann vom DGB bedauert hat, daß der Zeitungsstreik bei Ihrem Parteitag stattfindet. Wofür und wogegen wird dieser Arbeitskampf denn eigentlich geführt?, müssen wir fragen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich frage Sie, Herr Kollege Dr. Vogel: Warum hat Ihr rechtsstaatliches Gewissen nicht Ihren Widerspruch herausgefordert, als derselbe Redner die Delegierten Ihres Parteitages damit tröstete, daß jedenfalls eine Zeitung, die über Ihren Parteitag positiv berichtete, nicht bestreikt wird? Hier geht es um die Informationsfreiheit der Bürger. Sie zu schützen, sie nicht totstreiken zu lassen ist Ihre wie unsere Aufgabe. Hier sind Sie aufgefordert.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie hatten die Chance, in dieser sehr schwierigen, sehr empfindlichen rechtspolitischen Frage der Amnestie

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Für Sie, Herr Genscher, Sie, der Sittenwächter!)

eine wichtige Rolle zu spielen. Sie haben durch die Art, wie Sie sich mit der Frage auseinandergesetzt haben, diese Chance versäumt.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Jetzt wird es ja langsam komisch!)

Meine Partei hat es sich schwerer gemacht. Wir haben mit uns gerungen und letztlich entschieden.

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber, meine Damen und Herren, wir haben gezeigt

(Zurufe von den GRÜNEN)

— hören Sie sich das gut an;

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN) ja, Zuhören gehört auch zur Demokratie —,


(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wenn Heuss das hören würde, würde er austreten!)

daß gerade eine Diskussion über Fragen der Rechtspolitik und des Demokratieverständnisses zuallererst Toleranz und Respekt vor der anderen Auffassung verlangt.

(Zuruf von der SPD: Das müssen gerade Sie sagen!)

Wer sie vermissen läßt, schadet der Sache mehr, als daß er ihr nützt. Der Stil unserer Diskussion, die Sensibilität der liberalen Partei haben gezeigt, wie groß unsere Aufgabe ist, wenn nicht die Intoleranz einziehen soll, die aus manchen Ihrer Zwischenrufe und vieler Ihrer Redebeiträge in der Vergangenheit hervorgegangen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wer da glaubt, man könne über diese Frage einen Keil in unsere Partei treiben, der täuscht sich, und wer auf Gefahren für die Koalition gehofft hatte, der wird ebenfalls nicht auf seine Kosten kommen. Wir werden entschlossen die gemeinsame Politik der Koalition der Mitte fortführen, die innere Liberalität bewahren, den wirtschaftlichen Aufschwung fortführen — trotz des Streiks, den Sie unterstützen — und den Frieden sichern.
Die öffentliche Diskussion über die Amnestie hat die Offenheit und die Lebendigkeit unserer demokratischen Gesellschaft bewiesen. Sie hat bewiesen, was eine solche Diskussion bewirken kann. Meine verehrten Kollegen von der SPD, wenn die heutige Debatte mehr bewirkt und mehr ergibt

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nur Mut!)

als gegenseitige Schuldzuweisungen, wenn Probleme und Fehler offen und fair diskutiert werden, dann kann diese Aussprache auch in ihrem Stil Parlament und Bürger, Parteien und Bürger näher zueinander bringen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei FDP und der CDU/CSU)





Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007101600
Das Wort hat der Abgeordnete Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1007101700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz aller beinahe verzweifelt zu nennenden Rechtfertigungs- und Verschleierungsversuche der Koalition — Herr Dregger und Herr Genscher haben durch ihre Reden diese Situation j a unterstrichen — hat sich eines in aller Eindeutigkeit herausgestellt: daß Straffreiheit für Steuerstraftaten gewährt werden sollte, die von Politikern der CDU/CSU und FDP und von Großfinanziers dieser Parteien begangen worden sind.

(Zurufe von der CDU/CSU: Und der SPD! — Unglaubliche Heuchelei!)

Das sollte aus zwei Gründen geschehen — —

(Kittelmann [CDU/CSU]: Fangen Sie doch endlich einmal an, ehrlich zu sein! Das ist ja nicht mehr anzuhören!)

— Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Sie mit den Zwischenrufen von Kollegen der CDU allgemein bekanntmachen. Hier wird behauptet, es gebe entsprechende Straftaten bei Mitgliedern der SPD und bei Freunden und Wählern der SPD.

(Zurufe von der CDU/CSU: Volksfürsorge! — Arbeiterwohlfahrt! — Neue Heimat! — Gewerkschaften! — Fragen Sie den Klasen! Der weiß das besser! — Mit Aktenzeichen!)

Ich fordere Sie, die Sie diese Zwischenrufe gemacht haben, auf, diese Behauptung durch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und bei der Steuerfahndung zur Geltung zu bringen und endlich damit aufzuhören, unter dem Schutz der Indemnität und Immunität Verleumdungen in die Welt zu setzen!

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Pharisäer! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Verleumdungen machen Sie!)

Diese Straffreiheit sollte aus zwei Gründen gewährt werden: erstens um diejenigen — jetzt zitiere ich Kanzler Kohl — nicht im Stich zu lassen, die durch strafbare Handlungen das große Geld in die Kassen von CDU, CSU und FDP geschaufelt haben,

(Zurufe von der CDU/CSU: Das große Geld haben Sie! — Der Nau ist der größte Geldwäscher aller Zeiten!)

und zweitens — jetzt zitiere ich den Staatsminister Möllemann — um den Spendenfluß wieder in Gang zu setzen. Herr Kollege Dregger, dies ist der entscheidende Unterschied zwischen allen Amnestien, die es in der deutschen Rechtsgeschichte gegeben hat und dem, was Sie an Straffreiheit, an Selbstbegünstigungsamnestie ins Werk setzen wollten.

(Beifall bei der SPD)

Während sich der Bürger für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verantworten muß, so, wie Recht und Gesetz es befehlen, für falsches Parken, für Steuerhinterziehung, für Diebstahl und Betrug vor Gericht gestellt und bestraft wird und seine Strafe auch auf sich nehmen muß, fallen CDU, CSU und
FDP der Gerechtigkeit und der Justiz in den Arm, nicht, wie Sie heuchlerisch behaupten —

(Klein [München] [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)

— Herr Dregger und Herr Genscher haben das ja auch heute wieder getan —, im Interesse des Rechtsfriedens

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das Wort „heuchlerisch" nehmen Sie zurück!)

oder der Rechtssicherheit, sondern um ihre Freunde vor Recht und Gesetz in Sicherheit zu bringen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU: Jämmerlich!)

Vor dem Gesetz sind nach unserer Verfassung alle gleich. Was schert das CDU, CSU und FDP, wenn es sich um Straftaten dreht, die ihre Freunde im Interesse ihrer Parteien begangen haben, wenn das große Geld aus der Wirtschaft wieder in ihre Parteikassen geleitet werden soll!

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Und was haben Sie von den Gewerkschaften bekommen? — Zurufe von der CDU/CSU: Arbeiterwohlfahrt! — Volksfürsorge! — Neue Heimat!)

Wenn sich die Justiz den Wünschen dieser Parteien des großen Geldes nicht fügt, dann wird sie unter Druck gesetzt. Staatsanwälte, die sich weigern, das Recht zugunsten von CDU, CSU und FDP zu verbiegen,

(Klein [München] [CDU/CSU]: Halstenberg!)

Staatsanwälte, die vor diesen Parteien nicht kuschen,

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Förster!)

solche Staatsanwälte werden dreist öffentlich der Verfolgung Unschuldiger bezichtigt.

(Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Wer war denn damals Justizminister? Was war mit Herrn Förster?)

Und der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Mein Gott, sind Sie schwach!)

hat sich heute nicht gescheut, in unglaublicher Weise die Dreckschleuder gegen Staatsanwälte in Tätigkeit zu setzen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Dreckschleuder steht da vorne! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

die nichts anderes tun als das, wozu sie verpflichtet sind, nämlich strafbare Handlungen ohne Ansehen der Person zu verfolgen.

(Beifall bei der SPD — Anhaltende lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Dregger, Sie kennen ganz gewiß die Presseerklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bonn vom 21. Mai 1984. Ich erwähne sie im Zusammenhang mit dem, was Sie über Herrn Waffen-



Dr. Emmerlich
schmidt gesagt haben. In dieser Presseerklärung heißt es wörtlich:
Der Beschuldigte kann sich auch selbst oder durch seinen Verteidiger jederzeit schriftlich äußern. Gelegenheit hierzu hatten alle Beschwerdeführer, da ihnen die Vorwürfe von der Staatsanwaltschaft nach den Immunitätsvorschriften bekanntgegeben worden waren. Diese Gelegenheit hat bisher nur die Abgeordnete Dr. Wex wahrgenommen.
Das zu Herrn Waffenschmidt und den Tränen, die Sie über ihn vergießen!

(Zurufe von der CDU/CSU: Woher wissen Sie Das?)

— Wörtliches Zitat des Leitenden Oberstaatsanwalts.

(Zurufe von der CDU/CSU: An wen?)

Die Wende, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kanzler Kohl versprochen hat, führt in der Rechtspolitik zurück ins finstere Mittelalter. Damals war die Justiz der Willkür des absoluten Monarchen ausgesetzt. CDU, CSU und FDP wollen die Justiz heute unter ihre Willkür stellen, ihren Interessen unterwerfen.
Verurteilt werden muß auch die Methode, mit der die Koalitionsparteien auf die Kritik an der Selbstbegünstigungsamnestie reagiert haben.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Klassenjustiz gibt es woanders!)

Die Vorwürfe gegen die Staatsanwälte, sie verfolgten Unschuldige und ließen dafür die wirklichen Verbrecher laufen, sind ein unerhörter Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Die Staatsanwälte sind unabhängig?)

Und daß der Fraktionsvorsitzende Dregger sich nicht scheut, die Bonner Staatsanwälte für Schmierereien, die er erwähnt hat, verantwortlich zu machen, weil sie ihren Pflichten nachgehen, dies ist ein schlimmer Ausfall gegen Recht und Gerechtigkeit und gegen die deutschen Richter und Staatsanwälte.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Oberheuchelei! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Man meint, Sie hätten in Bremen studiert!)

Wen wundert es, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die CDU und ihre Hilfstruppen

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Glück, daß Sie nicht mehr Richter sind!)

natürlich ganz besonders massiv die SPD in den Schmutz zu ziehen sucht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Vorverurteiler ist das!)

Die SPD hat die Amnestie 1981 vom Tisch gefegt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Feger ist das!)

Richtig ist, daß die FDP, Herr Genscher, massiv auf eine Amnestie gedrängt hat.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Brandt! Wehner!)

Richtig ist auch, daß über dieses Ansinnen mit der FDP gesprochen worden ist.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Warum redet der Herr Brandt nicht?)

Nach rechtlicher und rechtspolitischer Prüfung hat die SPD-Bundestagsfraktion

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Brandt!)

jede Unterstützung einmütig abgelehnt und verhindert, daß diese Amnestie auch nur auf die Tagesordnung der Fraktion gesetzt wurde.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU])

Die SPD hat die Amnestie auch 1983 verhindert. Sie stand auch 1984 im Kampf gegen die Amnestie in vorderster Linie.
Diese Schmutzkampagne der CDU gegen die SPD ist ein Ablenkungsmanöver.

(Zuruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU])

Abgelenkt werden soll von der Selbstbegünstigungsamnestie unter Mißbrauch von Regierungsmacht und Gesetzgebungsmehrheit.

(Zuruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU])

Die Empörung der Bürger soll nach der Methode „Haltet den Dieb" auf die SPD gelenkt werden.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das ist doch Eure Methode!)

Die SPD soll die Mitschuld für die Amnestiepläne erhalten.

(Abg. Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Ihr wart doch die Empfänger des großen Geldes!)

Aber dieses Ablenkungsmanöver, Herr Dregger, wird scheitern, ebenso wie die Amnestie selbst und ihre fadenscheinige, auf Lug und Trug aufgebaute Begründung.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Was haben Sie denn vom DGB gekriegt? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nennen Sie doch mal die Summe!)

Bundeskanzler Kohl hat sich für eine solche Amnestie in aller Öffentlichkeit vehement eingesetzt.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007101800
Einen Augenblick, Herr Kollege. Meine Damen und Herren, es sind Unruhe und Erregung im Haus; das kann jeder verstehen. Es kommen manche Worte hier verstümmelt an, so daß mir erst das Protokoll Auskunft geben kann, welche Ordnungsrufe zu erteilen oder nicht zu erteilen sind. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, sich doch zu mäßigen und eine Aussprache zu führen, die — —

(Unruhe und Zurufe)




Präsident Dr. Barzel
— Ich habe alle Kolleginnen gebeten und bin hier nicht zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1007101900
Das ist ein Beitrag zu dem Kapitel Toleranz, das Herr Genscher eben so großmäulig im Mund gehabt hat.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jämmerlich! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Bundeskanzler Kohl hat diese Selbstbegünstigungsamnestie zu seiner eigenen Sache gemacht. Er hält nach wie vor daran fest. Er hat sich durch nichts beeindrucken lassen: nicht vom Deutschen Richterbund, nicht von kirchlichen Stellungnahmen, natürlich nicht von den Gewerkschaften,

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Die haben doch gegeben! Die haben doch gar keinen Grund!)

auch nicht von dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, und schon gar nicht von der Empörung der Bürger. Dies alles läßt ihn kalt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Auch nicht von der Neuen Heimat! — Auch nicht von der Friedrich-Ebert-Stiftung!)

Dieser Bundeskanzler, an Sachfragen ohnehin nicht sonderlich interessiert, ein Generalist eben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Nennen Sie die Leute vom DGB!)

hat sich stets seinen angeblich besonders ausgeprägten politischen Instinkt zugute gehalten.

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Herr Klasen!)

In der Amnestiefrage allerdings sind bei ihm vornehmlich drei Dinge zutage getreten: sein dickes Fell, seine Rechtsblindheit und ein erstaunliches Maß an Verachtung für das Rechtsbewußtsein und das Rechtsgefühl des Volkes.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Unerhört!)

Alle Instinkte Kohls seien auf die Macht gerichtet, (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!) heißt es — —

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007102000
Herr Kollege! Ich bitte den Redner, sich zu mäßigen.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1007102100
Vielen Dank, Herr Präsident.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007102200
Der Dank an den Präsidenten ist nicht zulässig, Herr Kollege!

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1007102300
Alle Instinkte Kohls seien auf die Macht gerichtet, heißt es in einem Zeitungskommentar dieser Tage. Ein solcher Mann ist in großer Gefahr,

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

blind und taub zu werden allem anderen gegenüber
und der Arroganz der Macht zu verfallen. Kanzler
Kohl scheint dieser Gefahr mehr und mehr zu erliegen. Immer dann, wenn ihm Entscheidungen abverlangt werden, die nicht Machtbewußtsein verlangen, sondern politische Moral und Feinfühligkeit, immer dann hat dieser Kanzler versagt.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Das war so in der Schwarz-Schilling-Affäre. Das war nicht anders, als er Graf Lambsdorff trotz Anklage wegen Bestechlichkeit im Amt hielt. Das war schließlich der Fall, als er sich darüber hinwegsetzte, daß Bundesverteidigungsminister Wörner die öffentliche falsche Anschuldigung eines Vier-SterneGenerals zu verantworten hatte.
Wie bei diesen Skandalen hat Kanzler Kohl bei der Amnestie Kameraderie und Kumpanei, die parteipolitischen Interessen seiner Partei und seine persönlichen Machtinteressen höher gestellt als das allgemeine Wohl und die Staatsräson.

(Beifall bei der SPD)

Er hat dem Amt, das ihm anvertraut worden ist, Schaden zugefügt. Auch sein persönliches Ansehen schmilzt dahin.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

In den eigenen Reihen wächst die Einsicht, daß sein politisches Gespür für das verantwortungsschwere Amt des Bundeskanzlers nicht ausreicht.

(Hornung [CDU/CSU]: Sie sind ein Märchenerzähler, ein Märchenerzähler sind Sie!)

Die politischen Probleme unseres Landes sind mit bloßem Aussitzen-Können und mit der Devise „Das stehen wir durch!" nicht zu meistern.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das sagt ein Sozialdemokrat! — Hornung [CDU/CSU]: Märchenerzähler!)

Dieser Kanzler hat eine geistig-moralische Wende versprochen. Eine Wende ist in der Tat eingetreten, eine Wende, die unser Land zu einer Bakschisch- und Bananenrepublik zu machen droht

(Seiters [CDU/CSU]: Widerlich, jämmerlich! — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! Widerlich!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007102400
Herr Kollege, ich rufe Sie zur Ordnung.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1007102500
— —, zu einem Land, in dem sich das große Geld über die Demokratie und das Machtinteresse von CDU und CSU über das Recht hinwegsetzt.

(Beifall bei der SPD — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ein ganz widerlicher Verleumder ist das!)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1007102600
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Mahnung, die ich Ihnen allen hier soeben zu sagen versucht habe, zu beherzigen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.




Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1007102700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in dieser wichtigen Debatte darlegen, weshalb ich in meiner Fraktion für den vorgesehenen Antrag, für ein Straffreiheitsgesetz eingetreten bin und diese Sachargumente auch heute vertrete. Damit will ich als Bundesminister der Finanzen einige Anmerkungn zu einigen öffentlichen Äußerungen außerhalb dieses Hauses über die Finanzverwaltung verbinden. Es geht also um eine Stellungnahme zur rechtlichen Würdigung, zur Verwaltungspraxis, aber auch zum Verhalten angesehener Persönlichkeiten der demokratischen Parteien.
Ich halte dies für um so wichtiger, nachdem ich feststellen mußte, daß der Herr Kollege Emmerlich den Versuch gemacht hat, Herrn Schily an Erbärmlichkeit der Argumente noch zu übertreffen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Überzeugung, die ich im einzelnen begründen werde, im Hinblick auf die erkennbare Praxis
— auch von Verwaltungen — von mehr als 20 Jahren ist: die Situation der hier von Verfahren betroffenen Bürger, also Spender an demokratische Parteien, ist exzeptionell so, daß ein Vertrauensschutz grundsätzlich bejaht werden muß.

(Schily [GRÜNE]: Herr Richter Stoltenberg, nicht wahr?)

— Also, Herr Schily, nach dem, was Sie hier geboten haben, sollten Sie einmal ernsthafte Argumente anhören. Vielleicht hilft das bei der nächsten Rede.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

Ich werde nun ein paar Sätze zur Rechtslage sagen und mich von Ihnen überhaupt nicht provozieren lassen.

(Zurufe von der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Sie sind schon für die Unschuldsvermutung eingetreten, als ich das Wort noch gar nicht kannte!)

— Also, erst schlägt er unter die Gürtellinie, und jetzt stört er systematisch einen Redner. Das ist für einen Parlamentarier ein schlimmes Verhalten, Herr Schily.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Grundsätze des Gutachtens des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 1952,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ganz erbärmlich, Herr Minister!)

das natürlich eine entscheidende Rolle in der Bewertung dieser Zeit spielt,

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Weil es keiner aufheben kann!)

über steuerbegünstigte Spenden an Parteien durch Berufsverbände galten auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1959 in der Verwaltungspraxis unverändert weiter. Sie sind ja auch in einem bruchstückhaft bekannten Schreiben von Herrn Kollegen Matthöfer an einen Kölner Rechtsanwalt aus dem Jahre 1980 ausdrücklich bekräftigt worden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Berufsverbände, insbesondere Gewerkschaften und Unternehmensverbände haben also in dieser Zeit auf der Grundlage jenes Gutachtens ständig sehr hohe Beträge an die demokratischen Parteien weitergeleitet,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ehmke [Bonn] [SPDJ)

und zwar aus Beiträgen von Mitgliedern, die diese steuermindernd geltend machen konnten. — Es ist doch gut, Herr Professor Ehmke, daß dieser Sachverhalt einmal vor der deutschen Öffentlichkeit dargestellt wird. Das ist doch vollkommen in Ordnung.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Aber das spielt doch in der Amnestiefrage gar keine Rolle! Gegen die läuft doch kein Verfahren!)

— Darf ich fortfahren: Daneben haben sich seit den 50er Jahren in verschiedenen Formen als gemeinnützige Vereine anerkannte Vereinigungen gebildet, die ebenfalls steuermindernde Spendenbescheinigungen ausgestellt haben und über Jahrzehnte hinweg unbeanstandet die ihnen zugeführten Mittel weitgehend oder ganz überwiegend den Parteien zukommen ließen.

(Schily [GRÜNE]: Was hat denn da das Bundesverfassungsgericht gesagt?)

— Genau auf den Punkt komme ich. Ich bin zur Zeit dabei, einen Sachverhalt darzustellen, der mir bisher in der öffentlichen Debatte zu kurz gekommen ist.
Im Gutachten des Bundesfinanzhofes ist keine exakte Obergrenze für die Weiterleitung von Beitragsanteilen an Parteien festgelegt worden. Es sind jedoch Kriterien entwickelt worden, die im Laufe der Zeit von der Steuerverwaltung des Bundes und der Länder sachgerecht — ich unterstreiche das — mit Grenzziehungen von 20 bis 25 % umgesetzt wurden.
Meine Damen und Herren, ich habe auf Grund mehrerer parlamentarischer und journalistischer Anfragen der letzten Tage jetzt — ich füge hinzu: zum erstenmal — einige der Akten aus den 60er und 70er Jahren durchgesehen. Sie vermitteln — ich sage das mit der Einschränkung, daß ich nicht alles gesehen habe; das, was ich gesehen habe, ist aber, wie ich glaube, repräsentativ — die Überzeugung, daß die beteiligten Beamten der Bundes- und Landesministerien nach bestem Wissen und Gewissen Recht und Gesetz in Richtlinien und Erlassen konkretisiert und in diesen internen Erlassen dabei auch den Unterschied zwischen den steuerbegünstigten Spenden über Berufsverbände und jenen, die über andere Finanzierungsträger und in anderen Formen erfolgten, herausgearbeitet haben. Dies gilt übrigens, wenn man das im Gesamtzusammenhang liest, auch für das schon als bruchstückhaft bekannt erwähnte Schreiben des Kollegen Matthöfer aus dem Jahre 1980.



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Ich will an dieser Stelle, was die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Finanz- und Steuerverwaltung berührt, im Hinblick auf einzelne Äußerungen von außerhalb des Hauses, nicht von Mitgliedern des Hauses sagen: Es gibt bei dieser Sachlage keinen Grund zur Polemik gegen die Finanz- und Steuerverwaltung des Bundes und der Länder.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, der für unsere Diskussion und die Bewertung des zunächst beschlossenen und jetzt nicht eingebrachten Straffreiheitsgesetzes zentrale Punkt ist ein ganz anderer. Ich zitiere hier zunächst einen Satz des höchsten Richters der Finanzgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland bis 1983, einen Satz des im vergangenen Jahr in den Ruhestand getretenen Präsidenten des Bundesfinanzhofs Professor Heinrich List. Er sagte am 20. Mai im Zweiten Deutschen Fernsehen: „Veröffentlicht wurden diese Prozentsätze nie." Das heißt, öffentlich bekanntgemacht worden sind jene Grenzziehungen — zunächst unter dem Vorzeichen der Berufsverbände — nie. Man muß ohne Polemik die politisch Verantwortlichen, nicht die Beamten, fragen, weshalb das eigentlich nicht erfolgt ist. Die sogenannten Fördervereine — staatsbürgerliche Vereinigungen und andere — sind über Jahrzehnte hinweg als gemeinnützig anerkannt worden und in den Verwaltungsrichtlinien — ich bin darauf hingewiesen worden: bei den jetzt im Mittelpunkt von Verfahren stehenden staatsbürgerlichen Vereinigungen sogar noch in den Verwaltungsrichtlinien für 1984 — ausdrücklich als gemeinnützig beschrieben worden. Wie ich Berichten und Veröffentlichungen entnehme, sind auch bei ihnen in der Regel mehrfach Prüfungen durchgeführt worden, die über lange Zeit keine Beanstandungen auslösten. Deshalb muß man unabhängig von einer konkreten Aktenlage in den Ministerien, internen Erlassen und Vermerken den Spendern grundsätzlich Vertrauensschutz zubilligen. Das ist die Folgerung, die ich hier unterstreichen möchte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch sie haben ja bei wiederholten Betriebsprüfungen durch Beamte, denen wir Handeln nach bestem Wissen und Gewissen im Einzelfall — jedenfalls bis zum Beweis des konkreten Gegenteils — unterstellen sollten, die Anerkennung ihrer Spenden an die genannten Vereinigungen als steuermindernd erhalten und mußten vor allem dann, wenn dies über 10, 15, 20 Jahre geschehen ist, darauf bauen können.
Professor List als der höchste — ich sage es noch einmal — zuständige Richter in der Bundesrepublik Deutschland für diesen Bereich hat hierzu im Zweiten Deutschen Fernsehen ausgeführt — ich zitiere es wörtlich —:
Es ist in der Tat so, die Formulierung des Bundesfinanzhofs ist sehr offen gehalten. Im übrigen stellt das Gutachten des Bundesfinanzhofs keine Rechtsgrundlage dar, es stellt nur eine Antwort auf eine ihm gestellte Frage dar.
Der Interviewpartner hat dann gefragt: Es heißt, es gab eine Verwaltungspraxis ohne Rechtsgrundlage.
Hierauf sagt Professor List: Das ist richtig.
Diese seine Einschätzung — er wird wohl nicht zu den Dunkelmännern und Vorkämpfern einer Bananenrepublik oder der Mafia gerechnet, Herr Schily, wie andere Ehrenmänner — ist um so wichtiger — —

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Bleiben Sie ganz sachlich!)

— Ich bleibe ganz sachlich. Aber ich werde gelegentlich auch mal temperamentvoll, Herr Fischer. Machen Sie sich da keine Sorge! Das kommt noch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Einschätzung ist um so wichtiger, weil zahlreiche angesehene Persönlichkeiten aller Parteien zu solchen Spenden ermutigt haben. Es ist ja bereits hier aus dem Brief des langjährigen Präsidenten der Bundesbank Karl Klasen an den SPD-Kollegen, den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Vogel, zitiert worden. Weil Sie das gar nicht aufnehmen — Herr Emmerlich hat uns ja klargemacht, daß man bei solchen Punkten nach dem Motto verfährt: Augen zu, nichts hören, nichts sehen, sondern nur die vorbereiteten Polemiken vortragen —, will ich aus diesem Brief noch einige weitere Kernsätze zitieren, weil mir dies unter der rechtlich wichtigen Frage des Vertrauensschutzes notwendig erscheint. Karl Klasen schreibt an Herrn Vogel — ich zitiere —:
Bei sehr vielen aufgeschlossenen Unternehmern habe ich damit
— das heißt, mit dem Sammeln von Spenden —
Erfolg gehabt. Gerade diese Kreise, die uns sehr fernstehen, werden jetzt maßlos enttäuscht sein, wenn die SPD zwar diese Spenden entgegengenommen hat, nun aber scheinheilig tut, als wenn sie immer alle gewußt hätten, daß hierfür ein Steuerabzug nicht zulässig wäre.
Mir ist
— so schreibt Karl Klasen —
kein Erlaß eines sozialdemokratischen Justizministers, sei es im Bund, sei es in den Ländern, bekannt,

(Dr. Dregger [CDU/CSU]: Auch Herr Vogel hat sich nicht geäußert!)

der hier eine Klarstellung in dem Sinn gebracht hätte.
Da sind Sie gemeint, Herr Vogel, und Sie hätten nach dem Empfang dieses Briefes etwas anders reden müssen, als Sie es bis heute getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Klasen fährt fort:

Der eine oder andere von Ihnen mag sich für
finanzielle Dinge nicht interessiert haben,

(Klein [München] [CDU/CSU]: Herr Vogel hat Wichtigeres zu tun!)




Bundesminister Dr. Stoltenberg
aber dazu waren die Beiträge, die der SPD zugeflossen sind, auch von ihr nahestehenden Unternehmen, wie Bank für Gemeinwirtschaft, Neue Heimat, Volksfürsorge und den Gewerkschaften, zu groß, als daß keiner davon Kenntnis gehabt hätte.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Es ist richtig — ich habe den Unterschied deutlich gemacht —, daß die Gewerkschaften im Rahmen der Grenzen für Berufsverbände spenden konnten. Aber nach der Rechtsauffassung, die Sie, Herr Vogel, vertreten haben und die Herr Emmerlich als der letzte bei diesen rüden Attacken vertreten hat, ist das natürlich für die Bank für Gemeinwirtschaft, für die Neue Heimat und die Volksfürsorge mit den Beträgen, deren Größenordnung hier angedeutet wurde, nicht möglich gewesen.

(Zurufe des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD] und der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

— Nein, er redet hier von steuerbegünstigten Spenden. Ich gehe vom Text aus.
Ich muß nun schon einmal darum bitten, daß sich diejenigen Mitglieder Ihrer Fraktion,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie haben doch gar nichts! Gehen Sie doch zur Staatsanwaltschaft!)

die in den Organen dieser sozialdemokratisch geleiteten gemeinwirtschaftlichen Gewerkschaftsunternehmen sitzen, einmal öffentlich zu diesem Brief von Karl Klasen und zu ihrer Verantwortung äußern!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Es war nicht eine glückliche Fügung, daß dieser Brief gerade in jenen Tagen bekannt wurde, als die Aktionen des Herrn Ferlemann einen großen Teil der deutschen Presse so beeinträchtigt haben, daß er wenig abgedruckt wird. Wir tragen das hier vor und fordern Sie in aller Öffentlichkeit auf, zu diesen Sachverhalten Stellung zu nehmen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Karl Klasen — ich sage das aus persönlicher Wertschätzung auf Grund j ahrzehntelanger guter Bekanntschaft, und da sind wir uns sicher einig —

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist doch Heuchelei, was Sie machen, Herr Stoltenberg!)

war nur einer von vielen, die ohne Zweifel aus ehrenwerten Motiven in dieser erwähnten Form Mitbürger ermutigten, steuerbegünstigte Spenden — hier für die Sozialdemokratie, andere auch für die Sozialdemokratie, in anderen Fällen für CDU, CSU und FDP — zu sammeln.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Ja, warum auch nicht!)

Die GRÜNEN sind sicher nicht betroffen, aber ich will Ihnen einmal sagen, Herr Schily: Ob es auf die Dauer überzeugend ist, sich praktisch nur aus Steuermitteln der Bürger über die Haushalte zu finanzieren, ist auch noch eine interessante Frage.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Lesen Sie doch unsere Rechenschaftsberichte! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nach dieser kurzen Zwischenbemerkung, die eine Anregung zum Nachdenken ist,

(Zuruf von den GRÜNEN: Eine Unverschämtheit!)

fahre ich fort.

(Schily [GRÜNE]: Lesen Sie unsere Rechenschaftsberichte!)

— Also, ich würde dann sagen: ganz überwiegend!

(Schily [GRÜNE]: 50 %!)

Ich möchte mich jetzt an die Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei wenden.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der SPD, sogar Inhaber hoher Regierungsämter haben sich an dieser Form der Sammlung beteiligt. Wir werden Ihre Befürchtungen — Sie haben das im Pressedienst ja sozusagen vorher angekündigt —, daß wir Dutzende von Vermerken, die es natürlich mittlerweile mit vielen Namen aus Ihren Reihen gibt — präsentieren würden, nicht erfüllen,

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das können Sie gern! — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie haben doch gar nichts!)

aber nachdem der Herr Kollege Emmerlich uns eben noch einmal ausdrücklich dazu aufgefordert hat, Dokumente zur Klärung dieses Sachverhalts vorzulegen,

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Der Staatsanwaltschaft!)

— nein, ich halte es nach dieser Aufforderung für richtiger, daß diese Diskussion im Deutschen Bundestag geführt wird, als daß ich Briefe an den Staatsanwalt schicke, Herr Ehmke; das sage ich Ihnen in aller Offenheit —

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Legen Sie einmal alle Dokumente vor!)

nachdem wir also dazu aufgefordert sind, möchte ich, um das zugrundeliegende Problem des Vertrauensschutzes — darum geht es ja bei der rechtlichen Bewertung auch des Amnestievorschlages — ganz deutlich zu machen, hier ein Schreiben wörtlich zu Protokoll geben, das mir durch einen Fraktionskollegen vom Empfänger — ich unterstreiche das — in Fotokopie zugeleitet wurde:
Briefkopf: Rainer Offergeld, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der Finanzen. Deswegen berührt mich das j a auch in anderer Eigenschaft. Dann oben rechts die Amtsanschrift:



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Bonn 1, Rheindorfer Straße 108. Das ist die Dienststätte des Bundesministers der Finanzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So, so!)

Hinzugefügt in Maschinenschrift: Waldshut-Tiengen 2, Neumarktstraße 7. Das ist die Privatanschrift. Empfänger: Firma Dynamit-Nobel, Werk Rheinfelden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Flick!) Eingangsdatum: Rheinfelden: 17. Februar 1976.


(Schily [GRÜNE]: Warum ist das nicht mit den Flick-Akten vorgelegt worden? — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Er wird uns gleich erklären, was das mit der Amnestie zu tun hat!)

— Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich es vom Empfänger habe. Es ist doch nicht aus den Akten des Ministeriums, sondern ist uns vom Empfänger nach der ganzen maßlosen Kampagne der Kollegen der SPD zur Verfügung gestellt worden.
Und jetzt bitte ich zuzuhören, jetzt beginnt der Text, den ich an Hand der Fotokopie vortrage:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit diesem Brief möchte ich Sie unabhängig von Ihrer eigenen parteipolitischen Meinung um einen Beitrag zur Landtagswahl in BadenWürttemberg bitten. Ich äußere diese Bitte, weil ein gut und fair geführter Wahlkampf im Interesse aller liegt. Die Vertreter der demokratischen Parteien müssen der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen über ihre Arbeit. Sie müssen um Vertrauen werben für ihre politischen Zukunftspläne. Demokratie kann anders nicht existieren.
Die SPD hat zum Erstkandidaten im Wahlkreis Waldshut erneut Landtagsabgeordneten Kurt Bantle aus Säckingen nominiert. Kurt Bantle hat sich in den vergangenen Jahren mit großem Engagement für die Belange des Wahlkreises und seiner Bürger eingesetzt. Die sachliche Art, in der er seine politische Arbeit betreibt, hat ihm auch in Stuttgart Ansehen bei allen politischen Gruppen verschafft. Ich erlaube mir daher, Sie um einen Beitrag zu den Kosten seines Wahlkampfes zu bitten, wie immer Sie zu den Zielen sozialdemokratischer Politik im einzelnen stehen mögen.
Ich bitte Sie, Überweisungen
— „Überweisungen", da ist von mehreren die Rede —(Heiterkeit)

auf folgendes Konto vorzunehmen: Postscheckkonto Karlsruhe 91455-753, Spendenkonto Kurt Bantle, Säckingen.
Die Spende ist steuerlich abzugsfähig. Eine entsprechende Quittung wird Ihnen selbstverständlich zugesandt.
Mit freundlichen Grüßen Rainer Offergeld

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wohlgemerkt, hier ist nicht die Rede von einer Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit im Sinne des Gesetzes auf 600 oder 1 200 DM.

(Abg. Jansen [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu, Herr Jansen.
Der Spendenfreudigkeit sollten eindeutig keine Grenzen gesetzt werden.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Armer Stoltenberg, der ruiniert seinen Ruf nur wegen Lambsdorff!)

Es ist nicht meine Aufgabe, Herr Kollege Ehmke, heute zu bewerten, von welcher rechtlichen Beurteilung der damalige Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Rainer Offergeld, ausging. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß er selbst mit allen amtlichen Kenntnissen und Verantwortlichkeiten ausgestattet, guten Glaubens von der Rechtmäßigkeit des steuerbegünstigten Spendens in nicht begrenzter Höhe bei der sogenannten Umwegfinanzierung ausgeht. Was immer hierzu abschließend erklärt wird — und es bedarf sicher einer Klärung —: Niemand kann über diesen Einzelfall hinaus den Spendern den guten Glauben absprechen, den Vertrauensschutz verweigern, wenn sogar der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums nachdrücklich einen solchen Weg empfohlen hat. Das ist meine Folgerung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Jansen [SPD]: Solche Briefe máchen Sie mit Unterschriftenmaschinen! — Schily [GRÜNE]: Wie ist das mit den Briefen von Herrn Kiep?)

Ich will wegen der maßlosen Polemik gegen uns nur die Tatsache erwähnen, daß die Firma Dynamit Nobel zum Flick-Konzern gehört,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

dessen bekannte Anträge auf Steuerbefreiung damals und in den Folgejahren durch das Bundesministerium für Wirtschaft und das Bundesministerium der Finanzen geprüft und entschieden wurden. Meine Damen und Herren, was würden wir für ein publizistisches und politisches Erdbeben erleben, wenn ein vergleichbares Schreiben an Firmen der Flick-Gruppe aus jener Zeit von den am Genehmigungsverfahren beteiligten FDP-Kollegen heute publiziert würde! Was würden wir hier für ein Erdbeben erleben! Ich muß das einmal sagen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte die Kollegen der SPD-Fraktion und vor allem auch die Fraktionsführung auffordern: Nehmen Sie Ihre maßlosen und kränkenden Attakken der letzten Wochen und auch noch dieser De-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
batte gegen andere Parteien, Politiker und Spender im Lichte solcher Vorgänge zurück! Ich appelliere nachdrücklich an Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD] und Schily [GRÜNE])

Kritisieren Sie unsere Argumente in der Sache, meine Damen und Herren.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie spielen eine ganz miese Rolle, Herr Minister!)

— Nein. Wir sind hier in einer schlimmen Weise verunglimpft worden.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Sie reden doch bewußt am Thema vorbei!)

— Nein. Hören Sie auf, uns die Integrität abzusprechen, wie das heute geschehen ist!

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind nicht integer!)

Wenn wir begründen, weshalb wir ein Straffreiheitsgesetz auf diesem Hintergrund als legale Möglichkeit ansehen, dann kritisieren Sie unsere Argumente in der Sache. Mich erinnert das, was wir in den letzten Wochen und auch eben in dem Beitrag von Herrn Emmerlich erlebten, an die bekannte Formel von Professor Arnold Gehlen von der Moral, die zur Hypermoral umschlägt und bei der Doppelmoral endet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin bei der Verabschiedung des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes von folgender Beurteilung ausgegangen: Nach einem alten, in § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuches enthaltenen Grundsatz ist bei einer strafrechtlichen Beurteilung das mildere Recht anzuwenden, wenn das bei Beendigung der Tat geltende Recht zwischenzeitlich geändert wurde. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um sogenannte Zeitgesetze handelt. Diese sind nach Abs. 4 dieser Vorschrift auf die während ihrer Geltung begangenen Handlungen auch dann noch anzuwenden, wenn sie inzwischen außer Kraft getreten sind.
Ministerialdirigent Professor Karl-Heinz Kunert, als Leiter der Strafrechtsabteilung im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen von besonderer Autorität — und auch in einer unmittelbaren dienstlichen Mitverantwortung, sage ich vorsichtshalber zu den Ermittlungsbehörden —, hat jetzt in einem Aufsatz der „Neuen Zeitschrift für Strafrecht" überzeugend dargelegt, daß die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Zeitgesetze aufgestellten Voraussetzungen im Falle der steuerlichen Regelung für die Abzugsfähigkeit der Spenden an politische Parteien nicht vorliegen. Nach einer gründlichen Rechtsanalyse kommt Professor Kunert zu dem Schluß, daß durch das Parteiengesetz von 1967 die Konsequenz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1958 gezogen und — ich zitiere wörtlich — „eine verfassungsfeste Dauerregelung dieser Frage für die politischen Parteien geschaffen werden sollte".
Die Spendenregelung der §§ 34 und 35 dieses Gesetzes ist später inhaltsgleich in die Steuergesetze übernommen worden.
Diese Regelung blieb bis einschließlich 1979 unverändert. Erst ab 1980 gab es höhere Grenzen. Bei einer so langen Geltungsdauer kann man nicht von einem ständigen Wandel dieser steuerlichen Abzugsregelung reden, gleich, ob man sie nun im nachhinein betrachtet oder aus damaliger Sicht. Da die steuerliche Abzugsregelung für Parteispenden somit kein Zeitgesetz darstellt, muß nach meiner Einschätzung der alte Strafrechtsgrundsatz des milderen Rechtes zum Zuge kommen.

(Schily [GRÜNE]: Sie haben die Amnestie schon im Kasten, Herr Stoltenberg?!)

— Ich entwickle hier eine Rechtsauffassung, gestützt auf den Leiter der Strafrechtsabteilung im Ministerium für Justiz in Nordrhein-Westfalen.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Weil der Justizminister ausgefallen ist! Das verstehen wir!)

Ich erlaube mir, diese Rechtsauffassung, Herr Kollege Schily, zu zitieren. Es ist doch besser, rechtliche Argumente vorzutragen, als andere Leute unter die Gürtellinie zu schlagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will als letztes sagen: Es ist ja auch nicht so, daß wir vor dem ersten oder zweiten Straffreiheitsgesetz stehen. Seit 1949 haben wir in Bund und Ländern Amnestien gehabt, u. a. Straffreiheitsgesetze 1949, 1954, 1968 und 1970 sowie im Rahmen der Strafrechtsreform. Wer noch einmal — ich habe es getan — die wesentlichen Gründe von damals nachliest — aus unterschiedlichen Anlässen —, kann zu der begründeten Überzeugung kommen, daß das aus den genannten Erwägungen und Tatbeständen, vor allem dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, eine legitime Initiative war, auch wenn sie — ich teile da die Meinung des Herrn Kollegen Genscher — nicht Gesetz wird.
Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007102800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID1007102900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stoltenberg, mir ist ja sehr wohl bekannt, daß Sie in den letzten Tagen das gesamte Finanzministerium, insbesondere die Steuerabteilung, auf den Kopf gestellt haben, um für Ihre Behauptung, es habe keine Rechtsklarheit gegeben, Vertrauensschutz sei geboten, während der Zeit der sozialdemokratischen Finanzminister habe es keine Klarheit gegeben, Unterlagen zu finden.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Simplifikation à la St. Pauli!)

Sie sind zu dem Ergebnis gekommen — das haben Sie hier, glaube ich, auch indirekt deutlich ge-



Dr. Apel
macht, insbesondere auch dadurch, daß Sie sich klar vor Ihre Steuerabteilung gestellt haben, was ich gut finde —, daß die Rechtsklarheit in der Frage der Parteispenden zu jener Zeit gegeben war

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

und daß es von daher überhaupt keinen Grund gab, Amnestiepläne zu verfolgen. Da gab es ganz andere Gründe, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.
Sozialdemokraten haben immer deutlich gemacht: Parteispenden sind natürlich zulässig, sie können auch erwünscht sein. Nur: Ihre steuerliche Abzugsfähigkeit ist klar definiert und klar begrenzt.

(Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Sie trauen sich was!)

Wenn Sie wollen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, überreichen wir Ihnen gerne die vielen Antworten Parlamentarischer Staatssekretäre der sozialliberalen Koalition in diesem Bundestag. Wir verweisen Sie gern auf die vielen Aktennotizen der Besprechungen zwischen Bund und Ländern. Wir verweisen Sie auch gern darauf, wie oft der Bundesminister der Finanzen Vorwürfen nach Steuerhinterziehung nachgegangen ist. Er ist nur selten fündig geworden, weil diejenigen, die die großen Geldwaschmaschinen in Betrieb gesetzt hatten,

(Austermann [CDU/CSU]: Alfred Nau zum Beispiel!)

so tüchtig waren, daß die Steuerfahndung ihnen nur in Grenzen folgen konnte.

(Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Meinen Sie Herrn Nau? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Kollege Stoltenberg, darum geht es, ausschließlich darum. Es geht um die Frage, ob wir es zulassen dürfen, daß Bürgerinnen und Bürger am Steuergesetz vorbei und unter Berücksichtigung der für sie nicht gegebenen Abzugsfähigkeit bei Spenden an die Parteien Steuerhinterziehung begehen oder nicht.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Z. B. Vollmer-Stiftung!)

Herr Kollege Dr. Stoltenberg, ich fand es schon schlimm, wie Sie versucht haben, dem Fernsehpublikum gegenüber am Falle des Kollegen Offergeld den Eindruck zu erwecken, als habe der Parlamentarische Staatssekretär Offergeld, der dieses Schreiben verfaßt hat, als ich Bundesminister der Finanzen war,

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

sich in demselben Boot bewegt wie diejenigen, die Geldwaschanlagen und Steuerhinterziehung betrieben haben.

(Beifall bei der SPD)

Was hat denn Offergeld geschrieben, Herr Kollege Stoltenberg? Sie wissen das doch genausogut wie ich.

(Austermann [CDU/CSU]: Er hat sein Amt mißbraucht!)

Es war doch eine wirklich schwache Leistung; entschuldigen Sie, daß ich das sage.

(Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Reife Leistung!)

Was hat er denn geschrieben? Erstens hat er um Spenden gebeten. Zweitens hat er eine Spendenbescheinigung — in diesem Falle der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands — versprochen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: In unbegrenzter Höhe!)

I Dieses ist völlig in Ordnung. Die bekommt jedermann, der für Parteien spendet.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Er kann dann, Herr Kollege Stoltenberg, bis zu 3 600 DM jährlich abziehen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Dieses ist der Fall, jawohl. Da lachen Sie.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Ich bitte Sie darum: Bringen Sie den Gegenbeweis, bringen Sie den Beweis, daß es anders war.
Ich sage Ihnen: Briefe wie die von Herrn Offergeld habe ich zehnmal, zwanzigmal von CDU-Mitgliedern bekommen, die augenscheinlich nach dem Telefonbuch abschreiben konnten, die überhaupt nicht wußten, daß ich der Empfänger eines solchen Briefes war.

(Beifall bei der SPD — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007103000
Herr Abgeordneter Dr. Apel, Herr Abgeordneter Schily möchte eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID1007103100
Nein. Ich folge der Tradition aller meiner Vorredner.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: 3 600 DM von Flick! Da lachen doch die Hühner! — Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bleiben wir doch beim Thema: Parteispenden —, j a, Abzugsfähigkeit in den Grenzen der steuerlichen Möglichkeiten — j a.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Aber, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, das hat doch nichts damit zu tun. Sie wissen doch ganz genau, worum es geht. Sie wissen doch, warum die großen Geldwaschanlagen installiert worden sind.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Meinen Sie die Anlage von Herrn Nau?)

Sie wissen doch, warum das Geld über das Ausland
transferiert wurde, doch nicht, um auf diese Art und
Weise für Parteienfinanzierung zu werben, sondern



Dr. Apel
weil auf diese Art und Weise die klaren Obergrenzen unseres Steuerrechtes für Parteienspenden umgangen werden sollten.

(Beifall bei der SPD)

Hier sollte Steuerhinterziehung in großem Ausmaß begangen werden. Das ist der Punkt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Kollege Stoltenberg, hier bin ich am Ende doch sehr betroffen davon, daß der Bundesminister der Finanzen — und ich sage das ganz ruhig — durch seine Zustimmung zu diesem Amnestiegesetz zum Ingenieur und Konstrukteur eines Vorhabens wird, von dem die Deutsche Steuergewerkschaft in einem einstimmigen Beschluß sagt, daß das als ein bisher beispielloser Anschlag auf die Steuermoral und den Rechtsstaat bezeichnet werden muß.

(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD — Austermann [CDU/ CSU]: Wer war damals Finanzminister? — Abg. Dr. Schäuble [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007103200
Herr Abgeordneter Apel

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID1007103300
Ich habe mich bereits erklärt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007103400
Herr Abgeordneter Apel, das gilt also generell für Ihre gesamte Redezeit?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID1007103500
Ja. So, wie meine Vorgänger es auch gemacht haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Deswegen, Herr Kollege Stoltenberg, ist es eben unrichtig, wenn Sie auf dem Bundesparteitag der CDU erklärt haben, daß diese Amnestie nach gewissenhafter Prüfung den Normen des Rechtsstaates entspreche. Sie wissen, Herr Kollege Stoltenberg: Das ist falsch. Und ich frage Sie als Bundesminister der Finanzen: Wie wollen wir eigentlich diesen Rechtsstaat, Herr Kollege Stoltenberg, funktionsfähig halten,

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: 10 000, Herr Apel!)

wenn ein Zeitschriftenhändler oder Tankstellenpächter, der bei seinen Belegen mogelt, mit einem Verfahren überzogen wird, während Sie gleichzeitig Sonderrechte für diejenigen schaffen wollen, die doch mit kühler Berechnung gesetzeswidrig, widerrechtlich Parteienspenden in Millionenhöhe gegeben haben,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

davon ausgegangen sind, daß diese Steuerhinterziehungen nicht erkennbar werden,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Pfui, Herr Finanzminister!)

und, nachdem sie erkennbar wurden, nun die Amnestie fordern?

(Beifall bei der SPD)

Wie wollen Sie eigentlich dem normalen Steuerzahler klarmachen, er habe künftig Steuermoral zu bewahren?
Herr Kollege Stoltenberg, wir alle sollten uns in dieser Debatte nicht schöner machen, als wir sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)

— Das tun wir doch auch nicht. Und wir haben in unserem Entschließungsantrag dazu auch klare Sätze gesagt. Aber ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: So, wie Sie mit dem Kollegen Offergeld umgegangen sind, das ist unanständig, das ist unfein.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Das war ein Volltreffer! — Weitere erregte Zurufe von der CDU/CSU)

Und wenn Sie, Herr Kollege Stoltenberg, etwas gegen einen Sozialdemokraten vorliegen haben, dann bringen Sie es zur Steuerfahndung, bringen Sie es zur Staatsanwaltschaft.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! Hierher gehört das! Ins Plenum gehört das! — Weitere erregte Zurufe von der CDU/CSU)

Sorgen Sie dafür, daß das Steuerrecht auch künftig für alle gilt, ohne Ansehen der Person. Versuchen Sie nicht, Herr Kollege Stoltenberg, mit völlig fehlgeleiteten Antworten einen Eindruck bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erwecken, den es nicht gibt.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Der Bürger hat schon den richtigen Eindruck!)

Es gibt 1 800 Verfahren in diesem Lande.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Sie waren damals Minister!)

Und das sind im wesentlichen Verfahren, die sich gegen Spender richten. Und diejenigen, die die von Verfahren betroffenen Politiker sind, sitzen hier auf der Regierungsbank oder hier unter den Abgeordneten der Koalition. Und Sie wollen sich selbst freischreiben.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: So viel Selbstgerechtigkeit!)

Meine Damen und Herren, der Hauptvorstand der Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat am 12. Mai in einer einstimmig angenommenen Entschließung folgendes erklärt:
Diese skandalöse Selbstbegünstigung der Regierungskoalition wird die Steuermoral noch mehr untergraben, den Steuer- und Staatsverdruß in ein alarmierendes Ausmaß hineinsteigern und damit den Rechtsstaat in eine gefährliche Krise manövrieren. Die für das Amnestiegesetz verantwortlichen Politiker haben das



Dr. Apel
moralische Recht verwirkt, von den Steuerzahlern, auf deren Einkommen sie ungeniert Zugriff nehmen, Steuerehrlichkeit zu verlangen ... Diese Politiker
— das sind Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren —
treiben die Beschäftigten der Steuerverwaltung in einen für sie unerträglichen Gewissenskonflikt.

(Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Was haben Sie als Finanzminister gemacht? — Austermann [CDU/CSU]: Wer hat denn bei Flick Geld geholt? — Link [Diepholz] [CDU/ CSU]: Finanzminister Apel, wie war das?)

Die Beschäftigten der Steuerverwaltung müssen den Strafanspruch des Staates bei kleinsten Steuersündern durchsetzen, während die verantwortlichen Politiker unter Mißbrauch ihrer Gesetzgebungsbefugnis denjenigen Straffreiheit verschaffen, die bewußt und gezielt zu ihren Gunsten Steuern hinterzogen haben.
Diesem Zitat ist aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Schäuble [CDU/ CSU]: Wer war denn auf der Jagdhütte?)

Wenn Sie im übrigen den Gesetzentwurf zurückgezogen haben, dann nicht deswegen, weil Sie moralische Skrupel haben. Die sind Ihnen ja zu keinem Zeitpunkt gekommen.

(Klein [München] [CDU/CSU]: Aber Ihnen!)

Dies hat Herr Kollege Dregger heute ja auch deutlich gemacht. Sie haben j a die „Sentimentalitäten", wie Sie es gesagt haben, vom Tische gewischt. Sie haben gesagt: Wir haben die Mehrheit; wir werden dieses Vorhaben durchsetzen.
Herr Kollege Genscher, Sie haben erklärt, die FDP werde auch einem neuen Anlauf einer Amnestiegesetzgebung nicht zustimmen. Wir Sozialdemokraten halten Sie daran fest. Denn ist es nicht so, Herr Kollege Stoltenberg, daß Sie bereits daran arbeiten, durch eine unscheinbare Änderung der Abgabenordnung das gleiche Ziel doch zu erreichen?

(Hört! Hört! bei der SPD)

Das sage ich Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen. Wir sind auf der Hut,

(Lachen bei der CDU/CSU)

die Öffentlichkeit ist vorgewarnt, und wir nehmen die Liberalen ins Wort.
Aber wenn dieses so ist, meine Damen und Herren, dann können die Liberalen dem vierten Absatz der Entschließung der SPD-Bundestagsfraktion auch zustimmen, damit die deutsche Öffentlichkeit endlich weiß, daß Schluß ist mit diesem Spuk, mit dieser Rechtsverdrehung,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

mit dem Versuch, das Steuerrecht zu pervertieren, mit dem Versuch, die Großen freizulassen und die Kleinen in die Strafe zu bringen.
Ich bedanke mich.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007103600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID1007103700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die liberale Partei hat die Veranlassung dazu gegeben, daß der Amnestieentwurf heute hier nicht auf dem Tisch liegt und zurückgezogen wurde. Sie ist also letztlich verantwortlich für diese Entscheidung, und sie steht zu dieser Verantwortung.
Der Vorsitzende der FDP hat hier ausgeführt, welche Gründe ihn bewogen haben, der Amnestie zuzustimmen, und er hat ebenso deutlich und fair ausgeführt, welche Gründe die Mehrheit in der Fraktion, in der Partei bewogen haben, diesen Plan nicht zu stützen.
Wir haben sehr aufmerksam verfolgt, was in den anderen Parteien an Diskussionen stattgefunden hat. Ich möchte hier den CDU-Parteitag in Stuttgart erwähnen. Ich möchte nicht verschweigen, daß wir uns besonders mit denen bei unserem Koalitionspartner verbunden fühlen, die unsere Meinung teilen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Das ist — und das ist erfreulich festzustellen — die junge Generation, die Junge Union bei Ihnen und die Jungen Liberalen bei uns.
Ich möchte feststellen, daß diese Rücknahme uns alle, alle Parteien, vor Schaden bewahrt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Die Meinungsbildung in der FDP war eindeutig. Sie umfaßte alle Gruppen, alle Landesverbände der Partei gleichermaßen. Sie entsprang innerer Überzeugung und liberaler Sensibilität. Sie wurde mit Leidenschaft, aber mit Respekt vor der Meinung des anderen geführt. Sie richtete sich gegen das Vorhaben, sie richtete sich nicht gegen die Personen, die die Amnestie befürwortet haben. Es ist richtig, was Herr Genscher gesagt hat: Niemandem wird es gelingen, einen Keil in unsere Partei zu treiben.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hat sich gerade in den letzten Wochen als eine äußerst lebendige liberale Partei verstanden, die entschlossen ist, ihre liberalen Ziele auch zu vertreten.
Im übrigen, meine Damen und Herren, hat wohl niemand Anlaß das haben ja auch die Debattenbeiträge der letzten Redner hier gezeigt —, sich in Gralshüterpose zu begeben. Ich sage hier ganz deutlich: Ich war zehn Jahre Kreisvorsitzender der FDP in Köln, und ich bin natürlich auch Nutznießer von Spenden gewesen. Mir ist das Gefühl der menschlichen Solidarität mit denen in meiner Partei nicht fremd, die Spenden gesammelt haben. Soli-



Baum
darität empfinde ich auch gegenüber denjenigen, die die Spenden gegeben haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Solidarität ergibt sich ja nicht nur aus Dankbarkeit, sondern auch aus der moralischen Mitverantwortung aller, deren politische Arbeit mit diesen Spenden ermöglicht worden ist. Wir haben ja gehört, daß sich auch führende Sozialdemokraten von diesen Erwägungen haben leiten lassen. So fern mögen diese Erwägungen 1981 ja nicht gewesen sein.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich mache Ihnen das keineswegs zum Vorwurf, meine Damen und Herren. Ich möchte Sie nur bitten, bei allem, was Sie tun, zu berücksichtigen, daß die Medaille eben zwei Seiten hat, daß es bei den Befürwortern Motive gibt, die respektabel sind; auch wenn ich sie nicht teile, sollten wir durch die Art des Umgangs hier miteinander deutlich machen, daß wir die Motive des anderen auch respektieren können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich lehne die Amnestie ab, meine Damen und Herren. Ich war ja mit einigen Kollegen von Anfang an voller Bedenken. Eine Amnestie — erst recht eine für politische Parteien durch politische Parteien — kann wesensnotwendig nicht gegen Bürger und Öffentlichkeit beschlossen werden. Nur wenn noch strafbar ist, was nach dem Rechtsempfinden der breiten Mehrheit der Bürger straffrei sein müßte, trägt eine entsprechende Amnestie zum Rechtsfrieden und damit zur politischen Kultur bei. Hier geht es nicht um opportunistisches Schielen auf öffentliche Stimmung und öffentlichen Beifall. Wir Liberalen sind es gewohnt, gegen den Strom anzuschwimmen, wenn es z. B. galt, Minderheiten zu schützen und unbequeme Themen zu behandeln.

(Beifall bei der FDP)

Die Minderheit, die mit dem Amnestievorhaben geschützt werden sollte, hat dagegen das Recht verletzt, sonst wäre ja eine Amnestie überflüssig. Diese Minderheit hat das Recht gegen sich. Sie der Rechtsprechung zu entziehen, ist mißlungen; es mußte mißlingen, weil es außerhalb des Rechts keinen Halt, keinen Grund gibt, der diese Maßnahme tragen kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Die menschlich anerkennenswerte Solidarität, meine Kolleginnen und Kollegen, der moralisch mitverantwortlichen Parteien, kann niemals die Herstellung der Straffreiheit für diejenigen tragen, die subjektiv und objektiv das Recht verletzt haben. Natürlich schafft jede Amnestie unvermeidlich Sonderrecht, indem sie in die Strafgerichtsbarkeit eingreift, aber genau deshalb muß mit großer Empfindsamkeit geprüft werden, ob dieses Sonderrecht eine wirkliche Lücke zwischen dem noch geltenden Recht und dem abweichenden allgemeinen Rechtsgefühl schließen kann. Der Rückgriff auf das allgemeine Rechtsempfinden — das hat ja Herr Benda sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht; das ist auch meine Meinung — ist das einzige, was eine Amnestie tragen kann, weil man den Boden des sonst tragenden Rechts ja mit ihr verläßt. Dieser Rückgriff ist das Gegenteil von Opportunität.
Daß man jetzt für diese Rechtsverletzungen einstehen muß, entspricht nicht nur dem allgemeinen Rechtsempfinden, es entspricht, so meine ich, auch liberalen Prinzipien. Die Bürger finden das durchweg in Ordnung: den Rechtsfrieden sehen sie nicht gestört. Sie vertrauen darauf, daß unabhängige Richter ihre Pflicht tun, zuallererst also darauf achten, daß niemand verurteilt wird, der nicht objektiv wie subjektiv schuldig ist. Sie vertrauen auch darauf, daß die Richter bei der Anwendung des Rechts berücksichtigen, daß sich in der Tat in den Jahren bei der Anwendung des Rechts in der Praxis eine Fülle von Unsicherheiten und Unklarheiten herausgestellt haben. Wenn der Vertrauensschutz so gilt, Herr Kollege Stoltenberg, wie Sie das hier gesagt haben, dann brauchen wir keine Amnestie. Dann werden die Gerichte Gerechtigkeit auf dieser Grundlage sprechen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Es geht um die Gleichheit vor dem Gesetz. Das wurde schon gesagt. Es geht darum, daß Regeln für alle zu gelten haben und nicht nach Bedarf außer Kraft gesetzt werden können. Damit, meine ich, ist der Nerv der politischen Kultur berührt: die Übereinstimmung zwischen Regierenden und Regierten über die Regeln, die auch von uns, den Regierenden, einzuhalten sind. In der Demokratie gibt es keinen rechtsfreien Raum.
Meine Damen und Herren, trotz unterschiedlicher Argumente und Akzente ist das Ergebnis dieser Debatte eindeutig: Die Amnestie geht nicht, und sie wird auch künftig nicht gehen.

(Dr. Apel [SPD]: Sehr gut!)

Es gilt die Feststellung von Hans-Dietrich Genscher hier in der Debatte — und ich bin fest der Überzeugung, daß dies die Meinung der überwiegenden Mehrheit der FDP ist —: Eine erneute Initiative für eine Amnestie für Steuerdelikte im Zusammenhang mit Parteispenden schließen wir aus. Die FDP wird keiner wie immer gearteten Neuauflage dieses Vorhabens zustimmen. Und sollte dies versucht werden, wird sie aktiv dazu beitragen, daß ein solches Vorhaben ohne Erfolg bleibt.
Der Entschließungsantrag der SPD geht hier in die gleiche Richtung — wie auch im übrigen in Ziffer 3. Wenn wir ihm nicht zustimmen, so ist das keine Ablehnung in der Sache.

(Lachen bei der SPD)

Die Absicht der SPD, meine Damen und Herren von der SPD, zielt ja nicht nur dahin, unsere Zustimmung zu bekommen, sondern sie zielt dahin, die Arbeit in der Koalition zu erschweren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und wenn es eines Beweises bedurft hätte — wir
haben uns da eben darüber sehr genau unterhal-



Baum
ten —, dann war dies die Rede des Kollegen Emmerlich. Und vor diesem Hintergrund bekommen Sie unsere Zustimmung nicht, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In Ziffer 4 unserer gemeinsamen Entschließung ist zum Ausdruck gebracht, daß wir Vorverurteilungen entgegentreten wollen. Wer den Vorrang ordentlicher gerichtlicher Verfahren so bedingungslos fordert, wie wir das getan haben, der muß, meine ich, auch dafür eintreten, daß die gerichtlichen Verfahren von öffentlichen Emotionen freibleiben können. Im angelsächsischen Recht wird nicht die Freiheit der Medien beschränkt, sondern die Würde des Beschuldigten, und die Freiheit, der Spielraum des Gerichts sollen gewahrt werden. Daran müssen wir doch alle ein Interesse haben. Dieser Prüfung können wir uns doch nicht entziehen. Das ist doch nicht, wie manche schon wieder meinen, auf dem Umweg die Rückkehr zu irgendeiner Straffreiheit; das ist eine Sache, der wir uns längst hätten stellen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang noch ein Wort an den Kollegen Vogel. Die sozialdemokratische Partei hat konsequent eine Position eingenommen, die sie schon 1981 bezogen hat. Das erkenne ich an.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber ich komme zurück auf den Stil der Auseinandersetzung. Das ist schon mehrfach hier gesagt worden. Ich will Ihnen nur eines entgegenhalten, was mich besonders betroffen macht und — das muß ich Ihnen sagen — auch empört. Das ist das Wort des Kollegen Vogel von der Amnestie als „Lohn der Wende". Herr Vogel, Sie wissen, daß das nicht stimmt.

(Widerspruch bei der SPD)

— Dann legen Sie das doch auf den Tisch! Die Gründe für den Wechsel der Koalition waren doch ganz andere, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Bringen Sie doch bitte die Auseinandersetzung zwischen uns nicht auf dieses Niveau, zu sagen: Die Amnestie ist ein Lohn der Wende! Das ist sie nicht. Das muß ich Ihnen einmal deutlich sagen. Hier ist keine der Parteien — und alle Parteien haben Spenden bekommen — käuflich. Das sollten wir uns gegenseitig nicht unterstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, na!)

Diese Debatte soll ihrerseits einen Beitrag zum Rechtsfrieden leisten, meine ich. Wahrscheinlich gelingt uns das heute nicht. Dann müssen wir nicht nur sagen, daß das neue Parteienfinanzierungsgesetz ein Neuanfang ist, wir müssen dieses Gesetz auch strikt beachten, und wenn wir sehen, daß wir es nicht beachten können, müssen wir es eben ändern.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Dieses Gesetz liegt ja im übrigen auch noch in Karlsruhe. Es war in der Vergangenheit gar nicht einfach, den engen Spielraum, den das Verfassungsgericht gegeben hatte, auszuloten.
Zum Rechtsfrieden gehört aber auch, daß wir uns zu früheren Fehlern bekennen, wir alle, die wir Fehler gemacht haben. Dazu gehört beispielsweise, daß Offenlegungspflichten des Parteiengesetzes nicht beachtet worden sind.
Wir müssen sehen, daß alle Angelegenheiten, die die Parteien selbst betreffen, mit äußerster Sensibilität von uns behandelt werden müssen. Wir setzen nicht auf die Vergeßlichkeit der Bürger. Sie mögen sich daran erinnern, daß wir in diesen Wochen Fehler gemacht haben. Sie haben heute jedoch gesehen, daß wir die Kraft haben, Dinge auch in Ordnung zu bringen.
Ein letztes. Die Meinungsbildung in der FDP — und ich habe schon gesagt, sie war sehr eindeutig und sehr entschlossen; daran sollte niemand einen Zweifel haben — richtet sich nicht gegen die Koalition. Die Koalition ist um wichtiger Aufgaben willen gewählt worden, von denen sie eine Reihe erfolgreich erledigt hat. Wir müssen uns jetzt wieder den Aufgaben zuwenden, zu deren Lösung wir diese Koalition nach einer Wahl, in der wir einen entsprechenden Wählerauftrag bekommen haben, vereinbart haben.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt, auch wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt. Darauf weisen Sie uns ja oft hin. Aber wir hatten j a auch mit Ihnen Meinungsverschiedenheiten. Wir sind selbständige Parteien in einer Koalition. Wir geben uns ja nicht auf: weder die CDU noch die CSU noch die FDP. Wir haben Meinungsverschiedenheiten. Aber wir haben uns auf den wichtigsten Feldern der Innen-, der Wirtschafts-, der Haushalts-, der Sozial-, der Außenpolitik als handlungsfähig erwiesen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und ich sage Ihnen: Wir werden alles tun, damit diese Koalition Erfolg hat. Das liegt auch im ureigensten Interesse jeder der Parteien, die diese Koalition tragen. Und daran sollte auch diese Debatte keinen Zweifel lassen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007103800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoss.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1007103900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte besteht in ihrem bisherigen Verlauf im wesentlichen aus gegenseitigen Schuldzuweisungen von rechts nach links des Hauses, von links nach rechts. Wer hat mit wem? Wer hat mehr? Je verwickelter die Sache wird, um so



Hoss
unübersichtlicher wird es. Und der Bürger fragt sich:

(Klein [München] [CDU/CSU]: Mit wem haben Sie es?)

Wie kann er dagegen noch ankommen. Es geht die Klarheit verloren. Das Ergebnis ist, daß durch die Politik der bisherigen Parteien ein Zustand geschaffen worden ist, daß die moralisch-geistige Wende, von der besonders die Regierungskoalition in der Vergangenheit gesprochen hat, baden geht und daß es schwerfällt, Begriffe wie Rechtschaffenheit, Verläßlichkeit, Unbestechlichkeit zu benutzen. Ich kann das, wenn die Leute wissen, daß ich aus Bonn komme, nur dann, wenn ich schnell hinzufüge, daß ich von der GRÜNEN Partei bin.

(Beifall bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben einen Abbau von Rechtsbewußtsein erreicht und haben uns in einen Sumpf hineingeführt, in dem nicht mehr, auch nicht in der bisherigen Debatte, unterschieden wird zwischen Spenden, die aus staatsbürgerlicher Verantwortung ohne eigene Vorteile in Höhe von 10, 50, 200 DM, meinetwegen auch 1 000 DM gegeben werden, die ordentlich verrechnet, ausgewiesen und abgerechnet werden, und Spenden von der Industrie in Höhe von 250 000 DM bis zu Millionen DM. Als Mitglied des Flick-Untersuchungsausschusses, der heute morgen getagt hat, habe ich in diesem Fall wieder erfahren, daß die Zuwendungen an Parteien in die Millionen gehen. Es wird hier einfach nicht mehr darüber gesprochen. Keiner von ihnen, weder von der einen Seite noch von der anderen Seite, hat darüber gesprochen, daß Spenden abgewickelt werden, für die spezielle Konten in der Schweiz, in England und anderen Ländern eingerichtet worden sind und daß Geldwaschanlagen eingerichtet worden sind, um die Mittel von der Industrie, gegeben für die Parteien, zu transferieren

(Dr. Geißler [CDU/CSU]: Und die IG-Metall, Herr Hoss?)

Spenden, die nicht aus staatsbürgerlicher Verantwortung gegeben werden, sondern die darauf zu untersuchen sind und die wir darauf untersuchen, ob damit nicht etwas erworben, ob damit nicht etwas gekauft werden soll.

(Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Geißler [CDU/CSU]: Und die IG-Metall, Herr Hoss?!)

Ich erlebe hier Abgeordnete — das muß ich als persönliche Erfahrung mitteilen —, die davon reden, daß es bei diesem Amnestie-Gesetz nur darum gehe, kleine Handwerker zu schützen, von denen ich aber aus den Akten weiß, daß sie selber, in Person, Tausende von Mark von Flick erhalten haben. Gleichwohl stellen sie sich hier her und sagen, daß es darum gehe, die Belange des kleinen Handwerkers zu schützen.
Der Bürger steht bei unnachgiebiger Steuereintreibung auch in Bagatellfällen, die den kleinen Bürger treffen, fassungslos da; wegen kleiner Steuerversäumnisse wird er eventuell unnachgiebig verfolgt. Die Bürger fragen sich: Wer kann es schaffen, diesen Sumpf trockenzulegen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Die GRÜNEN!)

Wir GRÜNEN sind der öffentlichen Meinung zu Dank verpflichtet, angefangen vom einfachen Bürger, der sich empört hat, bis zum Deutschen Richterbund, dem es zuviel war, was ihm hier von seiten der Regierungskoalition zugemutet wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, daß man diesen Prozeß weitertreiben muß. Mir fällt da ein Zitat ein, das vor 2 000 Jahren Aristophanes geprägt hat, indem er in einer ähnlichen Situation — nicht zufällig — eine Frau, nämlich Lysistrata, sagen läßt:
Wie die Wolle vom Kot und vom Schmutz in der Wäsche man säubert, so müßt Ihr dem Staate von Schurken das Fell schön säubern und tüchtig es klopfen, daß rausfällt der Dreck; und ablesen müßt Ihr die Klumpen, die überall sitzen. Was zusammen sich klumpt und zum Filz sich verstrickt, Klubmänner für Ämterbesetzung, miteinander verschworen, klopfet sie durch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube, daß ein solches Rezept, vom Volk angenommen, vom Volk kritisch bewahrt und kritisch beobachtet, was hier in Bonn vor sich geht, nützlich sein kann.
Da das schon vor 2 000 Jahren geschrieben wurde und dennoch auch auf diesen Zustand heute paßt, ist die Frage: Können wir das überhaupt ändern? Ich denke, wir müssen es ändern, weil die Situation heute eine andere ist. Es geht nämlich nicht nur um das Geld, das dem Bürger, dem Staat — bei gleichzeitigem Sozialabbau — hinterzogen wird. Es geht auch nicht nur um das Geld, das die Parteien von der Industrie bekommen, um teure, aufgeblähte Parteiapparate und Waschmittelwerbung zu betreiben. Sondern es geht darum, daß wir mit unserem Industriestaat, mit unserer Industrieproduktion dabei sind, eine Vergiftung unserer Umwelt, eine Vergiftung der menschlichen Gesellschaft durchzuführen, und daß die Spenden dazu benutzt werden, diesen Prozeß nicht auf die schnelle beenden zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben es mit Vergiftung der Luft, mit Zerstörung der Wälder, mit verseuchten Ackern, wir haben es mit Grundwasserproblemen zu tun. Wir haben es damit zu tun, daß die Menschen betroffen sind, daß Säuglinge wegen verunreinigter Luft sterben. Und wir sagen den Bürgern draußen: Überlegt einmal, welcher Zusammenhang zwischen bestimmten Gesetzgebungsverfahren, die nicht vorankommen, und der Zerstörung unserer Umwelt besteht; dann werdet ihr erkennen, daß die Gelder, die von der Industrie in die Richtung der alten Parteien gegeben worden sind, dazu dienen, diese Gesetzgebungsverfahren zu behindern und aufzuhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)




Hoss
Denken Sie darüber nach! Die TA Luft zur Beseitigung der Schadstoffe in der Luft behandelt Probleme, die schon seit den 70er Jahren bekannt sind. Daß wir ein Tempolimit brauchen, ist schon länger bekannt. Daß das Wasserabgabengesetz bis heute nicht besser gestaltet werden konnte, daß es für Industrielle billiger ist, die Abgaben zu bezahlen, als Kläranlagen zu bauen, ist eine Sache, die damit zusammenhängt, daß die Industrie Gelder in die alten Parteien fließen läßt. Daher kommen diese Dinge nicht voran, daher kommen wir zu keiner entscheidenden Verbesserung unserer Situation.
Zum Abschluß möchte ich Ihnen sagen — das richte ich an Herrn Stoltenberg, an Herrn Apel, Herrn Vogel, das richte ich an Herrn Dregger und alle die, die hier bisher gesprochen haben, außer meinem Kollegen Schily —, daß Fairneß und Anstand nicht als Appell von der Koalition an die SPD oder von der SPD an die Koalition gerichtet werden sollten. Vielmehr gebieten es Fairneß und Anstand dem Bürger gegenüber, sich an das Volk zu wenden und es um Vergebung anzugehen, indem Sie sich entsprechend verhalten, nämlich — erstens — so, wie mein Kollege Schily es schon dargestellt hat, daß Sie vor dem Volk die öffentliche Rechenschaftslegung über Herkunft und Umfang der Spenden nach § 25 des Parteiengesetzes nachholen, die Sie seit 1970 erhalten haben. Zweitens sollten Sie über sämtliche Verstöße gegen strafrechtliche und steuerrechtliche Bestimmungen, die Sie begangen haben und über die Sie sehr genau Bescheid wissen, dem Volk gegenüber Rechenschaft ablegen. Drittens sollten Sie eindeutig und unwiderruflich erklären, den Plan einer Strafbefreiung ein für allemal aufzugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007104000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Waigel.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]): Oh, Theo!)


Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1007104100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte erwartet, daß die heutige Debatte die Möglichkeit böte, eine ehrliche Sachverhaltsdarstellung zu geben und eine parlamentarische rechtspolitische Wertung der unklaren, wechselnden und widersprüchlichen Rechtsgrundlagen der Parteienfinanzierung in der Vergangenheit vorzunehmen.

(Schily [GRÜNE]: Haben Sie einmal die Urteile des Bundesverfassungsgerichts gelesen, Herr Kollege Waigel?)

— Da brauchen Sie mich nicht zu belehren. Ich habe in manchen Bereichen vielleicht mehr gelesen als Sie. Sie müssen nicht alles gelesen haben; sonst hätten Sie heute nicht so geredet.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Für so einen Unsinn kriegen Sie aber nur noch bei Ihren Bayern Beifall!)

Es würde Ihnen übrigens überhaupt gut anstehen, zuzuhören. Das haben Sie bei den GRÜNEN aber offensichtlich noch nicht gelernt. Vielleicht bringt es Ihnen die Dame, die heute nicht da ist, noch bei.
Es hätte auch der Opposition gut angestanden, diese Aussprache selbstkritisch statt selbstgerecht zu bestreiten. Alle Parteien, alle Fraktionen und der Bundesgesetzgeber haben Anlaß, darüber nachzudenken, daß durch das Versäumnis der Politik, durch zu spät ergangene Regelungen Bürger in Mißkredit geraten sind, weil sie demokratische Parteien unterstützt haben.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Mittels Steuerhinterziehung!)

Leider ist die SPD der populistischen Versuchung erlegen, aus einer maßlosen Kampagne kurzfristig Profit ziehen zu wollen. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie werden mit dieser Taktik scheitern. Herr Kollege Dr. Vogel, nur die parlamentarische Sprache verbietet es mir, Ihnen das zu sagen, was ich über Sie denke.

(Beifall bei der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Feigling! Jetzt wollen wir es aber wissen!)

Sie sind denkbar ungeeignet als Großinquisitor dieser Republik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie das, was beabsichtigt war, als Anschlag auf den Rechtsstaat bezeichnen, müssen nach Ihrer Definition Wehner, Wischnewski und Gnädinger damals 1981 Anschläge auf den Rechtsstaat begangen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Wenn man Sie, Herr Kollege Vogel, sieht und hört, weiß man, was Herbert Wehner für Ihre Fraktion und dieses Parlament wert gewesen ist.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sind Sie ein Wehner-Freund?)

— Ja, das bin ich, in manchen Bereichen durchaus.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Dann bin ich auch ein Strauß-Freund!)

Nun noch eine Bemerkung zu dem Kollegen Apel. Ich kann mich erinnern — ich habe das Zitat jetzt leider nicht da —, daß Sie auf dem Evangelischen Kirchentag 1975 ungefähr folgendes gesagt haben: Sie würden manchmal auch lügen; das gäben Sie ehrlich zu; Sie täten das für die SPD, weil das für Deutschland gut sei.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das hat er heute übertrieben!)

Daran habe ich mich erinnert, als Sie vorhin hier gestanden sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Es zeugt auch von einer merkwürdigen Rechtskenntnis, von einer merkwürdigen Kenntnis des Steuerrechts, wenn Sie ausführen, im Jahre 1976 habe man 3 000 DM an Spenden steuerbegünstigt abführen können. Nach meinen bescheidenen Informationen waren es 600 DM. Sie waren j a damals im Kabinett. Man braucht sich nicht zu wundern, daß Sie von den Dingen nicht viel verstanden haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)




Dr. Waigel
Im übrigen hat mich der Bundesfinanzminister Stoltenberg gebeten, Ihnen zu sagen,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Der hat dabei sowieso eine traurige Rolle gespielt!)

daß Ihre Andeutungen und Ihre Unterstellung, eine Änderung der AO, der Abgabenordnung, sei beabsichtigt, aus der Luft gegriffen ist und nicht zutrifft. Sie sollten es bleiben lassen, das weiter zu behaupten.
Herr Apel, ich will Ihnen und Ihrer Partei gern eine kleine Informationsminute gönnen. Ich möchte den Vorgang Offergeld weiterführen. Mir liegt nämlich ein Schreiben eines Vorstandsmitglieds der Dynamit Nobel AG an Herrn Offergeld vor.

(Schily [GRÜNE]: Hat jeder so ein Schriftstück bekommen?)

Dort heißt es:
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
ich beziehe mich auf Ihren an unser Werk Rheinfelden gerichteten Brief, in dem Sie um einen Beitrag zum Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg bitten. In Abstimmung mit unserer Obergesellschaft,

(Dr. Geißler [CDU/CSU]: Flick!)

der Verwaltungsgesellschaft für industrielle Unternehmungen Friedrich Flick GmbH, Düsseldorf, wollen wir den Wahlkampf Ihres Parteifreundes Kurt Bandle mit einer Spende von 10 000 DM unterstützen. Ich habe den Betrag heute zur Überweisung auf das von Ihnen angegebene Konto angewiesen und bitte um Übersendung einer Spendenbescheinigung an meine Adresse.
Die Spendenbescheinigung ist von der Studiengesellschaft für Information und Fortbildung e. V., Stuttgart, ausgestellt worden.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Pfui! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Pfui, Apel! — Pfeffermann [CDU/CSU] [zur SPD]: Sie Heuchler! — Fortgesetzte weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Apel, wenn Sie das vorher gewußt haben, war es eine Frechheit von Ihnen, so aufzutreten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie das nicht gewußt haben, wäre es besser
gewesen, Sie hätten zu dem Vorgang nichts gesagt.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Er war doch seinerzeit Finanzminister!)

Sie haben sich infolge Ihres Auftretens für jede verantwortliche Position hier und in Berlin disqualifiziert.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Eine Sauerei ist das! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt müssen Sie auch einen Brief an die CDU vorlesen! Herr Waigel, lesen Sie doch alle Spendenbriefe vor!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Kampagne wird für die SPD zum Bumerang,

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

dieses Stück wird für die SPD unter der Überschrift ablaufen: Biedermann und Brandstifter. Sie haben aus dem Brief des Sozialdemokraten Karl Klasen nichts gelernt, und das wäre gut für Sie gewesen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Lesen Sie doch mal alle Spendenpost der Firma Flick vor! Seien Sie doch nicht so feige, lesen Sie doch die ganze Post!)

Sie haben wider besseres Wissen auch heute ein Zerrbild des Sachverhalts und der Vorgeschichte aufgezeigt. Wie ist der Sachverhalt wirklich, und wie stellt sich die Rolle der SPD in der Vergangenheit dar?

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Spielen Sie doch nicht die Krähe, die der anderen Krähe ein Auge aushackt! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Seit über zwei Jahrzehnten haben die Parteien für ihre politische Arbeit und die Erfüllung ihrer von der Verfassung übertragenen Aufgaben — —

(Fortgesetzte weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007104200
Herr Abgeordneter Dr. Waigel, darf ich Sie unterbrechen. Ich bitte, die Zwischenrufe nicht mit einer so penetranten Häufigkeit zu machen. Das stört den Redner, und das ist nicht der Sinn des Zwischenrufs.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wir sind eine kleine Fraktion, Herr Präsident! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1007104300
Herr Präsident, ich habe Verständnis für die Aufregung; denn das, was ich vorher gesagt habe, hat bei den Roten ins Schwarze getroffen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007104400
Herr Abgeordneter Waigel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hoss?

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1007104500
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das Thema ist zu prekär! Heute wird nicht zwischengefragt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Finanzverwaltung hat diese langjährige Praxis gekannt, geduldet oder zumindest den Eindruck bewußter Duldung erweckt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Siehe Offergeld!)




Dr. Waigel
Sie hat die Institutionen, über die die Spenden an Parteien geleitet wurden, als gemeinnützig anerkannt. Die Spender haben ihre Spendenbescheinigungen erhalten. Sie konnten und mußten nicht kontrollieren, ob gerade ihre Spende weitergeleitet worden ist. Es war Aufgabe nicht der Spender, sondern der Finanzverwaltung, die Richtigkeit solcher Bescheinigungen zu prüfen.
Dies war unbestritten jahrelang, jahrzehntelang Praxis.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das macht es nicht besser!)

Die betroffenen Mitbürger haben deshalb in gutem Glauben gehandelt.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wieso dann die Geldwäscherei?)

Sie haben darauf vertrauen können, daß diese Form der Parteienfinanzierung rechtlich in Ordnung ist.

(Schily [GRÜNE]: Warum die Tarnungen, Herr Waigel?)

Was soll ein unbescholtener Bürger glauben, wenn mehr als 20 Jahre lang die Betriebsprüfungen der Finanzämter diese Art von Aufwendungen der Unternehmen nicht beanstandet haben?

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Warum dann „Studiengesellschaften"?)

Wer allerdings meint, dafür hätte es der Strafbefreiung nicht bedurft, da die Spender wegen mangelnden Unrechtsbewußtseins ohnehin nicht verurteilt würden, der irrt. Wer so argumentiert, weiß nicht, was es heißt, jahrelang das Ziel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu sein, ohne je gehört zu werden, aber in einer öffentlichen Kampagne, gespeist von rechtswidrigen Veröffentlichungen aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, vorverurteilt zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bisher unbescholtene Bürger werden Steuerkriminellen gleichgesetzt,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Furchtbar!)

die sich zu Lasten der Allgemeinheit bereichert haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ganz grauenhaft!)

Ob ein Verbotsirrtum im Einzelfall vermeidbar ist oder nicht, wird durch die Justiz entschieden. Bei der unklaren Rechtslage allerdings bleibt beim einzelnen eine große Rechtsunsicherheit, und zur Verwirrung insbesondere bei den Spendern hat die Regelung beigetragen, daß Berufsverbände aller Art, also insbesondere Unternehmensvereinigungen und Gewerkschaften, bis zu 25% ihrer Einnahmen den Parteien zukommen lassen können. Diese Regelung gilt auch heute noch; der Bundesfinanzminister hat dies klargestellt.
Zur Unsicherheit hat ferner beigetragen, daß sich nicht nur Steuerpraxis und Steuerverwaltung, sondern auch die Wissenschaft mit dem Begriff der Spenden als Betriebsausgaben eingehend befaßt hat.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, dann ist ja alles bestens! Wissenschaftlich abgesegnet!)

Zwei ehemalige Präsidenten des Bundesfinanzhofes haben unter Zustimmung anderer maßgeblicher Steuerrechtler die Abzugsfähigkeit von Parteispenden als Betriebsausgaben bestätigt. Diese Änderung der rechtlichen Bewertung dürfte für kommende finanzgerichtliche Entscheidungen sicher von großer Bedeutung sein. Präzise, kurz, aber unmißverständlich hat der bekannte Steuerrechtler Professor Klaus Tipke den Sachverhalt mit folgenden Worten dargestellt:
Soweit keine Gerichtsentscheidungen vorliegen, dürfen die Steuerpflichtigen und ihre Berater auf das vertrauen, was die Finanzverwaltung als maßgebliche, verbindliche Rechtslage praktiziert.

(Schily [GRÜNE]: Warum wurde es nicht in den Büchern ausgewiesen, wenn alles in Ordnung ist?)

Die den Spendern bekannte Praxis sah aber so aus, daß die Finanzverwaltungen sich bis zum Beginn der 80er Jahre an der Umwegfinanzierung nicht gestört haben, obwohl diese, zumal bei den Betriebsprüfungen, auffallen mußte. Sie hat über viele Jahre die erwähnten Spendenannahmeinstitutionen gewähren lassen und die Spendenbescheinigungen nicht beanstandet.
Wenn hier in dieser Diskussion immer wieder das Wort von der Bereicherung fällt, so möchte ich einmal fragen, wo denn die Bereicherung liegt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Es muß doch ganz klar auf der Hand liegen, daß derjenige, der die Absetzbarkeit nicht zugestanden bekommen hätte, dann eben nicht gespendet hätte. Wie man hier von einer Bereicherung — wie wenn jemandem etwas zugeflossen wäre — sprechen kann, ist mir völlig unbegreiflich.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist aber eine Rechtsbeugung! Bayerische Rechtsverdreherei!)

Die Lage, wie wir sie heute vorfinden, ist gemeinsam von Verwaltung, Parteien, aber auch von Gesetzgebung und Rechtsprechung mitzuverantworten. In der Mitverantwortung stehen auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD. Die Sozialdemokratische Partei, die hier den Saubermann und Moralisten spielen will, ist von der Vergangenheit der Parteienfinanzierung in doppelter Hinsicht betroffen. Sie hat sich eifrig der Möglichkeiten der Umwegfinanzierung bedient, und zumindest ihre Spitzenpolitiker müssen davon auch gewußt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu den Spitzenfunktionären der SPD, die zugleich hohe Staatsämter bekleidet haben, gehört



Dr. Waigel
auch Exfinanzminister Halstenberg von Nordrhein-Westfalen, bis vor wenigen Tagen noch Schatzmeister der SPD. Der Name Halstenberg steht auch für die abenteuerlichste Spendenangabe einer Partei, die jemals im Bundesanzeiger gestanden hat: 7,6 Millionen DM ließ Halstenberg als das Ergebnis einer Sammelaktion seines Vorgängers Nau für das Jahr 1980 eintragen, ohne weitere Kennzeichnung, woher dieses Geld stammt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Halstenbergs Vorgänger im Amt des Schatzmeisters der SPD, Alfred Nau, war nicht nur Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung, sein Name steht auch für die Umwegfinanzierung zugunsten der SPD. Naus Sammelaktionen für die Partei bzw. deren Spitzenpolitiker liefen, wie inzwischen bekanntgeworden ist, über die Friedrich-Ebert-Stiftung.
Aber auch SPD-Landesverbände sind offensichtlich entsprechend verfahren. Mir liegt das Schreiben des Vorstands eines SPD-Landesverbandes an Firmen vor, in dem die Adressaten um eine angemessene Spende unter Hinweis auf Möglichkeiten der Umwegfinanzierung gebeten werden.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Dieses Schreiben vom 14. November 1978 trägt die Unterschrift prominenter SPD-Politiker und — das ist das Bemerkenswerte an diesem Vorgang — eines seinerzeit amtierenden Finanzministers, der der SPD angehört. Dort heißt es:
Sollten Sie keine direkten Spenden an die SPD zu leisten wünschen, so ist uns auch dadurch geholfen, daß Sie folgenden Institutionen einen Spendenbetrag überweisen ...

(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Dann werden in dem Schreiben Institutionen genannt, und es wird der Hinweis gegeben:
Bei Spenden an das ...
— dann wird ein Institut genannt —
gelten die Vorschriften für Spenden an gemeinnützige Organisationen. Bei der ...
— dann wird eine Aktion genannt —
handelt es sich um eine Institution, die ohne Parteiencharakter und ohne die Eigenschaft der Gemeinnützigkeit die SPD in ihrer politischen Arbeit zu unterstützen sucht.
Dieser Spendenaufruf an die Wirtschaft ist doch ein eindeutiger Beleg für die Praxis der Umwegfinanzierung bei der SPD. Die Formulierung „Uns ist auch dadurch geholfen" ergibt, daß der SPD die Spende auch dann zugute gekommen ist, wenn sie über die genannten Organisationen geleistet worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn Spitzenpolitiker, die zugleich ein hohes Staatsamt innehaben, wie in diesem Falle die Aufsicht über die Finanzverwaltung des Landes, einen solchen Spendenaufruf unterzeichnen, mußten dann die Spender nicht davon
ausgehen, daß die Rechtmäßigkeit einer solchen Spendenpraxis über jeden Zweifel erhaben ist?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Angesichts dieser Praxis ist die Behauptung von Herrn Halstenberg bei seinem Rechenschaftsbericht als Schatzmeister der SPD anläßlich des Parteitages der SPD: „Wir haben keinen Spender zu Steuerverkürzungen verleitet. Wir haben ihm dabei auch nicht geholfen. Um in die Sprache des Volkes zurückzukehren: Wir haben auch keine Tips dafür gegeben" eine Zumutung für die informierte Öffentlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mir liegen legal beschaffte Unterlagen über finanzielle Unterstützungen der SPD durch die Wirtschaft vor. Dabei ist genau vermerkt, für welche Politiker der SPD Beträge bestimmt waren und wie Spendenbescheinigungen über die Friedrich-EbertStiftung und einen Verein für politische Bildung beigebracht werden. Ich versage es mir, die Namen sozialdemokratischer Kollegen, die hier anwesend sind, in diesem Zusammenhang zu nennen, weil auch für sie das von mir zuvor Gesagte zu ihren Gunsten gilt. Ich will dem politischen Gegner das nicht zumuten, was bisher unbescholtenen Bürgern durch das beständige Nennen ihres Namens in der Öffentlichkeit vor Anklage und Verurteilung zugemutet wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe es als besonders schlimm und abstoßend empfunden, daß der rechtspolitische Sprecher der SPD, der Kollege Dr. Emmerlich,

(Zurufe von der CDU/CSU: Jämmerlich!)

in einer Pressedokumentation die Namen von „Vorverurteilten" zusammengestellt und sich damit gebrüstet hat, es seien keine SPD-Politiker dabei. Das ist der Gipfel politischer Unverfrorenheit. Ich bin angewidert von dieser Praxis und von dem, was Sie geboten haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das war bajuwarische Prosa! — Klein [München] [CDU/CSU]: Dazu können die nur grinsen!)

Durch das Parteiengesetz haben wir mit Wirkung vom 1. Januar 1984 eine klare gesetzliche Grundlage für die Parteienfinanzierung geschaffen. Unklarheit besteht jedoch weiterhin über die Beurteilung und Behandlung der unterschiedlichen Wege der Parteienfinanzierung bis zum Jahresende 1983.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sehr dunkle Wege!)

Das wurde entgegen unseren Vorstellungen nicht zusammen mit dem Parteienfinanzierungsgesetz geregelt.
Unser Vorschlag zur Einstellung bestimmter Steuerstrafverfahren sollte auch für die Vergangenheit unter die von Unklarheit und Widersprüchen gekennzeichnete Entwicklung in der Parteienfinan-



Dr. Waigel
zierung einen Schlußstrich ziehen. Dafür gibt es Gründe.
Bereits der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet eine sorgfältige Abwägung des Strafverfolgungszwecks einerseits sowie der jahrelangen hohen Belastung von Verwaltung, Rechtsprechung und Betroffenen andererseits. Hinzu kommt das Risiko, daß Entscheidungen, insbesondere Strafbefehle rechtskräftig werden, weil sie auch durch abweichende Entscheidungen der Finanzgerichte, die später ergehen können, nicht mehr geändert werden könnten.
Zum zweiten: Ein ganz entscheidendes Argument — darauf hat auch der Bundesfinanzminister hingewiesen — ist der Vertrauensschutz, der den Spendern wegen der von uns verschuldeten Unklarheit in der Beurteilung der Rechtslage nicht versagt werden sollte. Vor allem die Übung der Finanzverwaltung hat die Spender glauben lassen, daß die Vorgänge rechtlich in Ordnung sind.
Drittens. Neben der Verwaltung trifft eine besondere Verantwortung die politischen Parteien und Politiker, die durch ihr Verhalten in der Praxis der Parteienfinanzierung zur langjährigen Rechtsunklarheit beigetragen haben. Das ist Kritik, das ist auch Selbstkritik.
Viertens. Unser Vorschlag beschränkt sich auf steuerrechtliche Verstöße. Andere Gesetzesverletzungen wären davon nicht betroffen.
Zum fünften: Das fiskalische Interesse wäre gewahrt geblieben. Die Steuerpflicht wäre von der vorgesehenen Straffreiheit unberührt gewesen. Die Nachversteuerung der Spenden sollte für die Spender eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Sie hätte damit die Gesichtspunkte für eine Straffreiheit verstärkt.
Da somit Verwaltung, Rechtsprechung und nicht zuletzt die politischen Parteien selbst, am wenigsten jedoch die Spender diese Lage zu verantworten haben,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist ein Hohn!)

wäre der Weg einer Amnestie sachgrecht. Eine Amnestie wäre geeignet gewesen, die auch noch in den kommenden Jahren für die Beurteilung und Behandlung der bisherigen Praxis bestehende Rechtsunklarheit zu beheben, Rechtsfrieden zu schaffen und damit auch für die Parteienfinanzierung in der Vergangenheit eine abschließende Regelung zu finden.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Was Sie da erzählen, ist der nackte Hohn!)

Es ist für uns alle beschämend, daß wir mit diesem Ergebnis — um noch einmal mit den Worten von Karl Klasen zu sprechen — „Freunden geraten haben, etwas zu tun, was Ihnen von den Beschenkten", von den Bedachten „einen solchen Undank einbringt".
Ich nehme die Argumentation gegen die Strafbefreiung ernst. Was Richter, was Anwälte, was Publizisten, Verbände und Einzelpersonen einwenden, mußte und muß bedacht werden. Wir können das nicht vom Tisch wischen.
Doch die Glaubwürdigkeit der Kritiker ist unterschiedlich. Darunter sind reine Geister, aber auch reine Pharisäer.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Fairneß und Objektivität und auch mehr Toleranz sollten in dieser Diskussion wieder Richtschnur werden.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Denken Sie daran, Herr Waigel!)

— Jawohl. Sie werden mir hier nicht unterstellen, daß ich etwas gesagt habe, was ich nicht belegt habe, Frau Kollegin.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Nachweisen, Herr Waigel!)

Meine politischen Freunde und ich lassen uns weder vom politischen Gegner — schon gar nicht von der SPD — noch von der veröffentlichten Meinung unsere persönliche und unsere politische Ehre nehmen.
Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007104600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Glotz.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Der Obersammler!)


Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1007104700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte hat der Herr Kollege Dr. Dregger uns alle aufgefordert, von Selbstgerechtigkeit Abstand zu nehmen. Ich möchte auch nach der Rede des Kollegen Waigel sagen, daß ich diese Aufforderung für richtig halte, und werde nicht auf derselben Ebene darauf antworten, wie der Herr Kollege Waigel hier gerade gesprochen hat.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Lassen Sie mich versuchen, einen Moment einen etwas leiseren Ton in die Debatte zu bekommen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Die SPD, meine Damen und Herren, hat nie behauptet und wird nie behaupten, daß ihre politischen Führungsriegen, wie Sie das bezeichnet haben, Herr Kollege Dregger, ihre politischen Stäbe über eine höhere Privatmoral verfügten als die von anderen Parteien.
Ich füge hinzu: Die Tatsache, daß von — die Zahl ist ja immer wieder zitiert worden — 1 805 laufenden Verfahren nur zwei die SPD betreffen, hängt selbstverständlich auch mit der Tatsache zusammen, daß ein großer Teil der Wirtschaft, gerade die Großwirtschaft, ihre Interessen bei der SPD weniger gut aufgehoben fand als bei anderen Parteien

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)




Dr. Glotz
und wir deshalb seit eh und je weniger Spenden bekommen haben als andere Parteien.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: 6,74 Millionen von Herrn Nau! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Übrigens: Wir wundern uns gar nicht darüber, Herr Kollege Schäuble. Zuweilen sind wir sogar stolz darauf, daß bei uns die 10-DM-Spenden viel häufiger sind als die 10 000-DM-Spenden.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

Unsere Mitgliedsbeiträge, meine Damen und Herren, erbrachten im letzten Jahrzehnt durchschnittlich das Sechs- bis Zehnfache der Spenden. Das ist übrigens bei der CDU ähnlich. Bei der FDP sind die Spenden die wichtigste Einnahmequelle; im Durchschnitt doppelt soviel Spenden wie Beiträge.
Auch auf diesen strukturellen Tatbestand wird man hinweisen dürfen. Wir sind lieber von Hunderttausenden Mitgliedern und Freunden abhängig als von kleinen Zirkeln, auch wenn sie von ganz honorigen Leuten aus der Wirtschaft moderiert werden oder werden sollten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Bank für Gemeinwirtschaft! DGB! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Lassen Sie mich einmal zwei Sätze hintereinander sagen, die Sie nicht unterbrechen, wenn Sie erlauben, wenn es möglich wäre.

(Feilcke [CDU/CSU]: Herr Glotz, wollen Sie keine Großspenden mehr annehmen?)

Auch die SPD hat größere Spenden in kleine Portionen aufgeteilt und dadurch die Verpflichtung unterlaufen, Spenden über 20 000 DM zu offenbaren. Steuerverkürzungen dagegen — und da darf ich noch einmal auf das verweisen, was Friedrich Halstenberg als Schatzmeister der SPD gesagt hat —

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Was Herr Offergeld geschrieben hat!)

sind uns nur im Zusammenhang mit den Fällen bekannt, die auch bei der Staatsanwaltschaft zur Zeit anhängig sind. Es sind zwei.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Offergeld? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Ich sage gleich etwas zum Fall Offergeld. Lassen Sie mich einen Moment weiterreden.
Herr Kollege Dregger, Sie hatten Karl Klasen zitiert. Andere haben ihn auch zitiert.

(Zuruf von der CDU/CSU: Guter Brief!)

Dabei möchte ich mich zuerst dafür bedanken, daß Sie von einem Mann, der 1931 in die SPD eingetreten ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das würde er heute nicht mehr tun!)

sagen: „Das ist kein Gauner", obwohl ich die Feststellung nicht für notwendig halte; denn daß Herr Klasen kein Gauner ist, halte ich allerdings für selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD)

Nur: Im Respekt vor Dr. Klasen sage ich hier: Steuervorteile der Art, die Herr Dr. Klasen erwähnt, hat es nicht gegeben.

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU)

Hier ist mehrfach der Name der Friedrich-EbertStiftung in den Saal gerufen worden. Als Vorstandsmitglied der Friedrich-Ebert-Stiftung sage ich Ihnen: Spenden, die an die Friedrich-Ebert-Stiftung gegangen sind, sind dort gesetzmäßig behandelt und für satzungsmäßige Zwecke verwendet worden.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt wiederhole ich das, was Vogel und was andere gesagt haben: Wenn Sie etwas anderes wissen, machen Sie hier kein Theater vor Fernsehkameras, sondern gehen Sie zum Staatsanwalt, meine Damen und Herren! Dann gehen Sie zum Staatsanwalt!

(Beifall bei der SPD)

Da bin ich jetzt beim Fall Offergeld, der Sie ja so interessiert.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sie sagen „Fall Offergeld"?)

Lassen Sie mich zum Thema Offergeld zuerst einmal feststellen:

(Zuruf von der CDU/CSU: Hat Herr Klasen gelogen?)

Das, was Sie über Rainer Offergeld hier im Parlament sagen, ist straflos. Wenn Sie zur Staatsanwaltschaft gehen, kann es falsche Anschuldigung sein.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Und jetzt füge ich hinzu: Herr Offergeld hat mir gestern klipp und klar gesagt, daß im Zusammenhang mit diesem Fall steuerliche Unregelmäßigkeiten nicht vorgekommen sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja?)

— Ich kann das genausowenig prüfen wie Sie. Aber weil wir es beide nicht prüfen können, halte ich es für verantwortungslos, das hier als Einzelfall vor den Fernsehzuschauern auszubreiten.

(Beifall bei der SPD — Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Emmerlich muß das wissen!)

Jetzt erlauben Sie mir, einen Satz zum Kollegen Dr. Waigel zu sagen.

(Unruhe)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007104800
Herr Abgeordneter Glotz, bitte, lassen Sie den Präsidenten eine Bemerkung machen. — Ich bitte um mehr Ruhe und Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)




Vizepräsident Stücklen
Es wird noch eine Reihe von Rednern sprechen, und jeder Redner kann hier, entsprechend der zugeteilten Redezeit, seine Meinung sagen.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Er sollte bei der Wahrheit bleiben!)

Ich bitte um Aufmerksamkeit! Danke schön.

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1007104900
Ich möchte einen Satz zum Kollegen Dr. Waigel sagen — wir beide kennen uns seit langem,

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Damit kann Herr Waigel aber nicht renommieren!)

und über politische Grenzen fühle ich mich ihm auch verbunden —: Herr Kollege Waigel, Sie können offensichtlich nicht verstehen — das entnehme ich aus Ihrem Diskussionsbeitrag hier, nur heute hier —, daß das Aufrechnen von Personen und von Fällen, selbst wenn Ihre Behauptungen zum Fall Offergeld richtig wären, nicht die Argumentation von Herrn Vogel und den Sozialdemokraten trifft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber das macht die Heuchelei deutlich!)

Auch wenn wir Sozialdemokraten stärker betroffen sein sollten, als wir es heute wissen, könnte uns niemand dazu bringen, meine Damen und Herren, für uns und unsere Spender eine Amnestie in Anspruch zu nehmen,

(Beifall bei der SPD)

die der durchschnittliche Steuerzahler für sich nicht in Anspruch nehmen kann.

(Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sie haben es aber probiert! — Feilcke [CDU/ CSU]: Nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, läßt sich das leicht sagen!)

Lassen Sie mich einen Satz zum Kollegen Wischnewski sagen, der hier mehrfach zitiert worden ist.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Haben Sie als Geschäftsführer von den Dingen auch nie etwas gewußt?)

— Ich kann Ihnen dazu sehr genau Auskunft geben, weil ich in der damaligen Zeit sowohl bei den Sitzungen des SPD-Präsidiums als Geschäftsführer als auch bei den Koalitionsrunden dabeigewesen bin. In der Tat: Das Präsidium der SPD hatte HansJürgen Wischnewski beauftragt, die von der FDP erbetenen Koalitionsgespräche zu führen. Auch da wollen wir jetzt ehrlich sein. Herr Kollege Baum, das Hauptmotiv für die FDP war übrigens klar: Es war Angst um Lambsdorff.

(Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Das hat überhaupt nichts damit zu tun, das wissen Sie!)

Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, daß Sie inzwischen gemerkt haben, daß es nicht einfach ist, sich den Wünschen seines Koalitionspartners zu entziehen. Ich bedaure Sie deswegen nicht sehr. Sie haben es ja so gewollt.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihnen auch genau sagen, wann Hans-Jürgen Wischnewski aus diesen Gesprächen endgültig ausgeschieden ist. Das war nach einem langen Gespräch, das wir hatten. Dies wiederum war nach einem langen Gespräch, das der Bundesgeschäftsführer der SPD damals, Ende Dezember, mit dem Generalsekretär der FDP hatte. Beide waren sich völlig einig, daß dieses Vorhaben rechtlich nicht angängig und politisch nicht durchsetzbar ist.
Nach diesem Gespräch hat Wischnewski die weiteren Treffen der Runde von sich aus abgesagt. Dies war vor den negativen Entscheidungen des SPD-Präsidiums und der SPD-Bundestagsfraktion.
Ich will ein zweites nicht verschweigen. Auch das gehört zur protokollarischen Pflicht. Ich füge es hier hinzu. Wischnewski hat mir in dieser Minute auch gesagt — ich glaube, das war am 18. oder Ende Dezember —: Über eines bist du dir doch im klaren, damit ist auch die sozialliberale Koalition beendet.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Das folgende sage ich jetzt nicht zur CDU, das sage ich zu den Kollegen der FDP:

(Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Oberheuchler!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007105000
Herr Abgeordneter — —

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1007105100
Diese Koalition ist nicht an den angeblich sozialistischen Wirtschaftsexperimenten der SPD gescheitert, sondern daran, daß wir uns geweigert haben, mit rechtlich fragwürdigen Methoden Lambsdorff herauszuhauen, und weil wir uns auch in der Zukunft weigern werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Heuchler! — Abg. Kleinert [Hannover] [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007105200
Herr Abgeordneter Glotz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert?

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1007105300
Nein; ich bitte mir zu erlauben, daß ich wie die anderen auch keine Zwischenfragen beantworte.

(Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ein Wort möchte ich an die GRÜNEN sagen, wenn Sie erlauben. Meine Damen und Herren von der Bundestagsfraktion der GRÜNEN,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Uns gibt es doch 1987 nicht mehr!)

eine Partei, die erst entstanden ist, als sich das öffentliche Bewußtsein in Sachen Parteispenden sehr geändert hatte,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: In Ihrer Regierungszeit!)

sollte andere, ältere Parteien nicht allzu selbstgerecht angreifen. Hier greife ich den Begriff der Selbstgerechtigkeit auf, den der Herr Kollege Dregger an diesem Punkt benutzt hat.

(Zurufe von den GRÜNEN)




Dr. Glotz
Vor allem aber: Wer wie die GRÜNEN mit hohem Pathos auch gegen die staatliche Parteienfinanzierung gekämpft hat — der Herr Kollege Schily hat hier sogar etwas von der Plünderung staatlicher Kassen gesagt —,

(Stratmann [GRÜNE]: Mit Recht!)

dem muß ich allerdings sagen: Wenn man gegen die staatliche Parteienfinanzierung auch so ist und nicht an die Ausbalancierung für arbeitnehmerorientierte Parteien denkt, die weniger Spenden bekommen, dann begünstigt man die Abhängigkeit politischer Parteien von Spenden. Sie müssen dann auch eine konsequente innere und einigermaßen vernünftige Linie verfolgen, was Sie nicht tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD — Stratmann [GRÜNE]: Sie müssen andere Wahlkämpfe machen, sachliche Wahlkämpfe!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007105400
Herr Abgeordneter Stratmann, nehmen Sie bitte Platz.

Prof. Dr. Peter Glotz (SPD):
Rede ID: ID1007105500
Ein Letztes will ich noch in Richtung auf die FDP gesagt haben. Kolleginnen und Kollegen, die hilflos ehrlichen Feststellungen Ihres nordrhein-westfälischen Vorsitzenden Möllemann haben allerdings offengelegt: Wenn Sie einen Wählerwillen und nicht nur einen Spenderwillen zum Ausdruck bringen wollen, müssen Sie Ihre Finanzierung umstellen; dann müssen Sie schauen, daß Sie mehr Menschen finden, die Ihnen kleine Beiträge geben, um die Partei zu finanzieren. Ich sage Ihnen, eines möchte ein Sozialdemokrat nie: in die Lage dieses nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden Möllemann kommen. Nicht eine Sekunde möchte ich das. Das kann ich für meine ganze Fraktion sagen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Der Hohn gegen die Parteien ist groß genug. Ich werde den „Spiegel"-Essay von Hans Magnus Enzensberger nicht vergessen, in dem verächtlich über den Parteisekretär mit der Zimmerlinde in seinem kleinen Büro geurteilt wurde. Jetzt sage ich etwas, was für alle Parteien gilt. Diese Leute mit ihrer Zimmerlinde haben zum Funktionieren dieser Demokratie oft mehr beigetragen als elegante Essayisten,

(Beifall der SPD, der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt wandeln Sie auf den Spuren von Ludwig Erhard! Denken Sie an den Gummibaum!)

die heute mit Weimarer Tönen die Parteiendemokratie kritisieren.
Lassen Sie mich noch ein Schlußwort hinzufügen. Herr Bundeskanzler, wenn Sie in Ihrer Rede vor dem Bundesverband der Industrie die großen Worte „Vertrauen gegen Vertrauen" — ich möchte das jetzt ganz unpolemisch sagen — auf den Prozeß des Gebens und Nehmens von Spenden beziehen, und zwar auf diesen Prozeß in aller seiner Fragwürdigkeit, wie er sich in den letzten Jahren bei allen Parteien, auch bei meiner eigenen, abgespielt hat,

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Also doch! Vorher haben Sie es bestritten!)

dann gefährden Sie ein Stück von dem noch übriggebliebenen Vertrauen in die demokratischen Parteien. Sie schaden, glaube ich, damit nicht nur Ihrer Partei, sondern Sie könnten damit — ich will mich vorsichtig ausdrücken — die politische Kultur unserer Demokratie auf einen Weimarer Aggregatzustand zurückwerfen. Lassen Sie uns einen Strich machen. Lassen Sie uns zu dem stehen, was passiert ist. Lassen Sie uns die Verantwortung tragen, die jeder von uns zu tragen hat. Aber geben Sie diese Amnestiepläne auf, und hören Sie auch auf, sie zu rechtfertigen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007105600
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID1007105700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn seiner Ausführungen hat der Kollege Glotz uns allen geraten — und ich will das zumindest am Ende der Debatte versuchen —, dieses Thema bei aller Leidenschaft zur Sache in einem leiseren Ton miteinander zu besprechen. Daß dieses Thema Leidenschaften aufrührt, liegt in der Natur der Sache und ist, glaube ich, für jeden, der sich seit vielen Jahren oder gar seit Jahrzehnten damit beschäftigt, mehr als verständlich. Daß in diesen Leidenschaften dann auch Emotionen aufbrausen

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das haben Sie so an sich, Herr Kanzler, daß da Emotionen aufbrausen!)

und Formulierungen gebraucht werden, von denen ich hoffe — —

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Ich spreche wirklich nicht zu Ihnen, weil es ziemlich sinnlos ist, zu Ihnen zu sprechen. Sie sind Ihrer Meinung so sicher,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Nein, wir haben nur Deutsch gelernt! Das ist der Unterschied zu Ihnen!)

daß Sie durch nichts als durch den Wähler bei der nächsten Bundestagswahl zu erschüttern sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Leidenschaft führt natürlich dazu, daß wir uns gegenseitig aufrechnen, daß wir abrechnen, wie immer Sie dies wollen. Auch dafür habe ich viel Verständnis, denn, meine Damen und Herren, von der SPD-Fraktion, viele von Ihnen kenne ich ja ebenfalls seit Jahrzehnten, und mit nicht wenigen — nicht zuletzt mit Ihnen, Herr Kollege Brandt in der ersten Bank — haben wir über dieses Thema, das wir heute behandeln, in vielen Jahren gesprochen. Wir alle haben seit Jahren — ich komme noch ausführlich darauf zu sprechen — j a auch das Gefühl gehabt, daß es überfällig ist, die ganze Materie



Bundeskanzler Dr. Kohl
abschließend und in jeder Weise vernünftig zu regeln.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Amen!)

Herr Glotz, ich glaube nicht, daß wir in der Bundesrepublik — obwohl einige es in diesem Saal herbeireden wollen — in der Gefahr stehen, wie Sie es nannten, „Weimarer Aggregatzustände" zu haben. Aber wahr ist, daß alle demokratischen Parteien, die seit vielen Jahren diesem Haus angehören, also FDP wie SPD und CDU und CSU, auch heute in dieser Debatte die Zeche dafür zahlen, daß wir viel zu lange gewartet haben, daß wir viel zu wenig Mut hatten, das gesetzlich zu regeln, was zu regeln überfällig war.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die verfassungsrechtlichen Ausgangspunkte für unsere heutige Debatte liegen im Grundgesetz. In Art. 21 des Grundgesetzes ist zum erstenmal in der Geschichte unseres Volkes die Position der Parteien, ihr Auftrag, ihre besondere Funktion niedergelegt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben worden. Die Väter des Grundgesetzes, Herr Glotz, haben gerade aus der Weimarer Erfahrung diese Konsequenz gezogen, denn sie hatten natürlich jede Form des Totalitarismus von rechts und von links im Auge — auch jene, die heute in neuem Gewande in der Bundesrepublik umhergeht. Man hat den demokratischen Parteien damals aus guten Gründen eine entscheidende Funktion im politischen Leben zugewiesen. Man hat weder im Parlamentarischen Rat, noch im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland den Mut aufgebracht, dieser verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung auch den materiellen Unterbau zu geben.
Herr Glotz, Sie haben eben etwas gesagt, was mir gut gefällt und was ich unterstreichen kann. Sie haben darauf hingewiesen, wer in den demokratischen Parteien die Arbeit tut. Sie haben das am Beispiel eines arroganten Zeitgenossen und seines Essays dargestellt.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, na!)

Ich kann dazu nur sagen: Die über eine Million der Mitglieder CDU/CSU oder der SPD, auch die Mitglieder der Freien Demokratischen Partei tun natürlich weit mehr als nur eine einfache Staatsbürgerpflicht, wenn sie persönlich Monat für Monat und Jahr für Jahr — im übrigen beachtliche — Beiträge aufbringen für ihre politische Überzeugung.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und Abgeordneten der SPD)

Sie tun weit mehr als viele andere, wenn sie in ihrer Freizeit, statt Hobbies und Vergnügen nachzugehen, für ihre politische Überzeugung werben, wenn sie — und wer von uns hat das nicht erlebt — in guten wie in schlechten Tagen für ihre Partei draußen auf Straßen und Plätzen Zeugnis geben.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Bürgerinitiativen! — Vergessen Sie die Feuerwehr nicht!)

Das, meine Damen und Herren, droht jetzt in dieser Debatte völlig unterzugehen. Und als einer, der seit seinem 17. Lebensjahr seiner politischen Heimat verbunden und verschrieben ist, der seit 30 Jahren Führungsfunktionen in seiner Partei wahrnimmt, will ich das hier einmal deutlich aussprechen, weil j a sonst der Eindruck erweckt werden könnte, daß demokratische Parteien in Deutschland aus beutegierigen Zeitgenossen bestehen, die nur darauf aus sind, sich zu Lasten der Allgemeinheit zu bereichern. Dieser Grundton, der in einigen der Reden hier auftauchte, ist fernab der Wirklichkeit der Bundesrepublik.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, na!)

Die demokratischen Parteien und die Bundesrepublik Deutschland haben keine Ähnlichkeit mit irgendeiner Bananenrepublik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1007105800
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burgmann?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID1007105900
Nein, danke.
Ein zweites gehört hierher: Wir wissen seit vielen Jahren, daß die finanziellen Gegebenheiten der demokratischen Parteien nicht ausreichen, und zwar doch wahrlich nicht deshalb, weil wir unseren Mitgliedern nicht genug Opfer abverlangen, sondern weil die Gesamtsituation bei Wahlkämpfen und anderen Gelegenheiten sich eben ganz verändert darstellt.
Und, Herr Glotz, ich will jetzt wirklich nicht die Spendenaufkommen — ich könnte das sehr kompetent tun — vergleichen. Und hören Sie bitte mit jenen alten Märchen auf, die einmal von Georg August Zinn in den frühen 50er Jahren bei manchen Richtern in Karlsruhe überzeugend wirkten, als säßen hier die Parteien des großen Kapitals und da die Parteien des kleinen Kapitals. Meine Damen und Herren, das, was über Spenden eingegangen ist — auch bei der sozialdemokratischen Partei; nicht nur Karl Klasen weiß davon, auch andere —, das ist in der Relation der Größe der Parteien durchaus vergleichbar zwischen FDP, CDU/CSU und SPD.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Widerspruch bei der SPD — Zurufe von den GRÜNEN)

Ich finde, wir sollten doch wenigstens ein paar Minuten die Fähigkeit haben, uns insofern ernst zu nehmen, daß Sie uns nicht unterstellen, daß wir nicht wissen, wie Sie finanziert werden, und wir Ihnen nicht unterstellen, daß Sie nicht wissen, wie wir finanziert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Lachen bei den GRÜNEN)

Wenn wir auf dieser Basis miteinander sprechen, kommen wir doch schon ein Stück weiter. Und wenn Sie das Gesicht Ihres gerade wiedergewählten Vorsitzenden, Willy Brandt, ansehen: Er weiß,



Bundeskanzler Dr. Kohl
wovon ich spreche, und ich weiß, was er denkt, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Kumpanei!)

Meine Damen und Herren, wir haben dann damals gemeinsam den Weg der öffentlichen Finanzierung über Wahlkampfkostenerstattung aus der Staatskasse gewählt. Einer Ihrer Redner — ich weiß jetzt nicht mehr genau, wer; ich glaube, es war ebenfalls Herr Glotz — hat auch dieses Thema angesprochen. Ich muß Ihnen ganz offen sagen: Aus meinem Demokratieverständnis ist es niemals das Ziel einer funktionierenden freiheitlichen Demokratie, daß demokratische Parteien überwiegend, d. h. also über 50 %, ihr Aufkommen aus öffentlichen Kassen beziehen. Herr Glotz, wenn Sie das einmal unter den Gesichtspunkten der Herrschaft in einer Partei, der Mehrheitsbildung betrachten, der Bedeutung für Strömungen, für neue Gruppen, die in einer Partei auftreten, werden Sie mir, so denke ich, zustimmen.
Aber ich habe auch gar keine Probleme. Da j a hier heute so häufig und so voller Überzeugungskraft geredet wurde, daß da zu viel Geld unter uns ist: Nun, der Vorsitzende der CDU steht Ihnen zur Verfügung, wenn Sie mit einem Sparantrag kommen, Herr Wischnewski, die gerade festgelegten öffentlichen Zuwendungen wesentlich zu reduzieren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU/CSU)

Wir stehen Ihnen zur Verfügung, Herr Wischnewski, wenn Sie von der SPD wirklich das alles ernst meinen, was Sie in den letzten vier Stunden hier gesagt haben. Dann lassen Sie uns darüber reden, um das, was sich vielleicht an öffentlichem Mißtrauen aufgebaut hat, zu relativieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

Ich sehe aber auch an Ihrem Gesicht, daß das, was hier geredet wird, und das, was Sie tun, weit auseinanderläuft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sind heute in der Schwierigkeit dieser Debatte — und das muß man klar aussprechen —, weil wir durch viele Jahre hindurch bei einer sauberen gesetzlichen Regelung dieser Tatbestände versagt haben. Wir, das sind die Fraktionen außerhalb der GRÜNEN hier im Deutschen Bundestag. Wir haben es zugelassen — und das muß man deutlich sagen; ich brauche den Brief von Karl Klasen gar nicht wieder zu zitieren, obwohl ihn jeder von Ihnen wirklich innerlich auch wirklich begreifen und akzeptieren muß —, daß Spender aus ihrer persönlichen Überzeugung, aus einer Überzeugung, die nichts mit einer Vorteilsannahme im weitesten Sinn zu tun hat, den demokratischen Parteien geholfen haben

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

und mit Recht annehmen konnten, daß sie Vertrauensschutz erhalten.
Gerhard Stoltenberg hat die Finanzverwaltungen erwähnt. Er hat auch korrekt festgestellt, daß keiner der Finanzminister — und Klasen sagt: keiner der Justizminister —, daß keiner aus der politischen Oberschicht der Bundesrepublik Deutschland in die Öffentlichkeit gegangen ist und gesagt hat: Leute, das geht so nicht. Das ist doch einfach die Wahrheit.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Um so schlimmer, Herr Bundeskanzler!)

Und weil dies so ist — —

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Die Oberschicht hat geschwiegen. Das ist genau der Punkt!)

— Wissen Sie, wenn ich Sie sehe und die Tonart, die Sie hier ins Haus gebracht haben: Das erinnert mich an Abschnitte der deutschen Geschichte, die ich nie wieder erleben möchte.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch und Pfiffe von den GRÜNEN — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Von bestimmten Leuten, die für diese Dinge verantwortlich sind! Wir haben das nicht zu verantworten! — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Pfui! Nehmen Sie das zurück, oder treten Sie zurück!)

In über 30 Jahren der Geschichte der Bundesrepublik

(Anhaltender Widerspruch bei den GRÜNEN — Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Kanzler der Geschmierten! Kanzler der Geschmierten! Kanzler der Geschmierten!)

sind von keiner demokratischen Partei hier Vizepräsident Stücklen: Herr Bundeskanzler!

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID1007106000
— solche Töne angeschlagen worden, wie Sie sie heute angeschlagen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

Ein Zweites gilt.

(Anhaltende Zurufe von den GRÜNEN)

Mein Freund Theo Waigel hat darauf hingewiesen: Diese Spender

(Fortgesetzte Zurufe von den GRÜNEN)

haben durch viele Jahre hindurch ihre Spendenbescheinigungen bei Betriebsprüfungen vorgelegt, und diese sind akzeptiert worden. Sie können doch beim besten Willen nicht behaupten, daß jemand, der aus dieser Erfahrung gehandelt hat, der seine Spenden in aller Offenheit gegeben hat, der etwa an alle demokratischen Parteien den gleichen Betrag gegeben hat, sich bereichert habe.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wie Herr Flick! Der hat sich entreichert! Oh, oh, oh!)

Diese Spender haben aus staatspolitischer Verantwortung gehandelt. Und das respektiere ich.



Bundeskanzler Dr. Kohl

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie sollten Herrn Flick ein Denkmal bauen! Der hat alle gleich geschmiert!)

Über all diese Fragen ist ja bei Erlaß dieses Gesetzes von 1983 gesprochen worden.
Unser Strafrecht geht von dem Grundsatz aus, daß bei Erlaß neuer Gesetze im Strafverfahren das mildere Recht maßgebend sei. Es bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob das auch für das Steuerstrafrecht gilt. Nun erleben wir, daß viele hochangesehene Mitbürger — Mitbürger, ohne deren Mittun die Bundesrepublik so nicht geworden wäre, wie sie heute ist —

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

umfangreichen Steuerermittlungen und Kriminalisierungsvorbehalten ausgesetzt sind. Und, Herr Kollege Vogel, ob Sie es zugeben oder nicht:

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Geben Sie doch mal zu, Herr Bundeskanzler, was Sie genommen haben!)

Sie müssen doch wissen: Das bedeutet durch eine besondere Form der verfaßten öffentlichen Meinung in vielen Fällen eine Vorverurteilung, die sich später überhaupt nicht mehr aufarbeiten und aufholen läßt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sagen Sie doch mal was zu den Spenden, die an die CDU gezahlt worden sind! Legen Sie das doch einmal offen! Zur Sache!)

Aber, meine Damen und Herren, wir haben j a über all das lange genug miteinander gesprochen. Herr Glotz, es war wirklich gut, daß Sie hier einmal etwas Klarheit in die Position Ihrer Partei vor einigen Jahren gebracht haben. Es war doch so, daß auch in Ihren Kreisen — maßgebliche Männer Ihrer Partei haben das doch gutgeheißen, etwa im Parteipräsidium — die Idee einer Amnestie im weitesten Sinne des Wortes diskutiert wurde: und zwar in einer Weise, Herr Kollege Glotz, die sehr viel weiterging als das, was wir heute hier besprechen. In jenem Entwurf war doch beispielsweise vorgesehen, daß im Zusammenhang mit Steuerstraftaten auch Urkundenfälschung und Betrug, um nur diese beiden Beispiele zu nennen, unter die Amnestie fallen sollten. Sie haben das in der interfraktionellen Runde doch vorgetragen.
Wenn Sie das jetzt alles so abtun und sagen, daß späte Reue alle früheren Vorgänge heile und daß Sie es nur dem Koalitionspartner zuliebe gemacht hätten,

(Zurufe von der SPD)

dann kann ich Ihnen aus der leidvollen Erfahrung der Christlich Demokratischen Union und unserer Parteigeschichte sagen: Es gehört zur dümmsten unserer Taten, daß wir bei Änderung einer Koalition für eigene Fehler und eigene Entscheidungen im nachhinein andere haftbar gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich kann Ihnen nur sagen: Tun Sie das nicht!

Aber, Herr Kollege Glotz, jetzt muß die Frage hier doch einmal aufgeworfen werden: Warum sprechen wir erst heute über all diese Sachverhalte? Warum, Herr Kollege Glotz, ist das Gesetz zur Parteienfinanzierung erst mit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten? Wenn es so war, wie uns das Herr Vogel, der ja immer alles ganz genau weiß, vorhin beschrieben hat, daß das Unrechtsbewußtsein durchaus vorhanden war oder daß, wie einer Ihrer Zwischenrufer vorhin gerufen hat, ein Blick ins Gesetzbuch genügt hätte: Warum, verehrte Kollegen von der SPD, haben Sie dann nicht gehandelt?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe nun ganz gewiß die Legitimation, diese Frage zu stellen. Denn im Jahre 1975 habe ich mit dem Schatzmeister und dem Bundesvorsitzenden der SPD das erste Gespräch geführt mit dem Ziel, zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen, wie sie jetzt am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Wir haben dann unmittelbar vor der Bundestagswahl in der Runde der Schatzmeister — damals war bei Ihnen noch Alfred Nau dabei — bei mir in Mainz über dieses Thema gesprochen. Das Ergebnis war, daß Sie sich verweigert haben.
Nach der Bundestagswahl 1976 haben wir uns — ich war inzwischen Oppositionsführer — Herr Kollege Brandt, Sie waren dabei, der Kollege Wehner war dabei, Ihr neuer Schatzmeister war dabei — mit den Kollegen der FDP und der CSU zusammengefunden.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Eine sehr ehrenwerte Gesellschaft!)

Wir waren im Gespräch ziemlich weit gekommen, und dann kam die Nachricht, daß Sie den Gedanken nicht weiter verfolgen könnten.
Dann waren wir es, Herr Kollege Brandt — wir in der Führung der CDU —, die gesagt haben: Bei diesem Sachverhalt muß man eine endgültige Entscheidung in Karlsruhe herbeiführen. Auf unseren Wunsch hin ist Ernst Albrecht mit der Landesregierung von Niedersachsen wegen dieser Frage nach Karlsruhe gegangen.
Nachdem das Urteil 1979 vorlag, hatten wir, Herr Kollege Brandt — und das war j a wohl die entscheidende Sitzung —, eine große Besprechung. Damals, im September 1979, bestand eine gute Gelegenheit, das alles in Ordnung zu bringen und auch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß das Parlament, nachdem das Gericht gesprochen hatte, die Notwendigkeit einer Entscheidung sah. Sie haben sich — ich muß es deutlich sagen — versagt; nicht Sie persönlich. Ich habe nicht die Absicht, aus Gesprächen zu zitieren. Ich weiß, daß Sie in der SPD-Führung einer von denen waren, die für diese Überzeugung viel Verständnis geäußert haben.
Meine Damen und Herren, wenn Sie also heute aufstehen und mit dem Finger auf andere zeigen, dann fragen Sie sich bitte einmal selbst: Was haben



Bundeskanzler Dr. Kohl
wir, die Sozialdemokraten, getan, um Klarheit und vernünftige Verhältnisse herbeizuführen?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein Weiteres — Herr Glotz, Sie werden sich schwertun, hier am Pult so etwas zu sagen —: Die Bundespartei der Christlich Demokratischen Union Deutschlands hat nach dem Urteil, nach der Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht im Herbst 1979 den klaren Beschluß gefaßt, daß Spenden an die Bundespartei auf dem bisherigen Wege nicht mehr aufgebracht werden; das bedeutet: Spenden nach Steuern. Ich bin sehr gespannt, ob der neue Schatzmeister der SPD, wenn er auch die Bücher und nicht nur das Amt übernommen hat, die gleiche Feststellung hier in einer unserer Sitzungen treffen kann.
Meine Damen und Herren, mit einem Wort: Es geht doch wahrlich nicht darum, daß wir uns gegenseitig Schuld zuweisen, sondern darum, daß wir zunächst einmal zugeben, daß wir leider nicht die Kraft hatten, gegen eine oft genug auch unverständige und feindselige verfaßte öffentliche Meinung in dieser Sache das Notwendige zu tun.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Schuld sind immer die anderen!)

— Nein, schuld sind nicht die anderen: Schuld sind in dieser Frage wir, weil wir nicht den Mut aufgebracht haben, das Notwendige zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Ihr habt auf eure eigenen Fragen keine Antworten gegeben! Sagen Sie doch einmal, was Sie selbst bekommen haben, von Flick und von den anderen!)

Meine Damen und Herren, ich verstehe auch durchaus die Kritik an unserem Weg. Ich habe in der Einführung zu diesem Thema auf dem Stuttgarter Parteitag meinen Freunden gesagt: Es ist selbstverständlich in unserer Partei, daß man in bezug auf diesen Punkt — wie auch in bezug auf jeden anderen Punkt — unterschiedlicher Meinung sein kann.
Eine Frage drängt sich mir aber wirklich auf, Herr Kollege Brandt. Hier sitzt die Koalitionsfraktion, hier sitzen die Kollegen von der FDP. Sie hatten eine quälende, die Partei zutiefst belastende Auseinandersetzung in dieser Frage. Hier sitzt die Fraktion der CDU/CSU. Es waren etwas mehr als ein Viertel der Delegierten des Bundesparteitages der CDU, die sich in einer geheimen Abstimmung gegen unseren Weg entschieden haben. Ich füge, da einer der Ihren diesbezüglich eine ironische Anmerkung machte, gleich hinzu: Mir war klar, daß in dieser geheimen Abstimmung nicht nur diese Sache zur Debatte stand, sondern auch die Frage, ob man Sympathie oder Antipathie für den Vorsitzenden bezeugen kann. Es spricht j a nicht gegen eine Partei, wenn sie eine solche Debatte auch unter diesem Gesichtspunkt führt. Herr Kollege Brandt, Sie werden mir doch nicht klarmachen können — das werden Sie auch keinem hier im Saal und keinem draußen klarmachen können —, daß alle Mitglieder der SPD-Fraktion, von denen doch viele noch vor Jahresfrist ganz anders dachten, jetzt zu der Überzeugung gekommen sind, daß hier ein verbrecherischer Anschlag gegen den Rechtsstaat

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sehr richtig!)

geplant ist. Das ist doch absurd. Insofern wurde der Vorwurf der Heuchelei hier zu Recht erhoben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Brandt, was ich zutiefst bedaure, ist die Art und Weise der Auseinandersetzung, die darauf hinausläuft, daß Sie alles genau wissen und die reine Seele besitzen, während die anderen sich dem Orkus nähern. Die Wahrheit ist, daß Sie glauben, im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament und im Vorfeld der zwei Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz und an der Saar parteipolitisch etwas gewinnen zu können. Wie können Sie denn sonst — wohl wissend, daß der Vorschlag der Koalition zur Straffreistellung bei Parteispenden mit Sicherheit eingeschlossen hat, daß die Steuerpflicht und die Steuernachzahlung davon nicht berührt werden — in deutschen Tageszeitungen große Inserate veröffentlichen, in denen es heißt: Wenn eine solche Amnestie kommen würde, ginge diese zu Lasten der Arbeitnehmer, denn diese müßten entstehende Steuerausfälle bezahlen.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie sollten sich besser dort, wo Sie Streiks anheizen, Gedanken über Steuerausfälle machen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Demokratie lebt natürlich von der kontroversen Auseinandersetzung. Daß in dieser Frage auch die Fähigkeit vorhanden sein muß, eine schwierige Debatte durchzustehen, war uns allen sehr wohl bewußt, der Führung der FDP, der CSU wie auch der CDU. Eines aber — was auch immer andere in diesem Hause tun — sollte zwischen FDP, CDU, CSU und SPD bei aller Leidenschaft der Debatte nicht möglich sein, nämlich daß wir uns moralisch die Qualität unserer Argumente absprechen. Daß wir miteinander streitig und kämpferisch reden, ist in Ordnung. Es ist aber unerträglich, wenn man in einer so schwierigen Materie wie der, die wir heute hier behandeln, so tut, als seien die, die dafür sind, unmoralisch, und jene, die dagegen sind, hätten die Moral für sich gepachtet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist ganz einfach! Das ist gar nicht schwierig, sondern schmierig! Eine schmierige Materie!)

Mit einem Wort: Meine Bitte ist nur — mehr können wir heute dazu nicht sagen —, daß Sie noch einmal mit Ruhe lesen, was ein um die Republik und auch um Ihre Partei so verdienter Mann wie Karl Klasen in einer nachdenkenswerten Weise gesagt hat.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie erwähnen Karl Klasen zum zehnten Mal! Ist das der Nikolaus oder was? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)




Bundeskanzler Dr. Kohl
— Sie brauchen ja seine Argumente nicht zu akzeptieren, aber Sie sollten akzeptieren, daß eine Tat, daß eine Spende, daß ein Tun für den demokratischen Staat, was von einem Mann wie Karl Klasen und vielen anderen gutgeheißen wird, kein Anschlag auf den Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland ist.

(Langanhaltender Beifall bei der CDU/ CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)


(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007106100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmude.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Jetzt kommt einer von den Selbstgerechten!)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID1007106200
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich halte es für unerläßlich, daß wir durch den Nebel, den der Bundeskanzler mit seinen weitschweifigen Darstellungen hier verbreitet hat, zum Kern der Sache zurückkommen.

(Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE] — Pfeffermann [CDU/CSU]: Was haben Sie als Justizminister dazu gemacht?)

— Auch darauf komme ich zurück, beruhigen Sie sich! — Wir sollten also zu dem Geschehnis, über das wir hier debattieren, und zu seiner Geschichte zurückkommen.
Meine Damen und Herren, die Tage vom 3. bis 16. Mai dieses Jahres ließen uns eine schlimme, bisher einzigartige Episode in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erleben.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle werden sie nicht vergessen, und vor allem Ihnen, Herr Bundeskanzler, wünsche ich — mit Ihren eigenen Worten aus der Wörner-Affäre —, daß Sie an sie noch lange in Ihrem Leben zurückdenken.

(Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/ CSU]: Herr Schmude, der Heiligenschein leuchtet!)

Die am Nachmittag des 3. Mai 1984 vorliegende Nachricht vom Amnestievorhaben der Koalition war für uns Sozialdemokraten unfaßbar. Viele von uns haben sie zunächst gar nicht geglaubt. Es war nicht Parteitaktik,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Nein, es war Scheinheiligkeit!)

sondern Betroffenheit und Erschütterung, die uns zu harten Reaktionen und den Worten

(Beifall bei der SPD)

vom schlimmen Attentat auf das Rechtsbewußtsein
der Allgemeinheit, von dem unanständigen und
brutalen Eingriff in die Strafrechtspflege kommen ließen.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Über die Härte dieser Worte waren manche verwundert, die Betroffenen sicher auch verärgert; aber diese Härte ist nach wie vor gerechtfertigt.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Sie erklärt sich auch aus der Verbitterung und aus dem tiefen Zweifel am Sinn unserer politischen Arbeit für Demokratie und Rechtsstaat, die wir in diesen Tagen empfunden haben.
Wir Sozialdemokraten haben den Amnestieversuch vom Dezember 1981 in lebhafter, peinlicher Erinnerung. Unter großem Druck des damaligen Koalitonspartners haben einige von uns damals einen Amnestieentwurf zur Diskussion gestellt. Mit großer Entschiedenheit ist er innerhalb weniger Stunden von der gesamten SPD-Fraktion verworfen worden.

(Beifall bei der SPD)

Das unterscheidet uns übrigens von der heutigen FDP, die zunächst einmal mit einigen Enthaltungen zustimmte und erst den Sturm der Basis und der Öffentlichkeit erleben mußte, um sich dann eines Besseren belehren zu lassen.

(Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE])

Damals haben die anderen Fraktionen zugestimmt. An uns ist das Vorhaben gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wußten: Die Bereitschaft der FDP zum Bruch der damaligen Koalition wurde damit gefördert. Ich sage nicht, daß das die einzige Ursache war, aber die Bereitschaft wurde gefördert.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Das war ein hoher Preis für unser Nein, und seine Tragweite bedrückt uns immer noch, aber wir waren bereit, ihn zu zahlen, um nicht zuzulassen,

(Pfeffermann [CDU/CSU]: So viel Scheinheiligkeit gibt's doch gar nicht! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist die neue Dolchstoßlegende der SPD!)

daß die Gerechtigkeit durch Sonderregelungen für prominente Straftäter durchbrochen, daß das Rechtsbewußtsein der Bürger mit Füßen getreten wird.

(Beifall bei der SPD — Dr:Ing. Kansy [CDU/CSU]: Schon wieder eine neue Legende!)

Der damals befürchtete Bruch der Koalition, die sogenannte Wende, ist inzwischen eingetreten. Sollte dieser Preis, so fragten wir uns am 3. Mai dieses Jahres, vergeblich gezahlt worden sein? Soll das große Geld, dessen politischen Einfluß bei Regierung und Koalition wir ja jetzt gerade immer wie-



Dr. Schmude
der erleben, alles kaufen können, auch die Freiheit von Strafe, auch die Lähmung der Richter?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/ CSU)

Denn daß es um Geld ging, um Dank für erhaltene Spenden und um Vorleistungen für weitere finanzielle Förderung, das haben ja sogar Regierungsmitglieder mit unverfrorener Deutlichkeit erklärt.

(Feilcke [CDU/CSU]: Geben Sie Ihre Lyrik zu Protokoll!)

Wenn das alles möglich sein sollte, wozu dann noch gewählte unabhängige Parlamentarier?

(Zustimmung bei der SPD)

Mich selbst erbitterte besonders die Erinnerung an die Lobesworte, die ich als Bundesjustizminister aus Ihren Reihen, meine Kollegen von der CDU/ CSU, für mein Nein zur Hausbesetzeramnestie und für mein Nein zum Widerstandsrecht erfahren hatte. Sollte nun plötzlich erfahrenen Managern und Politikern gewährt werden, was unbesonnenen jungen Leuten so beharrlich verwehrt wurde?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sollte die Verweisung der Widerstandstheoretiker auf Selbstkorrektur der Demokratie und auf den Rechtsstaat in Zukunft mit Hohngelächter beantwortet werden? Wozu denn dann noch unabhängige Richter?
Nach alledem wird es für Sie verständlich sein, daß wir das Scheitern dieses Vorhabens mit großer Erleichterung aufgenommen haben. Der Beweis ist erbracht: Die Demokratie ist lebendig, die Bürger lassen sich nicht alles gefallen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Pfeffermann [CDU/CSU]: Und die SPD ist scheinheilig!)

Mit der Zustimmung der Bürger hatten die Verantwortlichen ohnehin nicht gerechnet. „Wir müssen da durch" lautete die verachtungsvolle Parole. Nach dem Druck dieser Ankündigung hat es auf uns wie eine Befreiung gewirkt, daß der Anschlag auf Demokratie und Rechtsstaat gescheitert ist.

(Zustimmung bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Jetzt fängt er wieder mit den ollen Kamellen an! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Zahlt die SPD jetzt ihre Spenden zurück?)

Meine Damen und Herren, der Gedanke an diejenigen, denen Strafverfahren im Zusammenhang mit Parteispenden bevorstehen oder die schon bestraft worden sind, erfüllt uns keinesfalls mit Schadenfreude oder Häme. Im Gegenteil, wir wünschen denen, die die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe bestreiten, die sich auf fehlendes Unrechtsbewußtsein berufen, daß sie dies bei ihrer Verteidigung vor Gericht verständlich machen können.

(Dr. Vogel [SPD]: Wir erleben hier die Verachtung des Bundeskanzlers für den Redner!)

Ist das alles so — —

(Dr. Vogel [SPD]: Es erheitert ihn! — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Hör doch mal auf, bis der Bundeskanzler zuhört! — Zustimmung bei der SPD)

— Er wird's schon noch erfahren. Er braucht jetzt nicht zuzuhören, wenn er meint, daß er sich das leisten kann.

(Beifall bei der SPD — Feilcke [CDU/CSU]: Was ist nur aus Ihnen geworden, Herr Schmude! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Ist das alles so, wie es von den Befürwortern der Amnestie unermüdlich behauptet wird, so brauchen die Betroffenen überhaupt keine Amnestie. Ihnen steht ein ordentlicher Freispruch bevor, ein Freispruch, den wir ihnen gönnen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist dann aber ein Freispruch durch den Richter oder die entsprechende Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft,

(Zuruf von der CDU/CSU: Selbst den Sozis ist die Rede peinlich!)

keine anrüchige Strafbefreiung durch politische Machenschaften.

(Beifall bei der SPD)

Nein, wer wirklich unschuldig ist, hat nichts zu fürchten. Auch dem, der es nicht ist, begegnen wir nicht mit Verachtung, nicht einmal mit Geringschätzung. Wir Sozialdemokraten wissen es dankbar zu schätzen, daß es in Einzelfällen — dies unterscheidet uns freilich von Ihnen — auch kapitalkräftige Bürger gibt, die aufgeschlossen genug sind, uns oder auch uns mit Spenden zu unterstützen.

(Pfeffermann [CDU/CSU] sowie weitere Zurufe von der CDU/CSU: Neue Heimat!)

Dabei, meine Damen und Herren — und das müssen wir noch eireal klarstellen —, gibt es freilich keine moralische oder sonstige Verpflichtung, nur etwas zu spenden, wenn auch das Finanzamt durch Steuernachlaß seinen Teil dazu beiträgt.

(Beifall bei der SPD)

Man kann z. B. auch die Hälfte geben und das Finanzamt unbeteiligt lassen. Das ist der Normalfall und nicht die Steuermanipulation.
Wo sie doch begangen worden ist, bedauern wir die Ungelegenheiten, die den Spendern daraus entstehen. Niemals aber — und auch darin irrt Herr Klasen — darf der Dank der Politiker darin bestehen, daß sie für ihre finanziellen Förderer strafrechtliche Verbote abräumen, schon gar nicht im Blick auf künftige Spenden.

(Beifall bei der SPD)

Auch soweit Regierungsmitglieder und Abgeordnete aus der Koalition von Strafverfahren betroffen sind, erfüllt uns das nicht mit Schadenfreude. Wir wünschen ihnen einen guten oder zumindest glimpflichen Ausgang.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)




Dr. Schmude
— Wenn Sie dazwischenlachen, meine Damen und Herren: Ich selbst habe das in ähnlichem Zusammenhang im letzten Herbst mit einer öffentlichen Äußerung deutlich gemacht, die Sie in der Regierungskoalition gern und wiederholt auch hier zitiert haben.
Wer denn nun am Ende bestraft wird oder bestraft worden ist, verliert dadurch nicht unsere Wertschätzung, wenn er sie denn hatte.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Besonders nicht bei den Spendern!)

Etwa den CDU-Kollegen, der vor kurzem eine Geldstrafe von 8 000 DM bezahlt hat, schätzen viele von uns Sozialdemokraten über den persönlichen Bereich hinaus, und daran ändert sich nichts. Nur, ertragen werden müssen diese strafrechtlichen Folgen, zu Ende geführt werden müssen diese Verfahren wie gegen jedermann sonst auch.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sonderrecht wäre hier Unrecht. Auch die Betroffenen sollten das nicht wollen.
Wenn Herr Dregger hier vorhin das Ansehen des Parlaments beschworen hat, das wir zu schützen haben, dann antworte ich ihm: Dieses Ansehen müssen wir uns sauer verdienen. Es wird nicht dadurch gemehrt, daß man Unrecht unter den Teppich kehrt, im Gegenteil, dadurch werden die Verächter des Parlamentarismus bestätigt.

(Beifall bei der SPD)

Sprecher der Koalition nennen uns Sozialdemokraten Heuchler und scheinheilig,

(Feilcke [CDU/CSU]: Zu Recht! — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU]: Weil Sie politisches Kapital daraus schlagen!)

weil wir die Amnestie mit großem Nachdruck ablehnen. Heuchlerisch und scheinheilig können nur Personen sein. Wie Sie wissen, habe ich selbst unsere Ablehnung von vornherein mit deutlichen Worten mitformuliert. Ich warte also auf Ihren Vorwurf, ich sei ein Heuchler und scheinheilig.
Ich würde Sie fragen — Sie wissen doch, daß ich im Dezember 1981 maßgeblich, übrigens mit tatkräftigem Zuspruch von Herrn Vogel aus Berlin, an der Verhinderung der damaligen Amnestiepläne beteiligt war —: Wo blieb damals Ihr Vorwurf? Statt dessen hörten wir vor der Bundestagswahl 1983 und danach vom CDU-Generalsekretär, eine Amnestie komme überhaupt nicht in Frage; entsprechende Behauptungen seien reine Erfindung. — Wer ist da, frage ich Sie, der Heuchler?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Bei der Beratung des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes im vorigen Jahr haben wir Sozialdemokraten jede strafbefreiende Rückwirkung stets ausgeschlossen. Herr Wischnewski hat das in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 24. Juni 1983 getan. Ich habe es in der Schlußberatung am 1. Dezember betont und Ihnen dabei vorgeworfen, durch
Tricks die Einführung amnestieähnlicher Vorschriften versucht zu haben. Sie haben das empört zurückgewiesen und durch Ihren Sprecher hier erklärt, sie beabsichtigten keine versteckte Amnestie,

(Hört! Hört! bei der SPD)

sondern wollten den unabhängigen Richtern die Entscheidung über die Praktiken der Vergangenheit lassen. Wer ist da, frage ich Sie, scheinheilig?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir haben es mit großer Energie und sorgfältiger Arbeit an den Einzelheiten des Parteienfinanzierungsgesetzes geschafft, strafbefreiende Rückwirkungen zu vermeiden. Wer darüber öffentlich spekuliert, wer von milderem Gesetz redet und den Begriff des Zeitgesetzes diskutiert — Herr Stoltenberg hat das getan, der Bundeskanzler hat das getan —, soll damit kein Amnestievorhaben begründen, sondern das vor Gericht geltend machen. Die Antwort dort wird klar sein. Das neue Gesetz macht eben nicht rechtmäßig, was früher strafrechtlich verboten war. Wer Parteien über den Altpapierkauf in Liechtenstein oder über Geldwaschanlagen finanziert, begeht auch nach neuem Recht Steuerhinterziehung.
CDU/CSU und FDP tun sich im übrigen keinen Dienst damit, daß sie die Rechtslage anders darstellen. Noch ist das neue Parteienfinanzierungsrecht, dessen verfassungsrechtliches Risiko Sie zu vertreten haben, vom Bundesverfassungsgericht nicht bestätigt worden.

(Abg. Schily [GRÜNE]: Sehr wahr!)

Die Aussicht dafür verschlechtern Sie zusätzlich, wenn Sie öffentlich behaupten, das neue Gesetz rechtfertige eben jene Praktiken, die das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit durch mehrere Entscheidungen nachdrücklich ausgeschlossen hat.

(Beifall bei der SPD — Schily [GRÜNE]: Das ist eine Provozierung des Bundesverfassungsgerichts!)

Mich erstaunt sehr — auch bei Ihnen, Herr Bundeskanzler —, daß Sie den Gang nach Karlsruhe im Jahre 1979 immer wieder so rühmend erwähnen. Sie brechen die Erzählung nur leider am entscheidenden Punkt ab: da, wo man auf das Ergebnis gespannt ist. Und das lautete: Herr Kiep, die niedersächsische Landesregierung sind in Karlsruhe zurückgewiesen worden. Das Karlsruher Gericht hat ein weiteres Mal die damalige Rechtslage als notwendig bestätigt. Das nehmen Sie bitte dazu, wenn Sie von Rechtsunklarheit reden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr!)

Ich halte es im übrigen für eine erfreuliche Bestätigung unserer — der Sozialdemokraten — gesetzgeberischen Arbeit, daß die Koalition, wie ja auch das Amnestievorhaben zeigt, selbst die Hoffnung aufgegeben hat, mit dem neuen Parteienfinanzie-



Dr. Schmude
rungsgesetz werde sich Strafbefreiung erreichen lassen.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Das Verdienst, das verhindert zu haben, auch das Verdienst, Umwege und Hintertüren in der Parteienfinanzierung beschlossen zu haben, nehme ich für die SPD-Fraktion in Anspruch.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von den GRÜNEN: Und DIE GRÜNEN? — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Natürlich!)

— Die Fraktion der GRÜNEN hat daran keinen Anteil.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei den GRÜNEN)

Wären wir Ihrem Beispiel der lautstarken Ablehnung des Parteienfinanzierungsgesetzes ohne Leistung auch nur eines Handschlages an seiner Ausarbeitung gefolgt, so wäre das Unglück längst geschehen: Mit ihrer Mehrheit hätte die Koalition im letzten Jahr das neue Gesetz beschlossen und die Amnestie darin unauffällig versteckt. Sie wäre schwer erkennbar und schwerer angreifbar gewesen. Eine auf diesen Gesichtspunkt konzentrierte öffentliche Auseinandersetzung, wie wir sie jetzt führen, hätte es kaum gegeben.

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007106300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID1007106400
So gern ich sonst Zwischenfragen zulasse: heute keine.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Es kommt noch mehr.
Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, spielen sich zu Unrecht auf. Die erhöhte Wahlkampfkostenerstattung kassieren Sie schleunigst. Der Öffentlichkeit bieten Sie eindrucksvolle Polemik, so wie heute hier Herr Hoss. Wo aber die Arbeit geleistet werden muß, um Unheil zu verhindern, ist von Ihnen nichts zu sehen.

(Beifall bei der SPD — Schily [GRÜNE]: Wer hat denn die Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben? Sie werden doch von uns nicht verlangen, daß wir an solchen Gesetzesvorhaben mitarbeiten! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Ich sprach von Arbeit, Herr Schily, Arbeit am Parteienfinanzierungsgesetz.
Weil ich schon bei Ihnen bin, sage ich Ihnen noch dazu: Sie handeln überheblich, wenn Sie so tun, als sei erst mit Ihrem Einzug in den Bundestag der Anstand hier eingekehrt. Diese schändliche Amnestie wäre längst beschlossene Sache, wenn wir Sozialdemokraten sie nicht schon im Dezember 1981 verhindert und dabei unsere Zugehörigkeit zur Bundesregierung aufs Spiel gesetzt hätten.

(Anhaltender Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Horacek [GRÜNE])

Um die Verhinderung dieser Amnestie, um die Verhinderung der Durchbrechung des Rechts zugunsten politischer Prominenz und ihrer einflußreichen Förderer, die Verhinderung der Beschädigung der Rechtsordnung und der Zerstörung des Rechtsbewußtseins ist es uns Sozialdemokraten 1981, 1983 und auch jetzt gegangen. Wir befinden uns dabei in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Bürger. Ihr Rechtsgefühl empört sich wie unseres, sie sehen wie wir, daß dieses Vorhaben alle Maßstäbe der Gerechtigkeit sprengt.
Darum, meine Damen und Herren, geht es auch in dieser Debatte: Ob es zulässig sein soll, in den Maschen des für jedermann geltenden Gesetzes — in dem dem Sprichwort nach die Großen ohnehin nur selten hängenbleiben — zusätzlich Fluchtwege für eben diese Großen hineinzuschneiden.
Über andere Themen, über Parteienfinanzierung und Spendenpraxis, haben wir bei vielen Gelegenheiten ausgiebig gestritten und können es natürlich auch hier tun. Aber wir werden Ihnen den Gefallen nicht tun, das alle bewegende eigentliche Hauptthema beiseite zu schieben und uns auf Streitereien über alle möglichen Behauptungen und Anwürfe einzulassen, die Sie zur Ablenkung kurzfristig in diese Debatte einführen.

(Beifall bei der SPD)

Warum hat man von der Beschuldigung gegen unseren früheren Kollegen Offergeld früher nichts gehört? Eine Beschuldigung, von der ich weiß, daß sie falsch ist; denn noch gestern habe ich von ihm die Bestätigung bekommen, daß hier keine falsche Steuerquittung ausgestellt worden ist.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das behauptet doch niemand! — Weiterer Zuruf von der [CDU/CSU]: Wer hat denn gesagt, daß die falsch ist?)

Der Herr Finanzminister Stoltenberg hat sich hier über Einzelheiten verbreitet, die gar nicht im Zentrum der Debatte stehen sollten.

(Beifall bei der SPD — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

— Warten Sie doch noch den Satz der Begründung ab. — Sie werden mir keinen Einzelfall nennen können, in dem die Abführung von Spenden aus dem Beitragsaufkommen von Berufsvereinigungen an politische Parteien zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt hat. Nein, es geht doch um ganz andere Fälle. Und da hätte ich Herrn Stoltenberg in seiner freundlichen und sachkundigen Art gerne einmal erläutern gehört, wie es der Bundesfinanzminister mit Geldwaschanlagen, wie er es mit wertlosem Papier aus Liechtenstein und dergleichen hält.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das zeigt eine Armut an Argumenten, eine Armut auch an Information trotz Ihrer mühseligen Vorbereitungen. Das zeigt uns: es mangelt Ihnen wirklich an Gründen, es mangelt Ihnen auch an den zugrunde liegenden Überlegungen Ihres Vorhabens.
Aber wir haben diese Debatte erzwungen, obwohl auch einige unserer Freunde uns mit dem Hinweis gewarnt haben, sie werde eine Schlammschlacht



Dr. Schmude
bringen. Und wenn ich hier jetzt höre, wie der Herr Kollege Waigel mit wirklich anstößigen Worten den Kollegen Emmerlich persönlich anrempelt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Nun hören Sie aber auf! Haben Sie den Schmutz nicht gehört? — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

wenn ich weiter höre, Herr Waigel, daß Sie Herrn Apel eine Äußerung aus dem kirchlichen Bereich vorhalten — ich kann die Richtigkeit jetzt nicht beurteilen —, dann frage ich Sie: Wie wäre Ihnen denn wohl zumute, wenn man Ihnen eine Äußerung, die im Gemeindekreis, im kirchlichen Bereich gefallen ist, hier vorhält?

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Ich will das nicht vertiefen, das würde in der Tat sehr weit gehen. Ich lasse mich dazu von Ihnen auch nicht provozieren.
Wir stellen uns jedem Vorwurf, auch denen, die wir uns selbst zu machen haben. Aber wir wollen alles versuchen, um den jetzt begangenen, besonders dreisten Versuch einer Amnestierung unwiederholbar zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Insofern sind wir trotz der Äußerungen von Herrn Baum und der Andeutungen von Herrn Genscher alarmiert und mißtrauisch. Zwei Versuche, meine Damen und Herren von der Koalition, die Sie in der Deckung durch alle Parteien oder durch trickreiche Formulierungen im Parteienfinanzierungsgesetz unternommen haben, haben wir bereits abgewehrt. Ihre mehrfachen öffentlichen Behauptungen, Sie wollten gar keine Amnestie, das werde Ihnen böswillig unterstellt, hatten uns in der Annahme bestärkt, daß Sie einen dritten Versuch erst gar nicht wagen würden. Darin sehen wir uns getäuscht. Sie haben den dritten Anlauf besonders dreist, besonders angreifbar gewagt, und Sie sind dabei zu Fall gekommen.
Ich frage Sie: Reicht Ihnen diese Lehre nun endlich? — Wir müssen das bezweifeln. Die trotzige Uneinsichtigkeit des Bundeskanzlers, der auf der Richtigkeit des Vorhabens beharrt, der es durchkämpfen will und der bei seiner Rede vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie sozusagen an Stelle der Richter Freisprüche verkündet hat, bestärkt unsere Sorgen.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Um es in einem Bild zu sagen, meine Damen und Herren: Der Anschlag ist abgewehrt, aber der Attentäter hat die Pistole nicht weggeworfen, sondern eingesteckt, um auf bessere Gelegenheit zu warten.

(Beifall bei der SPD)

Schon melden sich Politiker der Koalition mit dem Vorschlag, durch Manipulation des Steuerrechts, der Abgabenordnung, eine Amnestie zu bewirken. Äußerungen der Entschlossenheit zur erneuten Untat hören wir von vielen Seiten, und auch die Nr. 4 Ihres Entschließungsantrages weist hier doch einen Weg.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU/CSU)

— Sie klatschen sogar. Wenn Sie das aus England transportieren, so, wie es uns Herr Dregger hier erläutert hat, dann haben Sie Ihre Amnestie. Das alles bestätigt uns in der Sorge: Sie wird kommen.

(Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! Ich denke, Sie haben Jura studiert!)

Deshalb wollen wir mit dieser Debatte, mit unserem Antrag die Chance zur endgültigen Umkehr nutzen. Es geht um mehr als um eine beliebige, vielleicht besonders wichtige Sachentscheidung. Es geht um die Grundlagen unserer Demokratie. In ihr als Demokraten zusammenzuwirken ist nur möglich, wenn alle Seiten bestimmte Grenzen einhalten und sich jeder darauf verlassen kann. Die Gleichheit vor dem Recht und vor dem Richter setzt eine solche unübersteigbare Grenze. Wozu wird der sonst noch fähig sein, der seine politische Macht nutzt, um diese Grenze zu durchbrechen?

(Beifall bei der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1007106500
Lassen Sie diese Drohung mit der Wiederholung nicht stehen! Sie wird unsere Zusammenarbeit, sie wird unser Zusammenleben nicht nur erschweren, sondern vergiften. Machen Sie Schluß damit!

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich werde nach dem heutigen Tag über Zusammenarbeit nachdenken, Herr Schmude!)

Und bekräftigen Sie eindeutig das „Nie wieder", wie es im letzten Absatz unseres Antrags formuliert ist.
Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007106600
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID1007106700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmude hat ziemlich zum Schluß gesagt, alle Demokraten sollten gewisse Grenzen einhalten. Ich wäre sehr froh darüber gewesen, wenn dies tatsächlich heute so geschehen wäre. Das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil, Herr Kollege Schmude, gerade von Ihren Kollegen sind Formulierungen gebraucht worden, die mich zu der Feststellung bringen, daß viele dieser Bemerkungen doch gar nicht darum gingen, eine sachgerechte Behandlung zu ermöglichen, sondern ausschließlich eine emotionalisierte politische Waffe zu benutzen, statt in der Sache zu Klarheit zu kommen. Das war doch die Absicht bei der ganzen Art der Behandlung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Keine Polemik, Herr Mischnick, bleiben Sie sachlich! — Heiterkeit)




Mischnick
— Herr Kollege Fischer, daß Sie vor Polemik warnen, ist das Lustigste des ganzen Tages. Ausgerechnet Sie!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Liebe Kollegen, eins hat sich bei dieser Debatte doch erneut gezeigt: In allen Fragen — nicht nur in diesen Fragen —, in denen wir als Parlamentarier tatsächlich oder scheinbar in der Gefahr stehen, in der Öffentlichkeit unterstellt zu bekommen, im eigenen Interesse zu handeln, tut sich dieses Parlament schwer. Das war bei der Entscheidung über das Parteienfinanzierungsgesetz so, das ist heute so, das ist immer so, wenn wir über Fragen des Parlaments entscheiden.
Im Interesse unseres Parlamentes wäre es notwendig, daß wir im September, wenn wir über uns selbst sprechen, auch einmal darüber sprechen, daß wir nicht immer, wenn das Parlament über Dinge zu entscheiden hat, bei denen es sein kann, daß es Betroffene gibt, vor Entscheidungen zurückschrekken dürfen. Denn das Parlament ist die oberste Instanz der Entscheidung und kann sich nicht vor Entscheidungen drücken, die nur es allein treffen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es wäre der Mühe wert, sich einmal darüber Gedanken zu machen, wie man in solchen Fragen sachgerecht die notwendige Entscheidung in den Vordergrund stellt, nicht aber die Frage, wie man sich parlamentarisch gegenseitig das eine oder andere in die Schuhe schieben könnte; denn das schadet dem Parlament mehr als eine sachgerechte, noch so schwierige und für viele draußen im Lande zunächst nicht begreifliche Auseinandersetzung über Fragen, die auch uns, dieses Parlament betreffen.
Der Kollege Schmude hat sehr viel von „heuchlerisch" gesprochen und Vergleiche gezogen. Sehr geehrter Herr Kollege Schmude und auch Herr Kollege Glotz, was Sie über den November/Dezember 1981 dargelegt haben, ist gelinde ausgedrückt eine Klitterung der tatsächlichen Gespräche, hart ausgedrückt die nachträgliche Feststellung, daß alle Gespräche, die in der Koalition oder mit der Opposition geführt worden sind, entweder von vornherein unter der Prämisse standen, zwar Gespräche zu führen, hinterher aber nein zu sagen, oder unter der Prämisse standen, daß Ihre Vertreter zwar den Willen hatten,

(Zurufe von der SPD)

sich aber dann bei ihrer Fraktion nicht durchsetzen konnten. Eins von beiden kann nur richtig sein.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Aber jetzt so zu tun, — —(Dr. Apel [SPD]: Schreien Sie doch nicht so!

— Weiterer Zuruf von der SPD: Theaterdonner!)
— Wenn Sie nicht so viel dazwischenreden würden, dann brauchte ich nicht so laut zu reden. Diesen Anstand erwarte ich von jenen Kollegen, die jetzt Zwischengespräche führen, genauso wie ich diesen
Anstand während der ganzen Debatte gegenüber jedem anderen Redner gehabt habe.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß jetzt so getan wird, als habe es im Jahre 1981 bei denjenigen Kollegen, die im Koalitionsgespräch waren, überhaupt keine Bereitschaft gegeben, eine Regelung zu finden. Das ist schlicht falsch dargestellt. Ich will hier keinen anderen, unparlamentarischen Ausdruck gebrauchen. Ich kann mich allerdings sehr genau entsinnen, daß ich auch in Koalitionsgesprächen in den 70er Jahren mehrfach, immer wieder angemahnt habe, ein Parteienfinanzierungsgesetz zu verabschieden, um dieser Situation um unserer aller Parteien willen zu entgehen, in die wir dann hineingekommen sind. Das haben Sie immer mit der Berufung darauf, daß das finanziell für Sozialdemokraten nicht tragbar sei, abgelehnt. Das war der Gesichtspunkt, der immer wieder in den Vordergrund gestellt wurde.
Es ist nicht meine Art, hier aus früheren Koalitionsgesprächen zu berichten, aber wenn Sie damit anfangen, falsche Darstellungen zu bringen, dann fühle ich mich verpflichtet, um der Wahrheit willen die Dinge so darzustellen, wie sie tatsächlich waren, damit sie nicht hier nachträglich verfälscht werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das gilt genauso für die Behauptung, mit dieser Entscheidung sei die Entscheidung gegen die Koalition gefallen. Haben Sie denn längst vergessen, daß im Februar 1982 hier in diesem Saale eine Vertrauensfrage vom damaligen Bundeskanzler gestellt wurde und daß von der FDP-Bundestagsfraktion geschlossen das Vertrauen ausgesprochen wurde? Das hätten wir doch nicht getan, wenn wir im Dezember 1981 der Meinung gewesen wären, die Koalition solle zu Ende gehen.

(Horn [SPD]: Ihr macht doch alles!)

— Das ist doch falsch, was Sie hier darstellen. Das ist der Versuch, im nachhinein die Sachgründe, die Ihr Bundesparteitag geliefert hat, jetzt umzufälschen in einen Vorgang, der dieser Tage die Öffentlichkeit erregt hat, sonst gar nichts.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, hier ist so brav davon gesprochen worden, dann müsse eben mehr aus den Parteibeiträgen finanziert werden. Wer hat uns diesen Rat gegeben? Wer war es denn, der die Verabschiedung des Gesetzes daran knüpfte, daß die öffentlichen Mittel von 3,50 DM auf 5 DM erhöht wurden? Das waren Sie doch, die das verlangt haben. Nicht wir haben es verlangt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Tun Sie doch jetzt nicht so, als wäre es die Koalition gewesen, die diese Fragen in den Vordergrund gestellt hat, und reden Sie nicht so über die Finanzierung aus Beiträgen.
Meine Damen und Herren, da mir nur noch wenige Sekunden zur Verfügung stehen, möchte ich zusammenfassend feststellen:



Mischnick
Erstens. Die FDP-Bundestagsfraktion hat eine offene Diskussion geführt und dann neu befunden.
Zweitens. Dies ist ein Zeichen liberaler Grundeinstellung.
Drittens. Die Sachdarstellung des Bundesfinanzministers hat vielfältige Gesichtspunkte enthalten, die eine Entscheidung über das Für und das Wider bei den Beratungen beeinflußt haben.

(Dr. Vogel [SPD]: Der Justizminister hat nichts beeinflußt!)

Viertens. Die Wertung war unterschiedlich. Keine daraus abgeleitete Auffassung ist rechtswidrig oder gar verfassungswidrig. Wer dies behauptet, stellt die Dinge falsch dar.
Fünftens. Die politische Würdigung war unterschiedlich. Die öffentliche Aufnahmebereitschaft war in weitem Maße in der Öffentlichkeit nicht vorhanden. Das stelle ich fest.

(Dr. Vogel [SPD]: Ja, sie war gering!)

Damit wäre dem Rechtsfrieden bei einer Weiterverfolgung nicht gedient gewesen.
Sechstens. Diese Erfahrungen waren es, die die FDP-Bundestagsfraktion veranlaßten, keine neuen Initiativen dieser Art zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP — DemonstrativerBeifall bei der SPD)

Zu den Entschließungen stelle ich fest:
Erstens. Die Entschließung der Koalitionsfraktion hat in Punkt 4 genau das zum Inhalt, was hier beklagt worden ist. Der Kollege Ertl, der hier auch als ein zu ermittelnder Beschuldigter genannt wird, hat folgenden Brief geschrieben, der der Anlaß der Ermittlungen ist. Er lautet:
Sehr geehrter Herr ...
Als Landesvorsitzender der bayerischen FDP muß ich mich manchen nicht sehr angenehmen Aufgaben unterziehen. Dazu gehört auch, für meine vielfältigen Aufgaben und für die meiner Partei in Bayern die notwendigen Mittel zu beschaffen. Als liberale Partei sind wir dabei vor allem auf einsichtige und weitblickende Persönlichkeiten aus Wirtschaftskreisen angewiesen, die nicht zuletzt die Position und die Leistungen der FDP im allgemeinen und ihrer Bundesminister im besonderen zu beurteilen und zu bewerten wissen. Nicht zuletzt geht es im Hinblick auf die bevorstehende Wahl zum Bayerischen Landtag auch darum, die Position der Liberalen in Bayern und damit auch meine zu stärken. Darf ich mich im Hinblick auf Ihre Geschäftsinteressen auch in Bayern vertrauensvoll an Sie wenden? Ich hoffe, Ihr Verständnis zu finden, und würde mich über ein positives Echo sehr freuen.
Kein Wort von einem Konto! Kein Wort von einer Organisation!

(Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

Kein Wort über eine Art der Spendenabsetzung!
Trotzdem hat er bis heute keine Nachricht bekommen, warum gegen ihn ermittelt wird. Und wenn
hier andere Punkte aufgedeckt werden, mit genauen Angaben, dann wird so getan, als sei das eine Lappalie, während hier Menschen angeprangert werden, die seit einem Jahr nicht wissen, aus welchem Grunde nun wegen dieses Briefes ermittelt wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: War auch keine Telefonnummer drauf?)

Das war übrigens auch 1978.
Damit dies in Zukunft möglicherweise nicht mehr stattfindet, unser Vorschlag, das zu prüfen.
Zur Entschließung der SPD: Ihr Abs. 4 ist für uns erledigt. Wir haben die zu gebenden Erklärungen hier abgegeben. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Bravo!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007106800
Das Wort hat der Abgeordnete Handlos.

Franz Handlos (CSU):
Rede ID: ID1007106900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Gesetz zur Regelung steuerlicher Zweifelsfragen bei der Parteienfinanzierung, von der Bevölkerung kurz „Amnestiegesetzentwurf für Steuerhinterzieher" genannt, bleibt die einzige Hauptfrage: Geht Macht vor Recht?
Drei Spitzenpolitiker tragen dafür die Hauptverantwortung. Da ist einmal FDP-Chef Genscher, der in den letzten Tagen offensichtlich nach dem Ausspruch von Schopenhauer gehandelt hat, der lautet: „Ein schöner Rückzug ist ebensoviel wert wie ein kühner Angriff." Der zweite im Bunde, CDU-Chef und Bundeskanzler Helmut Kohl, will immer noch nicht glauben, daß die Bevölkerung in diesem Gesetz keine moralisch-geistige Wende erkennen kann, und der Dritte im Bunde, Franz Josef Strauß, hat auf einer seiner letzten Pressekonferenzen treuherzig erklärt, er habe sich u. a. voll auf Genscher und die FDP verlassen — und dies obwohl er bereits seit Jahren erklärt, auf Genscher und die FDP sei kein Verlaß.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das verstehe, wer will, meine Damen und Herren.
Wenn der Anlaß dieser Debatte für uns REPUBLIKANER nicht viel zu ernst wäre, könnte man eigentlich von einer Komödie sprechen. Aber von meiner Arbeit an der Basis her weiß ich, daß selbst der kleinste Arbeiter und Handwerker bei Steuerhinterziehung von den Finanzbehörden unnachsichtig verfolgt wird. Deswegen ist überhaupt nicht einzusehen, daß ein solches Amnestiegesetz erlassen wird — das muß ich hier mit aller Deutlichkeit einmal feststellen —, und dies gegen den Widerstand zahlreicher Abgeordneter aus allen Fraktionen, die hier in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überfahren wurden. Auch das darf ich für viele Kollegen



Handlos
sagen, die es nicht wagen, hier das Wort zu ergreifen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)

— Nein, so ist es. Ich darf, weil ich nur eine sehr kurze Redezeit habe — mein Kollege Ekkehard Voigt soll auch noch dazu kommen zu sprechen —, darf ich für die Republikaner zusammenfassend folgendes feststellen.
Erstens. Es gäbe keine Unsicherheit im Hinblick auf die Spendenpraxis, wie immer so gern behauptet wird, wenn man sich strikt an das Parteienspendengesetz in der Vergangenheit gehalten hätte. Umwege über Liechtenstein wären deshalb nicht notwendig gewesen.
Zweitens. Im Gegensatz zu anderen Straftätern haben Steuerhinterzieher nach geltendem Recht die Möglichkeit, Straffreiheit durch Selbstanzeige zu erlangen. Es ist nicht einzusehen, daß für diejenigen, die nicht einmal diese Möglichkeit in Erwägung gezogen haben, auch noch ein Amnestiegesetz geschaffen werden soll.
Drittens. Aus diesem Grund besteht entsprechend der Stellungnahme des Deutschen Richterbundes für den Erlaß eines Straffreiheitsgesetzes keinerlei triftiger Grund.
Viertens. Ich darf mich an dieser Stelle im Namen der Republikaner bei den Medien und der Öffentlichkeit für ihre Wächterrolle im Interesse der Demokratie bedanken. Ohne die Medien wäre sicher dieses Gesetz durchgepeitscht worden. Wie bereits betont, tragen hier nicht die Abgeordneten, sondern in erster Linie die Führungsspitzen der drei Parteien die entscheidende Verantwortung. Herr Genscher, Herr Kohl und Herr Strauß haben offensichtlich Chamisso falsch interpretiert, der in einem seiner Werke sagte: „Hast du die Macht: Du hast das Recht auf Erden". Sie hätten statt dessen nach Meinung der REPUBLIKANER Goethe lesen sollen, der in seinen „Sprüchen und Reimen" sagte: „Tu nur das Rechte in deinen Sachen; das andre wird sich von selber machen".
Herzlichen Dank.

(Beifall des Abg. Voigt [Sonthofen] [fraktionslos] und Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007107000
Das Wort hat der Abgeordnete Voigt (Sonthofen).

Ekkehard Voigt (CSU):
Rede ID: ID1007107100
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man eine erste Bilanz dieser Debatte zieht, dann muß man, glaube ich, deutlich vor der Öffentlichkeit sagen: Es ist ein mißlungener Versuch, nachträglich eine Rechtfertigung für die Spendengelder zu bekommen, egal, für welche Partei sie gegeben worden sind. Es ist in Wahrheit — lassen Sie mich das sagen — eine Scheindebatte gewesen, die eigentlich ihren Höhepunkt in dem Beitrag des Bundeskanzlers fand, als er sagte: Herr Brandt, Sie wissen genauso wie ich, wer wie uns finanziert, und da brauchen wir uns gegenseitig nichts vorzumachen. Das wird in der Tat Kopfschütteln und Ablehnung bei den Bürgern hervorrufen. Und das wird nicht durch die Tatsache besser, daß man einen Gesetzentwurf in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion" gleichsam durchboxen wollte.
Welch ein Schaden ist hier angerichtet worden: Das Vertrauen in die Politik, das Vertrauen in die Politiker, das Vertrauen in das Parlament insgesamt sind tief erschüttert. Es geht ja nicht um Lappalien. Es geht um hohe Steuerbeträge. Wie der Pressesprecher der Bonner Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden allein für eine Kölner Vereinigung in den Jahren 1969 bis 1980 an die CDU und die FDP 220 Millionen DM gespendet.
Sie können sagen: Steuer hin oder her; Steuergelder hin oder her. Aber es geht j a auch darum, daß rechtmäßig dem Staat zustehende Steuergelder nicht eingetrieben worden sind.
Das Schlimme an dieser Sache ist, daß führende Politiker in diesem Land nicht einsehen wollen, welchen Schaden sie in der Öffentlichkeit an der Glaubwürdigkeit der Parteien und des Parlaments damit anrichten.
Es geht nicht um die Gunst für bestimmte Spender. Man kann nicht Moral, Recht und Gesetz zurechtbiegen, wie man es einfach haben will.
Gott sei Dank gab es Stimmen wie die von Herrn Benda, der hierzu sagte: „Opportunität darf nicht vom Weg des Rechts abbringen", oder die des Deutschen Richterbunds, der sagte: „Das ist der Anfang des Verfalls der Rechtskultur".
Die Öffentlichkeit hat manchmal die Frage gestellt: Warum haben der Kollege Handlos und ich eine neue Partei gegründet?

(Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU])

Wenn es überhaupt die Frage der Gründung einer neuen Partei gegeben hat, dann ist dieser Zeitpunkt heute spätestens da, weil wir nämlich sagen: Wir haben der „res publica", der Sache des Volkes zu dienen und nicht am Staat zu verdienen. Das ist die Maxime der Politik der REPUBLIKANER und sollte auch die aller Parteien sein.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Glaubwürdigkeit eines Politikers, auch der Politiker, die heute Führungsfunktionen haben. Es ist von Herrn Vogel zu Recht gefragt worden: Was sollen wir von einem Familienminister halten, der vor der Wahl so redet, nach der Wahl aber anders redet?
Meine Damen und Herren, der Schaden, der insgesamt angerichtet worden ist, ist sehr groß. Der Bundeskanzler, der mit einem Programm der Erneuerung angetreten ist, muß sich heute sagen lassen, daß ein Programm der Ernüchterung daraus geworden ist. Das, was an Vertrauen vorhanden war, wird in — zunächst vorsichtiges — Mißtrauen umschlagen. Aus Glaubwürdigkeit ist Unglaubwürdigkeit geworden. Aus der Wende in eine neue Zukunft ist ein Salto in einen moralisch-politischen Verfall geworden. — Meine Damen und Herren, ich stehe unter Zeitdruck. Obwohl ich die feste Zusage hatte, früher zu sprechen, rede ich nun gleichsam als „Schlußlicht". Es ist interessant, einmal zu se-



Voigt (Sonthofen)

hen, wie das Recht eines freien Abgeordneten, in diesem Parlament zu reden, behandelt wird. —
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen: Ich habe diesen Bundeskanzler mitgewählt; er hat damals meine Stimme bekommen. Aber ich muß ihm heute am Schluß dieser Diskussion sagen: Ich habe ihn nicht gewählt, damit er im Rahmen dieser Amnestie-Aktion gleichsam die elementaren moralischen Fundamente dieser Demokratie miterschüttern hilft. Ich habe ihn auch nicht gewählt, damit auf diese Weise alle Abgeordneten in diese Aktion hineingezogen werden. Wir alle sind als Abgeordnete dadurch in der Öffentlichkeit in Verruf geraten. Wir müssen uns draußen rechtfertigen, ob wir daran beteiligt sind oder nicht. Aber machen Sie das den Bürgern einmal klar!
Meine Damen und Herren, Staatsverdrossenheit und Parteiverdrossenheit werden zu einer Staatsformverdrossenheit führen. Dann wird man sagen: Diese Demokratie taugt nichts mehr. Man wird sagen: Die Parteien taugen nichts mehr. Und dann werden den Extremisten von links und rechts Tür und Tor geöffnet. Und daran, meine Damen und Herren, haben dann einige hier ihren Anteil an Schuld.
Ich fordere deshalb alle auf, ich fordere auch den Bundeskanzler auf, den Mut zu haben, den Kraftakt der Peinlichkeit zu beenden, umzukehren, diese Affäre mit Klarheit zu stoppen und zu akzeptieren, daß draußen in der Republik auch ein Bürgerwille existiert.
Meine Damen und Herren, machen wir einen neuen Anfang! Wir brauchen wieder Sauberkeit in der Politik, Verläßlichkeit in die Verantwortlichkeit und Klarheit in der Sache. Wir REPUBLIKANER plädieren für diesen neuen Anfang, der von Verantwortung gegenüber dieser Demokratie geprägt ist, zu der es keine Alternative gibt.
Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007107200
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

(Zurufe und Beifall bei der SPD)


Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID1007107300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich sehe ein, daß wegen der fortgeschrittenen Zeit kein Bedürfnis nach einer längeren Fortsetzung der Debatte mehr vorhanden ist.

(Unruhe)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007107400
Eine Sekunde, Herr Bundesminister. — Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen — das gilt auch für die Damen und Herren der SPD-Fraktion — und etwas mehr Ruhe zu bewahren. — Herr Minister, fahren Sie bitte fort.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID1007107500
Ich lege, meine Damen und Herren, aus gegebenem Anlaß aber Wert darauf, einige wenige Worte zu sagen.
In der Auseinandersetzung um das AmnestieVorhaben bin ich von der Opposition mehrfach attackiert worden. Warum? Weil ich das mir zugedachte Verdammungsurteil nicht gesprochen habe.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist ja nicht zu glauben!)

Es war — über die von mir ohnehin abgegebenen Äußerungen hinaus — nicht erwünscht, eine — nämlich meine — Meinung zu erfahren, sondern eine Meinung, die vorprogrammiert war, und die hätte lauten sollen: Der Entwurf ist a) verfassungswidrig, b) rechtspolitisch grundfalsch, c) rechtsstaatlich bedenklich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1007107600
Auch Amnestiegesetze, selten und wohlüberlegt angewandt, gehören zur Rechtskultur der freiheitlichen Demokratien. In der Bundesrepublik hatten wir vier Amnestien, zuletzt die des Straffreiheitsgesetzes von 1970. Wir haben in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen für eine Amnestie herausgearbeitet erhalten. Dazu ist heute bereits mehrfach Stellung genommen worden, so daß ich auf diese Frage nicht mehr einzugehen brauche.
Das Ergebis der Prüfung, von der ich gesprochen habe, war, daß verfassungsrechliche Einwendungen nicht zu erheben sind. Glauben Sie mir: Wenn auch nur ein Zweifel in dieser Richtung aufgetaucht wäre, hätte dieses Vorhaben von mir nicht vertreten werden können. Selbst wenn ich es hätte tun wollen — der Bundesminister der Justiz kann dies nicht.
Nun ist Herr Dr. Schmude in der Auseinandersetzung im Hinblick auf sein Eintreten gegen den Entwurf von 1981 mehrfach als Zeuge gegen den Entwurf aufgerufen worden, über den wir uns jetzt zu unterhalten gehabt haben. Ich frage aber: Ist es nicht unseriös, zu übersehen, daß hier zwei völlig andere Dinge, die nicht so ohne weiteres miteinander verglichen werden können, zur Debatte standen? Daß auch in Tateinheit mit einer Steuerhinterziehung begangene kriminelle Delikte wie Betrug, Untreue und anderes amnestiert werden sollten, ist schon erwähnt worden. Als das in der Tat viel Schwerwiegendere erschien mir aber, daß wir seinerzeit die Parteienfinanzierung noch nicht neu geregelt hatten.

(Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist ein Bundesjustizminister! Nicht zu glauben!)




Bundesminister Engelhard
Wer damals auf den Gedanken kam, zu amnestieren, zog den strafrechtlichen Schlußstrich, wußte aber, daß aller Lebenserfahrung nach die Rechtsverstöße weitergehen werden.
Ich stimme — lassen Sie mich diese Anmerkungen noch kurz machen — sicherlich mit denen überein, die da sagen: Die entscheidende Frage ist, ob es politisch angezeigt war. Dies ist nicht allein eine rechtliche Frage. Ich kann dem durchaus folgen. Ich habe die Dinge sehr eingehend erwogen und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß wir mit der Verabschiedung des Parteienfinanzierungsgesetzes doch eingestanden hatten, welche Unzuträglichkeiten zu beseitigen waren. Deswegen war durchaus abzuwägen, ob es nicht das gewichtigere und stärkere Argument ist, in dieser Situation ein Ende zu setzen, und das möglicherweise schwächere der Gedanke, daß in einer Vielzahl von Verfahren rechtsstaatlich aufgearbeitet werden muß, was im einzelnen gesündigt worden sein mag.
Meine Damen und Herren, ich meine, heute ist die Amnestie vom Tisch, und ein jeder wird einmal darüber nachdenken können, wie wir über die Auseinandersetzungen und die Schärfe des Tons, die auch hier deutlich geworden sind, wieder näher aufeinander zugehen können.

(Frau Dr. Hickel [GRÜNE[: Dann wird es j a noch langweiliger!)

Nur meine ich, daß die Frage letztlich ausschlaggebend dadurch entschieden wird, daß, wie immer man am Anfang und in der Auseinandersetzung dazu gestanden haben mag, wir uns den guten Willen nicht absprechen sollten.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das verlangt man von einem Justizminister! — Weitere Zurufe von der SPD)

Ich habe immer akzepiert, daß andere anderer Meinung waren. Nur wird eine Amnestie immer darauf angelegt sein, Rechtsfrieden zu schaffen. Das heißt nicht die Zustimmung aller Bürger, das war auch 1970 nicht der Fall. Nur, wenn sich in der Breite der Bevölkerung, auch quer durch die Parteien, bis hinein, mit unterschiedlicher' Gewichtung, in die Fraktionen, Widerstand erhebt, Protest laut wird, dann wissen wir — das muß nachdenklich machen, und es war das Ergebnis, daß die Koalition ihr Vorhaben hat fallenlassen —, daß bei dieser Einstellung eine solche Maßnahme im Lande Rechtsfrieden nicht schaffen kann.

(Beifall bei der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007107700
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Mir liegt eine schriftliche Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Lammert, Clemens, Eylmann, Dr. Göhner, Dr. Olderog, Dr. Blank, Dr. Blens, Borchert, Lattmann, Rode (Wietzen), Schreiber, Seesing, Carstensen (Nordstrand) vor *).
*) Anlage 2
Jetzt wünscht der Herr Abgeordnete Jahn das Wort zur Geschäftsordnung.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID1007107800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der sozialdemokratischen Partei beantrage ich, über den Antrag auf Drucksache 10/1449 in den einzelnen Absätzen getrennt abzustimmen.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Er wird dadurch nicht besser!)

Damit die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, die in dieser Debatte teilweise etwas unterschiedliche Auffassungen vertreten haben, Gelegenheit bekommen, dieses auch im Abstimmungsverhalten deutlich zu machen, bitte ich, über den Abs. 3 und ebenfalls über den Abs. 4 getrennt namentlich abzustimmen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007107900
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Nehmen Sie bitte den Antrag auf Drucksache 10/1449 zur Hand.
Wir stimmen über den ersten Absatz ab, der mit den Worten beginnt: „Dem Deutschen Bundestag ist bekannt ...". Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der erste Absatz ist abgelehnt.
Wir kommen zum zweiten Absatz: „Der Deutsche Bundestag bedauert ...". Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Urnen sind aufgestellt. Da der Antrag auf namentliche Abstimmung entsprechend unterstützt ist, bitte ich, jetzt zur Abstimmung zu schreiten.
Wir stimmen jetzt über Abs. 3 ab. Wer diesem Absatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, mit Ja abzustimmen. Die Abstimmung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, sobald diese Abstimmung beendet ist, werden wir mit der zweiten beginnen. Bleiben Sie also bitte im Saal.
Sind alle Stimmkarten abgegeben?

(Zurufe: Nein!)

Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, es folgt gleich die nächste Abstimmung. Wenn Sie freundlicherweise, weil eine Erklärung abgegeben wird, noch einmal zurücktreten wollen, bevor Sie abstimmen.
Vor der nächsten Abstimmung hat nach § 31 der Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher das Wort zur Abstimmung erbeten. — Bitte schön, Frau Kollegin.

Dr. Hildegard Hamm-Brücher (FDP):
Rede ID: ID1007108000
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Gemäß § 31 Abs. 2 der Geschäftsordnung möchte ich zur Abstimmung erklären, daß nach den drei



Frau Dr. Hamm-Brücher
verbindlichen Erklärungen der FDP-Sprecher, daß ein Amnestiegesetz für die FDP jetzt und in Zukunft nicht in Frage komme, was inhaltlich dem Punkt 4 des Entschließungsantrages der SPD entspricht, für mich eine zusätzliche Zustimmung zu diesem Punkt 4 nicht mehr erforderlich ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007108100
Meine Damen und Herren, wir müssen mit der zweiten Abstimmung noch einen Moment warten, weil die Schriftführer noch zählen müssen. Es folgen dann noch zwei weitere namentliche Abstimmungen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur zweiten namentlichen Abstimmung. Ich mache Sie nur noch einmal darauf aufmerksam: Es geht jetzt um den Absatz 4 des Antrages der SPD auf Drucksache 10/1449. Ich eröffne die Abstimmung.
Sind alle Stimmkarten abgegeben?
Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. — Wir müssen in unseren Beratungen fortfahren. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID1007108200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Sitzung für eine halbe Stunde, bis 20 Uhr, zu unterbrechen, weil die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei für sofort eine Fraktionssitzung einberufen hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1007108300
Meine Damen und Herren, es ist üblich, daß wir in einem solchen Fall die Sitzung unterbrechen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 20 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 19.27 bis 20.00 Uhr)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007108400
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich möchte Ihnen zunächst die vorläufigen Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen mitteilen, die wir schon hinter uns haben.
Da ist zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Abs. 3 des Antrags der Fraktion der SPD zum gescheiterten Strafbefreiungsvorhaben auf Drucksache 10/1449. Es wurden 492 Stimmen — einschließlich der Berliner Abgeordneten, die hier voll stimmberechtigt sind — abgegeben. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben 206 Abgeordnete und mit Nein haben 273 Abgeordnete gestimmt. Es hat 13 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 492; davon
j a: 206
nein: 273
enthalten: 13
Ja
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Berschkeit Bindig
Frau Blunck
Brandt
Brück
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Billow
Buschfort Catenhusen Conradi Curdt
Frau Dr. Czempiel
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln)

Frau Fuchs (Verl)

Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Gobrecht Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase (Fürth)

Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn
Hiller (Lübeck) Hoffmann (Saarbrücken) Dr. Holtz
Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning Kirschner Kisslinger
Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski
Dr. Kübler
Kühbacher
Kuhlwein
Lambinus
Lennartz
Leonhart
Frau Dr. Lepsius
Liedtke Löffler Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna Pauli
Dr. Penner
Peter (Kassel)

Pfuhl
Poß
Purps
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Dr. Scheer
Schlaga Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt (Lengerich) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Dr. Steger
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stobbe



Vizepräsident Westphal
Stockleben Dr. Struck Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Vahlberg Verheugen
Dr. Vogel Vogelsang
Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe Walther
Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With
Wolfram (Recklinghausen) Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
DIE GRÜNEN
Burgmann
Dr. Ehmke (Ettlingen) Horacek
Hoss
Dr. Jannsen Krizsan
Frau Reetz Schily
Schwenninger
Stratmann
Vogt (Kaiserslautern)

fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. Althammer
Frau Augustin Austermann
Dr. Barzel Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin) Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl
Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Conrad (Riegelsberg)

Dr. Czaja
Dr. Daniels Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger Doss
Dr. Dregger Echternach Ehrbar
Eigen
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner Dr. Götz
Günther
Dr. Hackel Dr. Häfele von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs
Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg)

Dr. Köhler (Wolfsburg) Dr. Kohl
Kolb
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Lamers
Dr. Lammert Landré
Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Link (Diepholz) Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Dr. Marx
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern) Müller (Wesseling)
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl (München)

Dr. Riesenhuber Rode (Wietzen) Frau Rönsch Frau Roitzsch

(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen)

Dr. Schäuble Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg)

Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Spranger Dr. Sprung Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Straßmeir Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
FDP
Frau Dr. Adam-
Schwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Engelhard Ertl
Dr. Feldmann
Gallus
Gattermann Genscher Grünbeck Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Hoffie



Vizepräsident Westphal
Hoppe
Kleinert (Hannover) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer (Mainz)

Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Das vorläufige Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung, nämlich über Abs. 4 des Antrags der SPD auf Drucksache 10/1449, lautet: 485 abgegebene Stimmen, unter Einschluß der in diesem Fall voll stimmberechtigten Berliner Abgeordneten. Es gab keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben 208, mit Nein haben 267 Abgeordnete gestimmt, und es hat 10 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 484; davon
ja: 208
nein: 266
enthalten: 10
Ja
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel
Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Berschkeit Bindig
Frau Blunck Brandt
Brück
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Conradi
Curdt
Frau Dr. Czempiel
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Enthalten
DIE GRUNEN
Frau Beck-Oberdorf Drabiniok
Fischer (Frankfurt) Frau Gottwald
Frau Dr. Hickel Kleinert (Marburg) Frau Nickels
Frau Potthast Reents
Sauermilch Schneider (Berlin) Frau Schoppe Verheyen (Bielefeld)
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover) Frau Fuchs (Köln)
Frau Fuchs (Verl) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Gobrecht Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase (Fürth)

Haehser
Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn
Hiller (Lübeck) Hoffmann (Saarbrücken) Dr. Holtz
Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning
Kirschner
Kisslinger Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski Klose
Kolbow
Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein
Lambinus
Lennartz
Leonhart
Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel
Frau Odendahl Paterna
Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel) Pfuhl
Poß
Purps
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger Reschke
Reuschenbach Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Dr. Scheer
Schlaga
Schlatter
Schluckebier
Frau Schmedt (Lengerich) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl (Kempen) Dr. Steger
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stobbe Stockleben
Dr. Struck
Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak
Vahlberg
Verheugen
Dr. Vogel
Vogelsang
Voigt (Frankfurt)

Vosen Waltemathe
Walther
Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With
Wolfram

(Recklinghausen) Würtz

Zander Zeitler Frau Zutt
DIE GRUNEN
Burgmann Drabiniok
Dr. Ehmke (Ettlingen) Horacek
Hoss
Dr. Jannsen Reents
Frau Reetz Schily
Schneider (Berlin)

Frau Schoppe Schwenninger Stratmann
Vogt (Kaiserslautern)

fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Nein
CDU/CSU
Frau Augustin Austermann
Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Fran Berger (Berlin) Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens
Dr. Blüm
Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch
Bohl
Bohlsen Borchert
Boroffka
Braun Breuer



Vizepräsident Westphal
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Conrad (Riegelsberg)

Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar Eigen
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke Fellner Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Dr. George
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Günther Dr. Hackel
Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld)
Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg)

Dr. Köhler (Wolfsburg) Dr. Kohl
Kolb
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Lamers
Dr. Lammert Landré
Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Link (Diepholz) Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Dr. Marx
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern) Müller (Wesseling)
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl (München)

Dr. Riesenhuber Frau Rönsch Frau Roitzsch

(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen)
Dr. Schäuble Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg)

Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Straßmeir Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach
Dr. Wulff
Zierer Dr. Zimmermann Zink
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann
Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Ertl
Dr. Feldmann Gallus
Gattermann
Genscher
Grünbeck
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch
Hoffie
Hoppe
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger Dr. Rumpf
Schäfer (Mainz) Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Enthalten
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Fischer (Frankfurt) Frau Gottwald
Frau Dr. Hickel
Kleinert (Marburg) Krizsan
Frau Nickels
Frau Potthast Sauermilch
Verheyen (Bielefeld)

Damit ist der Antrag abgelehnt. Bevor wir zu den weiteren beantragten Abstimmungen kommen, erteile ich dem Abgeordneten Jahn das Wort, der eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung zu den bevorstehenden Abstimmungen abgeben möchte.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID1007108500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der SPD erkläre ich, daß wir die beiden folgenden Anträge, sowohl den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP als auch den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, ablehnen.

(Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Aber wir tun das aus unterschiedlichen Gründen.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das habe ich mir fast gedacht!)

Der Antrag der CDU/CSU enthält in seiner Ziffer 1 etwas, was eigentlich selbstverständlich ist, bei dem man sich fragt, warum es eigentlich da steht. Es soll offensichtlich dazu dienen, das zu verwischen, was in den folgenden Ziffern gesagt wird;



Jahn (Marburg)

denn dort, nicht in Ziffer 1, werden die wahren Absichten Ihrer politischen Überlegungen deutlich, und deswegen werden wir dem Antrag in seiner Gesamtheit unsere Zustimmung versagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir können aber auch dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN nicht zustimmen.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Jetzt wird es spannend! Warum? — Dr. Schäuble [CDU/ CSU]: Sie haben doch in Hessen die Koalition! Da lassen Sie den Börner im Regen stehen!)

Sie haben sich in Ziffer 1 selbstgerecht gleichzeitig in die Robe des Staatsanwalts und des Richters versetzt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben sie mit Ihnen gemeinsam!)

und das ist eine Art der Auseinandersetzung mit diesem Thema, der wir nicht zustimmen können und nicht zustimmen wollen.

(Beifall bei der SPD)

In einer Reihe weiterer Punkte haben Sie einzelne Abschnitte unseres Antrages abgeschrieben.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Da sehen Sie mal, wie kooperativ wir sind!)

Das ist sehr lobenswert, dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Nur trägt der Zusammenhang, in den Sie das gebracht haben, eher dazu bei, vom Thema abzulenken,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wir haben es einfach vom Kopf auf die Füße gestellt! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

so wie Sie das auch mit den übrigen Punkten tun, die Sie in Ihrer Entschließung aufgenommen haben. Das sind alles Themen, über die man reden könnte, aber in anderem Zusammenhang und bei einer anderen Gelegenheit. Hier würde die Zustimmung dazu nur bedeuten, daß wir uns an dem Versuch beteiligen würden — der auch von anderer Seite gemacht wird —, das eigentliche Thema dieser Debatte zu verwischen. Dieses Thema heißt nicht irgendwie, sondern sehr kurz und einfach: Amnestie ja oder Amnestie nein?

(Zustimmung bei der SPD)

Wir wollen mit unserer Entschließung unmißverständlich deutlich machen: Für uns gibt es in dieser Debatte nichts anderes als ein kurzes, präzises Nein zur Amnestie und zu jedem Versuch, ihr Vorschub zu leisten.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007108600
Meine Damen und Herren, wir stimmen nunmehr über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1494 ab. Es ist gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung von den Antragstellern namentliche Abstimmung verlangt worden.
Wer dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1494 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, die entsprechende Abstimmungskarte in die vorn aufgestellten Urnen zu werfen.
Ich eröffne die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, zwischendurch möchte ich darauf hinweisen, daß noch eine weitere namentliche Abstimmung bevorsteht.
Meine Damen und Herren, ist ein Mitglied dieses Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?

(Zurufe: Ja!)

Darf ich jetzt davon ausgehen, daß kein weiteres Mitglied des Hauses mehr seine Stimmkarte abgeben will? — Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. Ich gebe Ihnen das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN zum gescheiterten Straf-befreiungsverfahren auf Drucksache 10/1494 bekannt. Abgegebene Stimmen 480; Berliner Abgeordnete voll stimmberechtigt. Davon ungültige Stimmen keine. Mit Ja haben gestimmt 24, mit Nein haben gestimmt 456. Es hat keine Enthaltung gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 480; davon
j a: 24
nein: 456
Ja
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Burgmann
Drabiniok
Dr. Ehmke (Ettlingen) Fischer (Frankfurt) Frau Gottwald
Frau Dr. Hickel Horacek
Hoss
Dr. Jannsen
Kleinert (Marburg) Krizsan
Frau Nickels Frau Potthast Reents
Frau Reetz
Schily
Schneider (Berlin) Frau Schoppe Schwenninger Stratmann
Verheyen (Bielefeld) Vogt (Kaiserslautern) Frau Dr. Vollmer
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. Althammer Frau Augustin Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Böhm (Melsungen)

Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Conrad (Riegelsberg)

Dr. Czaja Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Erhard

(Bad Schwalbach)




Vizepräsident Westphal
Eylmann
Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner Dr. Götz
Günther
Dr. Hackel Dr. Häfele von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld)
Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg)

Dr. Köhler (Wolfsburg) Dr. Kohl
Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher.
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Dr. Marx
Dr. Mertes (Gerolstein) Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl (München) Rode (Wietzen) Frau Rönsch
Frau Roitzsch

(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart)

Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen)
Dr. Schäuble Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schulze (Berlin) Schwarz

Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Straßmair
Strube
Stücklen
Stutzer Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel
Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Berschkeit Bindig
Frau Blunck Brandt
Brück
Buckpesch Büchler (Hof) Büchner (Speyer)
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Conradi
Curdt
Frau Dr. Czempiel
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln)

Frau Fuchs (Verl)

Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig
Dr. Glotz
Gobrecht
Grunenberg Dr. Haack Haase (Fürth)

Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn Hiller (Lübeck)

Hoffmann (Saarbrücken) Dr. Holtz
Horn
Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning Kirschner Kisslinger
Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche)

Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Pfuhl
Poß
Purps
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Dr. Scheer



Vizepräsident Westphal Schlaga
Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt (Lengerich)

Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stobbe
Stockleben Dr. Struck Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak Vahlberg Verheugen Dr. Vogel Vogelsang Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe
Walther
Wartenbrg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/1496. Die Antragsteller haben gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung verlangt. Wer dem Antrag auf Drucksache 10/1496 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Stimmkarte mit Ja, wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechende Stimmkarte in die aufgestellten Urnen zu werfen.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —
Wünscht noch ein Mitglied des Hauses seine Stimme abzugeben? — Es gibt offensichtlich kein weiteres Mitglied, das diesen Wunsch hat. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Auszählung werde ich, sobald es vorliegt, im Lauf der Debatte bekanntgeben.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Errichtung einer Stiftung „Mutter und -Kind — Schutz des ungeborenen Lebens"
— Drucksache 10/1369 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend)

Rechtsausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Runde vereinbart worden. Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kroll-Schlüter. Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007108700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt." Diese bindende Aufforderung des Grundgesetzes verpflichtet uns alle auch zum solidarischen Handeln mit dem ungeborenen Leben. Dies darf auch in der öffentlichen Diskussion über das ebenso empfindsame wie oft mißverständliche Thema der Abtreibung nicht zu einem Punkt unter vielen, zu einem Randthema werden. Es ist falsch, das elementare Recht auf Leben fast wie selbstverständlich neben ein vermeintliches Recht auf Abtreibung zu setzen.
In der Wochenzeitung „Christ und Welt/Rheinischer Merkur" war vor einigen Wochen folgendes zu lesen — ich darf zitieren —:
Die ganz überwiegende Mehrheit ist sich der Tatsache bewußt, daß Schwangerschaftsabbruch Tötung menschlichen Lebens ist. Sie versucht auch nicht, diese Handlung oberflächlich als nichts Besonderes abzutun.
Wenn trotzdem ... die große Mehrheit für die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs — und sei es auf dem Wege der Indikationenregelung — plädiert, dann heißt das nichts anderes, als daß dieser Mehrheit menschliches Leben gegenüber anderen Werten zweitrangig erscheint, zumindest, wenn es sich um ungeborenes menschliches Leben handelt.
Wenn ein Prozeß des Umdenkens stärker um sich greifen soll, dann müßte er wohl an diesem sehr grundsätzlichen Punkt ansetzen, daß menschliches Leben nicht instrumental gesehen, nicht für andere Rechtsgüter zur Disposition gestellt werden darf.
Meine Damen und Herren, ein verbesserter Schutz des ungeborenen Lebens setzt voraus, daß seine Würde und Unantastbarkeit im Bewußtsein der Bürger dieses Landes fest verankert sind. Dafür müssen deutliche Signale und konkrete Taten gesetzt werden. Wir wollen mit dieser Bundesstiftung dazu beitragen, dieses Bewußtsein zu stärken.
Wieczorek (Duisburg)

Wiefel
von der Wiesche
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With
Wolfram

(Recklinghausen)

Würtz Zander Zeitler Frau Zutt
FDP
Frau Dr. Adam-
Schwaetzer
Baum Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Engelhard
Ertl
Dr. Feldmann
Gallus Gattermann
Genscher
Grüner
Dr. Hirsch
Hoffie Hoppe Kleinert (Hannover)

Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer (Mainz)

Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)




Kroll-Schlüter
Das Recht auf Leben bzw. die Schutzbedürftigkeit des ungeborenen Lebens sind die höchsten Rechtsgüter in unserem Staat, in dieser Gesellschaft. Daran muß sich die öffentliche Diskussion orientieren, hierauf müssen wir uns stärker konzentrieren.
Wer die Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens bejaht, muß hierbei notwendigerweise auch das ungeborene Leben mit einschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es darf doch nicht so sein oder so scheinen, als gäbe es einen prinzipiellen Unterschied zwischen Leben vor und Leben nach der Geburt. Ebensowenig kann es ein Gebot der Nächstenliebe sein, nur geborenes Leben zu lieben, zu pflegen und zu schützen, während man das ungeborene Leben zur Disposition stellt.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Deswegen muß alles getan werden, damit dem ungeborenen Leben nicht durch die harte, furchtbare Realität der Notlagensituation der Schutz entzogen wird, den wir so selbstverständlich dem geborenen Leben zugute kommen lassen. Wir gehen nicht blind an der sozialen Notlagenindikation vorbei. Wir wollen nicht verurteilen.

(Duve [SPD]: Tun Sie aber dauernd!)

— Wenn Sie nicht so leichtfertig dazwischenriefen, sondern etwas mehr Ernst dem Thema zugewandt hätten, hätten Sie vernehmen können: Niemals würde ich mir ein Urteil über diejenige erlauben, die abtreibt,

(Frau Schoppe [GRÜNE]: Aber?)

aber wir haben alles zu tun, um Notlagensituationen, um die Bedrängnis, um den Grund, was auch immer dazu geführt haben mag, soweit das staatliches Handeln überhaupt kann, zu verhindern.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Das haben wir oft genug von dieser Stelle in der Diskussion gesagt.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

— Nein, Sie hätten überhaupt keine Argumente mehr gegen uns in der Hand, wenn Sie uns nicht dauernd so willkürlich mißverstünden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Da gibt es doch Zahlen!)

Wir wollen helfen. Gerade die Stiftung „Mutter und Kind" wird sich der in Not geratenen Frauen und Familien annehmen und ihnen schnell, direkt, unbürokratisch helfen, zum Schutz des ungeborenen Lebens, aus Solidärität mit dem Leben, für Mutter und Kind.
Und es geht doch auch um den Schutz der Frau und Mutter. Welche seelischen Konflikte und Probleme sie durch eine Abtreibung aufgezwungen bekommt, läßt sich mit Worten nicht beschreiben. Mit dem Schutz des ungeborenen Lebens verbindet sich demnach auch der Schutz der Frau und Mutter auf das engste. Und wer das ungeborene Leben vor der Abtreibung bewahrt, der bewahrt damit auch die Frau und Mutter vor einem unwiderruflichen Schritt, dessen seelische Konsequenzen erheblich sein können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und hier schließt sich der Kreis: Hier greifen der Schutz des ungeborenen und der Schutz des geborenen Lebens fruchtbar ineinander.
Die hohe Zahl der Abtreibungen — wir wissen: es sind nicht nur 96 000, sondern über 200 000 — muß uns unruhig machen — ich setze auch voraus, daß das so ist —, vor allem, daß fast 80 % der Schwangerschaftsabbrüche, die gemeldet sind, mit einer schweren Notlage begründet werden.

(Frau Nickels [GRÜNE]: Warum kürzen Sie dann das Mutterschaftsgeld?)

Und das in diesem Staat! Da kann etwas nicht in Ordnung sein.

(Sehr wahr! bei der SPD)

Ich möchte Ihnen sagen, liebe Freunde, meine Damen und Herren: Wenn uns die jungen Menschen von heute eines Tages sagen: „In den 70er Jahren, da lebtet ihr im Wohlstand, da habt ihr euch hoch verschuldet, da wurde in diesem Ausmaß abgetrieben, da habt ihr unsere Zukunft so belastet, da wart ihr kaum in der Lage, eine berufliche Perspektive für uns zu formulieren, und jetzt sollen wir 20jährigen die Lasten, die ihr uns damals in reichen Zeiten in einem Land mit dem höchsten Wohlstand aufgebürdet habt, abtragen", dann werden sie sich verweigern, und ich hätte keinen Anlaß, darüber zu rechten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nein, wir müssen in der Gegenwart zugunsten der Zukunft auf einiges verzichten. Wir müssen auch etwas zum Wohle des ungeborenen Lebens tun, und zwar auch durch Verzicht. Wir müssen auch finanziell helfen. Man soll das mit der finanziellen Hilfe nicht so abtun.
Ich möchte ihnen etwas vortragen, was uns der Deutsche Caritasverband dieser Tage mitgeteilt hat. Er sagt, daß an der Spitze aller Gründe für den Abbruch der Schwangerschaft finanzielle Schwierigkeiten stehen, und zwar auch im Zusammenhang mit beruflichen Gründen, mit Arbeitslosigkeit. Daraus ergebe sich folgende Schlußfolgerung:
Dabei ist es mit Zuhören nicht getan. Die Beraterin hat sich mit Wertvorstellungen, sehr oft mit solchen, die sie nicht vertreten kann, auseinanderzusetzen. Sie muß konkrete Hilfen anbieten.
Wir wollen mit dieser Stiftung ja gerade, daß die Berater und Beraterinnen direkt und sofort in der schwierigen Situation konkrete Hilfe leisten können, nicht viel reden, nicht viel schwafeln, sondern in der schwierigen Situation direkt helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Nickels [GRÜNE])




Kroll-Schlüter
— Wenn ich Ihre Zwischenrufe aufnehmen darf: Ich kann nicht verstehen, wie Sie dies alles in einer Leichtfertigkeit abtun, fast mit einer Schnoddrigkeit. Ich hätte einen ganz anderen Wunsch — ich möchte das noch einmal betonen —: daß wir uns am Schluß der Beratungen in einem solchen Ziel, nämlich dieser Stiftung, einig werden. Das wäre ein großer Moment für dieses Parlament.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007108800
Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Nickels?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007108900
Gerne, bitte schön.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1007109000
Herr Kroll-Schlüter, ich möchte Sie fragen, wie Sie dazu kommen, diese Zwischenrufe als schnoddrig zu bezeichnen, und ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß diese Zwischenrufe aus einer Erbitterung resultieren, weil Sie erst den Müttern Geld wegnehmen, das Mutterschaftsgeld kürzen und dann Almosen verteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)


Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007109100
Im Gegensatz zur sozialliberalen Koalition und der damaligen Regierung haben wir das Kindergeld für die unteren und mittleren Einkommensschichten nicht gekürzt. Zweitens hat es keinen Sinn, auf Dauer mit immer neuen Schulden Kindergeld zu bezahlen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Denn die Kinder, für die es heute gezahlt wird, müssen es morgen mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen. Es hat auch keinen Sinn, die Mütter und Frauen in zwei Klassen einzuteilen: Die einen bekommen es, und die anderen bekommen es nicht. Mit diesem Punkt wollten wir eben aufhören. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen konkret helfen. Bei dieser Stiftung zum Schutz des ungeborenen Lebens geht es um ein fundamentales Anliegen. Es wäre schade, wenn diese Maßnahme einer ideologisch aufgeladenen Kritik begegnen würde. Wer also nur ideologisiert — wie ich dieser Tage gelesen habe —, keine praktikablen Gegenvorschläge macht, der darf sich doch nicht das Deckmäntelchen der sozialen Fürsorglichkeit umhängen und uns vorwerfen, wir würden eine rückständige Sozialpolitik machen. Geradezu absurd ist die Aussage, diese Stiftung zeige ein Staatsverständnis, das bevormundet statt emanzipiert.
Zu dieser Polemik können wir nur sagen: Wir sind es, die die Frauen und Mütter, die letztlich ja ganz allein entscheiden müssen, vom Druck einer sozialen Notlage befreien wollen, so gut das geht. Es gehört zur Ehrlichkeit, nicht zu verschweigen, daß es noch Defizite und Mängel im weiten Feld des Familienlastenausgleichs und der Familienförderung gibt. Aber wir werden diese Lücken in dieser Legislaturperiode füllen. Niemand außer dieser Koalition ist tatsächlich aus Überzeugung und prinzipiellen Erwägungen in der Lage, sowohl ein Erziehungsgeld als auch die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht und einen umfassenden Familienlastenausgleich Wirklichkeit werden zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Wann?)

Was wir noch erreichen wollen, können wir mit dieser Stiftung nicht allein erreichen. Es ist ein erster Schritt. Als Allheilmittel ist sie nicht geplant. Es ist einfach unredlich, diese falsche Annahme als Basis für seine Kritik gegen uns zu richten.
Die Stiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" ist als eine individuelle direkte Soforthilfe für in Not geratene Frauen und Mütter und Familien gedacht.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007109200
Herr Abgeordneter Kroll-Schlüter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007109300
Bitte schön, ja.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID1007109400
Herr Kollege Kroll-Schlüter, können Sie diesem Hause bei dieser Gelegenheit einmal verraten, in welcher Weise Sie die anerkannten Lücken in der Familienpolitik schließen wollen? Wollen Sie das durch eine weitere Stiftung machen?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007109500
Das Konzept der Familienförderung dieser Bundesregierung und dieser Koalition in dieser Legislaturperiode sieht wie folgt aus: Erstens ein erhöhtes Kindergeld in Form von Freibeträgen und Kindergeldzuschlägen für die unteren Einkommensschichten, zweitens ein monatliches Erziehungsgeld pro Kind für ein Jahr, wenn es eben geht, in Höhe von 600 DM, drittens: die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht mit der Begründung, daß die Tätigkeit in Erziehung, Haushalt, Familie ebenso würdig und verdienstvoll ist wie jede andere Arbeit auch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieses Programm zugunsten der Familie, das mehrere Milliarden DM kostet, müssen wir durch nicht unerhebliche Einschränkungen, schmerzhafte Beschlüsse und mit Blick auf Verzicht und Opfer anderer erbringen, weil Sie früher mit den Staatsgeldern so schludrig umgegangen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wissen Sie, Herr Glombig, da Sie immer das Kindergeld und die Familienförderung ansprechen: Wer den Staat so verschuldet hat wie Sie, hat die jungen Menschen von heute auf ihre Zukunft hin Tag für Tag neu enteignet.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007109600
Herr Abgeordneter, der Herr Abgeordnete Glombig wünscht eine Zwischenfrage zu stellen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, daß Sie nur noch weniger als eine Minute Redezeit haben.




Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007109700
Wenn hier die rote Lampe leuchtet, dann muß man leider immer nein sagen, wie das bei rot so oft der Fall ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte zum Schluß eine Bitte äußern. Schade, daß diese Hilfe, diese Zuwendung zum ungeborenen Leben fast ausschließlich mit den Stimmen der Union und der FDP in unionsgeführten Ländern und Gemeinden durchgesetzt werden konnte. Sie können das in Nordrhein-Westfalen und in Hessen ja machen, Sie machen es aber nicht. Die Familie in Baden-Württemberg ist bedeutend bessergestellt als die in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie steht in vielfältiger Weise wesentlich besser da. Sie reden und reden, und was machen Sie? Sie fördern bestimmte Einrichtungen, in denen Abtreibungen vorgenommen werden, und haben für die Neugründung von Familien nicht einen Posche übrig. Das ist der große Unterschied.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine ehrliche Bitte: Wie groß wäre die Ausstrahlung auf das notwendige Bewußtsein zum Schutz des Lebens, wenn dieses Hohe Haus in einer gemeinsamen Initiative diese Initiative zum Schutz des ungeborenen Lebens nach gründlicher Beratung verabschieden würde! Wir geben die Hoffnung nicht auf und bitten Sie herzlich nicht nur um Mitarbeit, sondern um Zustimmung für dieses gute Werk in der Solidarität zum Leben und zum Schutz des ungeborenen Lebens.
Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007109800
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP betreffend steuerstrafrechtliche Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Parteispenden auf der Drucksache 10/1496 bekannt. Es sind 482 Stimmen abgegeben worden einschließlich der Stimmen der in diesem Fall voll stimmberechtigten Berliner Abgeordneten, davon keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben 264 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 218 Abgeordnete gestimmt. Es hat keine Enthaltung gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 481; davon
j a: 264
nein: 217
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein
Dr. Althammer
Frau Augustin
Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin) Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm
Böhm (Melsungen) Dr. Bötsch
Bohl
Bohlsen Borchert Boroffka
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Conrad (Riegelsberg) Dr. Czaja
Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Erhard

(Bad Schwalbach) Eylmann

Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg)
Dr. Friedmann
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern
Dr. George
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Günther Dr. Hackel
Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg)

Dr. Köhler (Wolfsburg)

Dr. Kohl
Kolb
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Lamers
Dr. Lammert Landré
Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Link (Diepholz) Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid)

Dr. h. c. Lorenz Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Dr. Marx
Dr. Mertes (Gerolstein)

Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller (Remscheid)

Müller (Wadern) Müller (Wesseling)
Nelle
Frau Dr. Neumeister
Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann
Regenspurger Repnik
Dr. Riedl (München)

Rode (Wietzen) Frau Rönsch Frau Roitzsch

(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith
Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen)

Dr. Schäuble Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)




Vizepräsident Westphal
Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) ,Schulhoff
Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schulze (Berlin) Schwarz

Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer
Seehofer Seesing Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Spranger Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stockhausen
Straßmeir Strube
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Düren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum
Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Ertl
Dr. Feldmann Gallus
Gattermann Genscher
Grüner
Dr. Hirsch
Hoffie
Hoppe
Kleinert (Hannover) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick
Möllemann Neuhausen Paintner Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Seiler-Albring
Dr. Solms Dr. Weng
Wolfgramm (Göttingen) Wurbs
Nein
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Berschkeit Bindig
Frau Blunck
Brandt
Brück
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Conradi Curdt
Frau Dr. Czempiel
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke (Bonn)

Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln)

Frau Fuchs (Verl)

Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig Dr. Glotz Gobrecht Grunenberg
Dr. Haack Haase (Fürth)

Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn
Hiller (Lübeck) Hoffmann (Saarbrücken) Dr. Holtz
Horn
Huonker
Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Jung (Düsseldorf) Junghans Jungmann Kastning Kirschner Kisslinger
Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow
Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius
Liedtke
Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus Menzel
Dr. Mertens (Bottrop)

Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann (Bramsche) Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo Paterna
Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Pfuhl
Poß
Purps
Rapp (Göppingen)

Rappe (Hildesheim) Reimann
Frau Renger Reschke
Reuschenbach
Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schäfer (Offenburg) Schanz
Dr. Scheer Schlaga
Schlatter
Schluckebier Frau Schmedt (Lengerich)

Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (München)
Frau Schmidt (Nürnberg) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder (Hannover) Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk (Stade)

Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stobbe
Stockleben Dr. Struck Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Vahlberg Verheugen
Dr. Vogel Vogelsang
Voigt (Frankfurt)

Vosen
Waltemathe Walther
Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Dr. de With Wolfram

(Recklinghausen)

Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Burgmann Drabiniok
Dr. Ehmke (Ettlingen) Fischer (Frankfurt)
Frau Gottwald
Frau Dr. Hickel
Horacek
Hoss
Dr. Jannsen Kleinert (Marburg) Krizsan
Frau Nickels
Frau Potthast
Reents
Frau Reetz Schily
Schneider (Berlin)

Frau Schoppe Schwenninger
Stratmann
Verheyen (Bielefeld)

Vogt (Kaiserslautern) Frau Dr. Vollmer
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)




Vizepräsident Westphal
Damit ist der Antrag angenommen worden.
Wir fahren fort in unserer Debatte.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt (Nürnberg).

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1007109900
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Wenn ich das jetzt nicht ganz so getragen kann wie mein Vorredner, seien Sie versichert, daß es mir genauso Ernst ist.
Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Der von der sozialliberalen Koalition reformierte § 218 hatte zum Ziel, Frauen zu helfen, Leben von Frauen und Kindern zu retten. Auch Sozialdemokraten wollen keine Schwangerschaftsabbrüche, sondern wollen Abtreibungen und ungewollte Schwangerschaften verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, wie groß die psychische Belastung für jede Frau ist, die ungewollt schwanger wird. Ich wende mich gegen das Männergeschwätz — und ich bin dankbar, Herr Kroll-Schlüter, daß Sie das hier auch klargemacht haben — und gegen das Stammtischgerede, das suggeriert, Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, täten dies leichtfertig oder gewissenlos, z. B. wegen eines sonst verpaßten Skiurlaubs — hat man in letzter Zeit alles schon gehört, haben wir alle schon in Drucksachen bekommen — oder um ein Leben in materiellem Wohlstand fortführen zu können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Leider ist es so!)

— Es ist eben nicht so!

(Beifall bei der SPD)

Frauen leiden unter dieser Entscheidung, egal, wie sie sie treffen. Frauen sind in psychischer, physischer und auch materieller Not bei einer ungewollten Schwangerschaft.
Warum fällt es uns, den Sozialdemokraten, also schwer, eine Stiftung, mit der solchen Frauen angeblich geholfen werden soll, zu begrüßen?

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Was heißt „angeblich"?)

Es ist erstens, Herr Dr. Geißler, der lächerliche Betrag, den wir kritisieren. Wie wollen Sie denn mit durchschnittlich 1 000 bis 2 000 DM Frauen in Notlagen wirklich helfen? 25 bzw. 50 Milliönchen sollen die Frauen bekommen, dieselben Frauen, bei denen Sie vorher allein 350 Millionen DM beim Mutterschaftsurlaubsgeld eingesammelt haben,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

dieselben Frauen und Familien, denen Sie Milliardenbeträge durch den BAföG-Kahlschlag, durch die Sozialhilfekürzungen für Eltern mit behinderten Kindern, durch Reduzierung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, durch Kürzung des Kindergeldes für Frührentner, durch zu spät angepaßtes
Wohngeld, um nur einiges weniges hier zu nennen, abgenommen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie, Herr Dr. Geißler, sagen in der Gesetzesbegründung, bei einem Bruttosozialprodukt von 1,5 Billionen DM — eine Zahl, die sich keiner von uns vorstellen kann — dürfte keine Frau aus wirtschaftlicher Not zu einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden — wie wahr! —, und stellen dann 25 Millionen DM, nicht einmal zwei Promille dieser Summe, zur Verfügung. Für ein paar Strampelhosen, ein Kinderbett, ein paar Windeln ist weder der Schutz des ungeborenen Lebens noch Familienpolitik, ja nicht einmal Bevölkerungspolitik zu haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist eine Schande, Herr Dr. Geißler, durch die Einsparung von zwei bis drei Milliarden DM erst die Not dieser Frauen und dieser Familien zu vergrößern, um ihnen dann als Almosen 25 läppische Millionen zurückzugeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es sind doch gar nicht immer „diese"!)

Ich sage „Almosen", denn ein Rechtsanspruch — und da wird es dann gefährlich —, ein Rechtsanspruch auf diese Hilfe für diese Frauen gibt es nicht.

(Frau Schoppe [GRÜNE]: Eine Sauerei!)

Frauen in einer schwierigen, für sie ungeheuer belastenden Situation werden weiter gedemütigt als rechtlose Bittstellerinnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und unsere zweite Kritik: Die Stiftung hat zum Ziel, Frauen Hilfe zum Mutterwerden — in sehr eingeschränkter Form — zu geben. Es geht doch aber nicht vorrangig um Hilfe, um Mutter werden zu können, sondern um Hilfe, um Mutter und Vater sein zu können.

(Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN)

Frauen sehen sich doch meist nicht wegen fehlender tausend Mark zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen. Das bestätigen auch die katholischen Beratungsstellen, Herr Kroll-Schlüter. Sie sagen nämlich: Die materielle Not, der durch solche Beträge abgeholfen werden kann, ist in den Beratungsgesprächen nicht vorrangig. Soziale Indikation kann man eben nicht auf den Begriff Geldmangel verkürzen.
Wie wollen Sie denn mit tausend Mark helfen, der Frau mit der vielleicht kinderreichen Familie eine ausreichende Wohnung zu verschaffen? Mieten in München für eine Vier-Zimmer-Wohnung für eine Familie mit drei Kindern für 1200, 1300, 1 400 DM sind keine Seltenheit, ebenso wenig wie die reihenweise erscheinenden Angebote ebensolcher Vier-Zimmer-Wohnungen für deutsche Ehepaare mittleren Alters ohne Kinder. Da erreichen Sie doch mit Ihrer Stiftung nichts.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




Frau Schmidt (Nürnberg)

Da müßten Sie doch eine andere Wohnungsbaupolitik betreiben, weg von dieser reinrassigen Eigentumsideologie, die nur den Gutverdienenden und den Ehen, in denen beide Partner arbeiten können, zugute kommt, hin zu einer Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

(Zuruf von der CDU/CSU: Machen wir doch!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007110000
Frau Abgeordnete Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1007110100
Ja. Vizepräsident Westphal: Bitte schön.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID1007110200
Frau Kollegin Schmidt, würden Sie es denn begrüßen, wenn diese Stiftung in Zusammenarbeit mit einer Landesstiftung und mit einer Stiftung, die es auch in den Rathäusern gibt, sofern dort die CDU regiert, diese notwendigen Beträge aufbringen würde?

Renate Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1007110300
Herr Kroll-Schlüter, wir möchten gern, daß die Sozialpolitik wieder in den Stand versetzt wird, daß die Familien eben nicht in Not sind. Wir wollen keine Stiftungen; wir wollen Rechtsansprüche.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wie helfen Sie mit 2 000 DM, Herr Kroll-Schlüter, z. B. einer Familie, die ein erstes behindertes Kind hat, einer Frau, die Angst hat, auch ihr nächstes Kind könnte behindert sein, einer Frau, die dann nicht nur diese Angst haben muß, sondern auch ganz klar vor Augen hat, was diese Regierung mit Behinderten für eine Politik macht, die das ganz klar sieht und weiß, was es für ihr Kind bedeutet? Und was helfen da 5 000 DM, der eventuell erreichbare Höchstbetrag, einer jungen alleinstehenden Frau am Anfang ihrer Ausbildung, der Sie das BAföG gestrichen haben, die mit eigener Arbeit ihre Ausbildung finanzieren muß? Und was helfen 1 000, 2 000, 3 000 DM der 45jährigen Frau — und jetzt bitte ich vor allen Dingen die Kolleginnen von der CDU/CSU auch mal zuzuhören — mit drei Kindern, die von ihrem Mann vergewaltigt wurde und die die Kraft für ein viertes Kind nicht mehr hat? Warum helfen Sie diesen Frauen nicht? Sie hatten die Gelegenheit, indem Sie Vergewaltigung in der Ehe bestrafen und damit das Bewußtsein in dieser Gesellschaft verändern konnten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wie kann diese Stiftung Frauen helfen, für die ein weiteres Kind das endgültige Ausscheiden aus dem Beruf bedeutet, deren Mann von Arbeitslosigkeit bedroht oder arbeitslos ist? Wie können Sie für diese Frauen ihre Hilfe glaubwürdig machen, wenn Sie gleichzeitig Erziehungsgelder ankündigen, die an das Aufgeben des Arbeitsplatzes gebunden sind, die keine Arbeitsplatzgarantie und keine Wiedereinstellungsgarantie enthalten?

(Beifall bei der SPD)

Frauen lassen sich das auch nicht mehr gefallen. Wir dulden nicht mehr still, wollen für dieses stille Dulden, das wir nicht mehr haben, auch nicht mehr gelobt werden weder vom Bundeskanzler noch vom Minister. Die heutigen Mütter gehen auf die Straße. Sie protestieren, wie die Demonstrationen der DGB-Frauen und erst kürzlich am 12. Mai der alternative Muttertag gezeigt haben.

(Beifall der Abg. Frau Nickel [GRÜNE] — Zuruf von der CDU/CSU: Die Volksfront marschiert!)

— Auch die mögen hin und wieder Mütter und Betroffene sein.
So haben die katholischen und die evangelischen Familienverbände recht, die sagen: Der wirksamste Beitrag der Politik zum Schutz des werdenden Lebens und der werdenden Mütter ist eine gute Familienpolitik;

(Zustimmung bei der SPD)

und ich füge hinzu: auch eine gute Frauenpolitik.
Und so haben denn Pro Familia, Arbeiterwohlfahrt, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege ebenfalls recht mit ihrer Kritik an dieser Stiftung, die die Notlage von Frauen auf wirtschaftliche Not geringen Ausmaßes reduziert, die eine Entwicklung hin zu Sozialleistungen ohne demokratische Kontrolle, also hin zu willkürlichen Leistungen und weg von sozialstaatlichen Rechtsansprüchen ist.
Unisono fordern alle Verbände eine bessere Familienpolitik. Sie haben sie j a auch mal wieder angekündigt. Der Familienminister hat in der Debatte des Bundesrates über die Stiftung ja auch zugestanden, daß es diese Defizite gibt, und gesagt, sie seien nicht das Ergebnis der letzten 15 Monate. Das behaupten wir doch auch gar nicht. Familienpolitik ist auch zu unseren Regierungszeiten in manchen Fällen und in manchen bedauernswerten Fällen am Finanzminister gescheitert. Aber sollte es Sie, Herr Kroll-Schlüter, und den Herrn Dr. Geißler nicht wenigstens nachdenklich machen, daß es gerade in diesen 15 Monaten Ihrer Regierungszeit, Ihrer Familienpolitik, den Aufschrei der Betroffenen gegeben hat, den Entwurf eines Notprogramms für Familien? Meinen Sie nicht auch, daß das etwas mit der Politik dieser konservativen Regierung zu tun hat, die Wertewandel auf ihr Banner geschrieben hat und die die Familie durch ihre Sozialpolitik entwertet, dieser Politik der Umverteilung von unten nach oben, die vorhandene Unzulänglichkeiten, die wir gar nicht bestreiten, und vorhandene Ungerechtigkeiten, die wir auch nicht bestreiten, drastisch verschärft hat und zur Notsituation hat werden lassen?
Kommen Sie mir doch nicht immer mit dem ausgelutschten Argument der Erblast und der leeren Kassen!

(Zurufe von der CDU/CSU)

Das Geld ist doch da für die Senkung der Vermögensteuer, für Geldgeschenke an Großbauern und — heute erst beschlossen — für einen neuen Panzerabwehrhubschrauber; überall Milliardenbeträge. Die Prioritäten dieser Regierung werden deutlich.



Frau Schmidt (Nürnberg)

Familie heißen die Prioritäten nicht. Da hilft auch die Ankündigung des Familienlastenausgleichs nichts mehr. Frauen, Mütter und Familien lassen sich nicht länger von Ihnen verhohnepiepeln. Die 7,22 DM, die eine durchschnittliche Familie mehr bekäme, angereichert durch ein etwas höheres Kindergeld, verdienen doch den Namen Lastenausgleich nicht, um so weniger, als gleichzeitig Verbrauchsteuern angehoben werden sollen; wenn nicht, wird die sogenannte Entlastung niedriger ausfallen. Die Frauen und Familien in Not, die mit 25 Millionen DM abgespeist werden sollen, wissen inzwischen, wem Steuerreform und Familienlastenausgleich zugute kommen werden, denen nämlich, die garantiert nicht in Not sind.
Nun noch unsere dritte Kritik an dieser Stiftung. Wir werden den Verdacht nicht los, daß der sozialen Indikation auf kaltem Wege der Garaus gemacht werden soll nach dem Motto: Wer trotz des Hilfsangebots der Stiftung eine Schwangerschaft abbrechen will, bei dem liegt eine soziale Indikation nicht vor. Schwangerschaft und Kindererziehung zu Sozialhilfebedingungen — mehr ist mit der Stiftung nicht möglich — werden als Regelfall der Zumutbarkeit für das Austragen unerwünschter Schwangerschaften festgelegt, wie Pro Familia in einem Gutachten richtig feststellt. So werden die Zusammenhänge klar. Unser nächster Tagesordnungspunkt heute, der Antrag von CDU/CSU-Abgeordneten, bei sozialer Indikation keine Bezahlung des Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkasse, zeigt, wohin die Reise gehen soll.
Es wird auch klar, daß hier Bevölkerungspolitik betrieben werden soll. Das wird auch vor dem Hintergrund der übrigen Empfehlungen der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Schutz des ungeborenen Lebens klar, die offensichtlich geheime Verschlußsache sind. Das sind Empfehlungen zur Erleichterung des Adoptionsrechtes, zur Kampagne zur Weggabe unerwünschter Kinder — man muß sich das einmal vorstellen! — offensichtlich von Männern erdacht, auf Produktion von Kindern gerichtet, Empfehlungen, die jede Sensibilität, jedes Einfühlungsvermögen in die Situation von Frauen vermissen lassen

(Beifall bei der SPD)

und den Müttern in Not nicht helfen, sondern ihre Nöte vergrößern werden.
Die beste Verhinderung von Schwangerschaftsabbrüchen ist, daß ungewollte Schwangerschaften gar nicht entstehen. Das heißt, man muß junge Frauen und vor allem auch junge Männer zu verantwortlichem Sexualverhalten erziehen, über Empfängnisverhütung aufklären,

(Beifall bei der SPD)

und man darf dies dann nicht an Geldmangel scheitern lassen.

(Beifall bei der SPD)

Auch hierzu steht die Politik des Familienministers und der Union in einem diametralen Gegensatz.

(Werner [CDU/CSU]: Wieso?)

— Ich sage Ihnen das gleich, Herr Werner. — Aufklärungsmaterialien von Fachleuten, als die bisher besten bezeichnet, wurden eingestampft. Die unter bestimmter Voraussetzung kostenlose Ausgabe von Verhütungsmitteln wurde als nicht vereinbar mit den Grundsätzen der Union bezeichnet.
Ein weiteres Indiz: Schwangere in vergleichbar schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, die keinen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, werden keine Hilfen aus den Mitteln der Stiftung erhalten.
Alles in allem: die Stiftung eben doch als Mittel der Bevölkerungspolitik und nicht als Hilfe für Mütter und Not.
Wir können Sie nur auffordern: Schützen Sie das geborene Leben, indem Sie als ersten Schritt unseren Antrag vom Dezember letzten Jahres zum Wiedereinbeziehen von arbeitslosen Jugendlichen in die Krankenversicherung und den Kindergeldbezug in die Tat umsetzen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das haben Sie doch abgeschafft!)

— Ich weiß es doch. Wir geben auch zu, daß wir hier einen Fehler gemacht haben, einen Fehler, den wir zu korrigieren bereit waren, wo Sie nicht mitgemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Schützen Sie das geborene Leben, indem Sie den Sozialabbau für Familien rückgängig machen, indem Sie den Lastenausgleich auf die Familien mit kleinen und mittleren Einkommen konzentrieren, indem Sie Arbeitslosigkeit endlich wirksam bekämpfen, indem Sie die Chancen für arbeitslose Jugendliche vergrößern und die Ängste der Mütter und Väter um die Zukunft ihrer Kinder verkleinern, indem Sie billige Wohnungen für kinderreiche Familien bauen. Wer das geborene Leben, wer die Familien in dieser Weise schützt, muß sich um den Schutz des Ungeborenen keine so großen Sorgen mehr machen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007110400
Das Wort hat der Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID1007110500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung eines Gesetzentwurfes zu einer Stiftung „Mutter und Kind" hat viele Emotionen ausgelöst. Unterschiedliche Hoffnungen und Befürchtungen begleiten das Gesetz. Unterschiedliche Strategien und Unterstellungen werden angenommen. Das alles zeigt die Angst, daß an § 218 gewackelt wird, daß er verschärft wird. Bestrebungen dazu gibt es ja, wie der folgende Tagesordnungspunkt zeigt. Diese Befürchtungen gelten aber nicht für die Liberalen, gelten nicht für diese Koalition. Wir machen da nicht mit, weder direkt noch auf Umwegen.

(Beifall des Abg. Duve [SPD])

Aber das ist mit diesem Gesetzentwurf auch nicht vorgesehen. Bereits bei der Diskussion um die Ver-



Eimer (Fürth)

abschiedung der Reform um den § 218 gab es einen Punkt, bei dem eine große Gemeinsamkeit, ja Einmütigkeit herrschte. Er war ein Schwerpunkt dieser Debatten. Es waren die flankierenden Maßnahmen, um in Notlagen helfen zu können, sie zu beseitigen, ja sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Diese Stiftung soll eine dieser flankierenden Maßnahmen werden.
Aber aus unterschiedlichen politischen Richtungen kommen unterschiedliche Verdachte oder Unterstellungen auf, unterstellen nämlich die einen, man wolle mit einer Gebärprämie freie Entscheidungen einengen, die anderen, man wolle die Stiftung nur verhindern, um die soziale Indikation als Ausrede zu erhalten. Ich halte beide Bestrebungen und Meinungen um der Sache willen für gefährlich. Zum einen wird soziale Not durch mehr als nur durch finanziellen Mangel hervorgerufen. Beseitigung von finanzieller Not kann die soziale Indikation nicht abschaffen. Zum zweiten entziehen sich die Gründe für eine Abtreibung menschlicher Beurteilungen. Wer hier helfen will, darf nicht nach Gesinnung, nach Motiven fragen, sondern nur: Wie kann ich Not und Leid lindern?

(Beifall bei der FDP)

Diese Stiftung will einen Beitrag dazu leisten.
Frau Schmidt, die Familienpolitik, die Sozialpolitik aller vergangenen Regierungen und aller vergangenen Jahre hat diese Not nicht beseitigen können. Wir werden wahrscheinlich auch nie die Not beseitigen können, auf die sich viele Frauen berufen müssen.
Zerreden wir das Gesetz nicht, weder von der einen noch von der anderen Seite! Ich möchte nochmals an die große Einmütigkeit erinnern, daß soziale flankierende Maßnahmen unerläßlich sind. Es soll ja wohl kein Lippenbekenntnis bleiben.
Wir hätten keine dieser Befürchtungen, wenn nach unseren Vorstellungen eine Fristenlösung möglich gewesen wäre. Die Diskussion um das Für und das Gegen die Stiftung war bei dieser Rechtslage wohl zu erwarten.
Aber lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt anfügen: Ich bin nicht sehr glücklich über den Persilschein, den die Indikationslösung für diejenigen ausstellt, die die Kriterien der Indikation erfüllen oder vorgeben, sie zu erfüllen. In Gewissensfragen sind Bestätigungen fehl am Platze. Die Fristenlösung war nach liberaler Sicht aber auch das Eingeständnis — das sollten wir auch hier wieder tun —, daß es Bereiche gibt, die sich der Beurteilung menschlicher Richter entziehen, das Eingeständnis, daß es auch ein Ende für menschliches Recht gibt. Wir wollten hier passen, weil wir die Verantwortung für Gewissen den einzelnen Frauen nicht abnehmen können. Viel mehr als die Freiheit sahen wir in der Fristenlösung die Verantwortung, die immer untrennbar mit Freiheit verbunden ist. Die Formel „Mein Bauch gehört mir" ist deshalb ' aus liberaler Sicht nicht zu verantworten, weil sie Verantwortung negiert.
Ich habe viel Sympathie für Leute, die dafür werben, nicht abzutreiben, weil auch ungeborenes Leben zu schützen ist. Aber wenn ich dann auf Flugblättern lese „Was ist das für ein Staat, der das Töten von ungeborenem Leben zuläßt?", dann sinkt diese Sympathie, weil die Sensibilität für die Not der betroffenen Frauen fehlt, weil man eben nicht erkennen will, daß es Gerechtigkeit gibt, die sich unserem Richterspruch entzieht.
Fragen müßten wir eigentlich anders: Was ist das für eine Gesellschaft, die Frauen in Angst bringt, ein Kind zu gebären, Angst vor materieller Not, Angst vor dem Gerede der Nachbarn, vor dem Alleinsein mit einem unehelichen Kind? Was ist das für eine Gesellschaft, die Frauen die Freude am Gebären eines Kindes vergällt? Das sind die Fragen, die wir wohl besser stellen sollten. Deswegen haben wir die Verpflichtung, die Not dieser Frauen durch die schon erwähnten flankierenden Maßnahmen zu beseitigen. Die vorgesehene Stiftung ist sicher nur ein kleiner Beitrag dazu, aber eben auch einer von vielen, nämlich zur Linderung materieller Not. Aber materielle Not ist nur ein Bruchteil der Nöte, denen eine Frau ausgesetzt ist, und viele andere Ursachen sind wesentlicher. Auch hier sind noch Maßnahmen erforderlich, weil sie durch diese Stiftung allein nicht gelöst werden.
Welche Hoffnungen oder Befürchtungen diese Stiftung erfüllen wird, wird wesentlich von den Vergabekriterien abhängen. Wir wollen da mitreden. Die Stiftung soll nach unseren Vorstellungen eine Entscheidungshilfe für Frauen sein und Not mildern. Die Stiftung ist kein Rückzug von alten liberalen Positionen und wird es nie werden. Wir stimmen der Überweisung zu und wollen dieses Gesetz zügig beraten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007110600
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schoppe.

Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007110700
Herr Präsident! Liebe Frauen! Meine Herren! „Die Stiftung ,Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens' stellt ein besonders geeignetes Instrument dar, werdenden Müttern trotz vorhandener Konfliktsituationen durch finanzielle Hilfe die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern." So steht es in der Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Wie wir von Experten, Herr Kroll-Schlüter — wo ist er? —, erfuhren, auch von denen aus katholischen Beratungsstellen, spielen materielle Gründe bei der Entscheidung über Schwangerschaftsabbrüche allerdings nur eine untergeordnete Rolle. In den wenigen Fällen, in denen finanzielle Hilfe wegen Verschuldung, andauernder Arbeitslosigkeit oder Abhängigkeit von der Sozialhilfe nötig wäre, kann die beschränkte Unterstützung aus der Stiftung, die dabei noch einmalig ist, nicht helfen.
Die opulenten 25 Millionen DM Stiftungsgelder für 1984 werden wahrscheinlich Zuschüsse, wie wir schon gehört haben, von 2 000 bis höchstens 5 000 DM für die einzelnen Frauen bringen. Diese läppischen Beträge sind keine Hilfe, sie sind nur ein Gebärprämiensystem für schwangere Frauen. Wir



Frau Schoppe
sollten nicht vergessen: Die Bundesrepublik ist eines der reichsten Länder der Welt. Sie nimmt mit ihrem pro Kopf erwirtschafteten Bruttosozialprodukt den fünften Platz auf der Weltrangliste ein.
1976 erhob Heiner Geißler den Vorwurf, die bisherige Sozialpolitik habe nur die Mängellage beseitigt, die sich aus dem Arbeitsleben ergeben hätte, während andere, durchaus gravierende soziale Krisen weiter bestünden, vor allem auch deshalb, weil bestimmte soziale Interessen nicht organisiert vertreten würden und im allgemeinen Gerangel untergingen. Seine Analyse mündete in der Behauptung, es gebe eine „neue Armut". Der von ihm damals bezifferte Personenkreis belief sich auf 6 Millionen Menschen. Die Bedingungen dieser Armut charakterisierte er mit „weibliches Geschlecht, Alter und Kinderreichtum", womit er ohne Zweifel recht hat. Es bleibt allerdings die Frage, wieso damals z. B. die niedrigen Renten von Frauen eine neue Armut sein sollten. Die Altersarmut bei Frauen, die ansteigende Tendenz zeigt, gehört schon seit jeher zum Industriesystem.
Den Nagel auf den Kopf traf er allerdings damit, daß trotz sozialpolitischer Bemühungen die Anzahl von Sozialhilfeempfängern und Obdachlosen weiter gestiegen war. Heute arbeiten Herr Kohl und seine Kumpane

(Zurufe von der CDU/CSU: Herr Präsident! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

erfolgreich daran, die Zahl der Sozialhilfeempfänger und Obdachlosen weiter zu vergrößern,

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

und Sie behaupten gleichzeitig hier, in der größten Schwindelbude der Nation — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007110800
Frau Abgeordnete, ich muß Sie unterbrechen.

(Frau Schoppe [Grüne]: Bitte?)

Ich kann das Wort „Kumpane" nicht zulassen; dies ist eine Abweichung von unserem parlamentarischen Verfahren. Ich rufe Sie zur Ordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007110900
Nun ist es aber schon raus.

(Lachen)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007111000
Frau Abgeordnete, man kann sich auch entschuldigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007111100
Entschuldigung für die Kumpane.
Und Sie behaupten gleichzeitig hier in der größten Schwindelbude der Nation,

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Schluß!)

mit dem Stiftungsgesetz ein besonders geeignetes Instrument der finanziellen Hilfe vorzulegen.
Wirksame finanzielle Hilfe könnte es vielleicht sein — —

(Anhaltende Unruhe bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! — Abtreten! — Schluß! — Unerhört! — Raus hier! — Was denken Sie denn! — Nazitöne! — Schwindeln Sie draußen weiter! — Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das hat bisher nur Goebbels gesagt!)

Wirksame finanzielle Hilfe könnte es vielleicht sein, wenn die illegalen Parteispenden, von denen der Bundeskanzler — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007111200
Frau Abgeordnete Schoppe, ich muß Sie noch einmal unterbrechen. Ich kann Ihnen nur raten, Ihr Manuskript langsamer vorzutragen, um nicht noch einmal so etwas zu sagen. Wir haben hier einen Ausdruck vernommen und haben kontrolliert, ob er stimmt. „Schwindelbude" kann hier nicht akzeptiert werden. Ich muß das sagen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Es kommt hinzu, Frau Schoppe: dies ist der zweite Ordnungsruf in einer Debatte. Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß bei einem dritten Ordnungsruf in derselben Debatte eine andere, weitergehende Maßnahme nach der Geschäftsordnung erfolgen wird.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Interessiert die doch gar nicht! — SS-Methoden!)


Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007111300
Wirksame finanzielle Hilfe könnte es vielleicht sein, wenn die illegalen Parteispenden, von denen der Herr Bundeskanzler im Zusammenhang mit der Diskussion um das geplatzte Amnestiegesetz behauptete, sie seien allen Altparteien — oder, wie sie sich immer gern selbst nennen, staatstragenden Parteien — zugute gekommen, in die Stiftung „Mutter und Kind" fließen würden. Aber das können Sie natürlich nicht zulassen. Sie brauchen das Geld, denn Ihre Politik muß auf Hochglanzbroschüren gedruckt werden, und es muß schon ein Kugelschreiber dazugegeben werden, wenn man sie überhaupt verkaufen will.
Wirksame Leistungen zur Linderung der Not können nicht in einer einmaligen Zahlung bestehen, auf die zudem kein Rechtsanspruch besteht und bei der der Gleichheitsgrundsatz nicht gewahrt ist.

(Abg. Schily [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich habe sehr wenig Zeit.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Kinder werden 18 bis 20 Jahre lang finanziell von den Eltern versorgt. Nach Berechnungen der deutschen Familienverbände kostet ein Kind in den ersten Jahren pro Monat 270 DM, und dieser Betrag steigert sich bis zum 18. Lebensjahr mindestens auf das Dreifache, also auf über 800 DM.



Frau Schoppe
1982 betrug die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen unter 25 Jahren — für die die Eltern sorgen müssen — 397 717. Heute beträgt diese Zahl 609 184. Wenn wir diese Zahlen hören und wissen, wie lange Eltern für Kinder sorgen müssen, ist es doch ein Hohn, den Frauen weismachen zu wollen, daß eine einmalige Almosengabe die finanziellen Krisen von Schwangerschaften und die Probleme, die durch die Kosten der Kinder entstehen, auch nur ansatzweise lösen könnte.
Sie argumentieren damit, diese Stiftung sei kein Instrument im Rahmen von Familienpolitik, sondern nur eine flankierende Maßnahme dazu. Ich halte diese Stiftung für den Versuch eines — — O Gott, jetzt kommt wieder so etwas. Ich lasse den Satz weg.
Ein Schuß Doppelmoral, meine Herren, ein Schuß Angstmacherei und ein finanzieller Happen, damit wollen Sie die Frauen dazu bringen, mehr Kinder zu gebären. Sie glauben doch wohl nicht ernsthaft, daß Sie damit die Produktion von Kindern ankurbeln könnten! Frauen lassen sich nicht ködern,

(Zurufe von der CDU/CSU)

wie die Erfahrungen mit den Landesstiftungen bereits beweisen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es wird immer widerlicher!)

Die Mütterfalle, Herr Geißler, wird nicht zuschnappen.
Familienpolitik braucht keine unterstützende Maßnahme. Es müssen die finanziellen und sozialen Bedürfnisse der Familien zur Kenntnis genommen werden; aber Sie sorgen sich hier ja mehr um die Unbescholtenheit von Steuerhinterziehern.

(Sauer [Stuttgart] [CDU/CSU]: Ein blödes Geschwätz!)

Die Sorge für die Kinder ist, meine Herrschaften, eine gesellschaftliche Aufgabe. Auf die Leistungen aus der Stiftung besteht — so heißt es in der Begründung dieses Gesetzentwurfs — kein Rechtsanspruch. Das ist die Abkehr von der staatlichen Zuständigkeit für rahmensetzende Sozialpolitik, das ist der Weg in frühkapitalistische Almosenpolitik. Die Armut ist zum größten Wachstumsfeld in unserer Gesellschaft geworden. Wo Millionen lockergemacht werden, wenn NATO-Strukturmaßnahmen gefordert werden, stiehlt sich der Staat aus der Verantwortung für soziale Ausgaben.
Aber, meine Damen und Herren, dieses Gesetz soll nicht nur die Frauen zu mehr Gebärfreudigkeit — nach dem Motto „Leistung soll sich wieder lohnen" — überreden,

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Eine Frechheit!)

es soll auch das ungeborene Leben schützen. Sie propagieren den Schutz des ungeborenen Lebens und plädieren gleichzeitig für die politische Durchsetzbarkeit von Massenvernichtungssystemen und organisierter Friedlosigkeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Quatsch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ihre Moral ist brüchig, und Ihr Respekt vor dem Schutz des Lebens äußerst wählerisch. Sie verdammen die Abtreibung, weil Sie die Gebärfähigkeit der Frauen als ein Stück unberührter Natur der Frau erhalten wollen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!)

und verrichten gleichzeitig gnadenlose Zerstörung an der Natur aus ökonomischen und politischen Zwecken.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was soll denn so was?)

Die Ergebnisse und vorgeschlagenen Maßnahmen der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Schutz des ungeborenen Lebens zielen auf eine Erschwernis des Schwangerschaftsabbruchs. Sie wollen sich den Zugriff auf das Leben von Frauen weiter sichern, denn die Verstümmelung der Frau vom Kopf bis zum Uterus sichert Ihnen die Herrschaft über Frauen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Eine einzige Peinlichkeit! — Geschmacklos! — Peinlichkeiten kennen Sie überhaupt nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Die Abtreibung ist und bleibt auch für die Befürworterin ein prinzipieller Konflikt, in dessen Folge Beunruhigung und Zwiespältigkeit auftreten können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr peinlich!)

Das ist der Hebel, wo Sie Ihre bigotten und Zweifel fördernden Praktiken ansetzen. Das Schuldbewußtsein vor Abtreibungen verhindert das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, und es nimmt den Kindern das Recht, erwünscht zur Welt zu kommen.
Die Maßregelung der Frauen durch Paragraphen und Doppelmoral zeugt von wenig Zuversicht für die Frauen. Es wird ihnen nicht zugetraut, autonom eine Lebens- und lebenbejahende Entscheidung zu treffen. Das Gespenst der kindermordenden Frau geistert durch den Raum, ein Hirngespinst von Männern, die ihresgleichen kennen und sich nichts anderes vorstellen können.
Ein anderer Gedanke ist mir noch wichtig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt reicht es doch!)

Mit der Annahme der Schwangerschaft wird gelebte Sexualität der Frauen überdeckt mit Mütterlichkeit. Das ist Entsexualisierung von Frauen. Es kann nicht angehen, den Frauen einreden zu wollen, eine Liebestollerei mit Mutterschaft bezahlen zu müssen. Wenn abtreibende Frauen stigmatisiert werden, wird ihnen die allgemeine Verantwortung für die Folgen des landesüblichen Geschlechtsverkehrs übertragen.

(Frau Roitzsch [CDU/CSU]: Aber Frau Schoppe, jetzt hören Sie doch mal!)

Sie, meine Herren, haben den Gleichheitsgrundsatz,
der im Grundgesetz verankert ist, in Ihren Köpfen



Frau Schoppe
abgetrieben. Das ist menschenverachtend, weil es frauenverachtend ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sie reden menschenverachtend! — Frau Schoppes Greuelmärchen!)

Ihr kleiner Beitrag, meine Herren, auf den Sie so stolz sind,

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

denn im Bett sind Sie ja alle Helden, wie wir aus Ihren Gesprächen entnehmen können, macht Sie zu Verursachern.

(Werner [CDU/CSU]: So etwas Peinliches hört man hier nicht alle Tage! — Frau Roitzsch [CDU/CSU]: Frau Schoppe, das ist pervers, was Sie sagen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Nach dem Verursacherprinzip müßten Sie gleich viele Jahre für die Kinder sorgen, wie die Frauen es leisten müssen, und das tun nur wenige rühmliche Ausnahmen.
Das Indikationsmodell ist ein fauler Kompromiß. Wir Frauen sind mündige Menschen, die den § 218 nicht brauchen, weil wir sorgsam und verantwortungsvoll entscheiden können.

(Werner [CDU/CSU]: So, wie Sie sprechen, nimmt Ihnen das niemand ab!)

Mit der Almosenvergabe aus der Stiftung werden Sie die Frauen nicht von den getroffenen Entscheidungen abbringen können. Das belegen die Ergebnisse. Aber der Versuch der Einwirkung deutet auf Männerphantasien, die Frauen für beeinflußbar halten, weil sie lebenslang kindisch, bevormundbar und unentschieden sind, eine Person, die formbar ist und sich männlichen Ansprüchen unterwirft. Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen. Das läuft nicht mehr, meine Herren. Ich bin sicher, auch Sie müssen sich zu Hause vom Gegenteil überzeugen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Möglichkeit der Abtreibung wird durch alle Bevölkerungsschichten und Konfessionen genutzt. Warum verteufeln Sie die Abtreibung, wo doch Ihre Frauen, Freundinnen und Töchter schon davon Gebrauch gemacht haben oder die Möglichkeit dazu für sich akzeptiert haben?

(Zurufe von der CDU/CSU: Unverschämtheit! — Unerhört! — Was glauben Sie denn! — Anhaltende lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Für diese Frauen ist es eine Notlösung gewesen. Wir fordern Sie auf, die 25 Millionen DM für die Stiftung zur Verfügung zu stellen,

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Eine unerhörte Beleidigung!)

um Verhütungsmethoden zu erforschen, die unschädlich sind, und raten Ihnen dringlich, am eigenen Körper zu verhüten oder sich risikoloseren Liebesspielen hinzugeben.

(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

Wir fordern eine antipatriarchalische Sexualaufklärung für junge und erwachsene Männer und Frauen.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! Aufhören!)

Wir fordern Sie auf, das Mutterschaftsgeld wieder zu erhöhen. Wir fordern ein bedarfsdeckendes Kindergeld. Wir fordern Elternfreistellung

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Aufhören!)

mit Lohnausgleich und Arbeitsplatzgarantien. Wir fordern eine Verbesserung von kollektiven Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen. Wir fordern die Einrichtung von Elternschulen.
Wir fordern Sie auf, dieses Almosengesetz zurückzuziehen, Ihre sozialpolitischen Kürzungsorgien aufzugeben und endlich einzusteigen in eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient hat.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU: Pfui!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007111400
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, muß ich den Abgeordneten Sauer (Stuttgart) für den Zwischenruf „Blödes Geschwätz" zur Ordnung rufen. Auch das gehört nicht hierher.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Zweitens möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß ich mir das Stenographische Protokoll sehr genau ansehen werde. Wir haben von Kollegen Mitteilungen über Zwischenrufe bekommen, die unmöglich sind. Wenn sie im Protokoll auftauchen, werden die entsprechenden Abgeordneten gerügt.
Dazu gehört eventuell auch, lieber Herr Kollege Pfeffermann, das, was Sie gerufen haben, was ich von hier aber nicht richtig verstehen konnte. Ich werde das genauso wie andere Zwischenrufe prüfen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt nicht die Möglichkeit, den Präsidenten zu kritisieren. Das ist eine generelle Vereinbarung.
Wir kommen zum nächsten Redner. Das Wort hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

(Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Jetzt kommt die integrierte Moral, der ideelle Gesamtmoralist! — Pfeffermann [CDU/ CSU]: Ich nehme es nicht hin, daß dieser Präsident es zuläßt, daß meine Frau als jemand bezeichnet wird, die eine Abtreibung begangen hat! Das lasse ich mir nicht gefallen! — Beifall bei der CDU/CSU)

— Herr Bundesminister, einen Moment bitte.



Vizepräsident Westphal
Herr Pfeffermann, es gibt keine Möglichkeit, die Art der Geschäftsführung zu kritisieren.

(Bravo-Rufe und Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Aber wir können beschimpft werden!)


Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID1007111500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ausführungen der Frau Kollegin Schoppe gerade gehört. Sicher steht es weder einem Mitglied der Bundesregierung noch einem Abgeordneten zu, den amtierenden Präsidenten zu kritisieren.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Dann lassen Sie es auch sein!)

Ganz sicher hat der Herr Präsident hier recht. Ich will es auch nicht tun.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Dann lassen Sie es!)

Aber ich will auf der anderen Seite meine Meinung sagen. Ich muß es nicht widerspruchslos hinnehmen, daß eine Kollegin in diesem Parlament die Behauptung aufstellt,

(Duve [SPD]: Fühlen Sie sich angegriffen?)

— Entschuldigung —, Abgeordnete dieses Parlaments träten

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Abgeordneten!)

— oder die Abgeordneten, bezogen auf meine Fraktion —

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Das ist der kleine Unterschied, Herr Geißler! Sehr wichtig!)

für eine Verschärfung des § 218 ein, während ihre Töchter und ihre Frauen schon abgetrieben hätten bzw. das gewollt hätten.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wollen Sie beschwören, daß das nicht zutrifft? — Weitere Zurufe von den GRÜNEN — Duve [SPD]: Wer fühlt sich denn hier angesprochen?)

Ich halte das für eine Äußerung, die absolut unqualifizierbar ist und gegen die Würde jedes einzelnen Abgeordneten gerichtet ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Äußerung ist darüber hinaus auch eine Beleidigung für die Millionen von Frauen,

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Das ist keine Beleidigung! Seien Sie vorsichtig, Herr Geißler!)

die nie in ihrem Leben an eine Abtreibung gedacht, sondern ja zu einem Kind gesagt und dieses Kind dann auch auf die Welt gebracht haben. Diese Frauen gibt es nämlich auch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie ich mich überhaupt wundern muß, mit welcher Einfachheit Millionen von Frauen sozusagen vereinnahmt werden. Da werden ganze Bataillone,
Regimenter, Armeen von Frauen aufgeführt und für eine bestimmte politische Richtung in Anspruch genommen,

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Von wem?)

zum großen Teil sogar der Wahrheit zuwider. Die Gruppierungen jedenfalls, die am letzten Sonntag, am Muttertag, oder am Vortag des Muttertages in Bonn aufmarschiert sind — ein paar tausend an der Zahl —, sind mit Sicherheit nicht repräsentativ für die Frauen in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von den GRÜNEN)

Auch was diese Stiftung anlangt: Wir können die Sache sehr kurz machen. Der Deutsche Frauenrat hat ein klares Ja zu dieser Stiftung gesagt,

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Sind Sie der Vorsitzende?)

ebenso der Sozialdienst Katholischer Frauen, das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Die Stiftung wird akzeptiert von den Beratungsstellen aller Wohlfahrtsverbände in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen, in Hessen allerdings, das muß ich zugeben, bis jetzt nur von der Evangelischen Diakonie und der Caritas, dagegen nicht von Pro Familia und nicht von der Arbeiterwohlfahrt. Von Pro Familia wird diese Stiftung nicht akzeptiert.
Ich habe Leserbriefe in meinen Heimatzeitungen, der „Rheinpfalz" oder der „Allgemeinen Zeitung", wegen empörender Äußerungen der Bundeszentrale von Pro Familia, in denen Mütter, in denen Frauen dieser Einrichtung den Vorwurf machen, her spreche offenbar nicht eine Einrichtung pro familia, sondern contra familiam.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Pfui! Das ist ein tolles Niveau! — Duve [SPD]: Das hat ein Bundesminister nötig, mit Leserbriefen aus seiner Heimatzeitung zu operieren!)

Wir werden den Frauen in der Bundesrepublik Deutschland sehr deutlich sagen und klar machen, wer nun eigentlich dafür und dagegen ist, daß wir in einem ersten Schritt etwas Notwendiges tun; etwas zu tun, was im übrigen in dem von der letzten Bundesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten als notwendig angesehen worden ist. Da ist doch eben die absurde und merkwürdige Behauptung aufgestellt worden, Abtreibung, Schwangerschaftsabbrüche in der Bundesrepublik Deutschland hätten zum geringsten etwas zu tun mit sozialen Notlagen. Ich möchte einmal gerne wissen, woher diejenigen, die heute abend diese Behauptung aufgestellt haben, ihre Weisheit haben. Das Gutachten, das im Auftrag der letzten Bundesregierung erstellt worden ist, führt folgendes aus: „Als durch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation bedingte Belastungen sind auf Grund verschiedener Untersuchungen und Erfahrungen der Beratungsstellen" genannt worden — der Beratungsstellen, nicht irgendwelcher Untersuchungen und Ideologien hochpolitisierter Randzirkel, sondern auf Grund der „Erfahrungen



Bundesminister Dr. Geißler
der Beratungsstellen", auch nicht, ich wiederhole den Ausdruck, auf Grund irgendwelcher Emanationen verklemmter Feministinnen", sondern „auf Grund der Erfahrungen der Beratungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland" — —

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Vorsicht! Werde nicht unverschämt! Ein bißchen mehr Verklemmtheit würde Ihnen gut zu Gesicht stehen, Herr Geißler!)

— Wenn Sie sich als eine solche begreifen, dann ist das Ihr Bier. Das ist Ihre Sache.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Gottwald [GRÜNE]: Sie sind ekelhaft!)

— Ich habe Sie doch gar nicht angesprochen. Wenn Sie sich angesprochen fühlen, ist das Ihre Sache.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Pfui Teufel, das ist echt Geißler-Niveau! — Weitere lebhafte Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, stekken Sie ruhig einmal etwas ein.

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Sie sind ein ausgemachter Frauenfeind, Herr Geißler! Chauvinist!)

— Ich darf Sie ganz kurz um Ruhe bitten. Ich weiß ja schon, warum Sie sich aufregen. Also: Die GRÜNEN haben eine Presseerklärung abgegeben. Die will ich dem Parlament gern einmal bekanntgeben, falls noch niemand von Ihnen diese Erklärung gelesen hat. Die GRÜNEN sehen in dem Gesetzentwurf der „alten Männer" einen Angriff auf die Familienberatungsstellen. Ich möchte zunächst einmal die Frage stellen: Was haben Sie eigentlich gegen alte Männer?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Gottwald [GRÜNE]: Gar nichts!)

Wenn Sie z. B. in Ihre Fraktion hineinsehen: mit großen Rauschebärten.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

— Ich will einmal etwas ganz deutlich sagen: Die Christlich-Demokratische Union und die Koalitionsfraktionen haben weder etwas gegen alte Männer, wir haben auch nichts gegen alte Frauen; wir haben auch nichts gegen junge Frauen,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

— Verehrte Frau Nickels, Frau Hickel, Frau Vollmer, Frau Schoppe: Alt werden wir alle miteinander. Sie schauen zum Teil ganz passabel aus, das ist richtig.

(Frau Gottwald [GRÜNE]: Sie sind ein Chauvinist! Frauenfeind! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Aber was alte Leute anbelangt: Der Zahn der Zeit nagt auch bei Ihnen ganz schön.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007111600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Blunck.

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID1007111700
Nein, ich muß jetzt fortfahren. — Seien wir doch miteinander nicht ganz unglücklich, daß wir dieses Kapitel von Jung und Alt nun etwas abgehandelt haben.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sich mit Haarausfall über Frauen lustig machen!)

Jetzt will ich noch etwas zu dem sagen

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

— hören Sie ruhig zu —, was Sie hier in Ihrer Presseerklärung

(Duve [SPD]: Büttenredner!)

und auch schon bei der letzten Bundestagsdebatte zur Frauenpolitik zum Ausdruck gebracht haben, wo Sie auch den Begriff des Alters eingebracht haben. Ich wünsche mir, daß möglichst viele der zwölf Millionen alten Frauen und Männer in der Bundesrepublik Deutschland Ihren Hochmut einmal zur Kenntnis nähmen,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Und Ihren!)

den Sie hier ständig gegenüber Männern und Frauen an den Tag legen, die nach einem schweren, verlorenen Krieg dieses Land aufgebaut haben und auf deren Schultern auch Sie stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Guckt euch doch mal die Alte-Männer-Riege an, die jetzt nicht da ist!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007111800
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Würtz?

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID1007111900
Herr Präsident, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. — Sie wissen ganz genau, daß ich sonst auf Zwischenfragen eingehe.

(Vogelsang [SPD]: Das tun Sie sehr selten!)

Aber ich weiß, was damit gemeint ist.
So, meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt ist das Heu runter, und ich komme zur Sache.

(Unruhe)

Damit wir gleich von vornherein Klarheit schaffen, auch für die künftige Debatte:

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Prost! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Genehmigen Sie sich mal noch einen — Witz!)




Bundesminister Dr. Geißler
Die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagene Stiftung „Mutter und Kind" ist natürlich — weil immer wieder gesagt worden ist, mit den 50 Millionen DM könne man nichts ausrichten —, wie von dieser Stelle schon mehrfach gesagt worden ist, ein Baustein eines Programms, das die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode verwirklichen wird.

(Duve [SPD]: Das Programm kennen wir schon! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ziel dieser Politik ist es

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Baustein einer Ruine!)

— ja, wir müssen doch einmal anfangen und einen Schritt nach dem anderen tun —, die durch den Staat möglichen rechtlichen und sozialen Voraussetzungen dafür zu schaffen,

(Frau Blunck [SPD]: Sie haben Mutterschaftsgeld, BAföG gestrichen, und jetzt geben Sie uns einen nackten Ziegelstein!)

daß in der Bundesrepublik Deutschland keine Frau deswegen, weil sie ein Kind bekommt, in eine soziale Konfliktsituation gerät.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Nehmen Sie mal das Grinsen aus Ihrem Gesicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie daran mitzuarbeiten. Warum sind Sie denn dagegen, daß jetzt auch in dieser Form für eine begrenzte Aufgabe eine entscheidende Hilfe gewährleistet werden kann?

(Frau Blunck [SPD]: Sie werden nie in die Situation kommen! Deswegen können Sie es auch nicht beurteilen!)

— Verehrte gnädige Frau, es hat doch gar keinen Sinn, daß Sie mir dauernd dazwischenschreien. Jetzt lassen Sie mich doch mal einen Satz ungestört zu Ende reden.

(Frau Blunck [SPD]: Sie lassen doch keine Zwischenfragen zu! Lassen Sie doch Zwischenfragen zu! — Frau Gottwald [GRÜNE]: Sie sind echt überfällig, Herr Geißler!)

Denn wenn Sie Ihr eigenes Gutachten ernst nehmen, dann ist doch ganz eindeutig, daß gerade von den Beratungsstellen her soziale Notlagen als Ursachen für Konfliktsituationen angegeben werden, aus denen heraus sich für viele Frauen der Gedanke entwickelt, einer Schwangerschaftsunterbrechung näherzutreten. Deswegen ist es doch ein richtiger Gedanke, mit dieser Stiftung die Probleme, die Sie nicht durch die Gewährleistung von Rechtsansprüchen bewältigen, lösen zu können.

(Frau Blunck [SPD]: Sie sind noch nie Bittsteller gewesen! — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Meinen Sie, daß Sie das mit 2 000 DM hinkriegen?)

Ich bin nun wirklich alter Sozialpolitiker. Mir tut es
leid, daß der Herr Glombig nicht mehr da ist. Aber
wir haben doch — lassen Sie sich das doch einmal von mir sagen — in unserer Sozialpolitik — —

(Zuruf der Abg. Frau Blunck [SPD])

— Sehen Sie, Herr Präsident, die Dame läßt mich einfach nicht reden. Die kann nicht zuhören. Aber es gehört wohl zu den Eigenschaften hier — —

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007112000
Herr Minister, wenn ich Sie einen Moment unterbrechen darf — es ist doch ein bißchen unverständlich, daß eines der ernstesten Themen unser Haus auf allen Seiten immer wieder in solche Situationen und Stimmungen versetzt. Ich kann nur nach allen Richtungen appellieren, so bei unseren Verfahrensweisen zu bleiben, daß wir hinterher noch in den Spiegel gucken und uns anerkennen können.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID1007112100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben — um gleich auf dieses Problem einzugehen — in der Sozialpolitik schon immer eine Kombination von gesetzlichen Leistungen und freiwilligen Leistungen gehabt. Dies ist überhaupt nichts Neues. Im Jugendwohlfahrtsgesetz und in Ländergesetzen haben wir immer eine Kombination von gesetzlichen Ansprüchen und freiwilligen Leistungen. Niemand bestreitet, daß diese Bundesstiftung freiwillige Leistungen gewährt. Aber durch diese Bundesstiftung wird nicht eine einzige gesetzliche Leistung beeinträchtig, sondern die Bundesstiftung ergänzt das, was wir an gesetzlichen Leistungen haben.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Selbstverständlich können Staat und Gesellschaft nicht alle Probleme und Konflikte lösen, die mit einer Schwangerschaft verbunden sind. Aber ich finde, es ist schwer erträglich — ich sage es noch einmal —, wenn in einem reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen werdendes Leben zerstört wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Infolgedessen müssen wir — das ist unsere Konzeption — die Situation für die Familien und für die Frauen, die ein Kind bekommen, verbessern. Die Stiftung „Mutter und Kind" wird in dieser Legislaturperiode ergänzt werden. Jetzt sage ich es zum drittenmal, im Namen der Bundesregierung.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das haben wir schon zweimal hören müssen!)

Was hat denn die Debatte in einem Parlament eigentlich für einen Sinn, wenn einfach das weggelassen wird, was die Bundesregierung hier offiziell mehrfach erklärt hat? Die Stiftung „Mutter und Kind" wird in dieser Legislaturperiode durch die steuerliche Entlastung der Familien mit Kindern ergänzt werden,

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Interessant ist immer Ihre Reihenfolge: Die Entlastung kommt ganz, ganz, ganz am Ende!)




Bundesminister Dr. Geißler
selbstverständlich nicht in der Größenordnung von 7,50 DM, sondern bei einem Steuerfreibetrag von mindestens 2 400 DM — rechnen Sie es in einer ruhigen Stunde nach, wenn Sie nicht mehr so aufgeregt sind — bei einem Proportionalsteuersatz von 22 % macht das mindestens 44 DM im Monat aus. Das heißt, allein beim ersten Kind wird durch den Kinderfreibetrag von 2 400 DM das Kindergeld de facto verdoppelt. Was reden Sie denn hier von 7,50 DM!
Die Kindergelderhöhung für einkommensschwache Familien ist der zweite Schritt. Wir werden das Mutterschaftsgeld ausweiten und damit — das tut mir jetzt leid, verehrte, gnädige Frau — das von Ihnen geschaffene Zweiklassenrecht für Frauen beseitigen. Das haben Sie gemacht, nicht wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wiederhole, es ist schwer erträglich, daß nur eine bestimmte Zahl von Frauen das Mutterschaftsgeld bekommt und andere eben nicht, aus einer relativ einseitigen Überlegung heraus, aber nur, wenn man ideologisch fixiert ist, indem man nämlich den Menschen als produzierendes Wesen definiert. Das heißt, daß nur diejenigen Menschen in den Genuß einer gesetzlichen Leistung kommen, die sozusagen im Produktionsprozeß stehen —

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Jetzt bin ich auf Ihre Definition sehr gespannt!)

das ist der alte marxistische rote Faden —, während die anderen, die Bäuerin, die Winzerin, die Handwerkersfrau z. B., das Mutterschaftsgeld nicht bekommen. Das sind verspätete Auswirkungen einer marxistischen Ideologie, die Sie in Ihrer Emanzipationspolitik noch nicht überwunden haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir werden in dieser Legislaturperiode ein Erziehungsgeld einführen. Das gehört zu den wichtigsten Punkten im Programm der Bundesregierung.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Damit hätten Sie aber anfangen können!)

Wie kommen Sie eigentlich dazu, ständig zu behaupten, diese 50 Millionen seien sozusagen der zentrale Punkt, das ein und alles unseres Familienlastenausgleichs? Sie wissen doch ganz genau, daß dies nicht wahr ist. Sie tragen das hier halt vor, weil das in Ihr demagogisches Arsenal hineinpaßt. Mit der Wahrheit hat dies aber überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU — Duve [SPD]: Lassen Sie das Wort „Demagogie" weg!)

In der Bundesrepublik Deutschland werden fast 80% der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche mit sonstigen schweren Notlagen begründet. Ich finde, dies ist ein Signal für die Gesellschaft der Bundesrepublik, und zwar kein positives, sondern ein negatives.

(Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Vielleicht sagt das etwas über Ihre Politik aus!)

Es ist auch ein Signal an die Adresse der Familien,
an die Adresse der Gesellschaft, der Ehepartner,
der Freunde, der Gemeinden und anderer gesellschaftlicher Gruppierungen.
Es ist bedrückend — unterhalten Sie sich einmal mit den Beratungstellen —, wenn uns die Beraterinnen und die Ärzte sagen, daß viele werdende Mütter ihr Kind eigentlich zur Welt bringen möchten, es aber trotzdem schließlich abtreiben lassen, weil sie vom Vater des Kindes, von ihren Eltern und Geschwistern, von Freunden und Arbeitskollegen zum Schwangerschaftsabbruch gedrängt werden. Ich finde, es ist ein Zeichen von Kälte und Beziehungslosigkeit in unserer Gesellschaft, wenn werdende Mütter, die Verständnis und Hilfe erwarten, im Stich gelassen werden.
Da brauchen Sie uns gar nichts zu sagen. Wir wissen aus vielen Untersuchungen und Selbstzeugnissen, daß Abtreibung für die meisten Frauen kein leichter Weg und oft nur der letzte Ausweg ist. Gerade wegen des Lebens des werdenden Kindes, aber auch wegen der Mutter, wegen der Frau müssen wir die Bedingungen, unter denen solche Entscheidungen getroffen werden, entscheidend verbessern. Dazu gehören auch die sozialen Verhältnisse.
Sollen wir nun in der Tat auch bei dieser wichtigen Debatte, von der ich eigentlich erhofft hätte, daß wir uns im Ziel einig sein könnten, diese ewige sozialpolitische Debatte darüber, wer was wo bei wem gestrichen hat, hier ständig repetieren? — Frau Schmidt und Herr Duve, Sie nicken. Wissen Sie, jetzt will ich Ihnen einmal folgendes sagen.

(Zurufe von der SPD)

— Herr Conradi, Sie müßten ja eigentlich schamrot werden. — Wenn Sie an der Regierung sind, streichen Sie das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche ab 18 Jahren, dann kürzen Sie das Kindergeld für den Generaldirektor wie für den Hilfsarbeiter um 20 DM beim zweiten und beim dritten Kind. Wenn Sie in der Opposition sind, stellen Sie Anträge, um dies wieder zu reparieren.

(Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist nichts anderes als üble Demagogie und sonst gar nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Duve [SPD])

— Wollen Sie das vielleicht bestreiten, Herr Duve? Dann sagen Sie es doch! Haben Sie für die 18jährigen Arbeitslosen das Kindergeld gekürzt? Wer war es denn? Sie sind es doch gewesen.

(Zurufe von der SPD)

Wer hat die 20 DM Kindergeld gekürzt? Waren Sie es oder waren wir es? Die Antwort können Sie sich selber geben.

(Abg. Jaunich [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ersparen Sie sich hier Ihre Zwischenfragen! Sie können sich die Antwort selber geben; ich brauche sie Ihnen nicht zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007112200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jaunich?

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID1007112300
Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu.
Über die Sozialhilfe haben wir uns auch schon unterhalten. Da waren wir mitschuldig, aber Sie haben das genauso entschieden. Die Deckelung der Sozialhilfe bei den Regelsätzen haben Sie genauso gemacht.

(Zurufe von der SPD)

Diese Bundesregierung hat dem Parlament vorgeschlagen, ab 1. Juli dieses Jahres die Deckelung der Sozialhilfesätze wieder zu beseitigen, und das Parlament hat entsprechend beschlossen. Das heißt: Wir werden seit 1981 in der Sozialhilfe zum erstenmal wieder die Möglichkeit haben, daß sich die Regelsätze der Steigerung der Lebenshaltungskosten anpassen, im Gegensatz zu dem, was in der Zeit eingerissen ist, in der Sie an der Regierung gewesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann kommt die Frau Schmidt daher und erklärt plötzlich, wir hätten die Familien bei der Kürzung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe benachteiligt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dies entspricht doch einfach nicht der Wahrheit. Das Arbeitslosengeld ist gekürzt worden — das ist richtig —, aber nur für Alleinstehende und für kinderlos Verheiratete. Für Familien mit Kindern ist das Arbeitslosengeld nicht gekürzt worden. Sagen Sie doch endlich einmal die Wahrheit!

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Sie erzählen hier lauter Sachen, die nicht stimmen.
Wenn nun in der Verzerrung dieser Tatsachen gegen die Stiftung eingewandt wird, so wie Sie es heute auch wieder getan haben, die Bundesregierung gebe 50 Millionen DM pro Jahr für die Stiftung, nachdem sie vorher in Höhe von 350 Millionen DM das Mutterschaftsgeld gekürzt habe, so ist dies zwar ein wirksames und vom ersten Augenschein her auch rechnerisch richtiges Argument, es enthüllt sich aber als eine sehr kurzlebige demagogische Seifenblase, da die Verfechter dieses Arguments bewußt unterschlagen, daß die Bundesregierung — ich sage es jetzt noch einmal — gleichzeitig das Mutterschaftsgeld für alle Frauen in dieser Legislaturperiode ausdehnen wird, daß wir in dieser Legislaturperiode ein Erziehungsgeld einführen werden. Jetzt sage ich Ihnen folgendes: Allein die von der Bundesregierung vorgesehene steuerliche Entlastung für die Familien und die zusätzlichen Leistungen im Bundeshaushalt werden die vorübergehenden Kürzungen beim Mutterschaftsgeld um mehr als das Zwanzigfache ausgleichen.

(Zurufe von der SPD: Wann?)

Deswegen lassen Sie bitte diese Argumentation bleiben!
Es ist deshalb überflüssig, wenn der Bundesregierung im Zusammenhang mit der hier zur Debatte stehenden Errichtung einer Bundesstiftung immer wieder entgegengehalten wird, eine solche Stiftung könne notwendige Verbesserungen für alle Familien nicht ersetzen. Wir haben so etwas nie behauptet. Ohne unser Gesamtprogramm in der Familienpolitik wäre diese Stiftung in der Tat ein Torso.
Ich habe das Notwendige gesagt, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zurufe von der SPD)

was auch zu der Abgrenzung von Rechtsansprüchen und freiwilligen Leistungen zu sagen ist. Wir appellieren an alle, zu dieser Stiftung doch nun wirklich ja zu sagen, die, wie gesagt, keine Rechtsansprüche ersetzen, sondern in konkreten Situationen die Beratungsstellen in die Lage versetzen soll, wirksam zu helfen. Das ist doch die Situation, die wir bei den Beratungsstellen vorfinden. Die Stiftung ist doch nicht deshalb entstanden, weil irgend jemandem in der Bundesregierung etwas eingefallen ist, sondern weil wir von den Beratungsstellen wissen, daß sie auf solche unbürokratischen Hilfen angewiesen sind, die eben keine Rechtsansprüche darstellen — dann kann man mit ihnen eben auch flexibel, unbürokratisch umgehen, braucht nicht dauernd auf Bürokratien Rücksicht zu nehmen, sondern kann, um es auf deutsch zu sagen, auch mal fünfe gerade sein lassen, um einem Menschen zu helfen, dem man mit der Ausformung und Ausgestaltung von Rechtsansprüchen nicht helfen könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies ist ebenfalls eine Erfahrung in der Sozialpolitik.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

— Wenn Sie so etwas sagen, haben Sie von der Sozialpolitik keine Ahnung. Die meisten sozialpolitischen Leistungen der Kommunen sind freiwillige Leistungen.

(Zurufe von der SPD)

Wollen Sie das denn nun alles in Abrede stellen? Fast alle sozialen Leistungen der Kommunen sind freiwillige Leistungen. Und ich sage: Gott sei Dank haben wir diese freiwilligen Leistungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bundesstiftung arbeitet Gott sei Dank nicht allein. Sie wird ergänzt durch sehr attraktive und gute Stiftungen in einzelnen Bundesländern, durch die Stiftungen in Bayern, in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz, in Schleswig-Holstein, im Saarland, in Berlin und in Niedersachsen. Alle Beratungsstellen in diesen Ländern haben diese Landesstiftungen begrüßt.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich hätte eigentlich nur den Wunsch, daß endlich die sozial-demokratisch regierten Länder — ich nenne sie jetzt namentlich: Nordrhein-Westfalen, Hessen, Hamburg und Bremen — dieselbe Verpflichtung gegenüber den Frauen übernehmen, wie



Bundesminister Geißler
es die christlich-demokratisch regierten Länder längst getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Sie erreichen für die Frauen, die ein Kind bekommen, mehr, wenn Sie solche Stiftungen in den Ländern, in denen Sie die Verantwortung tragen, ebenfalls einrichten und zu dieser Bundesstiftung ja sagen.
Es entspricht unserer Verantwortung für die Grundwerte unserer Verfassung, daß wir für den Schutz des ungeborenen Lebens mehr tun müssen. Ich würde mir wünschen, daß Sie jetzt bei dieser Stiftung mitmachen. Denn was wird mit dieser Stiftung anderes getan, als zu helfen? Wir nehmen niemandem etwas weg — im Gegenteil, wir wollen mehr Hilfe geben.

(Frau Blunck [SPD]: Das haben Sie vorher gemacht!)

Sie sind dagegen, daß den Frauen mehr Hilfe geboten wird, wenn sie bei den Beratungsstellen Hilfe suchen! Das müssen Sie vor den Millionen Frauen in der Bundesrepublik Deutschland selber verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007112400
Unter Berufung auf § 44 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jaunich die Möglichkeit, das Wort zu nehmen.

Horst Jaunich (SPD):
Rede ID: ID1007112500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verhehle nicht, daß mich der Verlauf dieser Debatte tief betrübt hat. Aber, Herr Minister Geißler, wenn Sie hier Kritik an dem Verhalten von Abgeordneten einer Fraktion geübt haben, dann muß ich Ihnen darauf antworten, daß ich von Ihnen als dem für diesen Geschäftsbereich verantwortlichen Bundesminister etwas mehr erwartet hätte.

(Beifall bei der SPD)

Denn die Art und Weise, wie Sie diese Debatte geführt haben, war ihrem Sinngehalt mit Sicherheit nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD)

Und Sie müssen sich von uns schon gefallen lassen, daß wir Sie und Ihr familienpolitisches Wirken unter Kritik nehmen. Denn ich darf Sie daran erinnern, daß Sie in Person und Ihrer Fraktion insgesamt über Jahre und ein Jahrzehnt hin uns Vorwürfe gemacht haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Erklärung mehr!)

wir gestalteten die soziale Situation der Familie nicht gut genug, und daß Sie am Anfang nichts anderes zu tun gehabt haben, als die soziale Situation der Familie deutlich zurückzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben noch im vorletzten Bundestagswahlkampf gesagt: Wer jetzt an den Familien spart, spart am falschen Ort und zur falschen Zeit. Ich frage Sie: Woher nehmen Sie eigentlich die Berechtigung, unsere Kürzungsmaßnahmen zu kritisieren, wenn Sie nicht sofort nach Amtsantritt darangegangen sind, diese Kürzungen rückgängig zu machen? Wenn Sie das getan hätten, könnten Sie uns hier zu Recht kritisieren, Herr Minister Geißler,

(Beifall bei der SPD)

aber so nicht.
Wenn Sie im Rahmen einer solchen Debatte dann noch den Versuch unternehmen, die Wahrheit, die nachprüfbar ist, auf den Kopf zu stellen, indem Sie Sozialdemokraten und Liberalen anlasten, wir hätten die Deckelung bei den Sozialhilfesätzen zu verantworten, dann reden Sie eigentlich wider besseres Wissen oder aber versuchen Sie, hier bewußt die Unwahrheit zu sagen. Beides ist für Sie in diesem Amt gleichermaßen schädlich, wie ich meine.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen darf doch wohl nicht verborgen geblieben sein, daß der jetzige Bundesfinanzminister in seinem Nachrichtendienst, den „Finanznachrichten", erst kürzlich den Orden für diese Kürzung der Sozialhilfe an seine eigene Brust geklebt hat, indem er darauf hingewiesen hat, daß ohne ihn und sein beharrliches Wirken keine Reduzierung der Ausgaben bei der Sozialhilfe möglich geworden wäre. Das ist doch eindeutig und klar für jedermann nachlesbar. Und jeder, der im Umgang auch mit dem politischen Gegner redlich ist, darf eine Debatte nicht so führen,

(Dr. Soell [SPD]: Das ist zuviel verlangt!)

noch dazu, wenn der Gegenstand, um den hier gerungen wird, oder der Ausgangspunkt eigentlich so geartet ist, daß man einen solchen Redebeitrag als verantwortlicher Minister im Interesse der Sache so nicht aufbauen dürfte.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Geißler, Sie haben weiterhin gesagt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Präsident, das ist keine Erklärung!)

diese Stiftung sei nicht Ihr Gesamtkonzept. Nun, wissen Sie, mit der Stiftungsregelung sind Sie recht flott übergekommen; und das soll ja auch noch sehr flott vor der Sommerpause verabschiedet werden. Alles andere sind Ankündigungen ohne jeden tieferen Gehalt

(Beifall bei der SPD)

und für uns in der Ernsthaftigkeit überhaupt noch nicht überprüfbar.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Wo war denn da die Erklärung? — Gegenruf des Abg. Jaunich [SPD]: Das war keine Erklärung! Das war eine Rede nach § 44 Geschäftsordnung!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007112600
Ich habe nach § 44 auch eine Wortmeldung der Frau Abgeordneten Schoppe.

(Unruhe bei der CDU/CSU)




Vizepräsident Westphal
— Ich bitte, in diesen Paragraphen zu gucken. Es ist ein in unserer Geschäftsordnung vorgesehener Fall, daß dann, wenn ein Minister gesprochen hat, die Debatte wieder eröffnet sein kann.

(Kuhlwein [SPD]: Das wissen die nicht! Die wissen soviel nicht! — Conradi [SPD]: Der Geißler sagt immer die Wahrheit!)

Sie haben das Wort.

Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007112700
Ich möchte die Gelegenheit zum Anlaß nehmen, auf eine Bemerkung von Herrn Geißler einzugehen. Herr Geißler, Sie haben aus einem Flugblatt zitiert, das die GRÜNEN heute veröffentlicht haben. Sie haben aber leider vergessen, den ganzen Satz zu zitieren. Er wäre wichtig gewesen. Ich mache kurz den Zusammenhang klar:
Die Liberalisierung des § 218 sollte nicht nur den Abbruch unter angebbaren Bedingungen legalisieren. Sie sollte auch den gesamten Abbruchvorgang humanisieren und damit die Notsituation von Frauen lindern. Ich meine, die Verteilung von Stiftungsgeldern bringt die Frauen in Rechtfertigungszwänge und stört die auf Vertrauen basierenden Kommunikationsstrukturen in den Beratungsstellen. Außerdem führt die Vergabe von Stiftungsmitteln zur Erfassung von schutz- und geheimhaltungsbedürftigen Daten und damit zu wachsendem Mißtrauen gegenüber den Beratungsstellen. Der Druck zum Erfolgszwang wird sich ausbreiten. Die grundgesetzkonforme 218-Beratung wird unmittelbar an den verausgabten Mitteln meßbar. Der einzelne Beratungsvorgang gerät damit manifest unter Erfolgszwang.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Quatsch mit Kunsthonig!)

Eine spärliche Verteilung der Mittel könnte zu der Interpretation einer grundgesetzdefizitären Beratungsmentalität führen.
Das ist das, was ich damit ausdrücken wollte. Wenn wir schon alle zu der Meinung gekommen sind, daß die Abtreibung aus einer Notsituation heraus geschieht — ich denke, es ist sehr wichtig, sich das klarzumachen —, dann müssen wir auch alles tun, diese Notsituationen für die Frauen so gering wie möglich zu halten. Da halte ich die Eingriffe in die Beratungsstellen durch die Verteilung für sehr verhängnisvoll

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem: Der Verteilungsvorgang, d. h. die Nachprüfung, ob wirklich eine Bedürftigkeit bei den Frauen besteht, verändert die Beratung in den Beratungsstellen völlig. Da frage ich Sie, Herr Geißler: Welche Überlegungen haben Sie angestellt, die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Beratungsstellen zu erhöhen? Es können doch nicht diejenigen, die bisher die Beratung durchgeführt haben, noch zusätzlich die Lasten von Beratungen auf sich nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007112800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/1369 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie zur Mitberatung und Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu andere Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Fortsetzung der ersten Beratung (Ausschußüberweisung) des von den Abgeordneten Werner, Dr. Althammer, Dr. Czaja, Dr. Jobst, Jäger (Wangen), Sauter (Epfendorf), Petersen, Dr. Friedmann, Dr. Kunz (Weiden), Sauer (Stuttgart), Kroll-Schlüter, Graf Huyn, Brunner, Jagoda, Dr. Todenhöfer, Milz, Dr. Schwörer, Keller, Biehle, Graf von WaldburgZeil, Jung (Lörrach), Hornung, Tillmann, Rossmanith, Seehofer, Bühler (Bruchsal), Ruf, Höpfinger, Schneider (Idar-Oberstein), Dr. Kronenberg, Schlottmann, Weiß, Lemmrich, Dr. Unland, Dr. Möller, Hedrich, Müller (Wesseling), Gerlach (Obernau), Dr. Müller, Magin, Dr. Marx, Dr. Bötsch und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften über sonstige Hilfen (Sonstige Hilfen - Änderungsgesetz - SHAG)
— Drucksache 10/941 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Rechtsausschuß
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Die Aussprache in erster Beratung über diesen Gesetzentwurf hat bereits in der 69. Sitzung am 3. Mai 1984 stattgefunden. Wird das Wort dazu anderweitig gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie zur Mitberatung und Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

(Frau Nickels [GRÜNE]: Überhaupt nicht überweisen!)

— Das Problem ist, daß die Möglichkeit, einen Gesetzentwurf nicht zu überweisen, mit der eine Zweidrittelmehrheit voraussetzenden Abstimmung über die Frage verbunden wäre, ob wir gleich in die zweite Lesung eintreten wollen. Ich möchte das hier nicht festklopfen, weil dies eine noch zu diskutie-



Vizepräsident Westphal
rende Rechtsauffassung ist. Wir sind im Präsidium an dieser Frage dran.

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Präsident, wir können auch abstimmen!)

— Wird gewünscht, darüber abzustimmen? — Gut, dann stelle ich fest: Die Überweisung ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 10/311 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache 10/1230 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Bernrath Regenspurger

(Erste Beratung 25. Sitzung)

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich darf noch einmal bitten: Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?
— Enthaltungen? — Dann sind die aufgerufenen Vorschriften bei Stimmenthaltungen mit Mehrheit angenommen worden.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Gibt es Enthaltungen? — Dann ist das Gesetz bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes
— Drucksache 10/489 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuß)

— Drucksache 10/1358 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Berger Heistermann

(Erste Beratung 33. Sitzung)

Auf Drucksache 10/1482 (neu) liegt Ihnen hierzu ein interfraktioneller Entschließungsantrag vor. Er ersetzt den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/1482.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung oder zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1007112900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt verschiedene Tatbestände von Wehrungerechtigkeit oder — anders ausgedrückt — mangelnder Wehrgerechtigkeit. Da gibt es die Sportinvaliden bis hin zur ersten Fußballklasse. Da gibt es elegante Simulanten bei der Musterung. Da gibt es Leute, die über das 28. Lebensjahr im Antragsstau, wie er als Folge von Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes eintritt, steckenbleiben wollen.

(Fischer [Frankfurt] — Herr Kollege Fischer, da gibt es auch Berliner Wanderdemonstranten. Es gibt weiterhin solche, die eine der zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen über Wehrdienstausnahme in Anspruch nehmen können. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt in letzter Zeit aber einen Tatbestand, der uns mehr kümmern sollte. Da gibt es junge Wehrpflichtige, die nach ihrer Ausbildung keinen Arbeitsvertrag erhalten, weil sie noch den Grundwehrdienst zu leisten haben und anschließend in den Genuß der Regelung nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz kommen könnten. Es gibt umgekehrt auch solche, die den Grundwehrdienst für ihr Volk, für ihren Staat, für ihr Vaterland geleistet haben und anschließend nur noch formal für eine kurze Zeit wieder Anstellung finden, um dann aus anderen Gründen aus der Tätigkeit entlassen zu werden. Es gibt schließlich einen Tatbestand, im Blick auf den das Land Rheinland-Pfalz jetzt über den Bundesrat einen Verbesserungsvorschlag gemacht hat. In letzter Zeit hat sich herausgestellt, daß sehr viele Bewerber z. B. für den öffentlichen Dienst — insbesondere übrigens Lehramtskandidaten —, nachdem sie den Grundwehrdienst geleistet haben, bei der Einstellung nach anderen Kriterien bemessen worden sind, als es etwa den Kriterien zu einer Zeit entsprochen hätte, bevor sie den Grundwehrdienst geleistet haben. Das heißt, durch die Tatsache, daß sie den Grundwehrdienst geleistet haben, wurde ihnen die Chance verwehrt, etwa im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden. Dies ist ein Unrechtstatbestand, dem abzuhelfen war. Es ist dem Lande Rheinland-Pfalz zu danken, daß es diese Initiative ergriffen hat. Ich danke auch allen Fraktionen, die dieser Regelung im Verteidigungsausschuß einvernehmlich zugestimmt haben. Es gibt übrigens noch vergleichbare andere TatbeBerger stände, für die man unter Umständen an anderer Stelle, in anderen Gesetzen auch Regelungen treffen sollte. Das Gesetz leistet nicht viel, aber es bringt ein Stück mehr Wehrgerechtigkeit. In einer Zeit, in der sattsam darüber geklagt wird, daß die Cleveren verdienen, während die Dummen für ihr Vaterland, für ihren Staat dienen, ist dies ein wichtiger Beitrag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Sie sind das beste Beispiel dafür, daß die Dummen dienen!)


(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Unglaublich!)


(Hört! Hört! bei den GRÜNEN)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007113000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heistermann.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1007113100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt dem Entwurf zur Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes zu. Ich möchte mich in der Sache den Ausführungen des Kollegen Berger insoweit anschließen, als damit ein Zustand geändert wird, der zu vielen Petitionen geführt hat, in denen Betroffene, die im öffentlichen Dienst — z. B. als Lehrer — angestellt werden sollten, darüber geklagt haben, daß sie durch die veränderten Anstellungsbedingungen nun an der Berufsaufnahme gehindert wurden.
Diese neue Regelung, die wir eröffnen, muß aber — das sage ich in aller Deutlichkeit — dazu dienen, die Gesamtproblematik des Arbeitsplatzschutzgesetzes zu erörtern. Ich begrüße, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses unserem Entschließungsantrag, der auf die besondere Benachteiligung der Frauen hinweist, angeschlossen haben und ihn inhaltlich mittragen. Nun werden wir gespannt sein, welche Sorgen sich die Regierung — die Regierungsbank ist im Grunde ein Beispiel dafür — um die Arbeitsplätze junger Menschen macht.

(Beifall bei der SPD)

Von Wehrgerechtigkeit zu reden, und dann nicht dabei zu sein, ist — das muß ich Ihnen sagen, Herr Kollege Berger — ein starkes Stück. Ich bin sicher, daß die Öffentlichkeit das zu registrieren weiß.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wo ist Wörner?)

Was ist die schreckliche Situation? Es geht ja nicht nur darum, den öffentlichen Dienst neu zu regeln, weil der die Möglichkeit hat, unabhängig von Tarifverträgen vorbildliches Verhalten an den Tag zu legen, sondern es geht darum — ich mahne das ausdrücklich an —, daß es uns große Sorge macht, wie junge Menschen, die zur Ableistung des Wehrdienstes anstehen, heute mit Zeitarbeitsverträgen ausgestattet werden, nur bis zur Ableistung des Wehrdienstes beschäftigt werden und später, nach Ableistung des Wehrdienstes, nicht die Arbeitsplatzgarantie in Anspruch nehmen können. Wer das Wort Wehrgerechtigkeit in den Mund nimmt, diese jungen Menschen aber draußen alleine stehenläßt, versündigt sich an der Zukunft dieser jungen Menschen.
Ich kann die Regierung nur dringend bitten, sicherzustellen, daß auch denjenigen, die im gewerblichen und handwerklichen Bereich tätig sind und Wehrdienst leisten, Wehrgerechtigkeit widerfahren wird, daß die Arbeitsplatzschutzgarantie auch für diesen Personenkreis bestehenbleibt.
Es wäre traurig, wenn der Eindruck entstehen könnte, daß nur für den öffentlichen Dienst entsprechende Regelungen getroffen werden. Nein, wir fordern dies auch für den gewerblichen und für den handwerklichen Bereich.
Ich glaube, daß wir die Regierung mit dem Entschließungsantrag in den Handlungszwang hineinbringen, die gesamte Problematik nun in einer vernünftigen Art und Weise zu regeln. Wir werden gespannt sein, was aus diesen Überlegungen — aus dem, was zwischenzeitlich jetzt gemeinsam getragen wird — auf Grund unseres Antrages nun herauskommt.
Ich wiederhole zum Schluß: Es ist beschämend, daß diese Regierung nicht in der Lage ist, einen Vertreter auf der Regierungsbank sitzen zu haben.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Da sitzt einer!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007113200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Feldmann.

Dr. Olaf Feldmann (FDP):
Rede ID: ID1007113300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den vorangegangenen harten Auseinandersetzungen des heutigen Tages, gegenseitigen Vorwürfen und Unterstellungen müßte es doch jetzt richtig guttun, einen gemeinsam getragenen Gesetzesentwurf mit einzubringen und dazu noch einen von allen Fraktionen dieses Hauses mitgetragenen Entschließungsantrag vortragen zu können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Tut ja auch gut!)

Die FDP-Fraktion stimmt dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil er ein Beitrag zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit ist, weil er Nachteile, die junge Männer durch die Ableistung von Wehrund Zivildienst in Kauf nehmen müssen, begrenzt.
Der Wehr- und Zivildienst gehört zu den staatsbürgerlichen Pflichten, die unser Gemeinwesen für junge Männer vorsieht. Es ist aber nicht vertretbar, daß diejenigen, die diesen staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen, dafür auch noch eine Verschlechterung ihrer beruflichen Einstiegschancen hinnehmen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Mehr Wehrgerechtigkeit kommt nicht durch höflichen Beifall — ich bedanke mich zwar dafür — und auch nicht durch Lippenbekenntnisse zustande.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Mutiges Handeln!)

Wer die Nachteile, die Jugendliche durch den Wehr-
und Zivildienst haben, möglichst begrenzen will,



Dr. Feldmann
muß durch konkrete Maßnahmen vorgehen. Das tun wir mit dieser Gesetzesvorlage. Durch die Änderung des § 11 Arbeitsplatzschutzgesetz wollen wir erreichen, daß junge Männer, die sich nach der Ableistung des Wehr- und Zivildienstes für den öffentlichen Dienst bewerben, die gleichen Einstiegschancen wie vor ihrer Einberufung haben; also keine Privilegien, sondern Abbau von Nachteilen.
Die FDP-Fraktion begrüßt, daß der Gesetzgeber durch diesen Entwurf in dem Bereich, in dem er unmittelbar Einfluß hat, nämlich im öffentlichen Dienst, mit gutem Beispiel vorangeht.
Aber dies ist nur ein Schritt zu mehr Wehrgerechtigkeit; denn er beseitigt nur für einen Teil der Wehr- oder Zivildienstleistenden gewisse Nachteile. Ihm müssen weitere Schritte folgen, auch auf anderen Gebieten. Das haben wir ja mit unserem gemeinsam getragenen Entschließungsantrag deutlich gemacht, meine Damen und Herren.
Aber nicht nur der Gesetzgeber ist gefordert, sondern auch die Behörden, z. B. die Kreiswehrersatzämter und die Wirtschaft; da stimme ich Ihnen zu, Herr Kollege Heistermann. Ich appelliere an die Kreiswehrersatzämter, alles zu tun, um einen möglichst nahtlosen Übergang von Lehre oder Abitur zum Wehrdienst sicherzustellen. Die bisherigen Bemühungen der Kreiswehrersatzämter müssen verstärkt fortgesetzt werden. Wo der nahtlose Übergang nicht möglich ist, ist zumindest Einberufungsklarheit herzustellen, d. h. Jugendliche müssen frühzeitig und verbindlich erfahren, wann sie mit ihrer Einberufung zu rechnen haben.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung — auch unter dem Aspekt der Wehrgerechtigkeit — zu der zur Zeit geführten Diskussion über die Personalsituation der Bundeswehr in den 90er Jahren. Meine Damen und Herren, eine Verlängerung des Wehrdienstes würde die bestehende und von uns allen immer wieder beklagte Wehrungerechtigkeit doch nur noch verschärfen. Deswegen, so meine ich, sollten wir hier mit einer Verlängerung sehr, sehr vorsichtig umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich stelle abschließend fest: Wir wollen keine Privilegien für Wehr- oder Zivildienstleistende, sondern Ausgleich von Nachteilen. Darüber sind wir uns, so nehme ich an, alle einig. Dieses Gesetz ist ebenso wie die von uns beschlossene Erhöhung des Wehrsoldes lediglich ein Beitrag, um die bestehenden Nachteile etwas abzumildern.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007113400
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schoppe.

Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007113500
Meine Damen und Herren! Wir haben sehr ausgiebig und sehr kontrovers über diesen Gesetzentwurf diskutiert. Wir werden ihm zustimmen, aber mit riesengroßen Bauchschmerzen. Sie können sich vorstellen, daß es bei uns zur Bundeswehr unterschiedliche Meinungen gibt. Ich gehöre zu denjenigen, die eine Bundeswehr ganz für überflüssig halten. Ich halte es eigentlich nicht für gerechtfertigt, Menschen, die in der Bundeswehr sind, zu bevorrechtigen.
Ich kann dieses Wort „Wehrgerechtigkeit" gar nicht ausstehen, das muß ich sagen. Ich habe es heute abend hier viel zuviel gehört.

(Beifall des Abg. Kleinert [Marburg] [GRÜNE])

Wir haben große Schwierigkeiten mit der Bundeswehr, weil die Bundeswehr in die NATO eingebunden ist

(Abg. Berger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— einen kleinen Moment — und weil der Oberbefehlshaber der NATO, Herr Reagan, eine aggressive, kriegstreibende Politik betreibt, wie seine Äußerungen zum Nahost-Konflikt zeigen. Sie wissen, wir wollen aus der NATO austreten. Ich bin Totalpazifistin. So heißt das j a wohl.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007113600
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berger?

Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007113700
Ja, bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1007113800
Frau Kollegin, ist Ihnen bewußt geworden, daß es sich hier nicht um eine Bevorrechtigung von Wehrpflichtigen handelt, sondern um das Abstellen einer wirklichen Benachteiligung, die durch die Praxis eingetreten ist?

Waltraud Schoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1007113900
Ich habe das schon verstanden. Ich habe j a Ihre Rede über die Wehrgerechtigkeit gehört. Aber ich möchte Sie an folgende Diskussion erinnern. Es ist in diesem Rahmen hier in Bonn eine große Diskussion über ein Antidiskriminierungsgesetz geführt worden. Dort ist immer gesagt worden, eine Quotierung für Frauen sei nicht möglich, weil eine Bevorrechtigung auf Grund eines Geschlechtes nicht durchgeführt werden könne. Nun haben wir Gott sei Dank nur Männer in der Bundeswehr, und weil sie Männer sind, sind sie in der Bundeswehr. Wenn sie durch diesen Entwurf bevorrechtigt werden sollen, dann muß ich Sie mal fragen: Warum soll das für die Männer gelten, und warum soll das nicht für die Frauen gelten? Das ist eigentlich unser Hauptpunkt.
Wir haben diesen gemeinsamen Antrag, der von der SPD gekommen ist, mit unterstützt. Er ist etwas dürftig, das muß man schon sagen, aber das ist wahrscheinlich die Ebene, auf der wir hier mal einen gemeinsamen Antrag machen können. Immerhin steht in diesem Antrag — und deshalb haben wir ihn unterstützt — die Aussage, daß Frauen auf Grund der Tatsache, daß sie Kinder gebären können, benachteiligt sind. Es steht die Aufforderung an die Bundesregierung darin, diese Benachteiligung aufzuheben.
In diesem Kontext also unterstützen wir den vorgelegten Gesetzesentwurf. Ich freue mich besonders, daß es hier wieder ruhig geworden ist. Es ist doch eine schöne Geste, mal gemeinsam einen An-



Frau Schoppe
trag zu unterstützen, auch wenn er etwas lapidar ist
— noch, aber das kann ja besser werden.
Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Das können Sie öfter haben, Frau Kollegin!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1007114000
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum es hier ruhig geworden sein könnte.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. — Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind bei einer Enthaltung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Dann ist das Gesetz bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den interfraktionellen Entschließungsantrag auf Drucksache 10/1482 (neu). Wer dem interfraktionellen Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das muß ja wohl von allen Seiten kommen, danke schön. Enthaltungen?
— Der Entschließungsantrag ist bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Januar 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Bau und die Unterhaltung einer Grenzbrücke über die Sauer zwischen den Gemeinden Langsur und Mertert
— Drucksache 10/1081 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß)

— Drucksache 10/1302 — Berichterstatter: Abgeordneter Pauli
b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/1490 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Hoffmann (Saarbrücken) Metz
Dr. Weng
Verheyen (Bielefeld)


(Erste Beratung 61. Sitzung)

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich rufe das Gesetz mit seinen Artikeln 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Dann ist das Gesetz gegen die Stimmen einer Minderheit angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 10/1163 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 10/1343 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schroeder (Freiburg)


(Erste Beratung 64. Sitzung)

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht gewünscht.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme?
— Dann ist das Gesetz gegen die Stimmen der Fraktion der GRÜNEN und bei einer Stimmenthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. April 1983 zur Änderung des Vertrags vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutsch-österreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben
— Drucksache 10/1067 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 10/1363 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Struck

(Erste Beratung 61. Sitzung)

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall.
Das Wort zur Aussprache wird auch nicht gewünscht? — Dann kommen wir zur Schlußabstimmung.
Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen?



Vizepräsident Westphal
— Bei einer Reihe von Enthaltungen ist das Gesetz angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Bereinigung des Verwaltungsverfahrensrechts
— Drucksache 10/1232 —
Einer Anregung der Geschäftsführer aller Fraktionen folgend rufe ich auch Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes
— Drucksache 10/1362 —
In Änderung früherer Vereinbarungen zu beiden Punkten haben uns die Geschäftsführer im Ältestenrat gemeinsam vorgeschlagen, die Gesetzentwürfe ohne Debatte in der ersten Lesung zu überweisen. Gibt es dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bereinigung des Verwaltungsverfahrensrechts — Tagesordnungspunkt 10 — auf Drucksache 10/1232 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Was Tagesordnungspunkt 11 anlangt, schlägt der Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 10/1362 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist auch nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 12 bis 14 und die Zusatzpunkte 1 und 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes
— Drucksache 10/1361 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend)

Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 10/1375 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes
— Drucksachen 10/1314, 10/1370 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Fin anzausschul3
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
— Drucksache 10/1483 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 17. Oktober 1980 über die Gewährung ärztlicher Betreuung an Personen bei vorübergehendem Aufenthalt
— Drucksache 10/1484 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Es handelt sich um die erste Beratung von Gesetzentwürfen, die von der Bundesregierung bzw. vom Bundesrat eingebracht worden sind. Das Wort wird nicht gewünscht? — Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/1361, 10/1375, 10/1314, 10/1370, 10/1483 und 10/1484 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aus der Tagesordnung. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 31 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/1397 —
b) Beratung der Sammelübersicht 32 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/1418 —
Das Wort wird dazu nicht gewünscht? — Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses, die in den Sammelübersichten 31 und 32 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? Enthaltungen ? — Bei einer Reihe von Enthaltungen sind die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses angenommen.



Vizepräsident Westphal
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1983 — Einzelplan 20 —— Drucksache 10/1355 —
Das Wort dazu wird nicht gewünscht? — Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 10/1355 an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 17 bis 20 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 5. April 1983 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über typenmäßig durch die Verwendung von hinten angebrachten Überrollbügeln, Überrollrahmen oder Schutzkabinen gekennzeichnete Umsturzschutzvorrichtungen für land- oder forstwirtschaftliche Schmalspurzugmaschinen auf Rädern
— Drucksachen 10/92 Nr. 75, 10/1301 —
Berichterstatter: Abgeordneter Buckpesch
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Zugang zum Beruf des Unternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Binnenschiffsgüterverkehr und über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise für diesen Beruf
— Drucksachen 10/873 Nr. 34, 10/1325 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haungs
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur fünften Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 355/79 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste
Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates mit Regeln für die Bezeichnung der Spezialweine
— Drucksachen 10/546 Nr. 9, 10/1258 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Weyel
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über eine gemeinschaftliche Aktion zum verstärkten Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände und saure Niederschläge
— Drucksachen 10/376 Nr. 66, 10/1260 —
Berichterstatter: Abgeordneter Kißlinger
Es handelt sich hierbei um die Beschlußempfehlungen und Berichte des Ausschusses für Verkehr, des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Vorlagen der Europäischen Gemeinschaften. Das Wort dazu wird nicht gewünscht?

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Na, na!)

— Herr Fischer, wollen Sie? — Das Wort wird nicht gewünscht, wie ich feststelle.
Ich lasse über die Beschlußempfehlungen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Verkehr und des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf den Drucksachen 10/1301, 10/1325, 10/ 1258 und 10/1260 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?
— Enthaltungen? — degen 3 Stimmen und bei einer Reihe von Enthaltungen sind die Beschlußempfehlungen angenommen.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/84 — Zollpräferenzen 1984 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS)
— Drucksachen 10/1156, 10/1303 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Wolfram (Recklinghausen)

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Wird anderweitig das Wort gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf der Drucksache 10/1303, der Verordnung auf Drucksache 10/1156 zuzustimmen. Erhebt sich hiergegen ein Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Wir sind am Schluß der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 25. Mai, 8 Uhr ein. Da gibt es eine Fragestunde.
Die Sitzung ist geschlossen.