Protokoll:
8199

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 199

  • date_rangeDatum: 24. Januar 1980

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:38 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/199 Deutscher B Stenographischer Bericht 199. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Lauritzen 15819A Erweiterung der Tagesordnung . . . 15819A Abwicklung der Tagesordnung 15819 B Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde 15819 B Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15819 C Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Familienförderung — Drucksache 8/3143 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einführung eines Familiengeldes (Bundesfamiliengeldgesetz) — Drucksache 8/3443 — in Verbindung mit Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Familiengeld für Nichterwerbstätige (Familiengeldgesetz) — Drucksache 8/3577 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Zusammenfassender Bericht — über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht — sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht — Drucksache 8/3120 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission der Bundesregierung über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht - - Drucksache 8/3121 — Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 15822 B, 15908 B Frau Dr. Wex CDU/CSU 15825 C Fiebig SPD 15830 C Eimer (Fürth) FDP 15835 C Frau Männle CDU/CSU 15838 D Frau Dr. Czempiel SPD 15842 B Spitzmüller FDP 15844 C Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . . 15849B Burger CDU/CSU 15853 A Kuhlwein SPD 15857 C II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 Frau Geier CDU/CSU 15894 B Frau Dr. Balser SPD 15898 A Kroll-Schlüter CDU/CSU 15901 A Schmidt (Kempten) FDP 15905 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbauänderungsgesetz 1980) — Drucksache 8/3596 — Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 15880 C Henke SPD 15881 C Dr. Jahn (Münster) CDU/CSU 15883A Gattermann FDP 15884 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Elften Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes — Drucksache 8/3597 — Schmidhuber, Staatsminister des Freistaates Bayern s 15885 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung — Drucksache 8/3598 — Dürr SPD 15886 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1981) — Drucksache 8/3601 — Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 15886 C Broll CDU/CSU 15887 A Westphal SPD 15887 B Kleinert FDP 15888 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz) — Drucksache 8/3602 — Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 15888 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungssauschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung statistischer Rechtsvorschriften (1. Statistikbereinigungsgesetz) — Drucksache 8/3603 — Dr. Schäfer (Tübingen) SPD 15889 B Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes — Drucksache 8/3104 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3566 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3502 - Frau Will-Feld CDU/CSU 15889 D Rapp (Göppingen) SPD . . . . . . . 15891 B Schleifenbaum FDP 15893A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hammans, Burger, Prinz zu Sayn-Wittenstein-Hohenstein, Braun, Frau Karwatzki, Dr. Reimers, Frau Geier, Frau Dr. Neumeister und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden — Drucksache 8/741 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/2185 — Jaunich SPD 15910 B Dr. Hammans CDU/CSU 15911 C Spitzmüller FDP 15913 C Engelhardt FDP 15914 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. November 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß-und Erbschaftsteuern — Drucksache 8/3224 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3578 — 15915 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deuschland Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 III und der Föderativen Republik Brasilien über den Seeverkehr — Drucksache 8/3553 — 15915 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 142 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Berufsberatung und Berufsbildung im Rahmen der Erschließung des Arbeitskräftepotentials — Drucksache 8/3550 — 15915 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern — Drucksache 8/3529 — . . . . . . . 15915 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Braun, Frau Hürland, Hasinger, Dr. Bekker (Frankfurt), Kroll-Schlüter, Frau Karwatzki, Dr. Hammans, Dr. Möller, Bühler (Bruchsal), Dr. Reimers, Höpfinger, Dr. George, Müller (Berlin), Picard, Dr. Hornhues, Weber (Heidelberg) und der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Braun, Frau Hürland, Franke, Frau Dr. Neumeister, Müller (Remscheid), Frau Berger (Berlin), Vogel (Ennepetal), Dr. Reimers, Dr. George, Kroll-Schlüter, Hasinger, Dr. Hammans, Bühler (Bruchsal), Frau Geier, Frau Schleicher, Müller (Berlin), Dr. Becker (Frankfurt), Regenspurger, Biehle, Dr. Möller, Dr. Stark (Nürtingen), Wimmer (Mönchengladbach), Dr. Jenninger, Köster und der Fraktion der CDU/CSU Lage der Behinderten und Weiterentwicklung der Rehabilitation — Drucksachen 8/2560, 8/3404 — Frau Hürland CDU/CSU 15916B Glombig SPD 15918A Hölscher FDP 15919 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 18/79 — Zollkontingent für Walzdraht — 2. Halbjahr 1979) — Drucksachen 8/3261, 8/3559 — . . . 15920A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie (Euratom) des Rates zur Abänderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlen festgelegt wurden — Drucksachen 8/2967, 8/3491 — . . . 15920B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines Fünfjahresforschungs- und Ausbildungsprogramms (1980 bis 1984) der Europäischen Atomgemeinschaft auf dem Gebiet Biologie — Gesundheitsschutz (Strahlenschutzprogramm) — Drucksachen 8/2781 Nr. 30, 8/3492 — 15920 B Fragestunde — Drucksache 8/3573 vom 18.01. 1980 — Förderung der Gewinnung neuer Energien und Erforschung neuer Energietechniken durch Schaffung eines Nationalpreises MdlAnfr A61 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Voss CDU/CSU Antw PStSekr Stahl BMFT . . . 15862 A, B, C, D ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 15862B, C ZusFr Kolb CDU/CSU 15862 C ZusFr Stockleben SPD 15862 D Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Regelungstechnik bei Hausheizungen MdlAnfr A62 18.01.80 Drs 08/3573 Kolb CDU/CSU MdlAnfr A63 18.01.80 Drs 08/3573 Kolb CDU/CSU Antw PStSekr Stahl BMFT . . . . 15863 A, B, D ZusFr Kolb CDU/CSU 15863 D ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 15863 A Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Nutzung der Erdwärme MdlAnfr A64 18.01.80 Drs 08/3573 Stockleben SPD MdlAnfr A65 18.01.80 Drs 08/3573 Stockleben SPD Antw PStSekr Stahl BMFT . . . . 15864A, B, C ZusFr Stockleben SPD 15864B, C Rückgang der Zahl der aus der UdSSR und Rumänien ausreisenden Deutschen MdlAnfr A18 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15864D, 15865 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15865A,B IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 Entlassung politischer Häftlinge vor Beginn des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid im Sinne der Resolution Nr. 89 der Nordatlantischen Versammlung MdlAnfr A66 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15865C, D, 15866 A, C, D, 15867A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15865C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15866A ZusFr Breidbach CDU/CSU 15866B, C ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 15866 D ZusFr Wissmann CDU/CSU 15867 A ZusFr Becker (Nienberge) SPD 15867 B Nichterteilung von Einreisevisen durch Schließung der deutschen Botschaft in Moskau in der Zeit vom 21. bis 27. Dezember 1979 sowie Nachteile für die Betroffenen MdlAnfr A67 18.01.80 Drs 08/3573 Walther SPD MdlAnfr A68 18.01.80 Drs 08/3573 Walther SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15867C ZusFr Walther SPD 15867 D Formulierung der Berlin-Klausel in Abkommen und Verträgen mit anderen Staaten entsprechend der Fassung im Gegenentwurf der Sozialistischen Republik Vietnam zu einem Rahmenabkommen über technische Zusammenarbeit MdlAnfr A69 18.01.80 Drs 08/3573 Hoffmann (Saarbrücken) SPD MdlAnfr A70 18.01.80 Drs 08/3573 Hoffmann (Saarbrücken) SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15867D, 15868A, B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . 15868A,B ZusFr Roth SPD 15868 B ZusFr Frau Erler SPD 15868 C Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf der III. VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A71 18.01.80 Drs 08/3573 Kittelmann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15868D, 15869D, 15870 A, B, C ZusFr Kittelmann CDU/CSU . 15869 C, D, 15870A ZusFr Dr. Wittmann (München) CDU/ CSU 15870A ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . 15870B ZusFr Grunenberg SPD 15870 C Stellungnahme der Bundesregierung zu dem vorliegenden Konventionsentwurf der III. VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A72 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Narjes CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15870D, 15871 A, B, C ZusFr Dr. Narjes CDU/CSU . . 15870D, 15871A ZusFr Grunenberg SPD 15871 B ZusFr Kittelmann CDU/CSU 15871 B Akzeptierung des der III. VN-Seerechtskonferenz gegenwärtig vorliegenden Konventionsentwurfs als einziger Diskussionsgrundlage MdlAnfr A73 18.01.80 Drs 08/3573 Kittelmann CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15871D, 15872 A, B, D, 15873A ZusFr Kittelmann CDU/CSU . . 15871D, 15872 B ZusFr Grunenberg SPD 15872 C ZusFr Ewen SPD 15872D ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . 15873A Einschränkung der Freiheit der Meere vor Abschluß der III. VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A74 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15833B, C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . 15873B ZusFr Grunenberg SPD 15873B ZusFr Kittelmann CDU/CSU 15873 C Regelung des Meerengenregimes auch für die Ostseezugänge MdlAnfr A75 18.01.80 Drs 08/3573 Sick CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15873C, D ZusFr Sick CDU/CSU 15873D Grund für die Nichtbeteiligung der Bundesrepublik an der Arbeitsgruppe „Festlandsockelfragen" der VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A76 18.01.80 Drs 08/3573 Sick CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 15834 A, B, C ZusFr Sick CDU/CSU 15874 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15874C Verzicht auf Änderungsvorschläge auf der III. VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A77 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 V Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15874C,D 15875 A ZusFr Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 15874D, 15875A Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten einer Konvention MdlAnfr A79 18.01.80 Drs 08/3573 Kunz (Berlin) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15875B ZusFr Kunz (Berlin) CDU/CSU 15875 B Konsequenzen aus der öffentlichen An-honing des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft im Dezember 1977 MdlAnfr A80 18.01.80 Drs 08/3573 Kunz (Berlin) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15875 C, D, 15876 A, B, D ZusFr Kunz (Berlin) CDU/CSU 15875 C ZusFr Grunenberg SPD 15875 D ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . 15875D ZusFr Dr. Narjes CDU/CSU 15876 B ZusFr Kittelmann CDU/CSU 15876 C Änderung der Verhandlungsziele auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus MdlAnfr A81 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Hornhues CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15876D, 15877 A ZusFr Dr. Hornhues CDU/CSU . . . 15877A ZusFr Grunenberg SPD 15877 A Konsequenzen aus der Tatsache, daß seit Beginn der III. VN-Seerechtskonferenz große Kohlenwasserstoffvorkommen bekanntgeworden sind MdlAnfr A82 18.01.80 Drs 08/3573 Breidbach CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15877B ZusFr Breidbach CDU/CSU 15877 B Recht des Zugangs der Internationalen Meeresbodenbehörde und der Staaten zu den Ressourcen des Meeresbodens MdlAnfr A83 18.01.80 Drs 08/3573 Amrehn CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15877C ZusFr Amrehn CDU/CSU 15877 C Unterrichtung des zuständigen Ausschusses über die Beratungen zwischen Präsident Carter und Bundeskanzler Schmidt zum Thema III. VN-Seerechtskonferenz MdlAnfr A86 18.01.80 Drs 08/3573 Broll CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15877D, 15878A,B,C ZusFr Broll CDU/CSU . . . . 15877D, 15878A ZusFr Kittelmann CDU/CSU 15878A,B ZusFr Grunenberg SPD 15878C ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . 15878C Beschränkung der Produktionsmenge zur Aufrechterhaltung eines künstlichen Preisniveaus MdlAnfr A88 18.01.80 Drs 08/3573 Amrehn CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15878D Begünstigung der Landproduzenten mineralischer Rohstoffe gegenüber den Tiefseebergbaubetreibenden Staaten durch Rohstoffkontrollbefugnisse der Internationalen Meeresbodenbehörde MdlAnfr A89 18.01.80 Drs 08/3573 Breidbach CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15878D, 15879A ZusFr Breidbach CDU/CSU 15879A Daten- und Technologietransfer an die Internationale Meeresbodenbehörde und an die Entwicklungsländer als Bedingung für die Vergabe von Bergbauberechtigten MdlAnfr A90 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Hoffacker CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15879B Einführung eines Minderheitenschutzes bei den Entscheidungen der Internationalen Meeresbodenbehörde MdlAnfr A91 18.01.80 Drs 08/3573 Höffkes CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 15879B,C ZusFr Höffkes CDU/CSU 15879B ZusFr Breidbach CDU/CSU 15879C Gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen der Internationalen Meeresbodenbehörde MdlAnfr A92 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Wittmann (München) CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15879C Bewerbung der Bundesrepublik Deutschland Um einen Sitz im Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde MdlAnfr A93 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Hornhues CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15879D VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 Nationalisierung weiter Teile noch verbleibender Meeresressourcen MdlAnfr A94 18.01.80 Drs 08/3573 Dr. Narjes CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 15879D, 15880A, B ZusFr Dr. Narjes CDU/CSU 15879 D ZusFr Kittelmann CDU/CSU 15880 B ZusFr Frau Erler CDU/CSU 15880 B Nächste Sitzung 15920 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980 15819 199. Sitzung Bonn, den 24. Januar 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Aigner * 25. 1. Alber *** 25. 1. Dr. Bangemann 25. 1. Dr. Barzel 25. 1. Dr. Bayerl 25. 1. Frau von Bothmer *** 25. 1. Erpenbeck 25. 1. Fellermaier * 25. 1. Frau Dr. Focke * 25. 1. Haberl 25. 1. Handlos 25. 1. Hansen 25. 1. von Hassel *** 25. 1. Dr. Jahn (Braunschweig) 25. 1. Katzer 24. 1. Dr. Klein (München) • 25. 1. Klinker 25. 1. Landré 25. 1. Lange * 25. 1. , Liedtke 25. 1. Dr. Pfennig * 25. 1. Schedl 24. 1. Frau Schleicher * 25 1. Dr. Schwencke (Nienburg) 25. 1. Dr. Steger 24. 1. Frau Tübler 25. 1. Wawrzik * 24. 1. Weber (Heidelberg) 25. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Gesamtes Protokol
Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Am 20. Januar 1980 hat der Abgeordnete Dr. Lauritzen seinen 70. Geburtstag gefeiert. Ich gratuliere ihm im Namen des Bundestages und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute.

(Beifall)

Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung um die folgenden Beratungspunkte ergänzt werden, die in der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt sind:
1. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbauänderungsgesetz 1980 — WoBauÄndG) (Drucksache 8/3596)
Berichterstatter: Abgeordneter Vogel (Ennepetal)

2. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Elften Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes (Drucksache 8/3597) Berichterstatter: Minister Schmidhuber
3. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung (Drucksache 8/3598)
Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
4. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1981) (Drucksache 8/3601)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

5. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz — BStatG) (Drucksache 8/3602)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

6. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung statistischer Rechtsvorschriften (1. Statistikbereinigungsgesetz) (Drucksache 8/3603)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

Die Drucksachen zu diesen Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses werden nach Eingang sofort fertiggestellt und im Plenum verteilt. Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 3 der Tagesordnung am Freitag nach Punkt 14 aufgerufen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Im interfraktionellen Einvernehmen wird folgende Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde empfohlen. In der nächsten Sitzungswoche findet nur eine Fragestunde statt. Diese Fragestunde dauert 120 Minuten. Diese Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde muß vom Bundestag nach § 127 der Geschäftsordnung mit
Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden. Ich bitte diejenigen, die mit der Empfehlung einverstanden sind, um ihr Handzeichen. — Danke schön. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Empfehlung ist mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Die Fragestunde wird am Mittwoch, dem 13. Februar 1980, von 12 bis 14 Uhr abgehalten.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der. Bundesminister des Innern hat mit Schreiben vom 17. Januar 1980 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft die Kleine Anfrage der Abgeordneten Amling, Batz, Büchner (Speyer), Klein (Dieburg), Dr. Müller-Emmert, Müller (Bayreuth), Scheffler, Schirmer, Dr. Jens, Dr. Nöbel, Walther, Dr. Penner, Egert, Frau Eilers (Bielefeld), Frau Renger, Frau Steinhauer, Glombig, Hauck, Fiebig, Reuschenbach, Mischnick, Dr. Dr. h.c. Maihofer, Hoffie, Spitzmüller, Eimer (Führt), Dr.-Ing Laermann, Ludewig und der Fraktionen der SPD und FDP betr. Sport für behinderte Mitbürger — Drucksache 8/3477 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 8/3574 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat mit Schreiben vom 17. Januar 1980 im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen, dem Bundesminister des Innern, dem Bundesminister für Wirtschaft, dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen und dem Bundesminister für Forschung und Technologie die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pfeifer, Dr. Köhler (Wolfsburg), Rühe, Daweke, Frau Benedix-Engler, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Dr. Müller, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Frau Dr. Wilms, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU betr. Lage der wissenschaftlichen Buchverlage — Drucksache 8/3425 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 8/3605 verteilt.
Die in Drucksache 8/3452 unter Nr. 2 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Einfuhrregelungen gegenüber Staatshandelsländern
wird als Drucksache 8/3583 verteilt.
Die in Drucksache 8/3452 unter Nr. 4 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung des Anhangs II, 2 der Richtlinie des Rates 72/276/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über bestimmte Methoden der quantitativen Analyse von binären Textilfasergemischen
wird als Drucksache 8/3584 verteilt.
Die in Drucksache 8/3452 unter Nr. 8 aufgeführte EG-Vorlage
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/62/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge
wird als Drucksache 8/3585 verteilt.
Die in Drucksache 8/3452 unter Nr. 9 aufgeführte EG-Vorlage
Mitteilung über Krisenmaßnahmen für die Eisen- und Stahlindustrie der Gemeinschaft im Jahre 1980
wird als Drucksache 8/3586 verteilt.
Die in Drucksache 8/3399 unter Nr. 1 aufgeführte EG-Vorlage
Mitteilung über Vorschläge von Verordnungen des Rates über die Einrichtung von spezifischen Gemeinschaftsmaßnahmen zur Regionalentwicklung gemäß Artikel 13 der EFRE-Verordnung
wird als Drucksache 8/3587 verteilt.
Die in Drucksache 8/3399 unter Nr. 2 aufgeführte EG-Vorlage



Vizepräsident Wurbs
Jahreswirtschaftsbericht 1979/1980 und Jahreswirtschaftsübersicht 1979/1980
wird als Drucksache 8/3588 verteilt.
Die in Drucksache 8/3399 unter Nr. 3 aufgeführten Vorlagen über
— Multilaterale Handelsverhandlungen im Rahmen des GATT (Mitteilung der Kommission an den Rat)

— Abschlußbericht über die multilateralen Handelsverhandlungen in Genf im Rahmen des GATT (Tokyo Runde)

— Vorschlag eines Ratsbeschlusses mit den Anhängen I bis III
werden als Drucksache 8/3589 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 15. Januar 1980 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents
— für Gemüsepaprika oder Paprika ohne brennenden Geschmack der Tarifstelle 07.01 S des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern
— für getrocknete Weintrauben der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern
— für Weine der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern
— für Likörweine der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern
— für Auberginen der Tarifstelle ex 07.01 T des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern
— für Tafeltrauben der Tarifstelle ex 08.04 A I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern

(Drucksache 8/1953 Nr. 1)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung •(EWG) Nr. 2825/77 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Rindfleisch, anders zubereitet oder haltbar gemacht, der Tarifstelle ex 16.02 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in Malta (1978) (Drucksache 8/1953 Nr. 2)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Aussetzung der Anwendung eines durch die Verordnung (EWG) Nr. 702/78 festgesetzten Richtplafonds für die Einfuhren bestimmter Waren mit Ursprung in Portugal (Drucksache 8/1953 Nr. 3)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung (EWG) Nr. 1267/69 zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallenden Waren aus Griechenland in die Gemeinschaft anwendbar sind (Drucksache 8/1954 Nr. 4)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Aufteilung eines Gemeinschaftszollkontingents für zur Herstellung von Brennwein bestimmten Wein aus frischen Weintrauben mit Ursprung in Algerien (1979 bis 1980) (Drucksache 8/2880 Nr. 1)
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls für ein bestimmtes Herbecid mit Ursprung in Rumänien (Drucksache 8/2880 Nr. 2)

Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung des durch die Verordnung (EWG) Nr. 964/78 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Aale, der Tarifstelle ex 03.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/2880 Nr. 3)
Vorschlag einer Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Auberginen der Tarifstelle ex 07.01 T des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1979) (Drucksache 8/2880 Nr. 4)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Weine mit Ursprungsbezeichnung der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs in Tunesien (1979/1980) (Drucksache 8/2880 Nr. 5)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates Ober die Regelung der Einfuhr von Jutegarnen mit Ursprung in Indien in die Benelux-Länder (Drucksache 8/2880 Nr. 6)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung (EWG) Nr. 1267/69 zur Festlegung der Sonderbestimmungen, die bei der Einfuhr von unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallenden Waren aus Griechenland in die Gemeinschaft anwendbar sind (Drucksache 8/3025 Nr. 1)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte Aale der Tarifstelle ex 03.01 A II des Gemeinsamen Zolltarifs (1. Juli 1979 bis 30. Juni 1980) (Drucksache 8/3025 Nr. 2)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung der autonomen Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für einige landwirtschaftliche Waren (Drucksache 8/3025 Nr. 3)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates über die zeitweilige
Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs
für Flugzeuge für maschinellen Antrieb, mit einem Leergewicht von mehr als 15000 kg, der Tarifstelle ex 88.02 B II c) (Drucksache 8/3025 Nr. 4)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für eine Reihe von industriellen Waren (Drucksache 8/3161 Nr. 1)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents
— für 38000 Stück Färsen und Kühe bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs
— für 5 000 Stück Stiere, Kühe und Färsen bestimmter Höhenrassen, nicht zum Schlachten, der Tarifstelle ex 01.02 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs

(Drucksache 8/3181 Nr. 2)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Veredelungsarbeiten an bestimmten Spinnstoffen im passiven Veredelungsverkehr der Gemeinschaft (Drucksache 8/3161 Nr. 5)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents
— für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko (1980)

— für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Tunesien (1980)


(Drucksache 8/3161 Nr.6)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung des Gemeinsamen Zolltarifs in bezug auf Wein (Drucksache 8/3161 Nr. 7)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufstockung des für das Jahr 1979 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Ferrochrom mit einem Gehalt an Kohlenstoff von 4 Gewichtshundertteilen oder mehr der Tarifstelle ex 73.02 E I des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/3161 Nr. 8)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufstockung des durch die Verordnung (EWG) Nr. 2470/78 für das Jahr 1979 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für bestimmtes Sperrholz aus Nadelholz der Tarifnummer ex 44.15 des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/3161 Nr. 9)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Aufstockung des durch die Verordnung (EWG) Nr. 2919/78 für das Jahr 1979 eröffneten Gemeinschaftszollkontingents für Rohmagnesium der Tarifstelle 77.01 des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/3161 Nr. 10)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Anwendung des Beschlusses Nr.../79 des Gemischten Ausschusses EWGÖsterreich, -Finnland, -Island, -Norwegen, -Portugal, -Schweden, - Schweiz zur Änderung der Liste B, die dem Protokoll Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse” und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen als Anhang beigefügt ist
Entwurf für einen Beschluß zur Änderung der Liste B im Anhang zum Protokoll Nr. 3 über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in" oder „Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (Drucksache 8/3161 Nr. 11)

Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2840/78 des Rates über die zolltarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, die zur Verwendung beim Bau, bei der Instandhaltung oder Instandsetzung von Luftfahrzeugen bestimmt sind (Drucksache 8/3161 Nr. 14)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates
— über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte in Spanien raffinierte Erdölerzeugnisse des Kapitels 27 des Gemeinsamen Zolltarifs (1980)

— über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für andere Gewebe aus Baumwolle der Tarifnummer 55.09 des Gemeinsamen Zolltarifs, mit Ursprung in Spanien (1980)


(Drucksache 8/3161 Nr. 15)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Malta (1980) (Drucksache 8/3161 Nr. 16)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung von Plafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter Erzeugnisse mit Ursprung in Malta (1980) (Drucksache 8/3161 Nr. 17)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für voll-
ständig in Griechenland gewonnenen Wein aus frischen Weintrau-



Vizepräsident Wurbs
ben und mit Alkohol stummgemachten Most aus frischen Weintrauben der Tarifnummer 22.05 des - Gemeinsamen Zolltarifs (1980) (Drucksache 8/3161 Nr. 18)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der einzelstaatlichen Anteile an bestimmten Höchstmengen für die Einfuhr von Textilwaren mit Ursprung in Drittländern (Drucksache 8/3161 Nr.20)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1117/78 über die gemeinsame Marktorganisation für Trockenfutter sowie der Verordnung (EWG) Nr. 827/68 über die gemeinsame Marktorganisation für bestimmte in Anhang II des Vertrags aufgeführte Erzeugnisse (Drucksache 8/3260 Nr. 1)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur vollständigen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in der Türkei (1980) (Drucksache 8/3260 Nr. 2)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung eines gemeinschaftlichen Zollkontingents für gefrorenes Büffelfleisch der Tarifstelle 02.01 A II b) 4 bb) 33 des Gemeinsamen Zolltarifs (Drucksache 8/3260 Nr. 3)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Aprikosenpülpe der Tarifstelle ex 20.06 B II c) 1 aa) des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Israel (1980) (Drucksache 8/2360 Nr. 4)
Mitteilung einer Empfehlung für einen Beschluß des Rates betreffend die Aushandlung eines Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko
Mitteilung einer Empfehlung für eine Verordnung des Rates über den Briefwechsel zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko (Drucksache 8/3260 Nr. 5)

Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Sardinen, zubereitet oder haltbar gemacht, der Tarifstelle 16.04 D des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Marokko (1980)

Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Sardinen, zubereitet oder haltbar gemacht, der Tarifstelle 16.04 D des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Tunesien (1980) (Drucksache 8/3260 Nr. 6)
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für bestimmte Spinnfasern der Tarifnummer 56.04 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980)

Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Oberbekleidung für Männer und Knaben der Tarifnummer 61.01 des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980) (Drucksache 8/3260 Nr. 7)
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Weine aus frischen Weintrauben der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980)

Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung von Gemeinschaftszollkontingenten für Likörweine der Tarifstelle ex 22.05 C des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980) (Drucksache 8/3260 Nr. 8)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2051/74 über die Zollregelung für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in und Herkunft aus den Färöer (Drucksache 8/3260 Nr. 9)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Zypern (1980) (Drucksache 8/3280 Nr. 2)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Haselnüsse, frisch oder getrocknet, auch ohne äußere Schalen oder enthäutet, der Tarifstelle ex 08.05 G des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in der Türkei (1980) (Drucksache 8/3280 Nr. 3)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Weintrauben in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von 15 Kilogramm oder weniger, der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen Zolltarifs (1980) (Drucksache 8/3280 Nr. 4)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für getrocknete Feigen der Tarifstelle ex Q8.03 B des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1980)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung,
Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für
getrocknete Weintrauben der Tarifstelle 08.04 B I des Gemeinsamen
Zolltarifs mit Ursprung in Spanien (1980) (Drucksache 8/3280 Nr. 5)
Empfehlungen für Verordnungen (EWG) des Rates über den Abschluß des Abkommens in Form eines Briefwechsels
— betreffend Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Staat Israel über die Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Israel in die Gemeinschaft (1980)

— zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft (1980)

— zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Marokko in die Gemeinschaft (1980)

— zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Tunesischen Republik hinsichtlich der Einfuhr haltbar gemachter Fruchtsalate mit Ursprung in Tunesien in die Gemeinschaft (1980)

— zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Einfuhr von Tomatenkonzentraten mit Ursprung in Algerien in die Gemeinschaft (1980)


(Drucksache 8/3280 Nr. 6)

Vorschlag einer Entscheidung des Rates zur Änderung der in Italien und in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Einfuhrregelungen für Zugmaschinen, Schuhe, Schirme und Aluminiumbleche mit Ursprung in Rumänien (Drucksache 8/3339 Nr. 1)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 2532/78 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus der Volksrepublik China auf weitere Erzeugnisse (Drucksache 8/3339 Nr. 2)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für gefrorenes Rindfleisch der Tarifstelle 0201 A II b) des Gemeinsamen Zolltarifs (Jahr 1980) (Drucksache 8/3339 Nr. 3)
Entwurf einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Kolophonium, einschließlich „Brais Resineux", der Tarifstelle 38.08 A des Gemeinsamen Zolltarifs (1980) (Drucksache 8/3339 Nr. 5)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung der Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte Gewebe und bestimmten Samt und Plüsch, auf Handwebstühlen hergestellt, der Tarifnummern ex 50.09, ex 55.07, ex 55.09 und ex 58.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (1980) (Drucksache 8/3339 Nr. 7)
Vorschläge für Verordnungen (EWG) des Rates zur Festsetzung des Richtplafonds und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren bestimmter. Waren mit Ursprung in Osterreich, Finnland, Norwegen und Schweden (1980) (Drucksache 8/3339 Nr. 8)
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung und Verwaltung eines präferentiellen Gemeinschaftsplafonds für bestimmte in der Türkei raffinierte Erdölerzeugnisse und zur Einrichtung einer gemeinschaftlichen Überwachung der Einfuhren dieser Erzeugnisse (Drucksache 8/3339 Nr. 9)
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf :
a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Familienförderung
— Drucksache 8/3143 —
Überweisung des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einführung eines Familiengeldes (Bundesfamiliengeldgesetz — BFGG)

— Drucksache 8/3443 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO



Vizepräsident Wurbs
c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Familiengeld für Nichterwerbstätige (Familiengeldgesetz — FamGG)

— Drucksache 8/3577 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
d) Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Zusammenfassender Bericht — über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht —
sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht
— Drucksache 8/3120 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
e) Beratung des Berichts der Sachverständigenkommission der Bundesregierung über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht
— Drucksache 8/3121 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Im Ältestenrat ist verbundene Debatte und außerdem vereinbart worden, die Beratung des Tagesordnungspunktes 2 um 13 Uhr zu unterbrechen. Nach der Mittagspause beginnen wir um 14 Uhr mit der Fragestunde. Um 15.30 Uhr werden die Zusatzpunkte zur Tagesordnung aufgerufen — Beratung der Beschlußempfehlungen des Vermittlungsausschusses — und anschließend Tagesordnungspunkt 4. Danach wird die unterbrochene Beratung des Tagesordnungspunktes 2 fortgesetzt. Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird zur Einbringung oder zur Begründung der Vorlagen zu Tagesordnungspunkt 2 das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Minister Huber.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819900100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute in verbundener Debatte vier Punkte zu behandeln. Ich möchte zuerst zum Dritten Familienbericht Stellung nehmen, den die Bundesregierung heute morgen einbringt.
Der Bericht hat 218 Seiten und stellt den Versuch einer erneuten Situationsanalyse mit entsprechenden Schlußfolgerungen dar. Um es vorweg zu sagen: Das Thema Familienpolitik ist zu wichtig, um es mit Spiegelfechtereien auszutragen. Ich wünsche mir, daß die Meinungen von Sachverständigen nicht erneut mit denen der Bundesregierung gleichgesetzt werden und daß wir nicht wieder darüber reden, ob die Regierung bzw. die Koalition grundsätzlich familienfeindlich sei. Es kann auch nicht darum gehen, Einzelmeinungen aus Wissenschaft und öffentlicher Diskussion so aufzuwerten, als stellten sie eine wirkliche Gefahr für die Wertschätzung der Familie dar, über die, so glaube ich, wir nicht streiten müssen.
Der Ihnen vorliegende Dritte Familienbericht hat seine Berechtigung, und das nicht nur, weil er von unabhängigen Sachverständigen auf Wunsch des Parlaments erstellt worden ist. Wenn Politik immer und zu allen Zeiten zur Zielsetzung hat, Probleme zu lösen, so ist das Aufzeigen der derzeitigen Probleme legitim, nötig und hilfreich. Wie immer der Bericht auch aussehen mag, möchte keine Regierung, kein Parlament auf Überblick, Rat und Meinung verzichten, was ja noch nicht Deckungsgleichheit in allen Auffassungen bedeutet.
Im Dritten Familienbericht haben sich die Sachverständigen sehr um Differenzierung bemüht. Um ihn zu beurteilen, muß man ihn gründlich lesen. Die Sachverständigen wollten den ihnen wichtig erscheinenden Problemen sorgfältig auf den Grund gehen. Sie wollten — das haben sie ausdrücklich auch öffentlich betont — mit ihrer Argumentation nicht parteipolitisch benutzt werden.
Liest man sich in den Bericht ein, so finden sich beachtliche positive Aussagen, etwa auf Seite 45, wo von der Verbesserung der allgemeinen Wohnungssituation die Rede ist, und auf Seite 48 wird die sehr wesentliche Aussage gemacht, daß wirkliche Armut auch im Bereich der unterdurchschnittlichen Familieneinkommen sich nicht mehr als Massenerscheinung zeigt, sondern daß hier vielmehr ein Auseinanderfallen individueller Vorstellungen von einem angemessenen Lebensstandard und dem auf der Basis des eigenen Leistungsvermögens zu realisierenden Lebensniveau in den Vordergrund getreten ist.
Die Sachverständigen teilen auf Seite 42 z. B. die Ansicht, der „Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung", die feststellt:
Bei genereller Betrachtung kommt man damit zu dem Schluß, daß die privaten Haushalte in der Bundesrepublik inzwischen einen Lebensstandard erreicht haben, bei dem der Slogan „Wohlstand für alle" sicherlich noch nicht für jeden, aber doch für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Wirklichkeit geworden ist. Der Verbraucher des Jahres 1977 hat keinen ausgeprägten Konsumhunger mehr.
Die vielseitigen Ausführungen zum Bildungsbereich, zu denen Herr Kollege Schmude noch sprechen wird, machen trotz mancher und sicherlich nicht überall unberechtigter Kritik an mangelnder Überschaubarkeit, Koordination und Familienbezogenheit der Bildung die Fülle des Angebots und auch der Chancen deutlich, die die Kinder früherer Generationen nicht hatten. Es wird besonders betont, daß Mädchen — zumindest zu Beginn der Schulkarriere — gleichgezogen haben. Außerdem



Bundesminister Frau Huber
weist der Bildungsteil hier eindeutig auf die Zuständigkeit der Länder hin.
Daß gleichzeitig der Wohnungsmarkt für große, materiell nicht besonders bevorzugte Familien Probleme mit sich bringt, ist sicherlich ein zentrales Problemfeld für viele Familien. Das unterstreichen auch wir. Es ist auch unsere Erkenntnis, daß hier ein Aufgabenfeld liegt. Die neue Wohngeldnovelle will dem ja dienen.
Auch wird nicht bestritten, daß der Lebensstandard einer Familie, deren Einverdienereinkommen für viele Köpfe reichen muß, vergleichsweise niedriger ist. Gerade deswegen wurde ja vor einem Jahr das Kindergeld für große Familien deutlich angehoben. Auch der geplante steuerliche Kindergrundfreibetrag wird sich hier nächstes Jahr günstig auswirken.

(Broll [CDU/CSU]: Doppelverdiener!)

Die Tabellen, die der Dritte Familienbericht umfaßt, sind allerdings meistens aus dem fahre 1973 und daher sehr überholt, gerade im Hinblick auf Kindergeld, Wohngeld, Ausbildungsförderung, nicht zu sprechen von dem noch nicht so lange verabschiedeten Mutterschaftsurlaub, den Unterhaltsvorschußkassen und mehreren Steueränderungsgesetzen. Heute ist die Aussage nicht mehr richtig, daß Familien im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren in ihrer ökonomischen Situation immer mehr absinken. Die Bundesregierung hat bereits in ihrer Stellungnahme zum Dritten Familienbericht betont, daß nach Berechnungen des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit auf der Grundlage des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens das verfügbare Einkommen von Familien mit Kindern im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren zwischen 1973 und 1978 stärker angestiegen ist.
Es ist aber natürlich legitim, wenn eine mit Familienfragen befaßte Kommission mehr und Besseres verlangt, als die Politik auf allen Gebieten gleichzeitig leisten kann: mehr Transferleistungen, mehr steuerliche Gerechtigkeit, bessere Lösungen beim Ehegattensplitting, auch Elternurlaub usw.
Ich stimme mit der Kommission darin überein, daß die Rangordnung der Familienpolitik hoch veranschlagt werden muß. Es erscheint mir dagegen nicht Aufgabe der Regierung zu sein, Leitvorstellungen über die Bevölkerungsentwicklung zu erstellen.

(Beifall bei der SPD — Broll [CDU/CSU]: Falsch!)

Kinderwünsche sind Angelegenheit der Privatsphäre. Sie erwachsen aus rein persönlichen Wert- und Glücksvorstellungen, für die die eigene materielle Situation und sicher auch das gesellschaftliche Klima von Bedeutung sind, wenn auch nicht von ausschließlicher Bedeutung. Der Bericht hebt z. B. hervor, wie wichtig die Wirkung der Einstellung der Elterngeneration für Kinderentscheidungen ist. Er weist auf die vielschichtigen Zusammenhänge hin, die das generative Verhalten bestimmen, wie auch auf die Tatsache, daß bei solchen Entscheidungen gesellschaftliche Auswirkungen in aller Regel nicht
mitbedacht werden, geschweige denn motivieren. Die positiven neuen Zahlen über die Geburtenentwicklung 1979, an die ich keineswegs neue Hochrechnungen knüpfen möchte, zeigen nur, wie unsicher Schätzungen auf diesem Gebiet sind. Gerade das haben wir hier früher immer gesagt.
Einer der Sachverständigen, Professor Schubnell, hat in einer Pressekonferenz schon letzten Sommer gesagt, daß die Prognosen zur Bevölkerungspolitik nichts anderes seien als „wissenschaftlich begründete Spekulation". Er sieht in der Bevölkerungsentwicklung keinen Grund zur Sorge. Ein Bevölkerungsrückgang, so sagte er, werde Entspannung und Humanisierung unseres Alltags bewirken. Das wiederum könne zur Stabilisierung des Geburtentrends und auch zu wieder höheren Geburtenziffern führen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Identifizieren Sie sich damit?)

Diese Aussage paßt allerdings nicht zu der Schlußfolgerung, die der Bericht im Kapitel „Soziale Sicherung und Altersstruktur" zieht. Trotz Einbeziehung von Faktoren wie Lohnhöhe, Beschäftigungsquote usw. wird hier die Besorgnis ausgedrückt, daß eine ähnlich gute Altersversorgung wie heute möglicherweise später nicht mehr gewährleistet sei. Im gleich anschließenden Kapitel über die Wirtschaftsentwicklung wird dagegen wegen der Arbeitsproduktivität, d. h. unserer technischen Entwicklung, auch bei Geburtenrückgang kein Pessimismus ausgedrückt. Der Zusammenhang dieses Punktes mit dem vorherigen Punkt ist, so scheint mir, wohl ein bißchen zu kurz gekommen.
Auch bei kleinerer Wachstumsrate, so sagen die Sachverständigen, könne nichts Negatives über die Wohlstandsentwicklung gesagt werden, sofern das Pro-Kopf-Einkommen nicht weniger stark wachse. Das sei bei schrumpfender Bevölkerung keineswegs ohne weiteres der Fall.
Bei den gesellschaftlichen Auswirkungen, so sagen die Sachverständigen, könne bei wachsendem Anteil der Älteren ein Trend zu mehr konservativer Haltung entstehen, doch sei der Einfluß der Alten auch hier nicht zu überschätzen. Dem ist sicher zuzustimmen.
Daß die veränderte Lebensweise die Zahl der Geburten beeinflußt hat, ist unter uns allen unbestritten, dennoch ist die Feststellung interessant, daß in der Bundesrepublik relativ noch nie so viel verheiratete Menschen lebten wie heute. In den mittleren Altersgruppen sind 90 % aller Männer und Frauen verheiratet. Gerade heute morgen konnte man in der Zeitung überdies eine Notiz lesen über den Heiratsboom 1979.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das liegt an den geburtstarken Jahrgängen!)

Soweit die Zahlen für 1979 vorliegen, d. h. für elf Monate, sind 38 000 Eheschließungen erfolgt. Das sind 6,3 % mehr als im Vergleichszeitraum 1978. Auch wenn man die Jahrgangsstärken berücksichtigt, ergibt sich doch eine relative Steigerung. Dies alles



Bundesminister Frau Huber
sollte vielleicht ein wichtiger Hinweis für jene sein, die überall Abkehr von der Familie vermuten.
Ein wichtiges Thema — auch für die Altersgruppen, von denen ich gerade gesprochen habe — ist die verstärkte Teilnahme der Frau am Berufsleben. Der Bericht widmet dieser Frage etliche Passagen. Er bestätigt den auch von uns konstatierten Trend zu mehr Berufstätigkeit von Frauen und Müttern trotz nach wie vor noch unpopulärer Rolle des „Hausmannes". Der Mann, so stellen die Sachverständigen fest, wird nicht nach der Aufteilung seiner Zeit für Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung gefragt, bestenfalls nach der Verwendung seiner Freizeit. „Niemand fragt den Ehemann nach Motiven für seine Erwerbsarbeit." 'Das sind Feststellungen, über die Frauen heute nachdenken.
Die Sachverständigen sagen auf Seite 33, daß der zeitweilige oder dauerhafte Verzicht eines Ehepartners — meist der Frau — auf Erwerbstätigkeit zwar hoffen lasse, daß Kinder gut versorgt würden, eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Solche Entscheidungen könnten — hier zitiert der Bericht einer Untersuchung —, wenn sie vor allem von der Frau nicht voll mitgetragen würden, eine erhebliche Belastung des Familienlebens darstellen:
Mit ihrer Rolle unzufriedene Familienhausfrauen tun sich am schwersten bei der Erziehung ihrer Kinder, und auch die Partnerbeziehung läßt sich in diesen Familien nicht von vornherein leichter entfalten.
Die Sachverständigen setzen, genau wie auch ich es das letzte Mal hier betont habe, Emanzipation nicht mit Erwerbstätigkeit gleich, aber sie sagen, daß der Sozialisationsweg der nachwachsenden Frauengeneration kaum noch auf das Lebenskonzept der Familienhausfrau mit seinen Verzichtsleistungen und Unsicherheiten ausgerichtet ist. Sie sagen in einem späteren Kapitel auch, daß den Wünschen der Frau bei der Familienplanung jetzt größeres Gewicht zukommt und daß den Ehepaaren durch die öffentliche Diskussion jetzt viel deutlicher wird, welche Alternativen ihre Lebensplanung bieten kann. Solche Aussagen bekräftigen meiner Meinung nach die These, daß die Politik hier nicht nach einfachen althergebrachten Konzepten verfahren kann, sondern trotz unterschiedlichen gruppenspezifischen Verhaltens, das im Bericht auch dargelegt ist, neue Wege suchen muß.
Der Bericht widmet einen Abschnitt auf Seite 64 einem Thema, das in den letzten Jahren vielleicht zu wenig Beachtung gefunden hat. Haushalten, sagt er, müsse gelernt werden, und dies sei in der Wohlstandsgesellschaft keineswegs bedeutungsloser geworden. Es sei uns keineswegs angeboren, Lebensqualitäten abzuschätzen, Handlungsspielräume einzuschätzen, Alternativen auf Wirkungen und Kosten vergleichend zu untersuchen und mit den verfügbaren Ressourcen ökonomisch umzugehen. Dem ist zuzustimmen, und zuzustimmen ist auch der Feststellung, daß heute mehr Information und Rat für die Daseinsvorsorge nötig ist. Das ist gemeint, wenn wir hier so oft z. B. von mehr Elternbildung reden. Fehlentwicklungen sind hier aber nicht allein dem Staat anzulasten, denn Informationsangebote
müssen auch genutzt werden. Ich stimme auch der an anderer Stelle erhobenen Forderung des Berichts zu, daß mehr Forschung für den Familienbereich nötig ist.
In Kapitel 7 beschäftigt sich der Bericht mit den ausländischen Familien, die keine „Gastarbeiterfamilien" mehr sind. Ihre besonderen Probleme — geringe berufliche Qualifikation, Wohnungssorgen, Anpassungsprobleme der Familien und der Kinder, Schul- und Arbeitsplatzsorgen besonders der nachwachsenden Generation — sind lösungsbedürftig. Gleichzeitig soll die nationale Eigenständigkeit erhalten bleiben, was zu erreichen bisher nur in wenigen Modellen versucht wird. Die Bundesregierung wird sich im März mit diesem wichtigen Thema befassen, das natürlich auch Länder und Gemeinden angeht.
Zuzustimmen ist dem Satz im Schlußkapitel des Berichts, daß der Familie keine Belastungen zugemutet werden sollen, die sie nicht tragen kann. Wir haben hier in mancherlei Zusammenhängen über ökonomische und über nicht-materielle Hilfen — ich erinnere z. B. an das Thema „Jugendhilfe" — lange gesprochen. Öffentliche Hilfen sollen und dürfen andererseits nicht zu einer Entmündigung der Familie bei der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben führen. Auch das ist unsere Meinung.
Ich begrüße es, daß im Schlußkapitel auch ein deutlichesWort zu der Notwendigkeit gesagt wird, besonders Konfliktsituationen von Müttern zu mindern, und zwar nicht durch Zurückdrängen von Wohlstandsmotiven und durch Ausschaltung des Wunsches nach beruflicher Integration dergestalt, daß nur die Mutterschaft gesellschaftlich aufgewertet wird, aber, so der Bericht, auch nicht auf dem umgekehrten Wege der einseitigen Stärkung von Berufswünschen und Wohlstandswünschen auf Kosten der Kinder. Auch dem stimme ich zu.
Ich kann in der hier gebotenen Kürze nicht auf alle Punkte des Berichts eingehen. Viele kritische Anmerkungen wären eine lange Diskussion wert. Unbeschadet aller Kritik möchte ich jedoch den Sachverständigen für ihre eingehende Arbeit und für ihr Engagement, das man darin spüren kann, herzlich danken.
Zu den anderen Vorlagen ist zu sagen, daß der Bundesratsentwurf auf Drucksache 500/79 und der Oppositionsentwurf zur Einführung eines Familiengeldes deckungsgleich sind. Es handelt sich hier um jene 500 DM, die sechs Monate lang an Mütter gezahlt werden sollen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Ich habe viel Verständnisfür die finanzielle Belastung insbesondere junger Familien, die sich auf ein oder mehrere Kinder einstellen müssen. Jedoch sollten staatliche Hilfen nicht mit der Auflage verbunden sein, für diese Summe einen Arbeitsplatz aufzugeben — mit all der Unsicherheit, ohne Kündigungsschutz nachher wieder Anschluß suchen zu müssen. Auf diese Weise wird die Wahlfreiheit, um die es uns ja geht, sicherlich nicht hergestellt; das ist vielmehr eher ein Versuch, den Frauen die Berufstätigkeit abzukaufen. Wir stimmen nur einer Leistung zu, wir könnten nur einer Leistung zu-



Bundesminister Frau Huber
stimmen, die nicht an solche Auflagen geknüpft ist.
Der Bundesrat hat mit seinem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Familienförderung ferner ein Bündel anderer Vorschläge unterbreitet. Die Ausweitung des Anspruchs auf Haushaltshilfe für Haushalte, in denen ein Kind unter zwölf Jahren lebt, würde allein die gesetzliche Krankenversicherung ungefähr 50 Millionen DM kosten. Dazu kämen die Aufwendungen der Rentenversicherung für Rehabilitation. Die Ausdehnung des Arbeitsfreistellungs- und Krankengeldanspruchs von fünf auf zehn Tage bei Erkrankung eines Kindes würde ebenfalls zu einer Mehrbelastung der gesetzlichen Krankenkassen führen, zumal auch hier die Altersgrenze auf zwölf Jahre angehoben werden soll. So verständlich diese Wünsche sind, meine Damen und Herren — ich verkenne nicht, daß das sehr verständliche Wünsche sind —: Die Bundesregierung sieht die Schwerpunkte der Weiterentwicklung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenkassen jetzt nicht in diesen Änderungen, sondern z. B. in der Verbesserung der häuslichen Krankenpflege. Es ist beabsichtigt, Haushaltshilfen durch Satzungsregelung der Krankenkassen in den Fällen zu gewähren, in denen Krankenhauspflege nicht in Anspruch genommen wird.
Was den dritten Punkt dieses Entwurfs angeht, nämlich Wohnflächengrenzen im öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Wohnungsbau den familienpolitischen Bedürfnissen anzupassen, so ist sich die Bundesregierung in der Zielsetzung mit dem Bundesrat einig. Da die durchschnittlichen Wohnflächen trotz Zunahme bei den einzelnen Wohnungsarten aber noch deutlich unter den gesetzlichen Förderungsgrenzen liegen, ist hier ein generelles Bedürfnis zur Zeit nicht zu erkennen. Die Einzelregelungen nach § 39 Abs. 2 des Wohnungsbaugesetzes lassen im übrigen auch schon jetzt eine flexiblere Handhabung zu. Im Eigenheimbau hat sich die Situation durch Nichtanrechnung von Hobbyräumen, ausgebauten Kellerräumen usw. verbessert. Bei Familienheimen mit zwei Wohnungen dagegen hält die Bundesregierung eine Erhöhung der Wohnflächengrenze von 180 auf 200 Quadratmeter für geboten, damit die zweite, zum Vermieten bestimmte Wohnung mindestens 70 Quadratmeter groß werden kann. Ausnahmeregelungen zur Überschreitung der Wohnflächengrenzen nach § 82 sind in manchen Fällen sicher erwünscht, kommen aber wegen der hohen Grundstücks- und Baupreise wohl nur in seltenen Fällen wirklich in Frage.
Zu § 7 b schließlich hat die Bundesregierung einen Bericht vorgelegt. Hier sollen bei Umstellung auf ein neues Fördersystem Familien stärker berücksichtigt werden; auch dies ist geboten. Die Diskussion über die Umstellung sollte jedoch abgewartet werden.
Zusammenfassend möchte ich zu den von der Opposition bzw. dem Bundesrat eingebrachten Gesetzesvorlagen sagen: Es lassen sich natürlich noch viele Verbesserungen für Familien denken, mehr, als man auf einmal finanzieren kann. Die Bundesregierung hat die materielle Situation der Familien
seit 1970 Schritt für Schritt verbessert. Die Leistungen für die Familien stiegen — in absoluten Zahlen — von 1970 bis 1978 von 32,3 auf 60,5 Milliarden DM.

(Beifall bei der SPD)

Diese Zahlen können sich sehen lassen. Sie sind auch nicht das Ende der familienbezogenen und familienentlastenden Politik, wie Sie aus den Ankündigungen der für nächstes Jahr vorgesehenen Verbesserungen wissen.

(Beifall bei der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819900200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wex.

Dr. Helga Wex (CDU):
Rede ID: ID0819900300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier heute den Dritten Familienbericht zu diskutieren. Er beweist die schwierige Lage der Familien in unserer Zeit und zeigt, wie gering der Stellenwert ist, den die Familienpolitik in der Bundesrepublik hat.

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Es hat, glaube ich — es möge mir jemand widersprechen, der länger in diesem Parlament ist —, noch niemals einen von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Bericht gegeben, der die Politik der Opposition so umfassend bestätigt wie dieser Familienbericht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn etwas von der Betroffenheit, die aus diesem Familienbericht — auch in der Kritik an der Bundesregierung — spricht, au ch in der Rede der Ministerin zum Ausdruck gekommen wäre. Nichts von dieser Betroffenheit, nichts von dem Hintergrund, auf dem sich diese Familienpolitik und diese Debatte heute bewegen, ist durchgeschlagen. Was muß denn im Jahre 1980 eigentlich noch passieren angesichts einer Situation, in der wir so viele Drogentote haben, in der wir so viele Kinderselbstmorde haben? Ist es denn nicht möglich, daß die Bundesregierung die Chance eines freien Parlaments und eines freien Staates dazu nutzt, auch einmal einen Irrtum zuzugeben, den Irrtum einer ganzen Richtung in der Familienpolitik?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich hat Frau Huber das Recht, sich in dieser Auseinandersetzung etwas zu wünschen. Aber wir sind hier nicht dazu da, Wünsche zu erfüllen, sondern vor allem dazu, Politik zu machen. Das Fehlen einer Politik ist auch eine Aussage; denn darin, was Sie, Frau Huber, zum Familienbericht aufgezählt haben, zeigt sich, daß unser seit langem gehegter Verdacht und Vorwurf, es sei kein abgestimmtes Konzept vorhanden, bestätigt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht zu Unrecht ist der Zustand der Familie in einer Gesellschaft als Seismograph für die Lage der Gesamtgesellschaft bezeichnet worden. Da es sich bei der Familie um eine vorstaatliche, für den Zustand der Gesellschaft und des Staates elementar notwendige Gemeinschaft handelt, ist Politik für die Familie Politik für die Gesellschaft und für die Ge-



Frau Dr. Wex
samtgesellschaft. Familienfeindliche Politik ist nicht nur kinderfeindliche Politik im engeren Sinne, sondern gesellschaftsfeindliche und antihumane Politik. Wer Humanität wirklich will — das wollen wir doch alle —, muß Ehe und Familie als diejenigen Stätten fördern, in denen der Mensch gesellschaftliches Leben als humanes Leben erfährt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Den Sachverständigen ist zu danken, daß sie die Gesamtsituation der Familie in bemerkenswerter Unabhängigkeit ohne politischen Opportunismus analysiert und damit schwerwiegende gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte aufgedeckt haben. Damit kann der Dritte Familienbericht zu einer wesentlichen Neubelebung der familienpolitischen Diskussion beitragen, indem er aus den aufgeführten Tatsachen Konsequenzen zieht. Es muß sich endlich einmal die Einsicht durchsetzen, was es bedeutet, Familienpolitik im gesellschaftlichen Mittelpunkt zu haben und sich da, Frau Huber, einschalten zu können, wo wirklich die Entscheidung für zukunftsorientierte Politik in dieser Regierung getroffen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir erwarten von den Koalitionsparteien und der Bundesregierung, daß sie angesichts der steigenden Unsicherheit in den Familien von ihrem doch auch im Bericht unbestreitbar als falsch dokumentierten gesellschaftspolitischen Weg der Fraktionierung der Familie in Kinder, Mutter und Vater nun endlich ablassen und den angeblichen Funktionsverlust der Familie nicht mehr als Alibi mißbrauchen, indem sie mit diesem angeblichen Verlust die Verlagerung der Familienaufgaben auf andere gesellschaftliche Institutionen begründen.
Die wirkliche Begründung würde nämlich die Ideologie offenlegen, die hinter allem steht: zunächst wird die Familie als Institution durch überkritische Einstellung zu ihr schwach gemacht und dann diese Tatsache als Alibi für die Eingriffsmöglichkeiten des Staates benutzt.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!) Das ist der Hintergrund.

Nach dem Familienbericht stehen die Familien heute vor außerordentlichen Schwierigkeiten. Es ist Aufgabe von Staat und Gesellschaft, also unsere Aufgabe, für die Lösung dieser Schwierigkeiten ideelle und materielle Hilfen anzubieten. Die vielgeschworenen Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit müssen ihre Anwendung vornehmlich auch im Hinblick auf Ehe und Familie finden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht nicht nur darum, neue sozialpolitische Maßnahmen zu fordern, nicht nur darum, Ungerechtigkeiten und unzumutbare Belastungen der Familie zu beseitigen, sondern auch darum, das Maß staatlicher Vormundschaft und Eingriffsrechte in die Familie so weit wie möglich zurückzudrängen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

den freien Spielraum zu erhalten und die Eigenverantwortlichkeit zu fördern.
Wir verkennen natürlich nicht, daß sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Familie auf Grund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unserer Zeit geändert haben. Weitgehend sind Altersversorgung und Sorge für die Ausbildung der Kinder heute nicht mehr nur Familienaufgaben, sondern Aufgaben der Gesamtgesellschaft, die sich insofern als Solidargemeinschaft versteht.
Daraus darf jedoch kein Recht abgeleitet werden, die Autonomie der Familien als solche in Frage zu stellen. Wohl aber gilt: Weil Familien den Bestand der Gesamtgesellschaft auf Zukunft hin sichern, ist es notwendig, um der Zukunft der Gesamtgesellschaft willen die Familie nicht im Stich zu lassen. Materielle Hilfen für die Familien sind keine mehr oder weniger huldvoll gewährten Subventionen, sondern gesamtgesellschaftliche Investitionen zur Sicherung unserer Zukunft, für das menschliche Zusammenleben und die innere Struktur unserer Gesellschaft. In der elementaren Bedeutung von Ehe und Familie liegt die Priorität solcher materieller Hilfen begründet.
Kein Zweifel: Entscheidende Bedeutung für die Situation unserer Familien hat die Rolle der Frau. Nach Ansicht der Sachverständigen kollidieren in „Familien mit Kindern" die Sozialisationschancen der Frau mit den Ansprüchen des Kindes. Der Bericht stellt fest, daß, „sobald ein Kind in eine Familie geboren wird, sich das Lebensniveau der Familie verschlechtert, die Ansprüche an die Versorgungsleistungen des Haushalts steigen und die Belastungen und Beanspruchungen der Ehepartner zunehmen, da ein Kind einer ständigen Pflegebereitschaft bedarf. Dies führt insgesamt neben der zeitlichen Beanspruchung zu finanziellen Engpässen. Bleiben in dieser Phase Mann und Frau berufstätig, entstehen Belastungen, die vornehmlich von den Frauen getragen werden." So weit der Sachverständigenbericht. Ich werde mich mit diesem Zitat noch besonders auseinandersetzen. In dem Sachverständigenbericht, aber auch in der gesamten Diskussion über die Lage der Familien und Kinder fehlt eines. Immer wieder hört man, daß die Kinder Belastungen sind, daß sie Verpflichtungen auferlegen. Es sollte auch einmal gesagt werden, daß es Freude macht, Kinder zu haben und sie zu erziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß wir es hier nicht nur mit einem familienpolitischen, sondern auch mit einem frauenpolitischen Thema zu tun haben. Wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß es für die Frauen zu Rollenkonflikten kommen kann, die nicht nur etwa in materiellen Erwägungen wurzeln, sondern auch in ideellen, da ja der Verzicht auf einen mit Freude und innerem Engagement ausgeübten Beruf vielfach schwerwiegt. Aus diesem Rollenkonflikt ergeben sich Spannungen. Es ist Aufgabe der Familienpolitik, das Spannungspotential zu vermindern. Insofern geht es nicht nur, wie der Sachverständigenbericht meint, um den Abbau der Überbelastung erwerbstätiger Mütter, sondern um die Schaffung von Möglichkeiten, nach gewissen Zeiten der Freistel-



Frau Dr. Wex
I lung ausschließlich für die Familie auch wieder in die Berufstätigkeit eintreten zu können. Frauenpolitik ist eben nicht mit Familienpolitik erschöpfend beschrieben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Heute wird oft von der Krisensituation der Familie gesprochen. Wir sollten hier vornehmlich von der Krise — und das ist noch gelinde gesagt — der Familienpolitik der Bundesregierung sprechen. In den letzten Jahren wurde die Familienpolitik allenfalls zögernd fortgeschrieben. Keiner wird behaupten wollen, für die Bundesregierung und für die Koalitionsparteien SPD und FDP sei die Familie Mittelpunkt einer zukunftsorientierten, ressortübergreifenden Gesellschaftspolitik gewesen. Wäre sie es gewesen, so hätte der Dritte Familienbericht ganz anders ausgesehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Versäumnisse, die zu einer Bedrohung nicht nur der Familie, sondern auch der Gesellschaft überhaupt geführt haben, zeigen sich an fünf für die Familie entscheidenden Bereichen, die auch von den Sachverständigen mit Nachdruck herausgehoben wurden. Ich möchte die Position der CDU/CSU hieran verdeutlichen.
1. Die CDU/CSU lehnt in . ihren familienpolitischen Vorstellungen einseitige Leitbilder jeglicher Art ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mann und Frau soll es ermöglicht werden, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sei es, indem beide außerhäuslich tätig sind, sei es, daß ein Ehepartner familiäre Aufgaben übernimmt Beides sind gleichwertige Tätigkeiten, auch im Dienste der Gesellschaft. Das müssen wir anerkennen.
Deshalb haben wir erneut den Gesetzentwurf zur Einführung des Familiengeldes im Bundestag eingebracht und werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen, das von 72 % der Bevölkerung befürwortete Erziehungsgeld politisch durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kinder benötigen ein Höchstmaß an Zeit und Ausgeglichenheit in der Zuwendung. Diese Zuwendung ist für ihre gesamte weitere Entwicklung entscheidend. Deshalb ist es nach Auffassung der CDU/ CSU besonders auch mit zunehmender Kinderzahl fast unumgänglich, daß sich ein Elternteil ganz dieser Aufgabe widmet. Die Entscheidung, ob Vater oder Mutter diese Aufgabe übernehmen, muß den Eltern selbst überlassen bleiben. Familienpolitisch jedoch haben wir zu gewährleisten, daß diese Zuwendung nicht zu gesellschaftlichen und sozialen Benachteiligungen für 'denjenigen führt, der diese Aufgabe übernimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die von uns erstrebte Wahlfreiheit bedeutet die Wahl zwischen sozial und gesellschaftlich Gleichwertigem. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Akzente aus vielerlei Gründen zugunsten der Erwerbstätigkeit beider Elternteile verschoben. Die Möglichkeit, zwischen Gleichwertigem zu wählen,
wird durch die einseitige Bevorzugung der Erwerbstätigkeit der Frau in der Familien- und Sozialpolitik verhindert. So begünstigt z. B. das von den Koalitionsparteien durchgesetzte Mutterschaftsurlaubsgesetz einseitig die erwerbstätige Frau.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Die CDU/CSU will mit ihrem Familiengeldgesetzentwurf diese Einseitigkeit beseitigen und auch nichterwerbstätige Mütter mit einbeziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

2. Familie und Bildungssystem. Die Sachverständigen setzen sich ausführlich mit dem Verhältnis von Familie und Bildungssystem auseinander. Allgemein wird die Feststellung getroffen, daß „der Einfluß der häuslichen Erziehungsumwelt nicht hoch genug veranschlagt werden kann und ungleich höher ist als der der schulischen Umwelt".

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ich finde, daß diese Aussage sehr dramatisch ist, auch auf dem Hintergrund unserer bildungspolitischen Diskussion. Kein Wort davon, Frau Huber, in Ihrer Rede! Diese Aussage weist auf den engen inneren Zusammenhang von Familienpolitik und Bildungspolitik hin. Tatsächlich aber hat sich die Familienpolitik weitgehend unabhängig von der Bildungspolitik entwickelt, wahrlich ein verhängnisvoller Weg, zum Schaden unserer Kinder.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht nur hat die Bildungspolitik heute weitgehend die Familienpolitik ausgeklammert, sondern ebenso hat die Familienpolitik Bildungs- und Schulfragen bisher weitgehend ausgeklammert

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!)

und kaum Einfluß auf die bildungspolitischen Maßnahmen ausgeübt.
Durch die autonome Entwicklung der Bildungspolitik — ohne Rücksicht auf die Familien — sind vom Schul- und Ausbildungswesen her starke zusätzliche Belastungen auf die. Familie zugekommen. Der Familienbericht weist aus, daß die Erwartungen der Familie an die Schule nicht erfüllt wurden und daß die Familien Leistungen erbringen müssen, die von den Schulen zu erbringen wären.

(Burger [CDU/CSU]: So ist das!)

Gerade im Bereich der bildungspolitischen Entwicklung zeigt sich der Widerspruch, mit dem sich die Familien heute auseinandersetzen müssen, mit aller Deutlichkeit. Einerseits wird von bestimmter Seite familienpolitisch behauptet, daß die vollzeitliche Betreuung unserer Kinder, wenn überhaupt, dann nur in den ersten drei Lebenjahren notwendig sei. Gleichzeitig aber wird die zeitliche Beanspruchung der Eltern durch den ständigen Wechsel schulischer Anforderungen und die dadurch entstehenden Unsicherheiten der Eltern immer höher.
Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Familienpolitik die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, daß die Bildungseinrichtungen den Erziehungsauftrag des Elternhauses unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Frau Dr. Wex
Konkret gesagt: Elternhaus und Schule müssen eng zusammenarbeiten.
3. Familie und Wohnung.
Der Sachverständigenbericht stellt fest, daß die flächenmäßige Unterversorgung der Bevölkerung — vor allem der Familien mit mehreren Kindern — noch recht erheblich ist. So waren 1973 26% aller Familien — gemessen an den Kölner Empfehlungen, die aber nicht etwa als Maßstab für eine optimale Wohnraumversorgung angesehen werden können und dringend der Überarbeitung bedürfen — unterversorgt. Für 26% der Familien bedeutet dies, daß eine vierköpfige Familie nicht einmal über 69,5 qm verfügt. Der Bericht stellt fest, daß 36% aller Kinder wohnungsmäßig unterversorgt sind und daß Familien mit Kindern gezwungen sind, schlechter ausgestattete Wohnungen zu wählen. Die staatliche Wohnungsbaupolitik hat den familiären Bedürfnissen nicht Rechnung getragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Neukonzeption der Wohnungsbauförderung ist überfällig. Die Union fordert deshalb nachdrücklich eine solche Neukonzeption. Das kann nur dadurch geschehen, daß die Wohnungswirtschaft unter sozialer Absicherung der einkommensschwächeren Bevölkerungskreise schrittweise in die Soziale Marktwirtschaft eingebunden wird:

(Zuruf von der SPD: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Hier wird der Zusammenhang mit einem entsprechend ausgestalteten Familienlastenausgleich deutlich. Die knappen Mittel der staatlichen Wohnungsbauförderung müssen gezielt — vor allem auch zur Deckung einer hinreichenden Wohnversorgung für kinderreiche Familien — eingesetzt werden.
Den Vorschlägen der Sachverständigenkommission, das Verhältnis von Subjekt- zu Objektförderung zugunsten der Subjektförderung zu verändern, das Wohngeld zugunsten von Familien mit Kindern zu verbessern, die Förderung der Erlangung von Wohneigentum unter Beibehaltung des Förderungsvolumens familiengerechter auszugestalten, verstärkt seitens Gesetzgeber und Exekutive darauf hinzuwirken, daß Mietern die von ihnen bewohnte Wohnung zum Kauf angeboten wird, und die Benachteiligung von Familien mit mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Ehepaaren bei der Wohnungssuche zu beseitigen, ist zuzustimmen. Diese Vorschläge entsprechen den seit Jahren von uns erhobenen Forderungen.
4. Familienlastenausgleich.
In der Bundesrepublik besteht ein erhebliches Einkommensgefälle zwischen Ehepaaren ohne Kinder und Familien mit Kindern. Durch den bestehenden staatlichen Familienlastenausgleich wird dieser Einkommensunterschied nur unzureichend ausgeglichen. Geht man von den Geldausgaben der Familien für Kinder aus, so haben die Familien nach Feststellung der Sachverständigen fast zwei Drittel der Kosten selbst zu tragen. Das 1975 von der Bundesregierung mit der Reform des Kindergeldes gesteckte Ziel, die Familien von etwa der Hälfte der
Kinderkosten zu entlasten, ist also bei weitem nicht erreicht worden.
Einschließlich der kollektiven Leistung der öffentlichen Hand im Bildungswesen werden zirka 54% der Aufwendungen für Kinder durch öffentliche Mittel finanziert. Bezieht man in solche Berechnungen jedoch die entscheidende Größe, nämlich den Zeitaufwand der Familien, mit ein, der besonders in kinderreichen Familien dadurch zum Ausdruck kommt, daß einer der Ehepartner auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit verzichtet, so stehen den Belastungen der Familie in Höhe von zirka 235 Milliarden DM öffentliche Leistungen in Höhe von 84 Milliarden DM gegenüber.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Nach Aussagen der Sachverständigen ist die Zuwendung an Zeit der größte Faktor, dies vor allem dann, wenn einer der Ehepartner auf eine außer-häusliche Erwerbstätigkeit verzichtet. Wir sind der Ansicht, daß es durch eine entsprechende Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs und des Systems der sozialen Sicherung im Rahmen der 84er-Reform gelingen muß, in Familien mit Kindern einen Elternteil für die Bedürfnisse der Familie ohne zu große ökonomische Benachteiligung freizustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um dies zu erreichen, sind langfristig drei Maßnahmebündel zu fordern und durchzusetzen.
Erstens. Das Kindergeld wird regelmäßig vom Gesetzgeber überprüft und an die Einkommens- und Kaufkraftentwicklung angepaßt,

(Beifall bei der CDU/CSU)

um die direkten Kosten der Pflege und Erziehung der Kinder wenigstens teilweise zu ersetzen. Hierbei sind die unterschiedlichen Formen von Kinder- geld, Kinderzuschlägen, Wohngeld, Ausbildungsförderung und Steuerfreibeträgen zu einem einheitlichen System aufeinander abzustimmen.
Zweitens. Eine gesellschaftliche und materielle Anerkennung der familiären Arbeitsleistung der Mutter - oder des Vaters, wenn er zu Hause bleibt — muß erfolgen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt in diesem Zusammenhang die Forderung der Sachverständigen nach Einführung eines Erziehungsgeldes. Mit dem Erziehungsgeld wird nach unserer Auffassung — dies haben wir bereits 1975 gefordert — ein Instrument geschaffen, das die gesellschaftliche und materielle Anerkennung der Familienleistung gewährleistet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens und letztens. Die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht muß in der Weise erfolgen, daß ein eigenständiger Rentenanspruch auch demjenigen ermöglicht wird, der sich ausschließlich mit der Kindererziehung befaßt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur so kann der vielfach bestehende Zwang zur Berufstätigkeit von Mann und Frau im Hinblick auf die Altersversorgung aufgehoben werden.



Frau Dr. Wex
5. Die Bevölkerungsentwicklung ist ein wichtiges Kapitel im Familienbericht. Die CDU/CSU kann sich nicht mit allen Wertsetzungen und Schlußfolgerungen der Sachverständigen im Dritten Familienbericht einverstanden erklären. Das gilt z. B. für die Aussage, daß sie Familienpolitik im Interesse der Familien als Anwalt der Frauen zu verstehen habe, und für die Aussagen zur Bevölkerungspolitik und Bevölkerungsentwicklung. Leben in einer Familie erfordert nach unserer Auffassung Partnerschaft von Mann und Frau. Zwar ist eine Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau auch in der Familie sinnvoll und notwendig. Diese Arbeitssteilung darf aber nicht einseitig zu Lasten der Frauen gehen, wie das heute in den meisten Fällen immer noch geschieht. Sie darf aber auch nicht einseitig zu Lasten des Mannes oder sogar der Kinder gehen. Die Arbeitsteilung sollte vielmehr zwischen den Partnern einvernehmlich geregelt werden. Es kann nicht Aufgabe der Familienpolitik sein, hier bestimmte Leitbilder quasi amtlich vorzugeben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Leider beschreiten die Bundesregierung und die Koalitionsparteien aber gerade diesen einseitigen Weg. Frau Fuchs sagte in ihrer Rede vor der SPD-Bundestagsfraktion am 4. September 1979:
Wir sollten nur ganz deutlich sagen: Wir können uns nicht vorstellen, daß wir es in den nächsten Jahren schaffen, die Frau durch gleichwertige Erwerbstätigkeit dazu zu bringen, daß sie durchgängig berufstätig ist.
So sieht die Bundesregierung die Wahlfreiheit der Frau; sie will vorrangig die durchgängige Erwerbstätigkeit. Dagegen muß es nach unserer Auffassung auch in Zukunft möglich sein, daß in Familien mit Kindern ein Partner die familiäre Aufgabe übernimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Familienpolitik sollte die Antwort auf diese Frage den Partnern selber überlassen.
In bezug auf die Bevölkerungspolitik sind wir mit den Sachverständigen insofern einer Meinung, daß die freie Entscheidung eines Paares, Kinder zu haben, ein Grundrecht menschlicher Existenz ist. Wir sagen aber auch, daß das Ergebnis dieser freien Entscheidung seitens der Gesellschaft zu respektieren ist. Aus unserer Sicht verbietet sich eine Familien-und Bevölkerungspolitik, die mit Geburtenprämien versucht, das Geburtendefizit abzubauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ohne Zweifel soll ein Staat einer Entwicklung, die seinen Bestand unter vielfältigen Gesichtspunkten gefährdet, entgegenwirken. Der Aussage der Sachverständigen: „Könnte man nachweisen, daß die verstärkte Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen zu einem Geburtenrückgang führt, wäre der Staat legitimiert, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken" ist aber entgegenzuhalten: Für die Probleme der Bevölkerungsentwicklung können nicht allein die Frauen verantwortlich gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielmehr ist es eine Frage, die die Gesamtgesellschaft betrifft.
Für die CDU/CSU ist aktive Familienpolitik, die wir bei der Regierung vermissen, eine entscheidende Grundlage einer freien und humanen Gesellschaft. Bevölkerungspolitik dagegen muß sich auf die politische Gestaltung von Rahmenbedingungen begrenzen, unter denen Ehepartner eine freie Entscheidung über ihren Wunsch nach Kindern treffen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Staat und Politik können nicht aus der Pflicht entlassen werden, materiell, psychologisch, moralisch und rechtlich für Rahmenbedingungen zu sorgen, die in unserer Gesellschaft ein familien- und kinderfreundliches Klima entwickeln.
Lassen Sie mich abschließen. Die Familienpolitik hat eine Wendung genommen, der wir entgegenwirken müssen. Natürlich behaupten wir nicht, daß allein die Regierung und die Koalitionsparteien diese Entwicklung ausgelöst haben. Aber wir behaupten, daß die Regierung und die Koalitionsparteien in den letzten Jahren zu wenig getan haben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auf die fehlerhafte Entwicklung im neuen Ehescheidungsrecht kann ich hier nicht im einzelnen eingehen. Wir alle aber wissen, wie stark die Öffentlichkeit die auf diesem Gebiet aufgetretenen Ungerechtigkeiten inzwischen registriert. Ich will mich darauf beschränken, anzumerken, daß gerade die gravierenden Mißbrauchstatbestände im Rahmen des jetzigen Scheidungsrechts, die dadurch möglich geworden sind, daß der Einzelfallgerechtigkeit zuwenig Raum geblieben ist, auch familienfeindliche Tendenzen stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um so wichtiger ist eine Familien- und Ehepädagogik. Was das angeht, haben die Koalitionsparteien und die sozialliberale Koalition bisher nur Fehlanzeige zu vermelden.
Wir bekennen uns zu der Institution Ehe und Familie. Nach unserer Auffassung muß aktive Familienpolitik auch bedeuten, eine humanere Gesellschaft schaffen zu wollen. Ihre Aufgabe kann es nicht sein, ein idealistisches Bild einer heilen Welt der Familie zu zeichnen und zu realisieren. Auch wenn wir es wollten, könnten wir es nicht schaffen. Wir verkennen nicht, daß es schlechte Familien gibt. Aber wir sollten bei der prinzipiellen Beurteilung nicht von Mitbrauchstatbeständen, sondern von der objektiven Zielsetzung von Ehe und Familie ausgehen

(Beifall bei der CDU/CSU)

und dafür sorgen, daß Mißbrauchstatbestände abgebaut werden und die Funktionskraft von Ehe und Familie gestärkt wird.
Nach unserer Auffassung ist die Familie der Ort der Gesellschaft, an dem auch heilende Kräfte hervorgebracht werden können. In der Familie macht der heranwachsende Mensch seine entscheidenden



Frau Dr. Wex
Grunderfahrungen, indem er auch in die Schwierigkeiten unseres komplizierten Lebens eingeführt wird. Daraus resultiert, daß dann, wenn die Familie diese Funktion nicht mehr erfüllen kann, die Gesellschaft insgesamt schwächer und instabiler wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht die Ausgliederung von Aufgaben aus der Familie kann ihre Probleme lösen, auch nicht die Institutionalisierung immer neuer Beratungsgremien, sondern die Stärkung der Familie selbst.
Das gilt sogar für die Tatsache, daß die Zahl der Drogenabhängigen steigt. Wir sind alle doch wohl der Meinung, daß bei Drogenabhängigkeit die Familie in bezug auf Hilfen nicht sofort ausgeschaltet werden kann oder sollte, sondern daß auch die Chance der Hilfe durch eine Familie genutzt werden kann, wobei wir die große Aufgabe und die großen Leistungen der freien Träger aller Beratungsgremien nicht verkennen.
Die Auffassung der Sachverständigen, daß die Aufgaben, die von den Familien erfüllt werden, „von keiner anderen Institution der Gesellschaft übernommen werden können" und daß „die Familie ein entscheidender Faktor für das Glück der Menschen ist", wird nach jüngsten Umfragen von der breiten Bevölkerung geteilt. Immerhin halten 84 % der Frauen und 75 % der Männer die Ehe für die ideale Form der Partnerschaft. Hierbei spielt auch das Kind eine wesentliche Rolle. Kinderlose Ehepaare sind demnach zu 33 % ungefährdet und glücklich, Ehepaare mit einem Kind zu 58 % und Ehepaare mit zwei Kindern zu 60 %. Diese Tatsachen gilt es zur Kenntnis zu nehmen. Bedenklich muß erscheinen, daß in kinderreichen Familien dieser Prozentsatz auf 39 % abfällt. Als Grund hierfür werden die finanziellen Probleme und Sorgen der kinderreichen Familien angesehen. Dies müssen wir ändern.
Die Einstellung der Mehrheit unserer Bürger zur Familie ist positiv. Wir haben nicht. das Recht, das ändern zu wollen, auch dann nicht, wenn vielleicht jene, die in der verfaßten öffentlichen Meinung die Familienpolitik darstellen, von anderen Vorstellungen ausgehen und Änderungen herbeiführen möchten. Sie tragen damit Schuld an dem familienkritischen Klima, das von der breiten Bevölkerungsmehrheit nicht getragen wird.
Die CDU/CSU wird sich dafür einsetzen, daß die Familienpolitik wieder in das Zentrum unserer Gesellschaftspolitik gerückt wird. Das Vertrauen, das die Familien zu sich selbst haben und auch haben sollten, muß gleichermaßen von Staat und Gesellschaft den Familien entgegengebracht werden. Die Bereitschaft, Familien zu gründen und Kinder zu haben, muß gestärkt werden. Sie ist durchaus vorhanden und ist ein Zeichen der Hoffnung für unser aller Zukunft.
Und lassen Sie mich auch das noch sagen: Sicherlich kann Liebe nicht verordnet werden, aber die Liebe, die heute in den Familien den Kindern entgegengebracht wird, kann durch staatlichen Dirigismus gefährdet, ja sogar ausgehöhlt werden. Sie kann, nicht zuletzt durch eine familienfeindliche Pädagogik, zum Schaden für uns alle gefährlich reduziert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dem gilt es zu wehren. Denn eine Gesellschaft, in der ein Verlust an Liebe und Humanität in Kauf genommen wird, wird zur antihumanen und unfreien Gesellschaft.
Lassen Sie mich zum Schluß noch sagen: Wir haben am heutigen Tage über Familienpolitik zu sprechen, an einem Tage, an dem es in der Welt große Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten gibt. Gerade darum aber gilt: Innere und äußere Stabilität, Verteidigungsmöglichkeit und Sicherheit unserer freien Gesellschaft bedingen einander.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819900400
Das Wort hat der Abgeordnete Fiebig.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819900500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 22. Mai 1975 hat der Deutsche Bundestag den Zweiten Familienbericht diskutiert. Damals, sehr verehrte Frau Kollegin Wex, hatte ich wie heute die Ehre, Ihnen für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion auf Ihre Ausführungen zu antworten. Knapp fünf Jahre sind seitdem vergangen. Zu fragen ist, ob und in welchem Maße die sozialliberale Familienpolitik in unserem Lande Fortschritte erzielt hat. Leider verzichtet der heute vorliegende Dritte Familienbericht darauf, diese Bilanz zu ziehen. Sind seit 1975 Fortschritte erzielt worden? In welchem Unfang haben diese Fortschritte erzielt werden können?
Der jetzt vorliegende Dritte Familienbericht bezieht sich in der Darstellung der materiellen Situation unserer Familien im Lande auf statistische Erhebungen des Jahres 1973, schließt also alles das, was in der Familienpolitik seit 1973 geschehen ist, nicht mit ein, sondern ist in diesem Punkt überholt. Also müssen wir zunächst einmal eine Bilanz ziehen und fragen: Was ist in den sieben zurückliegenden Jahren geschehen?
Frau Kollegin Wex, Sie haben die Situation, vor der wir stehen, sehr negativ gemalt,

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Überhaupt nicht!)

eigentlich nur negativ. Wäre es nicht besser, auch einmal zu sagen, was erreicht worden ist, um dann ein „Ja, aber" anzuhängen? Ich glaube, das wäre fairer und redlicher.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich kann nicht anders, als jetzt einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, was seit 1975 durch die sozialliberale Koalition auf diesem Feld geschaffen worden ist. Es tut mir leid, daß ich das wie eine tibetanische Gebetsmühle jetzt noch einmal, zum soundsovielten Male, wiederholen muß. Wir sagen das immer wieder, Frau Kollegin Wex, aber Sie gehen nie darauf ein.

(Hasinger [CDU/CSU]: Führen Sie aber auch die Versäumnisse auf!)




Fiebig
Durch die Reform des Familienlastenausgleichs im Jahre 1975, die endlich damit aufräumte, daß Höherverdienende mehr Geld vom Staat für ihre Kinder bekamen als Wenigerverdienende, und durch die mehrmaligen beträchtlichen Kindergelderhöhungen seit 1975 hat sich die Einkommenssituation für Mehrkinderfamilien deutlich verbessert. Lassen Sie mich das bitte einmal in Zahlen ausdrücken: Seit 1969 sind beispielsweise die Leistungen für eine Familie mit drei Kindern auf das knapp Zweieinhalbfache gestiegen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Und wie steht es mit der Mehrwertsteuererhöhung und den ständigen Preissteigerungen?)

Der Finanzaufwand für den Familienlastenausgleich erhöhte sich allein in diesem Zeitraum von etwa 9 Milliarden DM im Jahre 1969 auf über 17 Milliarden DM im Jahre 1979.
Lassen Sie mich auch noch die anderen Leistungen hinzufügen, Frau Kollegin, Wex, die Sie mit keinem Wort erwähnt und akzeptiert haben: Mit dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder Ausfalleistungen vermindern sich die Schwierigkeiten, die alleinerziehende Eltern haben, wenn die Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils ausbleiben.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das haben wir einvernehmlich verabschiedet!)

— Herr Kollege Hasinger, wenn Sie dem zugestimmt haben, warum sagen Sie dann nicht auch einmal etwas Positives?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der neu eingeführte bezahlte Mutterschaftsurlaub ermöglicht es der Mutter, sich ihrem Kind in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ohne Belastungen durch das Arbeitsverhältnis intensiv zu widmen und so Arbeitsverhältnis und Kinderbetreuung besser in Einklang zu bringen.
Das Wohngeld, Frau Kollegin Wex, ist seit dem Jahre 1969 stark ausgeweitet und strukturell verbessert worden. Die Verbesserungen kamen insbesondere auch den großen Familien zugute.
Von 1969 bis 1979 hat der Bund für den sozialen Wohnungsbau, für Mietwohnungen und Wohneigentum rund 3,6 Milliarden DM an Darlehen und rund 1 Milliarde DM an Zuschüssen zur Verfügung gestellt, die nicht zuletzt auch kinderreichen Familien zuflossen. Das Eigentum ist in einem Kreditrahmen bis zu 9 Milliarden DM gefördert worden. Das kam überwiegend ebenfalls Familien mit Kindern zugute.
Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. Dieses Gesetz trat 1971 in Kraft. Der Kreis der Anspruchsberechtigten bzw. der förderungsfähigen Ausbildungsgänge — jetzt schon ab Klasse 11, zum Teil schon ab Klasse 10 — wurde erheblich ausgeweitet. Auch die Leistungen
des Arbeitsförderungsgesetzes erfuhren in den Jahren 1969 bis 1979 eine wesentliche Steigerung.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Wenn ich noch einmal mit anderen Zahlen deutlich machen darf, daß für die Familien in diesem Lande viel geschehen ist und sich die sozialliberale Koalition wirklich bemüht hat: Das Einkommen einer Facharbeiterfamilie ohne Kinder ist in den Jahren 1975 bis 1979 real um 13,6 % gestiegen. Hingegen hat eine Facharbeiterfamilie mit vier Kindern eine Einkommenssteigerung von 19,8% zu verzeichnen, d. h. also mit anderen Worten: Die Familienpolitik dieser Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß sich die Einkommensschere zwischen Ehepaaren ohne Kinder und Familien mit Kindern nicht weiter geöffnet hat, sondern sie hat im Gegenteil dafür gesorgt, daß sie sich in einem erfreulichen Maße zu schließen beginnt.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU]: Das ist einfach falsch!)

Der Dritte Familienbericht hätte, da er eine Fleißarbeit ist, gut daran getan, dieses alles auch einmal aufzuzeigen.
Die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen denkt differenziert. Sie sagt, sie begrüße den Dritten Familienbericht. Sie fügt dann hinzu, sie zeige sich von der Stellungnahme der Bundesregierung zumindest tendenziell befriedigt. Das ist eine kritische Anmerkung, die das Positive und Negative gleichzeitig ins Auge faßt. Frau Kollegin Wex, bei Ihnen war leider nur die Negation zu spüren.
Man muß sich fragen, ob der Dritte Familienbericht als eine Fleißarbeit nicht doch noch einige andere Dinge hätte ins Auge fassen müssen. Mir fehlen da sehr viele Dinge, z. B. die Problematik des Schichtarbeiters, der in unserer industriellen Welt kaum Gelegenheit hat, sich in der Woche mit seinen Kindern zu beschäftigen, weil er nämlich dann, wenn seine Kinder frei haben — am Nachmittag und Abend —, zur Schichtarbeit muß. Morgens sieht er sie dann auch nicht, weil die Kinder dann in der Schule sind. Wenn Sie, Frau Kollegin Wex, von der Bedrohung unserer Familien sprechen, dann sagen Sie doch bitte auch, wovon diese Bedrohungen ausgehen, z. B. von einer inhumanen Arbeitszeit.

(Beifall bei der SPD)

Eine andere Frage ist: Wie steht es mit den Freizeitmöglichkeiten? Müssen wir uns nicht alle miteinander sagen — ob Kommunal-, Landes- oder Bundespolitiker —, daß die Freizeitmöglichkeiten für Familien mit Kindern weiter ausgebaut und verbessert werden müssen?
Ein wichtiges Thema aus den 50er Jahren scheint mir wieder Bedeutung zu bekommen. Damals, in den Nachkriegsjahren, war die Müttererholung sehr wichtig. Ist das nicht auch heute wieder ein Thema? Davon, Frau Kollegin Wex, sagen Sie ebensowenig etwas wie der Dritte Familienbericht.

(Hasinger [CDU/CSU]: Wer regiert hier denn?)




Fiebig
Wenn ich mir vor Augen halte, was im Dritten Familienbericht alles nicht vorkommt, dann habe ich den Eindruck: Hier wird eine heile Welt geschildert. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß die vier Verfasser, hochgelehrte Professoren, von ihrer eigenen Welt ausgehen und deshalb z. B. Arbeiterfamilien gar keinen Stellenwert im Dritten Familienbericht bekommen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Sie gehen also offensichtlich von ihrem eigenen Vorverständnis von Familie aus. Das sollte man dann auch fairerweise sagen.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Das sieht Frau Huber ganz anders!)

Wie kommt es z. B., daß junge Menschen, bei denen sich das Elternhaus alle Mühe bei der Erziehung gegeben hat, ihr Elternhaus mit 18 Jahren verlassen wollen? Wie kommt es, daß Kinder aus einem Elternhaus, das sich alle Mühe mit der Erziehung gegeben hat, dennoch drogenabhängig werden? So heil also, wie der Dritte Familienbericht die Welt erscheinen lassen will, ist diese Welt nicht. Wie kommt es, daß Kinder aus einem Elternhaus, das sich alle Mühe bei der Erziehung gegeben hat, sich dennoch einer „Jugendsekte" anschließen? Ist das nicht oft eine Unsicherheit, eine Angst vor der Zukunft: Wie wird sich mein Leben gestalten? Welche Chancen habe ich?
Hier, so meine ich, hat die Familienpolitik anzusetzen und Wege aufzuzeigen, daß kein Grund gegeben ist, die Zukunft schwarzzumalen.
Frau Kollegin Wex, es ist viel schwieriger, in dieser ungeheuer komplizierten, industriell konstruierten Welt Hoffnung zu wecken, Mut zu machen, den Eltern zu sagen: Es lohnt sich, Kinder zu haben, sie großzuziehen, es lohnt sich, sich diese Mühen zu machen.

(Frau Karwatzki [CDU/CSU]: Das hat sie gesagt!)

So sollten wir doch mit unseren Bürgern im Lande sprechen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wem sagen Sie das, Herr Kollege? — Zuruf von der SPD: Sie machen doch die Familien zum Randthema!)

Ich hätte mir gewünscht, daß der Dritte Familienbericht das Kapitel zur Bevölkerungspolitik völlig weggelassen hätte,

(Zustimmung bei der SPD)

denn da wird das Gespenst an die Wand gemalt, wir seien demnächst. ein Volk ohne Raum.

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Nein, umgekehrt! — Franke [CDU/CSU]: Sie sind das Kind einer ganz bestimmten Propaganda aus der ersten Reihe Ihrer Partei! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist ein Gedankengang, der früher umging! — Hasinger [CDU/CSU]: Er ist falsch vorbereitet! — Franke [CDU/CSU]: So etwas gebrauchen wir nicht! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sie haben sich um ein paar Jahrzehnte vertan!)

— Ich bitte um Entschuldigung. Ich darf bei aller Bescheidenheit um Verständnis bitten, daß sich jeder einmal verspricht, vor allen Dingen dann, wenn man frei redet und nicht ein vorbereitetes Manuskript abliest.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Es ist sehr einfach, sich hier hinzustellen und abzulesen. Das können wir alle. Ich bemühe mich, Ihnen ins Auge zu schauen, wenn ich hier spreche. Dann kommen einmal Versprecher vor.

(Broll [CDU/CSU]: Das nehmen wir doch gar nicht übel! — Lachen Sie doch ein bißchen mit! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Der Pastor hat keinen Humor!)

Bitte, lassen Sie mir den Spaß am Risiko der freien Rede.

(Franke [CDU/CSU]: Gucken Sie doch nicht so böse aus der Wäsche! — Dr. Kohl [CDU/ CSU]: Spaß verstehen Sie doch gar nicht! Sie wissen gar nicht, was Spaß ist! — Hasinger [CDU/CSU]: Wir haben den Spaß des freien Zuhörens!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819900600
Ich bitte um Ruhe. Ich bitte den Redner fortzufahren.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819900700
Wir müssen es, so meine ich, anders machen als der Dritte Familienbericht, der schwarz an die Wand malt, wir könnten ein Raum ohne Volk werden. — Habe ich es jetzt richtig gesagt?

(Zustimmung bei der CDU/CSU) — Danke schön.

Im Gegenteil, unbeeindruckt von den Fakten macht die Opposition eine Entwicklung, wie sie in letzter Zeit bei allen Industrienationen zu beobachten ist, zu einer Besonderheit der sozialliberalen Koalition. Schon seit 1964 sinkt die Zahl der Geburten. 1939 lebten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik 40 Millionen Menschen. Jetzt sind wir knapp bei 60 Millionen. Von einem aussterbenden Volk zu sprechen, ist also wahrhaftig nicht angebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819900800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Franke?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819900900
Herr Kollege Fiebig, sind die Zahlen nicht bedrohlich genug, daß nur etwa zwei Drittel der zur Bestandserhaltung der Zahl unserer Bürger notwendigen Kinder heute geboren werden, und sehen Sie nicht auch den Zusammenhang mit den sich daraus in den nächsten anderthalb bis zwei Jahrzehnten für die wenigen Beitragszahler z. B. in der Rentenversicherung ergebenden Alterslasten, und ist es nicht unsere gemeinsame Pflicht, heute schon darauf zu achten, daß die Ursachen beseitigt werden?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819901000
Zunächst einmal, Herr Kollege Franke, hat unsere frühere Kollegin, Vizepräsidentin



Fiebig
Funcke, darauf hingewiesen, daß die jetzige Elterngeneration eine zahlenmäßig sehr schmale Generation ist, weil u. a. die geburtenschwachen Jahrgänge aus der Nachkriegszeit jetzt in dem Alter sind, wo sie Kinder haben. Das ist also ein Teil der Erklärung, daß zur Zeit weniger Kinder geboren werden.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht, Herr Kollege! Die jetzige Elterngeneration kommt doch nicht aus geburtenschwachen Jahrgängen!)

Zweitens haben wir Anfang der 80er Jahre ganz andere Probleme. Wir müssen nämlich für die geburtenstarken Jahrgänge Arbeits- und Ausbildungsplätze bereitstellen. Das ist unsere ganz aktuelle Sorge. Dafür müssen wir sorgen und kämpfen.

(Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819901100
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819901200
Ich darf eben noch einen dritten Punkt anführen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819901300
Natürlich.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819901400
Drittens haben klügere Leute, als ich es bin, ausgerechnet, daß sich erst nach dem Jahre 2000 die Frage stellt, wie es mit den Renten aussieht. So lange kann niemand die Entwicklung vorausberechnen. Im Gegenteil, in den nächsten Jahren kommen weit mehr Menschen in das Erwerbsleben hinein, wird also auch weit mehr in die Rentenversicherung eingezahlt, wenn es uns gelingt, für alle Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.
Viertens erleben wir es doch, daß im Arbeitsprozeß immer weniger Menschen immer mehr produzieren. Ich glaube, das ist ein ganz ausschlaggebender Faktor für die Erhaltung des Lebensstandards in der Bundesrepublik und damit auch für die Rentenversicherung in zukünftigen Jahren.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819901500
Bitte schön!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819901600
Herr Kollege Fiebig, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß der Vorsitzende des Sozialbeirats beim Bundesarbeitsministerium, Professor Meinhold, sagt, daß wir, wenn sich die Geburtenrate weiterhin so entwickelt, bei Aufrechterhaltung der bisherigen sozialen Leistungen 70 bis 80 % des Bruttoeinkommens der Erwerbstätigen für unsere Sozialleistungen aufwenden müssen, weil eine so geringe Zahl von Erwerbstätigen da ist, die eine so große Zahl von älter gewordenen Menschen unterhalten muß?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819901700
Herr Kollege Franke, Sie haben gar nicht gehört, was ich eben gesagt habe.

(Franke [CDU/CSU]: Aber sicher habe ich zugehört!)

— Nein. Wir stehen Anfang der 80er Jahre vor einer
ganz anderen Situation. Nehmen Sie die doch bitte
zunächst einmal zur Kenntnis. Das ist doch ganz entscheidend.

(Franke [CDU/CSU]: Herr Fiebig, Sie kennen ganz offensichtlich das Problem nicht!)

— Doch, ich kenne das Problem.

(Franke [CDU/CSU]: Nein!)

Ich meine auch, von Frau Kollegin Wex gehört zu haben, zumindest zwischen den Zeilen — um zum Thema Familienpolitik zurückzukehren —, daß es die freie Entscheidung der Eltern sein muß,

(Erneuter Zuruf des Abg. Franke [CDU/ CSU])

ob, wann und wieviel Eltern Kinder haben wollen, es also nicht Aufgabe einer staatlichen Bevölkerungspolitik sein kann, den Eltern mit staatlichen Leistungen Kinder abkaufen zu wollen. Das geht nicht an.

(Beifall bei der SPD — Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Das tut doch niemand!)

Das ist also Grundsatz unserer Familienpolitik. Von daher lehnen wir Bevölkerungspolitik ab.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Es ist absurd, was Sie da erzählen! Allein die Formulierung ist verräterisch!)

Ich füge jedoch hinzu: Wenn eine gute Familienpolitik dafür sorgt, daß Kinder in unserem Lande gewollt geboren werden, Chancen haben, von den Eltern freudig erwartet werden, dann ist das eine gute Politik. Darauf müssen wir unsere Politik abstellen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber lassen Sie mich nun vom Dritten Familienbericht zu den weiteren Tagesordnungspunkten, die uns heute vorliegen, übergehen. Wir haben einen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Familienförderung zu behandeln. Der Bundesrat schlägt eine Anhebung der Altersgrenze für betreuungsbedüftige Kinder im Rahmen der Hauhaltshilfe von acht auf zwölf Jahre sowie die Ausdehnung des Zeitraums des Anspruchs auf Freistellung von der Arbeit zur Betreuung eines kranken Kindes und auf Zahlung von Krankengeld gemäß § 185 der Reichsversicherungsordnung von fünf auf zehn Tage im Jahr vor.
Die entsprechenden Kosten will der Bundesrat der Krankenversicherung aufdrücken. Sie wissen, Herr Kollege Franke — wenn ich jetzt wieder einmal Ihre geschätzte Aufmerksamkeit haben darf —: Es ist sehr einfach, wenn der Bundesrat vorschlägt, die Krankenversicherung solle diese Lasten übernehmen. Ich meine aber, man kann, wenn es um Familienpolitik geht, nicht so einfach einem ganz anderen Kostenträger die Lasten zuschieben.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Herr Kollege, wie ist es bei der Abtreibung? Dort sind die Kosten viermal so hoch!)

Weiterhin schlägt der Bundesrat eine Erhöhung der Abschreibungsbeträge nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes von 150 000 auf 200 000 DM für



Fiebig
das Einfamilienhaus und von 200 000 auf 250 000 DM für das Zweifamilienhaus vor.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819901800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819901900
Entschuldigung, ich nehme an, der Herr Kollege Müller ist noch beim vorigen Punkt. Ich möchte jetzt gern weiterkommen.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819902000
Bitte sehr, es ist Ihre Entscheidung. Es liegt bei Ihnen, Herr Abgeordneter, ob Sie die Zwischenfrage zulassen.

Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819902100
Nun gut, bitte schön.

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0819902200
Herr Kollege, Sie sagten eben, man solle die Krankenkassen nicht noch weiter belasten. Würden Sie mir aber nicht bestätigen, daß die sozialliberale Koaltition

(Zuruf von der CDU/CSU: Die sogenannte!)

— darf ich sie so bezeichnen — beschlossen hat, die Abtreibung über die Krankenkassen zu finanzieren?

(Zuruf von der SPD: O nein! — Zuruf von der CDU/CSU: Mit 200 Millionen!)


Udo Fiebig (SPD):
Rede ID: ID0819902300
Ich war beim Thema des § 7 b des Einkommensteuergesetzes. Der Vorschlag des Bundesrates läuft darauf hinaus, daß diejenigen, die gut verdienen, durch diese Regelung des § 7 b, wie der Bundesrat sie vorschlägt, wiederum die größten Vorteile haben.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD) Wir sind da anderer Auffassung.


(Hasinger [CDU/CSU]: Das ist ein Widerspruch zu dem, was Frau Huber gerade eben gesagt hat!)

Das Papier, das der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands verabschiedet hat, sieht eine andere Regelung vor. Der geltende § 7b enthält nämlich keine Berücksichtigung von Kindern und bevorzugt wegen der mit steigendem Einkommen wachsenden Steuervergünstigung wohlhabende Bauherren. Ein Spitzenverdiener z. B. spart durch den jetzt gültigen § 7 b zweieinhalbmal so viel Steuern wie ein verheirateter alleinverdienender Facharbeiter mit Durchschnittskeinkommen.
Wir meinen also, es wäre besser, wenn ein kinderzahlbezogenes Steuerabzugsverfahren eingeführt würde.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Hierdurch würde jeder Haushalt, der die Begünstigung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes in Anspruch nimmt, zusätzlich pro Kind und Jahr von seiner Steuerschuld einen Betrag abziehen können.

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU]: Haben Sie dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt?)

Das ist unsere politische Absicht, die auch durch eine Vorlage bei unserem Bundesparteitag in Berlin im vergangenen Dezember bekräftigt worden ist.

(Hasinger [CDU/CSU]: Unverbindliches Gerede!)

Ein weiteres Thema der heutigen Debatte ist ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in dem es um die Einführung eines Familiengeldes geht. Frau Kollegin Wex, meinen Sie wirklich, daß es ein sinnvolles Ziel der Familienpolitik sein kann, eine Einkommensgarantie für den erziehenden Elternteil zu geben, ausfallendes Einkommen auf Dauer oder vollständig zu ersetzen und die Kindererziehung zu einem bezahlten Beruf zu machen? Wollen Sie das?

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Nein!)

— Wenn Sie „nein" sagen, sind wir uns einig; dann müssen wir also nach besseren Wegen suchen, wie wir die frühkindliche Erziehung durch die Mutter fördern und den Zusammenhalt von Mutter und Kind nach der Geburt stärken. Wenn Sie „nein" sagen, ist also dieses Bundesfamiliengeldgesetz nicht der richtige Weg.
Wir meinen, daß ein Weg gefunden werden muß, der dafür sorgt, daß Mutter und Kind in der frühkindlichen Erziehungsphase möglichst zusammenbleiben können, nicht aber dürfen wir die Mutter zu einer staatlich bezahlten Arbeitnehmerin machen. Ich glaube, das ist kein guter Weg.

(Frau Geier [CDU/CSU]: Wer will das denn? — Burger [CDU/CSU]: Das ist eine ganz schlechte Formulierung, Herr Fiebig!)

— Bitte, Herr Kollege Burger, ich lasse mich von Ihnen gerne korrigieren. Ich werde mich bemühen, eine andere Formulierung zu finden: Wir müssen dafür sorgen, daß Hausfrauentätigkeit als eine große Leistung anerkannt wird, die für unsere Gesellschaft erbracht wird, die aber nicht in Gehaltsform bezahlt werden sollte.

(Hasinger [CDU/CSU]: Aber finanziell müssen die Berufstätige und die Nichterwerbstätige gleichgestellt werden!)

— Sicher; die sozialliberale Koalition arbeitet ja an dem Steuerpaket 1981. Wir müssen einmal sehen, ob wir da nicht einen Weg finden, in der richtigen Richtung einen Schritt weiterzukommen.
Ich möchte zum Abschluß meiner Ausführungen kommen: Es ist heute, noch im ersten Monat des Jahres 1980, sicherlich angebracht, einen Blick auf das „Jahr des Kindes" zurückzuwerfen, das wir 1979 hatten. War das „Jahr des Kindes" ein richtiger Weg? Wir meinen: Zumindest war dieser Weg besser als gar keiner, wenn sicherlich auch viele Hoffnungen enttäuscht wurden und schnelle Reaktionen, die wir uns erhoffen konnten, ausgeblieben sind.

(Hasinger [CDU/CSU]: Am schlimmsten war die Veranstaltung in der Beethovenhalle mit Frau Huber!)

Dennoch meine ich, daß die Bilanz des „Jahres des
Kindes" vor allen Dingen für die Bundespolitik aus



Fiebig
der Sicht der sozialliberalen Koalition ein Erfolg gewesen ist. Denn wir haben im „Jahr des Kindes" einige wichtige Gesetze, die die Situation der Kinder verbessert haben, verabschiedet.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, wir sollten als Familienpolitiker, die wir in der Bundesverantwortung stehen, auch an dieser Stelle all denjenigen danken, die auf kommunaler Ebene und auf Länderebene ihren Beitrag zum „Jahr des Kindes" geleistet haben,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

vor allen Dingen auch den vielen Veranstaltern von Initiativen in unseren Städten und Gemeinden, die das „Jahr des Kindes" zu ihrem Thema gemacht haben, wenn es auch oft nur ein schlichtes, einfaches Sommerfest für Kinder gewesen ist. Alle diese Bemühungen und Anstrengungen sollten wir dankbar anerkennen und gleichzeitig alle bitten, mit diesen Bemühungen und Anstrengungen weiterzumachen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Wex, Sie haben von der Kinderfeindlichkeit — man könnte vielleicht auch sagen: von der Kinderunfreundlichkeit — unserer Welt gesprochen. Sicherlich können wir Politiker das Gesamtklima in unserer Gesellschaft nicht allein verändern; wir brauchen Helfer dazu. Ich zitiere einmal aus einem Band „rororo — Frauen aktuell". Thema dieses Buches: Mütterfeindlichkeit. Da heißt es —
Zitat —.
Wir suchen schon lange eine neue Wohnung. Jedesmal, wenn wir eine hatten und wir sagten, daß wir drei Kinder hätten, bekamen wir eine Absage. Für die Arbeiter gibt es die Gewerkschaft, aber wer tritt für die Rechte der Kinder ein?

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Wir! — Hasinger [CDU/CSU]: Wer regiert eigentlich seit zehn Jahren?)

Oder ein anderer Aspekt. Da schreibt eine Mutter:
Ich bat einen Mann von ca. 50 Jahren, mir bitte aus dem Bus zu helfen. Die Antwort: Wenn man Kinder in die Welt setzt, muß man auch damit fertig werden. Er stieg aus, ohne sich um mich weiter zu kümmern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was soll das?) Ein anderes Zitat:

Geht so ein kleines Kind wie unser Markus in der Weihnachtszeit über den Münchener Christkindl-Markt und singt dabei ein Weihnachtslied. Da wird er gleich grob angefahren: Halt's Maul! Dabei wollte er nur seine Freude hörbar mitteilen.
Ein letztes Zitat:
Busfahren mit Kindern ist schlimm. Alle Leute
stürmen in den Bus, und niemand faßt den Kinderwagen an. Am ehesten hilft noch einer der verschrieenen „Langhaarigen".
Wir stehen in einer weltpolitisch sehr schwierigen und bedrohten Zeit. Ich glaube, die Erhaltung des Friedens ist der wichtigste, entscheidende Beitrag für eine Familienpolitik, damit Kinder in Frieden aufwachsen und nicht dazu erzogen werden, einmal für irgendeine Macht als Kanonenfutter dienen zu müssen, wie das Kindern in diesem Jahrhundert leider bereits in zwei Weltkriegen geschehen ist, indem sie ihr Leben für ganz andere Interessen herzugeben hatten. Hoffen wir also, daß uns der Frieden erhalten bleibt und die Kinder in einer menschenwürdigen, humanen Gesellschaft aufwachsen können!

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0819902400
Das Wort hat Herr Abgeordneter
Eimer.

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0819902500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn der Rede von Frau Wex dachte ich mir: Der Wahlkampf im Bereich der Familienpolitik ist eröffnet.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Aber nach der anfänglichen Pflichtpolemik kehrte bei aller Gegensätzlichkeit Sachlichkeit ein, für die ich mich sehr herzlich bedanken möchte, so daß ich meine, daß die Debatte eines erreichen kann: Sie kann neue Ansatzpunkte für Probleme bringen, die es zu lösen gilt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Der Dritte Familienbericht gibt dazu meiner Meinung nach einiges her. Ich will ihn nicht ganz so negativ beurteilen wie mein Vorredner.
Die Feststellungen, die in dem Bericht der Sachverständigenkommission zur Familienpolitik getroffen werden, richten sich an Bund, Länder und Kommunen. Wer die Zuständigkeiten für Schulpolitik, Leistungen für Jugendhilfe kennt, weiß, wieviel oder — besser — wie wenig vom Bund aus hier geregelt werden kann.
Ich komme gern auf den Einwand von Frau Wex zur Trennung von Schul- und Familienpolitik zurück. Ich gebe Ihnen hier völlig recht. Aber wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, daß wir vom Bund aus wenig dazu beitragen können, beides zu verbinden. Das ist wohl in erster Linie durch die grundgesetzlich niedergelegten Zuständigkeiten der Länder bedingt.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Da kann aber etwas angeregt werden!)

Es wird aber darauf ankommen, den Rahmen, den wir zur Verfügung haben, auszuschöpfen.
Die Auseinandersetzungen in der Familienpolitik werden zunehmend, so meine ich, auf Nebenkriegsschauplätzen und mit falschen Argumenten geführt. Man sollte gerade in der Familienpolitik Emotionen nicht leichtfertig anheizen, weil das Verunsicherung in die Familien bringt und genau das Gegenteil von dem erreicht, was wir erreichen müssen und wollen. Das trifft auch für die beginnenden Auseinanderset-



Eimer (Fürth)

zungen um den Dritten Familienbericht zu. Die Sachverständigen haben ja in aller Öffentlichkeit deutlich gemacht, daß sie nicht in parteipolitische Auseinandersetzungen gezogen werden wollen.
Auf meinem Schreibtisch landen in letzter Zeit Briefe und Schriften aus der evangelischen Kirche, die unsere Familienpolitik zunehmend positiv kommentieren. Ich habe hier z. B. die Korrespondenz „Die Frau", herausgegeben von der Evangelischen Frauenarbeit, mit drei Artikeln zum Thema Familienpolitik: § 218, elterliche Sorge und Schulpolitik. In diesen Artikeln kommt einvernehmlich der Wunsch zum Ausdruck, daß wir dieses Thema nicht in die Auseinandersetzungen des Wahlkampfs hineinziehen sollten.
Durch die Veröffentlichungen der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen und der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend zeigt sich aber auch deutlich, daß sich die Opposition mit ihrer Argumentation in der Familienpolitik zunehmend ins Abseits stellt. Ich frage mich z. B., wie Sie die Diskussion um das Jugendhilfegesetz in der Öffentlichkeit angesichts der Tatsache bestehen wollen, daß im Grunde alle Verbände unserer Auffassung über Jugendhilfe den Vorzug geben.
Lassen Sie mich auch etwas zu der Glaubwürdigkeit der Auseinandersetzungen in der Familienpolitik sagen. Sie werden als Opposition nicht glaubwürdig, wenn Sie davon sprechen, daß es zu Zeiten Ihrer Regierung den Familien finanziell besser gegangen sei, als es ihnen heute geht. Unsere materiellen Erfolge in der Familienpolitik, die zweifelsohne da sind, wird man uns in der Öffentlichkeit nicht als Pluspunkte anrechnen, weil die Probleme für die Familie — das müssen wir in aller Selbstkritik zugeben — nicht weniger geworden sind.
Der Familienbericht bringt bei Vergleichen, wie schon gesagt wurde, nur ein sehr unzutreffendes Bild, weil die Vergleichszahlen der Jahre 1969 und 1973 eben an dem Punkt enden, wo die Leistungen dieser Koalition angesetzt haben.
Alle vorgeschlagenen Maßnahmen der Opposition, die auch heute wieder in dieser verbundenen Debatte vorliegen, sind im Grunde genommen materielle, finanzielle Maßnahmen. Aber Familienpolitik darf sich nicht nur auf das Materielle verengen. Dort, wo wir andere Maßnahmen vorschlagen — ich gebe zu, daß es mehr sein könnten —, sagen Sie von der Opposition nein, z. B. zur elterlichen Sorge; beim .Jugendhilfegesetz wollen wir erst einmal die Schlußabstimmung abwarten.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie polemisieren leider dagegen und erzeugen damit auch Unsicherheit, die für die Familien so schädlich ist. Sie tun das, obwohl z. B. gerade Stimmen aus der evangelischen Kirche — ich habe vorhin schon einige genannt — diese Politik nicht so negativ beurteilen.

(Vor s i t z : Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

Sie verunsichern aber auch auf einem weiteren Feld der Politik: der Bevölkerungspolitik. Folgt
man hier der gängigen Argumentation, so sterben wir Deutschen langsam aus. Sie machen weiter den Fehler, daß Sie Bevölkerungspolitik mit Familienpolitik vermischen. Sie machen weiter den Fehler, daß Sie die vorliegenden Zahlen nicht genau anschauen.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Wer? — Hasinger [CDU/CSU]: Von wem sprechen Sie denn?)

— Ich spreche von Ihnen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Dann haben Sie Frau Wex nicht zugehört, sonst könnten Sie so etwas nicht behaupten!)

— Ich muß hier deutlich sagen, daß es Unterschiede in Ihrer Argumentation gibt, bei dem, was man landauf, landab von Ihnen hört, aber auch hier bei vergangenen Debatten in diesem Haus. Ich habe am Anfang ganz bewußt gesagt, daß die Ausführungen von Frau Wex durchaus ein sachlicher Beitrag sind. Ich möchte das der Deutlichkeit wegen hier noch einmal sagen.

(Zustimmung bei der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Da bedanken wir uns!)

Wir hatten 1933 auf dem Gebiet der Bundesrepublik 41 Millionen deutsche Staatsbürger. Wir werden beim Eintreffen der pessimistischen Voraussagen, die es zur Zeit gibt, im Jahre 2000 noch 52 Millionen deutsche Staatsbürger haben. Das sind elf Millionen mehr als 1933, zu der Zeit, als die braunen Machthaber von den Deutschen als einem Volk ohne Raum sprachen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und 2030?) — Ich habe die Zahlen für 2030 nicht im Kopf.


(Zuruf von der CDU/CSU: 35 Millionen!)

Im Jahr 2015 — die Zahlen habe ich im Kopf — sind es mit 46 Millionen immer noch mehr als 1933.

(Zurufe von der CDU/CSU) — Das sind pessimistische Prognosen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Optimistische Prognosen!)

Sie wissen ganz genau, wie gefährlich es ist, solche Prognosen in die Zukunft hineinzuprojizieren. Deutschland ist dicht genug besiedelt. Die Abnahme der Bevölkerung von heute knapp 60 Millionen auf 52 Millionen ist nicht das Problem. Das Problem liegt woanders.

(Beifall bei der FDP — Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Eben, in der Altersstruktur liegt es! Ein Rentner, ein Aktiver!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819902600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burger?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0819902700
Herr Kollege Eimer, Sie sprachen soeben davon, daß das Problem irgendwo anders liege. Darf ich Sie fragen: sind Sie sich darüber im klaren, daß die Struktur der Bevölkerung über das Jahr 2000 hinaus auf das Jahr 2030 zu so sein wird, daß wir über eine Million Menschen haben werden, die über 65 Jahre alt sind, daß die Zahl der



Burger
Erwerbstätigen sich um ein Drittel verringert und die Zahl der Kinder nach heutigen Hochrechnungen sogar um zwei Drittel geringer sein wird als heute, und daß in dieser Struktur gewaltige Probleme auf uns zukommen werden, die kaum lösbar sind? Teilen Sie diese meine Auffassung?

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0819902800
Herr Burger, Sie kommen mir mit Ihrer Frage in meinen Ausführungen zuvor. Zunächst einmal teile ich nicht die Meinung, daß man eine Prognose bis weit über das Jahr 2000 vornehmen kann. Auf der anderen Seite habe ich gerade gesagt, daß die Probleme woanders liegen. Sie liegen tatsächlich in der ungleichen Verteilung der Bevölkerung. Unsere Bevölkerungspyramide kommt durcheinander. Das Problem liegt in der unstetigen Bevölkerungsentwicklung, in der Abfolge von geburtenstarken Jahrgängen und geburtenschwachen Jahrgängen in der Vergangenheit und auch jetzt. Das ist das eigentliche Problem. Wenn Sie das so ansprechen, auch in der Öffentlichkeit, dann werden wir uns über das Thema sehr schnell einigen.
Aber es ist verkehrt, wenn wir von den Deutschen als einem aussterbenden Volk sprechen. Das erzeugt Angst. Das ist keine sachgerechte Politik. Die sozialen Probleme, die wirtschaftlichen Probleme sind es, die uns in diesem Zusammenhang interessieren müssen. Dazu sind im Dritten Familienbericht durchaus hilfreiche Aussagen gemacht worden.
In dem Zusammenhang müssen wir uns auch Gedanken über den möglichen Wanderungsdruck innerhalb Europas und die daraus folgenden Probleme machen, die entstehen oder bereits entstanden sind. Wenn z. B. Menschen unterschiedlicher Sprache und Kultur auf engem Raum zusammenleben, kann auch das eine Auswirkung auf die Bevölkerungspolitik haben, durch die soziale Probleme auf uns zukommen.
Abschließend lassen Sie mich auch von der FDP her bekräftigen: Bevölkerungspolitik darf nicht heißen, den Bürgern vorzuschreiben, welche Lebensformen sie wählen sollen, ob sie viele, wenige oder keine Kinder haben sollen. Wir können und müssen aber denen helfen, die den Wunsch nach Kindern haben. Hier darf sich die Politik jedoch nicht auf das Materielle verengen. Das ist bisher, so meine ich, einer der wichtigen Ansatzpunkte in der Politik gewesen.
Damit in dem Zusammenhang aber kein Irrtum entsteht: Die finanzielle Seite ist außerordentlich wichtig. Hier gibt es noch sehr viel zu tun. Aber vor 20 Jahren hatten wir alle weniger Geld und trotzdem mehr Kinder. Das Finanzielle kann nicht die eigentliche Ursache der Probleme sein, der die Familie heute gegenübersteht.
Ich meine, daß der Mensch Freiheitsräume braucht, um sich wohl zu fühlen. Der finanzielle Freiheitsraum ist nur einer von vielen. Er ist nicht enger, sondern weiter geworden, aber er ist immer noch enger für diejenigen, die Kinder erziehen, als für diejenigen, die keine Kinder erziehen. Die Benachteiligung derjenigen, die Kinder erziehen, wird heute deutlicher als zu einer Zeit, in der Kinderlosigkeit noch die Ausnahme war.
Es ist notwendig, daß der Familienlastenausgleich verbessert wird, damit Lasten, die diejenigen übernehmen, die Kinder erziehen — und damit denjenigen abnehmen, die keine Kinder erziehen —, ausgeglichen werden und wir zu einer gerechten Lastenverteilung kommen. Es muß hier noch viel getan werden. Neue Maßnahmen sind bereits vorbereitet. Herr Fiebig hat darauf bereits hingewiesen, und mein Kollege Spitzmüller wird zu diesem Thema gezielt sprechen.
Die Aufgabe der Liberalen ist es, alle Freiheitsräume zu erweitern, damit die Menschen nicht eingeengt werden.
Neben dem finanziellen Freiraum gibt es noch eine Reihe anderer Freiräume, die ich hier abhandeln möchte: Ein Freiraum ist in den letzten 30 Jahren sehr stark eingeengt worden — also auch zu einer Zeit, in der die CDU/CSU die Regierung gestellt hat —, der Freiraum im ursprünglichen Sinn des Wortes, jener Raum, in dem wir uns bewegen können. Ich gehöre der Generation an, der es wohl als letzter möglich war — als Kind —, auf den Straßen unserer Städte zu spielen. Heute ist dies kaum mehr möglich.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819902900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stark?

Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0819903000
Ja, bitte schön.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0819903100
Herr Kollege Eimer, weil Sie gerade von „Freiräumen" sprechen: Zählen Sie dazu auch die Forderung des Landesvorstands der Jungdemokraten Ihrer Partei in Nordrhein-Westfalen, der in einem Leitantrag festgestellt hat, Ehe und Familie bildeten in unserer Gesellschaft einen Rahmen für Unfreiheit, Unterdrükkung und Unzufriedenheit, Aufgabe der Jungdemokraten, deren Mitglieder Teile der Gesellschaft repräsentierten, die unter diesen Institutionen Ehe und Familie besonders litten, sei es deshalb, die Ehe langfristig durch größere Gemeinschaften zu überwinden? Wie stehen Sie zu dieser Feststellung?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Norbert Eimer (FDP):
Rede ID: ID0819903200
Herr Kollege, ich habe erwartet, daß das kommen würde. Mich wundert es, daß Ihre Fraktion dazu Beifall spendet.

(Lachen bei der CDU/CSU — Rawe [CDU/ CSU]: Sie müssen genau hinhören und nicht alles umdrehen! Das war für die Frage!)

Ich darf Ihnen bestätigen, daß dieses nicht die Meinung der FDP ist. Wir haben mit dieser Meinung nichts zu tun. Die FDP hat keinen Einfluß auf die Jungdemokraten, und die Jungdemokraten haben satzungsgemäß keinen Einfluß auf die FDP.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Umgekehrt stimmt es! — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie distanzieren sich also!)




Eimer (Fürth)

— Das habe ich hier, glaube ich, deutlich gesagt. Vielleicht darf ich die mir nachfolgenden Redner gleich darauf aufmerksam machen, damit sie die entsprechende Passage in ihren Reden gleich streichen können. Das Thema ist, glaube ich, abgehandelt.
Ich hatte gesagt, daß ich wahrscheinlich zu der Generation gehöre, der es als letzter möglich gewesen sei, auf der Straße zu spielen, und daß das heute kaum mehr möglich sei. Wir haben zuwenig Spielplätze. Aber auch der Bau von Spielplätzen kann zu neuen Fehlern in der Familienpolitik führen, dann wenn wir damit die Trennung der Lebensräume von Kindern und Erwachsenen vornehmen. Kinder gehören nicht in eine andere Welt, man darf sie nicht in eine andere Lebenssphäre abschieben. Bei alten Menschen hat man leider schon teilweise damit angefangen. Kinder müssen sich in unserem Lebensraum bewegen können, mit uns, unter uns. Wenn unser Lebensraum feindlich für Kinder ist, ist er auch feindlich für uns. Jugendliche müssen doch irgendwann den Eingang in die Welt der Erwachsenen finden. Wenn dieser Übergang nicht fließend ist, kann es dabei zu Problemen kommen — zusätzlich zu allen anderen Schwierigkeiten, die Jugendliche in dieser Zeit der Pubertät haben.
Ursprünglich war der Arbeitsplatz von Vater und Mutter mit dem Erziehungsort und dem Wohn- und Aufenthaltsort von Familie und Kindern identisch. Typisches Beispiel dafür ist heute noch der Landwirt; früher war es auch der Haushalt der Handwerker. Nun kann man die Zeit nicht mehr zurückdrehen, aber wir brauchen neue Ideen und vor allem ein Bewußtsein dafür, daß unsere Lebensräume nicht zu trennen sind. Kinder gehören in unseren Lebensraum, Kinder sind ein Stück Lebensqualität.
Der dritte Freiraum, der sich für Kinder und damit für Familien eingeengt hat, ist der rechtliche Freiraum. Wir finden heute kaum ein Grundstück, auf dem nicht eine Tafel mit der Aufschrift „Betreten verboten" oder „Spielen verboten" aufgestellt ist, kaum einen Karpfenweiher, an dessen Ufer nicht ein Schild mit der Aufschrift „Baden verboten" aufgestellt ist. Das ist nicht deshalb der Fall, weil die Besitzer besonders bösartig sind, sondern weil sie auf Grund des Haftungsrechtes die Verantwortung nicht mehr übernehmen können. Das geht noch weiter. Wir haben z. B. Vorschriften, nach denen kleine Kinder nicht allein in Aufzügen fahren dürfen. Stellen Sie sich vor, ein kleines Kind wohnt im zwölften Stock eines Hochhauses, spielt auf der Straße — wenn es das noch kann — und muß austreten. Es darf den Fahrstuhl nicht benutzen.
Ich meine, wir müssen unsere Verordnungen und unsere Gesetze dahin gehend überprüfen, ob sie den rechtlichen Freiraum einengen, d. h. wir müssen uns auf dem Gebiet des Haftungsrechts etwas einfallen lassen. Versicherungen können dieses Problem meiner Überzeugung nach nicht lösen. Wir Müssen Freiräume erweitern und dürfen sie durch Haftungsrecht nicht noch weiter einengen.
Der vierte Freiraum, der sich verengt, ist der emotionale Freiraum für Kinder und Familien. Die Toleranz für Belastungen, die Kinder mit sich bringen, ist kleiner geworden. Wir wollen das alle, wenn wir
ehrlich sind, nicht wahrhaben. Der Lärm, der uns am meisten stört — das weisen Statistiken aus —, ist der Kinderlärm. Ich kenne eine Stadt, in der es vor 20 Jahren eine Bürgerinitiative gab, die einen Kinderspielplatz forderte. Der Kinderspielplatz wurde eingerichtet. Nach 20 Jahren erhob sich an der gleichen Stelle wieder eine Bürgerinitiative, die wegen des Kinderlärms die Beseitigung des Kinderspielplatzes forderte. Als man nachschaute, waren es die gleichen Leute, die schon vor 20 Jahren unterschrieben hatten; nur: deren Kinder waren mittlerweile erwachsen. Die Toleranz für fremde Kinder ist kaum mehr vorhanden.
Es muß eine der Hauptaufgaben der Familienpolitik sein, diese Freiräume zu erweitern. Alle diejenigen, die Freiräume erweitern wollen, haben Liberale als natürliche Verbündete. Die Erweiterung der Freiräume ist aber allein durch Gesetze nicht zu erreichen. Wir als Bürger müssen in allen Lebensbereichen dazu beitragen.
Es gibt noch ein weiteres Problem, mit dem unsere Gesellschaft bis heute nicht fertiggeworden ist: Das ist die Stellung der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft. Die Stellung der Frau ist noch im Wandel begriffen. Hier müssen wir — vor allem wir Väter, glaube ich — noch eine neue Rolle und ein neues Verhalten Kindern gegenüber und im Haushalt lernen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Auch das wird die Situation der Familie verbessern.
Der Bundestag hat eine Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" eingesetzt. Die Ergebnisse werden, so hoffe ich jedenfalls, die familienpolitische Diskussion entscheidend befruchten.
Lassen Sie mich zum Abschluß feststellen: Für Liberale hat die Familienpolitik einen außerordentlich hohen Stellenwert. Familienpolitik wird aber nur dann mehr Gewicht im politischen Spektrum haben, wenn wir Familienpolitiker dieses Thema hier nicht zerreden und wenn wir nicht der Versuchung erliegen, Familienpolitik in den Wahlkampf hineinzuziehen und sie für den Wahlkampf zu mißbrauchen. Ich habe mich bemüht, mich selbst an diese Regel zu halten. Ich glaube, es gibt genügend Unterschiede in der Sache, um eigene Vorstellungen in der Öffentlichkeit deutlich zu machen und Positionen abzustecken. Wir brauchen uns nicht gegenseitig zu diffamieren; wir sollten uns auch nicht gegenseitig böse Absichten in der Familienpolitik vorwerfen, weil die Familie in allen Parteien einen gleich hohen Stellenwert hat. Wir sollten gemeinsam versuchen, neue Ansätze zu finden, weil wir mit den alten Ansätzen den neuen Herausforderungen an die Familie nicht gerecht werden können. Ich hoffe, daß diese Debatte einen kleinen Beitrag dazu leisten kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819903300
Das Wort hat Frau Abgeordnete Männle.

Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID0819903400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine



Frau Männle
kleine Vormerkung in eigener Sache. Laut oder leise wird oft noch immer gedacht, über Familienpolitik könne man nur dann reden, wenn man eine eigene Familie, also selbst Kinder habe. Nach diesem Verständnis bin ich ein Nicht-Fachmann. Mir wurde schon häufig in der Presse vorgeworfen, ich sei ein familienpolitischer Versager, weil ich nicht verheiratet bin und keine eigenen Kinder habe.

(Hasinger [CDU/CSU]: Was nicht ist, kann noch werden!)

— Genau. Nun kommt das Aber. Kein Mensch verlangt im Ernst — ich darf das ein klein bißchen flapsig sagen —, daß z. B. ein Justizminister im Gefängnis gesessen haben muß, um über den Strafvollzug urteilen zu können.

(Heiterkeit — Beifall bei der CDU/CSU)

Ähnliche Beispiele könnte ich natürlich in beliebiger Zahl anführen. Seltsamerweise scheinen aber bei Familienpolitikern rigorosere Maßstäbe zu gelten.
Ich möchte versuchen, diese traditionelle Betrachtungsweise ein wenig aufzubrechen. Mir scheint, unsere Diskussion über die Familienpolitik leidet darunter, daß sie zu lange als isoliertes Problem gesehen und ihr außerordentlich bedeutender gesellschaftlicher Zusammenhang verkannt wurde. Nehmen wir nur das Beispiel der angeblich familienpolitisch nicht kompetenten Unverheirateten und Alleinstehenden mit oder ohne Kinder. Sie sind schließlich auch einmal in einer Familie, ob vollständig oder unvollständig, aufgewachsen, erzogen, reif geworden und leben in aller Regel auch entfernt weiter mit dieser Familie, mit Vater, Mutter, den Geschwistern, oder nehmen auch als Großeltern am Familiengeschehen teil. Unverheiratete können auch als potentielle Anwärter für eine neue Familie gelten, und es kann ihnen von daher nicht gleichgültig sein, was in der Familienpolitik geschieht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU]: Frau Kollegin, die Sitzung wird live übertragen! — Heiterkeit)

— Danke schön, Herr Kollege.
Die, die ledig bleiben wollen, bittet der Staat mit Steuern und Sozialabgaben nicht gerade zimperlich zur Kasse. Auch für sie muß sinnvoll und gerecht sein, was Familienpolitiker mit ihrem Geld machen. Wenn sie sich nicht oder noch nicht für eine eigene Familie entschieden haben, so sind sie noch lange nicht gegen die Familie.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

Für die Familie sind alle verantwortlich, von der Familienpolitik sind alle betroffen.
Nun komme ich zu unseren konkreten Vorstellungen in der Familienpolitik. Die CDU/CSU bringt mit dieser Debatte über den Dritten Familienbericht einen Gesetzentwurf — Sie haben ihn vorliegen — über die Einführung eines Familiengeldes ein. Unser Gesetzentwurf ist weitgehend mit dem des Bundesrates identisch. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, daß ein Elternteil, der während der ersten sechs Lebensmonate seines Kindes für dessen Pflege und Erziehung sorgt und in dieser Zeit weder einer Erwerbstätigkeit nachgeht noch einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes hat, Familiengeld in Höhe von 500 DM monatlich erhält. Damit sollen Elternteile, die im Interesse der Pflege und Erziehung eines Kleinstkindes auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, eine Gesamtleistung von 3 000 DM erhalten, wie sie seit dem 1. Juli 1979 Arbeitnehmerinnen auf Grund des Mutterschaftsurlaubes zusteht. Der auf sechs Monate nach der Entbindung ausgedehnte Mutterschaftsurlaub und die Zahlung eines staatlichen Mutterschaftsgeldes sind zwar dazu angetan, die Doppelbelastung der erwerbstätigen Mutter in den ersten Monaten nach der Geburt zu beseitigen; wir meinen jedoch, familienpolitisch ist die Regelung ein Schritt in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das haben wir seinerzeit bei den Beratungen dieses Gesetzentwurfs gesagt, und das gilt für uns auch heute noch. Mit der einseitigen, nur auf die erwerbstätige Mutter abgestellten Regelung des Mutterschaftsurlaubsgeldes sind zweierlei Mütter geschaffen worden, nämlich die, die für die Erziehung ihres Kindes vom Staat Geld bekommen, weil sie vorher berufstätig waren, und die, die leer ausgehen, weil sie entweder selbständig waren oder auf eine Erwerbstätigkeit im Interesse ihres Kindes von vornherein verzichteten bzw. für sich persönlich für nicht vereinbar halten. Darin sehen wir eine Benachteiligung der Mütter, die wegen der Erziehung ihrer Kinder eine Berufstätigkeit aufgaben.
Diese Schlechterstellung will die CDU/CSU mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wenigstens teilweise beseitigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir bekunden damit, daß wir nicht wie die SPD ein Familienbild wollen — quasi staatlich verordnet —, das einseitig auf. die Berufstätigkeit beider Elternteile abstellt,

(Frau Dr. Timm [SPD]: Das ist doch alles nicht wahr!)

mit Modalitäten kurzfristigen Ausscheidens aus dem Arbeitsprozeß.

(Frau Dr. Timm [SPD]: Das wird durch Wiederholung nicht wahrer!)

Da wir für die Wahlfreiheit eintreten, bedeutet das für uns konkret und nicht nur theoretisch, daß Mann und Frau sich frei entscheiden können sollen, ob beide voll berufstätig sein oder Kindererziehung und Beruf gleichzeitig miteinander verbinden wollen oder ob ein Elternteil sich ausschließlich der Kindererziehung widmet, während der andere Elternteil erwerbstätig ist.
So ist es für uns folgerichtig, daß wir es auch ermöglichen müssen, daß die Entscheidung für die sogenannte traditionelle Familienstruktur keine Benachteiligung gegenüber anderen Entscheidungen bedeutet.



Frau Männle
Eine kurze Bemerkung möchte ich zu der Kritik von Frau Minister Huber an unserem FamiliengeldGesetzentwurf machen, er enthalte keinen Kündigungsschutz für Arbeitsverhältnisse. Das ist doch in diesem Entwurf überhaupt nicht relevant. Die Arbeitnehmerin ist durch das Mutterschaftsurlaubsgesetz vor Kündigung geschützt. Unser Familiengeld soll die materielle Benachteiligung der Hausfrauen und der selbständig tätigen Mütter ausgleichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich sind wir uns bewußt, daß der von uns vorgelegte Gesetzentwurf über ein Familiengeld noch keine volle Wahlfreiheit gewährleistet. Sie wissen: Zwei Drittel der erwerbstätigen Mütter, die Kinder unter drei Jahren haben, müssen aus finanziellen Gründen arbeiten. Diese hätten auch mit unserem Gesetzentwurf noch keine ausreichende Wahlfreiheit.

(Dr. Schwenk [Stade] [SPD]: Aha!)

Es kann sich eben nur um einen Einstieg in das von der Union langfristig geforderte Erziehungsgeld handeln.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Richtig!)

Sie wissen, meine Damen und Herren von der Koalition, daß wir hier mit unseren Vorstellungen zum Erziehungsgeld volle Unterstützung bei den von Ihnen zu Rate gebetenen Sachverständigen gefunden haben. Diese Vorschläge Ihrer Kommission ignorieren Sie einfach. Jedenfalls habe ich eine ausführliche Auseinandersetzung in der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht der Sachverständigen nicht gefunden.

(Rawe [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Sie, Frau Minister Huber, haben vorhin gesagt, die vielen kritischen Anmerkungen seien einer längeren Diskussion wert. Setzen wir gerade hier mit dieser Diskussion ein!

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Es ist der Regierung nicht angenehm; deshalb hat sie es nicht getan!)

— Sie sagen es.
Die CDU/CSU verkennt natürlich nicht die großen finanziellen Probleme, die sich mit der Einführung eines Erziehungsgeldes stellen. Ich bin aber überzeugt, daß wir einen Weg finden werden, diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Das wird sicher nicht von heute auf morgen geschehen. Die Union hat sich darüber keine Illusionen gemacht. Aber gestatten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mir die Anmerkung: Ihre Maßnahmen zur außerhäuslichen kollektiven Kindererziehung kosten nicht gerade wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU — Jaunich [SPD]: Was sind denn die „kollektiven Maßnahmen” ?)

Sie werfen uns ständig vor, daß wir die Mütter im Staatsdienst schaffen wollen. Auch Herr Kollege Fiebig hat das vorhin in seiner Rede getan. Ich glaube, mit der Anerkennung der Erziehungsleistung
der Mutter kommen wir nicht weiter, indem wir nur fromme Sprüche gebrauchen. Reden allein helfen hier nicht.

(Franke [CDU/CSU]: Die waren nicht mal fromm!)

— Es ist klar, daß ein Pfarrer fromme Sprüche leichter von sich gibt

(Franke [CDU/CSU]: Nein, die waren nicht mal fromm, die Sprüche!)

und nicht so sehr auf die materielle Ebene abstellt. Natürlich brauchen wir auch ideelle Förderungen, aber mit denen allein ist es nicht getan; Sie wissen es.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen keine Mütter im Staatsdienst.
Sie werfen uns auch vor, wir wollten die Frauen wieder in die Heimchen-am-Herd-Idylle führen. Ich muß ehrlich sagen, ich finde es ziemlich geschmacklos, wenn man diejenigen Frauen diffamiert, die sich für eine ausschließliche Tätigkeit in der Familie und für die Familie entschieden haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Ich frage mich manchmal, woher Sie eigentlich so genau wissen, daß es nicht auch Frauen gibt, die nur für ihre Familie dasein möchten, zumindest in einer Phase ihres Lebens. Ich jedenfalls kenne genügend solcher Frauen. Aber ich weiß, daß das natürlich nicht so recht in Ihren Traum paßt, bei dem Sie davon ausgehen, daß alle Frauen in jeder Lebensphase ausschließlich im Beruf Glück, Zufriedenheit und Selbstverwirklichung finden können.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Ist doch dummes Zeug!)

Sie wissen, daß im letzten Herbst eine Untersuchung der Universität Mannheim belegt hat, daß 72 % der Bundesbürger für die Einführung eines Erziehungsgeldes sind. Das hat Sie natürlich in hellste Aufregung gebracht, und nun produzieren Sie am laufenden Band familienpolitische Vorschläge. Nur können Sie sich leider weder innerhalb der Koalition noch innerhalb der eigenen Partei darüber einigen. Diese Vorschläge widersprechen sich nämlich häufig.
Lassen Sie mich noch zu einem anderen Aspekt unseres Gesetzentwurfs Stellung nehmen. In diesem Gesetzentwurf machen wir Ernst mit der Gleichstellung von Mann und Frau, von Vater und Mutter. Wir schaffen, was die Kindererziehung betrifft, eben keine Sonderrechte und Sonderpflichten nur der Mütter, sondern wir wollen, daß der Mann oder die Frau anspruchsberechtigt für das Angebot des Familiengeldes ist, wenn einer von ihnen zugunsten der Kindererziehung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet.

(Zuruf von der SPD: Und wo ist dann der Kündigungsschutz?)

Sie haben mit der Einführung des Mutterschaftsurlaubsgeldes die Väter draußen gelassen, genau die Väter, die wir und Sie eigentlich sicher auch — davon bin ich überzeugt — verstärkt zur Kindererzie-



Frau Männle
hung motivieren und denen wir Anreize dazu geben möchten.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Kündigungsschutz!)

— Darauf bin ich vorhin schon eingegangen, Frau Kollegin. Die von uns allen gewünschte Neuverteilung der Familienrollen kann man doch nicht damit bewirken, daß arbeitsrechtliche Sonderstellungen — außerhalb des Mutterschutzes natürlich — nur den Frauen zugebilligt werden. Damit würde man die Situation der Frauen erheblich verschlechtern.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819903500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Matthäus-Maier?

Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID0819903600
Bitte nur dann, wenn ich das auf meine Zeit nicht angerechnet bekomme.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819903700
Es liegt bei Ihnen, ob Sie die Frage zulassen wollen oder nicht. Aber Sie haben ja noch Zeit.

Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID0819903800
Dann bitte nicht. Sonst komme ich hinterher in Bedrängnis.
Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, noch einmal sagen, daß das Familiengeld, wie wir es verstehen und in unserem hier zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf konkret zum Ausdruck bringen, als Angebot an die Familienväter und Familienmütter zu betrachten ist. Kein Mensch zwingt damit die Mutter oder den Vater, die Frau oder den Mann, ihre Berufstätigkeit aufzugeben, wenn diese ihnen lieb und teuer geworden ist und wenn sie für sich persönlich Wege gefunden haben, beides, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung, miteinander zu vereinbaren.

(Dr. Schwenk [Stade] [SPD]: Dann gilt das also nur für eine kleine Gruppe, für diejenigen, die Kündigungsschutz nicht in Anspruch nehmen können! Sagen Sie dazu mal etwas!)

Meine Damen und. Herren, natürlich sehen wir auch die Grenzen dieses Familien- bzw. Erziehungsgeldes. Wir verschließen nicht die Augen davor, daß — ich zitiere hier — „nach dem Auslaufen der Erziehungsgeldzahlung der Konflikt Erwerbstätigkeit und/oder Familienaufgabe wieder in unverminderter Stärke auftritt", wie die Kommissionsmitglieder zu Recht vermerkten. Diesen Problemen müssen wir uns verstärkt zuwenden. Wir müssen beispielsweise weitaus mehr als bisher dem Wunsch vieler Frauen Rechnung tragen, mit dem Heranwachsen ihrer Kinder wieder in das Berufsleben einzutreten, sei es in Vollzeitarbeit, sei es, daß eine Teilzeitbeschäftigung gesucht wird.
Eine sehr aufschlußreiche Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom vergangenen Jahr zum Erwerbsverhalten verheirateter Frauen zeigt, daß von nicht erwerbstätigen verheirateten Frauen 16 % auf alle Fälle und weitere 28% vielleicht wieder in das Erwerbsleben zurückkehren wollen. Drei Viertel dieser potentiellen
Rückkehrerinnen streben eine Teilzeitbeschäftigung an. Das Institut kommt zu dem Schluß, daß allein dafür in den nächsten fünf Jahren zwischen 274 000 und 634 000 neue Teilzeitarbeitsplätze geschaffen werden müßten, wenn man diesen Wünschen der Frauen entsprechen wollte.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819903900
Frau Abgeordnete, darf ich noch einmal unterbrechen. Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Däubler-Gmelin? — Nein.

Prof. Ursula Männle (CSU):
Rede ID: ID0819904000
Ich möchte deshalb die Bundesregierung fragen, welche Anstrengungen sie unternommen hat, um nur dieses eine von mir beispielhaft genannte Problem zu lösen. Hier werfe ich Ihnen von der SPD und FDP schwerste Versäumnisse vor. Es genügt nämlich nicht, wenn sich Ihr Wirtschaftsminister vor die Unternehmerinnen — wohlgemerkt: vor die Frauen — stellt und in Sonntagsreden von ihnen fordert, das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen zu erhöhen. Es genügt auch nicht, wenn der eigene zuständige Arbeitsminister auf die Tarifparteien verweist, wohlwissend, daß die Gewerkschaften nicht so recht daran wollen, weil sie glauben, die Teilzeitarbeiter als Fremdkörper in ihrer Organisation sehen zu müssen. Überzeugen Sie sie doch vom Gegenteil, motivieren Sie sie doch, hier etwas zu tun!
Machen Sie konkrete Vorschläge, wie wir den arbeitslosen und arbeitsuchenden Frauen helfen können! Sie stellen doch arbeitsmarktpolitische Programme für Regionen mit besonderen Beschäftigungsproblemen auf. Weshalb führen Sie nicht Programme durch, die speziell den Teilzeitarbeitsmarkt betreffen und für den Arbeitgeber den Teilzeitarbeitsplatz attraktiver machen? Das könnte doch auch gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die CDU/CSU hatte im Rahmen der Beratung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes Anträge eingebracht, die geeignet gewesen wären, die beruflichen Wiedereingliederungschancen der Frauen in späteren Jahren zu erhöhen. Leider sind Sie unseren Vorschlägen nicht gefolgt.
Es ergäbe noch eine lange Liste, würde ich alle Vorschläge aufzählen — sei es aus dem Familienbericht oder aus Ihren Parteiprogrammen —, die sich mit der Abstimmung von Arbeitswelt und Familie befassen, z. B. die Anpassung von Ort und Zeit der Erwerbstätigkeit an die Bedürfnisse des Familienlebens

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

oder die Anhebung der Altersgrenzen bei der Freistellung der Eltern zur Betreuung eines erkrankten Kindes. Allen diesen Forderungen — ihre Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden — sind keine Taten gefolgt. Die Verwirklichung dieser Forderungen könnte den Familien tatsächlich helfen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Aber seit wann ist das denn die Aufgabe der RegieFrau Männle rung? Das ist doch Aufgabe der Tarifvertragsparteien!)




— Frau Kollegin, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen: Wir sind uns natürlich dessen bewußt, daß die Tarifvertragsparteien hier angesprochen sind. Aber die Regierung führt ja häufig Gespräche und könnte sie motivieren, hier etwas zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD — Franke [CDU/CSU]: Auch der öffentliche Dienst ist ein Arbeitgeber!)

— Einer der größten Arbeitgeber.
Das ist um so bedauerlicher, als diese Maßnahmen auch einer besonderen Gruppe eine Erleichterung ihrer Situation brächte, nämlich den alleinerziehenden Vätern und Müttern. Sie dürfen wir bei dieser Diskussion nicht unberücksichtigt lassen. Sie bedürfen der besonderen Unterstützung bei der Aufgabe, Familienleben und Arbeitswelt miteinander in Einklang zu bringen. Sie bedürfen auch unserer finanziellen Unterstützung. Von ihnen müssen wir auch immer dann sprechen, wenn wir die Familie fördern wollen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Mit der Vorlage unseres Familiengesetzentwurfes wollen wir für einen neuen Ansatz in der Familienpolitik sorgen. Lassen Sie uns gemeinsam in einen Wettstreit treten und überlegen — vor allen Dingen dann aber auch handeln —, wie wir unseren Familien und denen, die eine eigene gründen wollen, besser als bisher helfen können!

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819904100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Czempiel.

Dr. Christa Czempiel (SPD):
Rede ID: ID0819904200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen wurde in der Rede von Frau Wex viel von der Krise der Familie — oder besser: der Krise der Familienpolitik — gesprochen. Ich selbst gehöre zu jenen Frauen, die wegen ihrer Kinder bewußt auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet haben. Ich bin also eine Hausfrau.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich muß sagen: Als dieses düstere Bild unserer Familienwirklichkeit hier gezeichnet wurde, glaubte ich über weite Strecken, auf einem anderen Stern zu leben.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

Ich möchte hier jetzt keine Definition der Familie geben; ich glaube, das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Unsere Soziologen haben das immer wieder versucht und sind auch nicht zu rechten Ergebnissen gekommen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das steht ja schon in den Programmen der SPD!)

Ich glaube, wir kommen weiter, wenn wir die Aufgaben beschreiben, die unsere Familien heute zu erfüllen haben, die sie, wie ich meine, gut erfüllen.
Es wird darüber geklagt, daß die moderne Familie doch ihre Individualisierung, durch die starke Kontraktion, durch die Zusammenziehung zur Kleinfamilie kaum mehr imstande sei, ihre angestammten Funktionen zu erfüllen. Der Funktionsverlust wird auf allen Ebenen beklagt, anstatt sich dem Funktionswandel, der doch durchaus positiv zu bewerten ist, zuzuwenden.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Die Änderungen der Aufgaben, die nach meiner Ansicht keinesfalls einen Verlust bedeuten müssen, sondern eine qualitative Bereicherung darstellen können, rufen aber auch völlig neue Bedürfnisse hervor, bringen neue, bringen andersartige Probleme. Eine Familienpolitik, die diese Lage nicht berücksichtigt, die diesen Wandel nicht zur Kenntnis nimmt oder nicht zur Kenntnis nehmen will, ist verfehlt.

(Beifall bei der SPD — Frau Dr. DäublerGmelin [SPD]: Sehr richtig!)

Frau Wex lehnte heute morgen einseitige Leitbilder ab. Sie sagte, die CDU verfolge nicht einseitige Leitbilder der Familie. Das war mir neu. Ich muß Ihnen sagen: Wenn das in der Tat Eingang in die praktischen Vorschläge der Opposition fände, könnten wir uns auf dem Gebiet der Familienpolitik ein bißchen annähern.
Bisher zeichnete die Opposition ein Bild der früheren Familie, in der Konflikte durchweg liebevoll gelöst wurden, in der z. B. Generationsprobleme ganz glatt aufgingen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Die gab es gar nicht!)

Diese Familie hat es eigentlich nie gegeben. Ich fürchte, daß wir hier durch eine Nostalgiewelle unseren Blick trüben.

(Zustimmung bei der SPD)

Auf mich hat als Kind die Geschichte sehr, sehr tiefen Eindruck gemacht — ich glaube, Sie kennen diese Geschichte alle aus Ihren Lesebüchern —, in der eine Familie gemeinsam zu Tisch sitzt, aber der alte Großvater sitzt am Nebentisch, wo man ihm in einem Holznapf serviert hat. Er ißt dort allein. Ein paar Tage später kommt die Mutter und sieht, wie ihr kleiner Sohn an einem Stückchen Holz herumschnitzt. Sie fragt ihn: Was machst du denn da? — Der Sohn antwortet: Ich schnitze hier so einen Holznapf, damit ihr später, wenn ihr einmal so alt seid wie der Großvater, daraus essen könnt!
Ich möchte in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die ledige Tante ohne Ausbildung verweisen, die in diesem sehr rosigen Familienbild, das immer gezeichnet wird, ja auch keinen Platz hatte.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819904300
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?

Dr. Christa Czempiel (SPD):
Rede ID: ID0819904400
Einen Augenblick, ich möchte nur den Satz noch sagen.
Machen wir uns nichts vor: die heile Familie, in der es kein Gegeneinander gab, in der alles aufging, wo hat es die je gegeben? — Bitte!




Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819904500
Bitte, Herr Abgeordneter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819904600
Darf ich Sie fragen, ob es wirklich Ihre Auffassung ist, daß Konflikte in der Familie nicht auch liebevoll gelöst werden können?

Dr. Christa Czempiel (SPD):
Rede ID: ID0819904700
Es ist durchaus meine Auffassung, daß man das kann und daß man das anstreben muß, aber Sie klammern ja Konflikte völlig aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

— Bitte lassen Sie mich weitersprechen; ich habe nur 15 Minuten.
Herr Dregger ruft in der „Fuldaer Zeitung" am 4. August 1979 zur Umkehr zu dieser angeblich heilen Familie auf, und er sagt, daß „Jugend erzogen werden muß, auf den Schulen Grundwerte nicht zu hinterfragen, sondern zu festigen sind, Religion, Recht und Gesetz, Ordnung und Fleiß, Familie und Vaterland unentbehrliche Strukturelemente einer freien Gesellschaft" sind.

(Frau Dr. Timm [SPD]: Ist das schön!) Ich bestreite diese Werte nicht,


(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Na also!)

aber ich vermisse die Erkenntnis, daß durch die heutigen Lebensbedingungen ganz andere Werte Priorität erlangt haben.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr wahr!)

Dadurch daß unsere Familien Kleingruppen geworden sind, in denen jeder mit jedem in einer intensiven Beziehung steht, hat sich in unseren Familien eine emotionale Atmosphäre entwickelt, die mehr bedeutet als Ordnung und Gehorsam. Man spricht miteinander, man versucht, Toleranz zu üben, auch den Kindern gegenüber. Ich erinnere an das Wort, daß ich in meiner Jugend noch gehört habe: „Wenn Erwachsene sprechen, haben Kinder zu schweigen.

(Zuruf von der SPD: Das ist Ordnung!)

Unsere Familien sind mündiger geworden. Demokratie ist ihnen nicht nur eine Staatsform, sondern eine Lebensform.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Wandel bejahen wir Sozialdemokraten, und diesem Wandel werden wir in unserer Familienpolitik Rechnung tragen. Den Familien, so wie sie sich uns heute mit ihren Problemen, aber auch mit ihrer heutigen Wertorientierung darstellen, sagen wir unsere volle Unterstützung zu.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen Familie und Gesellschaft nicht als eigenständige voneinander unabhängige Gebilde an. Im Gegenteil, für die SPD ist „Familienpolitik ein entscheidender Bestandteil einer umfassenden Gesellschaftspolitik". So steht es in den Parteitagsbeschlüssen zur Familienpolitik von 1977. Dieser Satz wurde oft und von der CDU genüßlich mißinterpretiert, als wollten wir in die Familien hinein-regieren. Wir aber meinen, daß man die Zusammenhänge zwischen den familiären Strukturen und Problemen und unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem nicht ignorieren darf.

(Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

Daher ist es nicht allein damit getan, den Familien möglichst viele Geldleistungen anzubieten. Das ist zwar gut, muß aber doch von flankierenden Maßnahmen begleitet sein.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

Ich möchte hier nur an die Schichtarbeiter erinnern, die ein Arbeitsrhythmus bestimmt, der tief in den Familienrhythmus einschneidet. Hier müssen wir sehen, daß Änderungen geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eine dominierende gesellschaftspolitische Rolle spielt in dieser Debatte immer wieder — es ist heute auch schon angeklungen — die Erwerbstätigkeit der Frau. Man geht bei dieser Betrachtungsweise von der Normalfamilie aus, d. h. der Eltern-KindGruppe. Von den ganz erheblichen Abweichungen, die es auf diesem Gebiet gibt, ist wenig die Rede. Im April 1977 gab es nämlich 1,471 Millionen alleinerziehende Elternteile mit 2,224 Millionen Kindern. Alleinerziehende Elternteile sind aber überwiegend erwerbstätig, und sie werden es auch bleiben, weil sie es müssen. Die gleiche Statistik sagt, daß 70 der Kinder lediger Frauen, 40 % der Kinder verwitweter Frauen und 59 % der Kinder geschiedener Frauen eine erwerbstätige Mutter hatten. Hier tut sich doch ein Problem in einer Dimension auf, in der man es nicht so einfach lösen kann, wie die CDU/ CSU das mit ihrem Gruppenantrag vom März tun wollte, in dessen Begründung es hieß:
Deshalb soll ein Familiengeld als neue Säule der direkten Familienförderung sowohl nicht erwerbstätige als auch vorher in einem Arbeitsverhältnis stehende Mütter oder Väter ... insbesondere vom Zwang der Erwerbstätigkeit befreien.
Das dürfte für die vielen alleinstehenden Frauen mit Kindern doch wohl keine Lösung bedeuten.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte noch einen weiteren Gedanken anfügen. Niemand von uns in diesem Hause würde auf den Gedanken kommen, seiner Tochter nicht eine gute, qualifizierte Berufsausbildung anzubieten. Die Ausbildung, die junge Mädchen heute erhalten, ist längst nicht mehr nur eine Zwischenstufe bis zur Eheschließung, sondern bedeutet — übrigens neben dem Wunsch nach Sicherheit, den die jungen Mädchen heute genauso haben wie die Männer — auch Lebensinhalt. Das Problem ist doch längst nicht mehr das, als das die CDU es immer noch darstellt, obwohl ich eben in dem Beitrag von Frau Männle etwas für meine Verhältnisse Positiveres gehört habe. Das Problem liegt nicht in der Frage: Wie kann sich die verheiratete Frau freimachen, um einen Beruf



Frau Dr. Czempiel
auszuüben? Die Frage lautet doch heute vielmehr, ob die erwerbstätige Frau zugunsten der Hausarbeit ihren Beruf aufgeben soll. Auch darauf gibt die CDU keine Antwort.
Es sollte klar sein, daß diese Dinge sehr viel differenzierter betrachtet werden müssen und daß die Alternative nicht „Erwerbstätigkeit oder Vollhausfrau” — ich sage hier bewußt nicht „nur Hausfrau" — lauten kann, sondern die Lösung irgendwo dazwischen liegen muß.

(Frau Dr. Timm [SPD]: Und den Vater dabei bitte nicht vergessen!)

— Ja, das ist selbstverständlich in unsere Politik mit eingebaut.
Um ein letztes, was heute auch schon angeklungen ist, noch anzuschneiden: Die Frage nach Ursachen und Folgen des Geburtenrückgangs nimmt in der familienpolitischen Diskussion einen breiten Raum ein, und die Oppositionsparteien bemühen sich eifrig darum, diese Entwicklung der sozialliberalen Regierungspolitik in die Schuhe zu schieben. Die Entwicklung zur Kleinfamilie setzte aber bereits im Kaiserreich ein. Seit 1900 hatten wir Familien mit durchschnittlich vier Kindern, von 1920 bis 1940 ging der Trend auf einen Durchschnitt von zwei Kindern, und erst seit 1960 haben wir die Erscheinung, daß die Tendenz noch weiter rückläufig ist und zu Familien mit einem oder zwei Kindern geht.
Aber ich warne davor, daß hier der Staat lenkend und mit zielgerichteten Maßnahmen eingreift. Denn die Gründe dafür, daß die einzelnen Paare heutzutage die Kinderzahl stärker beschränken, sind primär keinesfalls in einem familienfeindlichen Denken zu suchen. Im Gegenteil, Ehepaare bekommen heute ihre Kinder ganz bewußt um ihrer selbst willen. Kinder haben einen anderen Stellenwert als z. B. unter den ökonomischen und politischen Bedingungen einer Agrargesellschaft. So entfallen die ökonomischen Anreize, Kinder zu haben, dank eines ausgebauten sozialen Sicherungssystems, und dies ist wahrhaftig nicht familienfeindlich.

(Beifall bei der SPD)

An die Stelle persönlicher Verpflichtungen innerhalb unserer Familien ist inzwischen ein prinzipell verläßliches staatlich organisiertes Sicherungssystem getreten, und wer möchte das heute noch zurückschrauben?

(Zustimmung bei der SPD)

Kinder sind damit' weder unter dem Aspekt eines zusätzlichen Familieneinkommens noch als lebende Alterssicherung von Interesse. Kinder werden heute gewünscht, weil sie Lebenserfüllung bedeuten, weil sie Freude bringen, kurz: weil man sie liebt.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Darum kann und darf Familienpolitik nicht mit Bevölkerungspolitik verwechselt werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sozialdemokratische Familienpolitik verfolgt daher auch nicht den Zweck, Geburtenzahlen zu erhöhen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

Wir wollen positive Lebensverhältnisse schaffen, die den Familien um ihrer selbst willen und so, wie sie heute strukturiert sind, zugute kommen.

(Beifall bei der SPD)

Dies kann die Nebenwirkung haben, daß sich auch die Geburtenzahlen wieder erhöhen — um so besser. Wir wehren uns aber entschieden dagegen, Familienpolitik mit gezielter Bevölkerungspolitik zu verwechseln. Dazu nehmen wir unsere Familien, dazu nehmen wir ihre Anliegen viel zu ernst.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819904800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Spitzmüller: (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich darf auf die Eingangsworte meiner Kollegin Frau Männle zurückkommen, die von den Vorstellungen gesprochen hat, die die Öffentlichkeit manchmal von Familienpolitikern — die müßten viele Kinder haben — habe. Wenn es nach dieser Vorstellung geht, dann müßte bei uns jetzt Herr Bangemann oder Herr Gallus sprechen, die fünf und mehr Kinder zu versorgen und zu betreuen haben.

(Frau Eilers [Bielefeld] [SPD]: So war das früher auch einmal beim Ausschußvorsitzenden!)

Daran anknüpfend, meine Damen und Herren, darf ich aber sagen, daß wir nicht übersehen sollten, daß es viele alleinstehende Frauen und Männer, alleinstehende verwitwete Damen und Herren gibt, die sich oft in den Dienst von Familien oder Problemkindern stellen. Von daher sollte man, glaube ich, Familienpolitik so umfassend sehen, wie es auch in der heutigen Debatte angesprochen worden ist. Es gibt eben auch sehr viele alleinstehende Menschen, die sich um die Familien oder um Kinder aus Problemfamilien verdient machen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die FDP hat immer betont, daß Familienpolitik nur ein Bündel von Maßnahmen materieller, rechtlicher und finanzieller Art sein kann. Ich möchte heute vor allem auf die finanziellen Leistungen eingehen. Sie können sich zweifelsohne sehen lassen, auch wenn noch viele Wünsche offen sind und übrigbleiben, Wünsche, die teilweise eben auch gar nicht finanzierbar sind.
Es ist nicht zu verkennen, daß gerade die Kindergelderhöhungen nach Ablösung der alten Steuerfreibeträge einen nicht unerheblichen Teil der Gesamtverbesserungen für die Familien ausmachen. Von 1975 bis 1979 — Leistungen, auf die dieser Familienbericht gar nicht Bezug nehmen kann — stiegen die Ausgaben in der Summe um ein Drittel, und zwar für die Zwei-Kinder-Familie um 25 %, für die Drei-Kinder-Familie um 45 %, für die Vier-KinderFamilie um 52 % und für die Fünf-Kinder-Familie



Spitzmüller
um 56 %. Das sind Steigerungen, von denen frühere CDU-Familienminister — und ich habe diese Familienminister in den letzten 20 Jahren in diesem Hause erlebt — nicht einmal träumen konnten.
Trotzdem geht gerade die Opposition, wie wir es auch heute wieder hören, mit der sozialliberalen Koalition massiv ins Gericht und behauptet, unsere Familienpolitik sei gescheitert. Aber, meine Damen und Herren, was geschah denn tatsächlich, als Sie von der CDU/CSU die Mehrheit hatten? Es geschah sehr wenig.

(Abg. Burger [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Kollege Burger, ich lasse im Moment keine Zwischenfrage zu, weil ich das noch ausführen möchte.

(Franke [CDU/CSU]: Weil Sie wissen, daß er ein Wort zur Inflation sagen will!)

— Oh, darauf, auf brutto und netto und Kaufkraftverlust, Herr Kollege Franke, komme ich auch noch; so ist es nicht.

(Hasinger [CDU/CSU]: Hoffentlich auch auf die Mehrwertsteuererhöhung!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, wie war es denn, als Sie die absolute Mehrheit hatten?

(Lampersbach [CDU/CSU]: Besser!)

Da waren Ihre Familienminister außerordentlich unbeweglich, weil sie die ideologische Vorstellung hatten, daß die Aufbringung von Mitteln für Kinder in der Familie eine Aufgabe der Arbeitgeber bzw. berufsständischer Organisationen wäre. Als Sie im Jahre 1958 die absolute Mehrheit hatten, sind wir von der FDP über unseren Schatten gesprungen — wir waren immer der Meinung, es sei Aufgabe des Staates, für Kinder und kinderreiche Familien zusätzliche Leistungen anzubieten — und haben Ihnen einen Vorschlag zu einer Mischfinanzierung gemacht, nämlich das Kindergeld aus Abgaben der Arbeitgeber bis zu 1 Prozent und den Betrag darüber durch den Staat zu finanzieren. Viele in Ihrer Fraktion waren damals so einsichtig und sagten: Wenn die FDP schon über ihren Schatten springt — das waren damals ja ideologische Kämpfe —, dann wollen wir mitmachen. 60 von Ihnen haben in der zweiten Lesung mit uns für die Mischfinanzierung gestimmt. Ihre Fraktion hat der dritten Lesung widersprochen und die Finanzierung über die Arbeitgeber wieder total hergestellt. Damit war die Erhöhung des Kindergeldes weitgehend verbaut.
Ich muß hinzufügen: Auch die SPD ist damals über ihren Schatten gesprungen und hat mit uns und den 60 CDU-Kollegen gestimmt, um hier für die Familien etwas in Bewegung zu setzen. Ich bin froh, daß es solche ideologischen Auseinandersetzungen nicht mehr gibt. Dazu ist es nur gekommen, weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nach 1961 auf die Mitwirkung der Freien Demokraten angewiesen waren und dann selber eingesehen haben, daß auch eine Finanzierung über den Staat, d. h. über Steuermittel, richtig und sinnvoll sein könnte. Sie haben 1975 bei der Umstellung des Kindergeldes
— Kindergeld einerseits, Kinderfreibeträge andererseits — mit uns gestimmt, und das danke ich Ihnen. Herr Kollege Götz hat dies damals ausdrücklich begründet.
Sie haben sich in Ihren familienpolitischen Aktivitäten in der Zeit Ihrer absoluten Mehrheit weitgehend auf das Kindergeld beschränkt. Erst die sozialliberale Koalition hat eine Fülle von Verbesserungen für die Familien und Kinder durchgesetzt und auf den Weg gebracht, neue Ansätze geschaffen und Akzente gesetzt. Lassen Sie es mich aufzählen: Elternurlaub bei Krankheit eines Kindes, Hauspflege auf Krankenkassenkosten, Einbeziehung des Umwegs zum Kindergarten auf dem Weg zur Arbeit in den betrieblichen Unfallschutz — —

(Hasinger [CDU/CSU]: Das war ein CDUEntwurf!)

— Das war ein FDP-Entwurf! (Hasinger [CDU/CSU]: Natürlich ein CDU-
Entwurf !)
— Das war eindeutig unser Entwurf, mein lieber Herr.

(Hasinger [CDU/CSU]: Ich weiß es sehr genau, Herr Kollege!)

— Ich weiß nicht, ob Sie damals schon da waren. Es kann sein, daß Sie gerade da waren. Ich weiß ganz genau, daß das von unserem Kollegen Hölscher in die Diskussion eingeführt worden ist. Aber wir wollen uns nicht streiten, sondern nur feststellen, daß diese Dinge seit 1969 eingeführt worden sind.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU]: Trotz FDP und SPD!)

— Herr Kollege Hasinger, seit 1969 ging in diesem Hause nichts, wenn SPD und FDP es nicht wollten. Auch das wollen wir einmal festhalten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich fahre in der Aufzählung fort: Öffnung der Rentenversicherung für die Hausfrauen, laufende Fortentwicklung des Wohngeldes, automatische Anpassungen der Unterhaltsleistungen auch bei Kindern aus geschiedenen Ehen, Einführung von Unterhaltsvorschußkassen, steuerliche Berücksichtigung der Aus- und Fortbildungskosten von Hausfrauen, steuerliche Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten, Ablösung des Honnefer Modells durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Meine Damen und Herren, Kinder gehören nun einmal in die Familie. Keine noch so gute Institution kann Familienerziehung und Familienatmosphäre ersetzen.

(Beifall bei der FDP — Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Das ist und bleibt die maßgebende Einstellung der Freien Demokraten, und das ist hier im Hause nirgendwo bestritten.
Deswegen müssen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, auch das Bekenntnis der Koalition zur Familie als gültig ansehen. Es besagt eindeutig, daß Familien sowohl nach dem Stellenwert, der ihnen nach dem Grundgesetz zukommt, als auch



Spitzmüller
nach dem Auftrag unseres Sozialstaats gefördert werden müssen.
Nun haben Sie, Herr Kollege Dr. Stark, die neueste Forderung der Deutschen Jungdemokraten in die Diskussion eingeführt. Lassen Sie mich dazu einiges sagen. Ich teile diese Forderung nicht. Ich lehne sie ab. Die Freien Demokraten lehnen diese Forderung ab. Das ist eindeutig.

(Franke [CDU/CSU]: Aber Jungdemokraten sind doch auch Freie Demokraten! — Hasinger [CDU/CSU]: Aber die Jungdemokraten haben Sitz und Stimme im FDP-Parteivorstand!)

— Aber, lieber Herr Hasinger, e i n Sitz in einem 35köpfigen Parteivorstand!
Herr Kollege Hasinger, wenn Sie das so ansprechen, dann lassen Sie mich eines sagen. Ich war, als ich das in den Zeitungen las, wie viele von Ihnen sicher empört, vielleicht sogar noch empörter, weil mir die Jungdemokraten etwas näherstehen als Ihnen. Aber, meine Damen und Herren, ist es nicht so, daß wir uns, wenn solche Forderungen aufgestellt werden, nicht nur empören sollten, sondern auch einmal versuchen sollten, darüber nachzudenken? Ist es nicht so, daß Entwicklungen in dieser Welt zum besseren menschlichen Miteinander oft nur ermöglicht wurden, weil radikale, utopische Forderungen aufgestellt wurden, die zwar nie verwirklicht werden konnten, aber trotzdem einen Anstoß zum Nachdenken gaben? Ich sehe — Sie werden sich wundern —, nachdem ich die Forderungen der Jungdemokraten eine Nacht überschlafen hatte, einen solchen Anstoß darin, daß es sich lohnt, sich darüber klarzuwerden, wieweit es nicht Aufgabe aller Parteien sein müßte, dafür zu sorgen, daß durch mehr Toleranz der andere Mensch nicht a priori abgelehnt wird, nur weil er anders denkt und handelt als die Mehrheit.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU]: Überzeugen sollten Sie sie! Das ist Ihre Aufgabe!)

Die rechtliche Gleichstellung wird es in der geforderten Form nie geben. Das lehne ich und das lehnt die FDP unmißverständlich ab. Aber wäre nicht etliches gewonnen, wenn über solche zu Recht viele Bürger schockierenden Vorstellungen die gesellschaftliche Gleichstellung von Minderheiten doch vorangebracht werden würde? Es ist ein Unterschied, ob ich eine rechtliche oder eine gesellschaftliche Gleichstellung im Auge halte. Das wollte ich dazu hier sagen, nachdem Sie diese Frage eingeführt haben.
Mit der Steuerreform und der Reform des Familienlastenausgleichs 1975 wurde eine wichtige Weichenstellung nach den Grundsätzen vorgenommen, die die Freien Demokraten hier seit den 50er Jahren vertreten haben, nämlich um damit die materiellen Belastungen für die Familien ausgleichen zu helfen. Die Freien Demokraten haben sich bei der Steuerreform 1975 grundsätzlich gegen Steuerentlastungen mit unterschiedlichen Wirkungen und für die sozial gerechte, gleichmäßige Zahlung eines Kindergeldes vom ersten Kind an entschieden. Von dem alten
zweigleisigen System von Steuerentlastungen und Direktzahlungen hatten einkommenstarke Familien nämlich am meisten profitiert, während Familien mit vielen Kindern, selbst wenn sie in der mittleren und höheren Einkommenslage waren, angesichts nicht so großer finanzieller Möglichkeiten den geringsten Steuervorteil hatten. Manche hatten gar keinen. — Ich sehe Ihren Zeigefinger, Herr Hasinger. Aber wir sind nun einmal der Meinung, daß dem Staat jedes Kind gleich lieb und gleich wert sein sollte,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und er deshalb für alle Kinder, wenn auch nach der Ordnungszahl gestaffelt — da sind wir uns wieder völlig einig —, seinen Beitrag zu den Lebenskosten leisten muß. Darüber waren sich alle Fraktionen im Hause damals übrigens einig.
Der Kollege Dr. Götz hat im Pressedienst seiner Fraktion und hier im Hause versichert, daß die Fraktion der CDU/CSU dem Gesetz zur Vereinheitlichung zugestimmt habe, damit durch das am 1. Januar 1975 vorgesehene einheitliche Kindergeld die Mittel im Rahmen eines einheitlichen Systems am gerechtesten auf die Familien mit Kindern aufgeteilt werden könnten. Ich habe auch gehört, daß der Kollege Dr. Schäuble neulich in einer Debatte hier gesagt hat, diese Entscheidung der Fraktion sei falsch gewesen. Wenn diese Meinung des Kollegen Dr. Schäuble zutrifft, wäre es gut, wenn dies auch in amtlichen Verlautbarungen der CDU/CSU-Fraktion deutlicher unterstrichen würde als nur durch die Aussage eines einzelnen Kollegen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, heute nun versuchen Sie von dieser Position — und bei der Gelegenheit, wo Herr Schäuble sprach — ein bißchen abzurücken. Der Kanzlerkandidat der Union plädiert im Rahmen seines Steuerentlastungsprogramms für ausschließlich höhere Einkommen erneut wieder für einen progressiv wirkenden Kinderfreibetrag. Die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz versuchen, in verfassungsrechtlich für mich nicht unbedenklicher Weise, durch die hälftige Pauschalierung bei den neu eingeführten Kinderbetreuungskosten gleichfalls einen neuen, progressiv wirksamen Kinderfreibetrag sozusagen durch die Hintertür wieder einzuführen.
Bei den Kindergeldanhebungen weiß man im übrigen in der Opposition nicht so genau, was man eigentlich will. Einmal spricht man von Erhöhung nur für das erste und zweite Kind. Dann zielt man wieder deutlicher auf die großen Familien. Dann spricht man wieder vom schichtenspezifischen Kindergeld wie in den 50er und 60er Jahren. Gerade aber die großen Familien wird Herr Strauß sehr schlecht belehren können — und ihnen erklären können —, wie ein steuerlicher Kinderfreibetrag eigentlich wirkt.
Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß mit den kräftigen Kindergelderhöhungen für die Mehrkinderfamilien — 200 DM ab drittem Kind — ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Die Freien Demokraten halten daran fest, daß Kindergeld unabhängig vom Familieneinkom-



Spitzmüller
men als Direktleistung des Staates vom ersten Kind an zu zahlen ist. Bei seiner Fortentwicklung sollten allerdings die ersten und zweiten Kinder nach unserer Meinung stärker berücksichtigt werden.

(Beifall bei der FDP)

Dem Gesetzgeber sollte jedes Kind gleich viel wert sein und bleiben. Dies heißt: keine progressiv wirkenden Freibeträge, sondern allenfalls Grundfreibeträge.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit betonen, daß es bei der Steuerreform 1975 der erklärte Wille des Gesetzgebers war, Einkommensgrenzen beim Kindergeld in Zukunft wegfallen zu lassen. Die FDP hat sich von Anfang an beim Kindergeld, aber auch bei anderen familien- oder steuerpolitischen Maßnahmen gegen Einkommensgrenzen ausgesprochen, weil sie weder sozial sind noch wegen der Einkommensprüfung sehr praktikabel und liberal erscheinen könnten.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das ist ein Widerspruch zu den Absichten der SPD!)

— Warum soll es zwischen SPD und FDP in der grundsätzlichen Einstellung nicht Unterschiede geben, Herr Kollege Hasinger? Koalitionspartner müssen versuchen, miteinander auszukommen. Herr Kollege Cronenberg hat von dieser Stelle aus einmal ausgeführt, daß er Verständnis dafür gehabt habe, daß in den Jahren 1967 bis 1969 die Sozialdemokraten in der Großen Koalition sozialdemokratische Politik betrieben hätten. Nur hatte er wenig Verständnis dafür, daß Sie der Sozialdemokratischen Partei dabei in vielen Fällen, z. B. in der arbeitsrechtlichen Lohnfortzahlung, gefolgt sind. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, in einer Koalition — wenn es anders wäre, wäre es schrecklich — gibt es Meinungsverschiedenheiten, sonst wäre das keine Koalition, sondern eine Partei. Wir sind aber nicht eine Partei, sondern zwei Parteien mit unterschiedlichen Zielvorstellungen.

(Beifall bei der FDP)

Das muß gelegentlich zum Ausdruck kommen. Hier sind die Sozialdemokraten nicht so empfindlich wie Sie, als Sie unser Koalitionspartner waren.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben uns immer sehr übel genommen, wenn wir auf die Unterschiede hingewiesen haben. Die Sozialdemokraten wissen, daß wir ein eigenständiger Faktor in der Koalition sind. Sie haben das manchmal überspielt oder verdrängt.

(Fiebig [SPD]: Wir haben größere Gelassenheit!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Dritten Familienbericht zurückkommen: Bei seinen Vorstellungen zur Fortentwicklung des Familienlastenausgleichs schlägt er eine Dynamisierung des Kindergeldes vor. Darüber werden wir uns unterhalten müssen. Aber ich darf dazu sagen, daß heute über 80 % des Bundeshaushalts gesetzliche Verpflichtungen ausmachen und es nicht im Sinne der politischen Gestaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten des Parlaments liegen kann, auch hier eine
weitere Selbstbindung in solcher Größenordnung vorzunehmen. Wenn ich es richtig gehört habe, hat auch Frau Kollegin Wex dieses nicht gefordert, sondern vielmehr das, was auch wir für richtig halten: Anpassungen und Erhöhungen durch Parlamentsbeschluß, aber keine automatische Anpassung. Bitte nicht solche Automatismen in die Gesetzgebung!
Der Dritte Familienbericht stellt fest, daß die Einkommensentwicklung von Familien mit Kindern negativ verlaufe. Dagegen ist nichts zu sagen; denn die Berechnungen im Bericht können nicht die Umstellungen, das erhöhte Kindergeld und die laufenden Verbesserungen seit 1973 berücksichtigen. Infolgedessen kommt man bei einem Vergleich der Einkommensstatistik von 1969 mit der von 1979 zu einem ganz anderen Ergebnis.
So hatte die Familie eines Industriefacharbeiters mit drei Kindern 1969 ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 1182 DM; das machte minus Steuern und Sozialabgaben 967 DM. Dazu kam Kindergeld in Höhe von 75 DM und eventuell Wohngeld, je nach Wohnung, von 22 DM, jedoch kein Geld nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, alles zusammen also höchstens 1 064 DM verfügbares Nettoeinkommen.
Die gleiche Familie verfügte 1979 auf Grund von Lohnsteigerungen und erheblichen Verbesserungen beim Kindergeld brutto über 2 620 DM, netto über 1 904 DM, also genau das Doppelte. Dazu erhält sie 350 DM Kindergeld — im Vergleich dazu: 75 DM Kindergeld im Jahre 1969 — und 12 DM Wohngeld — zusammen 2 266 DM netto. Das sind im Vergleich zu 1969 brutto 112 % mehr. Nun wissen wir alle, daß wir einen Kaufkraftschwund haben. Aber auch wenn wir den abziehen, bleiben immerhin noch 28,6 mehr. Bei einem Einkommensvergleich unter Berücksichtigung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, das es 1969 noch nicht gab, fällt die Gegenüberstellung noch etwas günstiger aus. Der gleiche Haushalt hat — nunmehr mit den Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz — gegenüber 1969 ein nominales Mehr von 132 % oder, nach Abzug des Kaufkraftverlustes, von 44,2 %.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz 1971 hat nicht nur für mehr junge Menschen mehr Chancengleichheit in Schulen und Hochschulen geschaffen, sondern auch entscheidend zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs beigetragen. Das wird oft übersehen. Das BAföG, das seitdem durch mehrere Novellen ausgebaut und verbessert wurde, schaffte erstmals bundeseinheitlich einen Rechtsanspruch auf individuelle Bildungsförderung für Schüler und Studenten. 1979 wurden mit einem Gesamtaufwand von 3 Mrd. DM 370 000 Schüler und 330 000 Studenten nach diesem Gesetz gefördert. Das ist gegenüber dem Honnefer Modell und anderen Förderungsprogrammen für Studenten vor 1971 ein gewaltiger Fortschritt. Durch die Einbeziehung gerade der Schüler ab der 10. oder 11. Klasse wird die Funktion des Gesetzes auch als Beitrag zum Familienlastenausgleich deutlich. Wie bei allen Leistungsgesetzen — auch das will ich nicht unterschlagen — gibt es auch hier — insbesondere aus finanzwirt-



Spitzmüller
schaftlichen Gründen — Probleme. Die Bundesregierung hat bereits in ihrem Bericht vom 27_ März 1975 festgestellt, daß durch die Einkommensgrenzen bestimmte Entwicklungen eintreten, die immer wieder aufgefangen, d. h. verändert bzw. verbessert werden müssen.
Aber, meine Damen und Herren, der Gesamtaufwand für Bundesausbildungsförderung betrug von 1971 bis heute 19 Mrd. DM. Dabei möchte ich nicht verschweigen, daß die Länder mehr als ein Drittel, nämlich 35 %, dazu beigetragen haben. Auch dies ist eine familienpolitische Leistung aller Parteien und — so möchte ich sagen — sogar aller Parlamente in der Bundesrepublik, da auch die Länder mitfinanzieren.
Wir wissen selbst, meine Damen und Herren, daß es noch viel zu tun gibt. Wir haben in unserem steuer- und familienpolitischen Konzept für 1981 und 1982 wichtige Einkommensentlastungen gerade für die Familien vorgesehen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sprechen Sie doch einmal zu den konkreten Anträgen der CDU/CSU, die heute vorliegen!)

— Ich spreche von den familienpolitischen Vorstellungen und dem Handeln der FDP und der Koalition von 1969 bis heute, Herr Kollege Hasinger.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Im Unterschied zu Ihnen von der Opposition haben wir sehr konkrete Vorstellungen darüber, was diese Maßnahmen kosten und kosten dürfen. Von der Opposition haben wir das ganze Jahr über die unterschiedlichsten Vorschläge gehört, angefangen von der Dynamisierung und Kapitalisierung des Kindergeldes über ein Erziehungs- und Familiengeld bis zu neuen, progressiv wirkenden Steuerfreibeträgen. Sie fordern immer Neues in den unterschiedlichsten Größenordnungen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sie sind immer gegen alles!)

Die bescheidenste Größenordnung war 4 Mrd. DM, die größte betrug 20 Mrd. DM.
Mit unseren Beschlüssen in der Koalition haben wir hingegen ein verkraftbares steuer- und familienpolitisches Programm für 1981 vorgelegt. Es sieht insbesondere einheitliche Entlastungen für alle Steuerpflichtigen mit Kindern durch die Einführung eines Kindergrundfreibetrages in Höhe von 800 DM pro Kind und Elternteil vor. Damit werden auch erste Kinder begünstigt. Dies soll nach Meinung der Freien Demokraten darüber hinaus ein erster Schritt zur weniger bürokratischen Finanzamtslösung des Kinderlastenausgleiches sein, den wir auch schon bei der Steuerreform 1975 befürwortet haben. Für diejenigen, die von einem solchen Kindergrundfreibetrag mangels Steuerzahlungen nichts hätten, sollen weitere Verbesserungen im Sozialbereich eingeführt werden.
Außerdem wollen wir die besonders schwierige Situation der alleinerziehenden Eltern verbessern helfen. Durch die vorgeschlagene Erhöhung des Haushaltsfreibetrages für Alleinstehende mit Kindern von 3 000 DM auf 4 200 DM soll eine Gleichstellung dieser Eltern mit dem allgemeinen Grundfreibetrag erreicht werden. Mit dieser Anhebung ist eine alte Forderung der FDP erfüllt.
Neben der Erhöhung des Wohngeldes mit der Verstärkung der familienbezogenen Leistungen im Rahmen der anstehenden Wohngeldnovelle und weiteren kinderbezogenen Leistungen im Arbeitsförderungsgesetz und im Sozialversicherungsbereich hat die FDP einen weiteren wichtigen Punkt aus ihrem Kinder-Programm — das ist ein erster Schritt — in die Koalitionsbeschlüsse einbringen können. Ich meine die Einführung eines Kindergeldzuschlages in Höhe von 300 DM pro Kind in den ersten sechs Wochen nach der Geburt.
Die langfristigen Vorstellungen der FDP gehen dahin, daß generell zur Betreuung des Kindes in den ersten drei Lebensjahren ein jährlicher Zuschlag zum Kindergeld in abnehmender Höhe steuerfrei gezahlt wird, und zwar unabhängig vom der Entscheidung der Eltern für oder gegen eine Berufstätigkeit. Das unterscheidet unseren Vorschlag auch ganz deutlich von dem, was Sie von der CDU hier eingebracht und vorgetragen haben.

(Hasinger [CDU/CSU]: In der Tat!)

Sie sagen nämlich: Das Erziehungsgeld gibt es nur dann, wenn Vater oder Mutter ihre Berufstätigkeit aufgeben und sich völlig oder ganz überwiegend der Kindererziehung widmen. Wir sagen, daß diese Entscheidung den einzelnen Eltern freigestellt werden muß, will man nicht der Gesellschaft ein bestimmtes Leitbild erneut aufoktroieren.

(Beifall bei der FDP)

Mit ihrem Betreuungszuschlag sieht die FDP eine generelle Unterstützung der Familie vor, die an das Kindergeld anknüpft. Wir werden uns darüber im Ausschuß sicherlich unterhalten müssen.
Wir halten damit zugleich auch an dem Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages anläßlich des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubes, in dem politisch und finanziell realisierbare Lösungen gefordert werden, um die Betreuung von Kleinkindern weiter zu verbessern, fest. In der Entschließung des Deutschen Bundestages ist nämlich festgehalten, daß sich Eltern der Kindererziehung ohne wirtschaftlichen Zwang zur Erwerbstätigkeit widmen sollen, aber auch, daß Eltern sich frei entscheiden können, wie sie untereinander Kindererziehung und Erwerbstätigkeit regeln, und schließlich daß auch Adoptiveltern in die neu geschaffene Mutterschaftsurlaubsgeldregelung einbezogen werden. Auch die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs war für die FDP nur ein erster Schritt in Richtung eines Elternurlaubs. Dieser Elternurlaub, den wir in unserem Kinderprogramm fordern, muß auch für die Adoptiveltern gelten. Insofern hat dieses Gesetz für uns noch einen Schönheitsfehler.
So wichtig finanzielle Leistungen für die Familien sind, mit Geldleistungsgesetzen allein können nicht alle Probleme behoben werden. Die Familienpolitik der Freien Demokraten zielt daher auf umfassende Maßnahmen, auf eine familien- und kinderfreundli-



Spitzmüller
che Umwelt. Dazu gehören neben dem genannten Elternurlaub und dem Kinderbetreuungszuschlag familienfreundliche Maßnahmen in der Arbeitswelt, wie die Weiterentwicklung der bezahlten Freistellung von der Arbeit bei Krankheit eines Kindes, und die Möglichkeit der Teilzeitarbeit als fester Bestandteil des Arbeitslebens für Mann und Frau.
Zum besseren Verständnis innerhalb der Familien und Generationen brauchen wir Maßnahmen im Wohnungsbau, die die derzeitige Abkapselung der Generationen voneinander, alte Menschen, Alleinstehende und Behinderte hier, Kinderreiche dort, durch ein Wohnungsbaukonzept ablöst, das das Zusammenleben der verschiedensten Bevölkerungsgruppen und Altersschichten fördert.
Familienpolitik ist für uns Bestandteil einer umfassenden Gesellschaftspolitik. Sollten wir uns hier nicht ins Bewußtsein rufen, daß wir die Familienpolitik insgesamt mehr fördern würden, wenn wir uns auch in dieser Debatte und darüber hinaus darauf besinnen könnten, daß wir dort, wo Übereinstimmung besteht, auch wirklich zum Handeln kommen? Die ständige Vertiefung der Konfrontation nützt den Familien wenig und schadet höchstens dem Ansehen des Parlaments. Versuchen wir, in diesem Bereich so vernünftig miteinander zu reden und auszukommen, wie es Millionen von Mitbürgern in ihrer täglichen Arbeit und im Umgang mit ihren Nachbarn auch tun und tun müssen. Ich glaube, die heutige Debatte bietet dafür einen Ansatz; denn der Ton hier im Hause ist Gott sei Dank ganz anders als derjenige, der draußen in der öffentlichen Diskussion oft angeschlagen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819904900
Das Wort hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819905000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dritte Familienbericht widmet einen wichtigen Teil seiner Ausführungen dem Bildungswesen. Ich halte es deshalb für angemessen, die schon abgegebene Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Teil hier auch noch mündlich zu ergänzen. Das war übrigens der Grund dafür, daß Frau Minister Huber nach einer zwischen uns getroffenen Absprache die Bildungspolitik nur beiläufig erwähnt hat.
Die Bundesregierung hat Bildungspolitik immer auch als Politik für die Familie verstanden. Der Erziehungsauftrag der Familie und die Bildungsverantwortung der staatlichen Gemeinschaft haben ein gemeinsames Ziel: den Kindern Lebenschancen zu eröffnen, ihre Neigungen und Talente zu entwickeln und ihnen das Rüstzeug für eine aktive Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben zu vermitteln. Familie und Bildungswesen leisten dazu unterschiedliche, sich aber notwendig ergänzende Beiträge. Weder kann das Bildungswesen die verantwortliche Erziehung durch die Eltern ersetzen, noch können Familien auf die Bildungshilfe der staatlichen Gemeinschaft verzichten.
Bei allen Unterschieden von Interessen und trotz mancher Fehler und Mängel im Vollzug von Reformen ist es unbestreitbar: Die zentralen Anliegen der Familien und die Grundlinien der Bildungsreform gingen und gehen in dieselbe Richtung. Ich will dies hier nicht beschwören, sondern belegen. Mein Maßstab sind dabei die Wünsche der Eltern und Familien.
Die Eltern erwarten vom Bildungswesen zuallererst, daß es ausreichend Plätze in Kindergärten, in Schulen, in der beruflichen Bildung und in den Hochschulen bereitstellt. Denn nur dann ist das Bürgerrecht auf Bildung, ist die in der Verfassung garantierte freie Wahl der Ausbildungsstätte gesichert; nur dann läßt sich der Elternwille verwirklichen. Knappe Bildungsangebote dagegen bewirken einen Konkurrenzdruck, der nicht nur die betroffenen Jugendlichen, sondern auch ihre Familien belastet.
Daraus folgen berechtigte Erwartungen an das Bildungswesen. Zu ihrer Erfüllung ist seit der Mitte der 60er Jahre besonders viel geleistet worden. Zu keinem Zeitpunkt war in der Bundesrepublik Deutschland das Angebot an Kindergartenplätzen so groß wie heute.

(Franke [CDU/CSU]: Jetzt sind keine Kinder mehr da!)

Der Zeitpunkt der Vollversorgung ist in greifbarer Nähe.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Zu 50% leer! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]:. Durch die Leistungen der Bundesregierung?)

Die Bundesregierung hat zur Entwicklung der Kindergärten und zur Entwicklung der dort zu vermittelnden Inhalte erheblich beigetragen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wodurch? Sagen Sie doch ein Beispiel!)

— Es sind Materialien erarbeitet worden. Da Sie hier zwischenrufen, muß ich sagen: Sie kennen das offenbar nicht. Es sind Modellversuche mit Mitteln der Bundesregierung durchgeführt worden. Das sollte Ihnen doch bekannt sein!
Die weiterführenden Schulen, insbesondere Realschulen und Gymnasien, sind in einem bisher beispiellosen Tempo ausgebaut worden.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819905100
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Höpfinger?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819905200
Einen Moment bitte! — Die Chancen, einen mittleren oder höheren Bildungsabschluß zu erreichen, stehen heute besser als je zuvor.
Jetzt, bitte schön.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819905300
Bitte, Herr Abgeordneter.

Stefan Höpfinger (CSU):
Rede ID: ID0819905400
Herr Bundesminister, können Sie mir sagen, wie viele Modellvorhaben im Kindergartenwesen die Bundesregierung z. B. in



Höpfinger
Bayern gefördert hat, wenn Sie die Kindergärten hier so deutlich herausstellen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819905500
Wenn Sie so freundlich sind, besonders auf Bayern abzustellen, muß ich Ihnen entgegenhalten, daß Modellvorhaben natürlich nicht ohne die Länder, sondern mit deren Mitwirkung durchgeführt werden. Die Inanspruchnahme der Angebote der Bundesregierung durch die Länder ist sehr unterschiedlich. Ich kann Ihre Frage hier also nicht beantworten. Aber wenn Sie etwas zu beanstanden haben, dürfte Ihr Vorhalt zunächst an die bayerische Staatsregierung gehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819905600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Höpfinger?

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Keinen Dialog!)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819905700
Eine noch. Bitte.

(CDU CDU/CSU)

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das ist doch
das Geschäft der Länder!)

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819905800
Herr Kollege, ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, daß allein oder überwiegend wir diese Ausweitung finanziert, betrieben oder bewerkstelligt haben.

(Franke [CDU/CSU]: Aber diesen Eindruck wollten Sie erwecken!)

Aber die Bundesregierung hat dazu beigetragen.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Ein minimaler Beitrag war das!)

Das hier vorzutragen, ist völlig legitim. Das sollten Sie nicht bestreiten. Sie selbst haben ja als Parlament die Mittel dafür zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Mehr Jugendliche als jemals zuvor sind heute in der Bundesrepublik Deutschland in einer beruflichen Ausbildung. Nach vereinten Anstrengungen von Wirtschaft, Ländern und Bund haben wir 1979 erstmals seit 1974 wieder mehr Plätze als Bewerber.
Der Ausbau der Hochschulen hat mit dem Zustrom von Studienanfängern Schritt halten können. Auf Grund der erheblichen Ausbauleistungen von Bund und Ländern ist es gelungen, den zeitweise grassierenden Numerus clausus wieder in enge Grenzen zu verweisen.
Diese Politik eines breiten Ausbaus unseres Bildungswesens entsprach den Wünschen und Absichten der Eltern. Die Eltern sind dabei nicht etwa das Opfer einer irreführenden Bildungswerbung geworden. Sie haben vielmehr auf die gerade in Deutschland wiederholt gemachten Erfahrungen reagiert, daß nur das, was der Mensch kann und weiß, wirklich krisensicher ist. Sie haben damit nach allem, was wir wissen, auch ökonomisch richtig entschieden. In einem rohstoffarmen Land mit hohem Lebensstandard wie in der Bundesrepublik Deutschland ist die hohe berufliche Qualifikation der Bürger das wichtigste Kapital. Die Politik des Ausbaus des Bildungswesens war so erfolgreich, weil sie einem Konsens zwischen Politik und Bürgern, aber auch innerhalb der Politik einem Konsens über Partei-und Ländergrenzen hinweg entsprach.
Jetzt, meine Damen und Herren, häufen sich die Anzeichen dafür, daß dieser Konsens von konservativer Seite gekündigt werden soll. Auch wenn das mit familienpolitischen Argumenten und Scheinargumenten geschieht, sage ich ganz deutlich: Den Familien würde ein Roll back in der Bildungspolitik nicht nützen, sondern nur schaden.

(Beifall bei der SPD)

Die Eltern erwarten von der Gemeinschaft, daß sie so weit als möglich von den Kosten der Bildung und Ausbildung ihrer Kinder entlastet werden. Dazu ist festzuhalten: Niemals war die finanzielle Entlastung der Familien im Bildungswesen besser als heute. Zu keinem Zeitpunkt war die Wahl des Bildungsweges so wenig abhängig vom Geldbeutel der Eltern. Schulen und Hochschulen sind gebührenfrei. Und auf dem Hintergrund der jüngsten Diskussion um das Schulgeld sage ich: Das soll auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD)

In den Schulen ist Lernmittelfreiheit immerhin schon in acht Ländern der Bundesrepublik verwirklicht. Während der gesamten Dauer der Ausbildung werden Ausbildungsfreibeträge und Kindergeld gewährt. Für die weiterführende Bildung von Kindern aus einkommensschwächeren Gruppen wird eine staatliche Ausbildungsförderung geleistet, die im internationalen Vergleich ihresgleichen sucht. Wir haben diese Leistungen ständig erweitert, verbessert und jetzt auch in gewissem Umfang verstetigt. Die Kollegen Fiebig und Spitzmüller haben das im einzelnen dargelegt und gewürdigt. Ich ergänze noch: Dieses System hat den Kindern aus Arbeiterfamilien eine verstärkte Beteiligung an weiterführenden Bildungsgängen ermöglicht. Wir werden diesen Weg weitergehen und uns nicht beirren lassen. Er entspricht dem Willen der Familien.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Eltern wollen ein entscheidendes Wort mitsprechen bei der Wahl des Bildungsweges ihrer Kinder, denn sie müssen diese Wahl später mitverantworten und die Folgen mittragen. Sie wollen, daß ihnen eine solche Entscheidung nicht zu früh abverlangt wird und daß sie, wenn sie einmal getroffen ist, später noch korrigierbar bleibt. Diese Erwartungen wurden in unserem Bildungssystem zweifellos noch zuwenig erfüllt. Noch immer kann in den meisten Bundesländern bereits bei Zehnjährigen, nach dem Abschluß der Grundschule, eine Bildungsentscheidung gegen den Willen der Eltern getroffen wer-



Bundesminister Dr. Schmude
den, am schärfsten dort, wo man sich immer noch mehr oder minder unverhüllt zur Selektion unter Zehnjährigen bekennt. Sie wissen, daß dies nicht die sozialliberal regierten Länder sind.
Versuche, dem Elternwillen z. B. durch eine Orientierungsstufe und durch das Angebot der Gesamtschule mehr Geltung zu verschaffen, treffen auf den hartnäckigen Widerstand der CDU/CSU. Ich frage Sie: Wie lange soll dieser Widerspruch zwischen Worten und Taten, zwischen Beschwörungsformeln und praktischer Politik noch fortbestehen?

(Beifall bei der SPD)

Wie lange werden Sie es noch aushalten, auf den Elternwillen und das elterliche Erziehungrecht zu pochen und dies gegen sozialliberale Reformen auszuspielen und auf der anderen Seite Bildungsangebote wie die Orientierungsstufe und die Gesamtschule auch dann zu blockieren, wenn Eltern sie nachweislich wollen?

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819905900
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hammans?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819906000
Zwei Sätze bitte noch! — Mir geht es hier nicht darum — und das sage ich noch, bevor Sie dran sind, Herr Kollege Hammans —, den schon unzähligen Debatten über Vorzüge und Nachteile der Gesamtschule eine weitere hinzuzufügen. Aber gerade in einer familienpolitischen Debatte sollten wir nicht verschweigen, daß Respekt vor dem Elternwillen und die Blockade der Gesamtschule nicht zusammenpassen.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Pfeifer [CDU/CSU]: Volksbegehren in NordrheinWestfalen!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819906100
Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0819906200
Herr Bundesminister Schmude, sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß es da auch in CDU-regierten Ländern überhaupt keine Schwierigkeiten gibt, daß auch dann, wenn sich nicht schon bei einem Zehnjährigen, sondern erst viel später eine Begabung zeigt, ohne weiteres Möglichkeiten gegeben sind, höhere Bildungswege zu erreichen, und sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß es auch in einer Gesamtschule psychologisch sehr schwierig ist, von einer höheren Gruppierung wieder in eine niedrigere herunterzukommen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819906300
Ganz zweifellos gibt es sowohl solche Möglichkeiten wie auch gewisse Probleme, Herr Kollege Hammans. Nur, wenn Sie sagen, es sei ohne Schwierigkeiten möglich, dann widerspreche ich Ihnen entschieden. Das Überwechseln von einer Schulform auf die andere, von einer Hauptschule etwa auf die weiterführende Schule Gymnasium, ist nur mit großen Schwierigkeiten möglich. Insofern ist die Entscheidung, die den Eltern abverlangt wird, wenn die Kinder zehn Jahre alt sind, und zum Teil
gegen sie oder ohne sie getroffen wird, zu früh. Das ist die praktische Erfahrung. Dem können Sie nicht mit dem Hinweis auf theoretische Möglichkeiten begegnen.

(Beifall bei der SPD — Dr. Hammans [CDU/ CSU]: Das sind keine theoretischen Möglichkeiten, das sind praktische Möglichkeiten!)

Eltern erwarten, daß sie auch mitreden dürfen oder jedenfalls gehört werden, wenn es um die inhaltliche Ausgestaltung der Bildungsangebote geht.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819906400
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weisskirchen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819906500
Ja.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID0819906600
Herr Bundesminister, wären Sie so freundlich, Herrn Kollegen Hammans darauf hinzuweisen, daß das Land Baden-Württemberg den Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen zur Zeit wieder erschwert?

(Hört! Hört! bei der SPD — Dr. Hammans [CDU/CSU]: Das ist doch gut so!)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819906700
Ich denke, Herr Hammans hat das gehört und wird das berücksichtigen.

(Dr. Hammans [CDU/CSU]: Kein Widerspruch, im Gegenteil!)

Ich will das Thema nicht noch einmal aufgreifen. Aber schönen Dank für Ihren Hinweis.
Ich sagte, Eltern erwarten, daß sie auch mitreden dürfen oder jedenfalls gehört werden, wenn es um die inhaltliche Ausgestaltung der Bildungsangebote geht. Sie wollen wissen, was ihre Kinder lernen sollen. Sie wollen verstehen, was da gefordert oder angeboten wird. Sie wollen zunehmend auch eigene Anschauung vom Unterricht haben, sich ein Bild machen können. Und sie wollen Kritik üben dürfen, ohne die Sorge haben zu müssen, daß ihr Kind dafür büßen muß. Kurz, sie wollen in den Bildungseinrichtungen mitreden können.
Diesen Wünschen sind die Schulgesetze der Länder in unterschiedlichem Ausmaß entgegengekommen. Auch wenn noch weitere Verbesserungen notwendig sind, kann ich feststellen, daß die Mitwirkungsrechte der Eltern im Schulbetrieb heute mehr denn je ausgebaut und rechtlich abgesichert sind. Allerdings gibt es noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten und Problemen. Die Formalisierung der Elternmitwirkung in Gesetzen und Verordnungen hat offenbar vielerorts auch zu Bürokratisierung und Komplizierung geführt. Hier müssen noch alle Seiten dazulernen. Vor allem muß denjenigen Eltern mehr Mut gemacht werden, die nicht von vornherein redegewandt und erfahren im Umgang mit Verwaltungsvorschriften sind.



Bundesminister Dr. Schmude
Eltern erwarten, daß ihre Kinder etwas lernen und daß sie etwas leisten. Ihre Kinder sollen aber auch Spaß an der Schule haben, und sie sollen Mißerfolge durchstehen können, ohne in der Angst leben zu müssen, als Versager abgestempelt zu werden. Hier liegt nach wie vor eine Schwachstelle unseres Bildungssystems, allerdings keine Schwachstelle, die sich aus der Bildungsreform ergeben hat. Im Gegenteil: Wo immer Reformen vollzogen worden sind, haben sie auch das Ziel verfolgt, überzogenen Leistungsdruck zu vermindern und Kinder zu fördern, statt sie auszulesen.
Dennoch ist der Streß in der Schule heute ganz offenbar ein ernstes Problem. Die Ursachen liegen allerdings nur teilweise im Bildungssystem, etwa beim Numerus clausus an den Hochschulen und beim knappen Ausbildungsangebot in der beruflichen Bildung. Mir scheint, daß oft auch mangelnde Information der Schüler, Lehrer und Eltern zu überzogenem Leistungsdruck führt. Viele von ihnen haben noch nicht erkannt, daß seit unserer erfolgreichen Politik der Öffnung der Hochschulen das Numerus-clausus-Problem nur noch ein Problem weniger Fächer ist. Über 85 % aller Studienplätze werden ohne jedes bundesweite Auswahlverfahren vergeben.
Ähnlich falsch sind Meldungen, daß nur noch Hauptschüler mit guten Noten Chancen in der beruflichen Bildung hätten. In diesem Bereich wird sich die günstige Entwicklung bei den kommenden schwächeren Jahrgängen fortsetzen. Ich hoffe, daß diese Tatsachen auch von den Betroffenen zur Kenntnis genommen werden und zu einer Entkrampfung in unseren Schulen führen. Ich sage das ausdrücklich auch an die Adresse der Eltern; denn es sind oft die Eltern — nicht die Lehrer —, die im guten Glauben, das Beste für ihr Kind zu tun, ihr Kind überfordern.
Es gibt viele Familien, die sich in besonderen Lebenslagen befinden und deshalb auch besondere Ansprüche an das Bildungswesen stellen: die ausländischen Mitbürger, Familien mit lern- oder körperbehinderten Kindern, alleinstehende und alleinerziehende Väter und Mütter und — freilich als große Gruppe — die Familien, in denen Vater und Mutter berufstätig sind. Frau Kollegin Czempiel hat das bereits mit Zahlen belegt und auf diesen wichtigen Bereich hingewiesen.
Auch für diese besonderen Erwartungen ist in den vergangenen Jahren vieles geschehen, aber gerade hier bleibt noch viel zu tun, weil bisher die Kräfte vor allem auf die globale Expansion der Bildungsangebote konzentriert werden mußten. Wir werden diese besonderen Hilfen aber nur geben können, wenn das Bildungswesen nicht als finanzpolitischer Steinbruch behandelt wird, aus dem Geld — und das heißt hier vor allem: Personal — abgezogen werden kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch zwei Aspekte herausgreifen, die in diesem familien- und bildungspolitischen Zusammenhang eine Rolle spielen: die Frage der Ganztagsangebote und damit zusammenhängend die Frage der
Berufstätigkeit der Frau und ihre Auswirkung auf das Bildungswesen.
Alleinstehende Eltern, aber auch Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, sind oftmals darauf angewiesen, daß ihre Kinder auch am Nachmittag den Kindergarten oder die Schule besuchen können. Alle Erfahrungen deuten darauf hin, daß die gegenwärtigen Angebote ganztätiger Einrichtungen nicht ausreichen. Wir sollten diese Angebote ausbauen, soweit die Eltern das wünschen. Es liegt daher völlig neben der Sache, wenn dem Ausbau von Ganztagseinrichtungen entgegengehalten wird, hier sollten die Kinder den Familien entzogen oder gar entfremdet werden. Wird, so frage ich, ein Kind der Familie entzogen, wenn es, statt als Schlüsselkind die Stunden bis zur Rückkehr der Eltern auf der Straße zu verbringen, eine sinnvolle Beschäftigung in der Schule findet? Noch eines sollte denen, die so argumentieren, zu denken geben: Das besitzende Bildungsbürgertum hat es früher und bis heute durchaus mit dem eigenen Verständnis von Familie verbinden können, daß die Söhne und Töchter auf Jahre hinaus ein Internat — meist nicht einmal am Wohnsitz der Eltern — besuchten. Warum gibt es familienpolitische Bedenken gerade jetzt, da auch für Arbeiterkinder die Chance ganztägiger Angebote eröffnet werden soll?

(Beifall bei der SPD)

Dazu wird — damit komme ich zum zweiten Gesichtspunkt — von konservativer Seite eingewandt, das Übel liege eben in der Berufstätigkeit der Frau, und daran sei vor allem die sozialliberale Politik der Gleichberechtigung schuld. Sie habe die Nur-Hausfrau diskreditiert und geradezu in den Beruf getrieben.
Meine Damen und Herren, alles dies ist abwegig und wird auch durch Wiederholungen nicht richtiger. Uns geht es darum — und daran machen wir keine Abstriche —, daß Frauen für ihre persönliche und berufliche Entfaltung dieselben Chancen haben sollen wie Männer. Damit wird kein neues Rollenbild festgelegt, sondern es werden Möglichkeiten eröffnet, sich ganz den Aufgaben der Familie zu widmen oder beides miteinander zu verbinden, Familie und Beruf.
Ich bin froh, daß wir in der Absage an Rollenfixierungen hier in diesem Hause einig sind. Aber es gibt mir doch zu denken, wenn ich immer wieder zweifelnde oder vorwurfsvolle Fragen höre, so auch in dem Beitrag von Frau Kollegin Männle, ob denn die Frau im Beruf wirklich richtig aufgehoben sei. Lassen wir das doch die Frau selbst entscheiden! Das ist der beste Weg.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das Bildungswesen will in dieser Hinsicht auch keine Vorgaben machen, aber es muß die wichtigste Voraussetzung für diese Entscheidungsfreiheit schaffen, indem es Mädchen und jungen Frauen die gleichen Ausbildungschancen wie Männern gibt. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen und auch der Hochschulen sind dabei erfreuliche Erfolge erzielt worden.



Bundesminister Dr. Schmude
Nachteile für Frauen aber gibt es nach wie vor in der beruflichen Bildung, in der das traditionelle Rollenverständnis auf allen Seiten offenbar noch viel tiefer sitzt. Die Bundesregierung bemüht sich um die Überwindung von Vorurteilen, indem sie die modellhafte Ausbildung von Mädchen und Frauen in gewerblich-technischen Berufen fördert. Das hat in der Öffentlichkeit eine überaus positive Resonanz gefunden und zugleich gezeigt: Viele traditionelle Männerberufe heißen nur so. Sie sind in Wirklichkeit Berufe für Männer und Frauen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bundesminister z. B.!)

Ich fasse zusammen: Es ist das Ziel unserer Bildungspolitik, die Familie zu unterstützen und zu stärken. Wir werden weiter daran arbeiten, nicht mit Schlagworten, sondern sachlich und beharrlich. Die bisherigen Erfolge ermutigen uns auf diesem Wege.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819906800
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0819906900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An dieser Stelle sollte heute eigentlich Frau Sozialminister Griesinger aus Baden-Württemberg sprechen. Sie hat leider Gottes einen Unfall erlitten und kann nicht hier sein. Sie verfolgt die Debatte am Fernsehschirm. Wir wünschen ihr baldige gute Genesung,

(Beifall)

denn wir brauchen unsere Frau Minister Griesinger. Sie hat bewiesen, was Christliche Demokraten für die Familie leisten können, wenn sie in der Regierungsverantwortung stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte versuchen, an ihrer Stelle ihre Überlegungen vorzutragen.

(Zuruf von der SPD: Sprechen Sie für den Bundesrat?)

Ich möchte darüber berichten, Herr Kollege, was CDU und CSU für die Familie wollen und was sie dort tun, wo sie in den Bundesländern Verantwortung tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Spitzmüller, Sie haben vorhin in einer Art Vergangenheitsbewältigung darauf hingewiesen, was in den 50er Jahren geschehen und was nun in den glorreichen 70er Jahren alles beschlossen worden ist. Ich möchte Ihnen empfehlen, die Sozialberichte der Bundesregierungen einmal gründlich zu studieren. Dort können Sie feststellen, daß eben die Familienleistungen in der Relation das Niveau der 50er Jahre noch nicht erreicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Konkret ist es so, daß in den 50er Jahren die Bundesrepublik Deutschland bei den damals bescheidenen Erwerbseinkommen und Kindergeldleistungen an zweiter Stelle in der EG rangierte, in den 70er Jahren nicht mehr.
Frau Czempiel, Sie haben vorhin gemeint, wir würden düstere Bilder malen. Ich darf dazu nur einen einzigen Satz aus dem Dritten Familienbericht zitieren. Dort heißt es, auf die 70er Jahre bezogen:
Kinder zu haben, bedeutet ... einen nicht unerheblichen Verzicht der Familien auf materiellen Wohlstand.
Es heißt weiter:
Besonders betroffen sind die Arbeiterfamilien, da sich bei ihnen mit zunehmender Kinderzahl das Einkommensniveau dem Existenzminimum annähert.
Meine Damen und Herren, solches habe ich in den 50er Jahren nirgendwo gelesen. Frau Kollegin Czempiel, die Situationsschilderung betrifft also nicht einen anderen Stern, sondern die Bundesrepublik Deutschland, wo Sozialdemokraten derzeit an der Regierung sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auch kurz noch auf Herrn Minister Schmude antworten. Herr Minister, Sie haben sicherlich einiges Bedenkenswertes gesagt. Aber mir scheint wichtig und in bezug auf die Familie bedenkenswert zu sein, daß wir uns darum kümmern müssen,
daß die Eltern auch wieder Mut zur Erziehung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sind doch in den letzten Jahren verunsichert worden. Schule und Elternhaus müssen sich doch gegenseitig ergänzen und unterstützen. Es darf nicht Schule gegen das Elternhaus stehen. Dafür wollen wir eintreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Minister Huber, Sie haben — nicht gerade spöttisch, aber doch herablassend — sagen zu müssen gemeint, daß die CDU in der Familienpolitik mit althergebrachten Rezepten arbeite. Meine Damen und Herren, diese alte Masche kennen wir: „CDU — alte Tante in Sachen Familienpolitik.” Meine Damen und Herren, wir wissen um die Funktionsverluste der Familie heute, vor allen Dingen im Bereich der wirtschaftlichen Funktionen. Das ist aber doch gerade die Chance, neue Freiräume zu schaffen. Die Bedeutung dieser Entwicklung liegt für die Familie doch gerade darin, daß die Bedeutung der Familie für die Persönlichkeitsentwicklung der Partner und für die Erziehung der jüngeren Generation zunimmt. Man hat doch jetzt mehr Zeit, um sich gerade um diese Schwerpunkte zu kümmern. Wir sind Ihnen da voraus, meine Damen und Herren. Das ist das Bleibende in der Bedeutung der Familie, auch für die Zukunft, und das wollen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Mittelpunkt unserer heutigen Debatte stehen Gesetzentwürfe, die von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und vom Bundesrat vorgelegt worden sind. Wir wollen eine bundesweite Ausweitung des Familiengeldes für nicht Erwerbstätige, wie es bis jetzt nur in Baden-Württemberg gezahlt wird. Es ist kein Zufall, daß die Oppositionsparteien und die unionsgeführten Länder im Bundesrat es sind, die



Burger
diese Gesetzentwürfe vorlegen. Wir nehmen damit die Aufgaben wahr, die eigentlich die Bundesregierung erfüllen müßte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber leider läßt es die Bundesregierung immer noch bei Worten bewenden; entschiedene Schritte zugunsten der Familie müssen wir — jedenfalls in diesem wichtigen Bereich — leider vermissen.

(Hasinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, dies ist nicht verwunderlich, wenn man weiß, welche Schwierigkeiten die Koalitionsparteien mit der Familie auch heute noch haben. Sie, Herr Kollege Spitzmüller, haben doch diese Unterschiede sehr offen dargelegt. Wir sehen doch bei der Fassung des Steuerpakets dann, wenn es um die Berücksichtigung der Familie geht, ganz deutlich, wie diese Kompromisse zu Ergebnissen führen, die man nicht als optimale und schon gar nicht als maximale familienpolitische Konzeptionen bezeichnen kann.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Das hängt eben damit zusammen, daß die Ideologie noch eine große Rolle spielt. Da steht doch im Orientierungsrahmen '85 der SPD zu lesen, die Familie sei zu befähigen, ihre Erziehungsaufgaben wahrzunehmen. Dagegen ist sicherlich nichts einzuwenden. Größte Einwendungen aber haben wir dann, wenn es im selben Kontext heißt: Dabei ist sie — nämlich die Familie — von Aufgaben zu entlasten, die kooperativ oder öffentlich besser erfüllt werden können. Meine Damen und Herren, hier liegen die Unterschiede! Sie fordern praktisch den Vorrang der Gesellschaft vor der Familie. Wir sagen: Zuerst kommt die Familie — wie es im Grundgesetz auch steht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im selben Orientierungsrahmen wird auch die Forderung nach Tageseinrichtungen für Kleinstkinder erhoben. Diese Forderung wird erhoben, obwohl es schon seit langem eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis ist, daß der Familie gerade in den ersten drei Lebensjahren bei der Kindererziehung eine herausragende Bedeutung zukommt und daß alles andere mehr oder weniger nur Familienersatz sein kann. Hierauf weisen wir seit Jahren nachdrücklich hin.
Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, ich meine, Sie müssen sich allen Ernstes fragen lassen, ob in Ihrem Orientierungsrahmen 85, der ja nach wie vor Gültigkeit besitzt, nicht der Geist oder, besser gesagt, der Ungeist des Zweiten Familienberichts von 1976 zum Vorschein kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Sachverständigen — wohlgemerkt, ich sage nicht: die Bundesregierung — lassen darin kein gutes Haar an der Familie; Väter und Mütter werden als Amateure, die nach eigenem Gefühl erziehen wollen, abqualifiziert.

(Kuhlwein [SPD]: Das steht aber nicht im Orientierungsrahmen! — Gegenruf von der CDU/CSU: Das haben wir auch nicht behauptet!)

— Ich spreche jetzt gerade vom Zweiten Familienbericht, Herr Kollege. Das Ganze gipfelt schließlich in dem Bekenntnis, der Staat stehe über den Familien und besitze das Recht und die Pflicht, Rechte an Eltern und Institutionen zu delegieren. Dagegen sind wir.
Ich möchte fairerweise einräumen, daß die Bundesregierung seinerzeit erklärt hat, sie fühle sich nicht in allen Punkten mit der Sachverständigenkommission einig. Was wir aber der Bundesregierung vorwerfen, ist, daß sie offenließ, welche Aussagen ihr im einzelnen unannehmbar erschienen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So war das!)

War der Zweite Familienbericht nicht Ausdruck einer in den Koalitionsfraktionen herrschenden Grundströmung? Geben Sie darauf doch bitte einmal eine Antwort.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch eine Unterstellung!)

— Ich habe Sie gefragt; Sie können ja nachher eine Antwort darauf geben, Herr Kollege. Wir sollten uns doch der Unterschiede nicht schämen. Herr Kollege, wenn Sie hier gewisse Positionen einnehmen, dann bitte auf den Tisch damit! Damals wie heute vermissen wir eines, nämlich ein eindeutiges und klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Familie als zur Keimzelle eines pluralistischen und freiheitlich-demokratischen Staatswesens,

(Beifall bei der CDU/CSU)

dem auch ihr politisches Handeln entspricht.
Meine Damen und Herren, auch in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Dritten Familienbericht schimmert immer noch dieses Mißtrauen gegen die Familie durch.

(Hasinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Über die Forderung der Sachverständigenkommission nach einem Erziehungsgeld gehen Sie mit einem Satz hinweg. Wir beanstanden, daß Sie die Erziehungsleistungen in der Familie nicht honorieren und auf Modelle für eine Erziehung außerhalb der Familie ausweichen. Damit will ich nicht sagen, daß die Tagesmüttermodelle eine schlechte Sache seien; nicht umsonst haben wir in Baden-Württemberg ganz gute Modelle. Aber, meine Damen und Herren, wollen wir denn zuerst oder nur der Fremdmutter das verbesserte finanzielle Angebot machen, damit sie ein Pflegekind besser betreuen kann, ehe wir das gleiche der eigenen Mutter anbieten? Wir sind doch nach dem Grundgesetz verpflichtet, in erster Linie der eigenen Mutter das Recht auf Erziehung ihres Kindes und ebenso dem Kind das Recht auf Erziehung durch seine Mutter zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg im Jahre 1975 das Erziehungsmodell „Mutter und Kind" eingeführt; ein ähnliches Modell wird auch in Niedersachsen erprobt. Wir haben in Baden-Württemberg beste Erfahrungen damit gemacht, daß wir



Burger
den alleinstehenden Müttern — neben Mitteln nach dem Bundessozialhilfegesetz — ein Erziehungsgeld angeboten haben.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das sind wirkliche Taten!)

Dadurch können sie ihr Kind drei Jahre lang, ohne außerhäuslich berufstätig zu sein, selbst erziehen. Ebenso bieten wir nachher — und das ist wichtig — eine Hilfe zur Wiedereingliederung in das Berufsleben an. Wir begegnen damit wirtschaftlicher und sozialer Not, die auch zum Beweggrund für einen Schwangerschaftsabbruch werden kann. Unser Modell ist deshalb auch eine wirksame Hilfe im Rahmen des § 218 des Strafgesetzbuches.
Die Haltung der Bundesregierung, meine Damen und Herren, zur Anerkennung der Erziehungsleistung in der Familie wird nicht nur aus den Programmen der SPD, sondern auch aus den Programmen der FDP deutlich. Erst jüngst forderte die FDP im Entwurf ihres Wahlprogramms für den Bundestagswahlkampf 1980, neben Ehe und Familie auch neue Formen des Zusammenlebens gesellschaftlich anzuerkennen und unter den Schutz des Staates zu stellen. Es ist mir unerfindlich, meine Damen und Herren, wie Sie dies mit Art. 6 des Grundgesetzes vereinbaren wollen. Symptomatisch aber ist die Relativierung der Familie, die hier ganz offenkundig zum Ausdruck kommt.
Im Gegensatz dazu ist und bleibt die Familie für uns ohne Wenn und ohne Aber Grundlage von Staat und Gesellschaft und Garant für sozialen Frieden und Fortschritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine humane Gesellschaft hat ihre Wurzeln in der Familie. Dort finden die Kinder am ehesten Sicherheit und Geborgenheit, Mut zum Leben und Bereitschaft zur Leistung. Diese für das Gemeinwesen unverzichtbaren Grundhaltungen gedeihen am besten in gesunden Familienbeziehungen. Freiheit und Verantwortung sind darin am besten erlernbar. Wir sehen deshalb eine herausragende Aufgabe unserer Gesellschaftspolitik darin, die Familie zu schützen, ihre Erziehungskraft zu stärken und ihren Freiraum gegenüber Staat und Gesellschaft möglichst groß zu halten.
Dies ist auch die Grundtendenz des Sachverständigenvotums im Dritten Familienbericht, der Mitte letzten Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Mit Befriedigung haben wir festgestellt, daß sich dieser dritte Bericht über die Lage der Familien wohltuend von seinem Vorgänger abhebt. Die Leistungen der Familien werden darin nicht länger in Zweifel gezogen, Kindererziehung wird nicht mehr als gesamtgesellschaftliche Aufgabe herausgestellt. Statt dessen rücken die Selbsthilfekräfte der Familie wieder stärker in den Vordergrund. Mit der Familie werden wieder die Begriffe Schutz und Halt, Gefühl, Geborgenheit und Menschlichkeit verbunden.
Die Kernthese der Sachverständigenkommission lautet, daß die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die Familie so beschaffen sein müssen, daß Kinder zu haben im Vergleich zu einem Leben
ohne Kinder nicht zu große Belastungen und Verzichte mit sich bringt und damit nicht der Wunsch nach einem Kind oder weiteren Kindern beeinträchtigt wird. Diese Rahmenbedingungen zu schaffen ist eine Aufgabe der Familienpolitik des Staates. Sie reicht von materiellen Hilfen über menschenwürdige Wohnungsverhältnisse bis hin zu einer familienfreundlichen und kinderfreundlichen Umwelt. In Baden-Württemberg haben wir für kinderreiche Familien und alleinerziehende Mütter und Väter ein Familiendarlehen eingeführt, das zwischenzeitlich auch jungen Familien bei der Geburt eines Kindes gewährt wird.

(Hasinger [CDU/CSU]: Ausgezeichnet!)

Auch im sozialen Wohnungsbau werden Mittel vorrangig für kinderreiche Familien eingesetzt. Seit neuestem gibt es das Familienbaudarlehen für junge Ehepaare.
Sie sehen, meine Damen und Herren, dort, wo CDU oder CSU regieren, wird für die Familie gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU]: Aber hier wird nur „geschmudelt"!)

Wichtig sind vor allem auch die Ausführungen im Familienbericht, die davor warnen, die Familie zu entmündigen und die Selbsthilfekräfte der Familie zu mißachten. Es heißt im Dritten Familienbericht: Die Familienpolitik hat der Familie nicht nur materielle und sonstige Hilfen zu geben, sie hat sie auch vor gefährdenden Belastungen oder Entlastungen durch Staat und Gesellschaft zu schützen.
Meine Damen und Herren, welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Dritten Familienbericht für die Familienpolitik der Bundesregierung? Ich meine, er ist eine deutliche Absage an die familien-
und gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsparteien.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daß auch die Bundesregierung dies so empfindet, zeigt sich darin, daß sie über ein Jahr gezögert hat, das Ergebnis der Arbeit der Sachverständigenkommission an die Öffentlichkeit zu bringen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Ein unglaublicher Vorgang!)

War es das schlechte Gewissen, nicht genügend für die Familie getan zu haben?
Angesichts dieser Situation sind die Länder gezwungen," in die Bresche zu springen und der Familie die notwendige ideelle und finanzielle staatliche Unterstützung zu gewähren. Die unionsgeführten Länder haben das getan. Aufbau der Sozialstationen, Aufbau der Erziehungs- und Jugendberatungsstellen, Einrichtung von Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen — dies ist das Instrumentarium der Länder, mit denen sie die Erziehungskraft der Familien stärken.
Wie Sie wissen, gewährt Baden-Württemberg seit dem 1. September 1979 nichterwerbstätigen Müttern bei der Geburt eines Kindes ein einkommensabhängiges Familiengeld in Höhe von



Burger
I 2 000 DM. Es kommt auch Frauen zugute, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeiten, sowie anderen selbständigen erwerbstätigen Müttern, die kein Mutterschaftsgeld erhalten. Das Familiengeld soll übergangsweise bis zur Einführung einer bundesweiten Regelung gezahlt werden. 7 000 Anträge sind eingegangen. 7 000 Familienleistungen sind bereits ausgezahlt worden.
Meine Damen und Herren, mit dieser Regelung wollen wir Ungerechtigkeiten gegenüber der nichterwerbstätigen Mutter beseitigen. Zwar hat die Bundesregierung wiederholt bestritten, daß es eine Benachteiligung der nichterwerbstätigen Frauen gebe; dem kann ich aber leider nicht zustimmen. Die Tatsache der Ungleichbehandlung kann von der Bundesregierung auch nicht mit dem Hinweis aus der Welt geschafft werden, daß nichterwerbstätige Frauen keiner Doppelbelastung durch Erwerbstätigkeit und Kindererziehung ausgesetzt seien. Diese Frauen müssen dafür nämlich erhebliche finanzielle Nachteile und unter Umständen gravierende Einschränkungen des Lebensstandards in Kauf nehmen, und sie haben auf Grund ihres geringen Familieneinkommens oft auch keine Möglichkeit, durch freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung ihre Alterssicherung zu verbessern.

(Hasinger [CDU/CSU]: Ein ganz wichtiger Punkt!)

Bundesregierung und Koalitionsparteien werden zwar nicht müde, zu betonen, daß es kein staatlich vorgeschriebenes Rollenbild gebe und daß sie keines wollten, insbesondere keine Bevorzugung der berufstätigen Frau. Jedoch sieht zumindest das Frauenbild der SPD in Wahrheit etwas anders aus. Da wird die Verwirklichung von Freiheit und Emanzipation der Frau hauptsächlich — ich sage nicht: ausschließlich — in ihrer Berufstätigkeit gesehen. Dies zeigt auch ganz deutlich die von Ihnen beabsichtigte Behandlung der Kinderbetreuungskosten.
Aber, meine Damen und Herren, ist Selbstverwirklichung tatsächlich der ausschlaggebende Grund dafür, daß verheiratete Frauen im Erwerbsleben stehen? Nein! Dies beweist eine Untersuchung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit erst vor kurzem veröffentlicht hat. Danach sind bei einem Haushaltsnettoeinkommen von 2 000 DM und mehr pro Monat nur 25 % der verheirateten Frauen, also 1/4, berufstätig. Bei einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1 250 DM monatlich sind dagegen fast 3/4 der verheirateten Frauen berufstätig. Aus diesen nüchternen Zahlen läßt sich eindeutig ablesen, daß das Erwerbsverhalten verheirateter Frauen in ganz erheblichem Umfang, wenn nicht gar entscheidend von der wirtschaftlichen Gesamtsituation geprägt wird, in der sich diese Frauen befinden.
Machen wir uns nichts vor! Nicht wenige junge Frauen stehen vor der Alternative: Kinder oder mitverdienen. Hier den Frauen ein Stück mehr Wahlfreiheit zu verschaffen, ist das Anliegen des Familiengeldes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Wahlfreiheit muß die folgenden Möglichkeiten umfassen: lebenslange Berufstätigkeit, die Verbindung von Berufstätigkeit und Familie, die befristete Unterbrechung der Berufstätigkeit zugunsten der Kinder, schließlich auch die dauerhafte Hinwendung zur Familie, oft verbunden mit der Übernahme sozialer, kultureller und politischer Aufgaben. Daß diese Haltung nicht antiquiert ist, beweisen die Ergebnisse moderner Forschung. Ich erinnere an die Schule Binswanger in Zürich, den Nawu-Report. Das Buch „Wege aus der Wohlstandsfalle" weist darauf hin, daß wir die Zukunft so gestalten wollen, daß wir die Probleme auf dem Arbeitsmarkt auch dadurch lösen — wir sprechen nicht so deutlich über diesen Punkt —, daß die größeren Möglichkeiten auf diesem Gebiet so eingesetzt werden, daß mehr Freiheitsräume für die Familie geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, das sind modernste Erkenntnisse der Wissenschaftler, die uns helfen wollen, die Zukunft zu gestalten.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das hat sich in der SPD noch nicht herumgesprochen!)

Unsere Vorstellungen von der Selbstverwirklichung der Frau zielen auf eine echte Wahlmöglichkeit, ohne Präferenz für ein bestimmtes Rollenbild. Das ist unsere Vorstellung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir befinden uns dabei jedenfalls in voller Übereinstimmung mit den Aussagen des Dritten Familienberichtes, der von dem Gedanken Abschied nimmt, daß sich . die Emanzipation der Frau nur im Beruf, nicht aber in der Familie verwirklichen läßt.
Das Land Baden-Württemberg will natürlich in Sachen Familiengeld keinen Alleingang auf Dauer unternehmen. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat auf Antrag der unionsregierten Bundesländer einen Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten Familiengeldes eingebracht. Nichterwerbstätige Mütter sollen in Zukunft nicht länger das Gefühl haben, gegenüber berufstätigen Müttern benachteiligt zu werden. Die Gewährung eines Familiengeldes ist ein Einstieg in ein Erziehungsgeld, das auch die Sachverständigen im Dritten Familienbericht fordern. Wir fordern gleichzeitig, daß erwerbstätige Eltern bis zu zehn Tage im Jahr — statt bisher fünf — zur Betreuung eines kranken Kindes freizustellen sind. Gleichzeitig soll auch die Altersgrenze für das betreuungsbedürftige kranke Kind von acht auf zwölf Jahre angehoben werden.
Nun noch ganz kurz etwas zu dem, was die Parteien vorschlagen, zu den Lösungsvorschlägen für die Besserstellung der Familien in den 80er Jahren. Der Grundfreibetrag spielt in den Vorschlägen der Bundesregierung eine große Rolle. Aus diesem Vorschlag werden die ungeheuren Probleme deutlich, die sich aus der vorgeschlagenen Einführung eines Grundfreibetrages für Kinder ergeben. Haben Sie denn vergessen, daß Sie mit dem Beschluß, die Kindergelder nicht zu erhöhen und nun voll auf diesen



Burger
steuerlichen Grundfreibetrag zu setzen, ganze Gruppen ausschließen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Zigtausend!)

nämlich Kriegsopfer, Unfallrentenbezieher, Bezieherinnen von Witwenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die Rentner mit einem oder zwei Kindern, die Landwirte mit einer geringen steuerlichen Belastung? Sie verweisen auf Ersatzlösungen, auf Wohngeld und andere Gesetze. Aber darin liegt eine ungeheure Kompliziertheit,

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Mehr Bürokratie!)

eine Verwaltungsabwicklung für die Steuerverwaltung mit gemeindlichen Lohnsteuerkarten und viel Bürokratie und Verwirrung bei denjenigen, die diesen Familienlastenausgleich in Anspruch nehmen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wollen den Kinderbetreuungsfreibetrag abschaffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, Sie treffen doch damit gar nicht die sogenannten Reichen, sondern in erster Linie Familien mit zwei erwerbstätigen Elternteilen, die schon bei zwei Durchschnittseinkommen unter die Steuerprogression fallen und für die es nur gerecht ist, wenn Betreuungsaufwand für die Kinder sich auch steuerlich entsprechend auswirkt. Dieser Vorschlag betreffend eine solche Förderung ist unsozial. Wir werden ihm nicht zustimmen, und ohne Zustimmung des Bundesrates kriegen Sie auch den Kinderbetreuungsfreibetrag nicht weg.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Also hilft doch der Bundesrat!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819907000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronenberg?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0819907100
Bitte schön, Herr Kollege.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID0819907200
Würden die von Ihnen aufgezeigten Probleme, Herr Kollege, sich nach Ihrer Meinung beim Kinderfreibetrag nicht ergeben und — bejahendenfalls — würden Sie die Güte haben, dem Hause zu erklären, wie Sie sie in diesem Zusammenhang zu lösen gedenken?

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0819907300
Herr Cronenberg, ich mache das gerne. Ich habe nicht die Güte, aber ich gehe auf Ihre Anregungen ein.
Was wir wollen, ist ganz klar und eindeutig. Wir schlagen eine klare Erhöhung des Kindergeldes vor, entweder des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um je 20 DM oder des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um je 15 DM und des Kindergeldes für das dritte und jedes weitere Kind um je 30 DM. In diesem Zusammenhang wird auch noch ein Steuerfreibetrag von 600 DM vorgeschlagen. Mit der Kombination der Erhöhung des Kindergeldes, die für alle gilt, und dieses steuerlichen Freibetrages glauben wir ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit herbeiführen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich erhoffe mir von dieser Debatte, daß in den 80er Jahren für die Familien real mehr herauskommt. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion — und dies gilt auch für die Länder, in denen CDU und CSU die Verantwortung haben — werden immer wieder als Mahner für die Familien auftreten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819907400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0819907500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil heute hier einige Redner zu Beginn ihrer Ausführungen persönliche Bekenntnisse abgegeben haben, will ich eines für mich folgen lassen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Als ich Mitte der 60er Jahre vom schmalen Gehalt eines Jungredakteurs Frau und drei Kinder zu ernähren hatte, da kriegte ich etwa 75 DM an Kindergeld. Den Steuerfreibetrag konnte ich nicht nutzen, weil ich zuwenig verdiente. Verglichen mit dem, was mir heute zusteht, ist das nur ein Bruchteil. Das war zu einer Zeit, als Konrad Adenauer die Familienpolitik in der Bundesrepublik bestimmte.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sie verwechseln Diäten mit Kindergeld!)

Insoweit sind wir in den letzten Jahren als sozialliberale Koalition in der Familienpolitik und auch auf dem Wege der materiellen Sicherung ganz erheblich vorangekommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Burger, es war schon ein bißchen merkwürdig, daß Sie hier eine Rolle spielen mußten, die Sie als Bundestagsabgeordneter eigentlich gar nicht zu spielen haben. Man merkte deutlich, daß Sie hier eine verhinderte Wahlkampfrede der Frau Minister Griesinger vorzutragen hatten, weil Sie sich in fast allen Beispielen, die Sie brachten, auf eine landespolitische Leistungsbilanz aus Baden-Württemberg bezogen,

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die ist gut!)

ohne auch nur einmal darüber nachzudenken, daß Sie nach dem Grundgesetz Abgeordneter des ganzen deutschen Volkes sind. — Frau Kollegin Dr. Lepsius, der Kollege Burger möchte mir doch sicher zuhören, wenn ich ihn direkt anspreche. Es ist immer sehr schwer, zwei Leuten gleichzeitig zuzuhören.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Unsere Front wird immer schöner!)

Herr Kollege Burger, es ist natürlich eine schwierige Lage, als Abgeordneter des ganzen deutschen Volkes gleichzeitig darüber nachdenken zu müssen, daß es doch auch noch andere Bundesländer gibt, auch Bundesländer, in denen Sie die Verantwortung tragen, deren familienpolitische Bilanz man viel-



Kuhlwein
leicht ebenfalls analysieren sollte. Dabei maße ich mir nicht an, diejenige zu bewerten, die Frau Kollegin Griesinger hier heute eigentlich hat vortragen wollen. Das machen sicher unsere Freunde in Baden-Württemberg sehr engagiert. Sie werden sicherlich sehr viele Kritikpunkte finden.
Es ist eine liebe Gewohnheit von mir — ich habe das schon mehrfach in familienpolitischen Debatten hier gemacht —, am Morgen vor einer familienpolitischen Debatte einmal in der „Süddeutschen Zeitung" nachzulesen, um festzustellen, wo die letzten Fortschritte der bayerischen Landesregierung in der Familienpolitik liegen. Ich muß sagen: Auch heute hat mich Bayern nicht enttäuscht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr erfreulich!)

Ich fand in der „Süddeutschen Zeitung" von heute den Bericht über eine Stellungnahme der „Kontaktstelle Bayern für das Internationale Jahr des Kindes" zur Bilanzierung der Erfolge des Jahres des Kindes in Bayern, in dem es heißt:
Leider habe sich keine Gemeinde dazu entschließen können, mit größeren Anstrengungen als sonst den gravierenden Mangel an Hortplätzen zu beheben, bedauert die Kontaktstelle. Noch immer fehle es an Abenteuerspielplätzen und Spiel-Straßen, die Schulklassen seien zu groß, und die körperliche Züchtigung gelte als Gewohnheitsrecht.
In dieser Kontaktstelle sind die Wohlfahrtsverbände, die nicht allein uns, sondern Ihnen auch nahestehen, organisiert gewesen. Sie haben für das Internationale Jahr des Kindes in Bayern gearbeitet.
Fazit der Kontaktstelle: Trotz Jahr des Kindes zeige sich nach wie vor niemand bereit zu einer Politik, die am Kind orientiert ist.
Fazit: Viele Worte und wenige Taten in Bayern.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aber die meisten Kinder! — Heiterkeit)

— Ein Zweites, Herr Kollege Friedmann, was mir in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung" auch aufgefallen ist. Das betrifft die Frage, mit der sich auch der Familienbericht beschäftigt, ob Eltern nicht besser als bisher über die Plazierungsfrage, wie es dort heißt, informiert werden sollten, d. h. über Schullaufbahnberatung, Beratung über berufsvorbereitende Maßnahmen und Berufsorientierung. Zu diesem Bereich fordert der Familienbericht zusätzliche Maßnahmen. Das ist auch in einigen Beiträgen, auch in dem der Frau Kollegin Dr. Wex, die heute morgen gesprochen hat, zum Ausdruck gekommen. — Gucken Sie mich nicht so finster an.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Ich warte auf ein Ergebnis Ihrer Rede!)

Ich werde versuchen, Sie hier sinngemäß zu zitieren.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Das fällt schwer!)

Sie bemühten sich darum, klarzumachen — das ist,
glaube ich, eine Auffassung, die wir alle teilen —,
daß die Schule auch die Aufgabe habe, die Familie in ihrer Erziehungsfähigkeit zu unterstützen.

(Dr. Hammans [CDU/CSU]: Unbestritten!)

— Da sind wir uns einig; dann habe ich Sie richtig verstanden. — Nun wird heute in der „Süddeutschen Zeitung" von einer großen Initiative eines CSU-Abgeordneten im Bayerischen Landtag unter der Überschrift: „Zu große Gymnasien sind schülerfeindlich
— In München acht Anstalten mit mehr als 1200 Schülern" berichtet. In dieser Initiative des CSU-Landtagsabgeordneten heißt es:
Übergroße Schulen erschweren außerdem den pädagogischen Erfolg und die Wiedergewinnung des Erzieherischen, die mit nur überschaubaren Schuleinheiten erreicht werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Hammans [CDU/CSU]: Eine sehr kluge Bemerkung!)

— Er bezieht sich hier auf Verhältnisse in der Landeshauptstadt München des Freistaates Bayern, von wo uns allen in der Bundesrepublik, wie Sie ja glauben, demnächst das „Heil" kommen soll. Ich meine, auf solches „Heil" sind wir jedenfalls bereit zu verzichten.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese familienpolitische Bilanz der bayerischen Landesregierung wollen wir nicht noch bundesweit übertragen haben.

(Zuruf von der SPD: Vor allem auf den „Heiler" sind wir bereit zu verzichten! — Dr. Hammans [CDU/CSU]: Das trifft aber bundesweit zu! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es lohnt sich, auch einmal in den ideologischen Begründungen der Unionsregierungen früherer Jahre zur Familienpolitik nachzublättern.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Hören Sie doch zu. Veranstalten Sie doch nicht nur Unruhe hier; es ist doch viel interessanter, zuzuhören und dann einen witzigen Zwischenruf zu machen, als so allgemein hier herumzubrabbeln. — Der frühere Bundesfamilienminister Dr. Wuermeling hat 1953 in der Kirchenzeitung in Köln geschrieben, daß Schutzvorschriften zur Abwehr familienfeindlicher Einwirkungen geschaffen werden sollten. Dann hat er solche Schutzvorschriften genannt, die seiner Auffassung nach

(Abg. Dr. Hammans [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— gleich, Herr Dr. Hammans — erlassen werden sollten. Da heißt es:
Derartige Schutzvorschriften sind strenge Scheidungsgesetze, Behinderung der Geburtenkontrolle, Abtreibungsverbot, Erschwerung der Berufstätigkeit der verheirateten Frau mit Kindern, Verweigerung ausreichender Möglichkeiten zur kollektiven Versorgung und Erziehung



Kuhlwein
der Kinder, Erschwerung des Sexuallebens in anderen Formen als der bürgerlichen Ehe.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das paßt Ihnen auch nicht!)

Ich meine, es ist manchmal ganz interessant, im einzelnen zu untersuchen, wo bei dem einen oder anderen im Lager der Union diese Gedanken noch immer eine zentrale Rolle spielen, wo allerdings auch beträchtliche Aufweichungen vorhanden sind, wo es bei Ihnen durchaus schon Tendenzen gibt zu sagen: Darüber könnten wir gern miteinander ins Gespräch kommen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, warum nicht!)

und wo es Gruppen gibt, die das, was Wuermeling 1953 der Familie vorschreiben wollte — sie sollte sich ja nicht frei entfalten; er wollte ihr Vorschriften machen — noch heute für eherne Gesetze der Familienpolitik halten.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819907600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hammans?

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0819907700
Die gestatte ich gerne.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0819907800
Herr Kollege Kuhlwein, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß selbst in ländlichen Kreisen des Landes Nordrhein-Westfalen an Gymnasien Schülerzahlen von 1200 keine Seltenheit sind und daß die von dem CSU-Kollegen in München zu Recht beklagten Zustände genauso für die Gymnasien in Norddeutschland gelten?

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0819907900
Herr Kollege Hammans, ich wollte überhaupt nicht in Abrede stellen, daß es solche großen Schulen auch anderswo gibt, in Norddeutschland, z. B. in Schleswig-Holstein, wo Herr Dr. Stoltenberg regiert. Herr Dr. Stoltenberg hält uns immer vor, man wolle keine Mammutgesamtschulen, weil sie zu groß wären; aber gleichzeitig unterhält er Gymnasien, die auch 1200 Schüler haben und die mindestens genauso unverträgliche Mammutschulen sind, wie das solche großen Gesamtschulen wären.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe eine noch weitere wichtige Anmerkung zu machen, bevor ich auf einige Einzelpunkte aus dem Familienbericht eingehe. Ich beziehe mich auf ein Referat, das Herr Professor Dr. Ebel auf der Tagung des Familienbundes der Deutschen Katholiken kürzlich gehalten hat, indem er sich damit auseinandergesetzt hat, daß die Generation, die heute die hohen Scheidungsraten zeige und die heute diese, wie er und auch viele von Ihnen meinen, sehr negative
und skeptische Einstellung gegenüber der Ehe habe, von einer Elterngeneration erzogen worden ist, die in den 50er Jahren gelebt hat, als Sie ziemlich allein und eigenständig die Entwicklung hier in der Republik zu bestimmen hatten.

(Zuruf der Abg. Frau Geier [CDU/CSU])

In einem Bericht in dem Mitteilungsblatt des Familienbundes der Deutschen Katholiken heißt es: Die alternative Bewegung zeige schon wieder die Sehnsucht nach eine intakten Familiengeborgenheit. Was müsse da alles in der Elterngeneration der 50er Jahre falsch gelaufen sein, fragt Ebel, daß die Scheidungsraten der heute erwachsenen und damals erzogenen Nachkommen so hoch wie nie seien, die Familie aber als Lebensform aber noch nie ein so niedriges Ansehen gehabt habe? Wenn man in dem im Familienbericht dargestellten Familienzyklus denkt, dann spiegelt sich darin auch etwas davon wider, was in den 50er Jahren passiert ist.

(Broll [CDU/CSU]: Das muß damals an der Opposition gelegen haben!)

Ich glaube, es ist notwendig, darüber nachzudenken. Ich will hier niemandem Schuld zumessen; aber Sie sagen ja immer, daß die Sozialisation der Kinder heute, die wir angeblich bestimmten, für angebliche Ehe- und Familienfeindlichkeit maßgeblich sei. Es ist sicher auch die Sozialisation der Eltern der jungen Leute von heute gewesen, die dafür maßgebend ist. Deswegen sollten wir uns Mühe geben, diese Fragen differenzierter zu diskutieren und mit Schuldvorwürfen gegen den einen oder anderen etwas sparsamer zu sein.
Es folgen einige Punkte zur Frage des Familiengeldes, in dem Sie den Einstieg in das Erziehungsgeld sehen. Es ist schon sehr viel darüber gesagt worden. Ich habe, wenn Sie so wollen, aus einer ganz anderen Position heraus, ideologische Bedenken gegen Ihr Familiengeld, weil Ihr Familiengeld nämlich mit der von Ihnen gegebenen Begründung letzten Endes nichts anderes bedeuten würde, als eine Diskussionslinie des Zweiten Familienberichts nachzuvollziehen, indem man sagt: Die Familie als eine Sozialisationsinstanz — ich identifiziere mich jetzt nicht mit dem Begriff, aber dort steht er drin, und er wurde von Ihnen kritisiert — wird von der Gesellschaft dafür bezahlt, daß sie, sozusagen stellvertretend für die Gesellschaft, die Aufgabe der Kindererziehung übernimmt. Ich hielte das für eine sehr bedenkliche Möglichkeit der Interpretation Ihres Familiengeldes und bitte Sie, auch darüber nachzudenken, daß wir nicht zu der auch von Herrn Biedenkopf nicht gewollten Staatsmutter mit öffentlichem Gehalt kommen. Ich glaube nicht, daß das den Familien auf Dauer nützen könnte.
Im übrigen ist beim Familiengeld die Frage, wo die Begründung ist, wenn Sie es wirklich konsequent sehen wollen. Über die Höhe kann man streiten, wenn man sagen will, es sollte wirklich ein Ausgleich für Verzicht auf Erwerbstätigkeit sein. Aber dann sind 500 DM bei den meisten Bevölkerungsgruppen bestimmt nicht ausreichend, jedenfalls nicht nachhaltig ausreichend; dieser Betrag reicht allenfalls für einen kurzen Übergang. Dann stellt sich natürlich sofort die Frage: Wie lange muß man das Familiengeld zahlen, wie lange soll eine Frau dann freigestellt und von der Gesellschaft dafür bezahlt werden, daß sie sich ganz der Erziehungsarbeit widmet? Es werden drei Jahre genannt. Frau Geier hat hier im Parlament einmal einen Vortrag darüber gehalten. Es gibt Erkenntnisse über frühkindliche
15860 Deutscher Bundestag.— 8. Wahlperiode — 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980
Kuhlwein
I Sozialisation. Das ist eine Frage der Kontaktpersonen, der Bezugspersonen, die in den ersten drei Jahren sicher und verläßlich sein müssen. Es gibt aber genauso große pädagogische Probleme mit 12- bis 14jährigen, und da könnten Sie genauso sagen: Auch diese Probleme sollten nicht fremdbestimmt von draußen, sondern natürlich von Vater oder Mutter gelöst werden. Für die 12- bis 14jährigen müßten wir dann einen neuen Anspruch auf Erziehung in der Familie bei staatlicher Gehaltszahlung konstituieren. Wo wollen Sie die Grenze ziehen? Oder wollen Sie sagen, daß es verwerflich ist, Kinder in Krippen zu stecken, daß aber die Kindergartenerziehung zwischen drei und sechs Jahren problemlos ist, daß da die Gesellschaft mit einer anderen „Sozialisationsinstanz" durchaus eingreifen darf. Ist die Kritik, die Frau Männle an der angeblich kollektiven Erziehung geäußert hat, auch so gemeint, daß Sie generell auf Kindergartenerziehung verzichten wollen, weil Sie sagen: Auch zwischen drei und sechs Jahren sind Kinder besser in der Familie aufgehoben?

(Zuruf der Abg. Frau Geier [CDU/CSU])

— Ich frage ja nur, weil ich auf der von Ihnen vorgetragenen Grundlinie Aufklärung darüber erbitte, ob alle „außerfamilialen Sozialisationsinstanzen" — wie die Soziologen in ihrer völlig unverständlichen Sprache sagen — etwa verwerflich und gefährlich sind und im Grund ein Wegreißen der Kinder aus den Familien und eine Behinderung der Familien in ihrer notwendigen Erziehungstätigkeit bedeuten.

(Zuruf der Abg. Frau Geier [CDU/CSU])

— Ich frage ja nur. Ich frage natürlich auch, ob Sie, wenn das Ihre Linie ist, auch die allgemeine Schulpflicht aufheben wollen

(Zuruf der Abg. Frau Geier [CDU/CSU])

— nein, das wäre nur konsequent — und insbesondere Ganztagsschulen verhindern wollen — auch das wäre nur konsequent — und insbesondere auch verhindern wollen, daß man — was ja der Dritte Familienbericht vorschlägt — im Rahmen der Schule besonders für schwächere Kinder zusätzliche Ganztagsangebote zur Nachmittagsbetreuung dieser Kinder einführt und finanziert. Können Sie das noch vertreten? Oder sind Sie nicht doch bereit, etwas differenzierter darüber zu diskutieren und zu sagen: Auch außerfamiliale Sozialisationsinstanzen — sprich: Krippe bei Bedarf, Hort bei Bedarf, und der Bedarf ist da relativ groß, sprich: Kindergarten, auf jeden Fall; auch Schule hat eine wichtige pädagogische Funktion — —

(Frau Geier [CDU/CSU]: Ganz was Neues! Was haben Sie alles zusammengelesen! — Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Der Witz des Tages!)

— Ich freue mich wirklich, daß ich das so einhellig von Ihnen bestätigt bekomme, weil dann ein Kernpunkt dieser ideologisch überhöhten Auseinandersetzung — „Familie ist eine Insel für sich mit einer großen Mauer rundherum, und die Gesellschaft hat keinen Anspruch darauf und darf auch nicht die Kinder dort herausziehen und sozusagen kollektivistisch sozialisieren" — weg wäre, wenn wir uns darauf verständigen könnten,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

daß diese Einrichtungen auch eine wichtige Erziehungsaufgabe haben und daß es darauf ankommt, dieser Erziehungsaufgabe inhaltlich zu füllen und daß die Eltern auch in diesen Erziehungseinrichtungen

(Broll [CDU/CSU]: Wollen wir das alles in das Grundgesetz aufnehmen?)

Mitspracherecht, Mitwirkungsrecht und Mitbestimmungsrecht haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn wir uns darauf verständigen können, sind wir schon einen ganzen Schritt weiter.

(Broll [CDU/CSU]: Der will Artikel 6 erweitern!)

Ich will in diesem Zusammenhang auch die Frage der Familienberatung und der Familienbildung ansprechen.

(Broll [CDU/CSU]: Pro Familia!)

Die Notwendigkeit von Beratungsangeboten ist im Familienbericht nochmals deutlich gemacht worden. Dort heißt es: Ein Ausbau der Informations-und Beratungsstellen für die Familie und die Sicherung ihrer Kompetenz und Leistungsfähigkeit für eine wachsende Zahl Ratsuchender müßten erreicht werden. Der Familienbericht stellt sich also nicht auf die Position von Franz Josef Strauß, der fürchtet, ein Ausbau von Beratungsstellen würde nur einem Heer von linken Sozialarbeitern usw. Betätigungsmöglichkeiten verschaffen, sondern sagt: Wir brauchen mehr davon, weil es einen gesellschaftlichen Bedarf gibt. Die meisten von Ihnen wissen das ja auch und teilen diese Auffassung. Aber ab und zu werden Sie durch ihre Großkopferten in eine schwierige Lage gebracht.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Wir doch nicht! Höchstens Sie!)

Wir sind uns hoffentlich darüber einig, daß das Netz der Beratungsstellen gerade auch für Familienberatung und Erziehungsberatung ausgebaut werden muß und daß es auch nicht darum geht, eine Beratergesellschaft einzuführen, in der alle Nichtberatenden grundsätzlich als schwach und hilflos angesehen werden und die Bürger sozusagen entmündigt oder infantilisiert werden sollen. Es geht vielmehr darum, dem zunehmenden Problembewußtsein und dem Veränderungswillen der Betroffenen entgegenzukommen.
Sie lächeln, Frau Kollegin Geier. Was ich soeben vorgetragen habe, stammt aus den Materialien zum Familienbericht,

(Zuruf der Abg. Frau Geier [CDU/CSU]).

und zwar aus der Feder von Herrn Professor Sieg-
fried Keil, der immerhin der Vorsitzende der Evan-



Kuhlwein
gelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen ist.

(Frau Geier [CDU/CSU]: So wie Sie spricht er nicht!)

Das habe ich soeben vorgetragen; zwar nur sinngemäß, aber es war wirklich im Sinn von Herrn Professor Keil.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sie haben nicht richtig zitiert!)

Immer weniger Menschen — schreibt Herr Keil — sind bereit, sich mit dem Status quo ihrer persönlichen und familialen Situation abzufinden. Sie suchen in Konfliktsituationen die beratende Hilfe eines Fachmanns. Er trägt dann den Schlüssel der Weltgesundheitsorganisation vor, nach dem wir auf 50 000 Einwohner eine Erziehungsberatungsstelle haben sollten. Er kommt zu der Feststellung, demnach fehlten in der Bundesrepublik ungefähr 620 ausgebaute Erziehungsberatungsstellen; es fehlten, wenn man die regional ungleiche Verteilung berücksichtigt und überlange Wege dorthin vermeiden will, sogar ungefähr 1 000 Erziehungsberatungsstellen in der Bundesrepublik. Übrigens hat der bayerische Sozialminister Pirkl für Bayern in einer Pressekonferenz im letzten Sommer auch bekanntgegeben, daß da noch ein Nachholbedarf aufzuholen ist.
Wenn man jetzt die Entwürfe zum Jugendhilfegesetz, den Regierungsentwurf und das, was Baden-Württemberg über den Bundesrat eingebracht hat, vergleicht, muß man sagen: Der Entwurf der Bundesregierung ist sehr viel geeigneter, Familienberatung und Familienbildung auf eine neue gesetzliche Grundlage zu stellen und stärker als bisher zu fördern, als es der Bundesratsentwurf tun kann.

(Beifall bei der SPD)

Das werden wir dann, wenn wir zur Verabschiedung
des Jugendhilfegesetzes kommen – hoffentlich — --

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das sagen Sie alles einfach so! Das stimmt doch gar nicht!)

— Lesen Sie die Paragraphen, Herr Kollege Kroll-Schlüter! Lesen Sie diesen dürftigen § 13 des Bundesratsentwurfs, dann werden Sie mir folgen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie werden mir auch folgen, wenn Sie untersuchen, wie die Rechtsansprüche der Familien auf Leistungen der Familienberatung und Familienbildung in dem einen und in dem anderen Gesetzentwurf ausgestaltet sind. Ich habe mir die Mühe gemacht, auch diese Paragraphen, die ja bei uns bisher nicht kontrovers gewesen sind, noch einmal sehr sorgfältig zu lesen. Ich bin zu dem Schluß gekommen: Regierungsentwurf sehr viel deutlicher, sehr viel besser, sehr viel stärkere Förderung — und deshalb ein Plus für die Familien.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Ich verlange von Ihnen ja nicht, daß Sie das Gegenteil sagen, aber das stimmt doch nicht!)

Ein letztes Wort vielleicht noch zur Medienpolitik, weil da auch landespolitische Kompetenz gefragt ist und die Länder großen Wert darauf legen, diese Kompetenz zu behalten und dem Bund möglichst wenig davon abzugeben: Wir laufen Gefahr — auch die Landesregierung von Baden-Württemberg gehört zu den Mitschuldigen —, durch die Entwicklung und Einführung neuer Medien die Familien von außen her durch eine sehr wenig kontrollierte zusätzliche Sozialisationsinstanz zu beeinflussen und Kommunikation in den Familien zu stören. Es gibt Untersuchungen aus den USA, die zeigen, daß das so ist. Es gibt auch eine neue Untersuchung der ARD und des ZDF aus dem Jahre 1978,

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Es gibt auch Gegenuntersuchungen!)

und es gibt eine Untersuchung, die feststellt: Je mehr Programme angeboten werden, desto länger sitzen Kinder vor der Röhre. Ich muß Sie fragen, vor allem die Familienpolitiker unter Ihnen, ob Sie sich in Ihrem Bereich nicht auch mit dafür einsetzen wollen, daß wir mindestens einen Teil dieser Entwicklung politisch beeinflussen oder verhindern.

(Beifall bei der SPD — Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich bin am Ende. Bei mir leuchtet schon die rote Lampe.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Bringen Sie mir bitte die Untersuchung mit!)

— Das mache ich; da können wir uns einigen.
Ich wollte mit einem Wort von Herrn Professor Ebel aus der vorhin angesprochenen Tagung schließen. Er hat dort am Schluß einen aktuellen Rat für die kommenden Monate gegeben. Da heißt es wörtlich:
Wahlkämpferische Übertreibungen zur Situation der bundesdeutschen Familie schaden nur der Sache der Eltern.
Das sei einigen von Ihnen ins Stammbuch geschrieben!

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819908000
Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung. Wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt.

(Unterbrechung von 12.58 bis 14.00 Uhr)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819908100
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir treten ein in die
Fragestunde
— Drucksache 8/3573 —
Es sind zunächst noch Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie zu beantworten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Stahl zur Verfügung.



Vizepräsident Leber
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Dr. Voss auf:
Welche Überlegungen hat die Bundesregierung angestellt und welche Maßnahmen eingeleitet, um durch Schaffung eines Nationalpreises die Gewinnung neuer Energie und die Erforschung neuer Energietechniken zu fördern?

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID0819908200
Herr Kollege Dr. Voss, das nicht zuletzt durch die Aufklärungsarbeit der Bundesregierung in den letzten Jahren stark gestiegene Bewußtsein für die Probleme der Energieversorgung stellt geradezu eine Herausforderung an den Erfindergeist dar und liefert ein starkes Motiv für die Entwicklung neuer und rationeller Energietechniken. Die hohen finanziellen Aufwendungen, mit denen die Bundesregierung Arbeiten im Rahmen des Programms „Energieforschung und Energietechnologien 1970-1980" fördert, das Investitionszulagengesetz, das Programm für Zukunftsinvestitionen und das 4,35 Milliarden-DM-Programm geben starke Anreize für Arbeiten auf dem Gebiet der Energieversorgung und Energieanwendung.
Für wichtige Entwicklungen im Bereich der Energiebereitstellung und Energienutzung existieren bereits einige Preise. Der bekannteste ist der von der Alfrid-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung seit 1976 an Einzelpersonen und Arbeitsgruppen verliehene Energieforschungspreis. Er ist mit einer halben Million DM dotiert.
Die Bundesregierung sieht angesichts dieser Sachlage keine Notwendigkeit zur Schaffung eines Nationalpreises für die Gewinnung neuer Energien und die Erforschung neuer Energietechnologien.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819908300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0819908400
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, welche Maßnahmen die Bundesregierung auf Grund der Anregungen und Forderungen ergriffen hat, die schon in der Zeit um 1973 während der damaligen Energiekrise im Parlament vorgetragen bzw. gestellt worden sind, und was sie veranlaßt hat, sich mit dem Gedanken der Schaffung eines Nationalpreises etwas detaillierter auseinanderzusetzen, als Sie es eben geschildert haben?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Voss, ich habe Ihnen gesagt, daß die Bundesregierung angesichts der Sachlage keine Notwendigkeit zur Schaffung eines Nationalpreises für die Gewinnung neuer Energien und die Erforschung neuer Energietechnologien sieht. Die Bundesregierung hat seit dem Datum, das Sie angesprochen haben, also seit 1973, für den Bereich der Energiesicherung und für den Forschungsbereich eine unwahrscheinlich große Menge an öffentlichen Mitteln aufgewandt, um diese Probleme anzugehen. Ich sagte Ihnen auch, daß es eine größere Anzahl von Preisen gibt. Deshalb ist die Bundesregierung der Meinung, daß für einen Nationalpreis keine Notwendigkeit besteht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819908500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0819908600
Herr Staatsekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß zwischen der Zurverfügungstellung von Mitteln und der Schaffung eines Nationalpreises ein wesentlicher Unterschied besteht und daß Sie die bereits bestehenden Preise in ihrer Qualität nicht mit einem Nationalpreis vergleichen können?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Voss, ich kann Ihre dargelegte Einstellung nicht teilen. Ich möchte nur nochmals darauf hinweisen, daß es wohl weniger auf die Schaffung eines Nationalpreises ankommt, um in der Bevölkerung das Bewußtsein für Energiesparen und für die rationelle Nutzung von Energie zu schärfen, sondern daß entscheidend ist, daß wir, auch von seiten der Politiker, mittels Aufklärung dafür sorgen, daß die Einsicht, mit Energie sparsamer und rationeller umzugehen, in unserem Lande größer wird. Es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß der Primärenergieverbrauch in 1979 zu 1978 wesentlich gestiegen ist, obwohl wir im letzten Jahr Anstrengungen gemacht haben, keine so hohen Steigerungsraten beim Primärenergieverbrauch zu erzielen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819908700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kolb.

Elmar Kolb (CDU):
Rede ID: ID0819908800
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß der Wirrwarr bezüglich der Möglichkeiten, Energie einzusparen, für den Bürger langsam so groß wird, daß er nicht mehr gut durchblicken kann, und das gerade das, was der Kollege Voss meint, ein bißchen besser von der Bundesregierung dargestellt werden sollte?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolb, ich sehe nicht ein, daß zwischen der Forderung nach einem Nationalpreis, wie sie hier aufgestellt wurde, und dem, was Sie dargelegt haben, ein Zusammenhang besteht. Ich darf Ihnen aber sagen, daß der Bundeswirtschaftsminister, der Bundesforschungsminister und einige Bundesländer, wie ich glaube, vorzügliche Broschüren für die Aufklärung des Bürgers für den Bereich „Energie" in die Öffentlichkeit gebracht haben. Es liegt auch an uns, an der Politik, einmal vor Ort in den Wahlkreisen mehr darüber zu sprechen, was die Bundesregierung und einige Landesregierungen auf diesem Gebiet tatsächlich tun.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819908900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stockleben.

Adolf Stockleben (SPD):
Rede ID: ID0819909000
Herr Staatsekretär, wenn Sie schon der Ansicht sind, daß ein Nationalpreis, wie dies soeben von dem Herrn Kollegen Voss vorgetragen wurde, nicht die erzielte Wirkung brächte, sind Sie dann mit mir der Meinung, daß Energieberatungsstellen in den einzelnen Regionen einen viel größeren Effekt hätten?
Stahl, Parl. Staatsekretär: Herr Kollege Stockleben, ich möchte zustimmen und die Kommunen, also die Städte und Gemeinden, sowie die Länder ermuntern, auf diesem Gebiet stärker tätig zu werden, damit wirklich der Beratungsbedarf vor Ort für den einzelnen Bürger, aber z. B. auch für Architekten erweitert wird, damit das gemeinsame Ziel, das wir in



Parl. Staatssekretär Stahl
unserem Lande alle im Auge haben, möglichst viel an Energie einzusparen, verwirklicht wird.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909100
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Kolb auf:
Hat die Bundesregierung Forschungsvorhaben bzw. Entwicklungen für eine verbesserte Regelungstechnik bei Hausheizungen unterstützt bzw. gefördert, und welche Erkenntnisse hat sie dabei gewonnen?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolb, Ihre Frage beantworte ich mit Ja. Im Rahmen der Förderung der Anwendung der Mikroelektronik bei kleinen und mittleren Unternehmen wurden für sechs Vorhaben aus dem genannten Bereich rund 2,7 Millionen DM Bundesmittel zur Verfügung gestellt. Die ersten Ergebnisse aus diesen Vorhaben lassen erwarten, daß die Mikroelektronik erheblich zur Energieeinsparung beitragen kann. Der Bundesminister für Forschung und Technologie beabsichtigt, hier verstärkt zu fördern. Eine umfangreiche Studie der Fraunhofer-Gesellschaft soll die einzelnen Schwerpunkte für eine gezielte Förderung absichern. Erste Ergebnisse sind im Herbst 1980 verfügbar.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909200
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0819909300
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß mangelnde Möglichkeiten, in Haushalten überhaupt die Heizmenge zu messen, dazu führen, daß nicht sparsam mit der Heizenergie umgegangen werden kann?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Ich stimme dem zweiten Teil der Frage zu, daß im Haushalt nicht immer sehr sparsam mit Energie umgegangen wird. Dies ist, glaube ich, aus vielen belegten Zahlen ersichtlich.
Was den ersten Teil der Frage angeht, darf ich Ihnen versichern, daß der Bundesforschungsminister derartige Meßgeräte gefördert hat, die, wie mir bekannt ist, auch am Markt verfügbar sind. Es gilt also nur, den Verbraucher verstärkt darauf hinzuweisen, daß es derartige Geräte gibt.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909400
Keine Zusatzfrage mehr.
Dann rufe ich die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Kolb auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für Energieeinsparmaßnahmen durch die Zwischenschaltung von Speichervorrichtungen bei Hausheizungen bzw. der Warmwasserbereitung, und welche Erkenntnisse wurden gewonnen, soweit diesbezüglich Forschungen gefördert worden sind?
Bitte sehr.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolb, der Sinn und Zweck der Zwischenschaltung von Speichereinrichtungen bei der Warmwasserbereitung und zur Raumheizung liegt angesichts deutscher Klimaverhältnisse im wesentlichen im Ausgleich von Wärmebedarfs- und -angebotsschwankungen im Sommer und in den Übergangszeiten der Heizperiode. Im Winter kann die geringe z. B. von Solarkollektoren zur Verfügung gestellte Wärme direkt an das Raumheizungssystem abgegeben werden. Die Bundesregierung hat ein entsprechendes Forschungsvorhaben zum Thema „Langzeitspeicher für Wohngebäude und Solarhausarchitektur" frühzeitig in die Förderung einbezogen. Der Abschlußbericht liegt vor.
Ziel des Vorhabens war die Erarbeitung und Untersuchung von kostengünstigen Möglichkeiten der Speicherung von Sonnenenergie in dezentralen Warmwassergroßspeichern für Wohngebäude sowie die Optimierung der Systemeinbindung des Speichers nach solartechnischen, anwendungstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die gewonnenen Ergebnisse und die im faktischen Versuch gemachten Erfahrungen führten zur Konzeption eines neuartigen großvolumigen Warmwasserkompaktspeichers.
Eine zweite Möglichkeit, durch die Verwendung von Speichervorrichtungen einen Beitrag zur Energieeinsparung zu erbringen, sieht die Bundesregierung in der Untersuchung von Möglichkeiten zur Speicherung von Wärme in sogenannten Latentwärmespeichern, bei denen als wärmespeichernde Substanz nicht Wasser, sondern in der Regel andere Speichermedien Gegenstand der intensiven Untersuchungen sind. Ein technologisch befriedigender und wirtschaftlich überzeugender Durchbruch ist bei den Latentwärmespeichern derzeit aber noch nicht in Sicht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909500
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kolb.

Elmar Kolb (CDU):
Rede ID: ID0819909600
Herr Staatssekretär, sind in Ihrem Hause schon Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt worden, da die derzeitigen 80-Liter-Speicher — ich denke vor allem an die Warmwasserbereitung in Verbindung mit Heizkesseln — doch einen sehr großen Energieverlust mit sich bringen? Sie sind in der Regel sehr schwach isoliert und auf eine Temperatur von 60 bis 70° eingestellt und werden in kurzen Abständen immer wieder aufgeheizt, auch wenn kein Warmwasser gebraucht wird. Hier entsteht doch ein sehr großer Energieverlust, der korrigiert werden könnte, wenn wir Zwischenspeicher hätten, die wesentlich besser isoliert sind und 800 bis 1 000 Liter enthalten.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolb, ich will Ihren Vorschlag, den Sie dargelegt haben, gerne aufnehmen und in unserem Hause prüfen lassen. Haben Sie bitte Verständnis, wenn ich Ihnen hier keine ausführliche Antwort zur Technik und ihren Möglichkeiten geben kann.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909700
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 64 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Nutzung der Erdwärme in der Bundesrepublik Deutschland, und welche Verfahren zur Gewinnung erscheinen ihr am aussichtsreichsten?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.



Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:
In der Bundesrepublik Deutschland sind nur an einigen wenigen Stellen geothermische Anomalien nachgewiesen worden, bei denen schon in geringer Tiefe mit warmen Wasser von etwa 70° C zu rechnen ist. Diese Temperaturen reichen aber nur für Heizzwecke aus. Zur Zeit werden in der Nähe von Karlsruhe, bei Freiburg und in Saulgau Projekte begonnen, die die Nutzung warmer Tiefenwässer für Heizzwecke demonstrieren sollen.
Eine Möglichkeit, die Erdwärme auch außerhalb von Anomalien zu nutzen, soll das Hot-dry-rockVerfahren erschließen. Dabei wird kaltes Wasser in trockenes, heißes Tiefengestein eingeleitet. Dort nimmt es in künstlich erzeugten Rissen die Wärme auf und wird schließlich wieder an die Erdoberfläche zurückgepumpt.
In Urach werden in Verbindung mit einer Tief enbohrung umfangreiche geoghysikalische Messungen durchgeführt, um die Kenntnisse über diese Technik und die Einflüsse auf die Umwelt zu untersuchen. Weitere Erfahrungen über die Hot-dryrock-Technologie werden aus der Zusammenarbeit mit den USA erwartet. Ein entsprechender Vertrag ist im vergangenen Jahr über die Internationale Energieagentur in Paris abgeschlossen worden.
Es wird noch längerer Untersuchungen bedürfen, bis die Frage beantwortet werden kann, ob bzw. unter welchen Wirtschaftlichkeits-, Umwelt- und Sicherheitsaspekten das Hot-dry-rock-Verfahren zur Nutzung des großen Wärmepotentials der Erde sowie für die Erzeugung von Elektrizität und Heizwärme genutzt werden kann.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909800
Herr Staatssekretär, haben Sie jetzt beide Fragen beantwortet?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Präsident, ich würde gerne die zweite Antwort, wenn der Herr Fragesteller einverstanden ist, gleich anschließen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819909900
Sind Sie einverstanden? — Bitte sehr! Dann rufe ich auch noch Frage 65 des Herrn Abgeordneten Stockleben auf:
In welchem Umfang werden von der Bundesregierung Forschungs-und Entwicklungsvorhaben zur Nutzung der Erdwärme gefördert, und sind hierbei auch Umwelt- und Sicherheitsprobleme berücksichtigt, die bei der Nutzung der Erdwärme auftreten können?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, im Programm „Energieforschung und Energietechnologien 1977 bis 1980" sind für die Nutzung der geothermischen Energie Mittel in Höhe von 39 Millionen DM vorgesehen. Selbstverständlich werden dabei auch Umwelt- und Sicherheitsprobleme untersucht, die insbesondere für das Hot-dry-rockVerfahren von Bedeutung sind. Wesentliche Ergebnisse sind aus der bereits erwähnten Zusammenarbeit mit den USA zu erwarten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819910000
Zusatzfrage, Herr Kollege Stockleben.

Adolf Stockleben (SPD):
Rede ID: ID0819910100
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, wird die Erdwärme keinen nennenswerten Beitrag zur Stromerzeugung
leisten können. Vielleicht sehen Sie sich aber in der Lage, eine Aussage darüber zu machen, inwieweit durch die Nutzung dieser Möglichkeiten ein Beitrag zur Energieversorgung insgesamt geleistet werden kann. Ich würde darum bitten, daß die Regierung, wenn sie so etwas mit 39 Millionen DM fördert, auch in etwa einzuschätzen in der Lage ist, wie hoch der Anteil der Energie daraus in den nächsten zehn Jahren sein wird.
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, es gibt Gedankenexperimente, die astronomische Zahlen für das geothermische Potential liefern. Da es aber keine realistische Möglichkeit gibt, dieses hypothetische Potential zu nutzen, ist, glaube ich, ein Jonglieren mit solchen Zahlen nicht sinnvoll. Heißwasservorkommen werden wegen des Mangels an Ressourcen nur einen bescheidenen Beitrag zur Bereitstellung von Heizenergie in der Bundesrepublik Deutschland leisten können.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819910200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Stockleben.

Adolf Stockleben (SPD):
Rede ID: ID0819910300
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine wesentliche Voraussetzung der Nutzung der Erdwärme ein entsprechendes Fernwärmenetz in der Bundesrepublik bzw. in den betreffenden Regionen sein wird?
Stahl, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockleben, diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, weil erst allgemein geklärt werden müßte, an welchen Stellen diese geothermische Energie wirklich gewonnen werden könnte und wie groß die Entfernung von der jeweiligen Bohrung z. B. zum Einsatzort wäre. Ich möchte mich hier nicht auf Spekulationen einlassen, die zu falschen Schlüssen führen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819910400
Keine Zusatzfrage mehr; damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers des Auswärtigen und begrüße dazu Herrn Staatsminister Dr. von Dohnanyi.
Ich rufe Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Worauf führt die Bundesregierung es zurück, daß die Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion und Rumänien im Jahr 1979 bis zu 20 v. H. im Vergleich mit 1978 rückläufig gewesen ist, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?
Bitte, Herr Staatsminister.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0819910500
Herr Kollege Dr. Hupka, aus Rumänien sind zwar im Vergleich zu dem außergewöhnlich günstigen Ergebnis des Vorjahres rund 20 % weniger Aussiedler im Bundesgebiet eingetroffen; indessen ist mit einer Gesamtzahl von 9 663 Personen nahezu die von der Bundesregierung angestrebte Zahl von jährlich etwa 10 000 Ausreisen erreicht worden, zumal der Durchschnitt der letzten drei Jahre immer noch über dieser Zahl liegt. Ich zitiere einmal die Zahlen

Staatsminister Dr. von Dohnanyi
für Sie. 1977 waren es etwas mehr als 10900, 1978 etwas über 12 000.
Der Rückgang der Zahlen von Ausreisen aus der Sowjetunion erfüllt die Bundesregierung mit Sorge. Dennoch sind auch aus der Sowjetunion 1979 mit 7226 Personen mehr Aussiedler als in den Jahren vor 1976 ins Bundesgebiet gekommen
Die Bundesregierung wird — wie bisher — auch weiterhin die betreffenden Regierungen bei allen sich bietenden Gelegenheiten darauf hinweisen, daß die Frage der Familienzusammenführung für die Bundesregierung nicht nur eine humanitäre Frage ist, sondern auch einen wesentlichen Einfluß auf die bilateralen Beziehungen hat.
Im übrigen kann die Bundesregierung die Differenz der Zahlen, von denen ich sprach, also den Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren, noch nicht auf besondere Einzelheiten zurückführen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819910600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0819910700
Herr Staatsminister, Sie haben jetzt für Rumänien eine Zahl von 10000 angegeben, als wäre diese Zahl vereinbart worden. Als der Bundeskanzler im Januar 1978 mit dem rumänischen Partei- und Staatschef zusammentraf, war wohl die Zahl von 1977 — das waren 11 000 — zugrunde gelegt worden. Warum wird jetzt plötzlich mit der Richtzahl von 10000 eine niedrigere Zahl genannt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe ja „rund 10 000" gesagt, und ich habe das Ergebnis 1977 zitiert. Man kann hier wohl nur über einen längeren Zeitraum von Durchschnitten sprechen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819910800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0819910900
Herr Staatsminister, haben unmittelbar nach der Bilanzierung der Zahlen für das Jahr 1979 unsererseits irgendwelche Besprechungen mit den Regierungen in Moskau und in Rumänien stattgefunden, damit wir die Gründe erfahren, aus denen die Zahlen um 20 bis 25 % niedriger sind als die Höchstzahlen von 1976 im Falle Rußlands und von 1978 im Falle Rumäniens?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich sagte Ihnen, wir haben die Gründe noch nicht im einzelnen feststellen können; aber Sie können versichert sein, daß wir den Einzelheiten nachgehen werden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911000
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich Frage 66 des Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die Bundesregierung bereit. sich die Resolution Nr. 89 der Nordatlantischen Versammlung (Ottawa 22. bis 27. Oktober 1979) zu eigen zu machen und mit anderen Mitgliedern der NATO zu fordern, daß vor Beginn des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid im Herbst 1980 alle diejenigen s den Gefängnissen entlassen werden müssen, die wegen ihres
Eintretens für die Gewährung der
Menschenrecht entsprechend der
KSZE-Schlußakte inzwischen verfolgt und verurteilt worden sind?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das, was Sie in Ihrer Frage fordern, ist im wesentlichen bereits geschehen, und zwar im Kommuniqué der Ministertagung des Nordatlantikrats vom 13. und 14. Dezember 1979.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0819911200
Herr Staatsminister, um gleich auf ein aktuelles Ereignis zurückzugreifen: Kann die Verhaftung von Sacharow ein Grund dafür sein, daß die Bundesrepublik Deutschland der Sowjetunion mitteilt, daß dies erstens im Gegensatz zur KSZE-Schlußakte steht und zweitens auf diese Weise eine Nachfolgekonferenz in Madrid gar nicht zustande kommen kann, wenn eine Macht in dieser Weise gegen die in Helsinki beschlossenen Vereinbarungen verstößt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, daß die Deportation von Herrn Sacharow gegen die Schlußakte von Helsinki verstößt, hat die Bundesregierung gestern im Kabinett festgestellt. Daß sie selbst, daß wir alle die Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung in den Staaten Osteuropas und in der Sowjetunion gerade auf die Schlußakte von Helsinki zurückführen, bedeutet natürlich zugleich auch, daß wir den Prozeß der Begegnung im Rahmen der Schlußakte von Helsinki weiterführen wollen. Insofern belasten zwar derartige Ereignisse diese Gespräche selbstverständlich, aber sie sollten diese Gespräche nicht unterbrechen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0819911400
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung das Nachfolgetreffen in Madrid auch angesichts der Tatsache Weiterbetreiben, daß Bürger der. Ostblockstaaten nur deswegen verhaftet und verurteilt worden sind, weil sie unter Berufung auf Helsinki für die Menschenrechte eingetreten sind, insbesondere jetzt angesichts der Verbannung von Sacharow?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich wiederhole, Herr Kollege: Die Schlußakte von Helsinki, gegen die Sie, wenn ich richtig informiert bin, hier im Bundestag selbst gestimmt haben,

(Dr. Corterier [SPD]: Leider wahr!)

bietet ja heute die Grundlage für Ihre Anfrage. Die Nachfolgekonferenz bietet wiederum die Möglichkeit, auch über die Fälle zusprechen, von denen Sie hier soeben gesprochen haben.

(Reddemann [CDU/CSU]: Und was kommt dabei heraus?)

So wenig wir den richtigen Weg gegangen wären, wenn wir Ihrem Rat gefolgt wären und als einziges Land der einbezogenen westlichen Staaten die Schlußakte nicht unterschrieben hätten, so wenig würden wir den richtigen Weg gehen, wenn wir die Nachfolgekonferenz absagen würden.

(Dr. Hupka [CDU/CSU]: Das gilt vice versa für die NATO!)





Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911500
Eine . weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0819911600
Herr Staatsminister, teilen Sie nicht meine Auffassung, daß Ereignisse wie die der Verhaftung und Deportation des Menschenrechtskämpfers Andrej Sacharow zeigen, daß das, was die Bundesregierung und andere westliche Regierungen bisher unternommen haben, um dafür zu sorgen, daß gerade die für Menschenrechtskämpfer vorgesehenen Bestimmungen der Schlußakte zum Tragen kommen, praktisch fehlgeschlagen ist, und müßte dies nicht Anlaß sein, in einer ganz neuen und verstärkten Weise gerade jenen Teil der Schlußakte, den die CDU/CSU nicht abgelehnt, sondern den sie von Anfang an vorbehaltlos unterstützt hat, nämlich das Prinzip 7, zum Hauptgegenstand der Beratungen auf dem Folgetreffen in Madrid zu machen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911700
Herr Kollege Jäger, ich kann Ihnen wirklich nicht das Recht einräumen, hier einen Vortrag zu halten. Sie müssen vielmehr eine Frage stellen, und nach den Richtlinien für die Fragestunde muß diese kurz sein.

(Reddemann [CDU/CSU]: Aber es war eine Frage, Herr Präsident!)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich habe der Frage des Kollegen — trotz der Länge der Frage und trotz des komplizierten Satzbaus — folgen können. Ich will daher versuchen, diese Frage zu beantworten. — Ich kann mich nicht erinnern, Herr Kollege Jäger, daß die CDU/CSU hier im Bundestag gesagt hat, sie stimme einem Teil der Schlußakte zu, einem anderen aber nicht. Vielmehr haben Sie hier gegen die Schlußakte im Ganzen gestimmt.

(Dr. Corterier [SPD]: Leider wahr! — Reddemann [CDU/CSU]: Bauen Sie hier doch keinen Pappkameraden auf!)

— Herr Kollege Reddemann, vielleicht erlauben Sie mir, daß ich die Antwort gebe, nach der ich hier gefragt wurde. — Ich möchte hinzufügen, Herr Kollege Jäger: Gerade wenn man die Entwicklung in diesem Bereich betrachtet, muß man hinsichtlich einer Reihe von Einzelfällen feststellen, daß auf der Grundlage der Schlußakte zwar Hilfen gegeben und Möglichkeiten eröffnet worden sind, daß wir aber in dem Gesamtprozeß natürlich noch am Anfang stehen. Dies bedeutet aber nicht, den Prozeß abzubrechen, sondern bedeutet, den Versuch zu machen, ihn auch unter erschwerten Bedingungen weiter voranzutreiben.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819911800
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819911900
Herr Staatsminister, darf ich Ihre Antwort auf die letzte Frage des Kollegen Hupka so werten, daß Sie der Auffassung sind, daß die KSZE-Verträge und auch die Weiterentwicklung in der Folgekonferenz u. a. den Sinn haben, daß es mit deren Hilfe immer möglich sein wird — vor allem wenn man Gegner solcher Verträge ist —, der
Sowjetunion nachzuweisen, daß sie in der Praxis eben permanent gegen solche Verträge verstößt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe die Frage intellektuell wirklich nicht ganz verstanden. Darf ich Sie bitten, mich noch einmal präzise zu fragen.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819912000
Sie haben den Kollegen Hupka darauf hingewiesen, daß es eben die Verträge sind, die heute die Möglichkeit geben, nachzuweisen, daß die Sowjetunion permanent dagegen verstößt. Meine Frage lautet nun: Sehen Sie einen Sinn dieser Verträge u. a. darin, daß die Gegner solcher Verträge die Chance erhalten, der Sowjetunion in der Praxis nachzuweisen, daß sie gegen diese Verträge permanent verstößt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich sehe den Sinn der Verträge darin, daß sie den Versuch erlauben, wie es auch durch die Erklärung der Bundesregierung gestern geschehen ist, den Vertragsunterzeichner Sowjetunion an seine auch zugunsten der Dissidenten übernommenen Verpflichtungen zu erinnern. Ich füge hinzu: Diese. Erinnerung auf einer Vertragsgrundlage wäre nicht möglich, wenn wir dem Vorschlag der Opposition gefolgt wären, wie alle anderen vertraglichen Beziehungen schließlich auch die Schlußakte von Helsinki abzulehnen.

(Beifall bei der SPD — Reddemann [CDU/ CSU]: Immer wieder die gleiche Melodie! Dementsprechend müßten Sie auch gegen Europa sein! Denn Sie haben ja auch gegen die Europaverträge gestimmt!)

— Das ist nicht richtig, Herr Kollege. Sie wissen selbst, daß wir als Sozialdemokraten in diesem Hause für die Europäische Gemeinschaft gestimmt haben. Es war also falsch, was Sie gesagt haben.

(Reddemann [CDU/CSU]: Sie haben auch bei der WEU dagegen gestimmt!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912100
Meine Damen und Herren, bitte, unterlassen Sie es, so viele Zurufe zu machen. Die Fragestunde reicht sonst nicht aus, noch andere wichtige Fragen zu behandeln. Wenn Sie Zusatzfragen stellen wollen, bedienen Sie sich bitte des Mikrofons.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0819912200
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß sich andere Regierungen, beispielsweise die Regierung Dänemarks, mit dem Gedanken tragen, für einen Aufschub der Madrider Konferenz zu plädieren? Und ist die Bundesregierung bereit, mit diesen Regierungen in Kontakt zu treten, um sich deren Überlegungen zu eigen zu machen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das tun wir schon deswegen, weil wir in der Vorbereitung der Folgekonferenz in ständiger enger Beratung mit unseren westlichen Partnern stehen, im übrigen auch Konsultationen mit den östlichen Partnern über diese Fragen haben. Die politische Lage



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
insgesamt wird sicherlich eine erfolgreiche Konferenz erschweren. Aber es gibt auf unserer Seite keinen Grund, die Grundlage der Schlußakte zu verlassen. Wir wollen auch auf der Folgekonferenz für die übernommenen Verpflichtungen eintreten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912300
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID0819912400
Herr Staatsminister, welche Schritte politischer, eventuell auch wirtschaftlicher Art — möglicherweise auch auf der Ebene der Vereinten Nationen, aber auch im bilateralen Verhältnis — plant die Bundesregierung, um den Dissidenten in der Sowjetunion, vor allem Sacharow, wirksamer, als es bisher durch die westliche Welt möglich war, zu helfen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich würde Sie doch bitten, über die Vergangenheit hier zunächst einmal kein so pauschales Urteil abzugeben. Auch die Schlußakte von Helsinki hat Herrn Sacharow in den vergangenen Jahren sicherlich die Möglichkeit einer breiteren und offeneren Argumentation gegeben.

(Breidbach [CDU/CSU]: Mit dem Erfolg, daß er heute verbannt wird!)

Insofern war eine Hilfestellung gegeben. Der Situation, wie sie jetzt entstanden ist, muß zunächst wohl durch Erklärungen begegnet werden, wie ich sie hier zitiert habe. Sie wissen, daß unsere unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten — wie auch in der Zeit, in der die CDU/CSU regierte — begrenzt sind. Aber wir werden diese begrenzten Möglichkeiten voll ausschöpfen.

(Reddemann [CDU/CSU]: Das bedeutet also nichts, wenn ich Sie richtig verstanden habe!)

— Das war in Ihrer Zeit so, nicht in unserer, Herr Kollege.

(Reddemann [CDU/CSU]: Was heißt hier „Ihrer" Zeit?)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912500
Eine weitere Zusatzfrage.

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0819912600
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß man in solchen Fällen nur durch eine Vielzahl von Gesprächen, also durch mehr Gespräche als bisher, positive Lösungen erreichen kann? Und glauben Sie nicht, daß es überhaupt keinen Sinn hat, Gespräche, die -man vereinbart hat, abzusagen, sondern daß man eher darum nachsuchen muß, in dieser kritischen . Situation mehr als je zuvor Gespräche zu führen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es geht gerade in kritischen Zeiten darum, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Ich will allerdings unterstreichen, daß wir nicht sicher sein können, mit Mahnungen und Gesprächen wirklich erfolgreich zu sein. Ich wiederhole: was man in dieser Beziehung tun kann und was man nicht tun kann, haben alle in diesem Hause vertretenen Parteien in ihren Fraktionen in den verschiedensten Situationen der letzten Jahrzehnte erlebt.
Die Bundesregierung unterstreicht, daß sie wie in der Vergangenheit den Versuch machen wird, im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu helfen. Die Schlußakte von Helsinki bleibt eine Grundlage für mögliche Hilfe.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912700
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Dann rufe ich Frage 67 des Herrn Abgeordneten Walther auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau in der Zeit vom 21. bis 27. Dezember 1979 geschlossen war und deshalb z. B. Einreisevisen für die Bundesrepublik Deutschland nicht erteilt werden konnten, wodurch zumindest in einem Fall der Betreffende auf rund eine Woche der ihm von den russischen Behörden zugebilligten besuchsweisen Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland verzichten und sich auf eigene Kosten während dieser Zeit in Moskau unterbringen lassen mußte?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich würde gern die Fragen im Zusammenhang beantworten und dann wegen der technichen Einzelheiten, Herr Kollege, Ihnen einen Brief über den genauen Ablauf der Zusammenhänge übergeben.

(Walther [SPD]: Ja!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912800
Dann rufe ich auch Frage 68 des Herrn Abgeordneten Walther auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Sachverhalt, und wird sie
dafür sorgen, daß sich ähnliche Fälle zukünftig nicht wiederholen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Der Sachverhalt war nicht so, wie in Ihrer Frage geschildert. Die Botschaft war zu dem genannten Zeitpunkt offen. Ich würde Sie bitten, den Brief entgegenzunehmen. Ich bin dann gerne bereit, ein andermal erneut Fragen zu beantworten, wenn Sie dies dann noch für notwendig halten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819912900
Sind Ihre Fragen damit beantwortet, Herr Kollege Walther?

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID0819913000
Heute und hier. Ich würde mir erlauben, nach Einsichtnahme in den Brief, den der Herr Staatsminister mir zur Verfügung stellen will, möglicherweise in der nächsten Fragestunde darauf zurückzukommem.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913100
Sie verzichten hier auch auf Zusatzfragen? — Danke schön. Dann sind die Fragen 67 und 68 beantwortet.
Ich rufe Frage 69 des Herrn Abgeordneten Hoffmann (Saarbrücken) auf:
Gibt es Formulierungen in Abkommen oder Verträgen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten, die hinsichtlich der Einbeziehung West-Berlins mit der übereinstimmen, die die Sozialistische Republik Vietnam in ihrem Gegenentwurf zu einem Rahmenabkommen über technische Zusammenarbeit am 17. Juli 1978 der Bundesregierung vorgeschlagen hat?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, auch hier bitte ich, die beiden Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913200
Sind Sie einverstanden, Herr Kollege Hoffmann? — Dann rufe ich auch Frage 70



Vizepräsident Leber
— des Herrn Abgeordneten Hoffmann (Saarbrükken) - auf:
Warum ist die von der Sozialistischen Republik Vietnam in ihrem Gegenentwurf zu einem Rahmenabkommen über technische Zusammenarbeit am 17. Juli 1978 vorgeschlagene Berlin-Klausel für die Bundesrepublik Deutschland nicht befriedigend, wie die Staatsministerin im Auswärtigen Amt in ihrer Antwort auf meine parlamentarische Anfrage am 27. September 1979 (Stenographischer Bericht über die 175. Sitzung, Seite 13828 A) ausgeführt hat?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es gibt solche Formulierungen nur in Verträgen mit Staaten, die ihrerseits Mitglieder des Warschauer Pakts sind. Die von der Sozialistischen Republik Vietnam in ihrem Gegenentwurf zu einem Rahmenabkommen über technische Zusammenarbeit am 17. Juli 1978 vorgeschlagene Berlin-Klausel ist nicht befriedigend, weil sie von der normalen Vertragspraxis der Bundesregierung abweicht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hoffmann.

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0819913400
Herr Staatsminister, ist dieser Fall, der hier zitiert wird, nämlich mit der Formel, die Vietnam vorgeschlagen hat, auch zutreffend für einige andere Staaten, und sind Sie dort genauso verfahren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole: Wir verfahren in den jeweils vergleichbaren Fällen entsprechend.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913500
Eine weitere Zusatzfrage?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0819913600
Darf ich daraus schließen, nachdem Sie gesagt haben, daß es solche Passagen in den Verträgen gibt, die mit Staaten des Ostblocks abgeschlossen worden sind, daß die Kriterien gegenüber anderen Staaten von der Bundesregierung politisch härter formuliert werden, und wie interpretieren Sie das?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich wiederhole noch einmal: Wir haben eine bestimmte Vertragspraxis und feste Formulierungen für Staaten, die Mitglied des Warschauer Paktes sind. Bei den übrigen Staaten verwenden wir eine Formulierungspraxis, der der Gegenvorschlag nicht entspricht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913700
Keine weitere Zusatzfrage mehr, Herr Kollege Hoffmann? — Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID0819913800
Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es ein Abkommen mit der Republik Osterreich gibt, bei dem andere Formulierungen als im Normalfall gewählt worden sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, dem würde ich so nicht zustimmen. Nein, das ist nicht richtig.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819913900
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0819914000
Herr Staatsminister, wenn der Status Berlins in den Formeln, die wir in Verträgen mit den Ostblockstaaten benutzen, rechtlich abgesichert ist, wieso ist er dann nicht genügend in denselben Formeln abgesichert, die bestimmte Länder der Dritten Welt benutzen wollen, etwa Mozambique, Guinea-Bissau, Vietnam?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, die Formulierungen für eine Berlin-Klausel, die wir akzeptieren, unterliegen unserem Urteil. Wir haben das Urteil getroffen, daß gegenüber den Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes aus Gründen der dort gegebenen Verhältnisse eine Berlin-Klausel akzeptiert wird, die nicht unserer Vertragspraxis im Verhältnis zur übrigen Welt entspricht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819914100
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Dann rufe ich die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf:
Hält die Bundesregierung an den von ihr in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 7/5455) formulierten Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf der III. VN-Seerechtskonferenz weiterhin fest, und welches sind dabei ihre Prioritäten?
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß damit die erste Frage aus einer Serie von Fragen, die sich mit der Seerechtskonferenz befassen, aufgerufen wird. Dazu sind mehr als 30 Fragen gestellt worden. Ich habe die herzliche Bitte, daß sich sowohl die Fragesteller und Zusatzfragensteller wie auch der Herr Staatsminister bei der Beantwortung tunlicher Kürze befleißigen. Es sind noch 55 Minuten bis zum Ablauf der Fragestunde Zeit. Ich bin entschlossen, die Fragestunde pünktlich zu beenden. Von der Disziplin, mit der gefragt und geantwortet wird, hängt es ab, wie viele Fragen behandelt werden können.
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, ich möchte vorweg sagen, daß ich 'für die Antwort auf die Frage 71 des Kollegen Kittelmann einen etwas längeren Zeitraum in Anspruch nehmen möchte, weil ich dabei einige der Grundsätze zu formulieren versuchen werde. Bei der Beantwortung der übrigen Fragen werde ich dann versuchen, relativ kurz zu sein.
Die Bundesregierung hält an den von ihr seinerzeit formulierten Interessen fest. Wir sind eine wichtige Schiffahrtsnation und daher an der Sicherung weltweiter Verkehrsrechte — Schiffahrt, aber auch Überflug —, auch im Hinblick auf Meerengen, interessiert. Dies ist einer der Gründe dafür, daß wir auf der Konferenz mit dem Ziel mitgearbeitet haben — und wir werden dies auch weiterhin so tun —, die weiter ausgreifenden küstenstaatlichen Ansprüche zurückzudrängen, soweit diese Verkehrsinteressen dadurch unzulässig eingeengt würden.
Wir hatten seit jeher erhebliche Fischereiinteressen, und zwar sowohl bei der Kutterfischerei vor unseren Küsten wie auch bei der Fernfischerei. Diese Interessen sind durch die Ausweitung küstenstaatlicher Jurisdiktion auf erhebliche Bereiche der küstennahen Meere beeinträchtigt worden. Diese küstenstaatliche — wenn man so sagen darf „Landnahme zur See" hat sich allerdings vor und außer-



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
halb der Konferenz im Wege einseitiger Proklamationen abgespielt.
Wir sind es u. a. gewesen, die in dem von uns angestrengten Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof 1972 bis 1974, in dem wir gegen Island obsiegt haben, versucht haben, mit gerichtlichen Mitteln dieser für unsere Interessen abträglichen Entwicklung Herr zu werden. Die Fruchtlosigkeit dieses Unterfangens ist Ihnen so gut bekannt wie mir. Dies soll die von mir eingangs erwähnten Interessen an der einvernehmlichen Verabschiedung einer Konvention unterstreichen.
Im übrigen ist die Zuständigkeit für die Regelung von Fischereifragen von unseren nationalen Behörden inzwischen weitgehend auf die Europäische Gemeinschaft übergegangen. Wie Sie wissen, ist dort die Ausarbeitung einer Fischereiordnung der Gemeinschaft in endgültiger Form noch nicht gelungen, aber es gibt bereits vorläufige Regelungen. Wir arbeiten an der Herstellung eines Fischerei-Regimes der Europäischen Gemeinschaft intensiv mit. Als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sind wir damit Teil eines — wenn man so will — Langküstenstaates, was unsere Interessen bei den internationalen Verhandlungen wiederum nicht unberührt lassen kann.
Neben den lebenden Ressourcen interessieren uns .natürlich auch die mineralischen. Wir sind auf Erdöl und auf Erdgas, soweit es weltweit aus den Festlandsockeln gefördert wird, für unsere Energieversorgung u. a. angewiesen. Als Staat mit kurzer und ungünstig geschnittener Küste müssen wir wegen der Schürfrechte oder Importe mit denen verhandeln, denen die Verfügung über diese Ressourcen tatsächlich zusteht. Dies sind entweder — wegen ihres Sockelanteiles — die jeweiligen Küstenstaaten oder — für den gesamten Rest einschließlich des Tiefseebodens — eine künftige internationale Meeresbodenbehörde.
Aus dieser Ausgangslage erklärt sich, daß wir auf der Konferenz die Extremforderungen der Breitschelfstaaten nicht unterstützen. Die Festlegung unserer Haltung zu den übrigen zur Diskussion stehenden Lösungen kann nur unter Berücksichtigung mehrerer Gesichtspunkte erfolgen.
Herr Kollege, Solidarität mit den Partnern der Europäischen Gemeinschaft und auch der NATO einerseits und Wünsche unserer Industrie, mit der wir, wie Sie wissen, in engem Kontakt stehen, andererseits, sind dabei zwei wichtige Gesichtspunkte.
Die Bundesrepublik hat wichtige Interessen auf dem Gebiet der Tiefseebodentechnologie. Wir haben uns deshalb auf der Konferenz dafür eingesetzt, daß die Erschließung der Tiefseebodenschätze, insbesondere — nach dem heutigen Stand — der Manganknollen, nicht nur durch eine internationale Organisation — die Meeresbodenbehörde —, sondern auch durch nationale Unternehmen erfolgen darf. Dieses sogenannte Parallelsystem ist inzwischen auf der Konferenz anerkannt. Über Feinheiten seiner Ausgestaltung wird noch verhandelt.
Schließlich, Herr Kollege, nehmen wir, unabhängig von jeglicher Meereszone, auf die Sie sich hier
beziehen können, Interessen in den Bereichen des Umweltschutzes, der wissenschaftlichen Meeresforschung, der friedlichen Streitbeilegung und auch Sicherheitsinteressen wahr.
All diese vorgenannten Interessen verfolgen wir mit einer Delegation, in der nicht nur die sachlich zuständigen Ressorts — das Auswärtige Amt hat die koordinierende Delegationsleitung in diesem Falle —, sondern auch die Küstenländer, interessierte Verbände, Industrien und Interessenvertreter mitarbeiten.
Ich möchte an dieser Stelle, Herr Präsident, dankbar hervorheben, daß die Bundesregierung auch erheblich durch die intensive Mitarbeit etlicher Mitglieder des Deutschen Bundestages, und zwar aller Fraktionen, gewonnen hat.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819914200
Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819914300
Herr von Dohnanyi, da ich trotz Ihrer langen Antwort leider nur das Recht habe, zwei Zusatzfragen zu stellen, kann ich nur einen Bruchteil herausgreifen. Wären Sie nach Ihrer allgemeinen Erklärung, aus der an sich keiner schließen kann, wie Sie den augenblicklichen Stand der Seerechtskonferenz im Hinblick auf die von Ihnen betonten Prinzipien sehen, zu einer ungeschminkten Antwort auf die Frage bereit, wie Sie den augenblicklichen Stand der Seerechtskonferenz im Hinblick auf den Verfolg unserer Interessen einschätzen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, es ist kein Zweifel, daß unsere Interessen, so intensiv wir sie — auch mit Ihrer Hilfe — zu wahren versucht haben, bei den Ergebnissen der Seerechtskonferenz nicht voll gewahrt sein werden. Die Interessenlage einer großen Zahl von Staaten, insbesondere derjenigen, die hier sehr unmittelbaren Einfluß ausüben können, nämlich der Langküstenstaaten und der Staaten mit tiefem Festlandsockel, ist eine andere. Dennoch sieht es gegenwärtig so aus, als könne es noch in diesem Jahr zu einem Abschluß der Seerechtskonferenz kommen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819914400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819914500
Herr Staatsminister, da Sie in Ihrer Antwort auch auf die einseitige Proklamation verschiedener Staaten eingegangen sind, bei der vor allen Dingen Langküstenstaaten auf Grund ihrer geographischen Lage sehr große Vorteile haben, darf ich fragen, warum eigentlich außer der laufenden Bekundung, daß man es selbstverständlich tue, selbst für Insider schwer erkennbar wird, daß sich die Bundesregierung im Konferenzvorfeld außerhalb der Delegationsbesprechungen in direktem Kontakt mit den Regierungen erfolgreich um eine Koordinierung der Interessen der westlichen Länder bemüht; es sieht im Gegenteil so aus, als wenn sich die Gegensätze in den letzten Sessionen auf westlicher Seite sogar noch verschärft haben.



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihre Frage nicht ganz verstehen, weil auch nach Ihrer Auffassung sicherlich — —

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819914600
Ich bin bereit, sie zu wiederholen.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Nein, nein; ich kann nicht ganz verstehen, wie man eine solche Frage stellen kann, will ich dann deutlicher sagen; das erste war eine höflichere Formulierung. Ich habe den Eindruck, daß Sie die Vereinigten Staaten zu den westlichen Staaten zählen, und Sie wissen doch, daß eine der ersten Nationen der Welt, die als Langküstenstaaten durch einseitige Proklamation erhebliche Rechte für sich in Anspruch genommen haben, die Vereinigten Staaten waren. Es ist also für uns schwierig, eine einheitliche Position der westlichen Staaten herzustellen. Ich glaube, Ihre Sicht entspricht einfach nicht der komplizierten Interessenstruktur in diesem Feld.

(Beifall bei der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819914700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0819914800
Herr Staatsminister, befürchtet die Bundesregierung, daß durch einseitige Proklamation vieler Staaten eine Art Völkergewohnheitsrecht entsteht, das praktisch die Seerechtskonferenz, insbesondere in bezug auf Wirtschaftszonen und Festlandssockel, unterlaufen könnte, und wird die Bundesregierung, wo dies von der Zuständigkeit her möglich ist, gegebenenfalls diese Proklamationen vor dem Internationalen Gerichtshof anfechten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir haben in vielen Fällen protestiert. Wir haben, wie Sie wissen, im Fall Island — ich habe vorhin darauf Bezug genommen — auch prozessiert. Einer der Gründe dafür, daß am Ende eine internationale Konvention auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein könnte, ist, daß damit diesen einseitigen Bewegungen entgegengetreten werden könnte, daß diese in einen neuen, verbindlichen Rechtsrahmen gestellt werden könnten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819914900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0819915000
Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Antwort davon gesprochen, daß wir durch die Einrichtung des EG-Meeres gewissermaßen zu einem Langküstenstaat werden könnten. Ich möchte Sie bitten, das noch etwas zu präzisieren und zu sagen, was das nach ihrer Meinung für die wesentlichen Bereiche heißen und bedeuten könnte.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege von Geldern, ich möchte noch einmal auf die Frage Ihres Kollegen Kittelmann zurückkommen, der von einer Koordinierung der Interessen der westlichen Staaten gesprochen hat. Es ist natürlich so, daß wir bei der Abstimmung in der Europäischen Gemeinschaft und mit den Staaten der Europäischen Gemeinschaft als Mitglieder der Seerechtskonferenz
auch deren Interessenlage mit in Betracht ziehen müssen. Insofern sind wir als ein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft zugleich auch mit Staaten verbunden, die eher die Interessenlage der Langküstenstaaten als die eines Landes wie der Bundesrepublik Deutschland — mit einer relativ kurzen Küste und einer besonderen Festlandssokkellage, die Ihnen bekannt ist — vertreten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819915100
Herr Kollege Grunenberg, eine weitere Zusatzfrage.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819915200
Herr Staatsminister, hat sich die mit der Bundesregierung abgesprochene interfraktionelle Abgeordnetendiplomatie der letzten Jahre negativ auf die Verhandlungsposition der Bundesregierung ausgewirkt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, sicherlich nein. Ich habe mich ausdrücklich für die Mitarbeit bedankt. Ich habe den Dank auch ganz ausdrücklich an die Kollegen der Union ausgesprochen und gehe davon aus, daß diese sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Delegation — wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Herr Präsident — auch die Monate des Wahlkampfes durchhalten wird.

(Dr. Corterier [SPD]: Warum dann die Flut von Fragen? — Reddemann [CDU/CSU]: Jetzt ist nicht mal mehr das Fragen erlaubt!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819915300
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes auf:
Beurteilt die Bundesregierung den auf der III. VN-Seerechtskonferenz gegenwärtig vorliegenden Konventionsentwurf als mit den von der Bundesregierung aufgestellten Forderungen und den vom Deutschen Bundestag definierten Grundsätzen (Drucksache 8/661) vereinbar, und wäre sie gegebenenfalls bereit, einer Konvention ihre Zustimmung zu verweigern und sie nicht zu unterzeichnen, wenn sie mit den von ihr aufgestellten Forderungen und den vom Deutschen Bundestag definierten Grundsätzen nicht vereinbar ist?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Konferenzentwicklung ist in wichtigen Punkten noch nicht abgeschlossen, und mögliche Konsequenzen können erst dann beurteilt werden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819915400
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Narjes.

Dr. Karl-Heinz Narjes (CDU):
Rede ID: ID0819915500
Angesichts des allgemeinen Charakters Ihrer ersten Antwort möchte ich Sie fragen, Herr Staatsminister: Können Sie mir sagen, worin sich im einzelnen die Gegenleistungen der von Ihnen angesprochenen Gemeinschaftssolidarität zeigen und feststellen lassen, die Sie als Grund dafür angeführt haben, daß wir uns in der Europäischen Gemeinschaft quasi auch als Langküstenstaat begreifen müssen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Möglichkeit der Abstimmung mit der Gemeinschaft setzt — das brauche ich Ihnen nicht ausdrücklich zu sagen — ein Bewußtsein des gemeinsamen Interesses Europas oder der Europäischen Ge-



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
meinschaft voraus. Dieses gemeinsame Interesse wird heute natürlich ganz wesentlich durch die Langküsteninteressen einiger Mitgliedstaaten mitgeprägt. Wir sehen, daß dort auch Interessenkonflikte für uns selbst auftreten. Wir versuchen, dies in den internen Beratungen mit den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu klären und tun dies auch sicherlich gelegentlich mit Erfolg. Am Ende müssen wir versuchen, eine möglichst gemeinsame Position zu erlangen. In unserem Interesse liegt natürlich u. a. ein gemeinsames Fischerei-Regime, Herr Kollege, an dem wir, wie Sie wissen, arbeiten und für dessen Nichtzustandekommen bisher nicht die Bundesrepublik Deutschland ursächlich verantwortlich ist.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819915600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Narjes.

Dr. Karl-Heinz Narjes (CDU):
Rede ID: ID0819915700
Herr Staatsminister, angesichts der direkten und indirekten Relativierung der mit den beiden Dokumenten, also der Antwort auf die Große Anfrage 1976 und der gemeinsamen Resolution der Parteien des Bundestages festgelegten Interessen und Ziele, die Sie jetzt in Ihren Antworten anklingen lassen, frage ich Sie: Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag in einer umfassenden Erklärung darüber Aufschluß zu geben, in welchem Umfang sie in ihren Zielen zurücksteckt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie wissen, wir sind zu jeder Auskunft bereit, die man in Worte fassen oder bilanzieren könnte. Vielleicht sollten wir darüber noch einmal reden, womöglich im Auswärtigen Ausschuß oder im Wirtschaftsausschuß oder auch im Verkehrsausschuß, je nachdem, welche Interessen besonders berührt sind.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819915800
Keine weiteren Zusatzfragen? — Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819915900
Herr Staatsminister, wie viele der ca. 160 Konferenzteilnehmerstaaten müssen eine wie auch immer geartete Konvention ratifizieren, um ihr eine internationale Verbindlichkeit zu verleihen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, dies ist einer der Punkte, die noch offen sind. Dies wird bei den Schlußbestimmungen zu verhandeln sein. Ich kann Ihnen darüber im Augenblick keine verbindliche Auskunft geben.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916000
Herr Kollege Kittelmann zu einer Zusatzfrage.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819916100
Herr Staatsminister, da Sie auch auf die Anfrage von Herrn Dr. Narjes im Hinblick auf die Interessengegensätze und die Schwierigkeiten, sich mit den westlichen Ländern zu verbinden, geantwortet haben, daß man dort bisher nicht zu konkreten Ergebnissen gelangt ist

(Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das habe ich nicht gesagt!)

— ich habe dieses Tatsächliche, daß Sie es wissen, vorweggenommen, da Sie wahrscheinlich kürzer antworten wollten —, frage ich Sie: Wo liegen bei der Seerechtskonferenz von der jetzigen Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland her die wesentlichen Interessengegensätze zu welchen westlichen Ländern?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich müßte hier zunächst einmal eine lange Liste machen. Ich will wiederholen: Ein Land wie die Vereinigten Staaten — mit einem großen Interesse an zwei Langküsten und einem erheblichen Interesse am Festlandsockel und selber ein wichtiger Partner in der Seerechtskonferenz — hat natürlich eine ganz andere Interessenlage als die Bundesrepublik Deutschland. Nun brauchen Sie und ich sicher nicht auszubuchstabieren, wo die Unterschiede liegen: Zwischen dem, der über eine lange Küste und einen tiefen Festlandsockel verfügt, und dem, der über eine kurze Küste und über einen besonders gearteten Festlandsockel verfügt. Die Interessengegensätze sind Ihnen doch bekannt. Ich könnte mich wahrscheinlich über eine Stunde damit aufhalten und Ihnen auseinanderlegen, wo die Gegensätze im einzelnen aufeinanderstoßen.
Aber ich wiederhole: Wir versuchen, im Rahmen dieser erkennbaren ökonomischen Interessengegensätze dennoch immer wieder, eine möglichst gemeinsame Position herzustellen. Entsprechende Koordinierungsgespräche finden, wie Sie wissen, statt. Es gibt feste Plätze, an denen wir uns zu diesen Koordinierungsgesprächen treffen. Aber ersparen Sie mir bitte, nun auch noch die Einzelheiten der Interessenlage einzelner Staaten hier darzulegen.

(Zuruf von der SPD: Die kennt Herr Kittelmann doch ganz genau!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Kittelmann auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung es hingenommen, daß der gegenwärtige Konventionsentwurf, der nicht im Weg von Verhandlungen und gegen den Einspruch vieler Staaten zum Verhandlungsgegenstand. manipuliert wurde, als einziger auf den letzten Sessionen zur Diskussion stand?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Präsident, die Bundesregierung hat ihren Einspruch gegen Inhalt und Zustandekommen des erst nach Abschluß der 6. Session veröffentlichten Textes Nr. 11 des derzeitigen Verhandlungstextes auch in der 7. Session, also 1978, ganz deutlich erklärt. Aber die Bundesrepublik Deutschland bildete nicht die Konferenzmehrheit.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916300
Zusatzfrage, Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819916400
Herr Staatsminister, sind Sie nicht der Meinung, daß durch diese fatalistische Hinnahme eines Textes, der absolut gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ist, der nicht im Weg von Verhandlungen erzielt worden ist und bei dem es der Bundesregierung nicht gelungen ist, die Ablehnung mit anderen westlichen Ländern so



Kittelmann
zu koordinieren, daß es ein glaubwürdiger Widerstand war, den Interessen der Bundesrepublik Deutschland Schaden zugefügt worden ist, weil nämlich die Länder der Dritten Welt daraus zwangsläufig den Schluß zogen, daß sie in Fragen, wo keine Einigung zu erzielen ist, obwohl die Konferenz im Konsensverfahren verlaufen sollte, nur frech genug voranschreiten müssen, um doch den Erfolg so zu erzielen, den sie sich wünschen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Kittelmann, die Bundesregierung hat für die Bundesrepublik Deutschland ihren Protest in dieser Frage eingelegt. Wenn Sie von westlicher Koordinierung sprechen, bitte ich Sie, sich, damit Sie mir das ersparen, selber daran zu erinnern, wie unser größter westlicher Partner in dieser Frage zunächst die eine Position und dann eine andere bezog. Sie können viel von der Bundesregierung erwarten, Herr Kollege, aber wir sollten — ich will das hier nicht auf andere Felder der Politik ausdehnen — doch nicht mit Illusionen Politik machen und glauben, wir könnten, weil wir etwas lautstark sagen, Mehrheitsverhältnisse in Verhandlungen verändern. Wir können das so wenig, wie wir in der Lage sind, Grenzen, die sich gebildet haben, durch lautstarke Reden zu verändern. Das, Herr Kollege, müssen wir alle hinnehmen, auch die Opposition in diesem Bundestag.

(Beifall bei der SPD — Kunz [Berlin] [CDU/ CSU]: Das hat aber mit der Seerechtskonferenz nichts zu tun!)

— Das ist richtig, Herr Kollege.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819916600
Herr Staatsminister, wenn Ihre dauernden Bemerkungen ein Einschränken des Rechtes der Opposition auf sachliche Fragen darstellen sollen, würde ich das nicht als sehr hilfreich empfinden. Sie haben hier den dreifachen Versuch gemacht. Aus Ihren dauernden Bemerkungen, daß es vor allen Dingen die Vereinigten Staaten sind, mit denen wir uns im Interessengegensatz befinden, ergibt sich für mich die Frage, ob dieser Dissens mit den Vereinigten Staaten für Sie im Verhandlungswege reparierbar ist oder ob man davon ausgehen muß, daß auf der Seerechtskonferenz dieser Dissens demnächst weiterhin so ausgetragen werden wird, daß von einer Koordinierung nicht mehr die Rede sein kann.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, damit durch Ihre Äußerung nicht Schwierigkeiten zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten entstehen, möchte ich ausdrücklich sagen, daß ich nicht von einem Dissens gesprochen habe. Ich habe davon gesprochen, daß eine unterschiedliche Interessenlage besteht, die man kennen muß, wenn man über diese Sachverhalte reden will, und daß diese unterschiedliche Interessenlage immer wieder zu Kompromissen führt, bei denen sich der Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland nicht allein durchsetzen läßt. Ich habe nicht versucht, das Fragerecht der Opposition einzuschränken — wie würde ich! —, sondern ich habe gewarnt und unterstrichen, Herr Kollege, daß wir hier nicht eine Politik der Illusionen machen sollten, eine Politik, bei der wir glauben, durch laute und starke Worte Dinge erreichen zu können, die wir nur im Wege des Kompromisses und der Verhandlung erreichen können. Das gilt für alle Bereiche unserer Politik, auch für die Seerechtskonferenz.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916700
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Kollege Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819916800
Herr Staatsminister, in Anbetracht der vielen Staaten, die Einspruch erhoben haben — so Herr Kittelmann —, die Frage: Wie viele Staaten der 160 haben Einspruch erhoben? Und die zweite Frage, in der Definition vielleicht: Waren es die Staaten des Nordens oder des Südens, waren es Ost- oder Weststaaten, waren es Rohstoffländer oder Industrieländer, waren es Rohstoffhabenichtse oder Industrieländer mit Rohstoffen oder Industrieländer ohne Rohstoffe, waren es Lateinamerikaner, Afrikaner, Asiaten, oder waren es Langküsten- und Inselstaaten oder geographisch benachteiligte Staaten — hier auch noch einmal unterschieden: des Ostens oder des Westens —, oder waren es vielleicht — —

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819916900
Herr Kollege Grunenberg, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Frage strafften.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819917000
Ja, das sind die einzelnen diffizilen Dinge, die dabei zur Sprache kommen müßten, die einmal ein bißchen deutlicher gemacht werden müßten. Wenn wir diese Palette haben, wissen wir genau, wo wir hin wollen bzw. wo Herr Kittelmann vielleicht hin will.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was war das denn? Das war ja eine Rede!)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wenn ich eine Zahl nennen darf: Es nehmen ja nicht immer 160 Staaten an der Seerechtskonferenz teil. Die Zahl ist etwas kleiner. Es waren etwa 12 Staaten, die hinsichtlich der Verwendung des Textes protestiert haben. Daran sieht man die Größenordnungen. Ich habe noch einmal zu unterstreichen, daß auch ein wichtiger Partner hier seine Position verändert hat und daß das für uns natürlich auch von Bedeutung war.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819917100
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Ewen.

Carl Ewen (SPD):
Rede ID: ID0819917200
Herr Staatsminister, können Sie der Überlegung zustimmen, daß dann, wenn man mit seinen Protesten nicht durchkommt, als Konsequenz eigentlich nur der Auszug aus der Verhandlung bliebe, womit überhaupt nichts gewonnen würde?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das ist richtig, und wir denken nicht an den Austritt aus der Verhandlung.




Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819917300
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0819917400
Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, daß in einer Reihe von Gesprächen Mitgliedern dieses Hauses von Delegationsleitern solcher Länder, die zur Gruppe der 77er auf der Konferenz oder — mit einer anderen Bezeichnung — zur Dritten Welt gehören, ebenfalls erklärt wurde, daß sie den Konventionsentwurf für nicht geeignet halten, Verhandlungsgegenstand zu sein, und ist der Versuch gemacht worden, sich mit diesen vorher abzustimmen, bevor die Konferenz den Konventionsentwurf behandelte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie können sich darauf verlassen, daß wir den Versuch gemacht haben, einen nach unserer Meinung dem Verhandlungsergebnis besser entsprechenden Text zur Grundlage der nächsten Verhandlung zu machen. Wir haben jeden Versuch dazu gemacht, aber wir haben uns dabei nicht durchgesetzt. Dies ist eben die Folge, wenn man keine Mehrheiten in internationalen Verhandlungen für bestimmte Interessenpositionen hat.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819917500
Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die faktische politische Entwicklung, daß durch Einführung von Wirtschaftszonen, Ausdehnung des Festlandsockels und Erweiterung des Küstenmeers weite Bereiche des Meers, die zusammen einem größeren Teil der Erdoberfläche als alle Kontinente zusammen entspricht, noch vor Abschluß der III. VN-Seerechtskonferenz „nationalisiert" wurden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, diese Entwicklung läuft gegen unsere Interessen. Deswegen sind wir für ein international tragfähiges Konferenzergebnis.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819917600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0819917700
Herr Staatsminister, mich würde interessieren, ob Sie die in meiner Frage beschriebene Entwicklung eigentlich für vereinbar halten mit dem Konferenzmotto vom gemeinsamen Erbe der Menschheit.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ich komme auf diesen Begriff noch einmal an anderer Stelle zurück. Aber die Antwort ist wohl: Nein.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819917800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819917900
Herr Staatsminister, da Herr von Geldern von Nationalisierung des Festlandsockels gesprochen hat: Sehen Sie in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung die Vereinigten Staaten dazu bewegen kann, die Truman-Proklamation von 1945 über den Festlandsockel und die entsprechenden Gesetze aus der Zeit der Nixon-Präsidentschaft zu annulieren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, sicherlich nein. Ich habe vorhin bereits über diesen Vorgang gesprochen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918000
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819918100
Herr Staatsminister, wie beurteilen Sie die Vorwürfe des Landes Schleswig-Holstein — vorgebracht durch seinen Landesminister Westphal —, die Bundesregierung habe auf der Seerechtskonferenz in der Vergangenheit falsche Prioritäten gesetzt und sei zum Teil mit falschen Verbündeten für Ziele eingetreten, deren Erreichung auf Grund der Interessengegensätze, die Sie schon sehr ausführlich dargestellt haben, von vornherein gefährdet gewesen sei?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich halte die Feststellung für falsch, weil wir ja nicht alleine die Prioritäten der Konferenz setzen können. Die werden durch die Präsidentschaft der Konferenz und durch das Verfahren festgelegt.
Wenn Sie mich schon fragen, wie ich das beurteile, so halte ich das für eine der Wahlkampferklärungen, die ich bedaure.

(Beifall bei der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918200
Keine weitere Zusatzfrage. — Dann rufe ich die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Sick auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zusätzlich zu den bisher von ihr formulierten Interessen auch die Forderung nach einer nicht-konfliktträchtigen Regelung des Meerengenregimes auch für die Ostseezugänge bzw. einer ausreichenden Klärung des Rechtsstatus der ausschließlichen Wirtschaftszone nachdrücklich zu erheben?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hat die Forderungen nachdrücklich erhoben, von denen in der Frage des Kollegen Sick die Rede ist. Entsprechende Schritte müssen allerdings jeweils der Konferenzlage angepaßt werden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Sick.

Willi-Peter Sick (CDU):
Rede ID: ID0819918400
Herr Staatsminister, darf ich dann einmal fragen: Warum hat die Bundesregierung die deutschen Meerengeninteressen bis heute nie klar definiert, geschweige denn von einer Prioritätensetzung gesprochen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Interessen sind klar definiert, aber sie eignen sich nicht für eine Diskussion an dieser Stelle.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Sick.

Willi-Peter Sick (CDU):
Rede ID: ID0819918600
Eine andere Frage — vielleicht können Sie die beantworten oder sind Sie dazu bereit —: Hat sich die Bundesregierung konkret darum bemüht — wenn ja, mit welchem Erfolg —, daß das EG-Recht auf die Festlandsockel aller EG-Staaten angewandt wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wir haben das in Brüssel sondiert. Auch hier gibt es, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, natürlich divergierende Interessen. Die Beratungen finden noch statt.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918700
Keine weitere Zusatzfrage. — Dann rufe ich die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Sick auf:



Vizepräsident Leber
Warum ist die Bundesrepublik Deutschland nicht Mitglied in der auf der 8. Sitzungsperiode der III. VN-Seerechtskonferenz gebildeten Arbeitsgruppe „Festlandsockelfragen" geworden?

(Unruhe)

— Meine Damen und Herren, ich darf bitten, entweder Platz zu nehmen oder aber, wenn Gespräche geführt werden, diese außerhalb des Saales zu führen. Es ist kaum möglich, zu unterscheiden, ob sich jemand zu Wort meldet oder aber nur in ein Gespräch verwickelt ist.
Bitte sehr.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, auf Grund unserer ungünstig geschnittenen Küste haben wir nur einen schmalen Festlandsockel. Unsere Industrie ist andererseits auf Schürfrechte in fremden Festlandsockein angewiesen. Daher verbietet sich für uns die Rolle eines Wortführers bei der Geltendmachung extremer Forderungen sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung. In der im Frühjahr 1979 während der 8. Sitzungsperiode der Konferenz gebildeten Arbeitsgruppe wurden aber erklärtermaßen solche Interessen vertreten. Die Arbeitsgruppe hat übrigens nur eine kurze Zeit bestanden.
Die im Herbst 1979 gebildete weitere Arbeitsgruppe der sogenannten 38 andererseits war und bleibt in ihrer Mitgliederzahl nicht beschränkt. Hier haben wir es aus den vorgenannten Gründen vorgezogen, uns auf Anwesenheit und Mitarbeit zu beschränken, ohne zu den konstituierenden Mitgliedern zu zählen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819918800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Sick.

Willi-Peter Sick (CDU):
Rede ID: ID0819918900
Herr Staatsminister, weil dem so ist — ich stimme Ihnen in diesem Fall zu —, frage ich: Sehen Sie nicht auch die Gefahr — deshalb unser dauerndes angestrengtes Bemühen —, daß wir zu einem Superprotektionismus der Küstenländer gelangen können, bei dem wir schlecht abschneiden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Interessenabwägung in diesem Zusammenhang ist sehr schwierig. Auf der einen Seite hat unsere Industrie sicherlich auch ein Interesse daran, mit einem verfügungsfähigen Partner zu verhandeln. Aus dieser Sicht könnte man sogar zu dem Ergebnis kommen, daß tiefgestaffelte Festlandsockel einem Teilinteresse der Bundesrepublik Deutschland entsprechen.
Sie haben völlig recht: Auf der anderen Seite entsteht dadurch auch die Möglichkeit des Eingriffs der Küstenländer, die über diesen Festlandsockel verfügen, und je nach deren Wirtschaftssystem auch die Gefahr des von Ihnen beschriebenen Dirigismus.
Das ist wiederum ein Konflikt, Herr Kollege, von dem Sie wissen, daß die Bundesregierung ihn nicht durch Veränderung der Geographie oder Geologie der Welt lösen kann.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919000
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0819919100
Herr Staatsminister, da die Bundesregierung auch sonst einer ganzen Reihe internationaler Konferenzen angehört, bei denen konfliktträchtige Themen besprochen werden: Kann es allein der Grund dafür sein, einer solchen Arbeitsgruppe fernzubleiben, daß hier schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten bestehen, was in der Natur der Sache liegt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe gerade davon gesprochen, daß wir an den Beratungen der sogenannten 38 teilnehmen. Ich habe hinzugefügt: Wir haben nicht mit an der Konstituierung teilgenommen. Bei der vorhergehenden Arbeitsgruppe, von der ich sprach, ging es darum, daß sie von zwei ganz bestimmten Interessengruppen besetzt war, deren Meinung wir aus unserer besonderen Lage heraus deswegen nicht teilen, weil wir zwar ein Land mit einem kleinen Festlandsockel sind, aber zugleich ein Land mit erheblich entwikkelter Technologie beim Meeresbodenbergbau.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919200
Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Köhler auf:
Welches sind die Gründe, daß die Bundesregierung die Gelegenheit, Änderungsvorschläge im Plenum des 2. Konferenzausschusses während der 8. Sitzungsperiode der III. VN-Seerechtskonferenz einzubringen, nicht genutzt hat?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Änderungsvorschläge bedürfen, wenn sie Erfolg haben sollen, der Unterstützung anderer Delegationen. Wenn diese nicht gewährleistet ist, besteht immer die Gefahr, daß die gegenteilige Auffassung bei Ablehnung eines Vorschlags durch das betreffende Konferenzgremium gestärkt wird. Dies würde gerade für uns negativ wirken und den Spielraum künftiger Auslegung des Verhandlungstextes wiederum einengen.
Die Bundesrepublik und die Staaten mit einer der unsrigen vergleichbaren Interessenlage, die ich eben noch einmal beschrieben habe, haben für ihre Anliegen innerhalb der Verhandlungsmaterie des 2. Konferenzausschusses während der 8. Session keine ausreichende Unterstützung bekommen. Wir haben, wie diese anderen Staaten mit vergleichbarer Interessenlage auch, davon abgesehen, riskante und unsere zukünftigen Interessen gefährdende Änderungsvorschläge einzubringen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (CDU):
Rede ID: ID0819919400
Herr Staatsminister, würden Sie mir trotzdem zugeben, daß es absonderlich anmutet, wenn Sie vorhin in der Fragestunde eine erhebliche Anzahl von für uns nachteiligen Entscheidungen aufzählen und dann die konkreteste Möglichkeit, hier etwas zu tun, nicht wahrnehmen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann Ihnen nicht zustimmen; denn dort, wo wir durch Änderungsvorschläge etwas bewirken — Sie haben mich ja nach einem Verfahren gefragt —, tun



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
wir dies auch. Ich habe an dieser Stelle nur auf den besonderen Zusammenhang hingewiesen, der gewissermaßen konferenztaktisch gegeben ist und der unsere zukünftige Interessenlage berührt.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Köhler.

Dr. Volkmar Köhler (CDU):
Rede ID: ID0819919600
Herr Staatsminister, einige wichtige Entwicklungsländer geben uns zu verstehen, daß wir bei größerer Zurückhaltung in der Frage einer nationalen Meeresbodenbergbaugesetzgebung damit rechnen könnten, daß sie uns bei unseren anderen Interessen in Zukunft besser unterstützen, und daß sie es vice versa nicht täten, wenn wir vorpreschten. Wie könnten wir denn diesen Ländern eine Chance der Unterstützung geben, wenn wir nicht konkretisiert unsere Wünsche einbringen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir beraten unsere Interessen und mögliche Änderungsvorschläge. Ich sagte nur: Wir bringen solche nicht ein, von denen wir befürchten müssen, daß sie abgelehnt werden und durch die Ablehnung eine Interpretationslage entsteht, die unsere zukünftige Interessenlage eher benachteiligt als uns hilft. Das ist der Grund, warum wir uns so verhalten. Selbstverständlich beziehen wir Gespräche, wie Sie sie geführt haben und die wir auch führen, bei der Abschätzung eines möglichen zukünftigen Schicksals von Änderungsanträgen, die wir stellen, mit ein.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919700
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Frage 78 des Abgeordneten Dr. Mertes (Gerolstein) wird auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 79 des Abgeordneten Kunz (Berlin) auf:
Welcher Zeitraum wird nach Vorstellung der Bundesregierung zwischen einer eventuellen Unterzeichnung und dem Inkrafttreten einer Konvention vergehen?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, der Zeitraum ist sehr schwer abzuschätzen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819919800
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kunz.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0819919900
Herr Staatsminister, würden Sie, sollte etwa zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten ein Zeitraum zu verzeichnen sein, der beispielsweise sechs Jahre oder mehr umfassen könnte, aus Ihrer jetzigen Sicht eine entsprechende Interimsgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland für erforderlich halten, um diesen Zeitraum zu überbrücken?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, über solche Fragen muß man reden, wenn die Situation gekommen ist, etwa nach dem schönen alten englischen Sprichwort: Man soll die Brücke erst betreten, wenn man am Ufer ist.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920000
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 80 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Welche konkreten Schlußfolgerungen hat die Bundesregierung bislang aus den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft vom Dezember 1977 gezogen?
Bitte, Herr Staatsminister!
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Durch die öffentliche Anhörung hat sich die Bundesregierung in ihrer Auffassung über die Verhandlungsziele und die Schwierigkeiten des damals vorliegenden Verhandlungstextes bestätigt, gefunden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kunz.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0819920200
Herr Bundesminister, darf ich Ihnen aus meiner Erinnerung Ihrerseits in Erinnerung rufen, daß Sie damit das Hearing offensichtlich ganz anders interpretieren, als es tatsächlich abgelaufen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich darf folgendes hinzufügen: Ich habe das Hearing nicht noch einmal in allen Einzelheiten nachgelesen.

(Dr. Corterier [SPD]: Herr Kunz war damals leider nicht dabei! — Kunz [Berlin] [CDU/ CSU]: Sie haben mich ja unterrichtet!)

Herr Präsident, meine Antwort war noch nicht zu Ende.
Der von diesem Tisch aus für die Bundesregierung antwortende Minister ist immer in der schwierigen Lage, daß er sich bei einem so großen Paket von Fragen auf das stützen muß, was ihm mitgeteilt wird. Ich bin gerne bereit, Ihren Anregungen zu folgen, wenn Sie mich noch einmal nach eigenem Durcharbeiten der Anhörungsunterlagen auf die Punkte hinweisen, Herr Kollege, die nach Ihrer Meinung im Widerspruch zur Position der Bundesregierung stehen.

(Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Ich mache gerne davon Gebrauch!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819920400
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Meinung, daß man bei diesem Riesenpokerspiel um Zonen und um Ressourcen manches vielleicht nicht so beantworten kann, weil das bedeuten würde, daß die Bundesrepublik als einziges Land in diesem Pokerspiel mit offenen Karten spielt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja, Herr Kollege. Ich habe versucht, diesen Punkt klarzumachen. Herzlichen Dank.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0819920600
Herr Staatsminister, wäre nicht eine konkrete Schlußfolgerung, die aus den Anhörungen zu ziehen wäre, auch die, daß es



Dr. von Geldern
viele volkswirtschaftliche Gründe gibt, mehr für das Erreichen wenigstens des einen oder anderen Verhandlungszieles auf dieser Konferenz zu tun, so daß Ihre bisherigen Antworten, die doch mehrfach darauf hinausliefen, daß vergebliche Versuche gemacht worden seien, unsere Verhandlungsposition zu verbessern, Ihnen vor dem Hintergrund dieser Anhörung eigentlich auch als unzureichend erscheinen müßten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wenn Sie sagen wollen, daß wir bei diesen Verhandlungen nicht alle Ziele durchsetzen konnten, die wir selbst in eine Seerechtskonvention schreiben würden, wenn man sie uns allein überlassen hätte, können Sie die Zustimmung sofort haben. Selbstverständlich können wir nicht alles durchsetzen, was unsere Interessen sind. Ich warne noch einmal davor, in internationalen Verhandlungen — das gilt für die Vergangenheit, gilt für die Gegenwart, gilt für die Zukunft — das zunehmende Gewicht anderer Staaten in der Welt zu unterschätzen; ich warne vor der Illusion, man könne durch kräftige Worte oder durch anderes Auftreten bestehende Realitäten und Interessenlagen eineitig verändern. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß wir auch die besondere Interessenlage der Vereinigten Staaten nicht ändern können.
Ich möchte hier noch einmal sagen: sicherlich würden wir gerne mehr erreichen. Die Bundesregierung bemüht sich.

(Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/ CSU])

Wir werden die betroffene Bevölkerung in den Küstenländern nicht in der Illusion wiegen, wir könnten mehr tun, als unter den gegebenen Umständen tatsächlich erreichbar ist.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920700
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Kollege Narjes.

Dr. Karl-Heinz Narjes (CDU):
Rede ID: ID0819920800
Herr Staatsminister, darf ich Sie mit Rücksicht auf Ihre ständige Ermahnung jetzt mit ganz leiser Stimme fragen, ob Sie es angesichts der Anhörungsergebnisse mit diesen für vereinbar halten, daß im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft ohne irgendeine konkrete Gegenleistung einer Ausdehnung der Küstenstaatbefugnisse über 200 Seemeilen hinaus zugestimmt wurde, und ob darin nicht ein sehr schweres Abweichen von den Ergebnissen der Anhörung liegt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege Dr. Narjes, ich will mit derselben leisen Stimme zu antworten versuchen. — Wenn Sie sich an die Anhörung erinnern, ist es doch so — auf jeden Fall ist dies mein Kenntnisstand —, daß dort von seiten derjenigen Unternehmen, die Meeresbodenbergbau und Meeresbodentechnologie vertreten, unterstrichen worden ist, daß es auch ein Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein könnte, bei einem erweiterten Küstensockel nur mit einem Land als Partner und nicht mit einer Meeresbodenbehörde zu tun zu haben. Anders ausgedrückt: wenn die Küstensockel so erweitert würden, daß sie jeweils aufeinanderstießen, gäbe es nicht die Problematik der Meeresbodenbehörde, und wir hätten dann jeweils mit einem Land zu tun, das seine wirtschaftliche Interessenlage uns seine Bodenschätze in Verhandlungen z. B. mit der deutschen Industrie einzubringen hätte. Deswegen sage ich noch einmal: So eindeutig, wie Sie es hier sagen, würde ich die Anhörung nicht interpretieren. Dies waren Uberlegungen, die uns u. a. auch zu der Position gebracht haben, von der Sie gesprochen haben.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819920900
Herr Kollege Kittelmann zu einer weiteren Zusatzfrage.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819921000
Herr Staatsminister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Antworten, die Sie jetzt gegeben haben, insgesamt eindeutig beweisen, daß die Bundesregierung es bei den Verhandlungen über die Ergebnisse der Seerechtskonferenz allein der Delegation überläßt, die Resultate positiver zu gestalten, während das gesamte Umfeld der Konferenz — die Interessenverschiedenheiten der Staaten — von der Bundesregierung nicht so ausgeschöpft wurde, daß z. B. die Vereinigten Staaten sehen, daß sie auf der Seerechtskonferenz nachgeben müssen, weil wir auf anderen Gebieten — —

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921100
Herr Kollege Kittelmann, ich vermag nicht einzusehen, daß Ihre Zusatzfrage in einem konkreten Sachzusammenhang mit der gegenwärtig behandelten Frage 80 steht. Ich überlasse es dem Herrn Staatsminister, ob er diese Zusatzfrage beantworten will oder nicht.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Doch, Herr Präsident, wenn ich darf, möchte ich sie kurz beantworten.
Herr Kollege, es ist doch so, daß wir auch in bilateralen Gesprächen — nicht nur mit den Partnern in der Europäischen Gemeinschaft — versucht haben, auf die Interessenlagen einzuwirken. Sie wissen, daß der Leiter der Delegation der Vereinigten Staaten auf der Seerechtskonferenz mehrfach auf hoher Ebene bilaterale Gespräche mit Vertretern der Bundesrepublik geführt hat. Aber die Interessenlage der Vereinigten Staaten ergibt sich eben aus der besonderen geographischen Lage und aus den geologischen Strukturen des Umfeldes der Vereinigten Staaten, und da wird man wohl allein durch gutes Zureden nur wenig bewegen können.

(Zustimmung bei der SPD — Kittelmann [CDU/CSU]: Das meine ich auch!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921200
Damit ist Frage 80 beantwortet. Ich rufe Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Hornhues auf:
In welcher Weise haben sich auf Grund dieser öffentlichen Anhörung die Verhandlungsziele der Bundesregierung auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus geändert?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Verhandlungsziele der Bundesregierung auf dem Gebiet des Tiefseebergbaus haben sich nicht verändert.




Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU):
Rede ID: ID0819921300
Herr Minister, Sie haben soeben ausgeführt, daß Sie sich durch das Hearing bestätigt gesehen haben. Können Sie sich vorstellen, daß Sie, wenn Sie jetzt die Akten noch einmal durchsehen und dort Differenzen entdecken, den Zusammenhang vielleicht doch noch einmal überprüfen müssen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir überprüfen, wenn wir Verhandlungen führen, ständig die Zusammenhänge mit der Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland, und Sie können sicher sein, daß dies auch in diesem Falle geschieht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921400
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819921500
Herr Staatsminister, können Sie mir bestätigen, daß die Aktivität des Parlaments — d. h. das interfraktionelle Vorgehen — bei der Einbringung des Gesetzentwurfes über Tiefseebergbau ein unmittelbares Ergebnis der öffentlichen Anhörung gewesen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja, Herr Kollege.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921600
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 82 des Abgeordneten Breidbach auf:
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung gezogen bzw. gedenkt sie zu ziehen aus den seit Beginn der III. VN-Seerechtskonferenz bekannt gewordenen großen Kohlenwasserstoffvorkommen und der weiteren Entwicklung ihrer Fördertechnik?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, im Hinblick auf die Kohlenwasserstoffvorkommen im Festlandsockelbereich hat die Bundesregierung die Grundlage zu guten Beziehungen mit den Küstenstaaten gelegt, die künftig über den größten Teil dieser Vorkommen zu befinden haben werden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819921800
Könnten Sie ihre Antwort dahin gehend konkretisieren, daß Sie z. B. einmal darstellen, welche Aktivitäten bilateraler Art Sie im Hinblick auf die Möglichkeit der Ausschöpfung der Kohlenwasserstoffressourcen Erdöl und Erdgas bezüglich bestimmter Länder unternommen haben? Vielleicht führt die Antwort dann etwas aus dem allgemeinen Bereich heraus.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich bin sicher, daß das im Ausschuß geschehen kann. Es handelt sich zum Teil um Verhandlungen, die nicht notwendigerweise am besten in der Öffentlichkeit geführt werden. Wenn ich richtig informiert bin, findet eine solche Beratung im Ausschuß am 13. Februar statt, und ich würde Sie bitten, sich bis dahin zu gedulden. Ich bin aber sicher, daß auch die Herren des Amtes jederzeit bereit sind, Sie, Herr Kollege, zu empfangen und zu informieren.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819921900
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? — Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Amrehn auf:
Gilt für die Bundesregierung die Zusicherung des Bundeswirtschaftsministers vor dem Deutschen Bundestag (Stenographischer Bericht über die 117. Sitzung, Seite 9094) noch unverändert und uneingeschränkt, „daß sie nur einem solchen internationalen Meeresbodenregime zustimmen wird, das auch ein Zugangsrecht der Staaten und ihrer Unternehmen zu den Ressourcen des Meeresbodens neben dem einer internationalen Meeresbodenbehörde hinreichend garantiert", und entspricht der vorliegende Konventionsentwurf diesem Erfordernis?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Zusicherung des Bundeswirtschaftsministers vom 16. November 1978 vor dem Deutschen Bundestag gilt selbstverständlich auch heute noch. Inwieweit allerdings der Konventionsentwurf den in dieser Erklärung des Bundeswirtschaftsministers genannten Kriterien entspricht, wird erst nach Fertigstellung des Entwurfs beurteilt werden können. Wie bekannt, dauern die Verhandlungen gerade über das Meeresbodenregime noch an.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922000
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Amrehn.

Franz Amrehn (CDU):
Rede ID: ID0819922100
Würden Sie dann, Herr Staatsminister, erläutern können, in welcher Hinsicht wir noch Spielraum haben, mehr zu erreichen, da Sie ja erklärt haben, daß Sie gern bemüht sein würden, noch mehr zu erreichen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja, Herr Kollege, aber sicherlich nicht hier.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922200
Keine Zusatzfragen mehr?
Dann rufe ich die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Wissmann auf. — Der Herr Abgeordnete ist im Augenblick nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Gleiches gilt für die Frage 85.
Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Broll auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den zuständigen Ausschuß vertraulich über das Protokoll der Beratungen zwischen Präsident Carter und Bundeskanzler Schmidt über das Thema der III. VN-Seerechtskonferenz zu unterrichten?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Für einzelne Beratungen auf der Ebene der Regierungschefs besteht wegen der guten und engen Arbeitskontakte zwischen den Delegationen — das gilt insbesondere für die deutsche und die amerikanische Delegation — kein unmittelbares Bedürfnis. Aber selbstverständlich werden Fragen angeschnitten, wenn sich dies auf der entsprechenden Ebene als notwendig erweist.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922300
Zusatzfrage, Herr Kollege Broll? — Bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819922400
Herr Staatsminister, haben Gespräche zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten in dieser Angelegenheit stattgefunden?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, angesichts der guten Kontakte auf den entsprechenden anderen Ebenen ergab sich nicht die Notwendigkeit, dies auf dieser Ebene zu tun.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Broll.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819922600
Herr Staatsminister, in der Fragestunde am 15. September 1977 haben Sie einem Kollegen dieses Hauses erklärt, daß die Seerechtskonferenz ein ausgesprochener Gegenstand der Verhandlungen zwischen dem Kanzler und dem Präsidenten sein würde.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, dieses Wissen voraussetzend, habe ich mich auf die Zeit seit 1977 bezogen.

(Erneute Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819922800
Herr Staatsminister, ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Antwort zitieren, die Sie mir am 15. September 1977 auf meine Zusatzfrage gegeben haben:
Der Bundeskanzler hatte Gelegenheit, mit Präsident Carter über diese Fragen auf dem Stand der allerletzten Verhandlungsergebnisse zu beraten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819922900
Herr Kollege Kittelmann, es ist nicht üblich, daß in der Fragestunde Vorträge gehalten werden. Aber Sie haben das Recht, eine Frage zu stellen. Wenn Sie das in eine kurze Frage kleiden können, bin ich damit einverstanden.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819923000
Dann darf ich feststellen, daß Sie ausdrücklich gesagt haben, daß der Herr Bundeskanzler intensive Gespräche mit Präsident Carter über die Seerechtskonferenz geführt hat.

(Dr. Ehmke [SPD] und Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Frage!)

Es muß der Regierung doch wohl noch in Erinnerung sein, daß diese Gespräche stattgefunden haben.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Darauf habe ich mich ja auch soeben bezogen, Herr Kollege. Ich bin davon ausgegangen, daß hier nicht die allgemeinen Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten über die Seerechtskonferenz eine Rolle spielten, die Gegenstand meiner Antwort auf Ihre Zusatzfrage vom 15. September 1977 waren. Ich habe Ihre Frage vielmehr so verstanden, ob seit dem für die 78er- und 79er-Sessionen eine besondere Begegnung mit einem besonderen Tagesordnungspunkt Seerechtskonferenz stattgefunden hat. Letzteres habe ich verneint. Ich bitte doch, die Kontinuität der Antworten der Bundesregierung zu beachten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923100
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Grunenberg.

Horst Grunenberg (SPD):
Rede ID: ID0819923200
Herr Staatsminister, beziehen Sie in die unmittelbaren und guten Kontakte zu den Vereinigten Staaten auch die direkten Kontakte der Parlamentarier der in diesem Haus und im Repräsentantenhaus vertretenen Parteien mit ein?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0819923400
Herr Staatsminister, sind Sie denn bereit, das Protokoll über die 77er-Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und dem amerikanischen Präsidenten dem zuständigen Ausschuß vertraulich zuzuleiten?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Sie wissen, daß das nicht üblich ist. Aber ich werde gern prüfen, ob über diesen Punkt ein Protokoll geführt worden ist.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923500
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 87 des Herrn Kollegen Werner auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 88 des Herrn Kollegen Amrehn auf:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Regelung des Konventionsentwurfs, durch die zur Aufrechterhaltung eines künstlichen Preisniveaus die Produktionsmenge durch behördliche Eingriffe beschränkt werden kann, mit unseren Prinzipien von einer liberalen Weltwirtschaftsordnung vereinbar?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Haltung der Bundesregierung in entsprechenden Fällen ist Ihnen ohnehin bekannt, Herr Kollege. Ich unterstreiche noch einmal, daß das von Ihnen beschriebene Verfahren sachlich natürlich fragwürdig wäre. Aber man muß zugleich wissen, daß z. B. in der Agrarpolitik der Vereinigten Staaten die Funktion des Preises im Marktmechanimus in der von Ihnen beschriebenen Weise, nämlich durch eine künstliche Beschränkung der Produktion, zu einem Teil eingeschränkt wird. Insofern möchte ich hier kein Pauschalurteil abgeben.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923600
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Amrehn? — Da ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten Breidbach auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Landproduzenten mineralischer Rohstoffe (darunter Industriestaaten) nach dem vorliegende Kentionsentwurf gegenüb den Tiefseebergbau betreibenden Staaten durch dirigistische und restriktive Rohstffkontrollbefugnisse der Internationalen Meeresbodenbehörde begünstigt werden sollen?
Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir sind gegen derartige Absichten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923700
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Breidbach.




Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819923800
Herr Staatsminister, sehen Sie in der Tatsache, die in der Frage angesprochen ist, auf der Grundlage des derzeitigen Konferenzstandes eine Benachteiligung der deutschen Unternehmen und der deutschen Interessen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Wenn die Ergebnisse so sein sollten, wie sie sich in einigen Punkten abzeichnen, würde es sicherlich nicht voll den deutschen Interessen entsprechen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819923900
Eine Zusatzfrage.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819924000
Wäre die Bundesregierung bereit, in Anbetracht eines Konferenzergebnisses, welches eine Benachteiligung deutscher Interessen darstellt, in Zukunft besondere Bemühungen zu unternehmen, um diese Benachteiligung auf anderem Wege — ich drücke mich absichtlich so allgemein aus — etwas abzumildern oder gar aufzuheben?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung ist mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften bemüht, ein vernünftiges und für uns tragfähiges Ergebnis zu erzielen. Es bedarf also keiner zusätzlichen besonderen Bemühungen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924100
Ich stelle keine weiteren Wünsche nach Zusatzfragen fest.
Ich rufe die Frage 90 des Abgeordneten Dr. Hoffacker auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Regelung des Konventionsentwurfs, daß Daten- und Technologietransfer an die Internationale Meeresbodenbehörde und an Entwicklungsländer Bedingung für den Abschluß von Bergbauverträgen und die Vergabe von Bergbauberechtigungen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung hält diese Absichten ökonomisch nicht für klug. Sie setzt sich deswegen auf der Konferenz für eine Beschränkung der entsprechenden Regelungen ein.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924200
Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege Hoffacker? — Das ist nicht der Fall. Auch andere Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Höffkes auf:
Trifft es zu, daß die Entscheidungsverfahren der Organe der Internationalen Meeresbodenbehörde nach dem Konventionsentwurf bisher noch keinen Minderheitenschutz vorsehen, und welche Meinung vertritt die Bundesregierung hierzu?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Bundesregierung tritt auf der Konferenz für einen Minderheitenschutz ein. Das Entscheidungsverfahren der Organe der Internationalen Meeresbodenbehörde ist aber noch nicht abschließend verhandelt worden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924300
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Höffkes.

Peter Wilhelm Höffkes (CSU):
Rede ID: ID0819924400
Wie stellt sich die Bundesregierung die Durchsetzung ihrer Vorstellungen vor? Gibt es da konkrete Anhaltspunkte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Durch energisches Verhandeln, Herr Kollege.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924500
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0819924600
Herr Staatsminister, befürchten Sie nicht auch, daß, falls das Entscheidungsverfahren einer Meeresbodenbehörde — nach dem derzeitigem Konferenzstand — Praxis wird, die Gefahr besteht, daß dieses Entscheidungsverfahren auf andere zu erwartende internationale Institutionen übertragen werden könnte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, das ist sicherlich eines der Risiken und einer der Gründe, weshalb wir hier nicht nur versuchen, für den Meeresbodenbergbau eine bessere Lösung zu finden, sondern auch ein Präjudiz vermeiden wollen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) auf:
Hält es die Bundesregierung für ausreichend, daß nach dem vorliegenden Konventionsentwurf Entscheidungen der Internationalen Meeresbodenbehörde nur in zwei Ausnahmefällen (bei Zuständigkeitsüberschreitung und Machtmißbrauch der Behörde) gerichtlich überprüfbar sind?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Entscheidungen der Internationalen Meeresbodenbehörde sind nicht nur in den genannten zwei Ausnahmefällen gerichtlich überprüfbar. Deswegen kann ich mit der Fragestellung so nicht übereinstimmen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924800
Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Dr. Hornhues auf:
Würde sich die Bundesregierung angesichts der Regelungen im vorliegenden Konventionsentwurf um einen Sitz im Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde bewerben, und welche Aussichten für eine Wahl hat die Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung, in den Rat gewählt zu werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Antwort lautet ja.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819924900
Wünscht der Fragesteller eine Zusatzfrage zu stellen? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 94 des Abgeordneten Dr. Narjes auf:
Welchen Inhalt gibt die Bundesregierung der Formel vom „Gemeinsamen Erbe der Menschheit", und wie beurteilt sie den Umstand, daß diese zunehmend als eine Rechtsforderung für eine entschädigungslose Vergesellschaftung der durch Nationalisierung weiter Teile noch verbleibenden Meeresressourcen benutzt wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Verteilung der Meeresressourcen ist eine äußerst schwierige internationale Aufgabe. Ein „gemeinsames Erbe der Menschheit" müßte sicherlich auch das Erbe der Bewohner der stärker landorientierten Staaten sein.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819925000
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Narjes.

Dr. Karl-Heinz Narjes (CDU):
Rede ID: ID0819925100
Herr Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß es eine recht ungleiche Verteilung bedeutet, wenn die durch Nationalisierung — sprich: Ausdehnung der Hoheits-



Dr. Narjes
rechte — den Küstenstaaten entschädigungslos zufallenden Rechte den nur mit Entschädigungspflichten zugänglichen Ressourcen jenseits der 200-Seemeilen-Grenze gegenübergestellt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Richtig, Herr Kollege. Es gibt keinen Zweifel an der Sachlichkeit dieser Feststellung.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819925200
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID0819925300
Herr Staatsminister, stimmen Sie mit mir überein, daß gerade die falsche Auslegung des Begriffs „gemeinsames Erbe der Menschheit" durch die Gruppe der 77 mehr im Vorfeld, in unmittelbarem Kontakt mit den jeweiligen Regierungen, zu beseitigen ist als auf der Konferenz selber?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich will hier ganz ehrlich sein: Ich fürchte, daß das weder so noch anders zu beseitigen ist, weil man hier wiederum auf eine bestimmte Interessenlage stößt. Mir liegt daran, in diesem Hause meinen Beitrag dazu zu leisten, daß nicht Politik mit Illusionen gemacht wird. Es wäre eine Illusion zu glauben, man könnte durch ein Gespräch über die Worte „gemeinsames Erbe der Menschheit" die besondere Interessenlage einiger Wortführer bei den 77 verändern.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819925400
Zu einer Zusatzfrage Frau Kollegin Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0819925500
Herr Staatsminister, da die USA als erster Staat die 200-Seemeilen-Grenze proklamiert haben, frage ich Sie: Hielten Sie es für politisch sinnvoll, gegen die USA entsprechend vorzugehen, wie es der CDU offensichtlich vorschwebt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Frau Kollegin, ich habe ja darüber schon gesprochen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819925600
Keine Zusatzfragen mehr.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Ich danke allen Damen und Herren, die sich an der Fragestellung beteiligt haben. Über 30 Fragen sind zu einem bestimmten Punkt behandelt worden. Ich bedanke mich vor allem bei Ihnen, Herr Staatsminister, für die tiefgründige Sachkenntnis, die Sie bewiesen haben, und für die Geduld, mir der Sie viele Fragen beantwortet haben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist vereinbart, nun im Rahmen der Tagesordnung die Ergebnisse der Beratungen des Vermittlungsausschusses zu behandeln. Demgemäß rufe ich Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbauänderungsgesetz 1980 —WoBauÄndG 1980)
— Drucksache 8/3596 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Vogel (Ennepetal)

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Er wünscht das Wort. Bitte sehr.

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0819925700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat am 21. Dezember 1979 beschlossen, zu dem vom Bundestag am 30. November 1979 verabschiedeten Wohnungsbauänderungsgesetz 1980 den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Bundesrat erstrebte mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses vor allem, daß die wohnungspolitische Zielsetzung, die er mit der von ihm ausgehenden Gesetzesinitiative verfolgt hatte, stärker berücksichtigt würde.
Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner 33. Sitzung am 23. Januar 1980 mit dem Anrufungsbegehren befaßt. Nach eingehender Beratung ist es dabei gelungen, zu 11 von den 13 Punkten des Anrufungsbegehrens Kompromißvorschläge zu erarbeiten, deren wesentlichen politischen Inhalt ich Ihnen vortragen darf.
Erstens. Regelungen zur Lockerung der Wohnungsbindung und zur Förderung des Eigentumserwerbs.
a) Der Gesetzesbeschluß sah in § 5 a des Wohnungsbindungsgesetzes vor, die Ermächtigung für die Regelung eines behördlichen Wohnungsbesetzungsrechts auf die Gebiete auszudehnen, in denen ein erhöhter Bedarf an öffentlich geförderten Wohnungen besteht. Insbesondere wegen des engen Zusammenhangs mit der Regelung in § 16 Abs. 4 des Wohnungsbindungsgesetzes befürchtete der Bundesrat, daß das Ziel seiner Initiative, die für öffentlich geförderte Wohnungen bestehenden Bindungen zugunsten eines erleichterten Eigentumserwerbs insbesondere bei Eigentumswohnungen zu lockern, verfehlt würde. Der Vermittlungsausschuß trägt diesen Bedenken insofern Rechnung, als er vorschlägt, für die Gebietsermächtigung auf den allgemeinen Wohnungsbedarf abzustellen.
b) In enger Verbindung mit diesem Vorschlag steht der weitere, die sogenannte Nachwirkungsfrist des § 16 Abs. 1 des Wohnungsbindungsgesetzes, d. h. die Frist, in der Sozialwohnungen nach Rückzahlung der Förderungsdarlehen noch als öffentlich gefördert gelten, gegenüber dem Gesetzesbeschluß von zehn auf acht Jahre zu verkürzen. Damit wird die Überführung des Sozialwohnungsbestandes in Eigentum erleichtert.
Wegen der besonderen Situation von Berlin, insbesondere wegen seines überdurchschnittlich hohen Anteils an Bewohnern über 65 Jahre und wegen seiner politischen gebietlichen Einschnürung, die ein Ausweichen Wohnungssuchender in das Umland unmöglich macht, ist eine Schutzklausel zugunsten dieses Landes eingefügt worden. Im Ergebnis beträgt damit — über eine Schutzvorschrift in § 32 Abs. 2 des Wohnungsbindungsgesetzes — die Nachwirkungsfrist für Berlin zehn Jahre.
c) Wichtig ist auch, daß sich der Vermittlungsausschuß zu § 16 Abs. 8 des Wohnungsbindungsgesetzes dahin geeinigt hat, die sogenannte Toleranz-



Vogel (Ennepetal)

grenze beim Wegfall der Nachwirkungsfrist von 40 % — wie im Gesetzesbeschluß vorgesehen — auf 25 % zu senken. Das bedeutet, daß Wohnungsberechtigung beim Wegfall der Nachwirkungsfrist nicht mehr besteht, wenn das Gesamteinkommen des Mieters die maßgebliche Einkommensgrenze um mehr als 25 % übersteigt.
d) Wichtig war für den Bundesrat auch Nr. 9 des Anrufungsbegehrens. Der Schwerpunkt bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus sollte nach den Vorstellungen des Bundesrates in erheblichem Umfang auf die Familienförderung gelegt werden. Der Vermittlungsausschuß hat nach intensiven Beratungen gerade zu diesem Punkt einen Kompromiß dahin gefunden, daß zwar die Grundbeträge der Förderung, wie im Gesetzesbeschluß vorgesehen, erhalten bleiben, für junge Ehepaare aber ein Zuschlag von 8 400 DM gewährt wird. Der Zusammenhalt der Familie soll dadurch gefördert werden, daß auch die Großmutter und der Großvater ihr Zimmer haben sollen. Sie sind deshalb in die Zuschlagsregelung für Angehörige einbezogen worden.
Schließlich ist der Vermittlungsausschuß unter sozialen Gesichtspunkten dem Anrufungsbegehren gefolgt, Aussiedlern, Zuwanderern und Gleichgestellten Zuschläge von 6 300 DM zu bewilligen.
In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß der Vermittlungsausschuß in bezug auf diese geänderten Einkommensgrenzen die Berlin-Präferenz gewahrt hat.
Zweitens. Regelungen über die Ablösung öffentlicher Darlehen.
a) Für den Bundesrat ist es aus finanziellen Erwägungen von erheblicher praktischer Bedeutung, den Anreiz für die Rückzahlung öffentlicher Darlehensmittel zu erhöhen. Zwar konnte sich der Vermittlungsausschuß nicht darauf verständigen, in vollem Umfang dem Anrufungsbegehren zu § 28 Abs. 1 Satz 2 des Wohnungsbindungsgesetzes zu entsprechen. Der Vermittlungsvorschlag geht aber dahin, den entsprechenden Zinssatz auf 5 % zu erhöhen. Damit wird gegenüber dem jetzigen Rechtszustand — 4 % — noch eine beachtliche Verbesserung erreicht.
b) Das geltende Recht läßt Ablösungen nur bis zum Ablauf von 20 Jahren nach Bezugsfertigkeit zu. Der Bundesrat erstrebte Ablösungen bis zum Ablauf von 35 Jahren. Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, Ablösungen bis zum Ablauf von 30 Jahren nach Bezugsfertigkeit zuzulassen. Damit werden auch Eigenheime, Eigensiedlungen und eigengenutzte Eigentumswohnungen bis zum Jahre 1950 erfaßt.
Zu erwähnen ist noch, daß der Vermittlungsausschuß Nr. 10 des Anrufungsbegehrens, die Erweiterung der geförderten Wohnraumflächen, abgelehnt hat. Erläuternd ist jedoch darauf hinzuweisen, daß § 39 Abs. 3 und 4 und § 82 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes noch Spielraum für eine erweiterte Förderung von Wohnungen unter dem Gesichtspunkt der Familienfreundlichkeit lassen.
Meine Damen und Herren, gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich um Zustimmung zu der vorgelegten Beschlußempfehlung.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819925800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß nach der Überzeugung des Präsidiums die erforderliche Mehrheit der Mitglieder des Hauses nicht im Saal anwesend ist. Ich bitte Vorsorge zu treffen, daß wir nachher bei der Abstimmung nicht in Schwierigkeiten geraten.
Ich erteile das Wort zu einer Erklärung dem Herrn Abgeordneten Henke.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0819925900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion darf ich zum Wohnungsbauänderungsgesetz 1978 folgende Erklärung abgeben. Der Bundesrat hat im Frühjahr 1978 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes -Wohnungsbauänderungsgesetz 1978 — in die parlamentarische Beratung eingebracht.
Ziel der Gesetzesinitiative war die Lockerung der Bindungen für öffentlich geförderte Wohnungen. Der Bundesrat hielt die Wohnungswirtschaftliche Situation für leicht entspannt und wollte insbesondere durch Erleichterungen bei der Rückzahlung von öffentlichen Mitteln geförderte Wohnungen aus der Belegungs- und Mietpreisbindung befreien. Die wohnungswirtschaftliche Einschätzung durch den Bundesrat wurde durch die Koalition im Bundestag von Anfang an mit Skepsis gesehen. Diese Auffassung hat sich im Zuge der Gesetzesberatung bei einer großen Sachverständigenanhörung, insbesondere aber durch die Marktentwicklung in unseren Großstädten eindeutig bestätigt. Aus fast allen deutschen Großstädten liegen sprunghaft gestiegene Wohnungsbedarfszahlen vor. Sie sind teilweise so dramatisch, daß, statt eine Bindungserleichterung für öffentlich geförderte Wohnungen zu schaffen, eher darüber nachgedacht werden müßte, wie die Bindungen verschärft werden können. Andererseits kann nicht verkannt werden, daß es insbesondere im ländlichen Raum Gebiete gibt, in denen ein nahezu ausgeglichener Wohnungsmarkt gegeben ist. Infolgedessen hat bei der Gesetzesberatung die Überlegung eine Rolle gespielt, ob durch Regionalisierung des wohnungsrechtlichen Instrumentariums eine der jeweiligen Marktsituation angemessene Anwendung möglich sei.
Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf bedürfen weitergehender Schutzregelungen. Deshalb können die gegenüber dem bisherigen Recht vorgesehenen Bindungserleichterungen durch die Landesregierungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf außer Kraft gesetzt werden. Dadurch



Henke
soll eine begrenzte Anpassung an die örtlich unterschiedliche Bedarfslage erreicht werden.
Lassen Sie mich nach dieser grundsätzlichen Vorbemerkung zu den wesentlichen Einzelheiten der vom Vermittlungsausschuß beschlossenen Fassung kommen. Wir Sozialdemokraten begrüßen es, daß der Bundesrat — offensichtlich unter dem Eindruck unserer Argumente — zwei wohnungswirtschaftlich besonders bedenkliche Forderungen der Opposition hier im Bundestag nicht übernommen hat. Es handelt sich um die Anhebung der sogenannten Bagatellgrenze mit dem Ziel der sofortigen völligen Freistellung nach Rückzahlung des Restdarlehens und um die Möglichkeit der Darlehensrückzahlung und Bindungsfreistellung für Einzelwohnungen. Beide Maßnahmen — dies haben wir während der Gesetzesberatungen vorgebracht — hätten wesentliche Teile des öffentlich geförderten Wohnungsbestandes kurzfristig aus der Bindung befreit, die damit nicht mehr für die Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung zur Verfügung gestanden hätten.
Wir bedauern es, daß der Bundesrat nicht im Sinne seines ursprünglichen Entwurfs Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf an der Nachfrage nach öffentlich geförderten Wohnungen mißt, sondern statt dessen sich am allgemeinen Wohnungsbedarf orientiert. Es ist zu befürchten, daß die Feststellung des allgemeinen Bedarfs deutlich problematischer ist. Dennoch mußten wir uns im Vermittlungsausschuß in dieser Frage zu einer Kompromißlösung bereit erklären. Es bleibt bei der bisherigen Rechtslage. Wir erwarten allerdings, daß die Länder aus der jüngsten Entwicklung in den Großstädten vermehrt Konsequenzen ziehen.
In den letzten Jahren hat es eine gewerblich betriebene, eindeutig spekulative Welle von Umwandlungen zusammenhängender Mietwohnungsanlagen in Eigentumswohnungen gegeben. Es geht nicht um die vom Mieter selbst erworbene Wohnung — solche Bestrebungen werden von uns gefördert und begrüßt —, sondern um Umwandlungsbestrebungen, die das Gros der Altmieter kurzfristig aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängen. In vielen Großstädten haben die zum Teil äußerst zwielichtigen Umwandlungsverfahren zu großer Unruhe in der Bevölkerung geführt. Wir haben die Beratungen des Wohnungsbauänderungsgesetzes dazu benutzt, auch diesen Problemkreis zu regeln. Die bisherige Kündigungsschutzfrist für in Eigentumswohnungen umgewandelte Mietwohnungen betrug drei Jahre. Diese Schutzfrist wurde auf acht Jahre verlängert. Sie gilt rückwirkend, d. h. für Umwandlungsfälle, bei denen die dreijährige Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist. Wir sind sicher, daß diese wesentliche Ausweitung des Kündigungsschutzes zur Beruhigung am Wohnungsmarkt führen wird. Die Frist scheint uns lange genug zu sein, um Spekulanten abzuschrecken.
Es ist uns sehr schwergefallen, die bisherige Nachwirkungsfrist der öffentlichen Bindungen nach vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel zu verkürzen. Die CDU/CSU im Bundestag und im Bundesrat wollte die bisherige zehnjährige
Nachwirkungsfrist auf fünf Jahre verkürzen. Hierzu haben wir uns außerstande gesehen. Leider mußten wir im Kompromißwege eine Verkürzung um zwei Jahre, d. h. auf acht Jahre, hinnehmen. Wir glauben, diese Verkürzung deshalb hinnehmen zu können, weil wir davon ausgehen — ähnlich wie bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen —, daß die Frist lange genug ist, um Spekulanten abzuschrecken. Erleichtert wurde uns diese Entscheidung dadurch, daß wir für Berlin eine Sonderregelung gefunden haben, die es bei der zehnjährigen Nachwirkungsfrist beläßt.
Der Gesetzesbeschluß des Bundestages sah vor, daß die öffentlichen Bindungen nach Rückzahlung sofort wegfallen, wenn der Mieter die Einkommensgrenze des Wohnungsbaugesetzes um mehr als 40 % überschreitet. Die CDU/CSU in Bundestag und Bundesrat wollte hier lediglich eine Toleranzgrenze von 10 v. H. akzeptieren. Im Vermittlungsverfahren haben wir uns auf eine Überschreitung von 25 % geeinigt. Dies war möglich, weil die Opposition einer generellen Anhebung der Einkommensgrenze für die Berechtigung im öffentlich geförderten Wohnungsbau zugestimmt hat.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die Beratungen des Wohnungsbauänderungsgesetzes zum Anlaß genommen, auch die Einkommensgrenzen zu überprüfen. Diese waren zuletzt 1974 der Entwicklung angepaßt worden. Dadurch waren in den letzten Jahren zunehmend Berechtigtengruppen herausgefallen, obwohl ihr Einkommen zu gering war, um eine Wohnungsversorgung auf dem freien Markt zu sichern, und obwohl auch die Mieten im öffentlich geförderten Wohnungsbau deutlich gestiegen sind. Durch die etwa 20 %ige Anhebung der Grundbeträge und die noch deutlichere Anhebung der familienbezogenen Zuschläge und der Zuschläge für Sondergruppen, wie junge Ehepaare und Schwerstbehinderte, haben wir dieser Entwicklung Rechnung getragen. Der Bergmann im Ruhrgebiet, der Fließbandarbeiter bei Ford und die Verkäuferin bei Karstadt sind bei den jetzt gefundenen Einkommensregeln in aller Regel wieder Berechtigte im sozialen Wohnungsbau. Die CDU/CSU, die ursprünglich eine Erhöhung der Grundbeträge abgelehnt hat, hat sich von uns im Zuge der Beratungen überzeugen lassen und im Vermittlungsausschuß der Anhebung zugestimmt. Auch hier wurde für Berlin eine Sonderregelung vereinbart, die eine zusätzliche Überschreitung von rund 20 % erlaubt.
Zwischen Koalition und Opposition war auch die zulässige Verzinsung bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel über allgemeine Kapitalmarktmittel strittig. Statt der vom Bundestag beschlossenen 4,5 % waren die Opposition im Bundestag und die CDU/CSU-Gruppe des Bundesrates für eine Verzinsung von 6,5 %. Wir sind der Meinung, daß diese Verzinsung nicht deutlich genug unter den Zinssätzen des allgemeinen Kapitalmarktes liegt und deshalb ein erhöhter Umschuldungsanreiz gegeben ist. Hieran kann jedoch wegen der ungleich höheren Kosten für den Bau einer neuen der Bindung unterliegenden Wohnung kein besonderes Interesse bestehen. Bei den Beratungen hat auch die



Henke
längerfristige Höhe des Kapitalmarktzinses eine Rolle gespielt. Um einen Kompromiß zu ermöglichen, haben wir trotz erheblicher Bedenken einer Anhebung des Satzes von 4,5 um ein halbes Prozent auf 5 % zugestimmt.
Ich bin nicht auf alle Anrufungsbegehren des Bundesrates im Vermittlungsausschuß eingegangen, sondern habe mich auf die politisch wesentlichen beschränkt. Insbesondere die Verlängerung der Schutzfrist für in Eigentumswohnungen umgewandelte Mietwohnungen von drei auf acht Jahre und die Anhebung der Einkommensgrenzen haben uns bewogen, dem im Vermittlungsausschuß gefundenen Kompromiß zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819926000
Zur Abgabe einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Jahn (Münster) das Wort.

Dr. Friedrich-Adolf Jahn (CDU):
Rede ID: ID0819926100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Chance, mit diesem Gesetz die Weichen für die überfällige Neuorientierung in der Wohnungsbaupolitik zu stellen, ist vertan worden. Wir kritisieren erstens: Der längst überfällige Einstieg in die Lösung des Fehlbelegerproblems dergestalt, daß die Bindungen nach Rückzahlung der öffentlichen Mittel sofort entfallen, wenn der Mieter der Wohnung ein Fehlbeleger ist, wird durch die Einführung einer Toleranzgrenze hinsichtlich der Einkommensgrenzen weitgehend wieder rückgängig gemacht. Das Fehlbelegerproblem wird geradezu zementiert.
Zweitens: Die generelle und zu wenig auf kinderreiche Familien ausgerichtete Anhebung der Einkommensgrenzen im sozialen Wohnungsbau zur Erlangung der Wohnberechtigung geht zu Lasten der bereits heute Benachteiligten und zugunsten Besserverdienender. Die zirka 2,5 Millionen neuen Berechtigten nehmen den bereits 5 Millionen Berechtigten, die noch keine Sozialwohnung erhalten haben, jede Chance, noch eine zu erhalten; denn dem Konkurrenzdruck der zahlungskräftigeren, neuen Berechtigten sind sie nicht gewachsen.
Drittens: Die Verschärfung des Mieterschutzes trifft nicht die Spekulanten, sondern allein die einkommensschwächeren und ohnehin benachteiligten Haushalte. Der einkommensschwächere, im sozialen Wohnungsbau wohnberechtigte Eigentümer, der selbst ungenügend untergebracht ist, wird daran gehindert, nach Ablauf von drei bis vier Jahren nach Eigentumserwerb seinen Eigenbedarf geltend zu machen, und das auch noch gegenüber einem --

(Unruhe)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819926200
Wenn unvermeidbare Unterhaltungen mit etwas gedämpfterer Stimme geführt werden könnten, wäre es für den Redner leichter und würde es auch dem Ansehen des Hohen Hauses nützlicher sein. Ich danke Ihnen sehr.

(Beifall)


Dr. Friedrich-Adolf Jahn (CDU):
Rede ID: ID0819926300
Ich wiederhole: Der einkommensschwächere, im sozialen Wohnungsbau wohnberechtigte Eigentümer, der selber ungenügend untergebracht ist, wird daran gehindert, mit Ablauf von drei bis vier Jahren nach Eigentumserwerb seinen Eigenbedarf geltend zu machen, und das auch noch gegenüber einem Fehlbeleger. Hier ist, meinen wir, das Sozialstaatsprinzip auf den Kopf gestellt.
Wesentliche Forderungen der Union, die auf eine stärkere Liberalisierung zielten — bei voller Beibehaltung des Schutzes bestehender Mietverhältnisse wohnberechtigter Mieter —, sind nicht erfüllt worden. Wir wollten zur fünfjährigen Nachwirkungsfrist der Jahre vor 1972 zurückkehren. Wir wollten stärkere Anreize zur vorzeitigen Rückzahlung der Förderungsmittel und eine gezieltere Anhebung der Einkommensgrenzen. Wir wollten wohnberechtigten kinderreichen Familien beim Erwerb einer Sozialwohnung finanziell unter die Arme greifen und die Wohnflächengrenzen weiter anheben. Dies alles ist nicht durchsetzbar gewesen.
Es ist nicht viel erreicht worden, aber immerhin etwas. Was erreicht worden ist, ist die Beseitigung der Möglichkeit, die Lockerung der Bindungen nach Belieben außer Kraft zu setzen, weiter die Verkürzung der Nachwirkungsfrist von zehn auf acht Jahre, drittens die gezieltere Anhebung der Einkommensgrenzen für junge Ehepaare und die Anreize zur Rückzahlung der öffentlichen Förderungsmittel durch Gewährung eines Bonus auch bei Sozialwohnungen, die in den Jahren von 1950 bis 1960 bezugsfertig geworden sind.
Die geringfügige Lockerung der Bindungen, immerhin ein, wenn auch zaghafter Ansatz in die richtige Richtung. Nicht viel ist immerhin etwas, ist mehr als nichts. Deshalb stimmen wir dem Ermittlungsergebnis zu.
Wir möchten aber in keiner Weise einen Zweifel daran lassen, daß wir, wenn wir die Mehrheit in diesem Haus hätten, ein deutliches Signal für Marktwirtschaft unter gleichzeitiger sozialer Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise gegeben hätten.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Konjunktiv!)

Wir haben in diesen Beratungen über ein Jahr lang immer nach mehr Liberalität gerufen. Wir haben festgestellt, daß die Liberalen bei dem Ruf nach mehr Liberalisierung wenig Liberalität gezeigt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die FDP hat den Initiator dieses Gesetzes, den Innenminister von Nordrhein-Westfalen, teilweise im Stich gelassen.
Wir werden eine optimale Wohnungsversorgung auf Dauer nur sicherstellen können, wenn von der staatlichen Reglementierung der Wohnungswirtschaft weitestgehend Abstand genommen wird. Bestimmendes Ordnungssystem muß auch im Wohnungsbau die soziale Marktwirtschaft werden. Die Wohnungswirtschaft muß unter sozialer Absicherung der einkommensschwachen Bevölkerungskreise schrittweise in die soziale Marktwirtschaft



Dr. Jahn (Münster)

eingebunden werden. Dies erfordert neben der Beseitigung von Nachteilen für den frei finanzierten Wohnungsbau verstärkte Maßnahmen zur Liberalisierung des Sozialwohnungsbestands, sei es durch Lockerung der Bindungen, sei es durch Privatisierung. Beides dient der Aufhebung der Zweiteilung des Wohnungsmarkts. Notwendig ist nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mithin die Wiederherstellung sachgerechter marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Wohnungsbaupolitik, und zwar in viererlei Hinsicht:
Erstens. Anreize für private Investitionen durch Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes. Private Investitionsbereitschaft ist der Schlüssel zum Erfolg in der Wohnungsbaupolitik. Hilfe zur Selbsthilfe entlastet den Staat.
Zweitens. Anreize zur vorzeitigen Rückzahlung der über 70 Milliarden DM ausgeliehener Mittel, damit die Mittel wieder wohnungspolitischen Initiativen zufließen können, und zwar durch Verkürzung der Bindungsfristen sowie durch die Gewährung eines Bonus.
Drittens. Wohnungsversorgung grundsätzlich durch den Markt. Kann die Miete einkommensmäßig nicht gezahlt werden, dann Gewährung eines neu gestalteten und wesentlich verbesserten Wohngelds im Sinne der Subjektförderung.
Viertens. Konzentration, nicht Abbau, des sozialen Wohnungsbaus auf die Bürger, die am Markt keine Wohnung finden können, sowie auf die Stadtsanierung und die Verbesserung des Wohnumfelds.
Fünftens. Die Förderung der Bildung individuellen Wohneigentums bleibt auch nach Einbeziehung der Wohnungswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein vorrangiges Ziel der Wohnungsbaupolitik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solcher, in aller Kürze skizzierter Weg ist natürlich ein völlig anderer als der, den wir mit diesem Gesetz beschreiten. Eine solche Wohnungsbaupolitik ist sozialer und gerechter als die derzeitige. Sie bedeutet ein Ja zu mutigen, überlegten und abgewogenen Schritten, aber nicht zu Rückschritten.
Ein Wohnungsbauminister, der sich hierzu, wenn auch schrittweise, durchringen könnte, brauchte übrigens um die Existenz seines Hauses nicht zu bangen. Er könnte im wahrsten Sinne des Wortes auf private Initiative und private Investitionen bauen, dem mündigen Bürger vertrauen und sich auf das Notwendige bei Neubau, Modernisierung, Sanierung und Wohnumfeld beschränken. Denn, meine Damen und Herren, was private Initiative leisten kann, das darf der Staat nicht an sich ziehen. Und wer allen helfen will, hilft letzten Endes niemandem und übt Verrat an unserer sozialen Verpflichtung gegenüber den besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0819926400
Ich erteile nun das Wort zu einer Erklärung dem Abgeordneten Gattermann.

Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID0819926500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht in den Fehler meines Vorredners verfallen und annehmen, dies sei die vierte Lesung des Gesetzentwurfs, sondern will mich streng an den vorgegebenen Rahmen für eine Erklärung halten

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und dem nur die Bemerkung vorschalten, daß Liberalisierung für Freie Demokraten Liberalisierung in sozialer Verantwortung heißt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion zeigt sich befriedigt darüber, daß es dem Vermittlungsausschuß gelungen ist, einen tragbaren Kompromiß zwischen den unterschiedlichen Positionen des Bundesrates und des Bundestages zu Einzelpunkten des Wohnungsbauänderungsgesetzes zu finden. Wir stimmen diesem Kompromiß, der unsere wesentlichen Zielsetzungen bei der Gesetzesnovellierung nicht verwässert, vorbehaltlos zu.
Daß die materiellen Kriterien für die Norm zur Ermächtigung der Länder, Gebiete erhöhten Bedarfs festzulegen, gegenüber dem alten Rechtszustand vor der Novellierung nunmehr unverändert bleiben werden, erscheint uns vertretbar, weil die alten Kriterien in der Praxis zwar gewisse Schwierigkeiten bereitet haben, immerhin aber beachtliches Erfahrungswissen vorhanden ist, während die vom Bundestag gewählte neue Fassung dieser Kriterien ihre Bewährungsprobe in der Praxis erst noch vor sich gehabt hätte. Wir meinen, daß dies auch deshalb vertretbar sei, weil sich der Unterschied beider Kriterien — einmal „Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf", zum anderen „Gebiete mit erhöhtem Bedarf an Sozialwohnungen" inhaltlich ohnehin in Grenzen hält, wie in unserem Ausschußbericht nachlesbar ist.
Die Abkürzung der Nachbindungsfrist von zehn Jahren auf acht Jahre stellt eine geringfügige Beschleunigung des von uns ohnehin gewünschten Liberalisierungsprozesses dar, deren Ausmaß uns sozial und wohnungspolitisch vertretbar erscheint. Die damit automatisch verbundene Verkürzung auch der Ausschlußfrist für die Geltendmachung von Eigenbedarf für Dritterwerber umgewandelter Sozialmietwohnungen ist nach unserer Einschätzung gleichfalls vertretbar, da die mit der Einführung dieser Regelung verbundene Absicht dennoch erreicht werden wird.
Mit dieser Regelung haben wir die Absicht verbunden gehabt, den Kreis der potentiellen Käufer umgewandelter Sozialmietwohnungen auf Kapitalanleger und auf bereits nutzende Mieter am Markt zu begrenzen. Wir gehen davon aus, daß ein wohnberechtigter Dritter eine umgewandelte Sozialmietwohnung auch dann in der Regel nicht kaufen wird, wenn er weiß, daß er acht Jahre lang daran gehindert ist, Eigenbedarf geltend zu machen. Diese Wirkung wäre bei einer zehnjährigen Frist nicht nennenswert größer gewesen.
Was die Absenkung der Toleranzgrenze bei der Fehlbelegerregelung betrifft, so habe ich für meine Fraktion bereits bei der zweiten Beratung des Ge-



Gattermann
setzentwurfes zum Ausdruck gebracht, daß uns eine niedrigere Toleranzgrenze von 20 bis 25% lieber gewesen wäre. Die damals angemeldeten und im Länderbereich angesiedelten Bedenken, die uns davon abhielten, unsere damalige Absicht mit Härte zu vertreten, sind vom Bundesrat ausgeräumt worden, so daß ich nunmehr zu diesem Punkte feststellen kann, daß wir dieses Vermittlungsergebnis als eine positive Veränderung des Gesetzes klassifizieren.
Die Erhöhung der Verzinsungsmöglichkeiten beim Einsatz von Kapitalmarktmitteln an Stelle abgelöster öffentlicher Mittel von 4,5 auf 5% hat einerseits auf das Mietniveau nur ganz geringfügige Auswirkungen, auch nur geringfügige Auswirkungen auf den Anreiz zur vorzeitigen Ablösung.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

Die Auswirkungen scheinen uns sozial vertretbar zu sein. Auf der anderen Seite bleibt zu dieser Änderung positiv anzumerken, daß ein etwaiger späterer Mietsprung beim Übergang von der Kostenmiete auf die Vergleichsmiete abgemildert sein wird.
Die in der Üffentlichkeit vielfach kritisierte Anhebung der Einkommensgrenzen für den Bezug von Sozialmietwohnungen ist im wesentlichen unverändert geblieben. Ich benutze die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die in der veröffentlichten Meinung angestellten Modellrechnungen den Schönheitsfehler haben, daß sie den Eindruck erwecken, als handele es sich hier bei den errechneten Beträgen um verfügbares Nettoeinkommen. Das ist nicht so. Jedermann in diesem Saale kennt den beachtlichen und anderweitig vielfach beklagten Abstand zwischen Brutto- und Nettoeinkommen.
Ich fasse zusammen. Mit dem Wohnungsbauänderungsgesetz wollten wir den sozial vertretbaren Einstieg in die Liberalisierung des Sozialwohnungsbestandes. Wir wollten ein wirksames, greifendes Instrument gegen Mieterverdrängung bei Umwandlung von Sozialmietwohnungen durch Spekulanten. Wir wollten schließlich eine zeitgemäße Anpassung der Einkommensgrenzen. Diese Ziele bleiben auf der Grundlage des gefundenen Kompromisses voll gewahrt. Wir sagen deshalb ja zu diesem Vermittlungsergebnis.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819926600
Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen sei. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/3596 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung ist bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Aus-
schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes

(Vermittlungsausschuß) zu dem Elften Gesetz

zur Änderung des Viehseuchengesetzes
— Drucksache 8/3597 — Berichterstatter: Minister Schmidhuber
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Bitte, Herr Minister Schmidhuber, Sie haben das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819926700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung vom 29. November 1979 auf Grund der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes angenommen. Das Änderungsgesetz bezieht die Bekämpfung von Fischseuchen in die staatliche Tierseuchenbekämpfung ein. Nach den §§ 66ff. des Gesetzes werden für Tierverluste in bestimmten Fällen Entschädigungen gewährt. Da die vom Bundestag beschlossene Fassung nicht vorsieht, daß für Süßwasserfische Beiträge erhoben werden, wäre die volle Entschädigungslast aus Staatsmitteln zu bestreiten.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Dezember 1979 beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Inhalt des Vermittlungsbegehrens ist erstens, die Süßwasserfische hinsichtlich der Entschädigung aus Staatsmitteln den anderen wirtschaftlich bedeutsamen Tierarten — wie Rinder, Pferde, Schweine, Schafe — gleichzustellen, bei denen die Entschädigung je zur Hälfte aus Staatsmitteln und aus Beiträgen zur Tierseuchenkasse aufgebracht werden. Im Hinblick auf die in einigen Ländern für die Errichtung einer Tierseuchenkasse zu geringe Anzahl der Betroffenen sollte die Möglichkeit offengelassen werden, in diesen Fällen von einer Beitragserhebung abzusehen.
Zweitens. Ein weiteres Vermittlungsbegehren war es, die in Art. 1 Nr. 40 des Änderungsgesetzes gegenüber dem bisherigen Rechtszustand weitergehende Beschränkung der Länder in der Frage, unter welchen Voraussetzungen Beihilfen aus dem Beitragsaufkommen gewährt werden können, wieder zu streichen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt vor, den Vermittlungsbegehren durch eine Änderung des Art. 1 Nr. 40 des Änderungsgesetzes stattzugeben, mit dem § 71 Abs. 1 des Tierseuchengesetzes eine Neufassung erhält, die folgendes vorsieht:
Erstens. Einbeziehung von Geflügel. bei dem die gleiche Interessenlage gegeben ist, und Süßwasserfischen in die Tierarten, für die Beiträge zu erheben sind, mit der Folge, daß dann nur 50 % der Entschädigungssummen vom Staat zu leisten sind. Weiter ist die Möglichkeit vorgesehen, von der Erhebung von Beiträgen abzusehen, wenn dies, insbesondere auf Grund der geringen Anzahl der betroffenen Tierhalter, zu einer unzumutbaren Belastung der Beitragspflichtigen führen würde.
15886 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode = 199. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Januar 1980
Staatsminister Schmidhuber (Bayern)

Zweitens. Ermächtigung für die Länder, zu regeln, wer die Entschädigung gewährt und wie sie aufzubringen ist. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage.
Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich um Annahme des Vermittlungsvorschlags.

(Beifall)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819926800
Meine Damen und Herren, wird zur Abgabe einer Erklärung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/3597 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 3 zur Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung
— Drucksache 8/3598 — Berichterstatter: Abgeordneter Dürr
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Herr Abgeordneter Dürr, Sie haben das Wort.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0819926900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat am 21. Dezember 1979 beschlossen, zu dem vom Bundestag am 15. November verabschiedeten Gesetz den Vermittlungsausschuß anzurufen. Das Gesetz will dadurch eine Vereinfachung erreichen, daß Arbeitgeber nicht mehr dieselben Angaben über ihre Arbeitnehmer sowohl den Gewerbeaufsichtsbehörden als auch anderen Stellen gegenüber zu machen haben. Künftig soll nur noch eine einmalige Mitteilung der Angaben erforderlich sein. Die zuständigen Stellen der Bundesverwaltung sollen verpflichtet werden können, die fraglichen Angaben an die für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörden weiterzuleiten. Geschieht dies, so soll die Pflicht zur Mitteilung an die Gewerbeaufsichtsbehörden entfallen.
Statt der Formulierung im Bundestagsbeschluß, die Angaben dürften nur zu Zwecken der Aufsicht nach § 139b Abs. 1 der Gewerbeordnung verwendet werden, schlägt der Bundesrat eine weitere Fassung vor, wonach die Verwendung der weitergeleiteten Angaben zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der Gewerbeaufsichtsbehörden liegenden Aufgaben zulässig sein soll. Damit hängt auch der Änderungsvorschlag zusammen, daß die Weiterleitung der Angaben an die für die Gewerbeaufsicht zuständigen obersten Landesbehörden erfolgen soll.
Der Vermittlungsausschuß hält das Anrufungsbegehren für sachdienlich und hat ihm deshalb zugestimmt. Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich um Annahme seines Vorschlags.

(Beifall)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819927000
Meine Damen und Herren, wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/ 3598 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Vielen Dank. Bitte, die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Damit ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1981)
— Drucksache 8/3601 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Bitte, Sie haben das Wort.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0819927100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner 481. Sitzung am 21. Dezember 1979 den Vermittlungsausschuß wegen des Gesetzes über eine Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 23. Januar mit dem Anrufungsbegehren befaßt. Er legt die Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/3601 dem Hause vor. Im einzelnen ist dazu zu bemerken:
Der Vermittlungsausschuß hat drei der Anrufungsbegehren abgelehnt.
1. Er war nicht der Auffassung, daß die Aufnahme der Angabe des Gesamtumsatzes des Unternehmens in der Arbeitsstättenzählung eine Doppelbelastung darstelle.
2. Die vom Bundesrat begehrte Ergänzung des § 9 Abs. 2 hätte dazu geführt, daß die Deutsche Bundespost eigene Erhebungen darüber hätte durchführen müssen, was zu einem beachtlichen Mehraufwand geführt hätte.
3. Gründe des Datenschutzes und der Geheimhaltung hinderten die Aufnahme des dritten Anrufungsbegehrens, wonach der universitäre und nichtuniversitäre Bereich der Forschung bei der Verwertung von Volkszählungsdaten gleichgestellt worden wäre.
Dem Anrufungsbegehren des Bundesrates, wonach der Bund den Ländern eine Finanzzuweisung in Höhe von 4,30 DM je Einwohner zu gewähren hat, hat der Vermittlungsausschuß entsprochen. Er empfiehlt die Annahme. Es besteht kein Zweifel, daß die Durchführung des Volkszählungsgesetzes nach Art. 83 des Grundgesetzes Angelegenheit der Länder ist. Der Bundesrat hält im Gegensatz zur Bundesregierung aber die Voraussetzungen für eine Finanzzuweisung an die Länder nach Art. 106 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes für gegeben. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß wie bei der Volkszählung 1970 eine Finanzzuweisung in Höhe von 50 v. H. der bei den Ländern und Gemeinden verursachten Kosten notwendig sei. Die Bundesregierung hat demgegenüber geltend gemacht, daß die Finanzlage im Jahre 1970 mit der



Dr. Schäfer (Tübingen)

heutigen nicht vergleichbar sei und daß deshalb die
Voraussetzungen des Art. 106 nicht gegeben seien.
Die Empfehlung des Vermittlungsausschusses bedeutet eine Belastung des Bundeshaushalts in Höhe von 260 Millionen DM.
Ich habe namens des Vermittlungsausschusses die Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/3601 vorzulegen und um Beschlußfassung zu bitten.

(Beifall)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819927200
Meine Damen und Herren, es liegen Wortmeldungen zur Abgabe von Erklärungen vor. Das Wort hat der Abgeordnete Broll.

Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0819927300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion erkläre ich, daß wir dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen werden. Wir halten die Wünsche des Bundesrates, daß der Bund den Ländern einen Teil der Kosten erstatten möge, die ihnen durch die Durchführung der Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung entstehen, für berechtigt. Der Bund hat seinerseits im Jahre 1970 50 % der den Ländern und den Gemeinden entstehenden Kosten erstattet. Die Summe, um die es heute geht, nämlich 4,30 DM pro Einwohner eines Landes, macht wiederum 50 % dessen aus, was Ländern und Gemeinden insgesamt an Kosten bei der Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung entstehen wird. Es entstehen nämlich dem Bund Kosten von 30,9 Millionen DM, den Ländern hingegen Kosten von 223,4 Millionen DM und den Gemeinden Kosten von 174,0 Millionen DM — erhebliche Summen.
Bedenken Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang bitte ferner, daß sowohl im Beschlußverfahren des Innenausschusses als auch im Vermittlungsverfahren eine Reihe von Länderwünschen zur Statistik — teils Zusatzstatistiken, vorwiegend Streichungswünsche — abgelehnt, Wünsche des Bundes hingegen in der Regel berücksichtigt worden sind, so daß gerade der Bund großes Interesse an der schnellen und umfassenden Durchführung dieser so beschlossenen Statistik hat.
Ich erinnere mich auch noch daran, daß der Vertreter des Bundespostministeriums bei der Besprechung der Berichterstatter des Innenausschusses zugesagt hat, die Bundespost, deren Begehren ebenfalls Gegenstand eines Einspruchs des Bundesrates war, sei bereit, ihrerseits Kosten zu erstatten; die wären in diesen 4,30 DM enthalten.
Insgesamt also erkläre ich für meine Fraktion, daß wir den Vorschlag des Vermittlungsausschusses begrüßen und um Zustimmung bitten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819927400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0819927500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestragsfraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben.
Nach Art. 83 unseres Grundgesetzes führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Der Fall, daß sich die Länder im Zuge von Gesetzgebungsverfahren darauf berufen, ist nicht selten; dem Vermittlungsausschuß hat gestern ein Fall vorgelegen, in dem sich die Länder darauf berufen haben. — Die bei Bund und Ländern — sicher noch stärker bei den Ländern — vorhandene Skepsis gegenüber der Einführung neuer Mischfinanzierungstatbestände ist in unserem Kreise allgemein bekannt und bedarf nicht näherer Erläuterung.
Doch dann, meine Damen und Herren, wenn es darum geht, die Konsequenzen aus diesen Grundsätzen und Erfahrungen zu ziehen und durchzuhalten, d. h. daß die zuständige Ebene, in diesem Fall — beim Volkszählungsgesetz — die Länder, dafür auch tatsächlich die Kosten trägt, fangen die Prinzipien zu wackeln an,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und die Erfahrungen sind plötzlich vergessen. (Zustimmung bei der SPD)

Uns scheint, so ist es gestern im Vermittlungsausschuß bei dem uns hier vorgelegten Vermittlungsergebnis geschehen.
Die Forderung des Bundesrates, der Bund solle 50 % der Kosten des Volkszählungsgesetzes 1981 in Höhe von etwa 250 Millionen DM zusätzlich übernehmen, widerspricht den Konsequenzen aus Art. 83 des Grundgesetzes und schafft damit einen neuen Mischfinanzierungstatbestand.
Meine Damen und Herren, die Berufung des Bundesrates bei seinem Vermittlungsbegehren auf Art. 106 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes, nach dem bei Mehrbelastung der Länder durch ein Bundesgesetz der Bund diese Mehrbelastung durch Finanzzuweisungen ausgleichen kann — ich betone: kann —, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist, zieht deshalb nicht, weil diese Kann-Vorschrift die finanzielle Situation der Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern insgesamt berücksichtigen muß. Das haben die Länder auch gemerkt, was klar wird, wenn man sich ihre eigene Begründung des Vermittlungsbegehrens noch einmal ansieht und sie nachliest.
Diese Situation der Lastenverteilung ist aber — man könnte hinzufügen: leider — ganz entschieden anders als 1970. Die in Art. 106 enthaltenen Maßstäbe für die Aufteilung der Einnahmen aus den Gemeinschaftsteuern sind, so umstritten diese Maßstäbe im einzelnen sein mögen, insofern eindeutig, als die Deckungsbedürfnisse beider Ebenen zu einem billigen Ausgleich gebracht werden müssen, und der sieht eben anders aus als 1970. Damals hat der Bund einen Positivsaldo gehabt; er hatte 400 Millionen Überschuß und brauchte keine neuen Kredite zur Deckung seiner Ausgaben aufzunehmen, während die Länder sich damals mit 3,1 Milliarden neu verschuldeten. Heute sieht es anders aus: Im Jahre 1980 muß der Bund für etwa 24 Milliarden DM neue Kredite aufnehmen, während es bei allen Ländern zusammen etwa 12,5 Milliarden DM sein



Westphal
werden. Das wird 1981, am Beginn der Gültigkeit des Gesetzes über Volkszählung, nicht anders sein.
Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß hat bei seinem Votum zum Volkszählungsgesetz eindeutig gesagt, daß er sich die Forderung der Länder nicht zu eigen machen kann. Es heißt dort: „Für die Mehrbelastung durch eine Finanzzuweisung stehen Mittel nicht zur Verfügung. Damit wäre das Gesetz mit der Haushaltslage nicht vereinbar. Die Konsequenz, meine Damen und Herren, kann für uns nur sein: Wir lehnen das Vermittlungsergebnis ab und beharren auf dem von diesem Haus beschlossenen Gesetz.
Dabei hatten wir uns eigentlich erhofft — lassen Sie mich das zum Schluß sagen —, daß sich die Kollegen von der Opposition bei der Entscheidung über dieses Vermittlungsergebnis ebenso verhalten würden, wie es die Mitglieder der Opposition im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages getan haben. Im Bericht des Kollegen Riedl ist damals — im Namen aller Mitglieder des Haushaltsausschusses — sehr eindeutig festgestellt worden: Dies ist mit der Haushaltslage nicht zu vereinbaren. Die Konsequenz daraus wäre: Ablehnung. Ich bedaure, daß bei der Opposition ein Meinungswandel in die falsche Richtung stattgefunden hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819927600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID0819927700
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Daß wir Sie heute hier noch einmal mit der Frage befassen müssen, die gestern besser schiedlich im Vermittlungsausschuß geregelt worden wäre, wie das die Aufgabe dieses Gremiums ist, hängt mit der Merkwürdigkeit zusammen, auf die Herr Kollege Westphal soeben schon eingegangen ist. Es ist natürlich das gute Recht der Länder und insbesondere der hierfür Verantwortung tragenden Finanzminister, auf alle Weise zu versuchen, Ausgaben, die ihnen zusätzlich entstehen, von dritter Seite gedeckt zu bekommen, um sie nicht aus der eigenen Kasse leisten zu müssen.
Dieser natürliche Interessengegensatz zwischen den Ländern einerseits und dem Bund andererseits, den, wie Herr Westphal ebenso zutreffend ausgeführt hat, die Verfassung vorgibt, kann dann nicht problematisch werden, wenn sich beide Seiten im Rahmen ihrer Interessenvertretung halten, der Bund an das Ergebnis seiner Beratungen im Haushaltsausschuß und die Länder an die Vertretung ihrer Interessen. Es kommt dann nämlich im Vermittlungsausschuß, wie jedermann leicht nachrechnen kann, zu einer Patt-Situation und damit zu einem verstärkten Einigungszwang und zur Ersparung einer erneuten Anrufung des Vermittlungsausschusses nach vorhergehender Abstimmung in diesem Hause, während die CDU/CSU uns nun zu dieser Abstimmung und zur erneuten Behandlung im Vermittlungsausschuß zwingt, weil sie meint, mit Rücksicht auf die knapp mehrheitliche Vertretung in den Ländern diesen mehr zuneigen zu müssen als dem Bund. Das ist praktisch die politische Situation,
in die Sie uns durch Ihr Abstimmungsverhalten — ungewöhnlich wenig bundestreu — sogleich bringen werden und die wahrscheinlich dazu führt, daß sich eine ganze Reihe auch von Ihnen mit der Problematik erneut werden befassen müssen. Zum Schluß kommen wir dann in etwa — weil das nämlich gerade auch von den Ländern gewollt wird — doch bei dem Ergebnis an, das Ihnen hier schon einmal vorgelegen hat.
Deshalb werden wir den Vorschlag des Vermittlungsausschusses ablehnen, und deshalb werden wir die Bundesregierung bitten, den Vermittlungsausschusses erneut anzurufen. Dann wird das Verfahren den Verlauf nehmen, den es bei einer etwas anderen und, wie ich meine, korrekteren Rollenhaltung der CDU/CSU schon vorher hätte nehmen können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819927800
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/3601 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Zusatzpunkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz — BStatG)
— Drucksache 8/3602 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

Der Berichterstatter hat das Wort.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0819927900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezüglich des Bundesstatistikgesetzes hat der Bundesrat ebenfalls am 21. Dezember den Vermittlungsausschuß angerufen. Gestern hat sich der Vermittlungsausschuß damit befaßt.
Der Bundesrat hat sich in seinem Anrufungsbegehren sehr korrekt, sehr richtig und ganz entschieden auf Art. 83 des Grundgesetzes berufen und gesagt, die Durchführung des Gesetzes sei eine Landesangelegenheit. Er hat sich so weit darauf berufen, daß er eine Formulierung beanstandet hat, wonach einheitliche Erhebungs- und Aufbereitungsarbeiten im Benehmen mit den Ländern nicht festgelegt werden dürfen, weil das bereits in die Zuständigkeit der Länder eingreife, und gesagt, daß man darauf hinzuwirken habe. Wir haben es im Vermittlungsausschuß als durchaus korrekt erachtet, daß die Zuständigkeit der Länder respektiert werden soll, und haben deshalb diese abschwächende Formulierung akzeptiert. Sie ist in der Drucksache 8/3602 enthalten.
Die übrigen Punkte, die dort aufgeführt sind, dienen der Klarstellung bei einigen Formulierungen, die sonst hätten mißdeutet werden können.



Dr. Schäfer (Tübingen)

Ich darf um Annahme bitten.

(Beifall)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819928000
Wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen sei. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/3602 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist der Antrag des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 6 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung statistischer Rechtsvorschriften (1. Statistikbereinigungsgesetz)
— Drucksache 8/3603 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0819928100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Dezember den Vermittlungsausschuß des weiteren wegen des 1. Statistikbereinigungsgesetzes angerufen. Der Vermittlungsausschuß legt Ihnen auf Drucksache 8/3603 die Beschlußempfehlung vor. Dazu sind einige Bemerkungen zu machen.
Erstens. Die in dem Gesetz über die Statistik im produzierenden Gewerbe vom 6. November 1975 vorgesehene Statistik bei produzierenden Betrieben soll nach dem Gesetz aufgehoben werden. Der Bundesrat beantragte, die Statistik fortzuführen, allerdings mit sechsjährigem Turnus. Das Begehren wurde abgelehnt.
Zweitens. Der Bundesrat beantragte, in dem Gesetz über die Statistiken der Rohstoff- und Produktionswirtschaft einzelner Wirtschaftszweige vom 11. November 1960 die Textilwirtschaft zu streichen. Der Vermittlungsausschuß hat diesem Begehren nicht entsprochen. Er ist der Auffassung, daß gerade diese Textilstatistik für die zutreffenden Maßnahmen notwendig sei.
Der Neuformulierung der Bestimmung über die Statistik über Schwerbehinderte und Rehabilitationsmaßnahmen stimmte der Vermittlungsausschuß zu. Er hat auch dem Bundesratsbegehren entsprochen, das Gesetz über Umweltstatistiken in der Form, wie es sich aus der vorgelegten Beschlußempfehlung ergibt, zu ändern.
Ich empfehle die Annahme der Beschlußempfehlung auf Drucksache 8/3603.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819928200
Das Wort zur Abgabe von Erklärungen wird nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über die vorliegenden Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 8/3603 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist damit einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir haben damit die Zusatzpunkte zur Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
— Drucksache 8/3104 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/3566 — Berichterstatter: Abgeordneter Löffler
b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 8/3502 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Rapp (Göppingen) (Erste Beratung 172. Sitzung)
Interfraktionell ist eine Aussprache mit einem Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (CDU):
Rede ID: ID0819928300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Januar 1980 ist ein Kinderbetreuungsbetrag von monatlich 100 DM, jährlich 1200 DM, steuerlich absetzbar. Im vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion geht es um die Abschaffung einer verwaltungsaufwendigen und nahezu unzumutbaren Nachweispflicht. Nach dem Bericht des Haushaltsausschusses und dem Bericht des Finanzausschusses werden die Kosten des Steuerausfalles unterschiedlich hoch angesetzt, nämlich vom Finanzausschuß mit 4 Mrd. DM und vom Haushaltsausschuß mit 3,4 Mrd. DM.



Frau Will-Feld
Es ist schon bemerkenswert, wie hier mit einem Differenzbetrag von immerhin 600 Millionen DM umgegangen wird. Bei dieser Berechnung wird etwas Eigenartiges sichtbar: Man geht schlicht und einfach davon aus, daß ein dem Bürger dieses Landes gesetzlich zustehender steuerlicher Freibetrag durch eine komplizierte und unterschiedlich auslegbare Bestimmung über die Beaufsichtigung und Betreuung von Kindern nicht gewährt zu werden braucht. Sonst kämen 3,4 Mrd. oder 4 Mrd. DM gar nicht zustande.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Sehr richtig! Das ist skandalös!)

Dabei werden in Zukunft vielleicht Barbesuche steuerlich unbeanstandet bleiben, aber Kinderbetreuungskosten werden eine ganze Verwaltung beschäftigen.
Was in den letzten Wochen gegen den Kinderbetreuungsbetrag geredet und geschrieben worden ist, kann nur mit der Überschrift „Klassenkampf im Steuerrecht" bezeichnet werden.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Der Widerstand gegen die Kinderbetreuungsfreibeträge an sich und gegen die Abschaffung der Nachweispflicht hat allmählich die Formen eines Glaubenskampfes angenommen. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs ist gesagt worden, es gehe der CDU/CSU-Fraktion — ich zitiere — ja nicht etwa um die Klarstellung einer Vorschrift, sondern es gehe hier doch darum, daß die steuerlichen Kinderfreibeträge durch die Hintertür wieder eingeführt würden. Ich kann und will an dieser Stelle weder zum Streit um Kindergeld und Kinderfreibeträge etwas sagen noch auf den Vorwurf in der Einbringungsrede — ich zitiere wieder — der Rückwendung zum Dualismus steuerlicher Kinderfreibeträge und Kindergeld näher eingehen. Aber erlauben Sie mir eine ganz kurze Anmerkung. Das Steuerrecht ist zum Kriegsschauplatz der Ideologie geworden. Als Waffen werden Vergleichsrechnungen benutzt, die immer wieder beweisen sollen, um wieviel höhere Einkommen mehr entlastet werden als geringere Einkommen.
Noch ein Satz dazu. Der ganze Streit um Kindergeld und Kinderfreibeträge — dabei will niemand mehr das Kindergeld abschaffen — trifft aber mit voller Wucht den Kinderbetreuungsfreibetrag. Die Deutsche Steuergewerkschaft, also ein unvoreingenommener Zeuge, nennt diesen Streit schlicht ein Scheingefecht. Denn — so argumentiert die Deutsche Steuergewerkschaft — wenn man errechne, daß das Kindergeld steuerfrei gewährt werde, sei für das erste Kind — es gibt ja zwölfmal 50 DM im Jahr — in der Nullzone ein Betrag von 600 DM zur Verfügung, in der Proportionalzone bereits ein Betrag von 770 DM als Gegenwert und beim höchsten Steuersatz ein Betrag von 1380 DM als Gegenwert.
Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs — lassen Sie mich auch dazu noch eine Bemerkung machen — sind große Worte gesagt worden, so etwa: Pacta sunt servanda oder man solle auf Mainz dahin gehend einwirken, daß getroffene Vereinbarungen un-
ter soliden Partnern einzuhalten seien. Von uns war doch lediglich gewünscht, daß die Bundesregierung eine allgemeine erläuternde Verwaltungsanweisung zur Verfügung stellt. Die Bundesregierung ist doch sonst mit vielen und sehr ausführlichen Verwaltungsanweisungen nicht zimperlich.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, erlaube ich mir, auf die Entstehungsgeschichte des Kinderbetreuungsfreibetrages hinzuweisen. Bis 1977 konnten nur Familien mit drei und mehr Kindern und Alleinstehende mit mindestens zwei Kindern Aufwendungen für eine Hilfe, Haushaltshilfe oder Hausgehilfin, berücksichtigt bekommen. Gegen diese Beschränkung auf Familien mit mehreren Kindern ist das Bundesverfassungsgericht angerufen worden, und zwar von solchen Personen, die uns überhaupt nicht nahestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Beschwerden weitgehend stattgegeben, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD] — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/ CSU]: Richtig gesehen, Herr Kollege Kühbacher!)

Damit war der Gesetzgeber zu einer gesetzlichen Regelung der steuerlichen Behandlung von Kosten für die Kinderbetreuung verpflichtet. Auch die Bundesregierung durfte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mißachten.
Was will nun der vorliegende Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion? Der Bürger soll von der verwaltungsaufwendigen und unzumutbaren Nachweispflicht entbunden werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

— Oder anders ausgedrückt, Herr Kollege: Aus Vereinfachungsgründen wollen wir den Kinderbetreuungsfreibetrag pauschaliert haben.
Pauschalierungen sind im Steuerrecht zulässig und üblich. Alle Welt redet von Vereinfachungen, und jeder weiß, daß die Pauschalierung einer steuerlichen Vergünstigung eine wesentliche Vereinfachung darstellt. Vor allem im Bereich der Werbungskosten und auch sonst bei den steuerlichen Freibeträgen sind Pauschalierungen üblich.
Da gibt es im Rahmen der Werbungskosten — und daran darf ich Sie noch einmal erinnern — den Sonderfreibetrag für die Geistlichen in Höhe von monatlich 100 DM. Die Journalisten erhalten einen pauschalierten Sonderfreibetrag von 250 DM und — man höre und staune — die Bauchredner und Jongleure einen Sonderfreibetrag von 400 DM monatlich. Die Schlagersänger und — wie es im Text der Lohnsteuerdurchführungsbestimmungen so schön heißt — darstellende Künstler mit solistischen Leistungen erhalten gar einen pauschalierten Freibetrag von 500 DM monatlich. Die Unkostenpauschale der Bundestagsabgeordneten, meine Damen und Herren, darf in diesem Zusammenhang eigentlich auch nicht unerwähnt bleiben. Daran erinnert gelegentlich nur einmal der Bund der Steuerzahler. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie allesamt einer solchen Pauschalierung zugestimmt haben.



Frau Will-Feld
Pauschalierungen sind aber auch im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen im Ertragsteuerrecht üblich. Die Freibeträge für die auswärtige Unterbringung von Kindern oder die Freibeträge für Schwerbeschädigte mit geminderter Erwerbsfähigkeit sind nur einige Beispiele.
Meine Damen und Herren, was den Bauchrednern gewährt wird, wird für Kinder nur wegen eines fanatischen Ideologiestreites abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Abschließend noch eine Bemerkung: Am 15. Januar 1980 sind die Steuerentlastungswünsche des DGB veröffentlicht worden. Auch dort wird vom Beispiel „unsozialer Freibeträge für Kinder" gesprochen. Aber man höre und staune: Der DGB verlangt gleichzeitig — und ich sage gar nicht, daß ich dagegen bin, damit Sie mich nicht falsch verstehen — die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrages von 400 auf 1 000 DM für die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. In diesem Fall gilt anscheinend nicht, daß höhere Einkommen durch Freibeträge mehr entlastet werden als niedrige Einkommen. Was ist dies doch für eine Welt? Ministern, Abgeordneten, Vorstandsmitgliedern und — lassen Sie es mich so salopp sagen — Striptease-Tänzerinnen werden Vergünstigungen gewährt, während diese steuerlichen Vergünstigungen für Kinder dagegen versagt werden.
Ich bitte also, doch noch einmal Ihr Votum zu dem vorgelegten Gesetzentwurf überlegen zu wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819928400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rapp.

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0819928500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst aufklären, was es mit den unterschiedlichen Steuerausfallschätzungen auf sich hat, die Frau Will-Feld hier genannt hat. Die Zahlen erklären sich wie folgt. Nach Ihrem Vorschlag würde der Steuerausfall 3,9 Milliarden DM betragen, nach unserem, dem geltenden Gesetz, eine halbe Milliarde DM. Die Differenz sind just jene 3,4 Milliarden DM, die genannt wurden. Das Zahlenwerk ist in sich schlüssig; es liegt überhaupt kein Widerspruch vor.
Meine Damen und Herren, bei der ersten Lesung des anstehenden Gesetzentwurfs haben Sprecher der Opposition in dankenswerter Offenheit deutlich gemacht — Herr Schäuble hat es getan, andere per Zwischenruf —, daß man sich unter dem Stichwort „Kinderbetreuungsbetrag" im Grunde auf ein Scheingefecht einläßt. In Wirklichkeit geht es der Opposition um die Wiedereinführung des progressionswirksamen Kinderfreibetrages, hier zunächst — ich wiederhole das — durch die Hintertür und in Gestalt eines nachweisfreien, d. h. voll pauschalierten Betreuungsfreibetrags von 1200 DM und dann morgen — der Gesetzentwurf steht bereits auf der Tagesordnung — durch die Vordertür mit einem nicht kaschierten Freibetrag in Höhe von 300 DM. So pirscht sich die Opposition listenreich an ihr Ziel heran, wohl in der Erwartung, man bemerke zunächst nur die Bewegung und nicht auch gleich die
Bewegungsrichtung; denn die Bewegungsrichtung ist nach rückwärts gewandt.

(Beifall bei der SPD)

Die bessere Einsicht, die die Opposition 1974 bei der Einführung des einheitlichen Kindergeldes hatte, scheint dahin zu sein. Es ist dies freilich nicht das einzige Indiz für einen ideologischen Schwenk der CDU in — ich formuliere es einmal so — in die formierte Gesellschaft. Denn die progressionswirksamen Kinderfreibeträge sind Platzzuweisungen im gesellschaftlichen Gefüge für unten und oben.

(Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/ CSU)

Es ist klar, daß wir Sozialdemokraten diesen Gesetzentwurf ablehnen. Wir versagen ihm unsere Zustimmung auch aus formalen und stilistischen Gründen. Die Oppositionssprecher haben bei der ersten Lesung u. a. gesagt, ein solches Gesetz sei erforderlich, um die gleichmäßige Rechtsanwendung des Kinderbetreuungsbetrages sicherzustellen. Nun, wer ist denn schuld daran, daß es zu einer ungleichen Rechtsanwendung gekommen ist? Diese haben wir ja in der Tat. Schuld daran sind die CDU/CSU-regierten Bundesländer, die weit auslegende und somit dem Willen des Bundesgesetzgebers nicht entsprechende Rechtsvorschriften erlassen haben. Immerhin macht die CDU/CSU-Fraktion mit ihrer Gesetzesvorlage — vielleicht unbeabsichtigt — deutlich und klar, daß sich die Finanzverwaltungen der B-Länder insoweit Gesetzgebungsbefugnis angemaßt haben. Zu diesem Ergebnis kommt die Opposition freilich nur, wenn sie nun ihrerseits vom damaligen Vermittlungsergebnis abrückt. Es ist schon eine tolle Sache, hier ein Gesetz vorzuschlagen, durch das ein geltendes Gesetz an zwischenzeitlich ergangene Verwaltungsvorschriften angepaßt werden soll. Man stelle sich einmal vor, wir hätten so etwas öfter: welche Folgen hätte das für die Demokratie und für die Rechtsstaatlichkeit?

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819928600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von der Heydt?

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0819928700
Herr Präsident, verlängern Sie mir die Zeit? Zehn Minuten sind schnell um, und diese Ampelmaschinerie macht einen ja zusätzlich nervös.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819928800
Über Zwischenfragen können keine Vereinbarungen mit dem Präsidenten geschlossen werden. Es liegt völlig bei Ihnen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen oder nicht.

Heinz Rapp (SPD):
Rede ID: ID0819928900
Dann leider nicht; ich habe einen sehr dichten Text.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das haben wir bisher gehört!)

Mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs hat die Opposition das Vertrauen in die Beständigkeit einer im Vermittlungsausschuß getroffenen Absprache enttäuscht. Es ist ein absonderlicher und bemerkenswerter Vorgang, wenn sie nun vorgibt, auf diese



Rapp (Göppingen)

Weise Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit herstellen zu wollen. Entstehungsgeschichte, Gesetzeswortlaut und die zugrunde gelegten Steuerausfallschätzungen — davon war die Rede — sprechen klar dafür, daß der Wille des Bundesgesetzgebers auf eine enge Auslegung und Handhabung des Kinderbetreuungsbetrages gerichtet war. Zunächst war an eine halbe Milliarde DM Steuerausfall gedacht. Ihr Gesetzentwurf brächte, wie erwähnt, 3,9 Milliarden DM Steuerausfall. Nein, meine Damen und Herren, eine allgemeingültige Verwaltungsvorschrift ist einfach deshalb nicht zustandegekommen, weil die Opposition, wie gesagt, letztlich etwas anderes will, nämlich den alten Kinderfreibetrag mit Progressionswirkung. Offensichtlich war im damaligen Vermittlungsergebnis ein Dissens versteckt worden.
Mit ihrer von der Rechtsauffassung des Bundesfinanzministers abweichenden Verwaltungsvorschriften haben die B-Länder auch gegen eine BundLänder-Vereinbarung aus dem Jahre 1969 verstoßen. Die Bundesregierung dürfte sich wohl genötigt sehen, diesen Vorgang und diesen Sachverhalt gerichtlich prüfen zu lassen. Nun hat der Versuch der Opposition zur Umdeutung des Kinderbetreuungsbetrages in einen Kinderfreibetrag insofern auch sein Gutes, als es damit uns Sozialdemokraten erleichtert wird, auch unsererseits vom Kinderbetreuungsbetrag abzurücken, der uns beim letzten Steuerpaket aufgezwungen worden ist und den wir. ja nie gemocht haben. Wir haben 1974 — mit Ihrer Stimme, meine Damen und Herren von der Opposition — durchgesetzt, daß das Kind des kleinen Mannes dem Staat nicht weiterhin weniger als das Kind des reichen Mannes wert sein soll. Sie waren mit dabei, und nun kommen Sie heute mit den Parolen von Klassenkampf und Gleichmacherei. Dieser Vorwurf beeindruckt uns in diesem Zusammenhang überhaupt nicht. Nach unserem Verständnis einer an der gleichen Menschenwürde aller orientierten Politik ist Ungleichheit mindestens genauso beweispflichtig wie sozialstaatlicher Ausgleich. Den Beweis für die Richtigkeit einer Norm, die ausgerechnet Kinder ungleich macht und ungleich behandelt, müßten Sie uns erst noch liefern.

(Beifall bei der SPD)

Der Einwand, die Opposition wolle den Kinderfreibetrag zusätzlich zum Kindergeld, Frau Will-Feld, ist nicht glaubwürdig. Wie soll Sie das denn finanzieren: 3,9 Milliarden DM für diesen kaschierten Kinderfreibetrag, morgen viel Geld für den offenen Kinderfreibetrag, dazu dann das Kindergeld und alle anderen gebotenen Leistungen? Dies ist nicht glaubwürdig. Wenn Sie uns wegen unserer Ablehnung der Progressionswirkung sozialen Neid vorwerfen, dann zeigt das nur, daß Sie nie begriffen haben, in welchem Maß die Errungenschaft des einheitlichen Kindergeldes gerade Menschen an unseren Staat herangeführt hat, die vielleicht eine zu ihren Lasten gehende Ungleichheit der Einkommen noch verstehen können, nicht aber Verständnis dafür aufbringen, daß aus niedrigem Einkommen auch noch Nachteile bei den Kindervergünstigungen folgen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin bestürzt darüber, daß die Opposition nicht zu begreifen scheint, was sie im Bewußtsein der Menschen anrichten würde, wenn sie dem kleinen Mann zu all seiner sonstigen Mühsal hinzu noch die andere, bittere Erfahrung aufbürdete, daß sein Kind dem Staat weniger als das Kind des reichen Mannes wert ist.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Herr Rapp, das geht doch völlig am Thema vorbei!)

Es widerstreiten sich hier zwei Prinzipien, die bis in Unterschiede des Familienverständnisses hineinreichen. Dies muß hier offengelegt werden. Oppositionssprecher — auch Sie, Frau Will-Feld — bringen immer wieder vor, daß z. B. auch der Weihnachtsfreibetrag eine progressive Wirkung habe, und deshalb könne eine solche Wirkung beim Kinderfreibetrag doch nicht von Übel sein. Sie übersehen dabei, daß Sie auf diese Weise das Kind — den Tatbestand Kind, technokratisch gesprochen — der Einkommensentstehung zuordnen und dort nach der Art von Werbungskosten oder Betriebsausgaben als berücksichtigungsfähigen Kostenfaktor zur Geltung bringen.

(Beifall bei der SPD — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Als Belastung! — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/ CSU]: Sie verstaatlichen das!)

Wir sind statt dessen für den Familienlastenausgleich. Wir finden, daß der Weg, der dahin führt, der Würde des Kindes besser gerecht wird als diese Art, das Kind der Produktionssphäre zuzuordnen.

(Beifall bei der SPD)

Im Familienlastenausgleich ist nur ein einheitliches oder allenfalls ein kompensatorisches Kindergeld möglich und zumutbar, wogegen progressionswirksame Kinderfreibeträge den Mehraufwand für das Kind des reichen Mannes, der ja seine Ordnung hat, der Allgemeinheit aufbürden.

(Beifall bei der SPD)

Das Kindergeld läßt die Mehraufwendungen auf Grund höheren Lebensstandards, die ihre Berechtigung haben, die Sache dessen bleiben, der sich ohnehin des höheren Lebensstandards erfreut.
Wir sind — dies ist das Fazit — vor allem deshalb gegen den vorliegenden Gesetzentwurf der Opposition, weil letztlich au ch wir vom Kinderbetreuungsbetrag wegkommen wollen, freilich in eine andere Richtung als die Opposition. Wir wollen hin zum Familienlastenausgleich, wie wir hoffen, künftig in der Gestalt des progressionsneutralen Kindergrundfreibetrages, und die Opposition will hin zum progressionswirksamen Kinderfreibetrag. Das sind unterschiedliche Weichenstellungen. Deshalb stimmen wir gegen den Gesetzentwurf der Opposition.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819929000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Jetzt kommen die Liberalen!)





Eckhard Schleifenbaum (FDP):
Rede ID: ID0819929100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Bedenken, die in der ersten Lesung am 20. September 1979 vorgetragen wurden, haben sich in den Beratungen der Ausschüsse bestätigt. Denn wir haben es hier mit Steuermindereinnahmen von 3,4 Milliarden DM zu tun; es handelt sich de facto um die Wiedereinführung des Kinderfreibetrags, nämlich um die Begünstigung höherer Einkommen,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

und es handelt sich schließlich um die Verballhornung des Begriffs „außergewöhnliche Belastungen" in § 33 des Einkommensteuergesetzes: Danach sind außergewöhnliche Belastungen „zwangsläufig größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse entstehen", und daran ist eine Nachweispflicht gebunden.
Bekanntlich soll der vorliegende Gesetzentwurf ein Gesetz ändern, das erst vor wenigen Tagen wirksam geworden ist und das uns die CDU/CSU-Fraktion im Vermittlungsverfahren aufgezwungen hat. Wir beanstanden den Versuch der CDU/CSU-Fraktion, durch einen gesetzgeberischen Zickzackkurs im Vermittlungsverfahren getroffene Vereinbarungen zu konterkarieren, den Steuerzahler zu verwirren und die Steuerverwaltung zu erschweren.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Sie haben bei der Einbringung Ihres Gesetzentwurfs zur Begründung u. a. wohlklingend angeführt: Steuervereinfachung, Entbürokratisierung, familienpolitische Gerechtigkeit, Steuerehrlichkeit, gleichmäßige Rechtsanwendung im Bundesgebiet. Das sind alles hehre Ziele, die wir hier alle gemeinsam vertreten sollen.
Was ist im einzelnen dazu zu sagen, was Ihre Initiative betrifft? Es ist weder Steuervereinfachung noch Entbürokratisierung, ein klares Gesetz durch ein unsystematisches Gesetz zu ändern.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der demagogische Ruf nach Steuervereinfachung durch Abschaffung von Belegen als Nachweis für Aufwendungen steht eher einer Steuerverweigererpartei zu als einer verantwortlichen, an die Regierung strebenden Opposition.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ihr Gesetzentwurf hätte geradezu exemplarische Ungerechtigkeiten zur Folge. Denn Sie wollen mit der Gießkanne Kinderbetreuungskosten ohne Nachweis zugestehen, ob sie nun z. B. bei der alleinstehenden berufstätigen Mutter mit Kind tatsächlich als außergewöhnliche Belastung im wahrsten Sinn des Wortes drückend entstehen oder ob sie bei einer intakten Ehe, in der die Mutter als Hausfrau die Betreuung der Kinder übernommen hat, nicht oder kaum vorhanden sind. Ihr rhetorisch vorgebrachtes Anliegen der gleichmäßigen Rechtsanwendung im Bundesgebiet kann nun wirklich keiner mehr ernst nehmen. Den Versuch der Bundesregierung, durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift
gerade diese gleichmäßige Rechtsanwendung zu garantieren, haben Sie doch selber unterlaufen, nämlich erstens durch die faktische Ablehnung am 30. November 1979 im Bundesrat, indem Sie die Zustimmung nur mit der Maßgabe gegeben haben, daß die Hälfte des Höchstbetrags regelmäßig anerkannt wird, womit Sie das praktisch abgelehnt haben, und zweitens durch Verwaltungsanweisungen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg, die dem Gesetz und der Bund-Länder-Vereinbarung vom 16. Dezember 1969 widersprechen, wie Herr Rapp schon gesagt hat.
Damit entpuppt sich Ihr Gesetzentwurf als unseriöse Wahlkampfattrappe. Das sieht man schon an dem, was Frau Will-Feld soeben gesagt hat, als sie Stripteasetänzerinnen mit Kindern verglich. Striptease ja, Kinder nein — so einfach kann man sich das nicht machen, selbst wenn man akzeptiert, daß Aufwendungen für die Berufskleidung von Stripteasetänzerinnen ja pauschaliert werden könnten, Kinderbetreuungskosten oder Aufwendungen für die Kinderbetreuung aber durchaus differenziert zu sehen sind. Unseriös ist Ihr Entwurf auch deshalb, weil die Mehrkosten von 3,4 Milliarden DM ohne Dekkungsvorschlag unterschoben werden sollen und weil die Mehrkosten angesichts der Notwendigkeit, die Verschuldung des Bundes herunterzufahren, nicht mehr in den Rahmen des Haushalts 1980 passen. Eine Attrappe ist der Entwurf deshalb, weil Sie selbst nicht geschlossen hinter dem Gesetzentwurf stehen. Denn weder das Steuerentlastungsgesetz 1980 des Bundesrates enthält diesen Vorschlag noch das am 12. Dezember von Herrn Strauß vorgelegte Steuerprogramm spricht davon. Im übrigen muß sich ja noch erweisen — die Debatte beginnt morgen —, ob die Bundesratsinitiative oder das „Straußen-Ei” eine Attrappe ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Denn es handelt sich ja bekanntlich um nicht identische Initiativen der Union.
Abschließend möchte ich nicht verhehlen, daß das ab 1. Januar 1980 geltende und mit wesentlicher Beteiligung der Opposition entstandene Gesetz über den Abzug der Kinderbetreuungskosten nicht als Ei des Kolumbus anzusehen ist. Sollte das Gesetz so bestehenbleiben, müßte bezüglich einer Teilbestimmung die Verfassungskonformität überprüft und gegebenenfalls durch ein Steueränderungsgesetz hergestellt werden — nämlich betreffend die Möglichkeit, daß ein Alleinstehender, der keine Unterhaltsansprüche hat und verwitwet ist, den vollen Steuerbetrag geltend machen kann, aber ein Alleinstehender, der Unterhaltsansprüche hat, nur den halben Steuerbetrag geltend machen kann, ohne daß etwa der Unterhaltsverpflichtete die andere Hälfte bekommt.
Ich würde mich nicht dagegen wehren, das ganze Gesetz im Rahmen einer Erhöhung des Kindergeldes und der Einführung eines Kindergeldzuschlages für die ersten Monate nach der Geburt eines Kindes wieder abzuschaffen. Als Interimslösung können wir uns eine flexible Handhabung durch Anerkennung einer Nichtbeanstandungsgrenze von etwa 400 DM, also eines Drittels des Höchstbetrages, und



Schleifenbaum
durch großzügige Anwendung des Prinzips der Glaubhaftmachung vorstellen.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion verbessert an dem geltenden Gesetz nichts. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819929200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Der Ausschuß empfiehlt Ablehnung des Gesetzentwurfs. Ich rufe Art. 1 bis 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit. Das Gesetz ist damit in zweiter Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 84 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung und Abstimmung.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3502 unter Ziffer 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch, dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir fahren jetzt in der unterbrochenen Beratung zu Tagesordnungspunkt 2 fort: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Familienförderung — Drucksache 8/ 3143 —, Entwurf eines Bundesfamiliengeldgesetzes — Drucksache 8/3443 —, Entwurf eines Familiengeldgesetzes — Drucksache 8/3577 — sowie Dritter Familienbericht — Drucksachen 8/3120 und 8/ 3121.
In der Aussprache hat Frau Abgeordnete Geier das Wort.

Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0819929300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gerade ein Jahr her, daß ich im Rahmen der Haushaltsdebatte eine sehr kritische Analyse der Problemfelder unserer Familie, unserer Kinder und unserer Jugendlichen vorgenommen habe. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, daß aus den Reihen der SPD empörte Zwischenrufe kamen, weil Sie einfach nicht wahr haben wollten — heute hat sich gezeigt, daß Sie es immer noch nicht begriffen haben —, daß das geistige Umfeld, die falsche Wertorientierung und die ungenügenden finanziellen Unterstützungen die Hauptursache für die Krise in der Familienpolitik sind.
Der vorliegende Dritte Familienbericht zeigt genau dieselben Gründe auf. Er warnt vor weiterer Fehlbeurteilung, und er zeigt auch Wege zur Beendigung dieser Fehlentwicklungen auf. Der Bericht ist ein ganz hervorragendes, realitätsbezogenes Gutachten von Fachleuten, die den Mut hatten, keinen Gefälligkeitsbericht für die Regierung zu schreiben. Sie hatten sich vielmehr das Ziel gesetzt, die Politiker und die Gesellschaft durch die ungeschminkte Wahrheit wachzurütteln, um die bedrohliche Familiensituation zu ändern.
Leider ist heute morgen von Ihren Rednern kaum einer auf den Bericht selbst eingegangen. Man muß annehmen, Sie empfinden denselben als Kritik. Das würde ich sehr bedauern. Dafür haben aber Herr Kuhlwein und auch Herr Fiebig sozusagen Tagesglanzreden gehalten. Auf einige Ihrer Äußerungen muß man ganz einfach eine Antwort geben, weil sie ein total falsches Bild von den familienpolitischen Zielen der Union geben.
Herr Kuhlwein, Sie haben zunächst gesagt, zu Adenauers Zeiten hätten die Familien weniger Geld zur Verfügung gehabt und auch weniger Kindergeld bekommen. Sie gehören doch zu der Generation, die das Rechnen noch nicht mit der Mengenlehre gelernt hat. Dann müßten Sie doch auch wissen, daß Sie heute das Dreifache für Miete, daß Sie heute mehr für Kleider ausgeben müssen und daß Sie die Inflation einbeziehen müssen. Ein praktisches Beispiel: Über die Weihnachtsferien waren meine Kinder und Enkel bei mir zu Hause. Da ist mir bewußt geworden — ich habe das selbst kaum begreifen können —, daß dasselbe Kindernahrungsmittel, mit dem meine Tocher aufgezogen worden ist und mit dem nun meine Tochter auch ihr Kind wiederum ernährt, heute genau viereinhalbmal soviel kostet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie den Unterschied nicht begreifen, ist Ihnen wirklich nicht mehr zu helfen. Dann sollten Sie aufhören, in der Familienpolitik mitzuarbeiten. Wenn Sie schon Blindekuh spielen wollen, dann tun Sie es mit sich selbst, aber nicht mit dem deutschen Volk oder dem Bundestag.
Außerdem habe ich den Eindruck, daß Sie, Herr Kuhlwein, eine ganze Menge wissenschaftlicher Literatur gelesen haben. Dazu haben Sie uralte Zeitungen genommen, haben beides zusammengemengt und daraus eine Rede a la. Gusto Kuhlwein gebastelt, an deren Ende stehen mußte: Um Himmels willen, diese CDU/CSU gehört ja in die graue industrielle Vorzeit, die macht eine Familienpolitik, das kann man heute keinem Menschen mehr zumuten.
Dann sind Sie mal wieder mit Ihrem üblichen Bayern- bzw. Strauß-Komplex aufgetreten. Bislang haben Sie uns damit nur im Ausschuß unterhalten. Aber wenn Sie diese Auftritte jetzt auch auf das Plenum übertragen, nehme ich fast an, daß es sich um eine Krankheit handelt.
Wenn Sie uns fragen, Herr Kuhlwein, wo denn für uns die Grenzen des Erziehungsgeldes liegen, muß ich Ihnen antworten, daß wir uns in unserer Familienpolitik und auch hinsichtlich der Erziehung der Kinder an den medizinischen und erziehungswissenschaftlichen Eckdaten orientieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie sich die einmal richtig ansehen würden, könnten Sie eine solche Frage gar nicht stellen. Dann wäre Ihnen nämlich klar, daß in einem Dreijahreszyklus — die ersten drei Jahre, dann bis zum sechsten Jahre, dann bis zum neunten Lebensjahre — eine geschlossene Entwicklungsphase vorliegt. Man nennt das Entwicklungsblock. Dem muß man



Frau Geier
von der Psyche des Kindes her sehen und Rechnung tragen und nicht mit ideologisch vorfixierten Menschenbildern, wie Sie sie heute morgen dargestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann fragten Sie uns, ob wir denn auch gegen Kindergärten seien. Das ist ganz einfach ein Witz. In den CDU-regierten Ländern sind früher und mehr Kindergärten ausgebaut worden als in den SPD-regierten Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sehen Kindergärten als eine nach dem dritten Lebensjahr notwendige Miterziehungseinrichtung an, weil das Kind dann nämlich auf Umwelteinflüsse reagieren lernen muß. Es muß lernen, mit anderen Kindern auszukommen, und es muß auf die Schule vorbereitet werden. Deshalb würden wir im Familienprogramm nie auf den Kindergarten verzichten.
Am liebsten würde ich jetzt gleich die Rede von Herrn Fiebig behandeln, denn die war genauso „gut" wie die von Herrn Kuhlwein. Nur eines, Herr Fiebig — wenn ich noch Zeit habe, werde ich nachher auf dieses Thema mehr eingehen —: Wenn Sie uns vorwerfen, wir wollten die Krankenkassen zu familienpolitischen Ausgaben mißbrauchen, muß ich Ihnen sagen, daß ich es für einen größeren Skandal halte, daß Sie dieselben Krankenkassen aus den Solidarbeiträgen der Mitglieder mit mehr als 200 Millionen DM jährlich für Abtreibungen belasten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, wir sollten uns auf allen Seiten weder ärgern noch freuen, weil wir von der CDU/CSU eine Bestätigung unserer Vorschläge finden. Wir sollten dankbar für dieses Instrumentarium sein, und wir sollten versuchen, daran zu lernen.
Wir haben uns deshalb gefreut, als dieser Bericht vorlag, weil wir angenommen haben, daß Sie auf der Grundlage dieses unabhängigen Gutachterberichts eher in der Lage wären, Ihre familienpolitischen Konzeptionen etwas zu ändern. Aber anscheinend haben wir uns getäuscht, denn Ihre Debattenbeiträge heute morgen hatten genau das Gegenteil bewiesen. Sie befanden sich in Ihren Reden ständig in der Defensive und haben sich permanent verteidigt. Das muß doch auch einen Grund haben.

(Hauck [SPD]: Wir haben Leistungen vorgezeigt, Frau Geier!)

— Wir wollen Ihre Leistungen gar nicht mindern. Das hat heute morgen auch niemand getan. Die Rede von Frau Wex war einwandfrei und klar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie hat sogar noch gesagt, daß sie anerkennt, daß Sie das Kindergeld erhöht haben. Sie müssen schon zuhören

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das können die doch nicht!)

und nicht hier Ihre vorfabrizierten Reden halten.
Tatsache ist doch, daß bislang - in diese Aussage schließe ich auch die 60er Regierungsjahre von CDU
und SPD mit ein — die Familie mehr schlecht als recht von dem leben mußte, was in anderen politischen Bereichen übriggeblieben ist. Das beruht nicht allein auf einem Versagen der Familienministerin; das war auch ganz einfach aus dem untergeordneten Stellenwert heraus zu erklären, den die Familie in der derzeitigen Gesellschaft einnimmt.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Und in der Regierung selbst!)

Ich bin der Meinung: Wenn man der Regierung sagt, sie mache etwas falsch, dann muß man ihr auch sagen, was sie falsch macht und wo sie Fehlentscheidungen trifft. Wir bedauern sehr, daß Sie, Frau Minister, es nicht geschafft haben — im Kabinett nicht und in der Partei nicht; anscheinend ist ihre Stellung nicht sehr stark —, die Familie von ihrem untergeordneten Stellenwert innerhalb der politischen Ressorts zu befreien.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)

Ich möchte aber gleich hinzufügen: Die stiefmütterliche Behandlung in finanzieller Hinsicht ist absolut nicht der einzige und vor allen Dingen auch nicht der primäre Grund für die Lage der Familie heute. Aber mit finanziellen Mitteln kann man schneller Hilfestellung geben als über den Weg einer — allerdings sehr notwendigen — Änderung der modernen Wertvorstellungen, denn ein solcher Umstellungsprozeß bedarf eines längeren Zeitraums. Dieses Nachdenken über die Grundwerte des Lebens muß aber unbedingt kommen, und es muß jetzt schon für die Familien begonnen werden; denn ein Wiederherstellen von größerer Anerkennung der Familie und ihrer Leistung ist das Wichtigste, um die Krise der Familie von heute zu bewältigen.
Gehen wir also realitätsbezogen vor und beginnen mit der Lösung des finanziellen Problems. Das geht natürlich nur in einem Stufenprogramm. Etwas anderes haben wir nie gesagt. Wir werden mehr als 20 Milliarden DM zulegen müssen, wenn wir dieses Stufenprogramm schließlich realisieren wollen. Ich sehe, Herr Hauck nickt, wir sind uns da einig.

(Hauck [SPD]: Wieviel Jahre?)

Wir begrüßen es, daß die Koalition erkannt hat, daß es unbedingt erforderlich ist, jetzt schon mit mehr Geld einzusteigen. Sie haben nun doch noch 6 bis 7 Milliarden DM mehr genehmigt. Das schien Ihnen im vorigen Frühjahr noch nicht möglich. Wir freuen uns über Ihre Entscheidung.
Es ist jedoch bezeichnend, daß nicht die Familienministerin nach Bekanntwerden des Familienberichts die Kommission der SPD zur Überprüfung der Lage der Familien eingerichtet hat, sondern Herbert Wehner. Wir sind froh, daß diese Kommission gearbeitet hat und daß sie bereits ein Ergebnis vorzeigt. Wir wissen aber auch, warum, und jeder weiß es: Herbert Wehner — das ist keine Kritik, Herr Wehner — ist nun einmal der größte Wahltaktiker der SPD, und er reagiert wie ein Seismograph, wenn Gefahr im Verzug ist und wenn ihre Regierung bisher begangene Wege nur noch unter öffentlichen Protesten fortsetzen könnte.



Frau Geier
Wenn wir den Anlaß auch nennen, so sind wir doch, wie gesagt, froh, daß auch bei Ihnen jetzt die bessere Einsicht da ist. Jetzt müssen wir nur noch miteinander ringen, wie wir sie familiengerecht einsetzen. Da scheiden sich die Geister. Das Erziehungsgeld und die steuerliche Entlastung der Familien scheinen in den Lagern von SPD/FDP und CDU/CSU sehr unterschiedlich betrachtet zu werden. Wir wollen das Geld in erster Linie den Familien selbst zur freien Disposition zur Verfügung stellen, weil wir die Menschen nicht bis ins letzte Detail reglementieren wollen. Jede Lösung, die der Staat als institutionellen Familienersatz oder als bezahlten Mutterersatz anbietet, kann nur die zweitbeste Lösung sein.

(von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Zweitund drittbeste!)

Politiker sollten voneinander lernen. Das hat Carlo Schmid in einem Untertitel in seinem Buch sehr deutlich herausgestellt. Deshalb sollte man nicht so miteinander umgehen, wie das der Herr Kuhlwein mit unwahren Unterstellungen heute morgen versucht hat. Wir sollten uns immer fragen: Warum will der politische Gegner in die andere Richtung? Ich habe mich gefragt, warum Sie die Familienpolitik anders lenken wollen. Die CDU hat sich sehr gründlich damit befaßt.
SPD und FDP wollen eine Familienpolitik, bei der sich die Familie nach der Arbeitswelt zu richten hat. Wir wollen eine Familienpolitik, bei der sich die Arbeitswelt nach der Familie richten sollte. Deshalb machen wir der Frau Minister einen weiteren Vorwurf: sie hat es in all den Jahren nicht fertiggebracht, eine Kommission auf die Beine zu stellen, diese einem Staatssekretär anzuvertrauen, ein Zeitlimit zu setzen und dann im Verbund mit den relevanten gesellschaftlichen Gruppen — das sind die Kirchen, das sind die Familienverbände, das sind die Gewerkschaften und die demokratischen Parteien — ein Konzept zu erarbeiten, das die Regierung der Öffentlichkeit vorstellt und über das Sie, Frau Minister, dann mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern sprechen sollten. Wenn wir es nicht fertigbringen, die Zeitabläufe der Arbeitswelt so zu gestalten, daß Mütter sich neben der Familie auch noch in der Arbeitswelt betätigen können, dann nützen alle unsere Gelder nichts, die wir für Familien ausgeben, denn dann haben wir am verkehrten Ende angefangen.
Ich möchte nun auf den Familienbericht eingehen, und zwar auf seine Aussagen über die öffentliche Armut. Gerade hier hat die Regierung am empfindlichsten reagiert, und deshalb muß man sich fragen: warum? Es ist interessant, Sie Frau Minister meinen, öffentliche Armut gebe es gar nicht so, wie es im Bericht dargestellt werde. Frau Huber hat heute morgen auch versucht, uns zu erklären, daß das Einkommen der Familien mit Kindern wesentlich stärker gestiegen sei als das Einkommen der kinderlosen Ehepaare.
Sehr verehrte Frau Minister, ich will Sie jetzt nicht an die Geschichte mit Herrn Kuhlwein und der Mengenlehre erinnern; denn Sie sind zu einer Zeit in die Schule gegangen, als man noch richtig rechnen gelernt hat. Aber für Sie gilt das gleiche wie für Ihre Fraktionsredner. Ein kinderloses Ehepaar hat seine Ausgaben für Kleidung, Essen, Wohnung usw. zweimal; eine kinderreiche Familie hat dieselben Ausgaben vier- oder fünfmal. Deshalb stimmt doch Ihre Rechnung nicht. Ihre Ausführungen sind nur eine Verharmlosung der wirklichen Situation und dienen dazu, der Öffentlichkeit darzustellen, daß Sie unheimlich viel getan hätten. Sie haben an Kindergelderhöhung etwas getan, aber lange noch nicht so viel, daß Familien eine entsprechende Aufwertung oder ausreichende finanzielle Entlastung bekommen hätten, um sich mit nicht verheirateten oder sonstwie zusammenlebenden Paaren ohne Kinder auch nur annähernd messen zu können.
Im Familienbericht liest man weiter, daß sich die öffentliche Armut in zwei Bereichen zeigt: Finanziell benachteiligt sind nicht nur die Familien mit mehreren Kindern, sondern hier wird noch von einer anderen Armut, der „sekundären Armut", gesprochen. Diese entsteht aus einem überzogenen Anspruchsverhalten unserer ganzen Gesellschaft, dem auch wir hier alle unterliegen. Sekundäre Armut hat nichts, aber auch gar nichts mit der direkten Not zu tun, sondern im Bericht wird festgestellt — ich zitiere —, „die subjektiven Vorstellungen, das eigene Einkommen gestatteten keine als ausreichend angesehene Bedarfsdeckung". Man liest dann weiter: „Die Ansprüche an den Konsum werden immer höher und wachsen schneller als die individuell verfügbaren Mittel.
Das Dilemma in sehr vielen jungen Familien ist, daß man diese Ansprüche befriedigen will und dann auf den Kreditmarkt geht. Dann lebt man zwar im Augenblick besser, man kann sich etwas leisten, man kann diese oder jene Reise machen; aber hinterher muß man das mit Zins und Zinseszinsen wieder zurückzahlen, dann entsteht eine enorme Belastung, und hinterher müssen beide Ehepartner mehr arbeiten als vorher. Dieses Mehr-Arbeiten-Müssen — es kommt noch Schwarzarbeit und anderes hinzu, nur um das Geld für die Rückzahlung aufzubringen — geht dann zu Lasten der Familien. Da kann man sich natürlich kein Kind leisten, selbst wenn man es wollte, oder man kann sich nur ein Kind leisten, weil man sonst in seinen Schulden erstickt.
Sehen Sie, zu solchen Entwicklungen müßte eigentlich die Familienministerin jede Woche einmal in der Öffentlichkeit Stellung nehmen, und sie müßte sagen, wohin eine solche Entwicklung führt, nämlich zu einem immer höheren Maß an materieller Lebensqualität auf Kosten des Familienklimas. Sicher sagen Sie zu Recht: Das ist doch Privatsache.

(Hauck [SPD]: Das ist doch eine freie Gesellschaft, in der wir leben, eine Marktgesellschaft!)

— Moment! Ich habe ja nicht verlangt, Herr Hauck, daß Frau Minister ein Gesetz machen und die Menschen in irgend etwas hineinzwingen soll. Das wäre das Letzte. Aber die Frage ist doch, ob ich über eine solche Situation überhaupt nicht spreche und einfach treiben lasse oder ob ich, wenn ich eine solche Negativentwicklung erkenne, versuche, mit allen Möglichkeiten meines Amtes, auch mit der Würde



Frau Geier
und dem Auftrag meines Amtes, bösen Zeitströmungen entgegenzuwirken. Es geht nicht nur um die Abwicklung im Ministerium. Warum soll man — die Frau Ministerin tut es in bezug auf andere Bereiche recht oft und recht gut — nicht auch einmal über diesen Aspekt des Familienberichts, nämlich über die öffentliche Armut, sprechen?
Jetzt komme ich zurück auf Ihr am Arbeitsleben orientiertes Familienhilfsprogramm. Natürlich: Wenn ich davon ausgehe, daß in Zukunft alle Frauen oder der größte Teil der Frauen permanent im Arbeitsprozeß stehen, ohne Erziehungsjahre einzulegen, dann muß ich dafür sorgen, daß eben die dementsprechenden Ersatzeinrichtungen da sind. Ich habe vorhin schon einmal gesagt: Sie bauen Ihre Familienpolitik darauf auf, daß Sie für die Familie immer einen „Ersatz" suchen: die Ersatzkinderkrippe, die Ersatzfamilienmutter, die dann vom Staat bezahlt wird, und zwar sehr teuer.
Nun wundere ich mich, daß Sie schon seit Jahren eben dieses Konzept vertreten, weil Sie sagen: Wir müssen hier dem allgemeinen Trend folgen, und nie dazu sagen, wie Sie das Problem der dann dazu notwendigen Einrichtungen überhaupt meistern wollen. Daß Sie es gar nicht meistern können, wissen Sie genau. Ihre Vorstellungen von Familienpolitik und Kindererziehung sind ähnlich gelagert wie die in der DDR.

(Widerspruch und Pfui-Rufe von der SPD)

— Ich habe gesagt: sind ähnlich gelagert wie die in der DDR, nämlich daran gemessen, daß die Frau ununterbrochen im Arbeitsleben steht. Sonst habe ich gar nichts gesagt. Warum heulen Sie denn schon wieder auf?
- (Zurufe von der SPD)

In der DDR — jetzt lassen Sie mich doch einmal ganz einfach diese Rechnung aufmachen! — gab es im Jahre 1977 251 856 Kin derkrippenplätze für die Geburtenrate innerhalb von drei Jahren: 600 034 Kinder. Dort kommen auf 1 000 Kleinkinder 420 Krippenplätze, also dreißigmal mehr als bei uns zur Zeit. Wenn wir die Vergleichszahl 1977 bei uns nehmen, haben wir 24 790 Kinderkrippenplätze bei einer Kinderzahl innerhalb von drei Jahren von 1 785 701 Kindern. Bei uns kommen auf 1 000 Kinder 14 Kinderkrippenplätze. Wenn Sie jetzt nur diese Zahl bis zum Stand der DDR auffüllen wollten

(Hauck [SPD] und Kuhlwein [SPD]: Das wollen wir doch gar nicht!)

— Moment! — bei einem Investitionskostensatz von 20 000 DM pro Platz, brauchten Sie auf den Anhieb fast rund 15 Milliarden DM. Wenn Sie dann noch die Peronalkosten bei etwa 90 000 notwendigen Erzieherinnen und Betreuerinnen hinzunehmen, meine Damen und Herren, hätten Sie weitere zusätzliche 7,2 bis 7,5 Milliarden DM auszugeben.
Dann kommen Sie und erzählen heute den Leuten, daß Sie jetzt ein ganz fortschrittliches Konzept anbieten — so neu ist das nicht; das wird in den Waldorf-Schulen und sonstwo schon immer praktiziert —, nämlich, in familienähnlichen Gruppen, in den familienähnlichen Ersatzeinrichtungen zu arbeiten. Das ist schon zu begrüßen, wenn nicht mehr nach Alter klassifiziert wird, sondern wenn man den kleinen Kindern sozusagen ein „Ersatzgeschwistererlebnis" zukommen lassen will. Aber immer ist das, was Sie tun wollen, hinten und vorne eben nur ein Ersatz. Dabei wissen Sie genau: Es gibt für die Mutter und den Vater in der Familie überhaupt keinen Ersatz. Deshalb muß man, so meinen wir, den drei Blöcken der Entwicklungsphasen eines Kindes in seinem Frühkindsalter von ein bis drei Jahren in ganz besonders hohem Maße Rechnung tragen. Hier braucht es Liebe und ständige Betreuung der Mutter. Im Ausnahmefall kann auch der Vater die Betreuung übernehmen.

(Kuhlwein [SPD]: Warum denn nur in Ausnahmefällen?)

Erst später, ab drei Jahren, sollte das kleine Kind dann in die zusätzlichen Erziehungseinrichtungen wie Kindergärten gehen.
Wir wollen dieses Erziehungsgeld, damit die Mütter oder Väter, die eben für ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren dasein wollen, nicht ganz die Benachteiligten sind, sondern daß sie dafür eben wenigstens diese 400 DM und ihre Rentenversorgung bekommen. Woher kommt es denn, daß über 72 % der befragten Frauen für dieses Kindererziehungsgeld waren? Wir machen das doch nicht für die Frau Doktor im Krankenhaus und auch nicht für die Frau Juristin, die nach wie vor im Beruf bleiben werden und sich teure Kräfte für den Haushalt leisten können. Aber denken Sie doch einmal an die Frau in der Fabrik.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819929400
Frau Abgeordnete, einen Moment bitte! Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zu Ende zu kommen.

Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0819929500
Ich möchte das nur noch zu Ende führen. — Gehen Sie doch einmal zu der Frau in der Fabrik! Gerade diese sagt Ihnen, daß sie sich für Kind und Erziehungsgeld entscheiden würde. Das entspricht der Meinung eines hohen Prozentsatzes dieser Frauen: Sie sagen, wenn ich 400 DM bekäme, ein erhöhtes Kindergeld dazu hätte,

(Zuruf von der SPD: 500 DM!)

dann würde ich zu Hause bleiben. Mit dem Betrag könnte ich Wenigstens die Miete bezahlen, andere Opfer würde ich gerne für mein Kind bringen.
Wenn Sie also schon meinen, Sie müßten sich mit Ihrer Familienpolitik nur am Arbeitsmarkt orientieren, dann gehen Sie dahin, wo die Mütter in den unteren Lohngruppen arbeiten, und fragen Sie sie. Sie werden Ihnen fast alle sagen, daß sie lieber zu Hause bei ihrem Kleinkind wären als am Arbeitsplatz, daß sie es sich aber finanziell gar nicht anders leisten können, wenn sie keine Hilfe bekommen.

(Hauck [SPD]: Die kriegen doch das Mutterschaftsgeld!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819929600
Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, jetzt noch einen Schlußsatz zu sprechen und dann aufzuhören.




Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0819929700
Ich muß aber noch auf den Zwischenruf antworten.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819929800
Nein, Frau Abgeordnete, bitte sprechen Sie Ihren Schlußsatz!

Erna-Maria Geier (CDU):
Rede ID: ID0819929900
Diese Lösung mit dem Mutterschaftsgeld, Herr Hauck — ich binde das in den Schlußsatz mit ein —, ist ein ganz typischer Beweis dafür, daß Sie nur Geld für die Frau am Arbeitsmarkt ausgeben wollen, aber kein Geld für die Frau, die zu Hause ist, die nur Hausfrau und Mutter

(Zuruf von der SPD: Was heißt „nur"?)

von vielleicht zwei oder mehr Kindern ist. Das ist die Ungerechtigkeit und die Benachteiligung dieser Frauen.
Ich bitte Sie, überlegen Sie sich noch einmal Ihr Konzept, und machen Sie dann mit uns gemeinsam eine Familienpolitik, die sich am Kind und am Menschen orientiert und nicht an einer ideologisch fixierten Traumgestalt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Zugabe!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819930000
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Balser.

Dr. Frolinde Balser (SPD):
Rede ID: ID0819930100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe beinahe den Eindruck, daß die sehr verehrte Frau Vorrednerin so ein bißchen von den hessischen Entwicklungen beeinflußt ist. Es fiel das Wort Waldorfschule, und es wurde gesagt, daß das alles nicht neu sei. Daß die Waldorfschule eine Art Gesamtschule ist, wissen wir alle. Ich bin im übrigen der Meinung, Frau Geier, daß Sie — so glaube ich — der Frau Minister hier nicht unbedingt handhabbare Ratschläge erteilt haben. Wenn sie jedenfalls den vielen Punkten, die von Ihnen etwas sprunghaft kamen, folgen wollte, würde das in der Familienpolitik etwas schwierig sein.
Ich stimme mit Ihnen aber sehr darin überein, daß man aus dem Familienbericht lernen soll. Das wollen wir eigentlich alle tun, nur — so glaube ich — lernt der eine nach der einen Seite hin und der andere nach der anderen Seite; wenn Sie so wollen, nach links und nach rechts.
Ich habe heute bei der CDU/CSU sehr viel Abweichungen festgestellt. Aber bevor ich dazu komme, möchte ich noch eines sagen. Wir stimmen noch in etwas anderem mit Ihnen überein: Sie haben nämlich erwähnt, daß Herbert Wehner als Fraktionsvorsitzender der SPD natürlich die Politik dieser Fraktion wesentlich bestimmt. Vielen Dank dafür, daß Sie das noch einmal ausdrücklich erwähnt haben.
Ich meine nun allerdings, daß es nicht sinnvoll ist, in der Familienpolitik so vorzugehen, daß man alles schwarz malt und immerfort von bedrohlichen Familiensituationen spricht, wie Sie das getan haben. Ich meine hingegen, daß Ihre Überlegungen, daß sich die Arbeitswelt an die Familie anpassen sollte, Überlegungen sind, die wir der CDU/CSU nahebringen möchten.

(Beifall bei der SPD)

Wir warten eigentlich auf den Augenblick, wo Überlegungen zu Arbeitszeitverkürzungen, Teilzeitarbeit und anderes mehr in den Überlegungen Ihrer Fraktion als ein erstrebenswertes Ziel Platz greifen.
Vielmehr ist mir heute -eine Erklärung auf den Tisch gekommen — weil Ihre Fraktion, die CDU/ CSU, ja sicherlich überhaupt ein bißchen unternehmernah ist, kann man das hier vielleicht zitieren —, daß 42 Dortmunder Unternehmer das Mutterschutzgesetz getadelt und erklärt haben, sie würden junge Frauen nicht mehr einstellen.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Das könnte ein Punkt sein, zu dem sich die CDU/ CSU z. B. auch aufgerufen fühlen könnte, dagegen energisch etwas zu sagen.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein Wort zu Ihrer Abschweifung zu den Verhältnissen in der DDR. Ich möchte darauf zurückkommen. Sie haben an anderer Stelle, Frau Kollegin, die DDR als ein Musterbeispiel dafür erwähnt, daß man mit finanzieller Förderung die Geburtenzahl anheben könne. Das mag ja sein. Aber erstens ist es sehr problematisch — das sagt die wissenschaftliche Literatur —, ob das überhaupt so funktioniert, und zweitens sollte uns die DDR hier nicht unbedingt Vorbild sein. Hingegen muß man etwas anderes überlegen. Das ist eine ernsthafte Frage, und ich bitte alle Kollegen, sie mit zu überdenken. Im Familienbericht steht nämlich auch, daß die Situation der berufstätigen Frauen verunsichert wird. Mir scheint, daß die Politik der CDU, wie sie hier in Sachen Familie und Familienbericht vorgetragen wird, erst recht dazu beiträgt, die Situation der berufstätigen Frau, die auch Familienverpflichtungen hat, zu verunsichern,

(Beifall bei der SPD — Hasinger [CDU/ CSU]: Das geht aber zu weit!)

zu verunsichern und sogar noch mit negativen Werten zu belegen — um das noch zu verstärken, Herr Kollege Hasinger. Hingegen scheint mir — das ist meine Frage an uns alle; von außen ist das schwer zu beurteilen —, daß in der DDR das dortige System bei der Möglichkeit, alles zu steuern, absolut ein anderes Klima geschaffen hat, nämlich ein Klima, das die berufstätige Frau so wenig in Frage stellt, daß es dort für alle Frauen ganz selbstverständlich ist, „zur Arbeit zu gehen", und daß die Familie gleichzeitig eine Nische in dieser komischen politischen Gesellschaft bildet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt machen Sie selber das, was Sie kritisiert haben!)

Wir sollten uns das unter dem Gesichtspunkt klarmachen — es ist hier nur kurz auszuführen —, daß man die Tätigkeit von Frauen in und außerhalb des Hauses nicht mutwillig verunsichern sollte.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, daß die Vorstellungen der CDU an einem Punkt nicht zu Ende gedacht sind, auch wie sie hier vorgetragen worden sind, und auch wie sie in dem Gesetzentwurf vorgelegt worden sind. Interessanterweise hat ja der Bundesrat — korrekt — den



Frau Dr. Balser
von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf im Titel verändert. Er heißt inzwischen — nach Bundesrat —„Gesetz über Familiengeld für Nichterwerbstätige". Es muß hier im Hause und außerhalb des Hauses deutlich werden, daß Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der sich ausdrücklich nur auf Nichterwerbstätige bezieht Damit stellen Sie natürlich doch die Situation von an die drei Millionen Frauen in Frage, die gleichzeitig Familienaufgaben wahrnehmen und berufstätig sind.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819930200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hasinger? — Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Albrecht Hasinger (CDU):
Rede ID: ID0819930300
Frau Kollegin Dr. Balser, ist Ihnen nicht ersichtlich, daß unser Gesetzentwurf, der heute zur Debatte steht, ausschließlich die gleichberechtigte Regelung herbeiführen will, die für berufstätige Frauen schon durch ein früheres Gesetz eingeführt worden ist?

(Zustimmung bei der CDU/CSU)


Dr. Frolinde Balser (SPD):
Rede ID: ID0819930400
Herr Kollege, ich habe hier nicht den Debatten folgen' können, die zur Einführung des verlängerten Mutterschutzes stattgefunden haben. Ich habe sie zum Teil nachgelesen. Aber mir ist völlig klar — im Gegensatz wahrscheinlich zu einigen von Ihnen —, daß es sich dabei um unterschiedliche Sachverhalte handelt. Schließlich waren diese Frauen berufstätig und hatten ihre Familien außerdem zu versorgen. Ferner handelt es sich bei dem Mutterschaftsschutzgesetz um eine Art Lohnersatzfunktion. Daher kann man das nicht miteinander vergleichen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie handeln sich doch unter Umständen — vielleicht wollen Sie das ja — in der Öffentlichkeit ein, daß man Sie als eine Partei einschätzt, die nicht modern genug ist, zu überlegen, daß es heute für Frauen mindestens als Wertvorstellung möglich sein muß, Familie und Beruf zu verbinden. Das ist genau das Problem.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie verfehlen die Perspektive für die Zukunft mit dem, was Sie uns hier vorgetragen haben. Sie haben in einem Punkt nicht weitergedacht. Sie vertreten nicht die Erwartungslage der jungen Generation in diesem Punkt. In manchen Äußerungen — nicht von Frau Wex und nicht von anderen — wird Familienpolitik mit Bevölkerungspolitik verwechselt. Vor allem steht bei Ihnen ein materieller Anspruch sehr weit im Vordergrund.
Sozialdemokratische Familienpolitik will die Lebensbedingungen der Familie verändern und die Lage der Kinder verbessern. Das ist einhelliger Wille — eigentlich aller.
Wenn von einer Krise gesprochen wird, ja gesagt wird, die Situation der Familie sei absolut schlecht, muß man auch sehen — wie schon gesagt worden ist —, daß wir mehr verheiratete Paare, mehr Familien haben als jemals zuvor in der Bundesrepublik und in der Geschichte dieses Landes. Wer sich mit
der Geschichte der Familie auskennt, wird wissen, daß früher die Familie das Besondere war und für einen großen Teil der Bevölkerung, das Gesinde, die Landarbeiter, die Gesellen, das Alleinsein die Regel war. Die Familie war etwas ganz Herausgehobenes.

(Broll [CDU/CDU]: Sie verwechseln Ehe und Familie!)

Es ist doch durch soziale Politik gelungen, die Familie zum Normalen zu machen. Wir erkennen das an, schätzen es und wollen es fördern — deswegen die Bemühungen hier.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Ich meine, daß uns Frau Kollegin Wex mit den Überlegungen, die sie hier vorgetragen hat, in dem einen oder anderen Punkt einiges mitgegeben hat, was wir bei den Beratungen berücksichtigen werden.
Sie haben uns aber nicht verraten, wie Sie die verschiedenen Felder miteinander verbinden wollen. Ich zähle sie hier noch einmal auf. Es handelt sich erstens darum, eine Möglichkeit derVerbindung mit Aus- und Weiterbildung zu schaffen, zweitens um das Feld der Berufstätigkeit, drittens um das Feld der Familie und Kindererziehung und viertens um das Feld der Haushaltsführung. Für diese jeweils mögliche Verbindung müssen wir alle miteinander eine Lösung zu finden versuchen.
Ein Kollege von der FDP hat heute morgen gesagt: Wir alle sind noch etwas unsicher gegenüber der Rolle der berufstätigen Frau in unserer Gesellschaft. Das ist mit Sicherheit auch das Ergebnis dieser Debatte. Wir sind hier noch sehr unsicher, und wir müssen versuchen, diese vier Möglichkeiten für jeden zu eröffnen.
Damit komme ich zu einem weiteren Aspekt, der im Familienbericht Berücksichtigung gefunden hat. Hier ist von „Plazierung von Kindern" die Rede. Das entspricht offenbar einem ständischen Denken, das auf der Vorstellung festgezurrter gesellschaftlicher Strukturen beruht. Das sollten wir, glaube ich, in unserer Diskussion ablegen.
Zweitens ist von der „Familienmutter” die Rede. Das ist ein Ausdruck, der vielleicht vor Jahrzehnten einmal üblich war. „Familienmutter” ist interessanterweise von den Kolleginnen von der CDU nicht gebraucht worden. Ich würde es begrüßen, wenn dieser Ausdruck nicht in dem Sinne, wie er dort gebraucht wird, in die Diskussion käme; denn er wird in dem Sinne gebraucht, daß „Familienmutter” die Hausfrau sei, die sich allein um ihre Kinder kümmern könne. Die andere Mutter, die berufstätig ist — wie gesagt: 3 Millionen in unserer Gesellschaft —, ist offenbar keine Familienmutter, wird hier nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang haben wir wieder die Negativbewertung der Frauen, die versuchen, diese verschiedenen Felder miteinander zu verbinden.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Hasinger [CDU/CSU]: Das ist ein völlig falsches Bild!)




Frau Dr. Balser
Ähnliches gilt auch für die älteren Frauen. Schließlich und endlich erbringen sie ebenfalls Leistungen, auch wenn sie keine kleinen Kinder mehr haben. Es gilt insbesondere — das vermisse ich an diesem Familienbericht —, die vielen älteren Frauen, die allein sind, zu berücksichtigen. Das sind in unserem Lande nach zwei Kriegen ziemlich viele. Wir sollten sie mehr in unsere Überlegungen einbeziehen und mehr daran denken, daß wir auch ihrer Lebensleistung — auch wenn sie keine Kinder haben — Respekt zollen müssen. Wir müssen zusehen, daß sie nicht durch Bewertungen weiterhin vor den Kopf gestoßen werden.

(Beifall bei der SPD und der FPD)

Ich möchte noch erwähnen, daß sich angesichts der Statistiken in dem Familienbericht, die ein wenig alt sind, bei neueren etwas herausstellt, was bisher nicht erwähnt worden ist: Die Zahl der berufstätigen Mütter in unserem Land nimmt ab. 1973 waren es über 3 Millionen, inzwischen liegt die Zahl unter 2 Millionen. Hier ist also ein Rückgang festzustellen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Arbeitslosigkeit!)

Vermutlich ist das auch ein Ergebnis der hier vielfach beklagten Situation, daß Familien nicht immer das Geld haben, was sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse glauben haben zu müssen und inzwischen eher haben.

(Hasinger [CDU/CSU]: An Arbeitslosigkeit denken Sie nicht!)

Ich möchte weiter daran erinnern — und das macht die Diskussion so interessant, wenn man ruhig zuhört —, daß es Familien ganz unterschiedlichen Typs gibt. Wir haben bei uns in der Bundesrepublik 10,5 Millionen Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren. Wir haben 6,5 Millionen Haushalte ohne Kinder. Nun ist Haushalt nicht gleich Familie; das weiß ich. Trotzdem muß man sich doch wohl endlich einmal klarmachen, daß wir mehr als ein Drittel Haushalte haben, die ohne Kinder leben und natürlich auch Familien sind, die wir auch berücksichtigen müssen und wo wir auch versuchen müssen, ihnen in den Problemen, die sie haben, zu helfen.
Worauf es mir aber besonders ankommt, ist folgendes. Ich möchte ja hier darlegen, daß es möglich ist, Familienaufgaben mit Berufstätigkeit zu verbinden. Wenn das nicht möglich wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren, könnten wir unsere moderne Wirtschaftskraft nicht aufrechterhalten. Das ist doch wohl allen klar. Dann könnten wir weder das Sozialprodukt erarbeiten, das wir haben, noch könnten wir die Ausbildungssituation haben, wie wir sie haben, die ja den Frauen, die eine Ausbildung durchlaufen, auch Chancen geben muß.
Es kommt auf etwas ganz anderes an. Ich zitiere hier aus einer Arbeit „Familie und Arbeit der Ehefrau" mit dem Untertitel „Familie und Familienrecht". Darin wird ausgeführt, daß es keine Untersuchung über die Abwesenheit der Mütter gibt und daß es keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Ansicht gibt, daß sich die Berufstätigkeit der
Mutter notwendigerweise nachteilig auf die Entwicklung des Kindes auswirkt.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Es kommt auf die Situation an!)

— Genau, darauf kommt es an. Es gibt nämlich sehr verschiedene Situationen; folglich sind Hilfestellungen notwendig. Dann kommt das Entscheidende hier: Der entscheidende Faktor ist die Qualität des Kontaktes zwischen Eltern und Kindern und nicht die Quantität.

(Beifall bei der SPD — Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex [CDU/CSU])

Wenn wir das mal gelernt haben, wird, glaube ich, eine Menge Diskussionen, die wir hier haben, wegfallen können, und dann können wir dazu übergehen, mehr Phantasie zu entwickeln, wie man denn in Zukunft diese vier verschiedenen Felder, von denen ich vorhin gesprochen habe, wirklich miteinander wird vereinbaren können, und wir werden mehr darüber nachdenken.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819930500
Wir haben heute bei einem Jahrgang durchschnittlich 20 %, die Abitur machen, und haben ungefähr 16 % eines Jahrganges, die studieren. Das ist eine völlig neue Situation in unserem Land; die haben wir noch nie gehabt. Wir ziehen langsam nach. Andere Industrieländer sind da voraus. Das hat aber Konsequenzen für die Lebensführung. Es ist doch ganz klar, daß diese jungen Frauen, die eine solche Ausbildung gehabt haben, versuchen werden, die verschiedenen Aufgabenfelder miteinander in Einklang zu bringen.
Folglich muß meines Erachtens — nicht unter ideologischen, sondern unter sehr vernünftigen, sachlichen Gesichtspunkten —

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex [CDU/CSU] und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

verschiedenes an Verbesserungen geschehen, was ja hier im Familienbericht steht, z. B. Verbesserung der Familienumwelt. Die Ganztagsschule steht hier drin — das ist nicht nur eine Erfindung der Sozialdemokraten, sondern wird vom Familienbericht ausdrücklich empfohlen —, und es wird auch das empfohlen — womit ich zu tun hatte und was ich nachdrücklich unterstreichen möchte —, vermehrt Fernstudienmöglichkeiten für Frauen, die im Haushalt und in der Familie tätig sind, zu schaffen. Ferner wird Tagesbetreuung außerhalb der eigenen Familie empfohlen. Dafür haben die jetzige Familienministerin und ihre Vorgängerin eine Menge an Vorarbeit geleistet. Es wird kürzere Arbeitszeit empfohlen. Teilzeitarbeitsplätze werden empfohlen. Das ist eine Sache, die eigentlich die gesamte Wirtschaft angeht. Es wird, was ich persönlich in diesem Zusammenhang auch für sehr richtig halte, Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes empfohlen. Es wird vor allem auch empfohlen, in der Wohnungspolitik dafür zu sorgen, daß Familien große Wohnungen haben.

(Beifall bei der SPD)




Frau Dr. Balser
Da haben wir große Sorgen, wenn wir sehen, wie heute die Situation in den großen Städten ausschaut.
Ich möchte Sie bitten, bei den verschiedenen Punkten mit nachzudenken. Wir müssen Lösungen finden. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir Sozialdemokraten hier um einige Schritte voraus sind und daß wir hier für eine zukunftsgerichtete Möglichkeit der Familienpolitik mehr aufzuweisen haben als das, was wir hier sonst vorfinden.
Zum Schluß darf ich mir vielleicht die Anmerkung erlauben, die heute schon mehrfach gesagt worden ist: Ohne Sicherung des Friedens gäbe es mit Sicherheit auch keine Familienpolitik.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819930600
Das Wort der Herr Abgeordnete Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819930700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Frau Kollegin Dr. Balser, für Ihre Rede gilt das, was für fast alle Reden Ihrer Freunde und diejenigen der Kollegen von der FDP gilt: Es war eine eigenartige Mischung von Unkenntnis und Diffamierung. Wenn das zu hart klingt, so waren auf jeden Fall die Vorwürfe gegenüber der Union falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum ersten Beispiel. Sie werfen uns vor, wir würden von einer heilen Familie ausgehen, ein heiles Familienbild zeichnen. Auf meine Zwischenfrage heute sagten Sie, wir würden eine Familie zeichnen, in der es keine Konflikte gebe. Die Union hat nirgends und nie ein solches Bild gezeichnet und nie eine solche These aufgestellt. Nur unterscheiden wir uns dadurch von FDP und SPD, daß wir mehr Vertrauen in die Familie haben und ihr mehr zutrauen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum zweiten Beispiel. Sie werfen uns — geradezu im Gegensatz dazu — vor, wir zeichneten ein düsteres Bild, z. B. in Ihrer Rede, Frau Dr. Wex. Da muß ich fragen — auch Frau Wex hat das bei vielen Gelegenheiten getan —: Wer hat eigentlich den Zweiten Familienbericht zu verantworten?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer hat eigentlich davon gesprochen, daß Brutalität und Kindestötung Phänomene der Familie und nicht der außerfamiliären Einrichtungen seien? Wer hat eigentlich von Fremdbestimmung durch die Eltern gesprochen? Das waren doch nicht wir, sondern Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Kuhlwein [SPD])

Ich komme zu einem dritten Beispiel. Frau Huber, Sie werfen uns vor, wir proklamierten: Frau an den Herd, Mutterkreuz! So haben Sie es einmal gesagt. Man muß sich einmal vorstellen, was Sie alles in unsere Politik hineinzutragen versuchen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Ist das denn so schwer zu begreifen? Jetzt haben wir den ganzen Tag diskutiert. Man hat natürlich einen Teil der Reden vorbereitet; aber wer uns vorwirft, wir hätten ein einseitiges Bild, der trägt hier eine Mischung aus Diffamierung und Unkenntnis vor. Wir wollen die Alternative mit bestimmten Prioritäten in bestimmten Lebensphasen. Wir wollen, daß die Frau zwischen Haus, Erziehung und Beruf wählen kann. Das ist schlicht unsere familienpolitische Philosophie.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Bei Frau Geier klang das soeben anders! — Kuhlwein [SPD]: Das schillert alles ein bißchen! — Rohde [SPD]: Das ist auch mehr schlicht als Philosophie!)

— Herr Kollege, die tragenden Philosophien der Geschichte waren in der Tat sehr schlichte Philosophien. Deswegen drangen sie durch und hatten ihre Wirkung in der Weltgeschichte.
Ich möchte ein Wort zu Herrn Schmude sagen. Sie haben gesagt: Noch nie waren so viele Auszubildende in der Ausbildung wie heute. Dabei haben Sie den Eindruck erweckt, als gehöre dies in Ihre Bilanz. Als noch Ausbildungsplätze fehlten, haben Sie mit der Abgabe gedroht, da haben Sie den Mittelstand kritisiert, da war die Wirtschaft schuld, nur nicht die Politik. Jetzt, wo Sie zugeben müssen, daß es mehr Ausbildungsplätze als Auszubildende gibt, sagen Sie hier in guter Fernsehzeit: Das gehört alles zur Bilanz dieser Bundesregierung. Es fällt kein Wort des Lobes, kein Wort der Anerkennung der großen, großen Anstrengungen. Was Sie zum Teil bei staatlichen Stellen gestrichen haben, hat der Mittelstand — denken Sie an Herrn Schnitker — in großen Anstrengungen mehr als wieder wettgemacht, und wir haben heute im dualen System ohne Ihre Androhung der Abgabe eine vorbildliche Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran sehen Sie: Forderung und Zutrauen sind immer besser als Drohung mit Gesetzen und Abgaben.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819930800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819930900
Bitte schön.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0819931000
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß ich heute morgen ausdrücklich gesagt habe, dieses Ergebnis verdankten wir den Anstrengungen der Wirtschaft, der Länder und des Bundes? Ich habe die Wirtschaft also zuerst genannt und durchaus klargestellt, um wen es hier geht. Ist Ihnen das entgangen? Sonst könnten Sie mir solche Vorhalte nicht machen.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819931100
Ich habe sehr aufmerksam zugehört, auch Ihre klare Akzentsetzung gehört und mich veranlaßt gesehen, diese Aussagen dazu zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben auch von Elternrecht und Schule gesprochen. Gibt es eigentlich ein Beispiel in der jüng-



Kroll-Schlüter
sten Geschichte, wo sich die Eltern und die Bürger kämpferischer, überzeugender und erfolgreicher gegen die Politik dieser Bundesregierung, gegen die Bildungspolitik dieser Bundesregierung und für das Elternrecht ausgesprochen haben als z. B. bei der Auseinandersetzung um die kooperative Schule und in der bildungspolitischen Auseinandersetzung in Hessen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich gestatte mir auch, die Behauptung in Frage zu stellen, erst in den letzten zehn Jahren seien die großen finanziellen Zuwendungen an die Familie erfolgt, nämlich durch die sozialliberale Koalition. Im Sozialbericht der Bundesregierung ist klar nachgewiesen, daß der Unterschied zwischen dem Nettoeinkommen eines Facharbeiters ohne Kinder und dem Nettoeinkommen eines Facharbeiters mit Kindern seit 1960 noch nie so groß wie heute war. Das ist die Realität. Das kann man schwerlich als Erfolg besonderer finanzieller Zuweisungen betrachten.
In der grundlegenden Debatte über den Dritten Familienbericht möchte ich ein Wort über die Behandlung der Defizite in der Integration der Familien ausländischer Arbeitnehmer sagen.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir sollten vor allem ein Wort zur Situation ihrer Kinder sagen. Denn es leben 1,4 Millionen junge Ausländer unter 18 Jahren in unserem Land. 67 000 sind Kinder alleinerziehender Elternteile. 300 000 sind unter drei Jahre alt. 700 000 sind im Schulalter. 150 000 sind zwischen 15 und 18 Jahre; sie erwarten die Integration in das Berufsleben. Hier müssen wir die wichtige Aufgabe für Bund, Länder und Gemeinden herausstellen, die der Zielsetzung gerecht werden müssen, daß die bei uns tätigen ausländischen Arbeitnehmer zumindest das Gefühl und die Zuversicht haben müßten, daß wenigstens ihre Kinder eine Volleingliederung in das berufliche und gesellschaftliche Leben in unserem Land erfahren können. Die frühzeitige Eingliederung der Ausländerkinder ist ein hervorragendes Instrument, sie so in unsere Gesellschaft zu integrieren, daß sie als Erwachsene nicht das Gefühl haben müssen, zu der Gruppe der noch in der zweiten Generation deklassierten Ausländer zu gehören. Wir sollten unsere Chance nutzen.
So gesehen, ist Politik für unsere ausländischen Mitbürger nicht zuerst Arbeitsmarktpolitik, nicht zuerst Wirtschaftspolitik, sondern • zuerst eine familienpolitische Aufgabe, die eine besondere Aufgabe des Familienministeriums werden sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU — Hasinger [CDU/CSU]: Ausgezeichnet!)

Die Bundesregierung hat mit ihren Familienberichten nicht viel Glück. Den zweiten hat sie mit Sicherheit nicht mehr in guter Erinnerung. Sie hat sich von seinen familienfeindlichen Tendenzen nie klar und deutlich distanziert. Auf den dritten hat sie sehr zurückhaltend geantwortet. Wir können — ich möchte das, Frau Huber, als positiv unterstreichen —, wenn Sie in der praktischen Politik bei der Aussage auf Seite 4 Ihrer Stellungnahme bleiben, gute Ergebnisse erzielen. Sie müssen es aber in der praktischen Politik tun. Sie sagen nämlich, daß Sie die Gestaltung der Beziehungen in der Familie, die Verteilung der Familienaufgaben auf die einzelnen Mitglieder und die Ziele und Methoden der Erziehung ohne staatliche Einengung von den Familien selbst entscheiden lassen wollen. Ein gutes Wort!
Ich nehme an, daß Sie sich auch für die Begründung des Entwurfs zum Jugendhilferecht verantwortlich fühlen. Da haben Sie geschrieben, und zwar wörtlich auf Seite 122 des Entwurfs des Jugendhilfegesetzes:
Für die Praxis hat diese Hilfe — also Wohngemeinschaften —
besondere Bedeutung für Jugendliche, deren zeitweilige Herauslösung aus dem elterlichen Haushalt wegen Erziehungsschwierigkeiten und Anpassungskonflikten geboten ist.
Frau Huber, also bei uns zu Hause gibt es ständig Anpassungskonflikte.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Timm [SPD])

Wenn jeder, der einen Anpassungskonflikt hat, deswegen per Gesetz aus der Familie mit dem Ziel Wohngemeinschaft herausgenommen werden soll, dann ist das dem diametral entgegengesetzt, was Sie in Ihrer Stellungnahme zum Familienbericht

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Timm [SPD])

— das habe ich positiv vermerkt — gesagt haben.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819931200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819931300
Bitte schön, Herr Präsident.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID0819931400
Herr Kollege Kroll-Schlüter, sind Sie bereit, zuzugeben, und haben Sie auch aus den bisherigen Diskussionen über das JHG im Ausschuß entnommen, daß alle diese Jugendhilfemaßnahmen, die mit der Herauslösung aus der Familie verbunden sind, unter dem Vorbehalt bestimmter Paragraphen des elterlichen Sorgerechts stehen und nur unter diesem Vorbehalt vom Vormundschaftsgericht angeordnet werden können?

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Es wäre sehr schön, wenn das alles einmal zusammen diskutiert werden könnte!)


Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819931500
Sie wissen, daß wir gestern darüber diskutiert haben, daß dies nicht bei allen Maßnahmen zutrifft. Sie wissen, daß über den Bereich der Förderleistungen hinaus weitere Schritte möglich sind, und Sie wissen, daß selbst diese Möglichkeit — per Gerichtsentscheid — schon dazu angetan ist — und das war ja auch immer unsere Sorge —, sozusagen Konflikte in die Familie hineinzutragen. Deswegen habe ich das hier kritisch aufgegriffen.

(Zuruf von der SPD: Konflikte sind doch zunächst vorhanden, Herr Kollege KrollSchlüter!)




Kroll-Schlüter
— Ja selbstverständlich. Deswegen habe ich darauf hingewiesen. Ich habe doch zwei sozusagen sich widersprechende Zitate von Frau Minister Huber gebracht; dem einen habe ich zugestimmt, das andere habe ich, wie ich glaube, mit Recht, kritisiert.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819931600
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819931700
Ich bitte um Nachsicht. Ich habe bisher wirklich fast alles zugelassen, aber ich muß in meinen Gedanken fortfahren.
Erfreulich ist, wie die Kommission — daran möchte ich jetzt anknüpfen — die Situation der jungen Menschen im Verhältnis zu ihren Familien und zum Staat gesehen hat. Sie stellt fest, daß für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung nichts nachteiliger sei, als bei der jungen Generation den Eindruck zu erwecken, man könne eigene Anstrengungen durch Forderungen an das Kollektiv ersetzen; es sei auch in die Verantwortung der Politiker gestellt, das Anspruchsdenken zu korrigieren; sie hätten es dadurch hervorgerufen, daß sie in der Bevölkerung die Vorstellung verbreitet hätten, der Staat habe für alle Lebensrisiken einzustehen.
Meine Damen und Herren, wenn heute beklagt wird, die junge Generation habe keine Zukunftsperspektive, wenn sie in die kranken Ränder — ich meine die Jugendsekten, die Drogenszene usw. — flüchtet, dann hängt das auch damit zusammen, daß der Eindruck erweckt worden ist, es sei fast alles machbar, dieser Staat könne fast alles. Auf diesem Wege ist das Anspruchsdenken gewachsen. Und jetzt befinden wir uns in einem Teufelskreis.

(Zurufe von der SPD)

Eine neue staatliche Leistung — Herr Kuhlwein, hören Sie doch einmal einen Moment zu — wird nicht mehr so sehr mit Dankbarkeit vermerkt, sondern begründet immer weitere staatliche Leistungen. Deswegen begründet ein noch größeres staatliches Leistungsangebot nicht das, was man erreichen will, sondern genau das Gegenteil: Resignation und Aggressivität. Deswegen sagt ja die Kommission, daß es falsch ist, die Familie von vielen Aufgaben zu entlasten, immer mehr aus ihr hinauszuverlagern, immer mehr staatliche Angebote zu machen. Die Kommission sagt: Es ist besser, in der Familie bestimmte Dinge zu regeln, eine soziale Verantwortung der Familie zu haben, als alles durch kollektive Regelungen ersetzen zu wollen.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0819931800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819931900
Ich komme mit der Redezeit nicht hin. — Bitte schön, für Sie ja, Herr Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0819932000
Sehr nett! — Weil Sie immer wieder von Anspruchsdenken sprechen: Ist Ihnen eigentlich klar, daß die CDU/CSU, hier allerdings nicht nur im eigentlichen Bereich der Familienpolitik, sondern auch in den angrenzenden Bereichen, in dieser Legislaturperiode bis zum jetzigen Zeitpunkt
Forderungen gestellt hat in Höhe von 100 Milliarden DM,

(Zuruf von der CDU/CSU: 100 Milliarden DM? Sagen Sie doch gleich: 200 Milliarden!)

für die eigentliche Familienpolitik Forderungen in Höhe von 25 Milliarden DM? Das ist nachrechenbar. Ich frage nur deswegen, weil Sie immer von Anspruchsdenken sprechen.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819932100
Ich bin dankbar für diese Frage; sie gibt mir Gelegenheit, etwas klarzustellen. Sie setzen ständig eine Unterstellung in die Welt, indem Sie unfairerweise alle Gedanken, alle Überlegungen, alle Anregungen, die bei uns einmal diskutiert worden sind, finanziell zusammenrechnen und sagen, das seien unsere Forderungen. Was wir hier im Bundestag per Antrag und Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, ist finanziell solide und steht unter dem Grundgedanken „Vorbeugung ist besser als Heilen", ist auch finanziell machbar.

(Beifall bei der CDU/CSU — Glombig [SPD]: Gesetzesvorschläge haben Sie noch nicht eingebracht!)

Wir sollten eine andere Aussage des Kommissionsberichtes sehr ernst nehmen, nämlich die, daß bei der gegebenen Arbeitsteilung zwischen Familie und Gesellschaft bei der Heranbildung der nachwachsenden Generation auf die Familie entfallende Aufgaben nicht eingeschränkt werden dürfen. Darauf soll hingewirkt werden. Es muß sicher sein, daß der Familie keine Belastung zugemutet wird, die sie nicht tragen kann. In der Familie sind Stabilität und Konsistenz — sie hat auch ihre grundlegende Bedeutung für das Individuum und die Gesellschaft — besonders wichtig, und die sind gefährdet.
Ich führe das deshalb aus, weil ich noch einmal einen fundamentalen Unterschied zwischen Ihrer und unserer familienpolitischen Betrachtung und Zielsetzung deutlich machen möchte. Sie versuchen seit Jahren, die Familie in bestimmte Funktionen einzuteilen. Dann fragen Sie: Wer kan} diese Funktion am besten erfüllen? Weil die Familie für Sie sozusagen eine Ableitung von der Gesellschaft ist, sind Sie sehr schnell darauf gekommen, daß das am besten eine außerfamiliäre Einrichtung könne. Vor diesem Hintergrund — ich sage gar nicht, daß das böswillig war — haben Sie Ihre Gesetze und Initiativen ständig formuliert.
Wir dagegen sagen: Die Familie ist keine Ansammlung von Funktionen, sondern eine Grundeinheit der Gesellschaft, zu der es keine Alternative im eigentlichen Sinne gibt. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Initiativen und Gesetze formuliert. Darin unterscheiden wir uns.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielleicht sollte ich auch noch einmal darauf hinweisen, daß der Mensch — gestatten Sie mir dieses Wort — als von Gott geschaffenes Wesen ein Individuum mit sozialer Natur ist, einmalig, unwiederholbar und auf Gemeinschaft angelegt. Er ist von Anfang an, mit seinen verschiedenen Begabungen in



Kroll-Schlüter
diese Welt gestellt, als Person zu sehen. Wenn er geboren ist, ist er zunächst seinen Eltern anvertraut. Sie haben sich vor ihm zu verantworten. Das ist keine heile Welt, sondern dieses Bild deckt sich mit der modernen Pädagogik und der modernen Kinderpsychologie.
So finde ich, daß wir alles zu mehr bewußter Elternverantwortung tun sollten, bereits beginnend in der Schule, Herr Minister Schmude. Deshalb sagen wir auch: Kindergärten sind familienbegleitende Erziehungsstätten. Wir wollen keinen frühzeitigen kollektivistischen Familienersatz; auch der Dritte Familienbericht spricht sich dafür nicht aus.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal daran erinnern, daß von Ihnen seit Jahren wichtige Forderungen im Interesse des jungen Menschen und seiner Familie außer acht gelassen werden: elternnahe Schule, Klassenlehrersystem, personale Beziehungen, nicht zu weite Schulwege,

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

überschaubare Einheiten, Ausschaltung von Theoretisierung und Verintellektualisierung der Lernstoffe.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie das alles in den von Ihnen regierten Ländern realisiert?)

— Bildung könnte dann vielleicht, Herr Kollege, auch wieder einmal etwas zu tun haben mit Erziehung, mit Vorbildern, auch mit religiösen und geschichtlichen Vorbildern. Warum eigentlich nicht?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sicher ist, daß die junge Generation das zum Teil vermißt.
Gefordert ist, so möchte ich sagen, die Wiedergewinnung eines geistigen und moralischen Klimas, in dem sich im sozialen, religiösen und kulturellen Bereich wieder private Bereitschaft und private Tatkraft entfalten. Hierzu kann Politik beitragen. Es ist ein gefährlicher Irrtum zu glauben, Kinder und Jugendliche, auch junge Familien seien mit dem zufrieden, was wir Wohlstand nennen. Sie verlangen nach Geborgenheit, Überschaubarkeit und Perspektive, auch außenpolitischer

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

— da weitet sich das familienpolitische Feld sozusagen —, auch wirtschaftspolitischer, staatlicher, bildungspolitischer Perspektive. Deshalb bedürfen Kinder und Jugendliche des geschützten Freiraumes und Freiheitsraumes der Familie, um auf die eigene Lebensgestaltung vorbereitet zu sein.
Frau Däubler-Gmelin, ich sehe gerade, daß Sie den Saal betreten. Ich möchte deshalb einen Einschub machen. Ich erinnere mich noch gut der Diskussion Mitte des vergangenen Jahres in der Kongreßhalle zu Berlin, bei der auch Sie mit anhören mußten — das blieb unwidersprochen und wurde mit dem Beifall der mehreren Hundert Kongreßteilnehmer bedacht —, daß die, wie ich damals formuliert habe, symbiotische Verbindung von Mutter und Kind, d. h. die innige und liebende Verbindung zwischen Mutter und Kind, eine Krankheit sei. Das ist
mir damals — man möge sich einmal vorstellen, was das bedeutet — dort vorgehalten worden. Niemand hat widersprochen. Man hat dort gesagt, man solle — das sei auch im Interesse der Emanzipation und des Kindesrechts — dafür sorgen, daß die Kinder in Kinderhorten erzogen würden; Müttererziehung mache die Kinder ängstlich und weltfremd. Es wäre besser — in der Perspektive der Emanzipation —, wenn die Mutter in jedem Fall die Erziehung den Fachkräften überließe und selbst einer außerhäuslichen Tätigkeit nachginge.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819932200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Däubler-Gmelin?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819932300
Bitte schön.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0819932400
Herr Kroll-Schlüter, es ist nicht so, daß ich mich unserer gemeinsamen Diskussion nicht mit Freude erinnern würde. Aber sollten wir nicht festhalten, daß das, was als „Krankheit" bezeichnet wurde, eigentlich nur die von Ihnen gewählte Begriffsbildung betraf, keinesfalls das, was Sie jetzt gerade anführten?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819932500
Ich freue mich, daß Sie das bestätigen. Wir können das noch einmal nachsehen. „Symbiotische Verbindung" heißt eben: innige, liebende Verbindung der Beziehung von Mutter und Kind schon als Embryo. Wenn das unter uns strittig ist und wenn wir auf einem Kongreß nicht gemeinsam gegen eine solche Diffamierung angehen, dann sollen Sie uns bitte nicht sagen, daß hier familienpolitische Gemeinsamkeiten praktiziert werden sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch ich erinnere mich, Frau Däubler-Gmelin, gern dieser Diskussion. Ich habe es nur bedauert, daß wir gerade an dieser Stelle, als die Buh-Rufe über mir zusammenschlugen, nicht eine gemeinsame Front gebildet haben — abgesehen von der Vertreterin der FDP, einem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, die auf meiner Seite stand.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819932600
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819932700
Bitte schön.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID0819932800
Herr Kroll-Schlüter, würden Sie mir nicht zustimmen wollen, daß der Grund, warum Sie damals keinen Beifall ernten konnten, vielmehr darin lag, daß Sie zehn Minuten lang herumwölkten und bei diesen unpräzisen Formulierereien auch diese Art von Symbiose als Teil des Wortgewölks vor sich hinsprachen?

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819932900
Das war eine echte familienpolitische Frage; mein Kompliment. Das heißt, daß nicht ich zehn Minuten darum herumgewölkt habe, sondern wenn Sie da auch so gesprochen haben wie hier, haben Sie eben gewölkt dahergeredet, nicht ich.
Ich möchte auch heute noch einmal sagen und mit Dank vermerken: Viele Millionen Familien opfern



Kroll-Schlüter
sich für ihre Kinder auf, sind ihnen liebevoll zugetan, erziehen sie zu tüchtigen Menschen. Diese selbstverständliche Aufopferung der Mutter für die Kinder, wie sie auch immer bewiesen wird, rechtfertigt das eigentlich, so möchte ich fragen, diesen Rundumschlag „Wir haben eine familienfeindliche Gesellschaft"? Ich möchte an uns alle appellieren, etwas behutsam mit dieser These umzuspringen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Kuhlwein [SPD]: Da sind wir uns einig!)

Die Mühsal der Schwangerschaft, das lebensgefährliche Risiko der Geburt, viele Jahre ohne Urlaub, ständige Sorge um das Wohlergehen der Kinder, alles für die Kinder — auch dies sollte anläßlich dieser Debatte einmal mit herzlichem Dank vermerkt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt eine große Chance für die Familie, wenn wir keine - Frau Geier hat es gesagt — ideologisch fundierte Familienpolitik betreiben. Lassen wir uns doch einmal leiten von den realen Wünschen der Hausfrau draußen, von den realen Wünschen der Mutter draußen, von den realen Wünschen der Familie draußen. Sie werden sehen, wenn Sie vieles an ideologischem Ballast Wegstreifen, wieviel an praktischer gemeinsamer Familienpolitik möglich ist.
Eines müssen wir auch berücksichtigen: Wir können der Familie mehr zutrauen, als gemeinhin angenommen wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wir sollten ihr auf jeden Fall mehr vertrauen. Dies ist unsere Devise am Schluß der heutigen Debatte.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819933000
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819933100
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kroll-Schlüter, Sie haben Ihren letzten Satz eingeleitet mit den Worten: „Es gibt eine Chance für die Familie” Ich möchte den Satz aufgreifen, denn manches, was Sie zuletzt gesagt haben, hat mich anderes vergessen lassen, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben. Wenn Sie vom Vertrauen in die Familie sprachen, von der Notwendigkeit, mehr auf das zu hören, was in der Familie gebraucht wird, so sind sich darüber, wie ich glaube, alle Fraktionen des Hauses einig. Dies hat die heutige Debatte gezeigt, und auch hierin liegt eine Chance.
Wenn ich dies als wohl letzter Redner vor der Frau Ministerin am Ende dieser familienpolitischen Debatte deutlich sage, so deshalb, weil ich in meiner Eigenschaft als Abgeordneter über 20 Jahre hinweg familienpolitische Debatten in diesem Hause erlebt habe. Wenn Frau Bundesminister Huber heute früh an die Spitze ihrer Ausführungen stellte, man möge keine Spiegelfechterei treiben, so ist dies — ich bin jetzt bewußt etwas behutsam —, von einigen Ausrutschern abgesehen, zu denen ich noch etwas sagen möchte, auch so geschehen.
Frau Kollegin Geier, lassen Sie mich eine Bemerkung machen. Sie haben gesagt, die Rede von Frau Kollegin Wex sei einwandfrei gewesen. Ich würde sogar sagen, sie war gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kann dies leider von Ihrer Rede heute nachmittag in dieser Form nicht sagen.

(Franke [CDU/CSU]: Wollen Sie Zensuren erteilen? — Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind kein Kavalier! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Vielleicht wäre mancher, der diese Debatte von außen beurteilt, sehr dankbar gewesen, wenn sie bei allen unterschiedlichen Zielrichtungen in dem Konsens der Aussagen mittags beendet worden wäre. Manches wäre besser gewesen. Das Resümee ist aber, wie gesagt, besser als bei mancher Debatte über dieses Thema in früheren Jahren. Es ist erfreulich, daß uns gerade die Debatte über den Dritten Familienbericht viele gemeinsame Zielrichtungen, gemeinsame Überlegungen, wobei man über die jeweiligen Wege nachdenken kann, gebracht hat. Immerhin kann ich feststellen, der Dritte Familienbericht wird von Sachverständigen aller Fraktionen dieses Hauses sorgsam und kritisch geprüft werden. Wir werden noch weitere Erkenntnisse daraus ziehen.
Etwas merkwürdig ist natürlich, daß der Zweite Familienbericht von Ihnen, meine Damen und Herren, mehr oder weniger dazu benutzt wurde, obwohl er von Sachverständigen kam,

(Zuruf von der CDU/CSU: Und was für welchen!)

ihn der Bundesregierung um die Ohren zu schlagen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Jawohl. — Ich will mich jetzt nicht mit Ihnen über die Auseinandersetzungen vor der letzten Bundestagswahl und die Aussagen der Sachverständigen unterhalten. Wir können uns aber noch an die Debatten erinnern. Ich gebe ja zu, daß Sie heute aus den Sachaussagen — wir tun dies auch — weitere Folgerungen ziehen. Man kann aber nicht die Folgerung ziehen, daß dieser Bericht alles, was seit 1969 in der Familienpolitik geschehen ist, einfach außer acht läßt.
Ich muß einfach um der Redlichkeit willen noch einmal ganz kurz feststellen, daß seit 1969 Erhebliches nicht nur im materiellen Bereich, sondern auch an gesellschaftlichen Maßnahmen, soweit man Gesellschaftspolitik und gesellschaftliches Denken überhaupt mit gesetzlichen Maßnahmen in Einklang bringen kann, geschehen ist. Ich muß doch noch einmal kurz darauf hinweisen und einige wenige Zahlen in Erinnerung rufen. Es ist eine reale Besserstellung um insgesamt 44% erfolgt. Dies mag noch nicht ausreichen, wie wir aus manchem sehen, was im Familienbericht steht. Wir haben aber eine reale Besserstellung um 44%, in einzelnen Familiengruppen sogar noch stärker. Dies hätte doch bei aller Würdigung der kritischen Punkte im Familienbericht auch einer gewissen Anerkennung Ihrerseits



Schmidt (Kempten)

bedurft. Aber dies war Ihnen vielleicht doch nicht möglich. Insofern unterscheiden wir als Mitglieder der Koalition uns natürlich von der Opposition.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819933200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819933300
Bitte.

Hermann Kroll-Schlüter (CDU):
Rede ID: ID0819933400
Die negativen Zahlenvergleiche sind von den Rednern Ihrer Fraktion und der SPD immer wieder mit dem Verweis auf 1969 begründet worden. Ist das jetzt mit den positiven Zahlen auch so? Sind Sie auch durch die Jahre vor 1969 begründet, oder liegen die positiven Ursachen in den 70er und die negativen in den 60er Jahren?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819933500
Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich glaube, Sie haben mich nicht ganz verstanden. Ich habe gesagt, ich hätte mich gefreut, wenn im Rahmen dieser sonst sehr sachlichen Debatte auch einmal anerkannt worden wäre, daß eben von dieser Bundesregierung ein Zuwachs um real 44 % erreicht wurde, wenn anerkannt worden wäre, welche Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt wurden, welche Möglichkeiten über BAföG, über Wohngeld usw. in diesen Jahren zusätzlich geschaffen wurden. Denn, Herr Kollege Kroll-Schlüter, ich habe ja auch die Zeit vor 1969 miterlebt, und ich habe das bewußt an den Anfang gestellt. Ich habe miterlebt, wieviel schwieriger es in dieser Zeit — und ich gebe zu, zeitweise waren auch wir Koalitionsmitglied — war, Jahr für Jahr zu versuchen, in der Familienpolitik einen Schritt nach vorn zu kommen, nach vorn zu kommen auch im Hinblick auf die anderen Entwicklungen in unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu einem zweiten Punkt. Ich glaube, die Debatte hat auch deutlich gemacht — und das möchte ich hier für die Freien Demokraten noch einmal sehr unterstreichen —, welche Bedeutung und welchen Stellenwert die Familie als Grundlage unserer Gesellschaft und unserer Demokratie für uns alle hat.

(Zustimmung bei der FDP)

Da mag der eine oder andere etwas andere Vorstellungen haben, aber bezüglich der Haltung, daß diese Familie, vom Grundgesetz geschützt, der beste Garant für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft ist, gibt es, glaube ich, keinen Unterschied.

(Zustimmung des Abg. Kroll-Schlüter [CDU/CSU])

Unterschiede gibt es allerdings in der Frage, ob man hier nun nur die auch von mir als das Beste angesehene Familie, wie wir sie auf der Basis der Ehe verstehen, sieht oder auch zur Kenntnis nimmt, daß es eben unvollständige Familien gibt, daß es eben

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Darauf müßte man sich ja verständigen können!)

— damit haben wir uns schon kurz nach Zusammentritt des Bundestages auseinandergesetzt — aus vielen Gründen auch sogenannte Onkelehen usw. gibt. Die Jüngeren in diesem Hause kennen das nicht mehr; das war in der Zeit, in der es — ich sage das
einmal sehr offen; die Älteren wissen es noch — wegen der Probleme der Kriegsopferversorgung besser war, zusammenzuziehen, ohne zu heiraten, weil es sonst materielle Nachteile gegeben hätte. Ich sage das einmal so offen. Dann aber, wenn wir das wissen, müssen wir auch darüber nachdenken, wie weit wir solche alternativen Lebensformen, wie ich sie jetzt genannt. habe, zumindest nicht diskriminieren sollten und ihnen materiell — steuerrechtlich usw. — gleiche Möglichkeiten schaffen sollten, ohne sie nun etwa völlig mit der Familie in ihrer grundgesetzlichen Position gleichzustellen. Das ist die Brükke, über die vielleicht manche von Ihnen noch schreiten müssen.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wir sind schon darüber!)

Denn ich kann mich — auch dies wieder aus der Erinnerung — nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß es hier bei Ihnen in der Zielrichtung doch noch gewisse Unterschiede gibt.
Ich habe, vor allem heute vormittag, mit Freude gehört, daß die Tätigkeit der Hausfrau und die Tätigkeit der berufstätigen Frau und Mutter als gleichwertig angesehen werden sollen, wie es bei uns der Fall ist. Durch manches aber, was ich noch im Ohr habe, werde ich an den 22. September 1972 — Verabschiedung der damaligen Rentenreform — erinnert, als Sie das Babyjahr ablehnten und es kaputtmachten und ich Ihnen von dieser Stelle aus — —

(Zuruf von der [CDU/CSU]: Es war auch richtig, das kaputtzumachen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, Sie können nachlesen, was ich damals sagen mußte. Es klingt bei Ihnen machmal noch so, als ob Sie doch, wie ich es damals gesagt habe, lieber wieder zum Patriarchat zurückkehren möchten, statt die Gleichberechtigung in der Ehe zu verwirklichen.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD — Wehner [SPD]: Leider wahr! — Zuruf von der CDU/CSU: Ach je!)

— Ich sage nur: Es klingt so.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819933600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819933700
Bitte schön, Herr Hasinger.

Albrecht Hasinger (CDU):
Rede ID: ID0819933800
Herr Kollege Schmidt, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß auch das seinerzeit vorgeschlagene Babyjahr

(Franke [CDU/CSU]: Das sogenannte!)

eine Lösung war, die die berufstätige Frau einseitig gegenüber der nicht berufstätigen Frau bevorzugte, und daß diese Lösung deshalb von der 84er-Kommission überhaupt nicht mehr in Erwägung gezogen wird?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819933900
Herr Kollege Hasinger, zu dem Zeitpunkt, als von unserer Seite — die Forderung kam von den Freien Demokraten — die Frage des Babyjahres in die Diskussion geworfen



Schmidt (Kempten)

wurde, gab es sonst überhaupt noch keine Überlegungen hinsichtlich zusätzlicher sozialer Sicherungen der Frau nach der Geburt eines Kindes. Es war nur ein erster Einstieg; mehr kann man im Rahmen einer Rentenreform ohnehin nicht machen. Daß wir hier und heute — ich war ja selbst Mitglied der 84erKommission — weiter sind, daß wir Aufgaben vor uns haben, die wir 1984, 1985 lösen wollen, darüber sind wir uns einig. Aber damals wäre das Babyjahr ein Einstieg gewesen, und wir hätten wenigstens einmal eine erste Anerkennung für die berufstätige Frau und Mutter zusätzlich gehabt.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU]: Aber nicht für die nichtberufstätige Frau!)

Allerdings fiel es dann dem Abstimmungsverhalten der Opposition zum Opfer; dies bedaure ich heute noch. In Zukunft können wir es hoffentlich besser machen. Im übrigen möchte ich hier noch einmal feststellen, daß dies damals — auch in manchen Begründungen — ein Schritt in Richtung Patriarchat und nicht in Richtung Gleichberechtigung war. Davon klang hier auch heute noch manches an.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819934000
Herr Kollege, gestatten sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819934100
Bitte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0819934200
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß das Babjahr den versicherten Frauen als Durchschnittleistung etwa 2 bis 2,50 DM pro Monat gebracht hätte, daß allerdings die Belastung für einen Zeitraum von 15 Jahren auf 18,5 Milliarden DM hochgerechnet worden ist, und betrachten Sie das als eine angemessene Leistung für die Erziehung von Kindern?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0819934300
Herr Kollege Franke, ich darf wiederholen, was ich vorher schon gesagt habe: Es wäre ein Einstieg gewesen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Viel Geschrei um wenig Wolle!)

Im übrigen darf ich ja wohl daran erinnern, daß Ihre Haltung in den Ausschüssen bis zum Abstimmungstag nicht eine ablehnende war.

(Müller [Berlin] [CDU/CSU]: Doch, doch!)

Erst als sich die Beratungen dem Ende zuneigten, als die Vorziehung des halben Jahres plötzlich eine Rolle spielte und dann die Finanzen nicht mehr reichten, ist das Babyjahr von Ihnen „herausgeschossen" worden. Lesen Sie das — ich habe es selber miterlebt — bitte alles nach.

(Franke [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!) — Sicher stimmt das.


(Franke [CDU/CSU]: Nein!)

Die Tatsache, lieber Heinz Franke, daß Sie hier solche Fragen stellen, zeigt doch, daß Sie sehr empfindlich sind,

(Franke [CDU/CSU]: Wenn Sie etwas Falsches behaupten!)

wenn hier gesagt wird, daß Sie das Babyjahr damals abgelehnt haben. Denn sonst bräuchten Sie ja nicht zu versuchen, das mit Fragen wieder zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD — Franke [CDU/CSU]: Ich bin nur empfindlich, wenn Sie etwas Falsches behaupten!)

Das kann, wie gesagt, im Protokoll über die letzte Sitzung des damaligen Bundestages vom 22. September 1972 nachgelesen werden.

(Hasinger [CDU/CSU]: Die Frau ohne eigenen Versicherungsanspruch hätte jedenfalls nichts davon gehabt! — Franke [CDU/CSU]: So ist das!)

— Herr Kollege Hasinger, aber zumindest ein Teil der Frauen hätte etwas davon gehabt. Auch beim Mutterschaftsurlaub haben wir ja mit einem ersten Schritt begonnen. Doch haben wir hier schon erklärt, daß der zweite Schritt folgen müsse.

(Beifall bei der FDP)

Dies, meine Damen und Herren, ist ein bißchen der Unterschied — und da komme ich gleich zu meinem nächsten Thema — zwischen dem Stellen von Forderungen und dem genauen Überlegen, wie man im Rahmen der vorhandenen Mittel schrittweise etwas für die Familie tun kann. Auf das, was Herr Kollege Kroll-Schlüter zum Anspruchsdenken gesagt hat — er ist leider gegangen —

(Franke [CDU/CSU]: Er kommt gleich wieder! — Gerstein [CDU/CSU]: Er ist doch dal)

— ah, da hinten ist er —, muß ich hier kurz eingehen. Ich will die Frage des Herrn Kollegen Glombig nicht allzu sehr vertiefen, aber es ist natürlich nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, hier würden unterschiedliche Dinge zusammengezählt und deshalb käme so viel dabei heraus. Wenn der Entwurf eines familienpolitischen Programms, das im September oder im Oktober — ich habe das genaue Datum nicht im Kopf — verabschiedet wurde, Ihrem Programm entspricht, dann kosten die in ihm aufgeführten Wünsche — auf Einzelheiten hier einzugehen, will ich mir aus Zeitgründen ersparen — 25 Milliarden DM. Dies ist ein Faktum, das Sie in soundso vielen Zeitungen nachlesen können; dort ist das nachgerechnet worden.
Hier unterscheiden wir Freien Demokraten uns etwas von Ihnen. Wir haben damals versucht, mit dem Babyjahr einen Einstieg zu machen, der finanzierbar war. Wir wollen Vernünftiges für die Familie, wir wollen Mögliches für die Familie, aber wir wollen keine Erwartungshorizonte erwecken, wie Sie das tun, die Sie, selbst wenn Sie — was nicht geschehen wird — die nächste Bundestagswahl gewinnen würden, nie erfüllen können. Dies machen wir Freien Demokraten nicht mit.

(Franke [CDU/CSU]: Was kostet der Betreuungsbetrag?)

— Das können Sie nachlesen. Im übrigen: Wollen Sie auf das ganze Steuerpaket verzichten und dafür



Schmidt (Kempten)

das andere machen? Das wäre eine Alternative; das müßten Sie dann beantragen.

(Franke [CDU/CSU]: Noch einmal: Was kostet Ihr Betreuungsbetrag?)

Wenn ich so daran denke, daß der Bundesrat noch etwas draufsatteln will, so wollen Sie ja im Steuerpaket auch noch mehr. Also bitte, das sind dann hundert Milliarden.

(Franke [CDU/CSU]: Aber, Herr Kollege, was kostet der Betreuungsbetrag?)

— Ich habe Ihnen gerade gesagt: Entweder reden wir über das ganze Steuerpaket oder über Einzelheiten. Aber dann sind wir in der nächsten Runde.
Meine Damen und Herren, bei mir leuchtet die rote Lampe auf.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Ich habe versprochen, nicht allzuviel zu sagen. Ich wollte die Debatte hier nicht verlängern. Sonst hätte ich mehr Zeit angemeldet.
Eingangs habe ich gesagt: Dieser Tag war für die Familienpolitik der nächsten Jahre meines Erachtens besser als manch eine andere familienpolitische Debatte. Manche Ausrutscher sollte man mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe zudekken. Vieles, was Sie gesagt haben, nehmen wir mit Interesse und Dank zur Kenntnis. Ich bin sicher, daß wir alle, wenn wir den Familienbericht sorgfältig debattieren, nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen, wenn vielleicht neue Maßnahmen zu beschließen sind, ihn immer wieder nachlesen und dann den nächsten ebenso behandeln, weiter kommen. Wir werden dann immer wieder das Machbare, das finanziell Mögliche in die Tat umsetzen. Damit würde die Chance, die die Familie in dieser Debatte wieder einmal gehabt hat, von uns allen aufgegriffen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819934400
Das Wort hat die Frau Bundesminister.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819934500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu einigen wenigen Punkten Stellung nehmen, die in der Debatte erörtert worden sind.
Herr Burger, Sie haben bemängelt, der Bericht sei so spät abgegeben worden. Ich möchte Ihnen sagen, daß die Kommission den Bericht ein halbes Jahr später abgeliefert hatte und wir erst danach in die Ressortabstimmung eintreten konnten. An der verspäteten Ablieferung sind aber auch wir schuld; denn wir haben von der Kommission verlangt, eine Kurzfassung zu erstellen. Wir wollten nicht, daß der Bericht das Schicksal vieler anderer Berichte teilt, nicht gelesen zu werden. Daraus können Sie ersehen, daß wir zu dem Bericht eine positive Grundhaltung haben.

(Beifall bei der SPD)

Nun möchte ich aufgreifen, was Sie hier noch einmal zum Zweiten Familienbericht gesagt haben. Sie haben gesagt, er sei Ausdruck der Wunschströmungen in den Koalitionsfraktionen. Ich habe die Ausführungen angehört, und ich möchte sagen, irgendwo hätte sich das sicherlich auch einmal niedergeschlagen, wenn dies unsere Wunschströmungen gewesen wären; wir machen ja aus unserem Herzen keine Mördergrube. Aber Sie werden in den Protokollen nichts dergleichen finden. Ich persönlich habe mich von den Stellen, die Sie im Bundestag und anderswo besonders kritisiert haben, ausdrücklich und klar distanziert.
Dann haben Sie unsere Stellungnahme zum Dritten Familienbericht als negative Haltung zur Familie apostrophiert. Das ist nicht richtig.
Sie haben das mit zwei Stellen aus unserem SPD-Familienprogramm verknüpft. Diese zwei Stellen will ich kurz erläutern. Sie haben gesagt, es klinge merkwürdig, wenn wir die Familien von Aufgaben entlasten wollten, die die Gesellschaft besser wahrnehmen könne. Es handelt sich um Aufgaben z. B. der Daseinsvorsorge für Alter und Krankheit, die die Gesellschaft sicher besser erfüllen kann als die Familien. Es handelt sich auch um Bildungsaufgaben. Bei dem Stand, den wir heute in der Allgemeinbildung und der beruflichen Ausbildung nötig haben, kann die Familie sicherlich nicht alles leisten, was Kinder an Bildung brauchen. Der Gedanke liegt z. B. auch den Unterhaltskassen zugrunde, auch dem Jugendhilferecht, wo es ja um Angebote an die Familien geht.
Dann haben Sie kritisiert, wir wollten die Familie relativieren und neue Formen der Familie schaffen. Herr Burger, wir alle reden hier oft über Alleinstehende und ihre Kinder, die z. B. besondere Probleme bezüglich der Steuergesetzgebung haben, wenn sie nur einmal begünstigt werden und nicht — wie ein berufstätiges Ehepaar — zweimal. Außerdem gibt es Pflegeeltern- und Großelternfamilien. Ich will Ihnen auch nicht verhehlen, daß ich es nicht gut finde, wenn z. B. mißhandelte Frauen — davon habe ich mich in Berlin überzeugen können — sich gegenseitig Hilfe leisten, zusammen mit ihren Kindern eine gemeinsame Wohnung mieten wollen, aber das im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus nicht können, weil die Vorschriften dem entgegenstehen. Ich finde, hier liegt eine Aufgabe, zu überlegen, ob neue Formen der Familie diese Verhältnisse besser berücksichtigen können.

(Beifall bei der SPD)

Die Kolleginnen Frau Männle, Frau Geier und auch Frau Wex haben dann etwas über die Diskriminierung der Hausfrau gesagt. Ich möchte hier einen Satz zitieren, der die wesentliche Aussage unseres Regierungsprogramms dazu ist. „Die Diskussion" — so heißt es dort — „über Probleme der erwerbstätigen Frauen darf nicht den Blick auf Leistungen der ausschließlich für die Familie tätigen Frauen verstellen."

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819934600
Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wex?




Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819934700
Ich bringe hier nur ein paar Punkte zum Schluß vor. Ich möchte eigentlich keine Zwischenfrage zulassen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819934800
In Ordnung, danke schön!

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819934900
Ich unterstreiche diesen Satz aus dem Regierungsprogramm und möchte anfügen, daß in unserer 84er-Kommission, Herr Hasinger, das Problem der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente sehr wohl aufgegriffen worden ist und daß gerade die Frauen, die ihre Berufstätigkeit wegen der Kinder aufgegeben haben, dies sehr wünschen und darauf warten. Im übrigen dürfen wir aber, glaube ich, nicht verkennen, daß es Probleme der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. Das sagt auch der Bericht. Dies trifft auch für die Mütter zu, die ihre Berufstätigkeit wegen der Kindererziehung unterbrechen.
Frau Geier, Sie haben gesagt, ich äußerte mich nicht zu dem nach Ihrer Meinung überzogenen Anspruchsdenken, das dazu führe — dies sagt auch der Bericht —, daß viele Kredite aufgenommen würden. Ich stehe überhaupt nicht an, mich dazu zu äußern. Nur, das ist ein gesellschaftliches Problem und kein Verschulden des Staats.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber, wissen Sie, wenn hier dauernd so undifferenziert von mangelnder finanzieller Unterstützung von Familien mit Kindern durch den Staat geredet wird, als ob alle Familien das so dringend nötig hätten, wenn immerfort generell Klage über die schlechten materiellen Leistungen für die Familie geführt wird, wenn das, was Eltern für ihre Kinder selber zahlen, immer nur unter dem Stichwort „Opfer" rubriziert wird, dann braucht man sich über Anspruchshaltung nicht zu wundern. Frau Wex hat gesagt, daß wir Kinder nicht dauernd nur als Belastung empfinden und von ihnen nicht nur als Belastung reden sollten. Aber hier ist ein Widerspruch in Ihren Aussagen.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Dann müssen Sie auch eine Zwischenfrage zulassen!)

Frau Wex, ich bin mit Ihnen darin einig, daß wir für die Wahlfreiheit der Frauen noch mehr tun sollten. All das, was wir bisher getan haben, reicht sicher noch nicht aus. Aber die Wahlfreiheit ist keine Einbahnstraße; man darf sie nicht nur nach der einen Seite hin erleichtern, sondern muß dies sicherlich nach beiden Seiten tun. Herr Kroll-Schlüter, ich habe in meiner damaligen Rede gesagt: „Wir wollen keine Mutterkreuz-Politik betreiben."

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Wer will das denn?)

Aber ich habe zugleich gesagt: „Ich unterstelle auch Ihnen nicht, daß Sie das tun wollen.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Dann lassen Sie das doch ganz weg!)

— Warum soll ich das weglassen, nachdem wir in der Vergangenheit in unserem Land ein solches Problem durchaus gekannt haben?

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Wer hat denn heute so formuliert?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819935000
Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819935100
Ich hatte gesagt, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819935200
Das kann man jetzt nicht gut machen.

Antje Huber (SPD):
Rede ID: ID0819935300
Ich wurde schon ermahnt, ich solle mich sehr kurz fassen, und das möchte ich auch tun.

(Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Schimpfen, und dann nicht antworten! Wer schimpft, muß sich auch fragen lassen!)

— Wir sind am Schluß der Debatte.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Schriftlich haben Sie uns Mutterkreuz-Politik unterstellt! Schriftlich in Ihrer Presseerklärung!)

— Nein, das habe ich nicht getan!

(Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)

— Nein, das habe ich mit Sicherheit nicht getan; das liegt mir ganz fern.

(Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Ich schicke sie Ihnen!)

Was die Jugendhilfe betrifft, Herr Kroll-Schlüter, haben Sie mich ganz falsch verstanden; denn wir wollen ja gerade die Anpassungsschwierigkeiten, die heute oft dazu führen, daß Kinder aus den Familien herausgelöst werden, durch die neue Jugendhilfe reduzieren, so daß die Familie mit einiger Hilfe solche Probleme selber regeln kann und daß eben weniger Kinder aus der Familie herausgeführt werden müssen. Genau das ist der Sinn des Gesetzes. Sie werden nicht bestreiten, daß es schwere Konflikte gibt. Aber wir wollen der Familie helfen und anders dürfen Sie auch das Vorwort nicht interpretieren.
Ich stimme der Äußerung von Frau Geier zu, daß man mit relevanten Gruppen über Familienpolitik reden müsse. Frau Geier, das tun wir, und das halten wir immer für nötig. Nur, Sie haben gesagt, man müsse unter Einbeziehung aller Parteien ein Konzept entwickeln. Ein Allparteienkonzept zu entwikkeln, scheint mir aber heute schlecht möglich zu sein.

(Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Sie brauchen nur unserem Entwurf zuzustimmen!)

Auch wenn diese Debatte einige gemeinsame
Punkte erbracht hat: Ich glaube, eine ausreichende
Grundlage für ein gemeinsames Konzept ist nicht



Bundesminister Frau Huber
erkennbar. Darüber müssen wir wohl noch eine ganze Weile diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP -Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Sie haben ja gar keines! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Sie will es nicht!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819935400
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates zu den Vorlagen auf den Drucksachen 8/3143, 8/3443, 8/3577, 8/3120 und 8/3121 ersehen Sie aus der Tagesordnung. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hammans, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Braun, Frau Karwatzki, Dr. Reimers, Frau Geier, Frau Dr. Neumeister und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Logopäden
— Drucksache 8/741 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß)

— Drucksache 8/2185 —
Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich (Erste Beratung 42. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Jaunich.

Horst Jaunich (SPD):
Rede ID: ID0819935500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erwarten Sie von mir bitte nicht, daß ich heute hier eine Erklärung des Wortes ,,Logopäde" vornehme. Dies wird der Herr Kollege Hammans tun, der das hier bereits einmal getan hat. Das habe ich eben mit ihm so abgesprochen.
Das können wir miteinander auch absprechen, da wir hier arbeitsteilig vorgehen können; denn wir werden heute, am 24. Januar 1980, einvernehmlich einen Gesetzentwurf verabschieden. Es ist ein Gesetzentwurf, den die CDU/CSU-Fraktion bereits in der 7. Wahlperiode eingebracht hatte

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Hört, hört!)

und der dort nicht verabschiedet werden konnte, weil er noch nicht verabschiedungsreif war.
Als er dann in der 8. Wahlperiode wieder eingebracht wurde, hat Herr Dr. Hammans mich und uns alle, die wir die Regierungskoalition darstellen, und die Bundesregierung beschimpft, wir hätten seinerzeit die Verabschiedung dieses so wichtigen Gesetzes dadurch verzögert, daß wir in der 7. Wahlperiode noch eine Anhörung gefordert hätten. Diese Anhörung sei doch überflüssig gewesen. Nun, ich habe ihm bei der gleichen Gelegenheit darauf antworten können, daß diese Anhörung nicht überflüssig war, denn die Union selbst hat ja bereits Konsequenzen aus dieser Anhörung gezogen.
Aber noch aus einem anderen Licht möchte ich diesen damaligen Vorwurf heute beleuchten. Der federführende Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit hat diesen Entwurf sehr gründlich beraten, war aber dennoch schon zu Beginn der Sommerpause des Jahres 1978 mit seinen Beratungen fertig, und heute ist dieses Gesetzgebungsvorhaben im Plenum. Es hätte längst hier sein können, es hätte hier längst verabschiedet werden können, wenn die Opposition, deren Entwurf es ist, auch nur einen Finger krumm gemacht hätte, um es zu befördern und hier vor das Plenum zu bringen. Sie hat es nicht getan. Aus diesem Licht betrachtet, wird der damalige Vorwurf, wir hätten verzögert, nun doch wohl vollends ad absurdum geführt.
Die Ausschußberatungen haben den Entwurf nicht unverändert gelassen. Wir haben die Änderungen gemeinsam miteinander beschlossen; ich begrüße das. Wir haben insbesondere bei den Zugangsvoraussetzungen uns auf eine Form geeinigt, die vertretbar erscheint, was den Beruf anbelangt, aber auch, was den bildungspolitischen Aspekt anbelangt. Mit dieser Änderung waren beteiligte Fachkreise nicht ganz einverstanden. Sie haben hier Einwände. Diese Einwände haben wir im Ausschuß und wohl auch jede Fraktion für sich sehr sorgfältig abgewogen. Wir haben sie nicht für so gravierend angesehen. Dieser Einwand gründete sich u. a. auch darauf, daß sich bei den nunmehr vorgesehenen Zugangsvoraussetzungen nicht die gleichen Besoldungschancen für die Zukunft eröffnen wie im anderen Falle. Nun, das ist eine Frage der Tarifpolitik und von uns daher überhaupt nicht zu beeinflussen. Wir halten dies für einen wichtigen Beruf. Wir wollen nur nicht von vornherein ganze Bevölkerungskreise ausschalten. Wir gehen auch nicht davon aus, daß jeder, der eine abgeschlossene Hauptschulbildung und eine zweijährige abgeschlossene Berufsausbildung hat, unbedingt für diesen Beruf geeignet ist. Aber es gibt Instrumente neben dem Gesetz, um dies zu verhindern.
Ein zweites Begehren, ein zweiter Einwand der beteiligten Fachkreise war, daß bei den vom Ausschuß neu formulierten Zugangsvoraussetzungen, nämlich unter anderem auch Hauptschulabschluß und zweijährige Berufsausbildung, die in den Beruf Hineinströmenden nicht ein entsprechendes Alter hätten, um mit den Problemen dieses Berufes fertig zu werden, und insbesondere die entsprechende Reife zu haben, um mit jenen Menschen umzugehen, mit denen dieser Berufszweig nun einmal umzugehen hat. Dies war ein gravierender Einwand, den wir auch aufgenommen haben. Deswegen liegt Ihnen der interfraktionelle Änderungsantrag vor, den wir miteinander annehmen wollen.
Es ergibt sich eine gewisse Notwendigkeit für eine bundeseinheitliche Regelung dieses Berufes, denn dieser Beruf ist wichtig. Wenn Sie sich aus dem Bericht einmal die Zahlen vor Augen führen —400 000 behandlungsbedürftige Sprachgestörte, dazu 150 000 Stimmgestörte und über 150 000 Kinder mit Hörstörungen, für die dieser Beruf die The-



Jaunich
rapeutengemeinschaft bildet —, dann wird die Wichtigkeit dieses Berufes deutlich, auch wenn diese Zahlen nicht bis auf die letzte Ziffer stimmen.
Aber aus diesem Bericht geht auch der enorme Fehlbedarf an Logopäden hervor. Für eine vernünftige Versorgung der so erkrankten Menschen in unserem Lande ware eine viel größere Anzahl von Logopäden erforderlich. Diese Ausbildungskapazität vorzuhalten ist dem Bund aber nicht möglich. Hier erfolgt von mir wiederum von dieser Stelle aus der dringende Appell an die Länder, das ihrige zu tun, damit diese Ausbildungskapazität, die schmal genug ist, verbreitert wird.
Dies war letztlich auch ein tragendes Motiv für uns, die Zugangsvoraussetzungen so zu gestalten, daß auch Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die sich für diesen Beruf interessieren, die Möglichkeit erhalten, diesen Beruf auszuüben; denn wir können davon ausgehen, daß diese Ausbildungskapazität durch berufsfördernde Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit ein wenig ausgebaut werden kann.
Durch dieses Gesetz darf das Therapieangebot nicht kleiner gemacht werden. Dies habe ich in allen vorausgegangenen Lesungen bereits gesagt. Dies hat uns auch dazu veranlaßt, in dem § 8, in den Übergangsbestimmungen, für jene, die diesen Beruf bereits ausüben, Möglichkeiten zu schaffen, die Anerkennung nach diesem Gesetz zu erlangen. Fur jene, die diesen Beruf bereits fünf Jahre ausüben, eröffnen wir die Möglichkeit, in die Prüfung zu gehen und damit diese Berufsausbildung voll abzuschließen, und wir eröffnen für jene, die zehn Jahre und mehr in der Sprach- und Stimmheiltherapie tätig sind, die Möglichkeit, sich auf Antrag die Erlaubnis erteilen zu lassen, daß heißt, ohne sie in eine erneute Prüfung zu jagen. Wir halten das für vernünftig.
Zweitens wollen wir, daß das Therapieangebot durch die Verlängerung der Ausbildungszeit nicht kürzer wird, sondern auch für die Zukunft mindestens in dem bisherigen Ausmaß vorgehalten wird.
Durch eine Entschließung, die wir Sie anzunehmen bitten, wollen wir sicherstellen, daß auch die vielen anderen auf diesem Gebiet tätigen Therapeuten, die ebenfalls über beachtliche Leistungen verfügen und sie nachweisen können, in der Zukunft von den Krankenkassen nicht ausgeschaltet werden. Wir konnten ihre berechtigten Wünsche, auch für sie eine Bundesregelung zu treffen, nicht erfüllen, weil die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes dies nicht hergibt. Hierbei handelt es sich nämlich um anders angelegte Ausbildungen, ob es Schlaffhorst-AndersenTherapeuten oder Musiktherapeuten oder ähnliche Therapeuten sind. Aber wir alle wollen nicht, daß sie für die Zukunft von den Kassen ausgeschaltet werden, an jenen Menschen ihre Therapie anzubringen, bei denen es vom Krankheitsbild her angezeigt ist. Wir bringen in unserer Entschließung zum Ausdruck, daß wir erwarten, daß die Krankenversicherungen auch in Zukunft Verträge mit diesen Berufsgruppen abschließen werden.
Dem so in den Ausschußberatungen einmütig verbesserten Gesetzentwurf geben wir unsere Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819935600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0819935700
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jaunich, Sie haben mir das Stichwort gegeben, zum Wort „Logopäde" noch einmal ein Wort zu sagen, obwohl dies eine Wiederholung meiner Worte in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 15. September 1977 ist. Damals hatte mich auch ein Kollege von der SPD in einem Zwischenruf aufgefordert, das Wort „Logopäde" zu erklären. Ich glaube, er befand sich mit dieser Bitte in guter Gesellschaft, denn bei einer Beratung des Gesetzentwurfs in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU während der 7. Legislaturperiode fragte der damalige Fraktionsvorsitzende und unser heutiges Staatsoberhaupt, Professor Dr. Karl Carstens, ob dieser Name etwas mit Füßen zu tun habe. In Wirklichkeit stammt das Wort aus dem Griechischen und hat die beiden Stämme λόγοσ und παιδεύειν, was soviel wie Sprach- oder Sprecherzieher bedeutet Den Begriff „Logopäde" haben wir sehr ungern übernommen, aber die Vertreter dieses kleinen Berufsstandes möchten unbedingt an diesem Wort festhalten. Wir haben uns dann schließlich diesem Wunsch nicht verschließen können.
Lassen Sie mich — gerade auch in Ergänzung zu dem, was Herr Jaunich hier gesagt hat — noch ein paar Bemerkungen zur abschließenden Beratung dieses Gesetzentwurfes machen. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte die CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf fast im gleichen Wortlaut, wie er jetzt vorliegt, eingebracht. Ziel war und ist es, diesem Berufsstand eine bundeseinheitliche Regelung zu geben; denn in einigen Bundesländern gelten voneinander abweichende Regelungen. Im Grundsatz waren auch in der 7. Legislaturperiode sowohl Bundesregierung als auch die Fraktionen des Deutschen Bundestages der Meinung, daß eine bundeseinheitliche Regelung für diesen Beruf geschaffen werden sollte.
Um unterschiedlichen Auffassungen, die von den verschiedensten Seiten zum Gesetzentwurf vorgebracht wurden, Rechnung zu tragen, wurde eine nichtöffentliche Anhörung vor dem Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit angeregt, beantragt und durchgeführt. Herr Jaunich, ich glaube, Sie sehen, daß ich eine durchaus vernünftige Begründung für diese Anhörung vortrage. Die sorgfältige Auswertung dieser Anhörung, die erst am 23. Juni, also wenige Monate vor der Bundestagswahl 1976 erfolgte, machte eine endgültige Verabschiedung vor der Wahl unmöglich.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion brachte den Gesetzentwurf dann, nur wenig verändert, in der 8. Legislaturperiode neu ein. Die erste Lesung erfolgte am 15. September 1977; das hat Herr Kollege Jaunich schon gesagt. Nach Überweisung an den federführenden Ausschuß hat sich dieser noch einmal intensiv mit der Problematik beschäftigt. 1m Mittel-



Dr. Hammans
punkt dieser Beratungen standen die Eingangsvoraussetzung für die Zulassung zur Ausbildung einerseits und das Lebensalter andererseits. Der Gesetzentwurf sah als Voraussetzung eine abgeschlossene Realschulbildung oder eine andere gleichwertige Ausbildung und eine zweijährige Τätigkeit im sozialpädagogischen oder pflegerischen Bereich oder die allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife für sozialpädagogische Berufe und ein sechsmonatiges Praktikum im sozialpädagogischen oder pflegerischen Bereich vor.
Interessanterweise gab es in der Beurteilung dieser Frage eine unheilige Allianz z. B. zwischen den Vertretern des DGB und Mitgliedern des Arbeitskreises VI für Bildung und Wissenschaft der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit wurde schließlich auf Antrag der Regierungskoalition einstimmig beschlossen, als Voraussetzung auch eine nach dem Hauptschulabschluß durchgeführte abgeschlossene Berufsausbildung zuzulassen, die mindestens eine zweijährige Dauer haben muß. Leider fielen damit auch die im Entwurf vorgesehenen praktischen Τätigkeiten im sozialpädagogischen und pflegerischen Bereich fort.
Die Standesvertretung und auch ich persönlich als Initiator dieses Gesetzentwurfes waren über diese Entwicklung unglücklich. Herr Jaunich — darin sehen Sie auch die Ursache der Verzögerung —, Sie werden es verstehen, ich konnte mich einfach nicht entschließen, unsere Geschäftsführer zu bitten, nun die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfes hier im Hause anzukurbeln.

(Jaunich [SPD]: Herr Kollege Hammans, wir hatten Einmütigkeit im Ausschuß! Waren Sie damals gerade weggetreten?)

— Ich war in dieser Ausschußsitzung leider wegen Krankheit entschuldigt und konnte daran nicht mitwirken. Daher ist das, hoffe ich, verständlich.
Uns, der Standesvertretung und auch mir, schien eine ideologische Begründung für die im Ausschuß beschlossene Entwicklung grundsätzlich falsch; aber auch im Hinblick auf einen internationalen Vergleich ist die jetzt für Logopäden in der Bundesrepublik geschaffene Situation — in allen anderen europäischen Ländern ist nämlich das Abitur Voraussetzung - ungünstiger.
Die Anzahl der Bewerber, die den Beruf des Logopäden ergreifen möchten, hat seit Jahren zugenommen und dazu geführt, daß auch in der Bundesrepublik praktisch nur Abiturienten den Zugang zu diesem Beruf gefunden haben und vermutlich finden werden. 2 000 bis 3 000 Anmeldungen für 20 Ausbildungsplätze sind keine Seltenheit.
Damit Sie mich nicht mißverstehen, betone ich: Ich wünsche einem Maurer, der nach dem Hauptschulabschluß eine ordentliche Berufsausbildung mitgemacht hat und jetzt Logopäde werden möchte, sehr wohl, daß er dieses Berufsziel erreicht. Aber die Anforderungen der Ausbildung — Sie brauchen sich nur einmal von irgendeiner Lehranstalt in der Bundesrepublik Deutschland einen Überblick über den Lehrplan zu verschaffen, dann werden Sie mir
zustimmen — sind gerade im naturwissenschaftlichen Bereich so hoch, daß der Maurergehilfe mit hoher Wahrscheinlichkeit nach wenigen Wochen die Flinte ins Korn wirft und die Ausbildung abbricht. Das Wissen, das von einem Schüler beim Abschluß der Realschule gefordert wird, ist einfach eine unabdingbare Voraussetzung, um dem Ausbildungsgang folgen zu können. Der erwähnte Maurergehilfe wird also in der Praxis doch die Realschule nachholen müssen. Warum wollen wir dies nicht gleich ins Gesetz schreiben?
Im übrigen möchte ich als Vertreter eines Wahlkreises, in dem das erste Abendgymnasium in einem Landkreis in der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, sagen, daß ich die Zähigkeit, mit der Frauen und Männer im zweiten Bildungsweg zusammen mit einer Berufstätigkeit durchhalten, nur bewundere. Ich bin sicher, daß jemand, der einen anderen Beruf hat, aber Logopäde werden will, bereit ist, den Realschulabschluß nachzuholen, um dieses Berufsziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

Ich bedaure, daß diese Regelung, die der Ausschuß beschlossen hat und der ich mich jetzt nicht widersetzen werde, bei jungen Menschen möglicherweise Erwartungen weckt, denen man doch nicht gerecht werden kann. Sie werden mit mir Verständnis für die Frustration eines jungen Menschen haben, der nach einer Lehre diese Ausbildung begann und dann sieht, daß er sie abbrechen muß.
Nach der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs, die ja jetzt zu erwarten ist — ich kann die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion mit Freude ankündigen — werden, wie Herr Jaunich hier zutreffend sagte, etwa 1 Million Personen in der Bundesrepublik Deutschland, die auf Grund von Sprach- und Stimmstörungen behandlungsbedürftig sind, aufatmen. Denn dann werden die Voraussetzungen für eine einheitliche bessere Ausbildung des Logopäden und damit eine Voraussetzung für eine bessere Behandlung dieser Kranken gegeben sein.
Ich knüpfe wie Herr Jaunich an die Verabschiedung dieses Gesetzes die Hoffnung, daß es möglich sein wird, das Ausbildungsplatzangebot in den Bundesländern zu vergrößern. Die Bundesländer sind herzlich aufgefordert und eingeladen, dies bald zu tun.
Wie sehr hörgeschädigte Kinder auf Behandlung warten, geht aus einem offenen Brief vom 30. Dezember 1979 hervor, den der Direktor der Klinik für Kommunikationsstörungen an der Universität Mainz, Herr Professor Dr. Biesalski, an Frau Dr. med. Veronika Carstens geschickt hat und aus dem ich einige Passagen zitieren möchte:
Das behinderte Kind, auch das hörgestörte, stand in diesem Jahr im Mittelpunkt zahlreicher Informationen, mahnender Hinweise und Veranstaltungen. Im Gegensatz zu vielen gutgemeinten Willensbezeugungen hat sich die Lage der hörbehinderten Kinder aber leider nicht geändert, und das, obwohl bekannt ist, daß ca. 40000 Kinder mit starker Einschränkung des Hörvermögens in ihrer sprachlichen, geistigen,



Dr. Hammans
seelischen und sozialen Entwicklung auf eine optimale und frühestmögliche Diagnostik und damit Therapie angewiesen sind.
Αn anderer Stelle:
Es wird Sie selbst wie auch uns entrüsten, wenn Sie hören, daß es in Deutschland hörgestörte Kinder gibt, die bis zu zwölf Jahre alt werden, bevor eine ausreichende medizinische Diagnose und Therapie beginnen kann — viel zu spät, weil eine bestmögliche Entwicklung unwiederbringlich vorüber ist. Ein kürzlich von mir untersuchtes Mädchen, das ich als Beispiel für viele derartige Kinder nennen möchte, hat einen Intelligenzquotienten von über 130, gehört also zu den ein bis zwei Prozent der Hochintelligenten in unserem Lande. Ihre Begabung wird dieses Mädchen freilich nicht ausschöpfen können, denn die Schulbildung ohne Unterstützung durch das Gehör und ihre kaum verständliche Sprache lassen trotz aller pädagogischen Bemühungen nur niedrige Ausbildungsziele zu.
Oder an anderer Stelle:
Statt daß pro 1 Million Einwohner eine Hör-und Sprachabteilung oder -klinik vorhanden ist, wie in Dänemark oder Schweden, besitzt die Bundesrepublik nur eine derartige Institution auf je 10 Millionen Burger.

(Hasinger [CDU/CSU]: Leider wahr!) Oder an anderer Stelle:

Wie soll eine Situation erklärt und verstanden werden, die Eltern hörgeschädigter Kinder zwingt, jahrelang hinter der kompletten Diagnose und Therapie herzulaufen?
Und schließlich, letztes Zitat:
Gegenüber früher noch schlechteren Zuständen ist manches verbessert, manches geschieht auch heute. Jedoch stehen diese Bedingungen in keinem richtigen Verhältnis zu den großen medizinischen, pädagogischen und rehabilitativen Möglichkeiten, die hörgestörten Kindern heute geboten werden können. Die Schwerhörigkeit und noch mehr die Gehörlosigkeit ist eine der schwersten Behinderungen, die ein Mensch zu tragen hat. Weil eine Hörbehinderung nach außen hin nur wenig auffällt, werden schwerhörige Kinder oft „übersehen. Sie stehen im Schatten unserer Gesundheitspolitik, besonders was die Früherfassung sowie die ihnen zustehende optimale Behandlung und Förderung angeht.
Soweit, meine Damen und Herren, der Brief von Professor Biesalski an Frau Dr. Carstens.
Meine Damen und Herren, dem interfraktionellen Änderungsantrag zum Gesetz, nach dem als Ausgangsvoraussetzung die Vollendung des 18. Lebensjahres gefordert wird, stimmt die CDU/CSU wie die dem gesamten Gesetzentwurf zu. Ich danke Ihnen, daß Sie trotz der späten Stunde zugehört haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819935800
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0819935900
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Gesetzentwurf wurde vom federführenden Ausschuß in seiner Sitzung am 14. Juli 1978 in der Ihnen vorliegenden Fassung einstimmig angenommen. Daß sich die zuständigen Abgeordneten trotzdem danach noch eingehend mit einigen Fragen des Gesetzes befaßt haben, möchte ich zunächst einmal als ein Positivum herausstellen;

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

denn wir haben damit gezeigt, daß wir uns auch nach Verabschiedung eines Entwurfs, im Ausschuß ernst zu nehmenden Einwendungen von seiten der Betroffenen nicht verschließen. Die seitdem wieder aufgeworfene Frage rührt an die Grundlagen des Rechts und des Systems der nichtärztlichen Gesundheitsberufe. Es konnte daher nicht verwundern, daß sie alsbald auch recht kontrovers diskutiert worden ist. Daher auch die lange Zeit, bis es nun schließlich zur, wie ich annehmen darf,' einvernehmlichen Verabschiedung kommt.
Die Frage der sogenannten Eingangsvoraussetzungen für eine Berufsausbildung kann nie isoliert und ohne Rücksicht auf andere, verwandte Berufsbilder gesehen werden. So hatte man sich bei der im Ausschuß getroffenen Regelung, wonach Hauptschule mit zweijähriger Berufsausbildung genügt, auf das Gesetz über den Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten und den Entwurf eines Krankenpflege- und Hebammengesetzes als Vorbilder berufen können. Umgekehrt setzen das MTA-Gesetz und das Gesetz über den Diätassistenten eine abgeschlossene Realschulbildung voraus.

(Hasinger [CDU/CSU]: Das zeigt eben, daß jeder Beruf differenziert zu betrachten ist!)

— Eben.
Die Zuordnung eines neuen Berufes zu einem bereits geregelten ist immer schwierig, da letztlich kein Beruf mit dem anderen genau verglichen werden kann.

(Hasinger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Für eine Zuordnung der Ausbildung und des Berufs der Logopäden kommt es auf eine Vergleichbarkeit mit der Ausbildung und Tätigkeit eines verwandten Berufsbildes an. Hier bietet sich das Berufsbild des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten an, und zwar aus mehreren Gründen. Einmal ist das entsprechende Gesetz erst 1976 erlassen worden, so daß die Kontinuität der Entwicklung bei einer Anknüpfung hieran eher gewahrt ist als etwa bei einem Rückgriff auf die älteren Gesetze über die Diätassistenten von 1973 oder das MTA-Gesetz von 1971.
Zum zweiten handelt es sich auch beim Logopäden um einen Rehabilitationsberuf, so daß innerhalb dieser Gruppe möglichst einigermaßen einheitliche Voraussetzungen gelten sollten.
Drittens wird hier wie dort eine dreijährige recht qualifizierte Ausbildung gefordert, so daß dem Lo-



Spitzmüller
gopäden recht sein könnte, was dem Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten billig ist.
Viertens und letztens sind die beiden Ausbildungsgänge und damit weitgehend auch die tatsächlichen Tätigkeiten der beiden Berufe im Niveau teilweise vergleichbar und zum großen Teil inhaltlich sogar identisch, etwa in den medizinischen Grundlagenfächern, in der Psychologie, insbesondere der klinischen Psychologie, sowie in der Padagogik und Sonderpädagogik.
Alle diese Gründe sprechen für eine Übernahme der Eingangsvoraussetzungen aus dem Gesetz über den Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten in das Gesetz über den Logopäden, d. h. für die im Ausschuß einstimmig beschlossene Fassung. Daß wir uns nach langen Überlegungen interfraktionell dennoch für einen Änderungsantrag entschlossen haben, hat im folgenden seinen Grund.
Uns wurde in zahlreichen Einzelgesprächen mit Logopäden und auch Lehrlogopädinnen klargemacht, daß der Logopäde für eine erfolgreiche Ausübung seiner Tätigkeit ein hohes Maß an persönlicher Reife haben muß, geht es doch bei ihm um die Behandlung meist komplexer Störungen der menschlichen Sprache — und damit des Zentrums der Persönlichkeit — vielfach auch erwachsener Menschen. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, als weitere Eingangsvoraussetzung die Vollendung des 18. Lebensjahres vorzusehen, allerdings wiederum ohne allzu starre Bindung an dieses Erfordernis. Reife hängt ja letztlich nicht immer nur vom Alter ab.
Ich denke, diese von mir vorgetragenen Gründe rechtfertigen die von uns gemeinsam gefundene Lösung. Ich hoffe, auch die Logopäden selbst haben Verständnis für diese Entscheidung, wenn sie auch weitergesteckte Ziele verfolgen und dafür durchaus achtbare, ernst zu nehmende Gründe anführen können.
Lassen Sie mich zum Schluß einige Worte zu den Gesundheitsberufen insgesamt sagen. Ich erwähnte eingangs schon, daß diese Berufe untereinander in einer Art System stehen, in dem der eine Beruf nicht ohne Abstimmung auf den anderen geregelt werden darf. Sonst ist eine heillose Zersplitterung im Recht der Gesundheitsberufe unausbleiblich. Wir haben heute bereits 30 solcher Berufsbilder, davon aber nur 14 bundesgesetzlich geregelte. Der Logopäde wird der fünfzehnte sein. Also genau die Hälfte ist dann bundesgesetzlich geregelt.
Der Deutsche Bundestag sollte in der nächsten Wahlperiode bei dieser Vielzahl von Gesundheitsberufen sicher dazu kommen, verwandte Berufe nach und nach rechtlich einander anzugleichen und in gemeinsamen Gesetzen, wenn auch ohne Gleichmacherei, zu regeln. Ein sinnvoller Schritt in diese Richtung ware einmal eine gewisse Zusammenfassung mehrerer Rehabilitationsberufe wie desjenigen des Logopäden und desjenigen des Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten. Vielleicht ist das dann möglich, wenn wir dazu kommen, das Berufsbild des Orthoptisten bundeseinheitlich zu regeln.
Dem Gesetzentwurf über den Beruf des Logopäden stimmen wir, nachdem die Änderung angenommen ist, zu. Ganz besonders aber stimmen wir auch dem vom Ausschuß formulierten Entschließungsantrag zu. Hierzu hat Herr Kollege Jaunich einiges Wichtige gesagt, das wir genauso sehen und deshalb unterstreichen.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819936000
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die §§ 1 bis 3 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobel — Enthaltungen? — Bei zwei Gegenstimmen so beschlossen.
Ich rufe § 4 auf. Hierzu liegt ein interfraktioneller Änderungsantrag auf Drucksache 8/3604 vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Gegenstimmen so beschlossen.
Wer § 4 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Gegenstimmen so beschlossen.
Ich rufe die §§ 5 bis 11, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobel — Enthaltungen? — Bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung so beschlossen. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Engelhard.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0819936100
Frau Präsidentin! Meine Damen und. Herren! Ich habe dem vorliegenden Gesetzentwurf über den Beruf des Logopäden nicht zugestimmt und darf dies kurz begründen.
Meine Bedenken richten sich gegen § 4 Abs. 2 des Entwurfs, der die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung für den Beruf des Logopäden regelt. Soeben sind durch die Annahme eines Änderungsantrags die meines Erachtens bestehenden Mängel abgemildert worden. Dies reicht jedoch nicht, da die Voraussetzungen immer noch viel zu weit gefaßt sind.
Bei den Logopäden handelt es sich um einen nicht nur besonders verantwortungsvollen, sondern auch besonders schwierigen Beruf. Logopäden sind ja nicht bloße Vokal- und Konsonantentechniker, sondern sie haben es mit Behinderten zu tun, denen das wichtigste Mittel, sich einem anderen Menschen mitzuteilen, nicht oder nur unzulänglich zur Verfügung steht. Damit wird der Logopäde nicht nur zu einem Helfer in seinem engeren Fachbereich, sondern auch zu einer Person, die des besonderen Vertrauens des Kranken und Behinderten sicher sein muß



Engelhard
und in vielen Dingen um Rat gefragt wird, in denen von ihm eine Antwort erwartet wird.
Dementsprechend ist im außereuropäischen Ausland weithin das Abitur Zulassungsvoraussetzung für die Ausbildung; so in Osterreich, der Schweiz, den Niederlanden, in Belgien, England und Frankreich. Der Berufsverband der Logopäden verlangt das Abitur allein als Voraussetzung überhaupt nicht. Er will aber umgekehrt — wie ich meine, zu Rechtlieber kein Berufsgesetz haben als dieses heute hier beschlossene.
Es erscheint mir nicht sachgerecht, neben dem mittleren Bildungsabschluß, der Realsschule, auch den Hauptschulabschluß mit einer zweijährigen Berufsausbildung in jedem x-beliebigen Beruf als Vorausetzung zuzulassen. Es erscheint mir dies vor allem deswegen nicht sachgerecht, weil wir heute in einem offenen Bildungssystem leben, das durchlässig ist und es, wie bereits geschildert, jedem ermöglicht — zum Teil mit erheblicher immaterieller und materieller Förderung —, die Schule, die seinen Fähigkeiten und Leistungen gemäß ist, auch zu besuchen.
Ein Zweites: Ich denke, man tut auch den Hauptschülern keinen Gefallen, wenn man ihnen durch die Formulierung des Gesetzes vorspiegelt, sie könnten das im Gesetz vorgesehene Ziel überhaupt erreichen, während die in der Praxis Kundigen wissen, daß dem nicht so ist.
In diesem Zusammenhang sind für mich Vergleiche mit anderen nichtärztlichen Heilberufen, die angestellt worden sind, nicht sehr überzeugend.

(Hasinger [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich stelle umgekehrt die Frage, ob in der Vergangenheit nicht manches getan wurde, was dringend des Oberdenkens und einer Vereinheitlichung bedarf.
Persönlich hoffe ich, daß in der weiteren Gesetzgebung noch die Gelegenheit und reale Möglichkeit bestehen wird, das zu verändern, was heute hier das Hohe Haus beschließen wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819936200
Dessenungeachtet kommen wir jetzt zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Nein-Stimmen und bei zwei Enthaltungen ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Meine Damen und Herren, es liegen noch zwei Beschlußempfehlungen des Ausschusses vor. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2185 unter Νr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Der Ausschuß empfiehlt ferner, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. November 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nach- laß- und Erbschaftsteuern
— Drucksache 8/3224
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 8/3578 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kreile (Erste Beratung 180. Sitzung)

Wünscht dazu der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird auch anderweitig nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer diesem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung auf:
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Republik Brasilien über den Seeverkehr
— Drucksache 8/3553 —
Überweisungsvorschlag des Ăltestenrates:
Ausschuß für Verkehr und fur das Post- und Fernmeldewesen
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Obereinkommen Nr. 142 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1975 über die Berufsberatung und Berufsbildung im Rahmen der Erschließung des Arbeitskräftepotentials
— Drucksache 8/3550 —
Überweisungsvorschlag des Ăltestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß fur Wirtschaft
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Obereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern
- Drucksache 8/3529 —
Überweisungsvorschlag des Ăltestenrates:
Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß fur Jugend, Familie und Gesundheit
Das Wort wird nicht gewünscht.



Vizepräsident Frau Renger
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Außerdem ist interfraktionell vereinbart worden, die Vorlage auf Drucksache 8/3550 unter Punkt 8 der Tagesordnung zusätzlich an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zur Mitberatung zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist auch das so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Braun, Frau Hürland, Hasinger, Dr. Becker (Frankfurt), Kroll-Schlüter, Frau Karwatzki, Dr. Hammans, Dr. Möller, Bühler (Bruchsal), Dr. Reimers, Höpfinger, Dr. George, Müller (Berlin), Picard, Dr. Hornhues, Weber (Heidelberg) und der Fraktion der CDU/CSU
zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Burger, Geisenhofer, Braun, Frau Hürland, Franke, Frau Dr. Neumeister, Müller (Remscheid), Frau Berger (Berlin), Vogel (Ennepetal), Dr. Reimers, Dr. George, Kroll-Schlüter, Hasinger, Dr. Hammans, Bühler (Bruchsal), Frau Geier, Frau Schleicher, Müller (Berlin), Dr. Becker (Frankfurt), Regenspurger, Biehle, Dr. Möller, Dr. Stark (Nürtingen), Wimmer (Mönchengladbach), Dr. Jenninger, Köster und der Fraktion der CDU/CSU
Lage der Behinderten und Weiterentwicklung der Rehabilitation
— Drucksachen 8/2560, 8/3404 — Berichterstatter: Abgeordneter Hölscher
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort in der Aussprache hat Frau Abgeordnete Hürland.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID0819936300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie das Deckblatt der Drucksache 8/3404 beweist, ist es ein besonderes Anliegen meiner Fraktion, die Lage der Behinderten immer welter zu verbessern und die Rehabilitation auf allen Sektoren zu fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir freuen uns, daß sich die Koalitionsfraktionen unserem Anliegen angeschlossen haben. Behinderte sind ein Personenkreis, der von allen Fraktionen Aufmerksamkeit verdient und erfahren hat. Den Zwölf-Punkte-Katalog, den der Ausschuß einstimmig beschlossen hat, halten wir für besonders wichtig und vordringlich, wenn auch nach unserer Auffassung mehr hätte getan werden können. Ich verweise deswegen ausdrücklich auf die von meiner Fraktion zusätzlich angesprochenen elf weiteren Punkte. Was jetzt nicht möglich war, sollte so bald wie möglich behandelt werden. Wir fühlen uns verpflichtet, auf dem Felde der Rehabilitation keinen Stillstand hinzunehmen. Trotz angespannter Haushaltslage wollen wir die Anliegen der Behinderten weiter verfolgen, auch wenn es Geld kosten sollte.
Dies verlangt unser grundsätzliches Bekenntnis zur Würde des einzelnen Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich einige zusätzliche Punkte ansprechen, die für meine Fraktion von wesentlicher Bedeutung sind.
Wir sind uns mit vielen Behinderten darin einig, daß die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen ·Trägern der Rehabilitation erheblich verbessert werden muß. Der gemeinsame politische Wille bei der Verabschiedung des Schwerbehindertengesetzes und des Rehabilitationsangleichungsgesetzes war, daß für den Behinderten Zuständigkeitsfragen keine Bedeutung mehr haben sollten. Dies haben wir auch in das Gesetz hineingeschrieben. Die Praxis ist leider auch nach einigen Jahren noch nicht zufriedenstellend. Dies ist besonders dann zu bedauern, wenn es sich um Eingliederungspläne handelt, die während einer Arbeitslosigkeit des Behinderten aufgestellt werden müssen. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, mit den beteiligten Trägern nach einer Lösung zu suchen, die reibungslos funktioniert.
Zwar verkennen wir nicht, daß in der Vergangenheit an vielen Orten und von vielen Trägern Einrichtungen für die berufliche Rehabilitation geschaffen worden sind, aber leider sind diese Einrichtungen noch nicht flächendeckend, sondern höchstens flekkendeckend. Dies wirkt sich,. von der Kostenseite abgesehen, durch größere Entfernungen und durch die damit verbundene Internatsunterbringung auch auf die Beziehungen des Behinderten zu seinen Angehörigen und auf seine persönlichen gesellschaftlichen Bindungen aus. Die gesellschaftliche Integration der Behinderten ist aber eines der wesentlichen Ziele unseres Behindertenrechts. Wir sollten es uns nicht leisten, durch von uns geförderte Maßnahmen eine schon vorhandene Integration aufzuheben oder zu stören.
Ausdrücklich anerkennen möchte ich die Bemühungen der verschiedenen Träger für medizinische, arbeitstherapeutische und berufliche Rehabilitation. Im Interesse der Behinderten, dem sich auch alle Träger verpflichtet fühlen, ist eine vorurteilsfreie und weniger zuständigkeitsorientierte Zusammenarbeit notwendig. Alle Rehabilitationsmaßnahmen sind gleichrangig; sie sollten auch tatsächlich miteinander verzahnt werden. Der Übergang von der medizinischen Rehabilitation zur Arbeitstherapie und wiederum zur unmittelbaren beruflichen Rehabilitation sollte nahtlos sein. Ich bin sicher, daß Ärzte, Arbeitstherapeuten und Ausbilder in den berufsbildenden Einrichtungen mit Hilfe staatlicher Stellen einen gemeinsamen Nenner finden können.
Die Arbeits- und Berufsmöglichkeiten von Behinderten lassen, wie die Arbeitslosenstatistiken der letzten Jahre beweisen, leider noch zu wünschen übrig. Dies liegt nicht allein an einem Fehlen der Eignung von Behinderten für die offenen Arbeitsplätze, sondern vielfach auch daran, daß für die Behinderten zu beschwerlich sind, den Arbeitsplatz tatsächlich zu erreichen. Es wäre daher wünschenswert, wenn die Arbeitsplätze, wenn sie nicht



Frau Hürland
umweltstörend sind, wieder mehr in die Nähe der Wohnungen verlegt würden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Gerade in der Nähe von Arbeitsplätzen sollte der soziale Wohnungsbau behindertengerechte Wohnungen anbieten. Es ware eine Aufgabe der Baugenehmigungsbehörden, entsprechende Auflagen zu erteilen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Auch eine ganz andere Überlegung sollte ange stellt werden, nämlich die, inwieweit Wohngemeinschaften für solche geistig Behinderten geschaffen werden können, die nicht mehr von ihren unmittelbaren Angehörigen betreut werden können. Die guten Erfahrungen aus den Niederlanden sollten auch hier Pate stehen. Auch und gerade dieser Personenkreis sollte unmittelbare Menschlichkeit erfahren dürfen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Die vielen Rehabilitationsberater bei der Bundesanstalt für Arbeit und bei den Trägern der Rehabilitation haben in der Vergangenheit Hervorragendes geleistet. Durch die Erweiterung des Behindertenbegriffs ist jedoch der Personenkreis, den sie zu betreuen und zu beraten haben, erheblich ausgedehnt worden. Auch wurden die Anforderungen an die Rehabilitationsberater, insbesondere was die Beratung der psychisch Behinderten angeht, vom Gesetzgeber erheblich erhöht. Für psychisch Behinderte müssen die Berater oft eine Arbeit leisten, die auch für einen ausgebildeten Psychologen oder Psychotherapeuten keine Routine wäre. Die verantwortlichen Träger sollten daher bei ihrer Aus- und Weiterbildung auch im Interesse dieser besonderen Behindertengruppe mehr Wert auf eine fachlich notwendige Ausbildung legen.
Das gilt ebenso für die Weiterbildung der Vertrauensmänner. Das Aufgabengebiet der Vertrauensmänner ist durch das Schwerbehindertengesetz ebenfalls erweitert worden. § 23 Abs. 4 regelt die Freistellung des Vertrauensmannes. Die Praxis zeigt aber, daß über die notwendigen Zeiten der Freistellung unterschiedliche Auffassungen bestehen.

(Hasinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Es ist leider so, daß hier die Arbeitgeber und die Dienststellenleiter — und ich möchte ausdrücklich betonen, daß meiner Meinung nach auch die öffentliche Hand hier ihren Aufgaben nicht gerecht wird — gegenüber dem Vertrauensmann eine Entscheidungsbefugnis haben, die der Willkür Raum läßt. Wir sollten bei einer möglichen Novellierung des Schwerbehindertengesetzes überlegen, ob mit Hilfe der Hauptfürsorgestellen die Freistellungszeiten für den Vertrauensmann jeweils individuell geregelt werden können.
Einen besonderen Appell richten wir an alle Arbeitgeber, Arbeitnehmer, alle Mitglieder von Betriebs- und Personalräten und an die Vertrauensleute der Schwerbehinderten, durch vorbereitende, gemeinsame Gespräche die leider noch vorhandenen Vorurteile gegenüber einer Beschäftigung
von Behinderten abzubauen. Der Sozialstaat kann nicht durch den Gesetzgeber oder von oben verwirklicht werden. Schwerbehindert und arbeitslos zu sein ist eine doppelte Belastung, die kaum zu verkraften ist.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das Instrument der Arbeitserprobung Schwerbehinderter, das die Bundesanstalt für Arbeit anbietet, sollte viel besser genutzt werden. Es ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst völlig unverbindlich. Darüber hinaus ist es hervorragend geeignet, auf der Seite der Arbeitgeber bestehende Vorurteile gegenüber dem Behinderten abzubauen, und gibt diesem selber die Möglichkeit, zu erkunden, ob er in der Lage ist, den an ihn gestellten Ansprüchen gerecht zu werden, ob also dieser Arbeitsplatz für ihn von der Behinderung her geeignet ist. Es wäre zu begrüßen, wenn die Bundesbehörden und die anderen öffentlichen Verwaltungen hier mit gutem Beispiel vorangingen; verantwortlich sind schließlich alle.

(Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Da fehlt noch manches!)

Es ist unser gemeinsames Ziel, Behinderte und Nichtbehinderte im Arbeitsleben gleichwertig zu behandeln. Diesem Ziel dienen die vielfältigen, von uns gemeinsam verabschiedeten Gesetze. Dennoch kann die Behinderung in vielen Fällen zu einer ungleichen Belastung im betrieblichen Alltag führen, weil die Belastungsfähigkeit, insbesondere die psychischer Art, ungleich ist. Daher halten wir es für notwendig, daß sich Arbeitgeber und Betriebs- bzw. Personalrat bei der Bewertung der Arbeitsbedingungen nach arbeitswissenschaftlichen Kriterien auch um eine besondere menschengerechte Belastung der Behinderten kümmern. Hier kann nicht ohne weiteres der normale Standard zugrunde gelegt werden. Vielleicht könnte uns ein Forschungsauftrag hier ein Stück weiterbringen.
Lassen Sie mich auch noch auf die völlig unzureichende Situation des Behindertensports eingehen. Hier sind die Träger der Rehabilitation, was die Kostenübernahme angeht, auf das Wollen des Gesetzgebers fast gar nicht eingegangen. In den Ausschußberatungen stellten wir uns eine Regelung etwa wie beim Bundesversorgungsgesetz vor, in der Praxis aber lehnen fast alle Träger der Rehabilitation eine Kostenübernahme für den Behindertensport ab. Manche Träger vertreten sogar die Auffassung, daß z. B. ein Blinder oder ein Beinamputierter nach erfolgter medizinischer und beruflicher Rehabilitation keinen Sport mehr benötige. Der Mensch habe sich an seinem Körper- oder Sinneszustand gewöhnt; er habe keinen Anspruch mehr.
Der Deutsche Behinderten-Sportverband hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, auch den Sport für behinderte Kinder zu übernehmen. Wie wichtig das z. B. besonders für Spastiker und geistig Behinderte ist, brauche ich nicht besonders zu betonen. In einem Sozialstaat muß der Behindertensport doch geregelt werden können und finanzierbar sein. Was



Frau Hürland
sollte sonst der gesetzliche Auftrag, die gesellschaftliche Integration zu fördern, bedeuten?
Meine Damen und Herren, diese ergänzenden Vorschläge meiner Fraktion sind zum Teil zwar keine große Politik, aber sie sind Hilfen für viele Behinderte in ihrer schwierigen Situation im Arbeitsleben und darum notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir als Opposition appellieren daher an die Regierung und an die sonst zuständigen Gremien, den Behinderten durch Gesetze, Verwaltungsmaßnahmen und unmittelbares Handeln im Betrieb zu helfen, soweit es in ihren Kräften steht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819936400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0819936500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Kollegin, dieses Unglück habe ich kommen sehen. Ich hatte Ihnen ja den Vorschlag gemacht: Lassen Sie uns darauf verzichten, über die Dinge zu reden, über die es an sich gar keine gegenteiligen Auffassungen gibt.

(Beifall des Abg. Hölscher [FDP] — Frau Hürland [CDU/CSU]: Das habe ich ja herausgestellt!)

Wir haben uns hier auf eine Entschließung geeinigt — interfraktionell, in beiden Ausschüssen — an der wir sehr fleißig gearbeitet haben. Nachdem sie hier so freundlich gesprochen haben, will ich jetzt auch nicht überziehen und daher nur sagen: Von der ursprünglichen Entschließung, die bei der Beratung der Großen Anfrage der CDU/CSU zur Lage der Behinderten und zur Weiterentwicklung der Rehabilitation am 9. Februar 1979 eingebracht worden ist, ist natürlich nicht viel übriggeblieben. Ich hatte damals den Antrag auf Überweisung dieser Entschließung gestellt, weil ich meinte, daß sie weit hinter dem zurückblieb, was wir in der Rehabilitation bereits seit Bestehen des Rehabilitationsprogramms im Jahre 1970 und danach zustande gebracht haben. Ich wollte auch ganz gern erreichen, daß wir insgesamt noch einmal Gelegenheit bekommen, darüber nachzudenken, wie wir das Rehabilitationsprogramm weiterentwickeln können. Das ist uns dann ja in den Sitzungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 17. Oktober und am 14. November auch gelungen.
Ich freue mich natürlich ganz besonders darüber, daß das, was nun in der Entschließung steht, mit Hilfe aller Kollegen zustande gebracht worden ist, weil es just das ist, was ich der Bundesregierung schon einige Wochen vorher auch als meine persönliche Meinung zur Fortentwicklung des Rehabilitationsprogramms mitgeteilt hatte. Insofern ist es, glaube ich, für uns alle ein Erfolg, daß wir uns auf diesem Level geeinigt und nun gemeinsam etwas darüber gesagt haben, wie das Rehabilitationsprogramm weiterzuentwickeln ist.
Ich möchte nun, weil man nicht mehr Briefe hierüber austauschen kann, es aber auch ins Protokoll muß, ganz kurz noch etwas über einige Schwerpunkte der Entschließung sagen; es soll wirklich ganz kurz sein.
Im gegliederten System der Rehabilitation muß eine bessere Koordinierung zwischen den Rehabilitationsträgern hergestellt werden, damit im Einzelfall zügig abgeklärt werden kann, welche Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sind. Dabei kommt es auf den rechtzeitigen Beginn der Maßnahmen ebenso an wie darauf, daß das Rehabilitationsverfahren nahtlos verläuft, d. h. der Übergang von medizinischen zu beruflichen und natürlich auch zu sozialen Rehabilitationsmaßnahmen ohne Verzögerung und ohne Beeinträchtigung des Rehabilitationsziels erfolgt.
Die Probleme der psychisch Behinderten und der suchtkranken — ich muß zugeben, daß uns diese Probleme etwas später so deutlich geworden sind, wie sie uns jetzt vor Augen stehen; sie hätten uns ganz sicher schon eher deutlich werden müssen — sollen künftig intensiver als bisher aufgegriffen und berücksichtigt werden. Solche Behinderungen sind oft Sekundärfolgen körperlicher Behinderung und können auch während der Rehabilitationsmaßnahmen selber auftreten.
Diese Gruppen von Behinderten sind besonders benachteiligt, wenn es um die Wiedereingliederung in Arbeit und Beruf geht. Öffentliche und private Arbeitgeber müssen hier ihren Beitrag zur Lösung des Problems leisten, damit auch diese Behinderten ihre Chance im Beruf erhalten; sie haben sie heute weitgehend noch nicht.
Dazu sind gegebenenfalls Schonarbeitsplätze einzurichten. Mit öffentlichen Mitteln sollten, so meinen wir, Modelleinrichtungen gerade zur Verbesserung der beruflichen Rehabilitation psychisch Behinderter gefördert werden.
Die Bildung und Ausbildung behinderter Jugendlicher muß verbessert werden. Hierzu werden wir noch in dieser Legislaturperiode, sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Zehnten Buch des Sozialgesetzbuchs noch eine Initiative seitens der Koalition ergreifen, um die Bestimmungen der Sonderprogramme dort, wo es möglich ist, zu einem echten Bestandteil des Schwerbehindertengesetzes werden zu lassen.
Die Bildung und Ausbildung behinderter Jugendlicher muß noch mehr besondere Priorität erhalten. Dabei geht es insbesondere darum, daß die Gefahr der Isolation von Behinderten gerade im Falle der jugendlichen Behinderten frühzeitig bekämpft wird.
Aber auch lernschwache Jugendliche, die im Sinne unserer gesetzlichen Bestimmungen gar nicht behindert sind, dürfen nicht in Einrichtungen abgeschoben und verschoben werden, die den entsprechend der gesetzlichen Definition wirklich behinderten Jugendlichen vorbehalten sind, nur weil es angesichts der schwierigen Ausbildungsplatzsituation für die ausbildenden Betriebe leichter und angenehmer ist, sie in die Einrichtungen für Behinderte abzuschieben. Damit tun wir den Behinderten keinen Gefallen.



Glombig
Eine wichtige Rolle bei Erkennung und Behandlung von Behinderungen und Einleitung der Rehabilitation kommt den Ärzten zu. Deshalb wird die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Ärzte mit den Möglichkeiten der Rehabilitation besser vertraut gemacht werden. Hier gibt es eingestandenermaßen — auch von seiten der Ärzte — eine Lücke, die es zu schließen gilt. Rehabilitative Medizin muß gleichrangig neben der kurativen, nur auf Heilung ausgerichteten Medizin Eingang in die Ausbildung der Ärzte finden.
Die Mittel der Ausgleichsabgabe, die zu entrichten sind, wenn der Arbeitgeber seine Pflicht zur Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht erfüllt, sollen künftig ohne Verzögerung von den dazu verpflichteten Arbeitgebern gezahlt werden. Darauf soll, wie die Entschließung auffordert, die Bundesregierung bei den Ländern hinwirken. Wegen eines anhängigen Rechtsstreites beim Bundesverfassungsgericht zahlen dazu verpflichtete Arbeitgeber gegenwärtig ihre Ausgleichsabgabe nicht oder nur unter Vorbehalt. Hier muß von Bund und Ländern an die Arbeitgeber appeliert werden, sich nicht um ihre Pflicht zu drücken. Es wird aber auch notwendig sein, eine Gesetzesänderung vorzunehmen.
Der Behindertensport muß neu gestaltet werden. Die Rehabilitationsträger bemühen sich seit Inkrafttreten des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes von 1974 darum, eine Vereinbarung untereinander zustande zu bringen. Die zuträgliche Frist für diese Bemühungen ist abgelaufen. Jetzt muß endlich eine Vereinheitlichung der Leistungen für den Behindertensport geschaffen werden, damit alle Behinderten, ganz gleich, welcher Rehabilitationsträger für sie zuständig ist, die für ihre Rehabilitation notwendigen Maßnahmen des Behindertensports erhalten und durchführen können. Wir werden hierzu ebenfalls im Zusammenhang mit dem Zehnten Buch des Sozialgesetzbuches eine Initiative von seiten der sozialliberalen Koalition ergreifen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis Mitte dieses Jahres die von ihr selbst angekündigte Fortschreibung des Aktionsprogrammes für die Rehabilitation Behinderter von 1970 vorzulegen. Dieses Aktionsprogramm von 1970 war richtungweisend für die gesamte Sozialpolitik für Behinderte, die seither in vielen Punkten erfolgreich verwirklicht werden konnte. Allerdings ist manches aus dem damaligen Aktionsprogramm noch nicht oder noch nicht in vollem Umfange erfüllt. Deshalb soil dieses Aktionsprogramm fortgeschrieben werden. Dabei sollen alle Schritte zusammengefaßt werden, die zur weiteren Verbesserung der Situation der Behinderten und zur Fortentwicklung der Rehabilitation in der Bundesrepublik notwendig sind.
Diese Fortschreibung hat außerdem im Hinblick auf das Internationale Jahr der Behinderten Bedeutung, das von den Vereinten Nationen für 1981 ausgerufen worden ist. Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Bundesarbeitsminister für seine Initiative zur Bildung der Nationalen Kommission Dank sagen, von dieser Stelle aus aber auch allen denjenigen danken, die sich seit Wochen und Monaten mit großem Engagement und sehr erfolgreich um ein vernfinftiges Programm sowohl für das Internationale Jahr als auch darum bemühen, Vorschläge zustande zu bringen, die an die Adresse des Gesetzgebers gerichtet sind. Wir sollten das mit großer Aufmerksamkeit weiter verfolgen und die Vorschläge mit großer Aufgeschlossenheit entgegennehmen. Ich glaube, wir haben hier keinen Dissens, der uns daran hindern könnte, das gemeinsam zu tun. Vielleicht wird das Jahr der Behinderten noch mehr als das Jahr des Kindes dazu führen, daß nicht nur Reden gehalten werden, sondern wir durch entsprechende Aktionen und durch entsprechende Vorschläge die Situation der Behinderten bei uns in der Bundesrepublik Deutschland und, wie ich hoffe, darüber hinaus noch weiter wesentlich verbessern und verändern können. Das sollte auch ein Antrieb für die Länder sein, denen wir mit solchen Vorschlägen gerne helfen wollen, die Lage der Behinderten auch bei sich zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819936600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hölscher.

Friedrich Hölscher (FDP):
Rede ID: ID0819936700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal den Kollegen Respekt erweisen, die bei der Vorlage der Hausaufgaben von Agnes Hürland, Eugen Glombig und Friedrich Hölscher zu dieser Stunde hier anwesend sind. Ich finde es schon beachtlich, daß ein ausgewachsener Staatssekretär und ein ausgewachsener Minister uns bei der Erledigung dieser Hausaufgaben hier die Ehre geben.

(Dr. Hammans [CDU/CSU]: Ist der Minister ausgewachsen?)

Wir drei hatten den Auftrag, diesen Entschließungsantrag vorzubereiten, eine Aufgabe, die uns sehr leichtgefallen ist, weil dies ein Thema ist, bei dem es Gott sei Dank einmal überhaupt keine Kontroversen gab. Wir haben es sehr schnell erledigt; ich glaube, wir haben noch nicht einmal eine halbe Stunde gebraucht. Dennoch: Wir haben über diesen Auftrag hier zu diskutieren.
Ich fasse meine Ausführungen in einem SiebenPunkte-Katalog zusammen, dessen Lektüre ich allerdings auch unserem Ältestenrat empfehle:
Erstens. Eugen Glombig hat alles gesagt, was zu sagen ist
Zweitens. Die verehrte Kollegin Hürland hat auch nichts gesagt, dem zu widersprechen wäre.
Drittens. Der Bundestag hat die Grolle Anfrage und die Antwort der Bundesregierung bereits 1m Februar 1979 in aller Ausführlichkeit beraten.
Viertens. Was von meiner Seite zu sagen ist, können Sie in der Drucksache, ausgedruckt als Bericht des Abgeordneten Hölscher, nachlesen.
Fünftens. Weil man durch ständiges Wiederholen gute Argumente auch nicht besser macht, sondern eher Gefahr läuft, eine gute Sache zu zerreden, will ich



Hölscher
sechstens meine Ausführungen als Beitrag zur Straffung unserer Debatten hiermit schließen, mich allerdings
siebentens noch bei der Opposition bedanken, daß sie so gut mit uns in einer erfolgreichen Behindertenpolitik zusammenarbeitet.

(Beifall)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0819936800
Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß schlägt auf Drucksache 8/3404 die Annahme der eben behandelten Entschließung vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Dieses ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 18/79 — Zollkontingent für Walzdraht — 2. Halbjahr 1979)
- Drucksachen 8/3261, 8/3559 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Unland
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3559, der Verordnung
— Drucksache 8/3261— zuzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 12 und 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Richtlinie (Euratom) des Rates zur Abänderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlen festgelegt wurden
— Drucksachen 8/2967, 8/3491
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Laufs Schäfer (Offenburg)

Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines Fünfjahresforschungs- und Ausbildungsprogramms (1980 bis 1984) der Europäischen Atomgemeinschaft auf dem Gebiet Biologie — Gesundheitsschutz (Strahlenschutzprogramm)
— Drucksachen 8/2781 Nr. 30, 8/3492 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Gerlach (Obernau) Schäfer (Offenburg)
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen über beide Vorlagen gemeinsam ab. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 8/3491 und 8/3492 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses ist einstimmig so beschlossen.
Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung: Ich rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.