Protokoll:
5210

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 210

  • date_rangeDatum: 22. Januar 1969

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:38 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 210. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1969 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen V/3748, V/3730, Nachtrag zur Drucksache V/3730) Fragen der Abg. Rommerskirchen und Dr. Marx (Kaiserslautern) : Überfall auf das Munitionsdepot der Bundeswehr in Lebach Dr. Schröder, Bundesminister . . . 11325 B, 11326 C, 11327 A Rommerskirchen (CDU/CSU) . . .11326 C Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 11326 D Frage des Abg. Dr. Hofmann (Mainz) : Einnahmen der „DDR" auf Grund der neuen Zollbestimmungen und der VisaGebühren Dr. Wetzel, Staatssekretär . . .11327 B, D, 11328 A Dr. Hofmann (Mainz) (CDU/CSU) . . 11327 D, 11328 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Versagung von Ausreisegenehmigungen für mitteldeutsche Rentner Dr. Wetzel, Staatssekretär . .11328 B, C, D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) . .11328 C, D Fragen des Abg. Strohmayr: Einsprüche in Anhörverfahren zu neu aufgestellten Flächennutzungsplänen . 11329 A Frage des Abg. Wächter: Gesundheitsschäden durch Blei — Berücksichtigung in der Gesetzgebung Frau Strobel, Bundesminister . 11329 B, D, 11330 B, C, D Wächter (FDP) 11329 C, D Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . . . . 11330 A, B Frau Dr. Heuser (FDP) 11330 C, D Fragen des Abg. Dr. Giulini: Zweckmäßigkeit der Trennscheibe in Taxis Leber, Bundesminister . . 11331 A, B, C, D, 11332 A, B, C, D, 11333 A, B, C, D, 11334 A, B, C Dr. Giulini (CDU/CSU) . . . . . 11331 B Damm (CDU/CSU) . . . 11331 C, 11332 A Orgaß (CDU/CSU) 11332 A, B Frau Jacobi (Marl) (CDU/CSU) . . 11332 C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 11332 D, 11333 A Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) .11333 B, C Gewandt (CDU/CSU) 11333 D Scheel, Vizepräsident . . 11333 D, 11334 A Brück (Köln) (CDU/CSU) . . .11334 A, B, C Ramms (FDP) 11334 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 Fragen der Abg. Bühler und Härzschel: Bau der „zollfreien Straße" zwischen Weil und Lörrach — Weiterführung der Bundesautobahn bei Weil Leber, Bundesminister 11334 D, 11335 A, B, C, D Bühler (CDU/CSU) 11335 A, 11336 B, C, D Härzschel (CDU/CSU) 11335 A, B, 11336 A, B Scheel, Vizepräsident 11336 D Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag vom 18. 10. 1965 bis 31. 12. 1968 eingegangenen Petitionen (Drucksache V/3707) . . . . . . . . 11336 D Entwurf eines Personalvertretungsgesetzes (SPD) (Drucksache V/3643) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Unternehmensverfassung in Großunternehmen und Konzernen (SPD) (Drucksache V/3657) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Betriebsverfassung (SPD) (Drucksache V/3658) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (SPD) (Drucksache V/3659) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Gesetzes zur Erhaltung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Zweites Mitbestimmungssicherungsgesetz (SPD) (Drucksache V/3660) — Erste Beratung — Schmidt (Hamburg) (SPD) . . . . 11337 B Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . . 1 1348 C Mischnick (FDP) . . . . . . . . 11352 C Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 11360 D Buschfort (SPD) . . . . . . . . 11367 C Entwurf eines Gaststättengesetzes (Drucksachen V/205, V/1652); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache V/3623) — Fortsetzung der zweiten Beratung — Opitz (FDP) . . . . . . . . . 11370 D Lange (SPD) 11370 D, 11372 C Unertl (CDU/CSU) 11371 A, 11372 D, 11376 A Schulhoff (CDU/CSU) . . . . . . 11371 A Frau Dr. Kuchtner (CDU/CSU) . . . 11374 B Dr. Elbrächter (CDU/CSU) . . . . 11374 C Dr. Stark (Nürtingen) (CDU/CSU) . . 11375 C Schoettle, Vizepräsident (zur GO) . . 113e D, 11378 A, C, D, 11379 B, C Frehsee (SPD) (zur GO) 11378 A, B, 11379 B Schulhoff (CDU/CSU) (zur GO) . . . 1 1378 A Wagner (CDU/CSU) (zur GO) . 11378 C, D Könen (Düsseldorf) (SPD) (zur GO) . 11379 A Ravens (SPD) (zur GO) . . . . . 11379 B Entwurf eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz) (Drucksache V/2432) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/3687), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden (Drucksachen V/3662, zu V/3662) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 11379 D Gerlach (SPD) . . . . . 11382 C, 11399 A Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 11384 B, 11386 A, 11387 D, 11398 A Leukert (CDU/CSU) . . 11384 C, 11386 A Spitzmüller (FDP) 11385 C Dr. Kreutzmann (SPD) 11385 D Frau Korspeter (SPD) 11386 D Rehs (SPD) 11387 A, 11389 A Busse (Herford) (FPD) . . 1 1388 A, 11389 A, 11395 A Maucher (CDU/CSU) 11388 C Schlee (CDU/CSU) 11388 C Dorn (FDP) 11390 C Dr. Rutschke (FDP) 11390 D Rehs (SPD) (zur GO) 11391 A Dr. Wahl (CDU/CSU) 11391 B Dr. Enders (SPD) 11393 A Dr. h. c. Menne (Frankfurt) (FDP) 11393 C Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell (CDU/CSU) 1 1394 C Burger (CDU/CSU) 11395 D Mick (CDU/CSU) 1 1396 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. Juli 1967 über die Einführung von Sondervorschriften für Ölsaaten und Saatenöle, mit Ursprung in den assoziierten Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 III afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten (Drucksache V/3537) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/3738), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache V/3715) — Zweite und dritte Beratung — 11399 C Entwurf eines Gesetzes zu der Internationalen Getreide-Übereinkunft von 1967 (Drucksache V/3533) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache V/3735), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache V/3716) — Zweite und dritte Beratung — . . . 11400 A Entwurf eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Rohholz (Drucksache V/3458) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache V/3717) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 11400 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Zweiten Abkommen vom 20. März 1968 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit und der Zusatzvereinbarung zu dem Abkommen über Soziale Sicherheit vom gleichen Tage (Drucksache V/3349) ; Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/3709) — Zweite und dritte Beratung — 11400 C Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts (Zweites Besoldungsneuregelungsgesetz) (Drucksache V/3693) — Erste Beratung — Köppler, Parlamentarischer Staatssekretär 11404 A Wagner (CDU/CSU) . . 11402 D, 11400 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 11408 C Dorn (FDP) . . . . . . . . 11405 A Spillecke (SPD) 11407 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken und des Gesetzes zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes in der Elektrizitätswirtschaft (Drucksache V/3549) — Erste Beratung — 11409 A Entwurf eines Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (Drucksache V/3702) — Erste Beratung — 11409 A Antrag betr. Wettbewerbsbeschränkungen im Handel zwischen Mitgliedstaaten der EWG (Abg. Dichgans, Majonica, Dr. Lenz [Bergstraße] u. Gen.) (Drucksache V/3591) 11409 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Abg Dichgans, Majonica, von Eckardt, Dr. Lenz (Bergstraße) u. Gen. betr. Förderung des Wiederaufbaus der Dresdener Oper (Drucksachen V/1239, V/3679) 11409 B Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Beseitigung von Autobahn-Engpässen (Drucksachen V/2524 Teil VI, V/3635) 11409 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Bericht des Bundesministers für Verkehr betr. erweiterter Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet (Drucksachen V/3194, V/3711) 11409 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehemaligen MackensenKaserne in Hamburg-Winterhude an die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksachen V/3344, V/3703) 11409 D Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates 1. über den Verkehr mit Saatgut von Öl- und Faserpflanzen, 2. über den Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten, 3. über den Verkehr mit Gemüsesaatgut, 4. zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut, 5. zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Betarübensaatgut, 6. zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln, 7. zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut (Drucksachen V/3127, V/3725) . . . . . 11410 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 11410 A IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 11411 A Anlagen 2 bis 5 Änderungsanträge Umdrucke 574, 570, 571, 568 zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Reparationsschädengesetzes (Drucksachen V/2432, V/3662) . . . . . 11411 C Anlagen 6 bis 8 Entschließungsanträge Umdrucke 573, 572 575 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Reparationsschädengesetzes (Drucksachen V/2432, V/3662) 11412 D Deutscher Bundestag — 5, Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 11325 210. Sitzung Bonn, den 22. Januar 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 25. 1. Dr. Aigner * 25. 1. Dr. Althammer 31. 1. Dr. Apel * 25. 1. Arendt (Wattenscheid) * 25. 1. Dr. Arndt (Berlin) 24. 1. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 25. 1. Dr. Artzinger * 25. 1. Bading * 25. 1. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 25. 1. Behrendt * 25. 1. Frau Berger-Heise 25. 1. Bergmann * 25. 1. Dr. Birrenbach 22. 1. Dr. Burgbacher * 25. 1. Dr. Brenck 25..1. Corterier * 25. 1. Deringer * 25. 1. Dichgans * 25. 1. Dr. Dittrich * 25. 1. Dröscher * 25. 1. Frau Dr. Elsner * 25. 1. . Faller * 25. 1. Fellermaier * 25. 1. Dr. Furler * 25. 1. Gerlach * 25. 1. Dr. Götz 25. 1. Frau Griesinger 25. 1. Freiherr von und zu Guttenberg 22. 1. Dr. Haas 24. 1. Hamacher 31. 1. Hilbert 25. 1. Illerhaus * 25. 1. Jahn (Marburg) 23. 1. Jürgensen 28.2. Klinker * 25. 1. Kriedemann * 25. 1. Kulawig * 25. 1. Kunze 30.4. Frau Kurlbaum-Beyer 15. 2. Lautenschlager * 25. 1. Lenz (Brühl) * 25. 1. Dr. Löhr 25. 1. Lücker (München) * 25. 1. Mauk * 25. 1. Memmel * 25. 1. Metzger * 25. 1. Müller (Aachen-Land) * 25. 1. Petersen 24. 1. Richarts * 25. 1. Riedel (Frankfurt) * 25. 1. Springorum * 25. 1. Dr. Staratzke 25. 1. Dr. Starke (Franken) * 25. 1. Steinhoff 30.4. Teriete 24. 1. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Weimer 25. 1. Frau Wessel 28. 2. Dr. Wilhelmi 25. 1. Winkelheide 28.2. Zink 22. 1. b) Urlaubsanträge Hahn (Bielefeld) 31.1. Hellenbrock 31. 3. *) Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlage 2 Umdruck 574 Änderungsantrag der Abgeordneten Gerlach, Peters (Norden), Wolf und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörung- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz - RepG) - Drucksachen V/2432, V/3662 - Der Bundestag wolle beschließen: § 2 Abs. 1 Nr. 2 wird folgender Satz angefügt: „Soweit in den an die westlichen Grenzen der Bundesrepublik angrenzenden Gebieten landwirtschaftlich genutzte Flächen (Traktatländereien) enteignet worden sind, gelten sie nicht als Reparationsschäden im Sinne dieses Gesetzes." Bonn, den 22. Januar 1969 Gerlach Peters (Norden) Wolf Biermann Buschfort Fritsch (Deggendorf) Herold Höhmann (Hessisch-Lichtenau) Dr. Ils Lemp Roß Dr. Schmidt (Offenbach) Zebisch Anlage 3 Umdruck 570 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und 11412 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) — Drucksachen V/2432, V/3662 —. Der Bundestag wolle beschließen: § 41 Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) Die Erfüllung der zuerkannten Ansprüche auf Entschädigung richtet sich nach den Grundsätzen, die für die Erfüllung von Ansprüchen auf Hauptentschädigung nach § 252 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 des Lastenausgleichsgesetzes gelten." Bonn, den 21. Januar 1969 Mischnick und Fraktion Anlage 4 Umdruck 571 Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Korspeter, Dr. Czaja, Dr. Enders, Leukert und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) — Drucksachen V/2432, V/3662 — Der Bundestag wolle beschließen: In § 67 werden die Nummern 2, 4 und 5 gestrichen. Bonn, den 22. Januar 1969 Frau Korspeter Dr. Enders Ahrens (Salzgitter) Bartsch Hofmann (Kronach) Dr. Kreutzmann Frau Lösche Neumann (Berlin) Rehs Frau Renger Urban Dr. Czaja Leukert Dr. Becher (Pullach) Ehnes Hörnemann (Gescher) Dr. Hudak Frau Jacobi (Marl) Kuntscher Lemmrich Ott Prochazka Dr. Ritz Rock Schlager Storm Zink Anlage 5 Umdruck 568 Änderungsantrag der Abgeordneten Rehs, Mick, Dr. Kreutzmann, Dr. von Nordenskjöld und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) — Drucksachen V/2432, V/3662 —. Der Bundestag wolle beschließen: In § 67 wird folgende Nummer 8 angefügt: ,8. In § 95 erhält Absatz 1 folgende Fassung: „ (1) Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, dürfen Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge im Rahmen ihres Aufgabengebietes in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen unentgeltlich beraten. Sie bedürfen hierzu keiner besonderen Erlaubnis. § 73 Abs. 6 und § 166 Abs. 2 Satz 1, des Sozialgerichtsgesetzes gelten auch für Mitglieder und Angestellte von Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozeßvertretung vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit befugt sind."' Bonn, den 20. Januar 1969 Mick Dr. von Nordenskjöld Dr. Czaja Prochazka Rock Weiland Rehs Dr. Kreutzmann Ahrens (Salzgitter) Bartsch Büttner Dr. Enders Hofmann (Kronach) Jaschke Frau Korspeter Lemper Paul Anlage 6 Umdruck 573 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) — Drucksachen V/2432, V/3662 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, in den Entwürfen des Bundeshaushaltes ausreichend Mittel zur Entschädigung der zuerkannten Aussprüche auszubringen und sicherzustellen, daß die notwendige finanzielle Regelung entstandener Härten nicht länger hinausgezögert und die Erfüllung nach Lastenausgleichsgrundsätzen im Sinne von § 252 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 möglich wird. Bonn, den 22. Januar 1969 Mischnick und Fraktion Anlage 7 Umdruck 572 Entschließungsantrag des Abgeordneten Gerlach und der Fraktion der SPD zur dritten Bera- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 11413 tung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz - RepG) — Drucksachen V/2432, V/2662 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob es rechtlich möglich ist, die Gruppe der Traktatgeschädigten im deutsch-niederländischen Grenzgebiet aus der Regelung des Reparationsschädengesetzes herauszunehmen und ihr eine volle Entschädigung unter Berücksichtigung sämtlicher schon erfolgten Leistungen aller Art zu gewähren. Bonn, den 22. Januar 1969 Gerlach Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 8 Umdruck 575 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des von der Bunderegierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungsund Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG) — Drucksachen V/2432, V/3662 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird gebeten zu prüfen, ob, in welcher Weise und inwieweit Personen 1. die vom Deutschen Reich oder von hinsichtlich der Regelung ihrer Schulden gleichgestellten Rechtsträgern erworbene Vermögensgegenstände rückerstatten mußten, 2. denen landwirtschaftlich genutzte Grundstücke entzogen worden sind, die sie von deutscher Seite aus im grenzüberschreitenden Verkehr erleichtert bewirschaften konnten, über die nach dem Reparationsschädengesetz vorgesehene Regelung hinaus eine weitere Hilfe gewährt werden kann. Die Bundesregierung wird gebeten, darüber binnen eines Jahres zu berichten. Bonn, den 22. Januar 1969 Dr. Barzel und Fraktion
Gesamtes Protokol
Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksachen V/3748, V/3730, Nachtrag zur Drucksache V/3730 —Wir haben zwei Dringliche Mündliche Anfragen der Abgeordneten Rommerskirchen und Dr. Marx (Kaiserslautern) vorliegen. Ich rufe zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Rommerskirchen auf:
Nachdem die Meldung vom bewaffneten Überfall auf das Munitionsdepot der Bundeswehr in Lebach sowohl die ganze Öffentlichkeit als auch vor allem die Bundeswehr in besonderer Weise beunruhigt, frage ich die Bundesregierung, welche Auskünfte sie dem Deutschen Bundestag über den in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erstmaligen Vorgang geben kann.
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521000100
Herr Präsident, ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, die Fragen des Herrn Kollegen Rommerskirchen und des Herrn Kollegen Dr. Marx zusammen beantworten zu dürfen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521000200
Das wird zweckmäßig sein, Herr Minister. Ich rufe deshalb auch die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:
In welcher Weise wird die Bundesregierung — auch in Verbindung mit den Behörden der Bundesländer — dafür Sorge tragen, daß verbrecherischen Überfällen, wie denjenigen bei Lebach, oder anderen terroristischen und heimtückischen Angriffen gegen die Bundeswehr mit Entschlossenheit entgegengewirkt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521000300
Bei der Standortmunitionsniederlage Lebach handelt es sich um eine neue Anlage, die erst 1967 in Betrieb genommen wurde. Sie wird bewacht von einem Wachhabenden, einem stellvertretenden Wachhabenden und drei Posten — Einzelstreifen —. Die letzte fernmündliche Kontrolle der Wache durch den Offizier vom Dienst fand am 20. Januar gegen 3.00 Uhr statt.
Nach ersten Aussagen des nur zeitweise vernehmungsfähigen Schwerverletzten Gefreiten Schulz hat sich der Überfall wie folgt abgespielt: Beim Betreten des Wachgebäudes zur Ablösung ist er von einem Mann mit einem stehenden Messer angefallen und durch mehrere Stiche verletzt worden. Der Täter, ein Mann von etwa 20 bis 25 Jahren und zirka 1,70 bis 1,75 m groß, wurde durch Fußtritte abgewehrt. Daraufhin hat ein zweiter Täter — stark untersetzt mit auffallend brutalen Gesichtszügen, etwa im gleichen Alter und gleich groß — auf ihn geschossen. Er hat einen Lungenschuß und einen Schuß in den Oberarm erhalten und ist zusammengebrochen. Gefreiter Schulz hat dann weitere Schüsse im Wachgebäude gehört und nimmt an, daß dieser zweite Täter auch seine Kameraden niedergeschossen hat. Wie später festgestellt wurde, waren drei der Soldaten in ihren Schlafsäcken erschossen worden. Nachdem die Täter das Wachlokal unter Mitnahme der Schlüssel zu den Munitionsbunkern verlassen hatten, konnte sich der Gefreite Schulz nach draußen schleppen und sich unter einem abgestellten Kraftfahrzeug verbergen.
Ich möchte betonen, daß diese Aussagen unter Vorbehalt zu betrachten sind, da sich der Gefreite Schulz auf Grund der schweren Verletzungen und des Erlebnisses in einem starken Schockzustand befunden hat. Er ist im Krankenhaus gehört worden.
Der Überfall wurde gegen 8.30 Uhr von einem Munitionsabholkommando entdeckt. Der sofort verständigte Bataillonskommandeur traf gegen 8.40 Uhr gleichzeitig mit einem Sanitätsfahrzeug am Tatort ein. Die Verletzten wurden versorgt und sofort in ein Krankenhaus eingeliefert. Polizei und Mordkommission Saarbrücken wurden umgehend verständigt.
Die ersten Feststellungen haben folgendes ergeben: Drei Soldaten, und zwar Unteroffizier Poh, Obergefreiter Bahles und Gefreiter Horn wurden im Wachlokal erschossen aufgefunden; zwei Soldaten, und zwar Gefreiter Schulz und Gefreiter Marx, waren lebensgefährlich verletzt. Die Fernsprechanlage war zerstört. Vier Munitionsbunker waren aufgeschlossen. Es wurden insgesamt entwendet drei Gewehre G 3 und zwei Pistolen der Wache sowie 1000 Schuß Gewehrmunition aus einem der Bunker. Die geladenen Waffen enthielten 10 Schuß Gewehrmunition und 8 Schuß Pistolenmunition. Am Tatort wurden Hülsen vom Kaliber 6,35 mm und 9,0 mm gefunden.
Auf Grund meiner Weisungen sind folgende Sofortmaßnahmen durchgeführt worden:



Bundesminister Dr. Schröder
Erstens. Die Truppe wurde am 20. Januar durch Fernschreiben über den Vorfall unterrichtet. Gleichzeitig wurde befohlen, daß alle Sicherheits- und Wachbestimmungen, Stärke und Bewaffnung der Wachen und die Kontrollen sofort zu überprüfen sind.
Zweitens. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich gestern eingehend mit der Frage zusätzlicher Sicherungen befaßt. Diese Frage wird auch am kommenden Freitag Gegenstand weiterer Erörterungen mit den Kommandierenden Generalen und den Divisionskommandeuren anläßlich einer Tagung, die im Ministerium stattfindet, sein.
Herr Kollege, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich bei dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten mitteilen kann. Der Verteidigungsausschuß des Bundestages wird bei der für morgen angesetzten Sitzung eingehend, soweit es die Unterlagen dann zulassen, unterrichtet werden.
Ich möchte nun gern die Frage des Kollegen Marx beantworten.
Die Bundeswehr hat nach dem Gesetz für die Anwendung des unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und ziviler Wachpersonen die erforderlichen Mittel, Angriffe gegen die Streitkräfte, wie sie in Lebach erfolgt sind, abzuwehren. Die zu Wach- oder Sicherheitsaufgaben eingeteilten Angehörigen der Bundeswehr sind in solchen Fällen befugt, zur Abwehr eines Angriffs von der Schußwaffe Gebrauch zu machen und, falls sich dies als erfolglos erweist oder von vornherein offensichtlich keinen Erfolg verspricht, auch Explosivmittel, z. B. Handgranaten, einzusetzen.
Gegen organisierte Überfälle — ich möchte das noch einmal unterstreichen: gegen organisierte Überfälle — gibt es auch für die Bundeswehr nur bedingte Schutz- und Abwehrmöglichkeiten. Wie ich bei meiner Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Rommerskirchen bereits erwähnt habe, wird zur Zeit geprüft, welche zusätzlichen Maßnahmen bei derartigen Überfällen ergriffen werden können.
Der Herr Bundesminister des Innern hat nach § 4 des Bundeskriminalamtsgesetzes die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts mit der Leitung der Ermittlungen beauftragt.
Ich habe veranlaßt, daß für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, eine weitere Belohnung von 50 000 DM ausgesetzt wird.
Sie werden Verständnis dafür haben, daß den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht vorgegriffen werden kann. Ich hoffe zuversichtlich, daß die gute Zusammenarbeit aller Stellen des Bundes und der Länder, die mit Staatsschutz-, Sicherungs-
und polizeilichen Aufgaben betraut sind, zu einer schnellen Aufklärung dieses heimtückischen Verbrechens führen wird.
Erlauben Sie mir, noch folgende Bemerkung hinzuzusetzen.
Der gewalttätige Überfall hat in allen Teilen unserer Bevölkerung tiefe Empörung ausgelöst. Die
Bundesregierung verurteilt diesen Angriff auf Soldaten der Bundeswehr schärfstens. Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen der ermordeten Soldaten. Den Verletzten wünschen wir rasche Genesung. Alle gesetzlichen Möglichkeiten für die Versorgung der Hinterbliebenen werden ausgeschöpft. Ein Spendenkonto wurde errichtet. Das Soldatenhilfswerk bereitet eine Unterstützungsaktion vor.
Die Trauerfeier für die ermordeten Soldaten findet am 23. Januar, also morgen, in Lebach statt.
Ich hoffe, daß sich solche Gewaltakte nicht wiederholen werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521000400
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Rommerskirchen.

Josef Rommerskirchen (CDU):
Rede ID: ID0521000500
Herr Bundesminister, ohne der morgigen Beratung im Verteidigungsausschuß vorgreifen zu wollen, darf ich Sie fragen, ob Sie sich, soweit das nicht bereits geschehen ist, um eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr einerseits und den Organen der inneren Sicherheit andererseits bemühen, gerade im Hinblick auf exponiert liegende Einrichtungen der Bundeswehr. Ist das so, oder ist das noch zu intensivieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521000600
Herr Kollege Rommerskirchen, ich gehe davon aus, daß morgen im Verteidigungsausschuß — diese Sitzung wird Herr Staatseskretär Adorno wahrnehmen, da ich an der Trauerfeier teilnehmen werde — das vorhandene, bis dahin vielleicht ergänzte Material und alle Möglichkeiten eingehend diskutiert werden, etwa zu einer Verbesserung zu kommen. Ich habe gerade hervorgehoben, daß die Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Landesstellen bei der Aufklärung dieses Falles gut ist. Wir werden im einzelnen prüfen — auch in der von mir gerade erwähnten Besprechung mit den Kommandierenden Generalen und Divisionskommandeuren —, was zur Verbesserung geschehen kann. Die heutigen Morgenzeitungen enthalten eine Menge Betrachtungen darüber, die dabei, soweit es wohlgemeinte Anregungen sind, sicherlich sehr sorgfältig verwertet werden, Man muß sich nur darüber im klaren sein — und das bitte ich von vornherein zu berücksichtigen —, daß dies eine Schandtat ist, die mitten im Frieden, mitten in unserem Land geschehen ist. Dieser Umstand setzt naturgemäß aber auch eine gewisse Grenze für Abwehrmaßnahmen. Mit anderen Worten, wir können nicht jedes Munitionslager in eine Festung verwandeln. Gegen einen organisierten Überfall sind auch die besten Vorkehrungen höchstens bedingt wirksam. Aber der Verteidigungsausschuß mag darüber im einzelnen sprechen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521000700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0521000800
Herr Bundesminister, da morgen der Verteidigungsausschuß im einzelnen darüber spricht, stelle ich nur eine Zusatzfrage, und zwar im Hinblick auf eine Ant-



Dr. Marx (Kaiserslautern)

wort, die die Bundesregierung am 26. November auf eine Kleine Anfrage der Kollegen Prochazka, Gierenstein, Dr. Hudak, Rainer, Schlager, Ziegler und Genossen gegeben hat. Dort steht als Satz 2 wörtlich: Der Bundesregierung sind Versuche kleiner linksradikaler Studentengruppen bekannt, sich in Berlin, München und Saarbrücken Handfeuerwaffen usw. zu verschaffen. Ich erlaube mir die Frage, ob die Bundesregierung ihre Untersuchungen — ohne daß ich damit jetzt irgendeine Kombination verbinden will — auch auf diesen Tatbestand ausdehnt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521000900
Herr Kollege Dr. Marx, ich möchte zu diesem Punkt, über den im Ausschuß weiter gesprochen werden kann, folgendes sagen: Es gibt in der Tat einen älteren Aufruf an der Universität Saarbrücken, der von Munitionslagern spricht, deren man sich bemächtigen könnte. Wieweit das hier relevant ist, wird die Untersuchung im einzelnen ergeben. Aber es steht natürlich nichts im Wege, daß Auffassungen darüber im Verteidigungsausschuß ausgetauscht werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521001000
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Frage 1, Dr. Hofmann (Mainz) :
Wie hoch bemißt die Bundesregierung die Gesamteinnahmen in DM der „DDR" im Jahresdurchschnitt-auf Grund der ab Beginn des Jahres 1969 geltenden neuen Bestimmungen hinsichtlich der Warenein- und -ausfuhrgenehmigungsgebühren (Zoll) bei grenzüberschreitendem Reiseverkehr unter Hinzurechnung der durch das Ulbridit-Regime willkürlich festgesetzten Visagebühren (110 Millionen DM im Jahr?) und der in zwei Raten ohne Rechtsgrund freiwillig am 31. Dezember 1968 gezahlten bzw. am 31. Dezember 1969 zu zahlenden 120 Millionen DM durch die Bundesregierung an die „DDR"?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Wetzel.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521001100
Durch die mit Wirkung vom 1. Januar 1969 in Kraft getretenen Bestimmungen hat die DDR nach der Einführung des Paß- und Visumzwanges am 11. Juni 1968 eine weitere Maßnahme ergriffen, die die verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen in beiden Teilen Deutschlands erschwert. Die Reisenden aus der Bundesrepublik nach Mitteldeutschland werden bemüht sein, sich diesen Zollbestimmungen anzupassen, indem sie weniger Geschenke mitnehmen, um entweder im Rahmen der Freigrenze zu bleiben oder zumindest die Gebührenbelastung möglichst niedrig zu halten. Angesichts der zum Teil extrem hohen Abgaben für bestimmte, in der DDR sehr teure Waren werden viele Reisende trotz der Freigrenze in Zukunft möglicherweise auf die Mitnahme solcher Geschenke verzichten. Die Entwicklung bei der Mitnahme von Geschenken ist deshalb noch nicht zu überblicken, so daß die Gebühreneinnahmen der DDR hierfür auch nicht annähernd geschätzt werden können.
An Visagebühren werden die Ostberliner Behörden im Jahre 1969 voraussichtlich 65 bis 70 Millionen DM einnehmen, wenn man davon ausgeht, daß im Jahre 1969 die Zahl der Reisenden derjenigen des Jahres 1968 entsprechen wird. Der in der Frage genannte Betrag von 110 Millionen DM ergibt sich aus
Einnahmen für Visagebühren und Steuerausgleichsabgaben. Seit dem 1. Juli 1968 erhebt die DDR für Kraftfahrzeuge und Binnenschiffe aus der Bundesrepublik Steuerausgleichsabgaben.
Die Einnahmen der DDR betragen jährlich im Güter- und Werkfernverkehr 30 Millionen DM, im Omnibusverkehr 3 Millionen DM, im Binnenschiffsverkehr 6 Millionen DM, also insgesamt rund 40 Millionen DM. Die Steuerausgleichsabgaben werden im vollen Umfange von der Bundesregierung erstattet.
Die Mineralölausgleichszahlungen von 120 Millionen DM gehören nicht in die Kategorie dieser von der DDR widerrechtlich und willkürlich erhobenen Gebühren. Die Zahlung der 120 Millionen DM erfolgt auf Grund einer Vereinbarung zwischen der Treuhandstelle für den Interzonenhandel und den Vertretern Ostberlins. Die Vereinbarung wurde abgeschlossen im Interesse einer Ausweitung des innerdeutschen Handels und der Förderung vielfältiger wirtschaftlicher Kontakte mit dem anderen Teil Deutschlands. Sie diente dem Ausgleich der Mindererlöse, die der DDR im innerdeutschen Handel auf Grund der am 1. Januar 1964 in der Bundesrepublik in Kraft getretenen Mineralölsteuererhöhung entstanden sind. Die DDR erhielt mit dieser ersten Rate jetzt keine DM-West, sondern eine Gutschrift auf dem Interzonenhandelsverrechnungskonto. Sie verwendet diesen Betrag also zum Einkauf von Waren in der Bundesrepublik im Rahmen des innerdeutschen Handels.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521001200
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Hofmann.

Dr. Josef Hofmann (CDU):
Rede ID: ID0521001300
Herr Staatssekretär, können Sie noch etwas präziser die politischen Motive darstellen, die die DDR-Regierung bei der Einführung der Zollabgaben hatte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521001400
Die Motive der Ostberliner Regierung für die Einführung der neuen Zollvorschriften sind vermutlich vielschichtig. Die Neuregelung gilt sowohl für den Reiseverkehr mit der Bundesrepublik als auch für den Reiseverkehr mit dem östlichen und westlichen Ausland. Auf diese Gleichstellung der Bundesrepublik mit dem Ausland wird es der DDR sicher angekommen sein. Andererseits kann vermutet werden, daß die neuen Regelungen auch erlassen wurden, um eine unkontrollierte Mitnahme bestimmter Mangelwaren durch Touristen aus den- Ostblockländern zu verhindern. Darüber hinaus wird das Motiv der Devisenbeschaffung vor allem in D-Mark durch die Gebühreneinnahmen eine Rolle gespielt haben.
In ihrem Schwergewicht richten sich die neuen Bestimmungen jedoch gegen die mehr als 1 Million Besucher der DDR aus der Bundesrepublik. Das heißt, zum erstenmal nach 136 Jahren wird innerhalb Deutschlands wieder Zoll erhoben. Die DDR hat damit nach den Maßnahmen vom 11. Juni 1968 erneut eine Regelung getroffen, die den Reisenden innerhalb Deutschlands weitere Lasten aufbürdet. Mit den Erschwerungen des innerdeutschen Reise-



Staatssekretär Dr. Wetzel
verkehrs wird die Spaltung Deutschlands vertieft. Diese Auswirkungen sind sicher von der Regierung in Ostberlin gewollt und waren sehr wahrscheinlich ein wichtiges Motiv für die Einführung der neuen Maßnahmen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521001500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Hofmann.

Dr. Josef Hofmann (CDU):
Rede ID: ID0521001600
Herr Staatssekretär, wenn auch verständlich ist, daß Sie noch nicht genau die Einnahmen der DDR aus dem neuen Zoll angeben können — können Sie mir sagen, wie hoch die Zahl der Reisen von Westdeutschland nach Mitteldeutschland im jährlichen Durchschnitt ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521001700
Im Jahre 1967 sind etwa 1 400 000 Einwohner Westdeutschlands nach Mitteldeutschland gereist. Im Jahre 1968 waren es 1 260 000 Personen. Der Rückgang im Jahre 1968 ist unter anderem auf die Einführung des Paß- und Visumzwanges am 11. Juni 1968 zurückzuführen. Aber auch der Aufmarsch der Warschauer-PaktStreitkräfte und die Ereignisse des und nach dem 21. August haben den Rückgang mit verursacht. Schließlich ist es nicht ohne Einfluß auf den Reiseverkehr, daß langfristig die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen in beiden Teilen Deutschlands zahlenmäßig geringer werden.
Zu der Zahl von 1 260 000 Besuchern aus der Bundesrepublik kommen noch schätzungsweise 1 400 000 Personen — Westdeutsche und auch Ausländer —, die mit Tagesaufenthaltsgenehmigung Ostberlin besuchen. Diese Zahl können wir nur schätzen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521001800
Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) :
Treffen Meldungen zu, wonach in zahlreichen Fällen von Ostberliner Behörden die Ausreisegenehmigungen für mitteldeutsche Rentner zu Verwandtenbesuchen in der Bundesrepublik Deutschland versagt werden, wenn diese Verwandten im politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland eine bekannte Stellung einnehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521001900
Aus zahlreichen Einzelfällen ist uns bekanntgeworden, daß die mitteldeutschen Behörden Personen im rentenfähigen Alter dann keine Besuchsreise nach Westdeutschland gestattet haben, wenn die Angehörigen im Bundesgebiet sich in politischen Parteien oder in Vertriebenen- und Flüchtlingsverbänden besonders exponiert hatten. Auch sind uns Einzelfälle bekannt, bei denen Rentnerreisen abgelehnt wurden, wenn Angehörige in der Nationalen Volksarmee der DDR Dienst versahen. Einschlägige Bestimmungen sind im anderen Teil Deutschlands nicht veröffentlicht worden. Die Praxis ist nicht durchschaubar, zum Teil wechselnd und widersprüchlich.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521002000
Zusatzfrage, Herr Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0521002100
Herr Staatssekretär, ich möchte in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie sich in der Lage sehen, etwas über die Entwicklung der Rentnerreisen aus dem Gebiet des anderen Teils Deutschlands in die Bundesrepublik auszusagen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521002200
Wie Sie wissen, können seit November 1964 Personen im rentenfähigen Alter, d. h. also Männer ab Vollendung des 65. und Frauen ab Vollendung des 60. Lebensjahres, einmal im Jahr und bis zur Dauer von vier Wochen ihre Angehörigen im Bundesgebiet besuchen. Bei Todesfall oder bei lebensgefährlicher Erkrankung eines Verwandten kann dem Rentner eine weitere Reise genehmigt werden.
Im November und Dezember 1964 kamen schon rund 650 000 Rentner nach Westdeutschland und nach Westberlin, im Jahre 1965 waren es etwa 1,2 Millionen, in den Jahren 1966, 1967 und 1968 jeweils etwa 1 Million Personen. Die Zahl von jährlich etwas über 1 Million Reisenden zeigt das Bedürfnis der Menschen im anderen Teil Deutschlands, Angehörige im Bundesgebiet zu besuchen. Es ist charakteristisch, daß diese Reisemöglichkeit nur älteren, d. h. nicht mehr im Arbeitsleben stehenden Menschen gewährt wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521002300
Zusatzfrage, Herr Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0521002400
Herr Staatssekretär, ich möchte gern an den letzten Satz anknüpfen und fragen: Sind eigentlich die Motive bekannt oder sind Äußerungen von führenden Persönlichkeiten Ostberlins bekannt, in denen fixiert ist, weshalb man nur Rentnern in dem von Ihnen eben. angegebenen Alter die Reise in die Bundesrepublik ermöglicht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521002500
Ja, es gibt eine authentische Erklärung, wenn Sie so wollen, eine Sprachregelung. Das Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR hat am 10. September 1964 im Rahmen der Ankündigung, daß Rentner nunmehr in das Bundesgebiet reisen dürfen, folgendes erklärt:
Bürger der DDR werden bei Reisen nach Westdeutschland diffamiert, unwürdig behandelt und Polizeischikanen unterworfen. Spionage- und Untergrundorganisationen sowie andere Menschenhändlerzentralen versuchen nach wie vor, den Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten und zwischen der DDR und Westberlin für ihre menschenfeindlichen Umtriebe zu mißbrauchen. Die Regierung der DDR geht von der Erwartung aus, daß zumindest die älteren Bürger der DDR, die sich zu Besuch in Westdeutschland oder Westberlin aufhalten, von derartigen Willkürakten verschont bleiben und ihnen ein ungestörter Aufenthalt garantiert wird.



Staatssekretär Dr. Wetzel
Das gleiche hat sinngemäß der Propagandist Eisler 1966 im Ostberliner Deutschlandsender gesagt. — Das sind die Erklärungen.
Der wirkliche Grund ist die Befürchtung der SED- Führung, die jüngeren, arbeitsfähigen Menschen würden von einer Besuchsreise in das. Bundesgebiet nicht zurückkehren. Die Berliner Mauer, die militärischen Anlagen an der Zonengrenze und schließlich die Erklärung Ulbrichts vor vier Jahren vor dem Plenum des Zentralkomitees der SED, er fordere Schadensersatz von der Bundesrepublik für Verluste am Nationaleinkommen durch Produktionsausfall wegen der jahrelangen Fluchtbewegung aus der DDR und wegen der von ihm so genannten „Grenzgängerei in Westberlin", lassen keinen Zweifel an dem wirklichen Grund, warum nur Rentnern die Reise gestattet wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521002600
Danke schön! — Ich rufe die Fragen 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Strohmayr aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau auf:
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß die in Frage 8 erwähnten Zumutungen an einen privaten Grundbesitzer nicht auch auf den Bund Anwendung finden können?
Entspricht bei Bestätigung zur Frage 3 die Auffassung der Bundesregierung dem Bundesbaugesetz?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Schornstein vom 22. Januar 1969 lautet:
Da der Sachverhalt, der Ihrer Frage zugrunde liegt, Herr Abgeordneter, im einzelnen nicht bekannt ist, kann ich unter Berücksichtigung der planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesbaugesetzes allgemein nur folgendes sagen:
Träger öffentlicher Belange - zu denen auch die Oberfinanzdirektionen gehören — können, wie jede Privatperson, gegen den Entwurf eines Bauleitplanes Bedenken und Anregungen vorbringen, die die Gemeinde zu prüfen und, soweit dies sachlich geboten ist, zu berücksichtigen hat. Bei Vorlage der Bauleitpläne zur Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde sind die nicht berücksichtigten Bedenken und Anregungen mit einer Stellungnahme der Gemeinde beizufügen. Eine Sonderstellung ist dem Bund also nicht eingeräumt.
Wenn der Bund in seiner Eigenschaft als öffentlicher Planungsträger bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans beteiligt ist, kann er zur Wahrung der ihm anvertrauten öffentlichen Aufgaben diesem Plan widersprechen. Im Plangenehmigungsverfahren ist dann zu entscheiden, ob die Gemeinde das sachliche Vorbringen des Planungsträgers in ihre Erwägungen einbezogen und ob sie die Grenze des ihr zustehenden Planungsermessens beachtet hat.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 5 des Herrn Abgeordneten Wächter aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Ist in der Gesetzgebung insbesondere in den Immissionsschutzgesetzen und den Höchstmengenverordnungen auf Blei als gesundheitsschädigender Bestandteil Rücksicht genommen worden?
Das Wort zur Beantwortung hat Frau Minister Strobel.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521002700
Herr Kollege Wächter, Sie sprechen mit Ihrer Frage zwei Probleme an, einmal die gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Bleiimmissionen aus gewerblichen Anlagen, also ein Problem des Nachbarschutzes, und zum zweiten die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Bleis als Bestandteil von Lebens- und Futtermitteln. Ich gehe davon aus, Herr Kollege Wächter, daß Sie in diesem Zusammenhang an dem Problem des Nachbarschutzes interessiert sind.
Größere Emittenten für Blei unterliegen den bundesrechtlichen Bestimmungen der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft. Danach sind die Behörden gehalten, dafür zu sorgen, daß solche Anlagen mit den dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Einrichtungen zur Begrenzung der Emissionen auszurüsten sind.
Ich glaube, annehmen zu dürfen, daß sich Ihre Frage auf die Emissionen aus einer Zinkhütte bezieht. Derartige Anlagen werfen in nicht unerheblichem Umfang Zinkstaub und Bleirauch in feinster Dispersion aus. Der bisherige Stand der Entstaubungstechnik erlaubte es nicht, die Emissionen ausreichend zu senken. Ich habe deshalb ein Entwicklungsvorhaben zur Verbesserung des Standes der Entstaubungstechnik in Zinkhütten gefördert. Mit der nunmehr entwickelten Entstaubungsvorrichtung ist es technisch möglich und im allgemeinen auch wirtschaftlich vertretbar, die Staubemissionen um 80% zu senken.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521002800
Zusatzfrage, Herr Kollege Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0521002900
Frau Minister, ist aus Ihrer Antwort zu entnehmen, daß bei dem jetzt erreichten Stand der Entstaubungstechnik an sich das zuständige Gewerbeaufsichtsamt verpflichtet und berechtigt wäre, dem Verursacher entsprechende Auflagen zu machen, wobei sich allerdings für mich die ergänzende Frage ergibt, ob solche Auflagen aus wirtschaftlichen Gründen, weil sie also für den Verursacher wirtschaftlich nicht vertretbar sind, nicht scheitern könnten und auf welche Weise die Gefahren für Menschen, Tiere und Pflanzen dann verhindert werden?
Frau Strobel, Bundesminister für Gesundheitswesen. Herr Kollege Wächter, ich bin nicht der Meinung, daß die Entstaubung der Gesamtanlage bei dem Verursacher, den Sie im Auge haben, aus wirtschaftlichen Gründen scheitern kann. Ich bin darüber unterrichtet, daß der Verursacher diese Maßnahmen bereits eingeplant hat, und zwar für das Jahr 1969. Sollten dennoch wirtschaftliche Gründe dafür angeführt werden können, daß das nicht so schnell geht, so werden wir prüfen — es muß natürlich ein Antrag gestellt werden —, ob eine Förderung mit Mitteln des ERP-Haushalts, bei dem uns ja Mittel für die Luftreinhaltung zur Verfügung gestellt werden, möglich ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521003000
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Wächter.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0521003100
Frau Minister, helfen diese Maßnahmen vielleicht für die Zukunft, so möchte ich Sie doch fragen, wer die durch die Bleiverunreinigungen geschädigten Grundstückseigentümer und Viehhalter schadlos hält, die in der Vergangenheit Vermögenseinbußen erlitten haben.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521003200
Herr Kollege Wächter, soweit ich diese



Bundesminister Frau Strobel
Schadensfälle beurteilen kann, ohne sie in ihren Einzelheiten genau zu kennen, bin ich der Meinung, daß sie nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten und Vorschriften behandelt werden müssen. Ein Grundstückseigentümer, der durch Luftverunreinigungen aus seinem Betrieb Nachbarn Schaden zufügt, ist unter bestimmten Voraussetzungen zum Ersatz des dem Nachbarn entstandenen Schadens verpflichtet.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521003300
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Minister, sind im Ministerium die russischen Ergebnisse bekannt, die im Anschluß an die Arbeiten von Paw-low erhoben worden sind — Pawlow, der ja zuerst nachgewiesen hat, daß in den Reflexen Bleikontamination des Körpers nachgewiesen werden kann —, die russischen Forschungen, die gezeigt haben, daß genetische Wirkungen, im Tierversuch nachgewiesen, bereits eintreten, bevor eine Reflexschädigung nachweisbar ist, und daß Veränderungen im Gehirn auch bereits entstehen können, bevor im Reflexversuch etwas deutlich ist, und gedenkt die Bundesregierung, für die Bleikonzentration, die an heißen Sommertagen in Großstädten durch den Autoverkehr in der Atemluft hervorgerufen wird, entsprechende Folgerungen zu ziehen, wie das in der Sowjetunion empfohlen wird, wo ja die höchst erträgliche Grenze des Bleigehalts in der Atemluft erheblich niedriger festgesetzt ist als bei uns?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521003400
Herr Kollege Bechert, ich kann Ihnen — ich glaube, verständlicherweise — eine so eingehende Frage nach dem Stand der Wissenschaft auf diesem Gebiet hier nicht beantworten. Es ist klar, daß auch in der Bundesrepublik an diesen Dingen gearbeitet wird, und wir haben ja im Bundesgesundheitsamt bzw. im Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene diesbezüglich Wissenschaftler, die sich natürlich auch über den neuesten Stand der Forschung in Rußland unterrichten.
Den zweiten Teil Ihrer Frage, was die Bundesregierung zu tun gedenke, darf ich dahin beantworten: Wir haben den Referentenentwurf eines Bundesimmissionsschutzgesetzes längst fertig. Wir sind aber in der schwierigen Situation, daß über die Grundgesetzänderung, ob der Bund für die Probleme der Luftverunreinigung und der Lärmbekämpfung zuständig ist, noch nicht entschieden ist und daß uns natürlich sowohl von den beteiligten Länderressorts als auch von der Industrie gesagt wird: Solange ihr nicht alle Immissionsquellen durch das Gesetz erfaßt, ist es nicht sehr sinnvoll. Aber im Zusammenhang mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz müssen natürlich alle diese Fragen erfaßt werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521003500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD): Frau Minister, darf ich eine Frage stellen, deren Antwort ich im voraus weiß, die Sie sicher verneinen werden. Ich habe intern erfahren, daß es unerwünscht ist, wenn russische Literatur für solche Dinge, allgemein für Umweltschäden, durch irgendwelche öffentlichen Stellen ausgewertet wird. Trifft diese Information zu?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521003600
Mir ist das völlig unbekannt. Ich weiß nicht, wo Sie das intern erfahren konnten. Im Bundesgesundheitsministerium und im Bundesgesundheitsamt gibt es keine solche Weisung.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521003700
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Heuser.

Dr. Hedda Heuser (FDP):
Rede ID: ID0521003800
Frau Minister, wenn Sie davon ausgehen, daß es sich in dem von Herrn Kollegen Wächter angesprochenen Fall um einen Verursacher handelt, dessen Vermögen zum größten Teil in den Händen des Bundes liegt, würden Sie mir dann zustimmen, wenn ich sage, daß sich gerade ein solcher Betrieb in solchen Dingen vorbildlich zu verhalten hätte?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521003900
Ich stimme Ihnen darin zu. Ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß es bis vor kurzer Zeit keine Möglichkeit gab zu sagen: jetzt ist es technisch möglich, den Ausstoß um 80 % zu verringern. Erst durch das Ergebnis des Forschungsvorhabens ist der heutige Stand der Technik erreicht worden. In dem Augenblick, wo er gegeben ist, können nach den gesetzlichen Bestimmungen Auflagen gemacht werden, daß der Stand der Technik zu erfüllen ist. Aber in diesen gesetzlichen Bestimmungen ist — ich sage ganz bewußt: leider — eben auch enthalten: soweit es wirtschaftlich zumutbar ist. Dieses „wirtschaftlich zumutbar" versuchen wir dadurch positiv zu beeinflussen, daß wir in solchen Fällen aus ERP-Mitteln zinsbillige Darlehen zur Verfügung stellen und damit Anreize .geben, nun auch tatsächlich das Notwendige zu tun. Bei der Preußag — um die es sich hier handelt, man kann es ja offen sagen — bin ich der Meinung, daß man das im Zusammenwirken sowohl von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Firma her als auch mit Hilfe von solchen ERP-Mitteln nunmehr sicher zur Auflage machen kann. Das muß aber das Gewerbeaufsichtsamt tun, das können nicht wir.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521004000
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Heuser.

Dr. Hedda Heuser (FDP):
Rede ID: ID0521004100
Frau Minister, haben Sie ungefähr einen Überblick darüber, in wie vielen Fällen solche Einrichtungen von erheblichem Ausmaß notwendig werden, und glauben Sie, daß die ERP-Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, ausreichen würden?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0521004200
Die ERP-Mittel reichen bei weitem nicht aus, um überall dort, wo nach dem heutigen technischen



Bundesminister Frau Strobel
Stand Einrichtungen zur Verringerung der Luftverunreinigung notwendig wären, entsprechende Hilfen zu geben. Wie weit im einzelnen die betroffenen Betriebe von ihrer betriebswirtschaftlichen Situation her dazu aus eigenen Mitteln in der Lage sind, entzieht sich natürlich generell meiner Beurteilung. Das können wir nur in all den Fällen prüfen, in denen Anträge an uns gestellt werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521004300
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr.
Zunächst die Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Dr. Giulini:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Taxifahrer die gesetzlich eingeführte Trennscheibe als unzweckmäßig und unbrauchbar bezeichnen?
Was beabsichtigt die Bundesregierung daraus für Konsequenzen zu ziehen, wenn dies zutreffen sollte?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521004400
Herr Präsident! Der Bundesregierung ist bekannt, daß es Taxifahrer gibt, die die vorgeschriebene Trennwand als unzweckmäßig und unbrauchbar bezeichnen.
Frage 14: Die Bundesregierung sieht unter den gegebenen Umständen im Vorhandensein der Trennwand einen optimalen Schutz des Taxifahrers. Die Trennung des Fahrgastraumes vom Führersitz bietet eine vorbeugende und unmittelbare Schutzwirkung vor Überfällen im Fahrzeuginnern. Nach den bisherigen Feststellungen hat sich seit der Einführung der Taxitrennwand die Zahl der Überfälle erheblich verringert. Es besteht deshalb bei Abwägung aller Interessen kein Anlaß, Konsequenzen im Sinne Ihrer Frage zu ziehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521004500
Zusatzfrage, Dr. Giulini!

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0521004600
Herr Minister, wenn dem so ist, wie Sie sagen, warum ist Thema 1 bei allen Taxifahrten der Einbau einer Trennwand und die dazu gehörige Bemerkung, daß sie eben doch keinen Schutz bieten würde, wenn es einer wirklich auf das Leben eines Taxifahrers abgesehen hätte?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521004700
Ihre Frage gibt mir Gelegenheit, zunächst einmal darzustellen, daß ich einen großen Meinungsumschwung bei den Taxifahrern feststelle. Denn nach den Unterlagen in meinem Hause ist die Trennscheibe jahrelang von den Verbänden gefordert worden, und zwar sowohl von den Taxibesitzern als auch von den Taxifahrern. Die Bundesregierung sowie auch die hier in Betracht kommenden Ausschüsse des Hohen Hauses haben sich jahrelang mit der Frage eines Schutzes für Taxifahrer befaßt. Immer dann, wenn draußen schwarze Fahnen wehten, wenn wieder ein Taxifahrer umgebracht worden war, hat man diskutiert, ob man die Todesstrafe einführen sollte oder ob man die Fahrer schützen sollte. Nachdem das alles hin und her diskutiert worden war, ist man zu dem Ergebnis gekommen: Unter allen Möglichkeiten, die sich bieten, wenn man nicht eine Taxe schaffen will, die von vornherein entsprechend konstruiert ist — das ist dann aber kein Personenauto üblicher Art —, bleibt die Trennscheibe das wirkungsvollste Schutzmittel für den Taxifahrer. Wir wissen das. Wir wissen, daß das trotzdem bei vielen Taxifahrern, vor allem auch unter dem Einfluß der Unternehmer, der Taxibesitzer, für die das Einbauen natürlich mit einem Investititionsaufwand verbunden ist, kritisiert wird. Aber ich darf Ihnen ebenso offen meine Meinung sagen. Solange dem Bundesminister für Verkehr nicht ein Vorschlag auf den Tisch kommt — und er selbst kennt auch keinen besseren —, mit dem man eine Schutzmöglichkeit schaffen kann, die mindestens den Schutz der Trennscheibe bietet, bleibe ich bei der Trennscheibe. Mir ist es lieber, diese Unbequemlichkeit bleibt, als daß wir alle Vierteljahre hier über Todesfälle, über Morde in Taxen diskutieren, wie wir es, Gott sei Dank, seit der Einführung der Trennscheibe nicht mehr gehabt haben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521004800
Eine Zusatzfrage, bitte schön!

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0521004900
Herr Minister, was hindert Ihr Haus, Vorschläge zu machen und diese gegebenenfalls innerhalb der Bundesregierung, insbesondere mit dem Finanzministerium abzustimmen, die darauf hinauslaufen, eine wirklich ausreichende Taxe zu schaffen, wie Sie sie soeben schon angedeutet haben — ich denke z. B. an das englische Muster — und gegebenenfalls durch entsprechende steuerliche Begünstigung der Taxenunternehmer einen Teil der zwangsläufig dadurch zusätzlich entstehenden Kosten wieder aufzufangen, so daß diese Diskussion aufhören könnte und vor allen Dingen dabei herauskäme, daß der Fahrgast wirklich vernünftig in den öffentlichen Taxen transportiert werden kann?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521005000
Derartige Untersuchungen, Herr Kollege, müssen gar nicht erst angestellt werden; die sind da. Die Automobilindustrie ist, wenn sie ein Zeichen bekommt, morgen in der Lage, eine Taxe zu einem Preis zu bauen, der vertretbar ist. Nur sieht man der von außen an: Das ist ein gewerbliches Verkehrsmittel, eine Taxe. Mit diesem Fahrzeug kann man nicht sonntags ohne das Schildchen mit Mutti ins Grüne fahren, als wäre das ein Pkw, mit dem man werktags keine Personen befördert. Das ist wohl auch ein Grund, den Sie bedenken sollten bei der Frage, ob man eine besondere Taxe einführen sollte oder nicht. Ich weiß nicht, ob die von allen Leuten gekauft würde. Wenn sich der Gesetzgeber erlauben würde — und das würde auch sehr heftig kritisiert werden —, es zur Pflicht zu machen, nur mit der Taxe Personen zu befördern, dann möchte ich den Widerstand der jetzigen Unternehmer sehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521005100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Damm.




Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0521005200
Würden Sie geneigt sein, Herr Minister, diesem Hause vorzuschlagen, eben genau die auch von mir für notwendig gehaltene gesetzliche Pflicht einzuführen und dann zusammen mit diesem Hause den Widerstand, wie ich mit Ihnen vermute, der Taxiunternehmen zu tragen, wenn man davon ausgehen kann, daß die große Mehrheit der Taxibenutzer das sehr begrüßen würde?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521005300
Ich bin davon überzeugt, daß das für die Benutzer eine Verbesserung wäre. Ich bin auch gern bereit, alle Gründe, die das Für und Wider ausmachen, den Damen und Herren des Hauses, die sich dafür interessieren, darzustellen und darüber ein Gespräch zu führen. Aber ich halte den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für geeignet, konkret an eine solche Maßnahme zu denken. Wir sollten erst noch versuchen, ein wenig mit der Trennscheibe zu leben. Ich halte das nach Lage der Dinge für besser.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521005400
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Orgaß.

Gerhard Orgaß (CDU):
Rede ID: ID0521005500
Herr Minister, welche Maßnahmen haben Sie und Ihr Haus vor Einführung der Trennscheibe getroffen, um die sicherheitlichen Bestimmungen durch dieses Instrument auch erfüllt zu sehen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521005600
Ich verstehe nicht, welche sicherheitlichen Bestimmungen Sie meinen.

Gerhard Orgaß (CDU):
Rede ID: ID0521005700
Herr Minister, darf ich dann daraufhin fragen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß durch die Einführung der Trennscheibe die Zahl der Verletzten, sowohl Fahrgäste als auch Fahrer, erheblich angestiegen ist und auch inzwischen Todesfälle zu beklagen sind, die eindeutig auf die Einführung der Trennscheibe zurückzuführen sind?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521005800
Herr Kollege Orgaß, ich kann Sie nur bitten, mir dieses Material zur Verfügung zu stellen. Das wird dann unser Wissen über diesen Tatbestand erheblich anreichern. Ich weiß, daß es früher Taxiunfälle gegeben hat, und ich kann leider nicht ausschließen, daß es auch nach der Einführung der Trennscheibe Unfälle gibt. Wenn man mit einem Taxi einen Auffahrunfall hat, dann kann man mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe stoßen, und wenn eine Trennscheibe da ist, natürlich auch gegen die Trennscheibe. Ich kann hier nur sagen, die Taxifahrer sollten darauf achten, daß Unfälle vermieden werden; aber sie passieren mit und ohne Trennscheibe.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521005900
Eine weitere Frage, Herr Kollege Orgaß.

Gerhard Orgaß (CDU):
Rede ID: ID0521006000
Herr Minister darf ich Sie angesichts Ihrer Antwort dann vor diesem Hohen Hause fragen, ob die statistischen — unzureichenden — Unterlagen der Notgemeinschaft Hamburger
Taxiunternehmen, die mir im Einzelfall in Abschrift zugesandt worden sind, nicht auch Ihrem Hause zugesandt worden sind bzw. ob Sie sie nicht zur Kenntnis erhalten haben.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521006100
Wir haben das alles zur Kenntnis genommen; nur weiß ich, das sind statistische Angaben von Interessenten, die gegen die Trennscheibe sind. Bei der Verwertung dieses Materials sind wir so vorsichtig, wie es der Situation angemessen ist. Die wichtigste statistische Information, die ich kenne, ist die: Seit der Einführung der Trennscheibe hat es bisher nicht einen einzigen Taximord gegeben, bis auf einen Fall, in dem er vermeidbar gewesen wäre.

(Beifall bei der SDP.)

In diesem einen Fall hat .sich der Fahrgast neben den Fahrer gesetzt, vor die Trennscheibe. Deshalb sage ich, dieser Taximord war vermeidbar.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521006200
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Jacobi.

Maria Jacobi (CDU):
Rede ID: ID0521006300
Die Taxifahrer sind der Auffassung — ich weiß nicht, ob sich das mit Ihrer Auffassung deckt —, daß die Angriffe immer nur beim Zahlen erfolgen, zumindest während die Taxe hält, nicht aber während der Fahrt, weil der Fahrgast, der den Mord ausüben will, dann auch sein eigenes Leben gefährden würde. Sind die Statistiken bei Ihnen in der Form vorhanden, daß Sie darüber Auskunft geben können?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521006400
Man kann natürlich aus dem Hergang dieser Überfälle rekonstruieren, ob der Überfall während der Fahrt erfolgt ist. Das gibt es. In vielen Fällen geschieht es beim Zahlen, weil es da wahrscheinlich am einfachsten ist, den Taxifahrer zu überfallen. In allen Fällen aber — und das ist entscheidend, gnädige Frau —, ob beim Zahlen oder beim Fahren, ist die Trennscheibe ein Schutz. Ich sehe darin in erster Linie ein, wenn auch unbequemes, Schutzmittel für den Taxifahrer. Ich bin nicht Taxifahrer gewesen. Ich komme aus einem ganz anderen Bereich, und ich weiß, daß es in Deutschland mehr als 1 Million Menschen gibt, die ständig darüber klagen, daß sie einen Schutzhelm tragen sollen— genauso wie die Taxifahrer, die durch eine Trennscheibe geschützt werden sollen —; aber ich weiß auch: wenn man ihn trägt, wird man vor Unfällen geschützt, auch wenn das Ding unbequem ist. Solange wir nicht einen besseren Schutz für die Taxifahrer haben, müssen wir die Trennscheibe für ein wirkungsvolles Instrument halten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521006500
Eine Zusatzfrage, Kollege Schmidt (Braunschweig).

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521006600
Herr Minister, würden Sie mir beipflichten, wenn ich feststelle, daß einer der Hauptgründe für die Einführung der Trennscheibe der war, daß nach den Feststellungen



Schmidt (Hamburg)

des Bundeskriminalamtes bei fast allen Taximorden die Überfälle auf den Taxifahrer in der Regel aus dem Fond, also vom Rücksitz des Fahrzeugs, gestartet wurden und daß wir deshalb etwas tun mußten, um das Leben der Taxifahrer zu schützen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521006700
Das glaube ich durchaus. Ich möchte noch einmal zusammenfassen, Herr Kollege Schmidt. Nach jahrelanger Prüfung ist die Trennscheibe für das beste Sicherungsmittel gehalten worden, auch unter technischen, ökonomischen Bedingungen. Von allen, die es angeht, von Taxibesitzern, Taxifahrern und ihren Verbänden, ist es gefordert worden. Ich habe all diese Briefe noch da. Die kann man jetzt natürlich gegen neue austauschen, die etwas anderes als damals besagen. Aber dieses Hohe Haus hat sich auf die ersten Forderungen gestützt, und ich halte sie noch für begründet. Nachdem die Trennscheibe jetzt da ist, haben wir das Resultat zu verzeichnen, daß keine Taximorde mehr stattfinden. Außerdem wird dagegen protestiert, weil es unbequem ist, mit der Trennscheibe zu fahren.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521006800
Eine weitere Frage, Herr Kollege Schmidt.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521006900
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Berufsvertretung der Taxifahrer — ich meine, nicht der Besitzer, sondern der Fahrer — die Einführung der Trennscheibe sehr begrüßt hat und auch weiterhin begrüßt?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521007000
Ja. Der Widerstand kommt hauptsächlich aus drei Städten, und wie das immer so im Leben ist, vermute ich da besonders aktive Kräfte, die einen gewissen Zuhörerkreis haben, der sich mit ihnen engagiert. Im übrigen herrscht im ganzen Bundesgebiet an der Taxifront sichtbare Ruhe.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521007100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0521007200
Herr Minister, darf ich an Sie die grundsätzliche Frage richten, ob Sie der Meinung sind, daß in einem freiheitlichen Rechtsstaat Schutzgesetze für eine Personengruppe gemacht werden sollen, welche diese Personengruppe — meines Erachtens nachgewiesenermaßen — mit Mehrheit ablehnt und als nicht zweckmäßig empfindet.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521007300
Das ist für mich keine philosophische Frage, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit. Die Mehrheit der Taxifahrer lehnt die Trennscheibe nicht ab. Ich lasse mich auch nicht durch den Krawall aus München, Hamburg und Berlin täuschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Im übrigen erwarte ich, daß die Polizeibehörden das
Gesetz, das in Kraft ist, durchführen. Das möchte
ich hinzufügen. Gesetze werden dazu gemacht, daß
sie durchgeführt werden, und ich habe kein Verständnis dafür, wenn irgendwo Polizeibehörden meinen, man könne sie ein bißchen langsamer durchführen, weil es unbequem oder vielleicht unpopulär ist.

(Beifall.)

Der Staat muß diese Autorität von sich verlangen, sonst wird er draußen in Frage gestellt.
Ich möchte meinen, auch Abgeordnete sollten einmal erproben, mindestens eine bestimmte Zeit, ohne auf Interessenverbände zu hören, ob die Gesetze, die sie beschlossen haben, tatsächlich richtig sind oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521007400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0521007500
Herr Minister, wenn Sie hier unterstellen, daß man Interessenstandpunkte vertritt, darf ich Sie dann fragen, ob Sie die Taxifahrer wirklich schon einmal befragt haben. Ich habe das für meinen überschaubaren Kreis getan und bin zu ganz eindeutigen Ergebnissen gekommen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521007600
Der Bundesverkehrsminister kommt überhaupt nicht daran vorbei, mit Taxifahrern zu sprechen. Im übrigen sind sie vor den Fachausschüssen des Hohen Hauses ausreichend zu Wort gekommen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521007700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gewandt.

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0521007800
Herr Minister, halten Sie es für eine Aufgabe eines Bundesministers, Mitglieder dieses Hohen Hauses zu belehren?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521007900
Nein, Herr Kollege Gewandt. Nur gehöre auch ich zu diesem Hohen Hause und führe mein Mandat auf einen direkteren Wählerauftrag zurück, als manche in diesem Hohen Hause für sich in Anspruch nehmen können.

(Oho-Rufe von der CDU/CSU: Das ist eine Kritik, die Ihnen gar nicht zusteht!)

— Nein, der Minister ist auch nicht ein Abgeordneter niederen Ranges.

(Zurufe von der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521008000
Ich darf den Herrn Minister darauf aufmerksam machen, daß zwischen den verschiedenen Abgeordnetenmandaten kein Rangunterschied besteht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521008100
Richtig, das habe ich auch gar nicht für mich in Anspruch genommen.




Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521008200
Herr Bundesminister, ich hatte den Eindruck, daß Sie zumindest nach außen hin eine solche Rangabstufung vorzunehmen trachteten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521008300
Nein, gar nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521008400
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0521008500
Herr Bundesminister, ich habe für Ihre Argumentation sehr viel Verständnis. Ist es aber nicht so — ich habe mich auch lange Jahre mit den Fragen beschäftigt -, daß die Taxifahrer wegen der Kosten der Trennscheibe gewisse Animositäten hochspielen? Gibt es nicht einen Weg, bei der Finanzierung ein wenig zu helfen? Denn Ihnen ist sicher bekannt, daß man in diesem Gewerbe keine Reichtümer sammeln kann; die Menschen können dort eben leben. Wenn man vielleicht eine Form finden könnte, in der die finanzielle Belastung etwas abgenommen würde, hätte man den ganzen Widerstand wahrscheinlich beseitigt.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521008600
Ich nehme an, das war ein Versprecher. Die Taxifahrer haben durch die Einführung der Trennscheibe gar keine Kosten; Sie meinten wohl die Besitzer der Taxen, also die Unternehmer.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0521008700
Ich meine natürlich die Besitzer.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521008800
Das ist der erste Vorgang: Die Taxifahrer protestieren, weil die Besitzer der Taxen — das kann ich zum Teil nachweisen — ihnen sagen: „Das kostet uns Geld", statt daran zu denken, daß das Geld, das der Taxibesitzer aufwenden muß, das Leben des Taxifahrers schützt. Das Leben des Unternehmers ist oft gar nicht bedroht.
Die Kosten, die dafür aufgewandt werden müssen, liegen — wenn ich das überschlage — bei maximal 600 DM. Das ist ein einmaliger Aufwand für die Scheibe. Wenn Sie bedenken, in welchem Verhältnis das zum Anschaffungswert einer Taxe steht — ich denke daran, daß man einen Mercedes 180 oder 200 immerhin im Anschaffungswert mit 10 000 DM veranschlagen kann; dann liegt der Aufwand für die Scheibe bei 6 % der Investitionskosten für das Fahrzeug —, so sind, meine ich, 6% maximal ein nicht zu hoher einmaliger Aufwand für den Schutz des Fahrers vor Mord und Überfall.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521008900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0521009000
Darf ich noch einmal fragen: Herr Minister, Sie nannten die Zahl 600.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521009100
Herr Kollege Brück, würden Sie liebenswürdigerweise nur Fragen stellen!

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0521009200
Ich darf zur Zahl 600 eine Frage stellen: Ist diese Zahl denn wirklich richtig, Herr Minister? Mir sind nämlich ganz andere Beträge genannt worden.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521009300
Mir nicht, Herr Kollege. Ich kann mir vorstellen, daß man die Schreibe auch noch mit Goldrändchen bekommen kann; dann wird sie natürlich teurer.

(Heiterkeit.)

Aber jedem, der meint, sie wäre viel teurer, kann ich Karosseriebauer nennen, die sie für 600 DM einbauen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521009400
Eine Frage des Herrn Kollegen Ramms.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521009500
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die meisten Taxibesitzer auch noch zumindest einen ihrer Wagen selber fahren?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521009600
Ja, das weiß ich, Herr Kollege Ramms; es sind zum großen Teil natürlich mittelständische und fleißige Leute. Ich habe aber vorhin schon auf das Psychologikum hingewiesen, das damit in Verbindung steht: Die Besitzer möchten sogar sonntags mit ihrem Wagen fahren, ohne daß man sieht, daß es eine Taxe ist. Bei der Trennscheibe geht das dann leider nicht so gut.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521009700
Ich rufe die Frage Nr. 15 des Herrn Abgeordneten Bühler auf;
Bis wann ist mit dem Baubeginn der „zollfreien Straße" zwischen Weil (Rhein) und Lörrach zu rechnen?
Zur Beantwortung der Herr Minister.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521009800
Für den Ausbau der sogenannten zollfreien Straße im Zuge der Bundesstraße 317 zwischen Weil am Rhein und Lörrach liegt eine abgeschlossene Planung vor, die bautechnisch mit der örtlichen schweizerischen Straßenbaubehörde abgeklärt ist. Die Maßnahme ist im 3. Vierjahresplan enthalten, so daß deren Finanzierung gesichert ist.
Der auch von mir angestrebte möglichst baldige Baubeginn hängt aber noch von der Zustimmung der schweizerischen Bundesbehörden ab. Die hierzu notwendigen Verhandlungen mit der Schweiz sind im Gange; sie werden allerdings zu meinem Bedauern voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Auch beim Grunderwerb ist durch die zu erwartenden Schwierigkeiten mit einem zeitraubenden Verfahren zu rechnen. Aus diesen Gründen ist es derzeit nicht möglich, über den Baubeginn genauere Angaben zu machen.




Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521009900
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Bühler.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521010000
Darf ich, nachdem die beteiligten Stellen für die Unterzeichnung des Vertrages ja nun feststehen, fragen: Wie lange wird nach Ihrer Schätzung der Grunderwerb usw. noch dauern? Müssen wir noch mit zwei oder mit fünf Jahren rechnen, nachdem der Vertrag ja nun von 1852 datiert?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521010100
Sehen Sie, das ist schon ein wichtiger Hinweis, der mich vorsichtig sein läßt. Wenn es sich um Grund und Boden in der Schweiz handelt, dauert das meistens etwas länger, als wenn es sich um Gebiete der Bundesrepublik handelte. Wir sind hier nicht allein zuständig. Ich hoffe jedenfalls, daß das etwas schneller geht, als man gemeinhin befürchtet.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521010200
Darf ich noch einmal ganz präzise fragen: Steht es wirklich fest, daß der Verlauf der Straße vom Technischen her jetzt endgültig festgelegt ist? Ich habe nämlich andere Nachrichten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521010300
Vom Technischen her sind der Führung der Straße keine Hindernisse mehr in den Weg zu legen, es sei denn, daß sich beim Grunderwerb im nicht deutschen Strekkenanteil so unüberwindliche Schwierigkeiten herausstellen würden — was ich nicht hoffe und was auch nicht zu befürchten ist —, daß man auch noch einmal über die Technik nachdenken müßte. Das wäre dann aber nicht technisch bedingt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521010400
Noch eine Zusatzfrage dazu? — Bitte sehr, Herr Kollege!

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0521010500
Herr Minister, hat die Bundesregierung Untersuchungen angestellt, inwieweit eine andere Lösung auf deutschem Gebiet möglich ist?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521010600
Ja, es sind viele Lösungen hin und her gewälzt worden. Sie scheitern nur alle an der Frage, wo bei dem beengten Raum, der zur Verfügung steht, und bei dem wenigen Grund und Boden, der überdies auf unserer Seite auch schon genutzt ist, dann die Fläche für andere Linienführungen hergenommen werden kann.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0521010700
Herr Minister, wären Sie bereit, noch einmal mit den betreffenden Städten zu verhandeln, ob nicht vielleicht eine vorläufige Regelung möglich ist, nachdem dort noch einige Überlegungen angestellt worden sind?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521010800
Man kann natürlich noch Verhandlungen aufnehmen. Aber ich bin überzeugt, das widerspricht eigentlich dem Sinngehalt der Frage des Herrn Kollegen vor Ihnen. Denn die Realisierung des Projekts wird mit Sicherheit noch einmal um viele Jahre in die Zukunft verschoben, wenn man jetzt über andere Pläne und Projekte spricht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521010900
Wir kommen dann zur Beantwortung der Fragen Nrn. 2, 3 und 4 des Herrn Abgeordneten Härzschel im Nachtrag zu Drucksache v/3730, die das gleiche Problem betreffen:
Kann in absehbarer Zeit der Bau der „zollfreien Straße" zwischen Lörrach und Weil (Rhein) erwartet werden?
Welche Bemühungen hat die Bundesregierung unternommen, um zu einer baldigen Einigung mit der Schweiz über dieses lang anstehende Problem zu kommen?
Wann ist mit der Abnahme der Bundesautobahn bei Weil (Rhein) durch die Schweiz zu rechnen und zu welchem Ergebnis haben die bisherigen Verhandlungen über diese Frage geführt?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521011000
Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs der Fragen 2 und 3 des Nachtrages bitte ich darum, diese Fragen mit Einverständnis des Herrn Kollegen Härzschel gemeinsam beantworten zu dürfen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521011100
Bitte sehr!

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521011200
Zur Frage des Ausführungszeitpunktes der Maßnahmen zum Neubau der Bundesstraße 317 zwischen Lörrach und Weil darf ich auf die Frage des Herrn Kollegen Bühler Bezug nehmen, in der ich den Sachstand erläutert habe. Von deutscher Seite wird alles getan werden, um einen möglichst baldigen Baubeginn zu erreichen. Die Planung ist abgeschlossen, die Finanzierung des Bauvorhabens ist jederzeit möglich. Von der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg wurde im Auftrage des Bundes auch über die Baudurchführung selbst mit den örtlichen Schweizer Behörden Einigung erzielt und eine entsprechende technische Vereinbarung aufgestellt. Die ursprüngliche Absicht, die Maßnahme auf Grund dieser von deutscher Seite bereits unterzeichneten Vereinbarung durchzuführen, konnte nach zunächst erfolgversprechenden Verhandlungen leider nicht verwirklicht werden. Die Baseler Kantonalregierung hat vielmehr am 25. Juni 1968 mitgeteilt, daß vor ihrer Unterzeichnung der technischen Vereinbarung der Abschluß eines Staatsvertrages notwendig sei. Der hierfür unter der Federführung meines Hauses beschleunigt aufgestellte Vertragsentwurf wurde der Schweizer Bundesregierung in der Zwischenzeit auf diplomatischem Wege übermittelt. Die technischen Bedingungen sind also klar. Das Problem hängt hier an der Formalität des Staatsvertrages, mit dem das Ganze besiegelt wird.
Zur Frage 4. Die Verhandlungen über die Weiterführung der Bundesautobahn bei Weil haben, was die technische Planung anbetrifft, bereits zu einer grundsätzlichen Einigung zwischen den in den beiden Ländern zuständigen Stellen geführt. Abschließend zu klären sind noch Einzelheiten über den umfangreichen Grunderwerb auf der Gemarkung Weil, über die gemeinsame Zollanlage und den damit zusammenhängenden Geländeaustausch mit der Stadt Basel. Entsprechende Verhandlungen, bei denen keine besondere Schwierigkeiten mehr erwartet werden, sind zwischen den Betroffenen bereits im Gange. Nach Abklärung der noch offenen Fragen



Bundesminister Leber
werde ich dem Projekt zustimmen, das eine Führung der Autobahn westlich der Bahnanlagen mit Fortsetzung als Hochstraße jenseits der Grenze mit der Schweiz vorsieht. Genauere Angaben über den Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme sind zur Zeit noch nicht möglich.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521011300
Zusatzfrage, Herr Kollege Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0521011400
Herr Minister, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Schwierigkeiten auszuräumen, die dadurch entstehen, daß an den Wochenenden 50 bis 100 Lastzüge in Weil abgestellt werden, was zu verschiedenen Verkehrsschwierigkeiten führt?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521011500
Ich habe mir die Verhältnisse an Ort und Stelle angesehen und weiß sehr wohl, wie berechtigt die Klagen der Bevölkerung wie auch der Behörden der Stadt Weil sind, wenn an den Wochenenden dort mehr als 100 Lastzüge in den Straßen stehen. Es gibt meiner Auffassung nach nur zwei Möglichkeiten: Man könnte in der Stadt Weil einmal verkehrsordnend vorgehen. Dabei geht es um die Frage, wo man eine Parkerlaubnis erteilt und wo nicht.
Im Zusammenhang damit ist die Frage zu klären, wo dieser Parkraum geschaffen werden soll. Bei meiner Anwesenheit in Weil habe ich dazu die Anregung gegeben — sie ist zwar nicht allenthalben auf Zustimmung gestoßen, ich sehe aber keine bessere Möglichkeit —, außerhalb des unmittelbaren Stadtgebietes von Weil einen Parkplatz an der Autobahn zu schaffen, der den Lastwagen, die über das Wochenende in diesem Gebiet geparkt werden müssen, ausreichenden Raum zum Parken zur Verfügung stellt. Dann wäre die Stadt Weil entlastet, und man hätte in der Nähe eine ausreichende Parkmöglichkeit. Ich bin gerne bereit, ein solches Projekt praktisch ins Auge zu fassen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521011600
Zusatzfrage, Herr Kollege Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0521011700
Herr Minister, haben Sie mit den Schweizer Behörden schon einmal verhandelt, ob eine Abfertigung nicht auch über das Wochenende erfolgen kann?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521011800
Nein, das habe ich nicht getan. Das ist Sache der Zollbehörde; dafür ist nicht der Bundesverkehrsminister zuständig. Ich weiß aber, wie viele Schwierigkeiten damit verbunden sind. Das würde praktisch bedeuten, daß der Lkw-Verkehr das ganze Jahr über auch an Samstagen und Sonntagen dort abgefertigt wird..

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521011900
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Bühler.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521012000
Herr Minister, nachdem Sie sich dankenswerterweise vor einem Jahr bei uns in Weil am Rhein die Dinge aus der Nähe angesehen haben, frage ich Sie: Ist Ihnen nicht bekannt, daß inzwischen der Abstellplatz für diese Lastzüge geschaffen worden ist und daß nur noch ganz vereinzelt Kraftfahrer, die in der Nähe ihrer Wohnung in Weil am Rhein ihren Lastzug abstellen, bei uns aufgefallen sind?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521012100
Ich habe das damals angeregt. Ich bin froh darüber, wenn eine solche Abstellmöglichkeit, die provisorischen Charakter hat, in der Zwischenzeit geschaffen worden ist. Ich dachte mehr an eine langfristige Parkmöglichkeit, die das Problem auch für die Zukunft grundlegend löst.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521012200
Darf ich weiter fragen: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß vor einigen Tagen
— in der vergangenen oder vorvergangenen Woche
— wieder Verhandlungen der unteren Stellen bei uns stattgefunden haben? Vertreter der Stadt Weil am Rhein, in deren Stadtrat ich auch bin, haben diese Verhandlungen mitgemacht. Dabei hat die Stadt einen Wunschkatalog in neuer Fassung über die vielfältigen Dinge, die auf beiden Seiten berücksichtigt werden sollen, nun wieder vorgelegt, aber — —

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521012300
Herr Kollege,

(Abg. Bühler: Jetzt kommt die Frage!)

ich bitte, keine Erklärungen abzugeben. Das, was Sie den Herrn Bundesminister fragen, könnten Sie ihm ja mitteilen, wenn Sie die Absicht haben.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521012400
Darf ich nur die Frage noch abschließen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521012500
Ich bitte darum, daß Sie nur Fragen stellen.

Karl August Bühler (CDU):
Rede ID: ID0521012600
Ganz kurz: Ist Ihnen bekanntgeworden, Herr Minister, daß dabei die Schweiz als frühesten Baubeginn das Jahr 1974 genannt hat?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0521012700
Mir ist von diesen Besprechungen, die in der vergangenen Woche auf der kommunalen Ebene geführt worden sind, bisher nichts bekanntgeworden. Ich bin aber für diese Mitteilung dankbar, die ich auch auf diese Weise von Ihnen erhalte.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521012800
Die Fragestunde ist damit beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 31. Dezember 1968 eingegangenen Petitionen
— Drucksache V/3707 —



Vizepräsident Scheel
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, der Ihnen vorliegt. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Personalvertretungsgesetzes
— Drucksache V/3643 —
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unternehmensverfassung in Großunternehmen und Konzernen
— Drucksache V/3657 —
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Betriebsverfassung
— Drucksache V/3658 —
d) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes
— Drucksache V/3659 —
e) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhaltung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Zweites Mitbestimmungssicherungsgesetz)

— Drucksache V/3660 —
Zur Begründung dieser Gesetzentwürfe hat der Herr Kollege Schmidt das Wort.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521012900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß wir uns den gestrigen Tag und auch einen erheblichen Teil der Nacht mit einer sehr ernsten und von uns sehr ernst genommenen politischen und personalen Frage beschäftigt haben, einer Frage, die diesen Tag fast ganz ausgefüllt hat, bringt Sie nun in den Genuß — oder soll ich sagen: in die Zwangslage? — einer von mir in keiner Weise ausformulierten, sondern aus der Fülle unserer Beratungen und Argumente mehr oder minder frei gehaltenen Begründungsrede. Sie muß deswegen nicht unbedingt schlechter werden; aber ich räume das Risiko ein.
Lassen Sie mich mit einem psychologischen Hinweis beginnen. Wir hatten in den letzten Monaten alle unsere Erfahrungen mit der Unruhe in Teilen der Jugend, Erfahrungen, die z. B. meine Partei jüngst in spezifischer Weise gemacht hat, als sie in Bad Godesberg einen Kongreß abhielt, um die Meinungen der verschiedensten Jugendvertreter zu hören, die in der Masse unserer Partei weder angehören noch etwa nahestehen — eher im Gegenteil, wie wir gespürt haben —, weil wir ihnen Rede und Antwort stehen wollten. Wir gehen davon aus, daß wir, wenn wir Verantwortung tragen, niemandem, der uns nur gehörig fragt, unsere Antwort schuldig bleiben dürfen.
Wir erleben freilich auch alle sehr ungehörige Verhaltensweisen. Wir erleben die Demolierung von Rektoraten, von Gewerkschaftsbüros, von Parteibüros, von Kaufhäusern und Schaufenstern. Wir sind sicher, daß das mit Demonstrationen im Sinne des Grundgesetzes nichts zu tun hat.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Mich erinnert manches an politische Durchsetzungsmethoden der 30er Jahre, vor 1933 und nach 1933, und es sollte, glaube ich, auch so beurteilt und verurteilt werden.

(Beifall bei der Regierungsparteien.)

Ich erwähne das hier nur, meine Damen und Herren, weil man sich von diesen Ereignissen und Vorkommnissen den Blick nicht dafür verstellen lassen darf, daß in unsereer Zeit trotzdem sehr viel Fragwürdiges vorhanden ist, zu Recht sehr vieles angeprangert wird, was geändert oder gebessert werden muß. Manches von dem, was aus der Jugend vorgebracht wird, ist eben sogar ohne Zweifel berechtigt.
Ich habe heute über Reformen auf einem ganz bestimmten Gebiet zu sprechen. Aber es gibt ein Nachbargebiet, das in der öffentlichen Auseinandersetzung zeitweise sogar noch aktueller erscheint. Wir haben hier des öfteren darüber geredet: Hochschulverfassung, Mitbestimmung in der Hochschule, Studienreform. 20 Jahre lang hat sich auf diesem Gebiet nicht viel getan, und 20 Jahre lang hat sich infolgedessen etwas aufgestaut. Dieser Aufstau
— zunächst von Wünschen nach Reformen, dann von Drängen, dann zum Teil von Empörung über das Nichthandeln der Demokratie — ist einer der vielen Gründe, die nun zu teilweise explosionsartigen Erscheinungen führen.
Das ist eine Erfahrung, die für alle Bereiche der Gesellschaft gilt, meine Damen und Herren. Wer allzulange die notwendigen Reformen verhindert, wer allzulange darüber redet, ohne etwas zu tun, wer sich allzulange dagegen wehrt, daß etwas Neues angefangen werde, staut viele richtige Gedanken und Gefühle auf, erzeugt Ressentiments und ist mit schuld daran, wenn es später zu sehr unerwünschten Entwicklungen kommt. Man muß gewiß — ich sage das für Herr Kiesinger, der nicht da ist — nicht Tocqueville ausführlich zitieren, um plausibel zu machen — —

(Abg. Dr. Barzel: Würden Sie auch feststellen, daß der Bundeswirtschaftsminister nicht da ist!)

— Das war gar nicht bös gemeint, es war freundlich gemeint. Zuständig ist der Bundesarbeitsminister. Er ist da und hat mir vorhin schon durch Kopfnicken gezeigt, daß er da sei.

(Abg. Dorn: Er ist aber auch der einzige Minister, der da ist!)

— Ja, ich habe die Minister nicht zu verteidigen. Nur wenn ich nicht nur die Leere der Ministerbank sehe, sondern auch die Leere Ihrer Bänke, lieber



Schmidt (Hamburg)

Herr Kollege Dorn, dann kann ich keinen großen Unterschied erkennen, der Sie zu solchen Zwischenrufen legitimieren würde.

(Abg. Dorn: Auf jeden Fall sind von uns mehr hier, als Minister da sind!)

— Na ja, Sie sind ja auch ein paar mehr, als es Minister gibt. Sie sind 49, habe ich gezählt. Wir wären ja übel dran, wenn wir 49 Minister hätten, noch dazu alle von der gleichen Sorte.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Ich wollte sagen, man muß nicht Tocqueville zitieren, um mit dem Bundeskanzler zu reden, wenn man plausibel machen will, daß Demokratie kein Zustand sein kann, sondern ein Prozeß sein muß, ein Prozeß der Entfaltung des Fortschrittes. Jemand, der den Status quo halten will — und nichts als das, so ehrenhaft dieses Bemühen sein mag —, schafft Rückstau und schafft damit im Ergebnis die Gefahr des Status quo minus. Das gilt auf dem gesellschaftspolitischen Gebiet, von dem wir hier reden, in ganz besonderer Weise.
Deshalb möchte ich sagen: im Lichte der Erfahrungen — der positiven wie teilweise auch negativen Erfahrungen —, die wir im industriellen Bereich mit dem Prinzip der Beteiligung der Arbeitnehmer am Entscheidungsprozeß, also mit dem Prinzip der Mitbestimmung, in beinahe 20 Jahren gemacht haben, würden wir Sozialdemokraten die Ausweitung dieses Prinzips heute auch dann fordern, wenn wir nicht schon seit 1945 und 1947 und 1948 und 1952 und 1954 — ich zähle alle Parteitage auf, auf denen wir uns mit diesen Problemen, in die Zukunft sehend, beschäftigt haben — diese Forderung erhoben hätten. Auch wenn wir das damals, schon vor 20 Jahren, nicht getan hätten, würde, wie ich denke, heute der Zeitpunkt gegeben sein, wo ein weiterer Schritt in dieser Entwicklungsrichtung getan werden muß.
Ich füge hier mit einigem Stolz hinzu: die Sozialdemokraten sind in der gegenwärtigen Phase der Entwicklung unserer Demokratie und unserer demokratischen Gesellschaft stärker als je in den letzten 20 Jahren legitimiert, diese ihre Forderung hier zu vertreten und zu realisieren. Weshalb? Ich erinnere mich noch, wie viele Menschen in unserem Land auf die teils irrenden, teils bösartigen, auf die teils kompetenten, teils törichten Urteile hereingefallen sind, die über sozialdemokratische Wirtschaftspolitik abgegeben wurden, von Thomas Dehler, den ihr sehr verehrt habe, bis zu Ludwig Erhard. Inzwischen weiß jedermann, daß sozialdemokratische Wirtschaftspolitik weder auf den Bezugschein hinausläuft, auf die Zwangswirtschaft, noch auf die Inflation noch auf irgend etwas anderes Furchtbares, sondern daß sie in aller Leute Augen, in aller Leute Urteilskraft eine sehr erfolgreiche und für jedermann positiv zu Buche schlagende Sache ist.
Darin liegt die Legitimation, heute auch in diesem Teil unserer wirtschaftspolitischen Gesamtvorstellung mit sehr viel größerem Selbstbewußtsein aufzutreten als etwa vor drei oder vor fünf Jahren.

(Abg. Dr. Elbrächter: Trifft es denn zu, daß Herr Schiller dagegen war?)

— Es trifft zu, daß der Bundesminister Schiller in seiner Eigenschaft als Parteitagsdelegierter eine differenzierte Auffassung hatte, Herr Kollege.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Aber daß er dagegen war, das ist Ihr Optimismus.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

Herr Schiller war durchaus dafür, er hielt aus Gründen, die im konjunkturpolitischen Ablauf jener Phase lagen, den Zeitpunkt nicht für geeignet.

(Abg. Rösing: Das kann ja immer wieder vorkommen! — Abg. Dr. Barzel: Ist das denn nun wieder ein konjunkturpolitisches Problem?)

— Nein, es ist kein konjunkturpolitisches Problem. Aber wenn ich Herrn Elbrächter Zwischenrufe machen höre, dann spürt doch jeder, was für ein Problem es wirklich ist: ein psychologisches.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Das hat eben Herr Schiller, der ja ein kluger Mann ist und Unternehmerpsychologie versteht, auch gespürt. — Ja, nun schüttelt Herr Elbrächter den Kopf; also eine Psyche haben Sie doch, Herr Elbrächter!

(Oh-Rufe von der CDU/CSU.)

Das ist ein psychologisches Problem.

(Abg. Dr. Barzel: Es ist früh am Morgen!)

— Gut, ich gebe es zu; es war auch spät in der Nacht. Ich lese auch das, Herr Elbrächter, was manche Ideologen im Unternehmerlager sagen. Ich habe manche Freunde und Bekannte und auch Gegner im Unternehmerlager, aber ich kenne eben auch die Ideologen dort; die gibt es hier im Hause, die gibt es in der Gewerkschaft, die gibt es in der Sozialdemokratischen Partei, die gibt es in der CDU und auch im Unternehmerlager.

(Abg. Dr. Barzel: Lassen Sie die FDP nicht aus!)

— Ja, reicht es so weit? Ich weiß es nicht.

(Heiterkeit bei der SPD und in der Mitte.)

Ideologie ist ja nicht nur etwas Schlechtes, Herr Barzel; so ist es ja nicht.

(Erneute Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Aber wenn ich sehe, was manche ideologisierende Unternehmer gegen die Mitbestimmung vorzubringen wissen, dann ist das nur noch psychologisch zu verstehen.
Nun sind allerdings psychologische Fakten im politischen Leben wichtige Fakten. Ich pflege manchmal zu sagen, psychologische Tatsachen können härter sein als Zement. Ich werde nachher eine Rede zitieren, die hier vor 19 Jahren für die Freie Demokratische Partei gehalten worden ist, und Herr Mischnick wird Gelegenheit haben, nicht ganz dasselbe zu wiederholen, um darzutun, daß auch in der FDP psychologische Fakten sich mindestens verschieben können und nicht unbedingt so bestehenbleiben müssen, wie sie früher waren. — Ich habe das alles nur gesagt, Herr Elbrächter, weil Sie mich



Schmidt (Hamburg)

Schillers wegen provoziert haben. Er muß heute in Berlin vor den Wirtschaftsprüfern eine Rede halten. Er hat mich gefragt, ob er sie absagen solle, um hier zu sein. Ich habe gesagt: „Nein, zuständig ist Herr Katzer, der wird gewiß selbst da sein, und sein eigener Staatssekretär werde ja wohl ausreichen, um unsere Reden zu hören."

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist gerade gekommen!)

— Das ist gut. — „Ihr seid als Regierung im Augenblick ja nicht gefragt. Wer als Regierung gefragt werden könnte, ist Herr Katzer."
Das Bundespresseamt hat vor wenigen Tagen einen „Bonner Almanach" herausgegeben, in dem angeblich alles Wissenswerte über die politische Landschaft in Bonn steht. Vielleicht, meine Herren Staatssekretäre und Minister, kann einer Ihrem Kollegen Diehl einmal sagen, daß es in Bonn außer der Regierung und den Ministerien auch noch ein Parlament gibt.

(Beifall und Heiterkeit.)

Es steht etwas über das Parlament darin: 13 Seiten sind in Perldruck mit den Namen der Abgeordneten gefüllt, sehr viel freier Raum und Gedankenstriche, und die Namen und die Wahlkreise. Es gibt in diesem Almanach auch eine Chronik, was alles die Regierung getan hat; und dann werden 13mal auch Handlungen des Bundestages erwähnt, und zwar in einigen solchen Fällen, wo der Bundestag sich mit Handlungen der Regierung beschäftigt hat.
Ich erwähne den Almanach, weil ich eine Bemerkung zu Herrn Katzer machen wollte, da Herr Dorn nach den Ministern fragte. Herr Katzer ist in dem Almanach abgebildet, und dann steht da: Es gibt drei Schwerpunkte Ihrer Arbeit, Herr Katzer: erstens Mitbestimmung,

(Heiterkeit) zweitens Lohnfortzahlung


(Heiterkeit)

und drittens die Finanzierung der Rente.

(Beifall und Heiterkeit.)

Das finde ich ganz richtig und zutreffend. Aber ich frage Sie: Wie ist das eigentlich mit dem Schwerpunkt „Mitbestimmung"? Was arbeiten Sie im Augenblick in der Regierung an diesem Schwerpunkt, Herr Katzer? Das möchte ich dann auch wissen.

(Zuruf: . . . eine Kommission eingesetzt! Das müßten Sie wissen!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0521013000
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn SchulzeVorberg, obgleich das geschäftsordnungsmäßig nicht unbedingt notwendig wäre?

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521013100
Aber gern!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0521013200
Herr Kollege Schmidt, darf ich fragen - gerade weil ich im Prinzip Ihre Auffassung teile, daß der Bundestag in diesem Almanach sehr schlecht wegkommt —: Ist die Einlassung des Bundespresseamtes — des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, um es korrekt zu sagen — nicht doch beachtlich, daß das Presseamt gewisse Bedenken hatte, in dem Almanach das Parlament ausführlich zu schildern, und der Meinung war, daß es eigentlich eine Aufgabe des Parlaments selber sei, sich selbst darzustellen? Und haben wir nicht vielleicht diese Aufgabe im Bundestag tatsächlich bisher ziemlich versäumt?

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521013300
Ich kannte diese Einlassung nicht, Herr Schulze-Vorberg; aber sie ist, scheint mir, durchaus nicht abzuweisen. Das Parlament mag überlegen, wie es seine Public relations selber verbessert.

(Zustimmung bei der SPD.)

Aber das entbindet niemanden, der einen „Bonner Almanach" amtlich herausgibt, davon, zur Kenntnis zu nehmen, daß außer ihm selbst auch noch ein Parlament da ist, Herr Schulze-Vorberg.

(Beifall bei der SPD.)

Nun, meine Damen und Herren, wir haben — das sagte ich — als Sozialdemokratische Partei uns vom Grunde her nach 1945 immer zum Prinzip der Mitbestimmung bekannt, wie viele von Ihnen in der CDU/CSU, vor allen Dingen in der CDU, vor allen Dingen im Westen. Wir haben inzwischen, was viele Detailprobleme angeht, manches dazugelernt. Wir haben manche Vorstellung, die man vor 20 Jahren hatte, geändert. Auch Sie haben manches in Ihren Vorstellungen geändert. Aber im Grundprinzip hat uns, wie wir glauben, die Erfahrung eher bestätigt, als daß wir sie korrigieren müssen.
Wenn wir z. B. in unser Godesberger Grundsatzprogramm — vor zehn Jahren trat es in Kraft, und es wird vielleicht noch zehn oder mehr Jahre eine politisch-geistige Grundlage für unsere Arbeit sein — geschrieben haben, daß der Arbeitnehmer von einem „Wirtschaftsuntertan" zu einem „Wirtschaftsbürger" werden müsse und die Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie sowie bei der Kohle ein Anfang zur Neuordnung der Wirtschaft sei, die zu einer allgemeinen demokratischen Unternehmensverfassung fortentwickelt werden solle, wenn wir also damals vom „Wirtschaftsuntertan" sprachen, der „Wirtschaftsbürger" werden solle, so meinten wir damit, daß es auf die Dauer der Demokratie und dem Selbstverständnis der Bürger in der demokratischen Gesellschaft nicht frommen kann, wenn man dem Bürger einerseits sagt: im politischen Leben bist du gleichberechtigt, da kannst du z. B. über Bundestagswahlen darüber mitbestimmen, wer dein Regierungschef sein soll, und zwar fällt deine Stimme genauso ins Gewicht wie die Stimme irgendeines anderen Bürgers dieses Landes, und wenn man ihm andererseits sagt: in deiner Arbeitswelt ist die Sache anders, da hast du einen geringeren Rang als andere. Auf die Dauer wird das niemand verstehen. Man kann das noch eine Zeitlang zurückstauen; das gebe ich zu. Auf die Dauer aber wird niemand verstehen, daß die Welt in mehrere Sphären geteilt wird, daß in der einen Sphäre der



Schmidt (Hamburg)

Gesellschaft mit der Gleichberechtigung Ernst gemacht wird, und zwar schon lange, und daß in der anderen Sphäre der Gesellschaft so getan wird, als ob sie da nicht hingehöre. Es gab auch vor 20 Jahren viele Leute, die meinten, daß das Prinzip der Gleichberechtigung nicht in die Familie oder in die Ehe passe. Es gibt heute noch welche, die das meinen. Aber auch hier hat sich ein Gesinnungswandel durchgesetzt. Man muß sich selber für den Wandel der Auffassung öffnen.
Wir sind gewiß nicht die einzigen, die in manchen Punkten im Detail gelernt haben. Ich weiß allerdings nicht genau — ich bin neugierig auf die Rede, die Herr Mischnick, wie angekündigt, nachher halten wird —, ob die FDP in den Punkten, die hier relevant sind, auch gelernt hat.
Ich habe heute nacht in alten Bundestagsprotokollen gelesen.

(Zuruf von der Mitte.)

— Heute vor 18 und 20 Jahren waren hier im Hause die ersten großen Debatten über die Mitbestimmungsproblematik, meine Damen und Herren. Es liegt nahe, sich das anzusehen. Ich komme nachher zu ausführlichen Zitaten. Es wird insbesondere — ich sage das ohne Unterton; ich meine es wirklich so, wie ich es sage — manchen Kollegen von der Christlich-Demokratischen Union Spaß machen, zu hören, was manche ihrer klugen Geister damals schon zu diesem Problem gesagt haben.
Ich bin aber auch auf eine FDP-Rede gestoßen, eine Grundsatzrede, Herr Mischnick, die am 10. April 1951 bei der dritten Lesung der Montan-Mitbestimmung gehalten .worden ist. Damals sagte Ihr Fraktionssprecher — er ist nicht mehr in diesem Hause —, jenes Gesetz über die Montan-Mitbestimmung sei grundgesetzwidrig, weil es dem Eigentümer einen Teil seiner Verfügungsmacht ohne Entschädigung entziehe. — Es gibt Leute, die heute noch so reden, Mitbestimmung sei Entziehung von Eigentum. Ich bin nicht sicher, ob Sie so reden werden; aber es gibt solche. Ich habe so etwas gerade in jüngster Zeit wieder gelesen und gehört. Ich habe es hier auf dem Tisch, Herr Elbrächter.

(Zuruf des Abg. Dr. Elbrächter.)

— Sie wollen sich, wie ich merke, nicht damit identifizieren.

(Abg. Dr. Elbrächter: Ich identifiziere mich nicht, sondern für mich ist das eine Frage der Steuerung der Wirtschaft!)

— Gut, auf die Steuerung komme ich noch. Aber Sie sagen: Für mich ist das keine Frage des Eigentums. Das halten Sie für falsch, so etwas zu behaupten.

(Abg. Dr. Elbrächter: Ja!)

Dann sind wir uns darin einig. Tatsache bleibt aber, daß eine solche Ideologie von anderen verbreitet wird.
Lassen Sie mich dazu mit einem oder zwei Sätzen folgendes sagen. Eigentum — das auch wir gewiß nicht enteignen wollen, schon gar nicht entschädigungslos — gewährt niemals einen vom Grundgesetz garantierten oder gar vom Grundgesetz geschützten Anspruch auf Verfügungsmacht über Menschen.

(Beifall bei der SPD.)

Wer glaubt, daß aus Eigentum Verfügungsgewalt über Menschen hergeleitet werden könne, lebt geistig im vorigen Jahrhundert.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Russe [Bochum]: Noch weiter zurück!)

— Herr Russe ruft mir zu: „Noch weiter zurück!" Ich will die Geburtsdaten einiger Geister nicht genauer untersuchen.

(Heiterkeit.)

Ich wäre dankbar, Herr Mischnick, wenn Sie deutlich machten, -daß Sie in Ihrer Ablehnung — Sie lehnen ja am striktesten von allen in diesem Hause die Mitbestimmung ab — dieses alte Argument jedenfalls nicht benutzen, nicht für richtig halten. Schneiden Sie diesen alten Zopf ab! Es steht ja jeden Tag in der Zeitung, daß Sie alte Zöpfe abschneiden; Sie führen allerdings neue ein, indem Sie Punkte hinter Ihre Buchstaben setzten; das ist ja aufregend. Ich habe mich gefragt, ob der Duden neu herausgekommen sei. Jetzt habe ich gemerkt, daß es nur ein werbepsychologischer Trick ist. Also selbst bei der FDP gibt es Psychologie.

(Abg. Dr. Barzel: Das war ein Team!)

Aber machen Sie bitte nicht nur aus psychologischen Gründen, sondern aus Gründen des Selbstverständnisses der Repräsentanten des Volks in diesem Hause uns klar, daß auch Sie es nicht für möglich halten zu sagen, daß Mitbestimmungsrechte auf Grund des Art. 14, auf Grund der Eigentumsgarantie, abgelehnt werden müßten. Ich nehme an, Sie haben andere und — wie ich hoffe — bessere Gründe für Ihre Ablehnung.
Ich komme nun auf den Zwischenruf, der sagte, es gehe vielmehr um die Lenkungsfunktion, um die Leitungsfunktion. Ich will das aufnehmen. Nun ist natürlich Unternehmensleitung und Unternehmenslenkung zwangsläufig immer zugleich Disposition über Geld und über Sachen und zugleich immer Disposition über Menschen. Das ist nicht zu trennen, das muß so sein, weswegen eben auch Unternehmensleitung nicht allein aus dem Eigentum legitimiert ist. Die meisten Chefs, Vorstände und Vorstandsvorsitzer unserer Unternehmungen sind ja auch gar nicht Eigentümer oder Miteigentümer, sondern die Leitungsfunktion legitimiert sich ganz anders. Sie legitimiert sich auf der einen Seite durch die Fähigkeiten, die diese Leute haben müssen, und sie legitimiert sich auf der anderen Seite durch das Vertrauen derjenigen, die im Grunde verfügungsberechtigt sind, durch das Vertrauen derjenigen, die sie bestellen.
Wer hat nun das Recht, zu bestellen? Wenn wir uns einig sind, daß Leitungsfunktionen in einer Unternehmung zugleich das Recht zur Disposition über Geld und Sachen und das Recht zur Disposition über Personen einschließen müssen, eingeengt durch viele Gesetze, eingeengt durch Tarifverträge, eingeengt auf viele Weise, aber eben doch Dispositions-



Schmidt (Hamburg)

gewalt, wenn wir uns zweitens einig sind, daß eine wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens niemals möglich ist nur durch Bereitstellung von Kapital und Lenkungskapazität, Leistungskapazität, oder nur durch Bereitstellung von Arbeit und Leistungskapazität, sondern daß das beides zusammenkommen muß, daß Sie eine wirtschaftliche Leistung weder ohne Kapital noch ohne Arbeit noch ohne Leitung zustandebringen können, dann ist für mich ganz klar, da brauche ich kein Moralphilosoph zu sein, kein Moraltheologe, daß die Legitimation der Leitung und auch die Kontrolle der Leitung von beiden Seiten her gleicherweise begründet sein müssen. Das kann das nach meiner Meinung nicht heißen und darf das nicht heißen, daß die Personen, die die Leitung ausüben sollen, in ihrer Handlungsfreiheit dort eingeschränkt werden, wo sie handlungsfrei sein müssen. Ich habe mir ein paar Stichworte zu dem Thema aufgeschrieben. Sie stehen an späterer Stelle; ich möchte das jetzt nicht improvisieren. Erlauben Sie mir, Herr Elbrächter, daß ich nachher noch einmal darauf zurückkomme.
Meine Damen und Herren, ich will die Gesetzentwürfe hier nicht im einzelnen begründen. Das wäre auch eine Überforderung des Hauses. Wir haben sehr viel Arbeit darin investiert, wie Sie sehen, sehr sorgfältige Arbeit. Es ist ein dickes Paket.

(Abg. Dr. Barzel: Wieviel Monate haben Sie gebraucht?)

— Wir haben zwölf Monate gebraucht, Herr Barzel.

(Abg. Dr. Barzel: Und wieviel Monate hat dieses Haus noch?)

— Ich warte darauf, daß Sie von diesem Pult aus sagen, was Ihnen als wesentliches Argument zur Sache auf den Lippen liegt.

(Abg. Dr. Barzel: Zur Behandlung!)

Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen zu einem der beiden Hauptstücke machen. Das eine der beiden Hauptstücke in diesem Komplex ist die allgemeine Reform der Unternehmensverfassung bei Großunternehmen. Schauen Sie, da habe ich hier ein Protokoll aus dem Jahre 1959, mit dem ich zeigen möchte, daß wir etwas zulernen können, und mit dem ich auch zeigen möchte, daß andere früher schon klüger waren, als sie sich heute den Anschein geben, es zu sein. Es geht nämlich um die Frage: was ist ein Großunternehmen? Über die Bedeutung, über die gesellschaftspolitischen Wirkungen, die von Großunternehmen ausgehen, kann man viel sprechen. Irgendwann muß man aber die Definition, wenn man Gesetze machen will, in Zahlen ausdrücken. Wir haben gesagt, bei 2000 Arbeitnehmern oder bei 75 Millionen DM Bilanzsumme oder bei 150 Millionen DM Umsatz sei es ein Großunternehmen. Darüber, ob diese Kriterien richtig sind, hat es auch früher schon Diskussionen gegeben, es mag sie in Zukunft wieder geben; dies ist diskussionswürdig. Aber wenn ich nun Herrn — damals Abgeordneten — Dr. Gerhard Schröder aus dem Jahre 1950 zitieren will, — ich komme ja nicht in den Verdacht, für ihn Schleichwerbung zu machen; denn es ist bekannt, daß ich ihn nicht zum Bundespräsidenten wählen werde.

(Heiterkeit. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja, bei mir weiß man es. Es gibt andere, bei denen man es noch nicht weiß, Herr Barzel.

(Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Barzel: Überfordern Sie die doch nicht!)

— Da haben Sie recht. — Herr Dr. Schröder hat aber am 27. Juli 1950, in diesem Hause von diesem selben Platz aus sprechend, z. B. auch die Größenordnung 1000 Belegschaftsmitglieder für eine diskussionswürdige Grenze für ein Großunternehmen erklärt und gesagt, darüber lasse sich durchaus diskutieren, da könne man auch einen Kompromiß finden.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Ich weiß, Herr Luda, inzwischen ist die Wirtschaft weitergegangen, und wenn er damals 1000 gesagt hat, würde er sagen: heute würde ich 2000 sagen. Deswegen sagen wir ja auch 2000.
Herr Schröder hat damals, im Laufe der Jahre 1950/51, mehrere Reden gehalten, und ich muß sagen, ich war fasziniert, als ich gestern anderthalb Stunden in diesen alten Reden las.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann werden Sie doch Schröder wählen!)

— Ja, wenn er dasselbe heute noch glaubt und heute noch sagte, könnte man darüber reden.

(Heiterkeit. — Hört! Hört! bei der CDU/ CSU.)

Ich fürchte nur, daß etwas eingetreten ist, was Schröder selbst in seiner Rede beschreibt, daß man nämlich in Sachen Mitbestimmung innerhalb weniger Jahre sehr viel konservativer geworden sei. Nun sind es inzwischen noch mehr Jahre her. Hören Sie sich aber die folgende Passage an — ich finde sie großartig —; er sagt an einer Stelle:
Das Ganze wird ja unter dem Gesichtspunkt erörtert, wie weit betriebsfremde Personen im Aufsichtsrat einen Platz haben. Daß die Aktionärvertreter zum großen Teil betriebsfremde Personen sind, versteht sich sowieso schon von selbst, und ich sagte schon, daß wir der Meinung sind, daß hier ein grundsätzlicher Unterschied nicht angezeigt erscheint.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das finde ich sehr gut, das würde ich heute noch beinahe genauso sagen — nicht ganz; denn ich bin auch dafür, daß man Vorschriften hat, die sicherstellen, daß jedenfalls eine bestimmte Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat unmittelbar aus dem Betrieb kommt.

(Abg. Russe [Bochum]: Das besteht ja auch schon!)

— Jawohl, aber auch bei der Ausweitung auf andere Branchen, Herr Russe. Ich will ja auch nicht gegen Herrn Schröder argumentieren. Sie haben gemerkt, Herr Russe, daß ich mich bei dem, was ich sage, auf ihn stütze. — An einer anderen Stelle derselben Rede sagt Dr. Schröder dann zur Mitbestimmung —



Schmidt (Hamburg)

das ist mehr eine grundsätzliche Passage, ich hätte sie vielleicht ein wenig früher zitieren sollen —:
Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die totale Regenerierung und der Mut zu grundsätzlich neuen Entscheidungen Katastrophen verhindern kann. Die sozialen Grundprobleme können nicht nur dilatorisch behandelt werden. Sie können nicht nur bei Konferenzen und Klausuren zerredet werden, sondern sie sind hier in diesem Hause und Jahr . . . Sofortaufgaben, die sofort zu behandeln sind.
In derselben Passage steht dann der Satz, den ich soeben aus dem Gedächtnis zitierte, wo er sagt: Ich bin mir völlig darüber klar, daß wir 1945 und 1946 vielleicht eine größere Aufgeschlossenheit gezeigt haben. Das sagt er 1950. Inzwischen haben wir 1969. Ich hoffe, daß sich der Prozeß, der da angedeutet ist, nun nicht allgemein fortgesetzt hat. Ich weiß sogar, daß er sich nicht allgemein fortgesetzt hat. — Herr Russe machte mir eben einen Zwischenruf. Das erinnert mich daran, daß wir neulich im Fernsehen gemeinsam über Mitbestimmung debattiert haben. Ich habe innerlich Ihnen gegenüber großen Respekt für das gehabt, was Sie dort sagten, und Sie sind nicht der einzige in Ihrer Fraktion, von dem ich weiß, daß er in vielen Punkten unseren Vorstellungen innerlich nahe ist, ohne daß er das bei jeder Gelegenheit so deutlich machen kann, wie wir das im Augenblick versuchen.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Na, na! Vorsichtig!)

— Ich bitte, da nun nichts hineinzugeheimnissen oder heraushören zu wollen, was nicht gemeint ist. Aber das ist doch ein offenes Geheimnis; ich brauche nicht Herrn Russe anzurufen; es gibt eine ganze Menge Kollegen in der CDU/CSU und im sogenannten Arbeitnehmerflügel, die so denken wie er. Wir haben doch ihre Parteitagsprotokolle von Berlin sorgfältig studiert, auch die besonders eindrucksvolle und, wie ich denke, sehr reformfreudige Rede von Dr. Barzel, die nicht nur vom Parteitag ernst genommen worden ist. Auch wir haben sie ernst genommen und haben mit großem Interesse gesehen, daß das ganze Mitbestimmungsklima vor ihrem Berliner CDU-Parteitag in Ihrer Partei ein anderes war als nachher. Wir haben natürlich auch zwischen dem Entwurf zu Ihrem Aktionsprogramm und dem tatsächlich beschlossenen Text verglichen. Wir wären dumm, wenn wir leugnen wollten, daß auch bei Ihnen eine gewisse Diskussion und Bewegung im Gange ist; und Diskussion kann ja doch nur sein, wenn einige anderer Meinung sind als andere oder wenn einige, schon anderer Meinung sind als andere noch. Infolgedessen wird hier kein Kollege irgendwie besonders aufgespießt, wenn man sich ihm gerade in diesem Punkt mit besonderem Respekt zuneigt. Genausogut könnte ich andere zitieren.
Natürlich ist es immer schwierig, wenn man über Neues debattieren muß, sich mit sich selber auseinandersetzen muß. Neues ist häufig unbequem. Neues kann sogar falsch sein, genau wie Altes häufig falsch ist. Neues muß nicht richtig sein, nur weil es neu ist, und Altes muß nicht richtig sein, nur weil es schon so lange da ist. Deswegen haben wir auch das Montanmodell der Mitbestimmung keineswegs kopiert. Wir haben auch den Entwurf des Deutschen Gewerkschaftsbundes keineswegs kopiert. Wenn ich Herrn Barzel eben sagte, wie lange Zeit wir gebraucht haben, so hängt das auch damit zusammen, daß wir über diese Punkte miteinander sehr gerungen haben. Um z. B. einen wichtigen Unterschied zu nennen: Wir wollen, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer von diesen gewählt werden. Anders können wir uns Demokratie schlecht vorstellen, als daß sie gewählt werden. Darüber gab es Meinungsverschiedenheiten auch mit Freunden außerhalb der Fraktion, die wir nicht einfach übergehen wollten.
Übrigens ist hier ein anderes Protokoll interessant. Ein Jahr später spricht derselbe Redner zu diesem Problem — heute vor 18 Jahren — und fragt nach der Legitimation der Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten, und er sagt,:
Wenn man sich diese Frage einmal ohne Voreingenommenheit überlegt, ... muß man nach meiner Überzeugung zu dem Ergebnis kommen, daß es nicht richtig ist, die Vertreter der Arbeitnehmer über eine Hauptversammlung zu schleusen,
— wie es heute noch in der Montan-Industrie gemacht wird —
die dabei ... die Rolle des Nickinstituts oder des Notars ... zu übernehmen hat. Es scheint mir wesentlich besser und auch notwendig, die Legitimation der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat in einer überzeugenden Weise vorzunehmen, und wenn Sie darüber nachdenken, welches denn nun ein Gremium sein kann, und zwar vom Betrieb her ..., das in der Lage ist, eine überzeugende Legitimation für die Arbeitnehmer herzugeben, dann werden Sie auf nichts anderes kommen als darauf, daß neben der Hauptversammlung
— der Anteilseigner, füge ich hinzu —
eine Vollversammlung der Belegschaft zu stehen hätte.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

— Das war vor 18 Jahren. Ich stehe nicht an zu sagen, das ist eine Überzeugung, zu der wir jetzt gekommen sind, ohne zu wissen, daß ein kluger Kollege der CDU das damals hier schon ausgeführt hat. Wir hatten es nicht mehr in der Erinnerung; ich habe es erst gestern abend entdeckt. Das ist aber richtig.
Nun kann man bei einer Riesenbelegschaft wie — sagen wir z. B. der Siemens AG — von über 200 000 Menschen keine Vollversammlung der Belegschaft machen wollen. Deswegen haben wir an die Stelle der Vollversammlung eine Versammlung der gewählten Delegierten der Belegschaft gesetzt. Aber das Prinzip ist dasselbe, was damals Ihr Kollege hier schon ausgebreitet hat. Demokratie heißt unter



Schmidt (Hamburg)

anderem eben auch immer Legitimation durch Wahl. Wir haben also eine „Unternehmensversammlung der Arbeitnehmer" vorgeschlagen. Wir wissen, daß es im Arbeitnehmerflügel der CDU zum Teil darüber andere Vorstellungen gibt. Nur deswegen habe ich hier die, wie mir scheint, sehr luziden Bemerkungen Dr. Schröders den Kollegen in die Erinnerung rufen wollen.
Es gibt noch etwas anderes, was wir aus dem Montanmodell nicht übernehmen wollen. Das ist die Rechtsfigur des besonders konstruierten Arbeitsdirektors. Wir möchten einen einheitlichen Vorstand haben — auch wegen der Handlungsfähigkeit des Vorstands —, der nach dem gleichen Recht bestellt wird und infolgedessen auch in gleicher Weise sich zu verantworten hat.
Eine Untersuchungskommission des Deutschen Juristentages hat vor einigen Jahren zu diesem Problem folgende Bewertung abgegeben: Der Arbeitsdirektor, wie er im Montan-Mitbestimmungsmodell konzipiert sei, werde in die volle Spannung zwischen den Sozialpartnern hineingestellt und müsse diese Spannung in seiner Person aushalten und austragen. Da aber der gegenwärtige Aufbau unserer Sozialverfassung und auch die gesellschaftliche Wirklichkeit voraussetzten, daß Kapitaleigner und Arbeitnehmer sich in einem Interessengegensatz gegenüberstünden, mute das Gesetz — so sagt die Kommission des Juristentages — dem Arbeitsdirektor eine Persönlichkeitsleistung zu, die nur unter ganz besonders günstigen Vorbedingungen erfüllt werden könne.
Ich halte das für zutreffend. In manchen Fällen treffen, wie wir wissen, diese „besonders günstigen Vorbedingungen" zu. Im Durchschnitt können sie nicht zutreffen. Wir möchten diese Konstruktion in Zukunft bei Ausdehnung der Mitbestimmung auf andere Bereiche geändert wissen. Auf der anderen Seite möchten wir erhalten wissen, daß in einer Großunternehmung immer e i n Vorstandsmitglied für das Aufgabengebiet der Personal- und Sozialangelegenheiten zuständig bleibt.
Lassen Sie mich noch einmal auf die Rolle des Vorstandes zurückkommen. Gegen die Mitbestimmung wird mit „Gefährdung der Unternehmerfreiheit" argumentiert. Ich bin nicht ganz sicher, ob das Wort „Unternehmer" das deckt, was wir gemeinsam meinen. Früher hat man unter „Unternehmer" jemanden verstanden, der mit seinem eigenen Hab und Gut etwas unternahm und es aufs Risiko stellte. Heute ist es ja so: wenn jemand Vorstandsmitglied, sagen wir, der Dresdner Bank, wird, findet er ein Unternehmen vor, das vor ihm andere geleitet haben. Er selber bringt außer seinem persönlichen Laufbahnrisiko sonst kein persönliches Risiko ein.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Ja, ich achte das Laufbahnrisiko nicht für gering, auch in Ihrem Fall nicht, Herr Barzel, auch in meinem nicht. .Wir haben gerade andere Beispiele in diesem Hause dafür vor Augen, daß Laufbahnrisiken schreckliche Risiken sein können.

(Heiterkeit und Beifall.)

Also, ich achte das nicht gering, nur hat das nicht unbedingt etwas mit dem ursprünglichen Begriffsinhalt des Wortes „Unternehmer" zu tun.
Auf der anderen Seite muß ich sagen: das Wort „Manager" kommt mir auch nicht gerade sehr richtig vor. Hier fehlt es am richtigen Begriffsnamen. Aber was wir vorhin in einem kurzen Zwischenspiel gemeinsam meinten, Herr Elbrächter, war das LeitenKönnen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das Management!)

—.Ja, das ist mehr als „Management". Ich will Ihnen ehrlich sagen: nach meiner festen Überzeugung ist es eben auch kreative Initiative,

(Abg. Dr. Barzel: Das war gut!)

ist es aus Kombinationsgabe, ist es Urteilskraft.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das gehört aber dazu!)

— Schöpferische Initiative, ja.

(Abg. Dr. Barzel: Das war nämlich sonst auch „Team"!)

— Ja, gut; ich bedanke mich für die Eindeutschung. Ich meine schöpferische Initiative. Es ist Urteilskraft, es ist Energie, es ist Fleiß, es ist Augenmaß, es ist auch Erfahrung, auch Bereitschaft zum Risiko, alles das gehört dazu. Es ist außerdem noch Verwalten-Können, es ist Mit-Menschen-umgehenKönnen, es ist Sinn-haben-Müssen für Gerechtigkeit, es ist Erkennen-Können der Vorzüge meiner Kollegen oder meiner Mitarbeiter und ihrer Schwächen. Es ist übrigens auch Sinn-haben-Können für die eigenen Schwächen und Wissen, wo man selbst Fehler gemacht hat, nicht? Es gibt einige Unternehmer, von denen ich weiß, daß sie in diesem Punkte so klug sind, wie wir Politiker gern sein möchten, aber nicht immer sind. Also, wenn Sie einen Mann wie mich fragen: ich sehe die ungeheure Bedeutung dieses Typus von Menschen an der Spitze einer Unternehmung für den gesellschaftlichen, den industriellen Fortschritt sehr deutlich.
Auch die Sozialdemokratische Partei sieht das deutlich, und ich bin ganz sicher, daß das auch die führenden Geister der deutschen Gewerkschaftsbewegung deutlich sehen. Die haben ja z. B. auch das Schicksal ihrer eigenen Unternehmungen vor Augen. Da gibt es eine oder zwei, die das Glück hatten — oder wo die Aufsichtsräte das Verdienst hatten —, im Laufe der letzten 10 oder 15 Jahre hervorragende Unternehmerpersönlichkeiten an ihre Spitze zu berufen. Was glauben Sie denn, was aus der „Neuen Heimat" geworden wäre ohne Herrn Plett oder ohne Herrn Vietor, und was aus der Bank für Gemeinwirtschaft ohne die Person des Herrn Hesselbach geworden wäre? Es kann überhaupt keine Frage sein, daß solche tüchtigen Burschen gebraucht werden — nicht nur wegen der Unternehmung, sondern wegen des Gesamtfortschritts unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD.)

Ich sehe, daß einige an diesem Wort Anstoß genommen haben. Ich sagte, daß eine nicht ausformulierte Rede ihre Vorzüge oder Nachteile haben



Schmidt (Hamburg)

mag; aber „Bursche" war hier ein Ausdruck des Respekts. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen.

(Zuruf von der SPD: Sie können ja „die Herren Burschen" sagen! — Heiterkeit.)

Deswegen ist es einfach töricht, wenn die angestellten Syndizi von bestimmten Verbänden, die selber nie Unternehmer waren und es auch nie werden, oder die Ghostwriter des Deutschen Industrieinstituts — um das trächtigste Establishment auf diesem Gebiet zu nennen — ideologische Phrasen in die Welt setzen, das ganze Mitbestimmungsprinzip bedeute eine „klare Abkehr vom System der freien Initiative des Unternehmers". Es gibt ja einen großen Bereich, in dem diese Mitbestimmung seit 20 Jahren existiert. Sagen Sie mir einmal, ob die Initiative und die Gestaltungskraft eines Mannes wie Dr. Henle — ein früherer Kollege in diesem Hohen Hause — oder eines Dr. Sohl oder Dr. Ochel eingeengt seien. Was soll solch törichtes Gewäsch! Das ist wirklich unterhalb des Niveaus, auf dem diese Streitfrage — es ist eine Streitfrage, und es muß eine sein — ausgetragen werden muß.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Denken Sie an die phantastische Wiedergeburt der deutschen Stahlindustrie nach 1948, nach all den Demontagen, nach der Zerklüftung in lauter Kleinbetriebe! Das mußte ja alles entflochten und auseinandergeteilt werden. Wer von Ihnen will mir sagen, daß die Rückverflechtung und die neue Kombination zu großen weltwirtschaftlich wettbewerbsfähigen Gebilden politisch und unternehmerisch ohne das Prinzip der Mitbestimmung in der Kontrolle der Unternehmen möglich gewesen wäre ohne die Abdeckung durch das Mitmachen-Wollen der gleichberechtigt daran mitwirkenden Arbeitnehmervertreter! Und wer will mir das sagen bezüglich der Einheitsgesellschaft Ruhr-Kohle, die nun Gott sei Dank zustande kommt. Sie ist übrigens, wenn ich das sagen darf, im Prinzip nicht die Erfindung von Herrn Burkhardt, sondern von Herrn Walter Arendt, unserem Kollegen hier,

(Beifall bei der SPD)

dieses Prinzip als tragendes betriebswirtschaftliches Prinzip erkannt und nun mit unser aller Hilfe weitgehend verwirklicht zu haben! Weist dies Beispiel etwa das Prinzip der paritätischen Mitbestimmung im Kohlebereich als unternehmerfeindlich, als die Initiative einengend, als den Fortschritt hemmend aus? Das kann man alles nicht mit Anstand sagen.
Ich übersehe nicht, daß es auch negative Erfahrungen gibt; ich sage das ein zweites Mal. Ich bin auch bereit, aus negativen Dingen zu lernen, selbstverständlich! Aber ich wehre mich dagegen, mich mit jenen primitiven Argumenten, die man 1950 zum Teil glaubwürdig vorbringen konnte, heute noch herumschlagen zu müssen. Ich bitte um eine differenzierte Diskussion, auch im eigenen Verständnis differenzierte Diskussion des ganzen Problems.
Noch eine persönliche Bemerkung über den Unternehmer. Ich bitte die Kollegen meiner Fraktion, mir zu gestatten, daß ich an einem Punkt auch eine sehr persönliche Auffassung einfließen lasse. Gerade weil ich so sehr davon überzeugt bin, daß die schöpferische Rolle der Unternehmer — nicht schlechthin, sie sind weiß Gott nicht alle schöpferische Naturen, bestimmt nicht — —

(Abg. Rasner: Die Abgeordneten gewiß auch nicht!)

— Nein, die Abgeordneten gewiß nicht; die Abgeordneten sind Durchschnitt, Herr Kollege. Die Unternehmer sind übrigens auch im Durchschnitt Durchschnitt.

(Heiterkeit.)

Aber es gibt eben welche, die herausragen. Sie sind wichtig, und damit sie sich auf das Ganze auswirken können, müssen sie gewisse Freiheiten haben. Deshalb neige ich dazu, den elften Mann in einem bestimmten Aufsichtsrat am liebsten aus dem Vorstand zu nehmen. Ich gebe zu, daß das eine weitgehende Umgestaltung der gesamten aktienrechtlichen Konstruktion bedingte und deshalb haben sich meine Freunde nicht gut damit befreunden können, aber die Konstruktion der Gesellschaften in Amerika würde das schon sehr viel eher nahelegen. Ich finde immer noch, daß das für die Zukunft ein diskussionswürdiger Gedanke wäre, zumal er eben in Fällen wirklich frontaler Streitigkeiten — die nicht so häufig vorkommen, wie es uns eine Propaganda glauben machen will — für das eigentliche Interesse der Unternehmung den Ausschlag geben könnte. Ich halte diesen Gedanken immer noch für sehr diskussionswürdig; aber das war, wie gesagt, eine nur für meine Person gesprochene Bemerkung.
Im übrigen wissen Sie, daß wir, wenn wir von Aufsichtsräten reden, ja auch ein kleineres Gesetz vorlegen, das die Tantiemen der Aufsichtsräte begrenzen möchte. Ich bin nicht so sicher, ob 100 000 Mark im Jahr oder 80 000 oder 60 000, zum Teil auch über 100 000 — es gibt Gott sei Dank auch sehr viel vernünftiger bemessene Tantiemen; aber nehmen wir einmal 60 000 Mark —, eine angemessene Prämie für das Risiko und die Arbeit sind, die manche da hineinstecken. Ich muß sagen: Wir haben im Laufe der letzten 15 Jahre zwar schon manchen Generaldirektor purzeln sehen, wenn unternehmerische Fehlentscheidungen verantwortet werden mußten; daß Aufsichtsratsvorsitzende oder -mitglieder zurücktreten, weil sie sich mitverantwortlich fühlen, ist weitaus seltener.
Das Laufbahnrisiko — um das Wort von Herrn Barzel noch einmal aufzunehmen — eines Aufsichtsratsmitglieds — egal, ob dieses von der Großbank qua Depotstimmrecht oder ob es vom Inhaber eines Mehrheitspakets gestellt ist oder von der Schutzvereinigung für privaten Wertpapierbesitz — ist nicht so groß, daß es solche Einkommensgrößen rechtfertigt.
Jetzt höre ich, — dann kriege man aber keine guten Leute mehr. — Dazu möchte ich etwas sagen. Ich habe auch meine Erfahrungen in Aufsichtsräten gesammelt. Ich bin zum Teil gewählter Arbeitnehmervertreter gewesen, zum Teil Vertreter der Anteilseigner. Ich habe auch acht Jahre lang gemein-



Schmidt (Hamburg)

sam mit Herrn Stücklen Erfahrungen im Verwaltungsrat eines der größten deutschen Unternehmen, nämlich der Post, gesammelt. Dort habe ich Seite an Seite mit einem hervorragenden Industriellen gesessen, der leider tot ist, dem ich freundschaftlich verbunden war. Adolf Lohse war sich nicht zu schade, seine weiß Gott kostbare Zeit viele Jahre lang für diesen Verwaltungsrat zu verwenden, übrigens dort auch zu arbeiten, etwas zu bewegen, und zwar bei einer Tantieme, die in der Größenordnung liegt, die wir hier vorschlagen.
Nun sagt einer: Kunststück! — Ich weiß schon, Sie wollen sagen: Der war doch dort wegen des Interesses des Hauses Siemens an elektrotechnischen Entwicklungen und am Absatz. — Das mag so sein. Aber das ist eben nicht nur beim Verwaltungsrat der Post, sondern das ist in den meisten Aufsichtsräten so. Die Bankenvertreter sitzen da auch nicht nur wegen des Interesses der bei ihnen ihre Aktien ins Depot gelegt habenden Bankkunden. Machen wir uns doch nichts vor! Im übrigen finde ich es ja gar nicht schlecht, wenn jemand wegen des wirtschaftlichen Interesses seiner eigenen Unternehmung auf diese Weise die Verflechtung herstellt. Ich finde das gut und notwendig. Nur: Man soll das bitte nicht so aufzäumen, als ob dafür nun noch 60 000 Mark zusätzlich für diesen Mann als Person ausgeworfen werden müßten. Das ist in solcher Höhe ein durch nichts legitimiertes, fast risikofreies persönliches Einkommen.
Aber ich muß nun, da ich von Herrn Lohse sprach, gleich ein Zweites hinzufügen. Der Mann war dort bestimmt nicht nur wegen des wirtschaftlichen Interesses seiner Unternehmung. Er hatte eben auch sehr viel Sinn für öffentliche Verantwortung und für das allgemeine Wohl. Und er hat dort bestimmt mehr Zeit zugebracht, als von ihm verlangt wurde. Er ist nicht der einzige. Ich kenne auch andere Leute, z. B. im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn, die woanders auch sehr viel mehr Geld in der Stunde, am Tag, im Monat oder im Jahr verdienen als in der Zeit, in der sie im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn sitzen. Das tun sie auch zum Teil im Interesse ihrer eigenen wirtschaftlichen Unternehmungen, von denen sie herkommen, zum anderen Teil, weil sie sich verantwortlich fühlen für das Ganze. Ich wäre der letzte, der leugnen wollte, daß es viele Unternehmer gibt — genau wie viele Gewerkschaftsführer —, die sich für das Ganze verantwortlich fühlen. Dann soll man aber bitte nicht sagen, daß diese Verantwortung für das Ganze mit 60 000, 80 000 oder 100 000 DM Jahrestantieme erkauft werden muß. Das ist ein Mißbrauch, wie man ihn in Europa in vergleichbaren Industrieländern in diesem Ausmaß kaum findet. Der Mißbrauch muß weg! Und ich möchte hören, wer von Ihnen 80 000 DM Jahrestantieme hier verteidigen möchte und mit welchem Argument. Darauf bin ich gespannt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will nicht sagen, daß unsere Grenze von 6000 DM, die wir orientiert am Bahn- und Postgesetz vorschlagen, der Weisheit letzter Schluß sei. Das ist diskussionswürdig; das wissen wir auch.
Jetzt muß ich mich mit zwei Argumenten auseinandersetzen, die nicht von außerhalb kommen, die auch nicht die grundsätzlichen Fragen betreffen, sondern die hier im Hause eine Rolle spielen. Herr Barzel hat eines schon mehrfach gebraucht; er hat es auch eben wieder durch Zwischenruf angedeutet. Sie lauten, unsere Gesetzentwürfe widersprächen der Koalitionsvereinbarung — das sagt Herr Barzel gewiß nicht —, und es sei keine Zeit mehr da, sie alle zu verabschieden — das sagt er gewiß —.
Zunächst zu dem ersten Argument. Wir haben in der Regierungserklärung alle unsere Vereinbarungen dargelegt. Wir haben damals in diesem Hause erklärt: Das und das haben wir vereinbart, das und das wollen wir machen; es gibt keine geheimen sonstigen Verabredungen. Es gibt nur eine einzige Sache außerhalb der Regierungserklärung, die wir noch vereinbart haben — aber die war damals schon Tatsache geworden —, nämlich die Verteilung der Ressorts und die Besetzung der Ressorts mit den bestimmten Personen. Es gibt nichts, was vereinbart ist, das nicht in der Regierungserklärung stünde. Wir sind durch die Regierungserklärung und durch die Worte, die wir auf die Regierungserklärung geantwortet haben, gebunden.
Infolgedessen kann auch keine Rede davon sein — wie ich heute wieder bei einigen Wirtschaftsjournalisten lesen muß, die sonst nicht Parlamentsjournalisten sind und die Verhältnisse hier im Hause vielleicht nicht so genau kennen —, daß die Koalitionsvereinbarung ausschlösse, daß einer der beiden Partner über die Vereinbarung hinaus sonst noch Initiativgesetze vorlegte. Die CDU-Fraktion hat auf manchen Gebieten Initiativgesetze vorgelegt, zum Teil mit unserer Mitwirkung, zum Teil, ohne daß wir uns besonders darüber gefreut haben. Ich brauche die Liste hier nicht vorzulesen. Sie wissen, daß ich eine solche Liste habe, und Sie wissen, daß Sie dieselbe Liste haben.
Dieses Argument möchte ich also wirklich nicht hören. Wir verstoßen gegen keine Vereinbarung. Wir haben vereinbart, daß wir gemeinsam eine Kommission einsetzen wollen, daß die Regierung eine Kommission bildet, um die Erfahrungen mit der bisherigen Mitbestimmung zu prüfen. Leider hat die Regierung — trotz der Tatsache, daß Mitbestimmung nach dem Almanach ein Schwerpunkt der Arbeit des Herrn Katzer ist — ein Jahr gebraucht, bis die Kommission eingesetzt wurde. Das hat uns geärgert, wobei ich weiß, daß das nicht Herrn Katzers Schuld war. Das hat uns dann dazu geführt, uns selber in die Sache hineinzuknien. Es ist nicht richtig, wenn Herr Strauß erzählt, wir hätten uns erst seit dem letzten Parteitag darum gekümmert. Wir kümmern uns seit mehr als zwölf Monaten darum, selber etwas zu erarbeiten.
Ich darf für mich in Anspruch nehmen, daß ich derjenige war, der den Anstoß gegeben hat, wir sollten selbst einen Entwurf vorlegen, nachdem zwölf Monate Großer Koalition abgelaufen waren, ohne daß die Kommission eingesetzt worden war. Die Kommission ist dann nach mehr als zwölf Monaten schließlich unter dem Vorsitz von Herrn Bieden-



Schmidt (Hamburg)

kopf gebildet worden. Ich schätze Herrn Biedenkopf sehr und nehme an, daß seine Kollegen und er eine interessante Arbeit vorlegen werden.
Übrigens hat die Regierungserklärung auch eine andere Vereinbarung enthalten, die die Mitbestimmung angeht, nämlich die, daß wir keine Aushöhlung zulassen wollen. Einer unserer Gesetzentwürfe dient der Verhinderung weiterer Aushöhlung oder, sagen wir etwas weniger polemisch, weiteren Abbröckelns durch Umwandlung und dergleichen. Ich hoffe, daß wenigstens in diesem Punkte der Zeiteinwand überhaupt nicht erst erhoben wird, nicht erst entkräftet werden muß und daß Sie sich bei diesem Punkt auch an das erinnern, was Sie in bezug auf dieses Thema selbst mit uns vereinbart haben. Das muß nicht heißen, daß Sie unseren Gesetzentwurf so annehmen müssen, wie er da liegt; das ist mir auch klar. Es heißt aber, daß Sie hinsichtlich dieses Entwurfs nicht mit dem Problem des Zeitablaufs kommen können.
Im übrigen, was das Problem des Zeitablaufs angeht, Herr Barzel: Wir möchten das nicht überbewerten. Ich finde es nicht besonders überzeugend, uns das nur bei einem bestimmten Gesetzgebungskomplex entgegenzuhalten. Wir beide bekommen doch jede Woche einen Brief vom Staatssekretär des Bundeskanzleramts, in dem uns sieben, acht, neun neue Gesetzentwürfe der Bundesregierung für diese Legislaturperiode angekündigt werden, von denen wir alle wissen, daß sie in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden. Ich bitte mit dem Argument „Zeitablauf" vorsichtig zu sein. Dazu ließe sich manches andere Beispiel aus Ihren Reihen oder aus den Reihen der Regierung finden.
Ich gebe aber zu, daß die Zeit knapp ist. Das will ich weiß Gott nicht bestreiten. Aber ich möchte Sie bitten, nicht den Eindruck zu erwecken, als ob Sie mit dem Hinweis auf die Zeitknappheit in Wirklichkeit nur den taktischen Zweck erreichen möchten, erst einmal der Diskussion auszuweichen. Diesen Eindruck sollten Sie nicht aufkommen lassen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist auch nicht der Fall!)

— Es ist nicht der Fall. Sie sollten sorgfältig darauf achten, darzustellen, daß Sie das diskutieren wollen. Ich sehe mit Freude, daß neuerdings sogar die FDP eine Mitbestimmungskommission eingesetzt hat. Die CDU hatte das schon lange, die CSU hat es auch getan. So ist es, wenn man spät anfängt und man braucht dann noch zwölf Monate; dann dauert es noch länger, und man ist noch später fertig als die anderen, denen man heute vorwirft, daß sie erst nach zwölf Monaten fertig geworden sind.
Ich möchte gern auf eine kurze Passage zurückkommen dürfen, die, wenn ich es recht erinnere, vor etwa vier Monaten in diesem Hause eine Rolle gespielt hat. In einer Debatte hat, wenn ich es richtig erinnere - ich habe das Protokoll nicht zur Hand —, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion mit innerer Überzeugung und auch, wie ich denke, zutreffend ausgeführt: Wir haben doch hier in der Bundesrepublik Deutschland mehr Mitbestimmung als in irgendeinem Lande um uns herum. Er hätte auch noch sagen können: Wir haben mehr soziale
Sicherung für den einzelnen Arbeitnehmer als in vielen Ländern um uns herum. Ich möchte darauf zurückkommen und etwas hinzufügen dürfen: Herr Barzel, ich denke, Sie haben recht. Aber ich denke: weil das so ist, wie Sie sagen, deswegen ist eben insgesamt die deutsche Industrie leistungsfähiger als die des einen großen oder des anderen großen westlichen Nachbarlandes.
Ich habe gestern ein paar Statistiken über Streiktage in der italienischen Industrie — in der Gesamtindustrie —, in der deutschen Industrie, in der französischen Industrie und in der englischen Industrie vor Augen gehabt. Es handelte sich um Gesamtziffern der Streiktage für ganze Jahre. Ich greife mal das Jahr 1967 heraus: in Frankreich mehr als zehnmal soviel, in Großbritannien beinahe zehnmal soviel, in Italien mehr als zwanzigmal soviel Streiktage. Wenn Sie das Jahr 1966 herausgreifen, sieht es noch viel günstiger aus. Das ist nicht etwa ein Zeichen dafür, daß diese — gerade im Vergleich zu den Gewerkschaften in Frankreich oder England — sehr straff durchorganisierten, beweglichen und einsatzkräftigen deutschen Gewerkschaften nicht willens wären, ihre Forderungen notfalls auch durchzusetzen. Es ist ein Zeichen dafür, daß insgesamt — darf ich das so sagen — die soziale Mechanik, die Mechanik des Ausgleichs, des Kompromissefindens, des Sich-sicherFühlens, des Mitredens, des Sich-aufeinander-Einlassens, Sich-aufeinander-Einstellens in Deutschland besser ist als anderswo.
Während der großen internationalen Währungskrise und anläßlich der Zehner-Konferenz hier in Bonn haben mich Engländer gefragt: Wie kommt das denn, ihr habt den Krieg verloren, und jetzt seid ihr das Land mit der starken Währung? Wir dagegen geben uns so viel Mühe und kriegen es nicht hin." Wissen Sie, was ich denen — es waren Wirtschaftsjournalisten — geantwortet habe: „Ihr müßtet in England Unternehmer haben, die etwas moderner sind, ihr müßtet Gewerkschaften haben, die etwas moderner sind."

(Beifall bei der SPD.)

Das habe ich denen geantwortet; ich wollte sie nicht ärgern. Da haben die gesagt: „Wir wisen, Sie machen da allerlei moderne Sachen wie z. B. Mitbestimmung; aber das ist doch Unfug, das lähmt doch die Initiative der Unternehmer." Da habe ich gesagt: „Sie sehen ja, wie es die deutsche Unternehmerinitiative — im Vergleich zu anderen Ländern — gelähmt hat. Das sehen Sie ja." — Da gab es dann eine Art AhaErlebnis — so pflegen die Pädagogen zu sagen —; da fiel es denen wie Schuppen von den Augen. Sie sagten: „Vielleicht ist doch was dran an diesem deutschen Versuch, das System der sozialen Mechanik, des Ausgleichs zu modernisieren."

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Wir haben eine kluge Sozialpolitik betrieben!)

— Ja, das haben wir; wir sind da in mancher Beziehung weiter als andere Staaten. Nur, Herr Müller- Hermann, wenn wir in Zukunft nicht zurückbleiben wollen, wenn wir diesen Wettbewerbsvorsprung nicht einbüßen wollen, dann müssen wir eben auch jetzt voranschreiten; wir dürfen nicht stehenbleiben. Das wollen Sie aber auch gar nicht.



Schmidt (Hamburg)

Ich habe, Herr Präsident, wenn ich es richtig sehe, jetzt eine Stunde gesprochen. Ich bitte Sie um Entschuldigung. Aber so geht es einem, wenn man sich vorher nicht hat sorgfältig konzentrieren können. Ich möchte einiges von dem weglassen, was ich mir zu sagen vorgenommen hatte. Ich hoffe sehr, daß, auch wenn die Erwiderungen von seiten der CDU und der FDP relativ knapp ausfallen sollten, die Kollegen meiner Fraktion, die sich auf diese Debatte eingestellt haben, gleichwohl eingreifen. Wenn der andere nicht recht debattieren will — das haben wir aus der rechten Seite des Hauses in diesem Jahr ein paarmal erlebt —, muß man nicht gezwungen sein, deswegen selber zu schweigen. Das wollen wir auch heute morgen nicht tun. Ich wäre also dankbar, wenn Sie hinterher auch meinen Kollegen Gehör geben würden, die noch auf manche andere Frage eingehen und sie vertiefen wollen, die ich nicht habe berühren können.
Ich möchte der FDP gegen Schluß meiner Ausführungen eines sagen dürfen. Herr Mischnick, Ihre Partei tut manchmal öffentlich so, als ob sie traurig wäre, daß es in unserer Partei nicht genug Leute gebe, die grundsätzlich auch eine Regierungskoalition — unter welchen Bedingungen und wann auch immer — mit Ihnen in Betracht zögen. Ich weiß nicht, ob die Klage bei Ihnen nicht ein bißchen übertrieben ist; ich persönlich halte sie für übertrieben. Aber ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß sich — ich drücke mich ganz abstrakt und theoretisch aus — der politische Spielraum der Freien Demokratischen Partei zwangsläufig verengen müßte, wenn Sie auf die Dauer bei einer kategorischen Ablehnung der Ausweitung der Mitbestimmung auf andere Bereiche verharren wollten. Darauf möchte ich Sie aufmerksam machen.

(Beifall bei der SPD.)

Mitbestimmung ist für uns zwar nicht das einzige Kardinalproblem der Gesellschaft, aber es ist für uns eben auch keineswegs ein nebensächliches Problem. Es ist nicht „das" Kardinalproblem; das sage ich für unsere eigenen Anhänger und Freunde draußen im Lande. Gesetze allein schaffen noch keine demokratische Gesellschaft, und paritätische Mitbestimmung in einem Aufsichtsrat macht keine Tarifauseinandersetzung überflüssig.

(Abg. Dr. Luda: Sie behindert sie!)

— Das weiß ich nicht. Sie kann sie teils behindern, teils auch in angenehmere Formen lenken. Aber sie macht sie gewiß nicht überflüssig. Es gibt genug Beispiele dafür, daß sie sie auch nicht entschärft hat. Paritätische Mitbestimmung bringt zwar die Gesellschaft einen wichtigen Schritt voran, aber sie ist allein keine Generalreform.
Man sollte also — das meine ich mit diesen Worten — seine Erwartungen an die nachher eintretenden Veränderungen nicht zu hoch schrauben. Man sollte wissen, daß Mitbestimmung eben eine Art der Ausübung von Verfügungsgewalt ist, die auch — wie fast immer in der Demokratie — nur durch Delegation, durch Repräsentation möglich ist, — so auch hier nur durch Delegation. Die jetzige Kohleneuordnung an der Ruhr zeigt übrigens, was Delegation alles leisten kann, wenn man die richtigen Delegierten hat.
Nun wissen wir ganz bestimmt, daß viele Arbeitnehmer draußen im Lande die Betriebsverfassung, die inneren Verhältnisse des Einzelbetriebs für wichtiger halten als die Unternehmensverfassung, daß sie ihre Erwartungen besonders an die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und parallel dazu des Personalvertretungsgesetzes richten. Wir verstehen das sehr gut; denn diese Materie liegt vielen von ihnen, insbesondere den Betriebsräten und den Personalräten, unmittelbar näher; es liegt vor ihrer Tür, es ist ihre tägliche Arbeit, ihr tägliches Brot.
Wir hoffen, zumal wir erkannt haben, daß der CDU-Parteitag in seiner positiven Einstellung im Punkt Betriebsverfassung keine Einschränkungen gemacht hat — anders als bei der Unternehmensverfassung —, auf diesem Felde wirklich sehr auf Sukkurs, auf Hilfe aus anderen Lägern. Wir freuen uns auch darüber, daß, was die Betriebsverfassung angeht, ein Mann wie Dr. Schleyer, der neuerdings immer häufiger für die Arbeitgeberverbände spricht, sehr detailliert öffentlich Vorschläge zur Verbesserung macht. Ich muß das einmal positiv quittieren dürfen, wenn sich ein so prominenter Vertreter der Arbeitgeberseite öffentlich z. B. für bessere Wahlmodalitäten im Betriebsverfassungsgesetz, für die Jugendlichen und für die leitenden Angestellten, einsetzt, wenn er die Förderung der Betriebsratstätigkeit durch eine Novelle des Gesetzes für nötig hält, z. B. Freistellung in einem angemesseneren Rahmen als bisher, Schulungsmöglichkeiten besser als bisher, technisch-organisatorische Hilfen für den Betriebsrat, bessere Informations- und Beratungsmöglichkeiten, wenn er für den einzelnen Arbeitnehmer stärkere und unmittelbare Beteiligung am betrieblichen Gesamtgeschehen fordert — das ist ja einer der Punkte, über den wir lange mit uns gerungen und den wir schließlich doch für wichtig und richtig gehalten haben —, wenn er von der Erweiterung des gesetzlichen Katalogs der Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten spricht und wenn er davon spricht, daß es bei der Novelle darum gehen muß, wesentliche Rechte besser rechtlich — „juristisch" steht hier — durchsetzbar zu machen, dann muß man anerkennen: Gott sei Dank, es gibt auch im Unternehmerlager Leute, die als Unternehmer nicht nur im eigenen betriebswirtschaftlichen Bereich, .sondern auch im sozialen Bereich weiß Gott weiter sehen als andere.
Das ist sicherlich auch nicht der Weisheit letzter Schluß auf der Seite dieses Mannes, genauso wie wir nicht glauben, daß wir den letzten Schluß der Weisheit schon gefunden hätten. Wir möchten eigentlich an beide Seiten appellieren, den Raum, den die Gesetzgebung bisher frei gelassen hat — wir haben das in unserer internen Diskussion den „staatsfreien Raum" genannt; das ist aber kein guter Ausdruck — stärker als bisher auszunutzen. Ich denke an solche Vereinbarungen wie bei Klöckner, an das Lüdenscheider Abkommen, an die Rationalisierungsabkommen der letzten Zeit. Hier ist sehr viel Möglichkeit für frei vereinbarte Gestaltung auch auf dem



Schmidt (Hamburg)

Felde der Mitbestimmung. Wir möchten nicht, daß der Staat alles und jedes ordnet. Wir meinen, daß dieser Appell an beide Seiten gerichtet sein darf.
Eine Schlußbemerkung zu der politischen und geistigen Landschaft, in der wir uns befinden und in der wir das alles sehen müssen, was wir Ihnen vorschlagen. Wir wissen uns im Grunde einig — im Grunde — mit hervorragenden Moraltheologen, mit hervorragenden Sozialethikern beider Kirchen. Wir wissen uns einig mit einer Reihe von hervorragenden Unternehmern — wir haben sie ausführlich gehört —, wir wissen uns uneinig mit anderen. Wir wissen uns einig mit Millionen von Arbeitnehmern und mit deren Sprechern, uneinig vielleicht mit einigen von ihnen. Aber wir wissen, daß wir Sozialdemokraten, so wie die Dinge heute liegen, in diesem Hause allein keine Mehrheit haben. Wir wissen auch, daß Demokratie niemals heißt, daß eine Minderheit sich allein durchsetzen kann, selbst dann nicht, wenn sie die richtige oder gar die notwendige Sache verträte. Das ist ja einer der großen Irrtümer bei der Jugenderziehung, die immer wieder gemacht werden, daß die Leute den jungen Menschen die Demokratie zu idealistisch schildern, und dann kommen hinterher die großen Enttäuschungen. Daß die Mehrheit recht hat, das ist Unsinn. Sie kriegt nur recht. Ob Sie recht hat, weiß man erst später, vielleicht nur, ob sie es recht gemeint hat. Demokratie hat viele Fehler. Wir wünschten, daß die jungen Leute sie manchmal früher begriffen, um später nicht so sehr enttäuscht zu sein.
Wir wissen auch, daß in der Demokratie kaum jemals ein Gedanke, ein Prinzip lupenrein verwirklicht werden kann, sicherlich auch das Prinzip der Mitbestimmung nicht lupenrein so verwirklicht wird, wie wir es wünschen möchten. Wir wissen, daß in der Demokratie der Kompromiß geradezu zwangsläufig ein Lebensprinzip ist. Wir wissen, daß die Demokratie schon in der Theorie mit allen diesen Fehlern behaftet ist — wie erst in der Praxis! —, daß sie insbesondere mit dem Fehler des Zeitverbrauchs behaftet ist. Sie braucht sehr viel mehr Zeit als andere Herrschaftsformen. Dafür wird das Ergebnis dann im Durchschnitt auch vernünftiger als bei anderen Herrschaftsformen. Wir wollen zugeben, daß auch diese Probleme, die wir auf Ihren Tisch legen, zum Teil mehr Zeit brauchen, als uns lieb sein mag.
Ich möchte an dieser Stelle ein letztes Mal auf einen Ihrer Kollegen aus den Debatten heute vor zwanzig Jahren zurückkommen dürfen. Damals sagte Ihr Kollege, zur FDP und zur Deutschen Partei gewandt, er sei sicher, daß es gegenüber den Entwürfen der — damaligen — Regierung und der — damaligen — CDU/CSU eine Fülle brillanter Kritik in technischer und juristischer Beziehung geben würde. Und dann sagte er: „Aber wir werden den Wert jeder Kritik daran ermessen, was sie wirklich tun will." Das erklärte Dr. Schröder am Schluß einer, wie ich mehrfach sagte, sehr lesenswerten Rede.
Ich möchte mir eigentlich dieses Motto zu eigen machen. Wenn wir aus der ganzen Kritik nur das Nein sollten hören müssen, würden wir sehr unbefriedigt die heutige Debatte verlassen. Wenn wir aus der Kritik hören könnten, daß Sie sagen: „Wir sind noch nicht ganz vorbereitet, dies alles mit Ihnen zu beraten, aber wir wollen im Grunde das Prinzip annehmen, wir wollen ihm nähertreten", dann hätten Sie nicht nur uns, sondern auch sich und der deutschen Gesellschaft und ihrer Entwicklung einen Dienst geleistet.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521013400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0521013500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zu den Fragen, die wir hier zu behandeln haben, einstimmig eine Erklärung verabschiedet und mich gebeten, sie hier vorzutragen. Aber mein Temperament läßt nicht zu, mich allein auf diese Aufgabe zu beschränken; ich möchte, noch mehr extemporierend als Sie, Herr Kollege Schmidt — denn Sie wußten seit Monaten, daß Sie heute ein paar Vorlagen hier einzubringen haben, und trotz der Ereignisse des gestrigen Tages und derhalben Nacht bin ich natürlich in meinem Extemporieren wahrscheinlich noch „unentwickelter" als Sie — versuchen, eine Replik auf die politischen Punkte der insoweit doch bemerkenswerten Rede des Herrn Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu geben.
Das Erste. Herr Kollege Schmidt hat sich zwar in einer aggressiven Form, aber doch unter großer Aufmerksamkeit auf dieser Seite des Hauses zur FDP, an die Freien Demokraten gewandt. Ich sehe vorn den Parteivorsitzenden und den Fraktionsvorsitzenden ganz gespannt sitzen. Die haben also verstanden, daß die aggressive Form, in der Sie, Herr Kollege Schmidt, sich an die FDP gewandt haben, doch eine Offerte war,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

und nun bin ich sehr gespannt, meine Damen und Herren, was die Freien Demokraten zu dieser Offerte der Zusammenarbeit um den Preis der Ausweitung der Mitbestimmung auf Grund dieser Vorlagen sagen werden.
An Ihre Adresse, Herr Kollege Schmidt, möchte ich sagen: Übernehmen Sie sich nicht!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Offerten zu machen ist Sache dessen, den die Wähler — allein die Wähler — zum Stärksten in diesem Hause bestimmen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das sind noch wir; und wer es nach den nächsten Wahlen sein wird, das werden wir sehen.

(Zurufe.) — Das werden wir sehen!


(Abg. Schmidt [Hamburg] : Das war keine Offerte, sondern das war eine Warnung!)




Dr. Barzel
— Haben Sie gehört? Das war keine Offerte, sondern das war eine Warnung. Das heißt: all die schönen „tentative lines", die sich hier im Hause zwischen den beiden anderen Fraktionen entwickelt haben, würden jäh durchschnitten — leider jäh durchschnitten —, die armen Dinge vom März und die schrecklichen Dinge vom nächsten Jahr, alles jäh durchschnitten, wenn Sie nicht endlich dem nachgeben, was hier mit machtvoller Stimme des Zweitstärksten angekündigt wurde.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, lassen wir also diesen Punkt im Augenblick hier auf sich beruhen. Ich will das nicht zu hart formulieren, weil ich zu meinem zweiten Punkt kommen möchte. Ich möchte mich nämlich bei dem Herrn Kollegen Schmidt für einen Punkt bedanken. Er hat in bedeutsamer Weise die soziale Wirklichkeit im freien Deutschland betont und der sozialen Lage hier eine Anerkennung zuteil werden lassen, für die wir danken und die wir hier festhalten, weil — nicht wahr, Herr Professor Erhard? - wir das gern hören.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn, meine Damen und Herren, ich erinnere hier, und das muß gesagt sein: in diesem Hause und insbesondere in der sozialdemokratischen Fraktion ist keiner, der nicht weiß, wie ich persönlich in Hochachtung, obwohl er damals Oppositionsführer war, Fritz Erler verbunden war. Damals gab es etwas, das mich bis heute beschäftigt hat, nämlich die Debatte, die er und ich hier sehr heftig über die Frage geführt haben, ob dies die „soziale Heimstatt freier Menschen" sei, ja oder nein. Diese Sache ist jetzt weg, und das buche ich als einen weiteren Erfolg der Großen Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun, ich habe Herrn Schmidt richtig verstanden. Er hat das anerkannt und gesagt, es müsse natürlich weitergehen. Was dazu zu sagen ist, haben wir auf unserem Parteitag gesagt. Wir wissen selbst, daß der freiheitliche Rechtsstaat, daß der soziale Rechtsstaat in dem Augenblick anfängt zu vergammeln, wo man meint, der Status quo genüge.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)

Wer im vorigen Jahr zu Ostern, als mancher sich fragte, ob die Unruhen aus Frankreich nochmals und verstärkt hierher kämen, glaubte, das werde nicht passieren, weil unsere soziale Wirklichkeit besser sei, darf nicht vergessen, daß wir nur dann, wenn sie sich fortentwickelt, freilich vernünftig fortentwickelt, diese Überlegenheit behalten werden. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen hier die Gewißheit geben, daß, solange die Union die politische Führung in unserem Lande hat, der soziale und der wirtschaftliche Fortschritt, gegründet auf solide Reformen — und allein die sind verantwortbar —, in gesunder Weise weitergehen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Ich hatte eigentlich gedacht, daß Sie von der FDP uns bei dem zweiten Punkt ein bißchen unterstützen würden; denn an dem Weg waren Sie doch ein ganzes Stück beteiligt, meine Damen und Herren.


(Zuruf des Abg. Scheel.)

Nun kommt der dritte Punkt. Herr Kollege Schmidt hat dargetan — und das ist sein gutes Recht —, die Sozialdemokratische Partei sei in dieser Frage speziell legitimiert, und später hat er dann versucht darzutun — wie ich glaube, ohne Erfolg, wenn man die Fakten nimmt —, daß wir im Verlauf der Jahre eigentlich immer weniger getan hätten. Nun, Herr Kollege Schmidt, ich darf noch einmal sagen, daß wir uns nicht in einen Streit der Theorie über die Legitimation von Fraktionen oder Parteien in dieser Frage einzulassen wünschen, weil die Fakten für uns sprechen. Die Fakten sind, daß es in Deutschland — anders als in jedem vergleichbaren Land der Welt — Betriebsverfassungsgesetz, Personalvertretungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz bei Kohle und Stahl, Tarifvertragsgesetz und Selbstverwaltung der Sozialversicherung gibt, Gesetze, um die Leute ringen, die jetzt unter dem Schlagwort der „participation" versuchen, gemessen an unseren Siebenmeilenstiefeln bescheidene Hausschuhe anzuziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das muß einmal festgehalten werden, weil mancher so tut, als gelte es, erstmals den Gedanken der Mitbestimmung durchzusetzen. Dies ist nicht wahr. Wir haben viel davon in der Wirklichkeit. Ob das genügt, ob das, was wir geschaffen haben, richtig ist, ob die Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, ausreichen, ob wir mit allem zufrieden sind, wollen wir wissen. Dieses Denken stand Pate bei den Beschlüssen der gemeinsamen Regierung, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf darauf hinweisen, daß diese Gesetze in Zeiten zustande gekommen sind, als die Bundestagsfraktion der CDU/CSU, die hier seit Beginn die Führung hat und die stärkste ist, die Dinge betrieben hat.
Ein vierter Punkt, meine Damen und Herren, und dann nur noch ein fünfter; dann will ich auch zu der Erklärung kommen. Manche negative Stimme zu dieser Sache aus dem Unternehmerlager, so sagte zusammengefaßt der Kollege Schmidt, sei nur noch psychologisch zu erklären. Nun, Herr Kollege Schmidt, ich will jetzt nicht — etwa, weil meine Tochter das studiert — mit Ihnen über den Rang der Psychologie streiten. Aber eines wissen wir doch beide, nämlich daß Vertrauen und Beständigkeit eine unerläßliche Voraussetzung für die Konjunktur, und das heißt auch für die Vollbeschäftigung, sind. Deshalb sollte man auch solche Art von Argumenten niemals gering schätzen.
Zum anderen muß ich sagen — aus unserer Diskussion —, mir sind nicht nur Betriebsräte und Unternehmensleitungen begegnet, die nur ideologisch oder psychologisch argumentiert haben, sondern auch solche, die aus Erfahrung und aus Sorge



Dr. Barzel
diese oder jene Einwendung gemacht haben. Und ich glaube, das ist notwendig. Den Sachverstand dieser Praktiker wollen wir einbeziehen. Auch deshalb wollen wir erst die Ergebnisse dieser Kommission abwarten, auf die wir uns in den Gesprächen geeinigt haben.
Nun kommt der fünfte Punkt. Da bin ich nicht sicher, ob es mir voll gelingen wird, jetzt so extemporiert zu sagen, was ich wirklich empfand, Herr Kollege Schmidt. Ich war überrascht und sehr nachdenklich, als Sie den Schatten — will ich ganz vorsichtig sagen — einer Parallelität zwischen dem politischen, dem staatlichen Bereich und dem Bereich der Arbeitswelt selbst andeuteten. Sie haben davon gesprochen, in dieser Demokratie hätten nun alle die politische Mitbestimmung, aber in der Arbeitswelt sei die Mitbestimmung zurückgeblieben. So ungefähr war Ihre Einlassung. Das müßte man sorgfältig diskutieren, denn hierin stecken eine Fülle von Fragen gegen Ihre eigenen Entwürfe. Ich habe Zweifel, ob man diese Modelle so übertragen kann, denn es geht um ganz andere Funktionen: hier ist Gemeinwohl, und dort ist am Schluß Vollbeschäftigung, Bedarfsdeckung und Gewinn. Das sind ganz andere Ausrichtungen.
Wenn wir uns aber einmal für eine Sekunde darauf einlassen, auf diesen Boden zu treten — ich zögere, dies zu tun; Sie werden verstehen, daß ich das in einer so extemporierten Rede nur so sagen kann —, habe ich folgendes darzutun. In unserem Staat ist die politische Mitbestimmung abgestuft. Der Bürger hat von einem gewissen Alter an das aktive, von einem anderen Alter an das passive Wahlrecht. Der Bürger, der Mitglied einer Partei wird, verstärkt seine Mitbestimmungsrechte, indem er nicht nur wählt, sondern Kandidaten aufstellt und politische Programme mitbeschließt. Der Abgeordnete im Bundestag hat in anderem Ausmaß Mitbestimmung an der Politik als ein Minister, der wieder ein anderes als der Kanzler.
Wenn Sie sich jetzt diese abgestufte Mitbestimmung einmal ansehen und fragen, welches der zentrale Gesichtspunkt der Zuordnung der jeweiligen Mitbestimmungskompetenzen ist, dann sehen Sie, daß der zentrale Gesichtspunkt die Funktionsgerechtigkeit ist. Sie selbst haben soeben gesagt, daß die 200 000 Leute von Siemens die Arbeitnehmervertreter nicht direkt wählen können: eine abgestufte Form. Und sehen Sie, der Bundeskanzler. der die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt: da haben die Mehrheitsfraktionen auch nichts beizutragen. Die wählen ihn einmal, können ihn dann stürzen. Das alles ist ein wohlabgewogenes System von Kompetenzen und Zuordnungen, so gemacht, daß dieser Staat funktionsgerecht handeln kann. Nicht an jeder Stelle kann jeder in allen Fragen mitreden. Das ist nun einmal so.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Und schauen Sie, Herr Kollege Schmidt, deshalb habe ich eben Fragen, ob Sie sich selbst und Ihren Belangen einen Gefallen tun, wenn Sie dieses Modell typisch überhaupt in eine Parallelität bringen. Wenn man dies tut, kommt man in der Tat zu den Fragen der Funktionsgerechtigkeit, und dann stellt sich natürlich die Situation einer Unternehmensleitung in einer ganz anderen Sicht dar, als sie bisher in der Gesetzgebung verankert ist. Bitte, das Ist ein extemporierter Diskussionsbeitrag in einer Frage, in der wir in der Diskussion sind, mit der wir nicht fertig sind. Ich bin froh, daß es gelingt, deutlich zu machen, daß hierüber noch diskutiert werden muß. — Bitte!

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521013600
Darf ich an dieser Stelle eine extemporierte Frage und nicht eine in Frageform gekleidete Polemik an Sie richten, Herr Barzel, und zwar im `Bewußtsein dessen, daß Sie wahrscheinlich, wenn Sie meine Rede lesen, nicht im Ernst glauben können, daß ich Modelle aus der staatlich-politischen Sphäre auf die Sphäre wirtschaftlicher Unternehmungen übertragen wollte: Können Sie mir jetzt schon darin zustimmen, daß man natürlich auch im Betriebsbereich, auch im unternehmerischen Bereich, genauso wie im Universitätsbereich oder wie in Ehe und Familie — im letzteren Falle scheue ich ein bißchen, Ihr Wort von der Funktionsgerechtigkeit zu übernehmen, unter zweien ist das wirklich kein schöner Ausdruck —, je nach der besonderen Lage, nach der besonderen Situation, der besonderen Konstruktion, der Struktur, um die es sich hier in dem jeweiligen gesellschaftlichen Bereich handelt, eine zwar durchaus andersartige, gleichwohl aber im Prinzip funktionsgerechte Lösung für Leitungskompetenzen, für Kontrollkompetenzen, für Mitbestimmung, für Befugnisse aller Art finden muß?
Ich möchte Ihrem Wort, Ihrem Begriff von der Funktionsgerechtigkeit keinen Abbruch tun. Im Gegenteil, ich finde ihn ganz gut. Aber er läßt sich eben in verschiedener Weise auf verschiedene Gebiete verschieden anwenden.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0521013700
Herr Kollege Schmidt, ich glaube, die Frage ist berechtigt. Ich spreche aber jetzt nicht nur extemporiert von der Funktionsgerechtigkeit, sondern auch von der abgestuften Zuordnung von Kompetenzen. Sie haben das nun soeben auf andere Bereiche ausgedehnt. Ein Genie in unserem Lande wäre, wer die verschiedenen Mitbestimmungsforderungen in den vesrchiedenen Bereichen in eine philosophische Kategorie bringen könnte. Freilich fürchte ich, er würde die Wirklichkeit vergewaltigen. Mitbestimmung ist ein Zeitgefühl, ist ein positives Zeitgefühl.
Nun haben Sie den wissenschaftlichen Bereich angesprochen. Nehmen wir da einmal eine Kompetenzzuordnung der Funktionsgerechtigkeit: Man kann unmöglich über die Wahrheitsfrage, ob zweimal zwei gleich vier ist, abstimmen lassen. Das ist keine mehrheitsfähige Frage. Das heißt, an der Wahrheitsbildung und Wahrheitsfindung des Professors kann man keinen mitbestimmen lassen. Aber in den technischen Fragen der Studiendauer, der Studienart, des Zeitablaufs, der Prüfungsordnung kann natürlich der Betroffene mitreden. Sie sehen, hier paßt es, und wir werden — vielleicht ist es das — überall zu abgestuften Formen funktionsgerechter Mitbestim-



Dr. Barzel
mung kommen müssen. Das sage ich jetzt für mich und nicht für meine Fraktion. Ich hoffe nur, daß deutlich wird, daß hier wirklich diskutiert werden muß. Keiner von uns — das ist der letzte Satz des ersten Teils meiner Ausführungen, bevor ich zu meiner Erklärung komme — kann sagen, daß er alles, auch die internationalen Probleme, die bisher in der Debatte überhaupt keine Rolle gespielt haben, schon so erwogen habe, daß er ganz sicher urteilt und entscheidungsfest ist. Deshalb haben wir diesen Kommisionsbericht erbeten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun zu dem weniger temperamentvollen zweiten Teil, zu der Erklärung der Bundestagsfraktion der CDU/CSU — die in unserer Fraktion einstimmig verabschiedet worden ist — zu den Vorlagen Drucksachen V/3643 und V/3657 bis V/3660.
Die Grundlage unserer Stellungnahme zu den vorgelegten Entwürfen bildet die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966, der für ihre Fraktionen die Vorsitzenden sowohl der Fraktion der CDU/CSU als auch der Fraktion der SPD in der Bundestagssitzung vom 15. Dezember 1966 ausdrücklich zugestimmt haben. In dieser Regierungserklärung heißt es:
Die Bundesregierung wird eine Kommission unabhängiger Sachverständiger berufen und sie mit der Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung als Grundlage weiterer Überlegungen beauftragen. Die Bundesregierung lehnt Bestrebungen ab, die den bewußten und erkennbaren Zweck einer Aushöhlung der Mitbestimmung verfolgen.
Dies ist damals und ist von uns immer als eine Aussage verstanden worden, zunächst diesen Bericht abzuwarten. Denn was für einen Sinn soll es haben, ihn in Auftrag zu geben, wenn man meint, gleichwohl vorher entscheiden zu können? Diese sehr klaren und unmißverständlichen Aussagen waren das Ergebnis sorgfältiger Beratungen unter den Mitgliedern des Koalitionskabinetts, dem ja auch die Vorsitzenden der drei Parteien CDU, CSU und SPD angehören. Meine Fraktion hat sich immer sachlich und formal an diese in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebrachten Grundsätze gehalten. Sie wird dies auch für den Rest der Legislaturperiode tun.
In Ergänzung zu dieser Erklärung hat der Herr Bundeskanzler am 16. Oktober 1968 folgende weitere Erklärung abgegeben:
In der heiß umstrittenen Frage ... der Mitbestimmung wird die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode keine weiteren Schritte unternehmen als diejenigen, die sie in der Regierungserklärung angekündigt hat. Sie hat die von ihr in Aussicht gestellte Kommission unabhängiger Sachverständiger berufen; deren Bericht, welcher die Grundlage für weitere Überlegungen sein soll, muß abgewartet werden. Ich bin mir der großen gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Frage durchaus bewußt. Aber eben darum glaube ich, daß sie auf das gründlichste durchdacht werden muß und daß es daher für die Bundesregierung nicht möglich sein würde, in dieser Legislaturperiode einen weiteren Schritt zu tun als den, den wir gemeinsam bei der Gründung der Regierungskoalition ins Auge gefaßt haben.
Soweit dieses Zitat. Wir halten diese Aussage, der wir schon damals zugestimmt haben, nach wie vor für richtig.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat es für richtig gehalten, diese gemeinsam festgelegte Linie jetzt zu verlassen, in der sehr komplexen Materie der Mitbestimmung von sich aus initiativ zu werden und eigene Gesetzentwürfe vorzulegen, bevor die von der Regierung eingesetzte Sachverständigenkommission ihr Gutachten ausgearbeitet hat. Die Antragsteller haben wenige Monate vor dem Ende der Legislaturperiode ein Mitbestimmungspaket vorgelegt, obwohl dieses Haus vor der ohnehin nicht leichten Aufgabe steht, in der noch kurzen verbleibenden Zeit eine Reihe von sozial- und gesellschaftspolitisch nicht minder bedeutsamen gesetzgeberischen Vorhaben zu bewältigen, — Vorhaben, die gerade für die Arbeitnehmerschaft von großer Bedeutung sind. Ich denke dabei unter anderem an das Arbeitsförderungsgesetz, das Ausbildungsförderungsgesetz, das Berufsausbildungsgesetz und an den noch zu erwartenden Gesetzentwurf zur Lohnfortzahlung in Verbindung mit dem ersten Teil der Krankenversicherungsreform.
Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, daß sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion noch anläßlich der Verabschiedung des Mitbestimmungssicherungsgesetzes am 15. März 1967 in einer von meinem Kollegen Müller (Remscheid) abgegebenen gemeinsamen Koalitionserklärung dazu bekannt hatte, am Status quo der Mitbestimmung vor der Vorlage und Auswertung des Gutachtens der von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenkommission nichts zu ändern.

(Abg. Dorn: Hört! Hört!)

Die jetzt erfolgte Einbringung der Gesetzentwürfe ist nach unserer Auffassung der Sache nicht dienlich. Sie läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die von uns eingebrachte Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz begründen, da wir in unserem Entwurf vom 2. November 1967 — Drucksache V/2234 — bewußt und konsequent alle Fragen ausgeklammert haben, die mit der Mitbestimmung in Zusammenhang stehen. Es gibt wohl kein Mitglied dieses Hauses, dem nicht bekannt und bewußt wäre, daß es sich bei dem Mitbestimmungskomplex um eine vielschichtige, unter den verschiedensten Gesichtspunkten zu überdenkende Materie handelt, die nur in solider und intensiver Arbeit zu einem guten Ergebnis gebracht werden kann. In dieser Legislaturperiode steht auch nicht annähernd die für die Durchdringung all dieser Fragen notwendige Beratungszeit zur Verfügung, wie auch der SPD- Fraktion schon im Hinblick auf die Dauer der eigenen Beratungen und deren Schwierigkeiten bekannt ist. Die sozialdemokratische Fraktion hat zwölf Monate — das ist eine sehr kurze Zeit — für die schwierigen Probleme gebraucht; diesem Hause stehen noch zwölf normale Arbeitstagungswochen des Bundestages zur Verfügung.



Dr. Barzel
Unbeschadet dieser Auffassung zur Sache und zur Methode werden wir der Ausschußüberweisung natürlich ebenso zustimmen, wie wir uns einer Übernahme auf die Tagesordnung schon heute nicht widersetzt haben. Wir legen aber Wert darauf, daß die in den zuständigen Ausschüssen bereits vorliegenden Gesetzentwürfe — ich habe drei davon genannt — und die im Arbeitsprogramm der Bundesregierung und der Koalition noch vorgesehenen Gesetzesvorhaben vorrangig behandelt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer, meine Damen und Herren, die von großem Ernst und leidenschaftlicher Anteilnahme getragenen Diskussionen in den Parteigremien sowohl der CSU wie der CDU verfolgt hat, Diskussionen, denen die Öffentlichkeit durchweg aus allen Lagern hohen Respekt gezollt hat, der weiß, wie sehr wir uns bemühen, in dem Mitbestimmungskomplex zu einer den Interessen unseres ganzen Volkes dienenden sachgerechten Lösung zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Auch meine Fraktion ist einmütig der Auffassung — sie hat dies mehrfach zum Ausdruck gebracht —, daß es sich bei der Mitbestimmung um ein bedeutsames gesellschaftspolitisches Problem handelt, das in fortschrittlichem Geist und vor dem Hintergrund unserer bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Ordnung gesehen werden muß.
Schon in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hat die CDU/CSU-Fraktion unter der Führung von Konrad Adenauer das Mitbestimmungsgesetz für Kohle und Stahl wie auch das Betriebsverfassungsgesetz eingebracht und maßgeblich gestaltet. Wir werden uns auch deshalb künftig aufgeschlossen jeder Diskussion stellen und uns für eine Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung des wirtschaftlichen Geschehens einsetzen. Dabei haben wir auch alle Auswirkungen auf unsere Wirtschafts- und Sozialordnung und die Stellung unserer Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu berücksichtigen. Wir nehmen diese Diskussion sehr ernst, und wir werden uns dabei weder zu einem übereilten Handeln zwingen noch von außerparlamentarischen Organisationen, welche es auch immer sein mögen, unter Druck setzen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In einigen entscheidenden Fragen des Mitbestimmungsrechts gibt es gravierende unterschiedliche Auffassungen zwischen der CDU/CSU und der SPD, wobei ich nochmals gar nicht verschweigen möchte, daß auch in meiner Fraktion noch nicht alle Fragen endgültig ausdiskutiert werden konnten. Von einer sorgfältigen Durcharbeitung des Sachverständigengutachtens versprechen wir uns eine Klärung noch offener Fragen und damit einen Beitrag zur eigenen Meinungsbildung und zur Versachlichung auch der öffentlichen Diskussion. Wir halten es für sinnlos, solch ein Gutachten in Auftrag zu geben und dann zu entscheiden, bevor es vorliegt. Solide Reformen lassen sich nur auf einem Wege erreichen: durch sachliche Diskussion ohne Druck, und nur solide Reformen sind verantwortbar.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521013800
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521013900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten bedauert, daß es nicht möglich war, sich im Ältestenrat darauf zu verständigen, diese Debatte um ein oder zwei Sitzungswochen zu verschieben, bis auch unsere Vorlage dazu, nämlich zu dem Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes, vorgelegen hätte. Im allgemeinen war es ja üblich, gegenseitig auf Initiativen Rücksicht zu nehmen.
„Mitbestimmung" ist ein, ich möchte fast sagen, verführerisches Wort, dem zuzustimmen niemandem schwerfällt, wenn man nur den Klang dieses Wortes in den Ohren hat, ohne sich aber mit den Auswirkungen im einzelnen auf die verschiedensten Bereiche des gesellschaftspolitischen Lebens wirklich auseinanderzusetzen. Die Forderung nach Mitbestimmung ist in den letzten Monaten im Zuge des wachsenden Demokratisierungsprozesses stärker geworden. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, daß die Bereitschaft zur intensiven Diskussion darüber, wie denn das wirklich gehandhabt werden soll, bei manchen nachläßt. Es ist sogar feststellbar, daß für manche politischen Schwärmer jeder bereits jenseits der Diskussionsfähigkeit ist, der überhaupt laut darüber nachdenkt, ob die Ausweitung der Mitbestimmung in den verschiedenen Bereichen unseres Lebens tatsächlich zum Nutzen derjenigen ist, in deren Namen diese Forderungen immer erhoben werden. Auch das muß gründlich untersucht werden.

(Beifall bei der FDP.)

Ein demokratischer Staat wird selbstverständlich innerlich um so gefestigter sein, je mehr Möglichkeiten wir bieten, an der Gestaltung mitzuwirken, mitzubestimmen und mitzuentscheiden. Aber wir wissen natürlich auch, daß die Forderungen, die in letzter Zeit von bestimmten Gruppen immer wieder erhoben werden, die direkte Demokratie einzuführen, eine reine Utopie sind, auf jeden Fall eine Utopie sein müssen, solange wir nicht ein Bildungssystem haben, das jedem einzelnen, der mitbestimmen soll — ganz gleich, in welchen Bereichen unseres Lebens —, das notwendige Wissen vermittelt, damit er zu Entscheidungen befähigt ist. Deshalb ist die Frage der Bildungspolitik im Zusammenhang mit der gesamten Mitbestimmungsdiskussion eine ganz wesentliche Position.

(Beifall bei der FDP.)

Aus der Diskussion über die Frage, wie dieses Thema behandelt werden soll, geht ja hervor, daß der Koalitionskompromiß, den man geschlossen hatte, offensichtlich gescheitert ist. In der Regierungserklärung — Herr Kollege Barzel hat es schon zitiert — war ausdrücklich festgelegt, daß ein Bericht gegeben werden und als Grundlage weiterer Überlegungen dienen sollte. Es kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß mit den vorliegenden Entwürfen der SPD weitere Überlegungen auf Grund einer solchen Enquete, eines solchen Berichts ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang er-



Mischnick
hebt sich natürlich für mich die Frage, wie weit die Regierungserklärung dieser Koalition überhaupt noch Grundlage der Arbeit der Fraktionen dieser Koalition darstellt. Ich bedaure es sehr, daß der Regierungschef zu dieser wichtigen Frage kein klärendes Wort sagt; denn er bestimmt doch die Richtlinien der Politik.

(Beifall bei der FDP.)

Es wäre doch notwendig, hier mindestens zum Ausdruck zu bringen, ob die Bundesregierung an ihrer Auffassung festhält, den Bericht abzuwarten, bevor sie dazu Stellung nimmt, oder ob man die Dinge einfach weiter schlittern läßt, jeder Gruppe in der Koalition, die anderer Auffassung ist, jede Gesetzesinitiative ermöglicht und sich darauf zurückzieht: Nun ja, Initiativen aus dem Haus sind verständlich und begrüßenswert; wir, die Regierung, haben damit nichts zu tun.
Wir Freien Demokraten halten es überhaupt für schlecht, daß dieses Gesamtthema der Mitbestimmung, die eine entscheidende gesellschaftspolitische Frage darstellt, in einer Art Husch-Husch-Verfahren hier in sechs Monaten über die Bühne gebracht werden soll. Das ist nach unserer Meinung diesem Thema nicht angemessen.

(Beifall bei der FDP.)

Meine Damen und Herren von der SPD, dem aufmerksamen Beobachter fällt natürlich auf, daß Sie die ganze Zeit — auch mit Ihren eigenen Erklärungen in diesem Hause — laviert haben. Die — rein zeitlich gesehen — späte Vorlage zum Ende der Legislaturperiode macht doch deutlich, daß die ernsthafte Bereitschaft, die Überzeugung, daß diese Gesetzentwürfe in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könnten, auch bei der einbringenden Fraktion nicht vorhanden sein kann.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Diesen Entwürfen ist ja bin wechselvolles Spiel der Stellungnahmen vorausgegangen. Herr Kollege Schmidt hat selbst auf einige davon hingewiesen. Ich kann es mir deshalb ersparen, das hier zu zitieren. Aber ein Zitat, Herr Kollege Schmidt, möchte ich doch erwähnen. Am 30. Juni 1967 wurde für die SPD eine Erklärung abgegeben — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —, in der es wörtlich heißt:
Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich daher sehr darum bemühen, daß eine Sachverständigenkommission zur Begutachtung der Erfahrungen im Bereich der Mitbestimmung baldigst eingesetzt wird, um in die Lage gesetzt zu werden, auf Grund dieses Gutachtens
— ich wiederhole: auf Grund dieses Gutachtens —
bessere und weitreichende Vorschläge auf dem Gebiet der Mitbestimmung im Betrieb machen zu können.
So Ihre eigene Erklärung vom 30. Juni 1967.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Ich habe nicht gewußt, daß Sie diese eigenen Erklärungen nicht so ernst nehmen, wie wir sie genommen haben, weil wir meinten, es sei wirklich gut,
wenn hier objektive Grundlagen vorhanden sind. Ich muß dem Kollegen Barzel recht geben, wenn er sagt: Für uns war von der Koalitionsvereinbarung her der Tatbestand klar: erst der Bericht, dann die Entscheidung. Denn, Herr Kollege Schmidt, als wir miteinander über die Möglichkeit einer Koalition sprachen, wurde ja genauso gesagt: erst ein Bericht, und in dieser Legislaturperiode keine Entscheidung mehr. Insofern ist der Tatbestand in beiden Gesprächen gleich gewesen, und es spricht viel dafür, daß die Darstellung des Kollegen Barzel richtig ist.
Das alles, meine sehr verehrten Damen und Herren, erweckt doch den fatalen Eindruck, daß hier von der SPD zwischen der Scylla der Regierungserklärung auf der einen Seite und der Charybdis des DGB auf der anderen Seite laviert wird. Das ist doch das Problem, um das es hier geht.

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte den Notenkrieg, der im einzelnen zwischen den Koalitionsparteien geführt worden ist, hier nicht noch näher beleuchten, aber unabhängig von diesem Fingerhakeln, das zwischen den Koalitionsfraktionen stattgefunden hat, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Frage der Sachverständigenkommission. Hier war wiederum mit Recht kritisiert worden, daß es ein Jahr gedauert hat, bis diese Kommission überhaupt in Gang kam, bis sie bestimmt werden konnte. Und, Herr Kollege Schmidt, es war für mich interessant, beim Nachlesen festzustellen, daß Sie baten, doch einmal öffentlich mitzuteilen, welchen Auftrag diese Kommission im einzelnen erhalten hat. Ich hoffe, daß Sie inzwischen darauf eine Auskunft bekommen haben. Mich berührt es allerdings etwas merkwürdig, daß der Vorsitzende einer Koalitionsfraktion in der Öffentlichkeit fragen muß, welchen Auftrag eine Kommission von der Regierung, die er doch — wie immer wieder gesagt wird — entscheidend mitgestaltet, bekommt.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, die Grundsatzfragen der Mitbestimmung sind von der Regierung bisher nicht in einem zusammenhängenden Konzept dargestellt worden. Es gibt dafür die Erklärung: Wir wollten abwarten, bis der Bericht vorliegt. Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, auch hier einmal darauf hinzuweisen, daß der Begriff „Mitbestimmung" allmählich in einer Art babylonischer Sprachverwirrung zu den verschiedensten falschen Ausdeutungen und auch oft zu einer Abwehr benutzt wird, um nicht in bestimmten Fragen sachlich zu Entscheidungen zu kommen.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Der Begriff „Mitbestimmung" ist für viele heute so eine Art Zauberformel, ich möchte sagen: ein gesellschaftspolitisches Sesam-öffne-dich geworden, ohne daß man sich aber Klarheit verschafft, wie die unterschiedlichen Vorstellungen darüber und wie die strukturellen Veränderungen unserer Gesellschaft wirklich richtig bewertet werden müssen.
Natürlich ist unbestreitbar - und darauf ist hingewiesen worden —, daß dieser Begriff „Mitbestimmung", wenn er dann auch noch mit dem geläufi-



Mischnick
gen Begriff „Establishment" zusammengebracht wird, eine ungeheure Faszination auf viele jüngere Menschen ausübt. Aber diese schillernde Vokabel „Mitbestimmung" zwingt uns doch, einmal zu versuchen, hier konkret darzulegen, um was es dabei im einzelnen wirklich gehen soll. Wir sind der Meinung, daß es keinen Zweck hat, diese Diskussion mit den vielen Schlagworten, die gerade in letzter Zeit wieder verbreitet worden sind, zu führen. Ich erinnere daran, daß es in Anzeigen des DGB geheißen hat: „Vorstoß zur wahrhaft menschlichen Ordnung", „Aufhebung der Alleinherrschaft des Eigentums", „Beseitigung der Fremdbestimmung", „Ende des Herr-im-Hause-Standpunktes" und was weiß ich alles.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Schlagworte bringen uns in der sachlichen Diskussion um keinen Schritt weiter, und es wäre wirklich gut, wenn man endlich aufhören würde, solche aus altem Klassenkampfdenken stammenden Parolen in die Mitbestimmungsdiskussion hineinzubringen.

(Beifall bei der FDP.)

Diese Parolen gehören doch in die Kategorie der „klaren, aber falschen Ideen". Ein anderer Kritiker hat einmal gemeint, das seien Simplifizierungen, die — jetzt wörtlich — „dadurch, daß sie in so bedauerlichem Maße einleuchtend sind, schwere Rauschzustände hervorrufen". Für manche bezeichnet die Vokabel „Mitbestimmung" einen Rauschzustand, ohne daß die meisten wissen, wie man die Dinge wirklich anpacken sollte.
Meiner Auffassung nach sollte man die Diskussion auf den Kern der Sache konzentrieren. Da komme ich zu folgenden, meiner Ansicht nach wesentlichen Fragenkomplexen. Erstens: das Recht, darüber informiert zu werden, was im Betrieb geschieht. Zweitens: das Recht des Betriebsangehörigen, darüber unterrichtet zu werden, wie es um den Betrieb wirtschaftlich steht. Drittens: die Forderung nach einer weiteren Ausfüllung des Prinzips des Sozialstaates nach Art. 20 unseres Grundgesetzes in weitestem Umfang, allerdings nach unserer Auffassung einschließlich einkommenspolitischer, vermögenspolitischer und arbeitsrechtlicher Fragen. Das alles gehört unserer Auffassung nach in diesen Bereich der konkreten Mitbestimmung hinein.

(Beifall bei der FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Probleme, die in der Tat in diesen Bereichen stecken und auch nach Auffassung der Freien Demokraten neuer Überlegungen und neuer Lösungen bedürfen, werden jedoch nach unserer Überzeugung weder durch das Montanmodell noch durch eine Reihe sonstiger Vorstellungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, in deren Schlepptau sich die SPD-Entwürfe in vielen-Punkten befinden, noch durch bestehende Gesetze tatsächlich gelöst. Es ist nötig, neue Überlegungen anzustellen. Denken Sie etwa an die Formulierung dessen, was man paritätische oder erweiterte oder überbetriebliche Mitbestimmung nennt. Einmal hat es ja sogar — ich glaube, bis 1965 — qualifizierte Mitbestimmung geheißen. Aber dann hat man gemerkt, wie schlecht doch dieser Ausdruck ist; denn man qualifiziert ja die anderen, die im Betriebsverfassungsgesetz angesprochen sind, mit dem Montanmodell ab. Deshalb ist dieser Ausdruck fallengelassen worden.
Die Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung ist ja an sich der Kern der Überlegungen, die Sie, meine verehrten Kollegen von der SPD, vorgetragen haben. Aber gerade bei dieser Form der Mitbestimmung nach dem Montanmodell handelt es sich unserer Meinung nach um eine spezifische Form gewerkschaftlichen Engagements in der Bundesrepublik, wie wir es sonst nirgends in der Welt finden, auch nicht in Staaten mit langer demokratischer Tradition. Es muß doch nachdenklich stimmen, wenn nach der verhältnismäßig langen Praxis im Montanbereich kein positives Echo aus der internationalen Gewerkschaftsbewegung darauf zu verzeichnen ist. Eine Expertentagung, die Ende 1967 in Genf stattfand, brachte im Gegenteil das Ergebnis, daß das deutsche Modell der Montan-Mitbestimmung für Schlußfolgerungen im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation ungeeignet sei.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

So das Urteil der internationalen Gewerkschaftsorganisation über das Montanmodell.

(Abg. Matthöfer: Seit wann ist denn die Arbeitsorganisation eine Gewerkschaftsorganisation?)

— Entschuldigung, Arbeitsorganisation natürlich! Ich habe gesagt, daß die Dinge dort beraten worden sind. Sie werden aber doch nicht abstreiten, daß das sachverständige Leute gewesen sind. Es war doch nicht ein Arbeitgeberinstitut, das das dort verkündet hat.

(Zuruf des Abg. Russe [Bochum].)

Meine Damen und Herren! Die Ausdehnung des Montanmodells auf andere Unternehmensbereiche ist nach unserer Überzeugung auch kein originäres Anliegen einer Mehrheit von Arbeitern und Angestellten, sondern stellt für uns eine typische Organisationsforderung des DGB und nicht einmal aller Gewerkschaften dar.

(Abg. Glombig: Das ist Ihre Behauptung, das ist durch nichts bewiesen!)

— Ja, das ist meine Behauptung, weil ich bei Betriebsbesichtigungen in vielen Gesprächen mit Betriebsräten und Belegschaftsmitgliedern festgestellt habe, daß die Fragen der Übernahme der Montanmitbestimmung eine ganz untergeordnete Rolle, alle Fragen zu sozialpolitischen Entscheidungen, die wir hier über Rentenversicherung und Krankenversicherung fällen, aber eine viel, viel größere Rolle spielen. Das ist der Tatbestand.

(Beifall bei der FDP.)

Aber auch wenn man sich nun einmal die vielzitierte tatsächliche oder vermeintliche Objektsituation des Arbeitnehmers, die Fremdbestimmung, das Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers ansieht und darüber nachdenkt, dann muß man doch zu dem Ergebnis kommen, daß dieses Modell, das hier von der SPD vorgeschlagen wird, nicht brauch-



Mischnick
bar ist. Diese Abhängigkeit ist doch weder von einer bestimmten Zahl der Beschäftigten noch von einem bestimmten Umsatz, noch von einer bestimmten Bilanzsumme, noch von einer bestimmten Rechtsform der Gesellschaft oder einem bestimmten Grund- oder Stammkapital abhängig. Das ist doch eine Frage, die generell zu sehen ist und die man deshalb nicht mit einer Einteilung der Wirtschaft in Größere und Kleinere behandeln und lösen kann. Deshalb scheint uns schon von der Anlage her dieses System nicht sinnvoll zu sein.
Wir sind auch überzeugt, daß bei einem funktionierenden Betriebsrat und einer Ausschöpfung der Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes Schwierigkeiten überwunden werden können, wo sie vorhanden sind, und zwar oft genausogut, zum Teil besser als durch den — um das ganz deutlich zu sagen — personellen Austausch vom zum Teil betriebsfremden Aufsichtsratsmitgliedern oder die Unterstellung von Sozial- und Personalabteilungen unter einem Arbeitsdirektor. Die Praxis hat doch gezeigt, daß gerade dieses Modell kein geeignetes Instrument ist, um sich auf eine wandelnde Bedarfsstruktur mit all ihren Problemen für Beschäftigte und Betriebe rechtzeitig einzustellen. Im Gegenteil, das Zusammentreffen von Branchen- und Organisationsegoismus, wie wir es in der Vergangenheit erlebt haben, wird doch eher zu Forderungen an die Allgemeinheit, an den Staat führen, als zu rechtzeitigen, wenn auch in der Sache oft harten Anpassungsprozessen. Die Beispiele an der Ruhr und im Saargebiet machen das deutlich. Die dringend notwendige Lösung der Strukturprobleme gerade in diesen Gebieten ist doch nicht zuletzt deshalb verzögert worden, weil sich eben in den paritätisch mitbestimmten Betrieben in den Jahren 1963/1964 nicht die entsprechenden Mehrheiten fanden, rechtzeitig Veränderungen vorzunehmen, weil Bremsen aus diesem Bereich kamen.

(Abg. Russe [Bochum] : Stimmt doch gar nicht! Das glauben Sie selber nicht!)

— Damals wären günstige Voraussetzungen gewesen, Herr Kollege Russe.

(Abg. Russe [Bochum] : Das habe ich Ihnen schon einmal widerlegt!)

Wir wissen ganz genau: Als in Nordrhein-Westfalen von unserem Freunde Kienbaum die Vorschläge kamen, entsprechende Veränderungen vorzunehmen, da waren es Arbeitgeber plus Gewerkschaften, die dagegen Stellung nahmen und eine rechtzeitige Veränderung verhinderten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521014000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Russe?

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0521014100
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen in Erinnerung, daß zu dieser Zeit der gerade von Ihnen zitierte Staatsminister a. D. Kienbaum selbst Mitglied eines mitbestimmten Aufsichtsrates war und persönlich aus seiner Vorstellung nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat, nämlich — sinnvollerweise — zurückzutreten?

(Oho-Rufe und Lachen bei der FDP.)


Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521014200
Herr Kollege Russe, das scheint mir doch eine etwas zu leichte Art, zu versuchen, die konstruktiven Vorschläge, dort eine Strukturveränderung vorzunehmen, auf diese Weise wegzuwischen. Die Tatbestände sind bekannt. Wir wissen ja, was im Landtag damals geschehen ist.

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0521014300
Entschuldigen Sie, Sie haben mich mißverstanden; vielleicht habe ich mich auch schlecht ausgedrückt. Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe gemeint: im Aufsichtsrat des Unternehmens zurückzutreten, das mitbestimmt war und in dem er als Repräsentant des Landes Nordrhein-Westfalen saß, Herr Kollege Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521014400
Herr Kollege Russe, es geht doch hier um die generelle Lösung und nicht um die Frage, ob der einzelne Betrieb das allein geschafft hätte. Hier war es doch leider die Gemeinsamkeit der entsprechenden Organisationen, die sich negativ ausgewirkt hat. Dagegen habe ich mich gewandt. und, wie ich meine — die Tatsachen beweisen es —, zu Recht gewandt.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Sie haben unglückseligerweise Herrn Kienbaum als Kronzeugen genannt! Das ist immer gefährlich!)

— Das ist nicht unglückseligerweise geschehen, sondern ich bin sehr froh darüber, daß er diese Meinung dort vertreten hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521014500
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buschfort.

Hermann Buschfort (SPD):
Rede ID: ID0521014600
Herr Kollege Mischnick, glauben Sie, daß die Betriebsstillegungen im Bergbau besser oder schlechter abgewickelt wurden im Verhältnis z. B. zu Borgward oder zu den vielen Textilbetrieben, oder sind Sie nicht vielmehr der Auffassung, daß in diesem Bereich der soziale Gesichtspunkt mit Abstand besser zum Tragen gekommen ist als bei den anderen Betriebsstillegungen?

(Abg. Freiherr von Kühlmann-Stumm: Aber zehn Jahre zu spät!)


Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521014700
Herr Kollege, ich spreche davon, daß die Bereitschaft, sich gemeinsam umzustellen, nicht rechtzeitig vorhanden war. Ich spreche nicht von dem Einzelbetrieb. Hier geht es doch um die grundsätzliche Lösung, und dem versuchen Sie leider immer wieder auszuweichen.
Aber es kommt noch eine andere Überlegung, meine Damen und Herren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521014800
Herr Abgeordneter Mischnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Junghans?

(Zuruf von der FDP: Aha, die Betroffenen melden sich!)





Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0521014900
Herr Kollege Mischnick, Sie haben eben gesagt, es ging um die generelle Lösung bei der Ruhr-Krise, nicht um einzelne Betriebe.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521015000
Nicht nur!

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0521015100
Sind Sie dann bereit, zuzugeben, daß die Unternehmensverfassung mit der generellen Wirtschaftspolitik nichts zu tun hat?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521015200
Lieber Herr Kollege, hier unterliegen Sie leider einem Irrtum. Ihnen ist jetzt offensichtlich nicht gegenwärtig, daß ein gleichmäßiges Handeln der von mir angesprochenen Organisationen in allen betreffenden Aufsichtsräten spürbar war und daß sie ihre Erklärungen in der Öffentlichkeit gemeinsam abgeben. Darauf habe ich abgestellt, auf nichts anderes.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es gibt aber noch eine andere Frage, die mit der sogenannten — früher qualifizierten, heute paritätischen — Mitbestimmung zusammenhängt. Dieses System wird nämlich bisher nur bei uns in der Bundesrepublik praktiziert. Damit ergeben sich eine Reihe schwerwiegender wirtschaftspolitischer Auswirkungen, nach unserer Auffassung insbesondere im Rahmen der EWG, schon aus dem heutigen Tatbestand, erst recht, wenn eine Erweiterung vorgenommen werden soll. Wir wissen doch, daß sich heute, um dem Druck kapitalkräftiger amerikanischer Unternehmen widerstehen zu können, immer mehr Unternehmen aus dem Raum der EWG zusammenschließen wollen. Hier ist eine neue Form von europäischen Gesellschaften im Werden. Bei der Wahl ihres Sitzes werden solche Zusammenschlüsse an der Bundesrepublik Deutschland vorbeigehen, oder es besteht die Gefahr, daß sie an der Bundesrepublik Deutschland vorbeigehen, wenn sie bei uns anderen arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen als in den übrigen EWG-Ländern unterworfen sind. Auch das ist eine Frage, die wir sehr nüchtern prüfen müssen, wofür wir den Bericht dieser Kommission gern haben wollten.
Ein weiteres zentrales Thema in der Mitbestimmungsdiskussion ist, wie ich schon kurz andeutete, die Frage der Abhängigkeit des Arbeitnehmers und der Überwindung dieser Abhängigkeit. Aber es ist doch nicht so, daß eine Abhängigkeit allein für den Arbeitnehmer typisch wäre; das mag früher so gewesen sein. Der heutige Wandel unserer Bedarfsstruktur und der damit auch verbundene Wandel der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur schaffen doch durch die fortschreitende Arbeitsteilung und das räumliche Zusammenrücken der Menschen fortwährend neue und zusätzliche Abhängigkeiten, allerdings auch neue Freiheiten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, für Selbständige wie für Unselbständige. Hier ist ein ständiger Wandel im Gange, den man mit berücksichtigen muß. Worin sie sich unterscheiden, ist nicht das Maß, sondern sind die Formen dieser Abhängigkeiten.
Es ist auch kein Zufall — auch das sollte man bei einer solchen Debatte einmal sagen —, daß heute viele Selbständige ihre Existenz selbst dann aufgeben, wenn sie noch ein ausreichendes Einkommen haben, weil sie eben Sorgen und Ärger — besonderer Arten der Abhängigkeit — loswerden wollen und lieber in eine abhängige Stellung gehen. Auch hier sind doch Abhängigkeiten neuerer Art vorhanden, die man mit bedenken muß, wenn man das Gesamtthema diskutieren will.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Ich bin deshalb der Auffassung: Wer diese Frage meistern will, darf eben nicht alles auf das naive Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnis oder auf die Kapital/Arbeit-Frontstellung reduzieren, sondern man muß es im Gesamtzusammenhang unserer ganzen gesellschaftspolitischen Entwicklung sehen.
Wenn eben die mitmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz im Betrieb nicht in Ordnung sind, entsteht beim Arbeiter und beim Angestellten das Gefühl, nur Objekt zu sein. Diese Dinge in Ordnung zu bringen und in Ordnung zu halten, ist notwendig. Wir müssen dafür sorgen, daß der Mensch am Fabriktor oder am Spind den Menschen abgibt und bis zum Abend nicht nur als Produktionsfaktor Arbeit zählt, dafür sorgen, daß der entsprechende Umgangston herrscht, dafür sorgen, daß auch die Meinung dessen gehört wird, der bei Änderungen betroffen wird. Dazu bekennen wir uns; das wollen wir mit einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes erreichen.

(Beifall bei der FDP.)

Das sind auch unserer Meinung nach die entscheidenden Aufgaben, die in Angriff genommen werden müssen, die aber nicht durch den Austausch betriebsfremder Personen in den Aufsichtsräten gelöst werden können,

(Beifall bei der FDP) das mit Sicherheit nicht.

Aber um überhaupt zu erreichen, daß eine entsprechende Mitwirkung, Mitbestimmung möglich ist, muß auch das Selbstbewußtsein, die Selbstsicherheit jedes einzelnen, der da mitwirkt, gestärkt werden. Wo das fehlt, da wird eben viel hingenommen, da wird viel geduldet.

(Zuruf links: Deswegen die Mitbestimmung !)

Die berufliche Leistungsfähigkeit, das fachliche Können, die Zuverlässigkeit in der Arbeit sind nach meiner Überzeugung die beste Basis, die nicht nur Selbstsicherheit im Verhalten, sondern auch ein Gefühl der Unabhängigkeit gewährt. Wer das erkennt, weiß, daß hierzu auch eine qualifizierte Ausbildung, die Möglichkeit einer beruflichen Fort- und Weiterbildung und auch die Möglichkeit eines Berufswechsels gehören. Diese Unabhängigkeit zu stärken und damit den einzelnen selbstbewußter zu machen, das scheint uns ein lohnendes Objekt der Diskussion zu sein.
Berufliches Können und fachliche Qualifikation sind natürlich nicht nur eine Voraussetzung für eine solche Entwicklung, sondern nach meiner Über-



Mischnick
zeugung auch die Voraussetzung für die Fähigkeit, mitzuentscheiden und mitzubestimmen.

(Abg. Genscher: Wissen Sie, wo die Regierung eigentlich ist, Herr Mischnick?)

— Ich hörte, es soll eine Kabinettssitzung sein. Aber die Regierung ist ja an diesem Thema uninteressiert, wie wir inzwischen gehört haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Die Stellung des Arbeiters und des Angestellten im Betrieb wird ja durch eine Summe von Faktoren bestimmt und nicht allein durch die Interessen des Kapitaleigners. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß heute der Kapitaleigner in manchen Betrieben nicht mehr nur mit dem Unternehmer oder dem Unternehmen, sondern schon mit einem Teil der Belegschaft identisch ist. Auch das muß bedacht werden, wenn diese Fragen behandelt werden.
Wir meinen, daß die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit oft auch ein solches Schlagwort geworden ist. Mein Kollege Fertsch-Röver, der Vorsitzende der Selbständigen Unternehmer, hat einmal, als er gefragt wurde, ob er bereit sei, die Faktoren Arbeit und Kapital gleichberechtigt nebeneinander zu sehen, schlicht gesagt: „Nein, denn die Arbeit ist wichtiger als das Kapital in meinem Betrieb." Aber es ist doch eine ganz andere Frage, wie ich die Form des Unternehmens gestalte, wie ich es sinnvoll führe.

(Beifall bei der FDP.)

Heute ist es doch gar nicht mehr so, daß hier Unternehmer und dort Arbeitnehmer stehen. Gerade in den größeren Betrieben, die Sie mit Ihrem Entwurf ansprechen wollen, handelt es sich doch, wenn ich es etwas abstrahieren will, um eine Art Dreieck, das hier besteht, nämlich: Kapitaleigner, Management und Belegschaft. Hier sind drei Faktoren, die miteinander im Gespräch sind.

(Abg. Russe [Bochum] : Noch mehr!)

— Ich bin bereit, „noch mehr" zu sagen. Aber das sind die drei Hauptgruppierungen, die doch hier eine entscheidende Rolle spielen.
Wenn man von der Demokratisierung der Wirtschaft spricht, wenn man von Machtmißbrauch spricht, dann möchte ich dazu feststellen, daß es mir doch recht problematisch erscheint, wenn gesagt wird,_ daß mit der Verwirklichung so mancher Mitbestimmungsforderungen ein Machtmißbrauch verhindert werden solle, daß er da, wo er drohe, dann nicht komme. Grundsätzlich ist doch keine Institution — ganz gleich wo —, der Gelegenheit zur Machtausübung gegeben ist, vor Machtmißbrauch gefeit. Die Gefahr wächst doch um so mehr, je mehr Macht über Personen und Sachen einer solchen Institution zuwächst. Mit dem Recht einer Organisation, Hunderte oder Tausende von Aufsichtsratsposten zu besetzen, wird die Gefahr des Machtmißbrauchs aus einer Machtkonzentration heraus geradezu heraufbeschworen.

(Beifall bei der FDP.)

Auch diesen Punkt muß man doch sehen.
Wir sind froh darüber, daß in dem Entwurf der SPD wenigstens insofern ein Fortschritt entstanden ist, nämlich die Delegation von außen in den Aufsichtsrat einzuschränken und eine Wahl durch den Betrieb vorzusehen. Wir gehen von der grundsätzlichen Auffassung aus, daß, wer in einem Betriebsrat, in einem Aufsichtsrat tätig ist, aus dem Betrieb stammen muß und nicht von außen hineindelegiert werden soll.

(Beifall bei der FDP.)

Die Belegschaft soll aus ihren eigenen Reihen bestimmen und nicht Fremde bestimmen, die für sie tätig werden.

(Beifall bei der FDP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe davon gesprochen, daß wir die Debatte gern ein wenig später gesehen hätten, weil bei uns ein Gesetzentwurf zum Betriebsverfassungsgesetz in Arbeit ist. Ohne daß ich hier künftige Entscheidungen präjudizieren will, möchte ich darauf hinweisen, daß es uns darum geht, daß man einige Rechte der Arbeitnehmer — ich denke an den Gesetzentwurf zum Minderheitenschutz, ich denke an Ihre Vorschläge zum Betriebsverfassungsgesetz und an das, was wir in Arbeit haben — vielleicht in diesem begrenzten Bereich in den nächsten Monaten noch behandeln kann; auf keinen Fall kann das Gesamtthema hier abschließend geregelt werden.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Wir erwarten aber auch, daß alle diejenigen, die sich hier zu mehr Mitbestimmung bekennen, bereit sind, bei der Ausschöpfung der bereits vorhandenen Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes mitzuwirken. Wir haben den Eindruck, daß von mancher Seite, auch gewerkschaftlicher Seite, oft gebremst wird — wenn ich an den Wirtschaftsausschuß denke —, offensichtlich weil man die Gefahr sieht, durch eine solche Ausschöpfung könnte deutlich werden, daß ein Mehr an Gesetzgebung gar nicht notwendig sei. Wir wollen aber auch, daß diese Möglichkeiten erweitert werden.
Wenn, wie in einer Mitteilung der SPD gesagt wird, über 50 % der betriebsratsfähigen Betriebe keinen Betriebsrat haben, so braucht das noch kein Zeichen einer feindlichen Einstellung der betreffenden Unternehmen zu sein; es kann auch der Beweis dafür sein, daß es auch ohne Betriebsrat geht. Aber hier hätten wir ja gerade aus der Untersuchung der Kommission mehr Aufschluß darüber erhalten können, welche Gesichtspunkte dazu geführt haben, daß bestehende gesetzliche Bestimmungen noch nicht voll ausgenutzt worden sind.

(Abg. Russe [Bochum]: Das ist gar nicht Aufgabe der Kommission, Herr Kollege Mischnick!)

— Wenn es keine Aufgabe der Kommission ist, dann bedauere ich das. Sie wissen's besser als wir, die wir nicht der Regierung angehören. Aber es wäre doch, wenn ich eine Kommission damit beauftrage, die Erfahrungen mit der Mitbestimmung zu untersuchen, sinnvoll, auch danach zu fragen, warum manche



Mischnick
Betriebe keinen Betriebsrat haben, obwohl sie ihn haben könnten, welche Ursachen dafür vorliegen. Das würde ich für selbstverständlich halten.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Russe [Bochum] : Ich kann doch nicht annehmen, daß Sie das im Ernst nicht wissen!)

— Lieber Kollege Russe, Sie sagen: „Ich kann doch nicht annehmen, daß Sie im Ernst nicht wissen, daß das so ist."

(Abg. Russe [Bochum] : Das ist doch Demagogie, was Sie hier vortragen!)

- Ich nehme Ihre Frage gern auf. Wenn Sie das sagen, müssen Sie natürlich schleunigst beschließen, daß die Kommission ihre Arbeit einstellt. Denn Sie haben ja auch viele Kenntnisse, die vielleicht durch die Kommission bestätigt werden. Vielleicht sind es andere Überlegungen. Wir wollten ja gerade durch eine solche Kommission eigene Kenntnisse untermauert bekommen. Ich würde deshalb die Arbeit von Kommissionen nicht mit solchen — gestatten Sie mir, das zu sagen - recht primitiven Zwischenrufen abwerten.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Russe [Bochum] : Herr Kollege Mischnik, ich habe Sie persönlich gemeint, nicht die Kommission! Sie persönlich! Tun Sie doch nicht so, als wenn Sie das nicht wüßten!)

— Herr Kollege Russe, ich würde

(Abg. Russe [Bochum] : Das ist doch Demagogie, was Sie hier praktizieren!)

natürlich überrascht sein, wenn diese Mitbestimmungskommission in der Sache weniger Kenntnisse hätte als ich, der ich mich mit diesen Dingen zwar auch beschäftige, aber kein spezieller Sachverständiger bin. Das würde mich überraschen.

(Abg. Russe [Bochum]: Das merkt man, daß Sie kein Sachverständiger sind!)

— Aber jetzt wissen Sie doch nicht recht, was Sie wollen, Herr Kollege Russe. Eben machen Sie mir den Vorwurf, ich wüßte das doch alles, anschließend sagen Sie, man merke, .daß ich kein Sachverständiger bin. Sie widersprechen sich laufend selbst. Es hat keinen Zweck mehr, darüber zu reden.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Russe [Bochum] : Wenn man Ihnen die Wahrheit sagt, hat es nie Zweck; das kennen wir!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein zweiter Punkt, der im Betriebsverfassungsgesetz nach unserer Auffassung anders geregelt werden sollte, — —

(Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521015300
Meine Damen und Herren, darf ich um etwas mehr Ruhe im Saal bitten, damit der Redner vortragen kann.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521015400
Ein zweiter Punkt ist die Frage der soziologischen Minderheitengruppen. Wir sind der Meinung: Hier müssen ganz klar im Gesetz den Minderheiten die Rechte eingeräumt werden, die, wie ich hoffe, alle bei der ersten Gestaltung dieses Gesetzes wollten. Unser Recht trägt ja in mancherlei Weise der soziologischen Struktur unserer Gesellschaft Rechnung. Wir wissen, daß es auch in diesem Bereich, insbesondere aber im politischen Bereich, zahlreiche Ideologen gibt, die am liebsten gar keine Gliederung mehr haben wollen. Sie träumen dann von der nivellierten Einheitsgesellschaft, weil sie sich der Illusion hingeben, daß mit einer solchen Einheitsgesellschaft alle Konflikte, die sich aus den tatsächlichen und rechtlichen Gliederungen ergeben, automatisch aufhören würden.
Natürlich kann man darüber streiten, ob die heutige Abgrenzung der soziologischen Gruppen in Arbeiter und Angestellte gesellschaftspolitisch noch den Gegebenheiten und Erfordernissen entspricht. Aber wir haben diese Minderheiten; sie sind im Gesetz verankert. Das Betriebsverfassungsgesetz versucht hier, den tatsächlichen Gegebenheiten durch Einteilung in Arbeitnehmergruppen zu entsprechen. In der Praxis sieht das aber leider anders aus. Hier müssen wir doch dafür sorgen, daß die Majorisierung von Minderheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz für die Zukunft aufhört. Wir wollen klargestellt haben, daß eben eine Gruppe, die als Minderheit in den Betriebsrat gewählt wird, bei der Wahl der Vertreter in den Aufsichtsrat die gleiche Chance hat, wie sie der Gesetzgeber für den Betriebsrat vorgesehen hat,

(Sehr richtig! bei der FDP)

und dazu muß man sich hier bekennen. Wer das nicht will, soll den Mut haben zu sagen: Nein, wir wollen die Minderheiten eben nicht schützen.

(Beifall bei der FDP.)

Es ist einfach nicht redlich, wenn man bei der Gruppenwahl zum Betriebsrat zustimmt, daß die Angestellten — in absehbarer Zeit vielleicht in manchen Betrieben die Arbeiter — als Minderheitengruppe berechtigt sind, eigene Vertreter durchzubringen. Aber wenn es dann weitergeht, auf die nächste Ebene geht, wird das Ganze unterlaufen.
Weiter sollten wir daran denken, daß das Betriebsverfassungsgesetz in seiner gegenwärtigen Form in erster Linie eine Vertretung der Interessen soziologischer Gruppen garantiert, nicht aber vornehmlich den einzelnen Mann oder die einzelne Frau im Betrieb im Auge hat. Das sollte doch nicht der eigentliche Sinn unseres Gesetzes sein. Wir wollen jedenfalls die Stärkung des einzelnen am Arbeitsplatz erreichen. Dazu gehört auch — ich will das hier nicht weiter ausführen — eine stärkere Verankerung der Jugendvertretung. Wir denken dabei an eine rechtzeitige Heranführung an künftige Aufgaben und an eine ausreichende Erörterung der sie berührenden Fragen.
Ein wesentlicher Punkt scheint uns die Schaffung von gemeinsamen Bildungseinrichtungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. deren Organisationen zu sein. Wir sind der Auffassung, daß dadurch erreicht werden kann, daß eine vertiefte Kenntnis von Betriebsverfassungsrecht, betrieblicher Organisation, Arbeitsrecht, Beurteilung von Betriebsergebnissen und der Geschäftsberichte vermittelt wird und



Mischnick
damit das Funktionieren der Mitbestimmung nach den bestehenden Gesetzen überhaupt erst garantiert werden kann.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Wir halten eine gemeinsame Basis beider Beteiligten für eine sinnvolle Lösung, weil sich dann am ehesten die Gewähr dafür bietet, daß man die Sache nicht nach überkommenen ideologischen Überlegungen behandelt.
Bei der Aktivierung des Wirtschaftsausschusses denken wir natürlich daran, daß eine intensivere Information als bisher über das betriebliche Geschehen, die Entwicklung und die gesetzliche Situation erfolgt. Leider ist das heute nicht generell der Fall.

(Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das denn?)

— Das wissen wir auf Grund der Erfahrung, daß es zu unserem Bedauern in vielen Betrieben gar keine Wirtschaftsausschüsse gibt. Das ist der Tatbestand. Wenn Sie es nicht wissen, bedauere ich das.

(Beifall bei der FDP.)

Hier muß noch eine ganze Reihe anderer Punkte eingefügt werden, über die wir jederzeit miteinander disukutieren können. Wenn Sie aber unter Mitbestimmung ausschließlich die Übertragung des Montanmodells auf die gesamte Wirtschaft in bestimmten Bereichen verstehen, können wir dazu nur klar nein sagen.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist nicht die Lösung, die wir für richtig halten.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß die gesamte Mitbestimmungsdiskussion mehr noch als bisher auch unter dem Gesichtspunkt geführt werden muß, wie man die Eigentumsbildung so verstärken kann, daß die Mitbestimmung über das Eigentum durch den Arbeitnehmer erfolgen kann.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist ein wesentlicher Punkt. Wenn ich das alles mit in diese Diskussion einbeziehe, gelange ich zu dem Schluß, daß man in den sechs Monaten, die wir noch zur Verfügung haben, beim besten Willen nicht zur Entscheidung kommen kann.

(Zuruf von der FDP: Vorbeugeantrag! —Weitere Zurufe und Lachen bei der FDP.)

Interessant war allerdings, Herr Kollege Schmidt, der Hinweis — er ist im Augenblick nicht da —, Bundeswirtschaftsminister Schiller habe auf dem Parteitag der SPD die psychologische Situation im Auge gehabt, als er seine ablehnende Meinung zur Mitbestimmung zum Ausdruck brachte. Das kann man doch wohl dann nur so verstehen: Er war abgestellt, nein zu sagen, damit er als Wirtschaftsminister die Beruhigungspille gegenüber den Arbeitgebern abgeben konnte. Oder war es eigene Überzeugung, daß er nein sagte? Dann doch nicht etwa nur aus der psychologischen Situation heraus. Dann müßte es eine grundsätzliche Überlegung sein.

(Abg. Genscher: Mit Rücksicht auf die europäischen Handelsgesellschaften!)

— Wahrscheinlich ist das ein Gesichtspunkt gewesen. Auf jeden Fall scheint mir das Nein, das nach der Erklärung hier gegeben worden ist, nicht grundsätzlicher Natur gewesen zu sein.
Kollege Schmidt hat davon gesprochen, man habe die Pflicht gehabt, jetzt etwas vorzulegen, denn wer allzulange über diese Dinge rede, ohne daß etwas geschehe, sei mitschuldig, wenn es dann zu unerwünschten Reaktionen in der Öffentlichkeit komme. Meine Damen und Herren, ich wäre sehr froh darüber, wenn Sie diesen Maßstab, den der Kollege Schmidt hier angelegt hat, an die generellen Reformabsichten dieser Regierung setzen würden, denn da ist ja von Reformen in vielen Bereichen sehr viel geredet worden, aber bis zur Stunde nichts getan worden. Die Schuld, daß manche Reaktionen in der Öffentlichkeit so sind, wie es heute der Fall ist, kommt daher, daß keine Handlungen folgen. Kollege Schmidt hat hier völlig recht. Er hat damit offensichtlich seine eigene Regierung gemeint.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmidt hat eine Bemerkung gemacht, die etwa wie folgt lautete: Eine kategorische Ablehnung der Ausweitung der Mitbestimmung kann den Spielraum der Freien Demokraten einengen. So etwa war, glaube ich, die Formulierung, die er gebraucht hat. Meine verehrten Damen und Herren von der SPD, grundsätzliche Auffassungen meiner Fraktion und meiner Partei haben nie davon abgehangen und werden nie davon abhängen, ob wir in einer Koalition sind oder ob wir in der Opposition sind. Das kann Ihnen unser früherer Koalitionspartner bestätigen, und dabei bleiben wir.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521015500
Herr Abgeordneter Mischnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521015600
Erlauben Sie an dieser Stelle eine Frage, Herr Kollege. Ganz abgesehen davon, daß wir natürlich von Ihnen keine anderen als diese eben geäußerten mannhaften Worte zu diesem Punkt erwartet haben, wollte ich Sie gerne fragen, ob Sie ebenso wie mein Kollege Barzel meine Bemerkung genauso liebenswürdig, beinahe aber maliziös als eine Offerte verstanden haben.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521015700
Herr Kollege Schmidt, ich habe es als einen Hinweis verstanden, daß Sie offensichtlich daran erinnern wollten, daß 1966, als über die Möglichkeit einer Koalition gesprochen wurde, auch dieses Thema in Rede stand und wir damals eine Formel gefunden haben, die Sie heute bei Ihrem jetzigen Koalitionspartner nicht anerkennen wollten, nämlich diese Frage bis zum Ende dieses Jahres durch Sachverständige klären zu lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521015800
Gestatten Sie eine zweite Frage des Abgeordneten Schmidt?




Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521015900
Nicht um Sie aufzuhalten, Herr Mischnick, nur zur Steuer der geschichtlichen Wahrheit - ich muß das zum zweitenmal gegenüber einem Sprecher der Freien Demokratischen Partei und ihrer Fraktion in diesem Hause klarstellen —: Sind Sie bereit, sich daran zu erinnern, daß in den Gesprächen mit Ihrer Fraktion einer Ihrer Wortführer, nämlich der Wortführer auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet, abgelehnt hat, daß das Wort Mitbestimmung überhaupt in eine gemeinsam zu vereinbarende Erklärung aufgenommen werden, in ihr auftauchen dürfte?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521016000
Herr Kollege Schmidt, es ist richtig, daß ein Kollege gesagt hat, daß dieses Wort nicht hineinkommen sollte. Das war aber nicht die Festlegung der Vereinbarung, sondern die Vereinbarung lautete, daß man in diesem Bereich eine gemeinsame Kommission bilden wolle, die die entsprechenden Untersuchungen vornimmt, und daß eine gesetzliche Behandlung bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr in Betracht komme. Das war die Vereinbarung.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0521016100
Ein weiterer Punkt Herr Mischnick, den ich in die Form einer Frage kleiden muß, wie Sie ja wissen: Sind Sie bereit, mir nun endlich zu glauben, daß unabhängig davon, wie wichtig oder unwichtig Sie jenen Zwischenfall genommen haben, er bei der Beratung der Ergebnisse in meiner Gesamtfraktion eine erhebliche Rolle gespielt hat?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521016200
Ich bin durchaus bereit, Herr Kollege Schmidt, Ihnen zu glauben, daß das eine entscheidende Rolle bei Ihren Beratungen spielt. Aber aus den Bemerkungen, die Sie vorhin machten, daß Sie aus der Entwicklung neue Erkenntnisse gewonnen hätten, schöpfen wir die Hoffnung, daß Sie auch noch einsehen und lernen werden, daß das Modell der Montan-Mitbestimmung schlecht ist und daß andere Formen besser sind. Wir wollen ja versuchen, Sie davon zu überzeugen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521016300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Mende?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0521016400
Herr Kollege Mischnick, sind Sie bereit, hier noch einmal zu erklären, daß am Ende des Gesprächs der beiden Verhandlungsdelegationen der SPD und der FDP die Vereinbarung stand, daß in dieser Wahlperiode die Frage der Mitbestimmung durch eine Kommission untersucht werden sollte, gesetzgeberische Maßnahmen aber in dieser Wahlperiode nicht mehr eingebracht werden sollten, d. h. daß die Basis genau die gleiche war, wie sie dann zwischen CDU/CSU und SPD in dieser Bundesregierung beschlossen wurde?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521016500
Herr Kollege Mende, ich hatte das unmittelbar vorher zum Ausdruck gebracht. Ich bestätige noch einmal: genau die gleiche Basis war miteinander verabredet.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß feststellen: Wir sind bereit, über alle sinnvollen Formen einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes mit Ihnen zu diskutieren. Wir sind bereit, uns über die Frage auseinanderzusetzen, wie der richtige Gedanke der Mitbestimmung, dem einzelnen Arbeiter und Angestellten mehr Rechte am Arbeitsplatz zu verschaffen, verwirklicht werden kann. Wir lehnen es ab, unter der Firma „Mitbestimmung" Organisationen mit mehr Macht auzustatten und damit das, was viele kritisieren: das Depotstimmrecht bei den Banken auf der einen Seite durch ein Depotstimmrecht bei den Gewerkschaften auf der anderen Seite zu ergänzen.

(Beifall bei der FDP.)

Hier sind wir der Meinung, daß eine gründsätzliche Überlegung nach beiden Seiten angestellt werden muß, wie diese Fragen zu lösen sind. Wir sind überzeugt, daß es Lösungsmöglichkeiten gibt, die unserem demokratischen Staat adäquat sind. Die Hinweise des Kollegen Barzel, daß man nicht einfach das, was im Staat möglich ist, auf die Wirtschaft übernehmen könne, sind beachtenswerte Gedanken gewesen, die man entsprechend diskutieren sollte. Wir warnen aber davor, unter dem Motto „mehr Mitbestimmung" vielleicht das zu verbergen, was in einer Nebenerklärung des Vorstandsmitgliedes des DGB, Herrn Hansen, zum Ausdruck kam: wenn das nicht geschieht, dann wird die Forderung nach der Vergesellschaftung nicht abzuwehren sein. Meine Damen und Herren, wer so versucht, uns mit der Forderung: wenn nicht diese Mitbestimmung, dann Vergesellschaftung, unter Druck zu setzen, gibt damit zu erkennen, daß er sich nicht zu den Grundlagen bekennt, die bisher für uns gemeinsam für unsere Wirtschaftspolitik gegeben waren. Dann soll man den Mut haben zu sagen: wir wollen gar nicht eine freie Wirtschaft, sondern wir wollen doch die Staatswirtschaft, wie es früher Ihr Programm war.

(Lebhafter Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521016600
Das Wort hat der Abgeordnete Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521016700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mischnick, Sie hatten keine leichte Aufgabe. Wenn ich mir den Sprachgebrauch einiger Kandidaten der FDP ansehe, z. B. auch in unserer gemeinsamen Heimatstadt, scheint es mir fast so, als ob sich die FDP irgendwo zwischen SDS und DKP ansiedeln möchte.

(Lachen und Uhu-Rufe bei der FDP.)

Hier in Ihrer Rede allerdings kommt die wahre Funktion Ihrer Partei zum Ausdruck.

(Abg. Mischnick: Habe ich jemals etwas anderes gesagt?)

— Sie spielen mit verteilten Rollen, darauf wollte ich hinweisen.

(Abg. Mischnick: Ich?)




Matthöfer
— Nein, nicht Sie persönlich, Herr Mischnick. Sie sind immer ein konservativer Mensch gewesen.

(Lachen bei der FDP.)

Ich meine andere Kandidaten Ihrer Partei, z. B. in unserer Heimatstadt.
Wie kommen Sie sich eigentlich vor,

(Zurufe von der FDP: Gut, gut!)

wenn Sie hier immer noch diese Dinge vortragen? Seit mehr als hundert Jahren haben Sie und Ihresgleichen jedem sozialen Fortschritt Widerstand geleistet

(Lachen und Zurufe von der FDP.)

und ihn mit Wehklagen begleitet.

(Sehr wahr! bei der SDP.)

Das fing bei der Abschaffung der Kinderarbeit an,
das geht weiter bei jeder Lohnerhöhung — —

(Widerspruch bei der FDP.)

— Ja, ich weiß, jetzt kommen Ihre liberalen Erzväter.

(Abg. Dorn: Was Sie jetzt vortragen ist an Dummheit nicht mehr zu überbieten! — Weitere Zurufe von der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521016800
Einen Augenblick, das Wort ist Ihnen noch nicht erteilt. — Herr Abgeordneter Matthöfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0521016900
Herr Matthöfer, ist Ihnen eigentlich nicht bekannt, oder wollen Sie das nicht wissen, daß niemand anders als ein liberaler Unternehmer und Demokrat, nämlich Robert Bosch, damals in Deutschland gegen den Willen der Gewerkschaften den Acht-Stundentag eingeführt hat?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521017000
Herr Moersch, ich darf auf den Anfang meiner Rede zurückkommen und Ihnen sagen, daß Ihre Partei gewissermaßen aus zwei Teilen besteht; das wissen wir ja nun mal alle. Im Moment setze ich mich mit Ihrem konservativen Flügel auseinander.

(Zuruf von der FDP: Sie hat eben Kopf und Fuß! — Abg. Zoglmann: Aus wieviel Teilen besteht denn die SPD?)

Das fing also bei der Abschaffung der Kinderarbeit an, das ging so weiter bei jeder Lohn- und Gehaltserhöhung, bei jeder Stufe der Arbeitszeitverkürzung, bei der Einführung der Tarifverträge, beim Mutterschutz, bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, beim Urlaubsgeld, und es geht jetzt auch wieder so bei der Mitbestimmung.

(Zurufe von der FDP.)

Lesen Sie doch die Reden Ihrer Vertreter aus dem Jahre 1951. Dasselbe wird immer wieder mit unerbittlicher Monotonie

(weitere Zurufe von der FDP)

hier vorgetragen. Dabei scheuen Sie auch nicht — —

(Abg. Killat: Sie sind auch bis heute gegen die dynamische Rente!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521017100
Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch um etwas mehr Ruhe bitten. Wenn Sie Zwischenfragen an den Redner stellen wollen, dann machen Sie das bitte in der geschäftsordnungsmäßig üblichen Form.

(Abg. Moersch: Wir sind doch hier nicht in einer Märchenstunde! — Abg. Killat: Die Wahrheit müssen Sie auch vertragen!)


Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521017200
Gestatten Sie mir einige Einzelbemerkungen zu der Rede von Herrn Mischnick. Er erklärte direkte Demokratie für eine Utopie. Nun, gut, in dieser Formulierung könnte man dem vielleicht zustimmen. Aber es ist doch wohl nicht zu bezweifeln, daß es nützlich wäre, auch in einer parlamentarischen Demokratie möglichst viele Elemente direkter Demokratie vorzusehen.

(Abg. Mischnick: Habe ich das etwa nicht gesagt?)

Was eine Gruppe selbst regeln kann, das sollte nicht der übergeordnete Gesellschaftsverband für sich beanspruchen. Insofern wäre es nützlich, wenn wir möglichst viel 'auch durch Gruppen von Arbeitnehmern selbst regeln ließen. Es gibt ja nicht Menschen zweier Klassen in dieser Republik, die einen, die für sich selbst verantwortlich sein können, und andere, denen man sagen muß, was sie tun sollen. — Das ist die eine Bemerkung. Die zweite Bemerkung bezieht sich auf die Feststellung, Bildung sei Voraussetzung für Mitbestimmung. Selbstverständlich! Lesen Sie einmal den Reformplan der SPD zum Bildungswesen! Dann können Sie sehen, wie systematisch dort versucht wird, Lösungen für das Problem zu finden, Startungleichheiten, die heute noch immer bestehen, zu kompensieren, Möglichkeiten auch für diejenigen zu schaffen, die heute noch durch die Struktur unseres aus dem 19. Jahrhundert stammenden Bildungssystems von vielen Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind. Hier besteht aber auch eine gegenseitige Verursachung.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Nur derjenige, der mitbestimmt, der das, was er lernt, anwenden kann, ist motiviert zu lernen. Da kann man doch nicht sagen: Schafft erst die Voraussetzungen, und dann kommt das andere. Das ist doch — entschuldigen Sie das Wort — ein dialektischer Prozeß.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521017300
Herr Abgeordneter Matthöfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mischnick?

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0521017400
Herr Kollege Matthöfer, ist Ihnen nicht bekannt, daß bei Diskussionen über die Frage, warum die Gewerkschaften Direktvertreter in die Aufsichtsräte schicken, immer wieder das Argument gebraucht worden ist: Da wir selbstverständlich noch nicht in der Lage waren, allen, die



Mischnick
dafür aus den Betrieben befähigt wären, die entsprechende Ausbildung zu geben, müssen wir das in dieser Form machen!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521017500
Mir ist dieses Argument nicht bekannt. Ich glaube, ich höre es hier von Ihnen zum erstenmal.

(Abg. Mischnick: Das ist im Gespräch der Naumann-Stiftung mit dem DGB 1963 so gebracht worden!)

— Das ist mir in dieser Form nicht bekannt, und ich würde es auch nicht für nützlich halten, so zu argumentieren. .

(Widerspruch bei der FDP.)

Die Bedeutung außerbetrieblicher Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat liegt ganz woanders.
Einige weitere Bemerkungen zur Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation, die Sie interessanterweise als eine Gewerkschaftsorganisation bezeichneten. Darf ich Ihnen sagen, daß von dieser Institution umfangreiche Forschungsprojekte über Mitbestimmungsformen in den unterschiedlichsten Ländern durchgeführt werden? Das fängt bei der Vereinigten Arabischen Republik an, geht weiter bei Indien, England, USA, Sowjetunion usw. Überall werden von dieser Organisation Forschungsobjekte durchgeführt, weil der Kampf um Mitbestimmung eben ein weltweiter Prozeß ist; weil es überall vernünftig ist, diejenigen, die von Entscheidungsprozessen betroffen werden, am Zustandekommen dieser Entscheidungen zu beteiligen. Lesen Sie einmal neuere Veröffentlichungen der Internationalen Arbeitsorganisation! Dann werden Sie sehen — das betrifft ein weiteres Ihrer Argumente —, daß wir mit unseren Forderungen keineswegs so isoliert dastehen. Nur sind unsere Forderungen vielleicht vernünftiger als die mancher anderer Gewerkschaftsbewegungen, die hier nun einmal anders vorgehen. Darauf werde ich nachher noch zurückkommen.

(Zurufe von der FDP.)

Auch Ihre Behauptung: Wir verhalten uns in der Opposition genauso wie in der Regierungskoalition, ist sehr zu bezweifeln. Ich denke an die Notstandsauseinandersetzungen. Da hat uns der Sprecher der Mehrheit Ihrer Fraktion im Jahre 1965 vorgeworfen, daß wir Sozialdemokraten die damalige Vorlage abgelehnt haben, während Sie diesmal — ich würde sagen: in einigen Punkten durchaus mit Recht — eine sehr viel liberalere Vorlage nicht akzeptiert haben.

(Abg. Moersch: Herr Matthöfer, wir haben die Kraft zur Reform!)

— Ja sicher, ich will das auch gar nicht bezweifeln, Herr Moersch,

(weitere Zurufe von der FDP.)

insbesondere bei Ihnen nicht. Aber ich möchte bezweifeln, daß man sich als FDP-Vertreter hier hinstellen und mit Recht sagen kann: Wir haben unsere Meinung nicht geändert; ob Regierung oder Opposition, wir sind immer gleichgeblieben.

(Zurufe von der FDP.)

Von beiden Rednern der anderen Fraktionen dieses Hauses wurde gesagt, die sechs Monate, die uns noch zur Verfügung stehen, reichten nicht aus. Ich glaube schon, daß sie ausreichen, insbesondere auch deshalb, weil sich ja die SPD-Fraktion diese Vorschläge nicht aus dem Hut gezogen hat. Das sind gründlich durchdachte, sorgfältig ausgearbeitete Vorschläge, die ihrerseits wieder auf soliden Vorlagen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beruhen und die darüber hinaus auf einer über 20jährigen Erfahrung basieren.
Ich glaube, daß es nützlich wäre, diese wichtige gesellschaftspolitische Frage so schnell wie möglich zu lösen. Man könnte sie lösen, wenn der politische Wille in diesem Hause dazu vorhanden wäre, ein guter Wille, der die Dringlichkeit, die Wichtigkeit dieser gesellschaftspolitischen Frage auch entsprechend in Betracht ziehen würde. Wenn der Wille da wäre, könnte man Lösungen finden und zu einer Verabschiedung kommen.
Nun sagt man uns: Das Gutachten liegt ja noch nicht vor. Wir als SPD-Fraktion haben die Verzögerung der Einsetzung der Gutachter-Kommission nicht zu verantworten. Ich wehre mich dagegen, daß eine so wichtige gesellschaftspolitische Frage nur deshalb nicht auf die Tagesordnung gesetzt wird, weil durch formales Hinauszögern einer Gutachterkommission die Bedingungen nicht so geschaffen wurden, wie sie hätten sein können. Niemand hindert die Gutachterkommission daran, im Laufe der Beratungen ihren Bericht noch vorzulegen. Dann wird dieser Bericht gebührend in Betracht gezogen werden. Das kann ich Ihnen versprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521017600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt? — Bitte!

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0521017700
Herr Kollege Matthöfer, Sie sagten, die SPD-Fraktion habe die Verzögerung nicht zu verantworten. Darf ich dann fragen, ob die dem Kabinett angehörenden SPD-Mitglieder nicht Ihrer Fraktion angehören?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521017800
Ich will Ihnen hier kein Einführungskolleg über Gewaltenteilung usw. halten. Darüber werden wir ein anderes Mal sprechen können. Wer an dieser Verzögerung schuld ist, kann von diesem Platze aus nicht geklärt werden. Ich sage Ihnen: jedenfalls nicht die SPD-Fraktion.
Die Sozialdemokratische Partei ist die einzige Kraft in diesem Hause, die einheitlich und geschlossen für die Mitbestimmung eintritt. Das haben die bisherigen Beiträge in dieser Diskusson gezeigt.

(Abg. Dr. Barzel: Für eine bestimmte Form der Ausweitung! Seien Sie hier bitte ganz korrekt, Herr Matthöfer!)

— Herr Dr. Barzel, wollen Sie wirklich sagen, daß Ihre Fraktion, wenn Sie im Rahmen Ihrer Fraktion zu Lösungsvorschlägen kämen — sie werden eventuell später einmal dazu kommen —, dann so einheitlich und geschlossen hinter diesen Vorschlägen stehen würde, wie jetzt die SPD-Fraktion als ge-



Matthöfer
schlossene, einheitliche, überzeugte Kraft hinter ihren Vorschlägen steht?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521017900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Matthöfer?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0521018000
Sie wissen, welchen Wert ich auf Ihr Wort lege. Ich habe nicht die Geschlossenheit Ihrer Fraktion bezweifelt und keine Prognose über die künftige Haltung meiner Fraktion gegeben. Ich habe mich an dem Wort gestoßen, Ihre Fraktion sei die einzige, die geschlossen für die Mitbestimmung stehe. Sagen Sie bitte: für die jetzt von Ihnen vorgelegte Ausweitung. Für die Mitbestimmung stehen wir hier, das habe ich vorhin dargetan. Das ist eine wichtige Entscheidung!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521018100
Herr Dr. Barzel, ich will mit Ihnen darüber nicht streiten. Sie sind einer derjenigen in der anderen Fraktion, auf ,die sich meine Hoffnungen richten.

(Beifall bei der SPD. — Heiterkeit.)

Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung, Herr Dr. Barzel; wir haben je einige gemeinsame Ursprünge. Ich glaube schon, daß man mit vielen Kollegen in Ihrer Fraktion wird reden können; da gibt es leider aber auch ganz andere. Deshalb mein Hinweis. Ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben, daß wir noch in dieser Periode die 50 Gerechten in Ihrer Fraktion finden, die wir benötigen, um diese längst überfällige Frage politisch zu entscheiden. Sie muß politisch entschieden werden; da helfen uns — bei allem Respekt, den ich vor Professoren habe keine Professoren-Kommissionen, die zudem auch noch wieder drittelparitätisch zusammengesetzt sind. Das müssen wir hier in eigener Verantwortung tun, deshalb sind wir vom deutschen Volk hierher geschickt worden. Es ist eine durch Abgeordnete politisch zu entscheidende Frage und letztlich nicht eine Frage, die durch Professoren-Gutachten entschieden werden könnte. Man wird diese Gutachten gründlich studieren, alle Anregungen, die darin liegen, sorgfältig aufnehmen. Wir nehmen ja gar nicht in Anspruch, daß wir der Weisheit letzten Schluß gefunden haben. Aber entschieden werden muß politisch durch die frei gewählten Vertreter des Volkes in diesem Hause. Wir könnten dabei das, wenn der Bericht noch kommt, in den nächsten Wochen durchaus noch alles in Betracht ziehen.
Nun noch eine Bemerkung zu den Worten, die Herr Minister Schiller auf unserem Parteitag in Nürnberg gesprochen hat. Man muß von dieser Stelle aus feststellen, daß er ausdrücklich erklärt hat, das Ob der Mitbestimmung stehe überhaupt nicht zur Diskussion, es komme auf das Wie und auf den Zeitpunkt an. Darüber hat sich unsere Fraktion inzwischen eine Meinung gebildet; sie hat sich entschieden, ihre Entscheidung liegt Ihnen jetzt vor.
Herr Dr. Barzel, ich will wegen der Parität auch einmal Goethe zitieren, er fiel mir zu Ihrer Rede ein: „Man spricht vergebens viel, um zu versagen, der andere hört von allem nur das Nein." Ihre Rede, so hoffnungsvoll sie für die Zukunft ist, vertröstet die Lösung dieser wichtigen Frage, die uns allen am Herzen liegt, auf Jahre hinaus. Ich finde, Sie und Ihre Fraktion sollten sich wirklich noch einmal überlegen, ob Sie nicht gemeinsam mit uns eine Lösung finden können. Dazu brauchen keine anderen Projekte zurückzustehen, die diesem Hause vorliegen. Das ist gar nicht erforderlich. Wenn man will, kann man das schaffen und braucht dazu andere wichtige Reformprojekte, die wir gemeinsam in dieser Legislaturperiode erledigen wollen, nicht zu vernachlässigen.
Was die SPD will, ist erforderlich; denn naiver Fortschrittsgläubigkeit und konservativen Sehnsüchten nach einer heilen Welt zum Trotz ist die Entwicklung unserer Gesellschaft leider immer noch durch grundlegende Widersprüche gekennzeichnet, nämlich durch den bisher wenig abgeschwächten Widerspruch zwischen politischer Demokratie und wirtschaftlicher Autokratie, durch den Widerspruch zwischen dem Zwang zur Zusammenarbeit bei gesetzlicher Interessenlage von Arbeitnehmern und Kapitaleignern einerseits und der unzureichend eingeschränkten, immer noch weitgehend monopolisierten Entscheidungsmacht der Kapitaleigner über das Wie und Was der Produktion andererseits; schließlich auch durch den Widerspruch zwischen dem potentiell schöpferischen Wesen jeder Arbeit, in der der einzelne seine Persönlichkeit entfaltet, und der bis heute noch immer weitgehend passiven Rolle des Arbeiters oder des Angestellten in der betrieblichen Hierarchie.
Letztlich wurzeln diese Widersprüche und nahezu alle Formen von Abhängigkeit und Entfremdung in der Existenz gesellschaftlicher Gruppen, die sich ein Monopol auf ökonomische Macht anmaßen. Mit den Privilegien dieser Minderheit geht die Abhängigkeit der Mehrheit Hand in Hand. Die von uns allen ja geförderte wirtschaftliche Konzentration und die damit verbundene Bürokratisierung machen diesen Zusammenhang noch fester und die daraus entstehenden Folgen noch unerträglicher. Mitbestimmung könnte der Bürokratisierung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Großorganisationen entgegenwirken, indem sie der aufgeklärten Selbsttätigkeit mündiger Arbeitnehmer neue Aktionsspielräume schafft.
Es gibt leider noch keine wissenschaftliche Untersuchung über den Zusammenhang zwischen interner Demokratie in wirtschaftlichen Großorganisationen und der Stabilität der politischen Demokratie; aber man könnte doch wohl vermuten, daß wirtschaftliche Autokratie politischer Demokratie nicht gerade förderlich ist.
Ich zitiere jetzt einen amerikanischen Wissenschaftler:
In dem Maße, wie Macht und Ansprüche der Organisation die Bedürfnisse des Individuums nach Autonomie mattsetzen, stellen sich Hilflosigkeit und Frustationsgefühle ein. Freiheit und Entfaltung des einzelnen durch tatsächliche Wahlmöglichkeiten und echte Teilhabe an Entscheidungen, die ihn unmittelbar betreffen, wer-



Matthöfer
den allmählich durch die für Großorganisationen typische Zentralisierung der Macht und der Entscheidungsbildung unterdrückt.
Die Evangelische Kirche zieht in ihrer kürzlich veröffentlichten Studie zur Mitbestimmung aus dieser Entwicklung den Schluß:
Je weniger die Menschen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit Raum bekommen und zu einer Mitgestaltung ermuntert werden, um so weniger entwickelt sich auch ihre Bereitschaft, für das Schicksal des Unternehmens und .für das wirtschaftliche und politische Geschehen unseres Volkes Mitverantwortung zu übernehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521018200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521018300
Bitte schön!

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0521018400
Herr Kollege Matthöfer, sind Sie in der Lage, mir angesichts Ihrer Ausführungen zu erklären, aus welchen Gründen in den wirtschaftlichen Unternehmungen der Ihnen nahestehenden Organisationen diese Art Mitbestimmung bisher nicht praktiziert worden ist?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0521018500
Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, bevor Sie auf dieser Frage bestehen, einmal die tatsächlichen Verhältnisse in diesen Unternehmen zu studieren und sich anzusehen, welche Entfaltungsmöglichkeiten dort gegeben sind. Außerdem darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der DGB im Begriff ist, diese Art Mitbestimmung auf seine Betriebe anzuwenden. Ich bin davon überzeugt, daß — nachdem wir uns nun einig sind, wie es gemacht werden soll — der DGB hier den Vorreiter spielen wird.
Aus der Kritik an wirtschaftlicher Autokratie, aus der Notwendigkeit, der Demokratie neue Bereiche zu erobern, wenn sie nicht untergehen soll, ergibt sich unsere Forderung nach wirtschaftlicher Demokratie. Ihr Instrument ist die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, ihr Inhalt der Aufbau gleichberechtigter Gegenmachtpositionen. Mitbestimmung sollte allerdings nicht nur als Anpassungsmechanismus betrachtet werden, der weiter bestehende Privilegien lediglich verschleiern soll. Man sollte sie vielmehr als Gegenmachtmodell verstehen, das zwar einige Konflikmöglichkeiten beseitigt, aber den Arbeitnehmern in trotzdem entstehenden Konfliktfällen bessere Möglichkeiten gleichberechtigter Interessenvertretung gibt. Denn offene und verdeckte Interessenkonflikte in mannigfacher Form werden ja schließlich auch weiterhin typisch für den Produktionsprozeß sein. Konflikte können z. B. entstehen, wenn das Interesse der Kapitalseite an einseitig gewinnorientierten Entscheidungen mit dem Anspruch der Arbeitnehmer auf Wahrung ihrer Menschenwürde und auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit am Arbeitsplatz kollidiert. Um in solchen Fällen die Stellung des Arbeitnehmers zu verstärken, wollen wir deshalb im Betriebsverfassungsgesetz vorsehen, daß der Betriebsrat über die Wahrung der Menschenwürde der Arbeitnehmer im Betrieb zu wachen hat, daß die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht behindert werden darf, Selbstständigkeit und Einfluß und Eigeninitiative einzelner Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern sind. Wir haben uns hier bewußt an den Auftrag des Grundgesetzes gehalten, aber auch die Meinung der Kirchen in Betracht gezogen.
So heißt es z. B. in der vom Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedeten Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute":
Auch im Wirtschaftsleben sind die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Berufung ... zu achten und zu fördern, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft.
Papst Johannes XXIII. sagte schon in seiner Enzyklika „Mater et Magistra" :
Zweifellos muß ein Unternehmen, das der Würde des Menschen gerecht werden will, auch eine wirksame Einheitlichkeit der Leitung wahren; aber daraus folgt keineswegs, daß, wer Tag für Tag in ihm arbeitet, als bloßer Untertan zu betrachten ist, dazu bestimmt, stummer Befehlsempfänger zu sein ...
In der Tat, warum sollte jemand, der aus einem vielleicht nur vorübergehenden spekulativen Interesse ein Aktienpaket kauft, zuzüglich zu dem unter Umständen nicht unbeträchtlichen Gewinn auch noch größeren Einfluß auf die Geschäftspolitik dieses Unternehmens haben als die Wissenschaftler, Ingenieure, Angestellten und Arbeiter, die in dem betreffenden Unternehmen mit ihren Kenntnissen, ihrer Arbeitskraft, ja mit ihrem Leben engagiert sind?
Das gilt insbesondere für solche Gesellschaften, in denen der Kapitaleigner nicht einmal selbst Einfluß nehmen will und seine Rechte im Aufsichtsrat durch Bankenvertreter wahrnehmen läßt. Herr Mischnick, das sind die betriebsfremden Vertreter, die es in den Aufsichtsräten zur Zeit gibt: Bankenvertreter, die anonyme, gesichtslose, nicht bekannte Aktionäre vertreten.
Ein möglichst schnelles Wachstum des Ausstoßes privat produzierter Massenverbrauchsgüter ist nicht das alleinige und nicht das wichtigste Ziel menschlichen Wirtschaftens. Wichtigstes Ziel ist vielmehr die Qualität des einzelnen menschlichen Lebens. Das schließt auch die Bedingungen ein, unter denen der einzelne sein Arbeitsleben verbringt. Mitbestimmung könnte dazu beitragen, die immer weiter um sich greifende Einstellung zur Arbeit als verlorener Lebenszeit, als etwas, das man opfern muß, um dann nachher in der Freizeit wirklich leben zu können, abzubauen. Arbeit würde dann in stärkerem Maße als Tätigkeit begriffen, in der man die Befriedigung erfährt, seine Fähigkeiten entfalten zu können.
Unsere Formulierungen dazu sind einigen Kritikern zu allgemein. Aber wir können im Gesetz nur mit allgemeinen Bestimmungen Rahmenbedingungen schaffen, die dann allerdings durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Rechtsprechung prä-



Matthöfer
zisiert und entsprechend den Bedingungen des jeweiligen Wirtschaftszweiges weiterentwickelt und ausgebaut werden müssen.
Wichtige Planungs- und Entscheidungszentren unseres Wirtschaftssystems sind unbestritten die Großunternehmen und Großkonzerne. Mit der Forderung nach wirtschaftlicher Demokratisierung muß folglich in erster Linie eine Demokratisierung der Großunternehmen und Großkonzerne gemeint sein. Dieses Ziel versucht der Ihnen vorliegende SPD- Entwurf eines Gesetzes über die Unternehmensverfassung mit zwei Schritten zu erreichen. Einmal baut er in die Unternehmensverfassung der Großunternehmen konsequent die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer ein. Ich habe keinen Zweifel, daß sie qualifiziert sein wird. Neben die Hauptversammlung der Anteilseigner tritt eine Unternehmensversammlung der Arbeitnehmer mit selbständigen Informations- und Empfehlungsrechten, insbesondere in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Der Aufsichtsrat wird zu gleichen Teilen mit Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern besetzt und durch weitere Mitglieder ergänzt. Der Vorstand bleibt als geschlossenes Entscheidungsorgan erhalten. Wir verzichten auf die Institution des Arbeitsdirektors, machen aber gleichzeitig die Wahl jedes Vorstandsmitglieds von einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat abhängig.
Darüber hinaus — und das ist nun der zweite wichtige Grundgedanke des SPD-Entwurfs — binden wir alle Arbeitnehmervertreter in den Unternehmensorganen konsequent an die Legitimation und Kontrolle von der Basis her. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat werden von der Unternehmensversammlung der Arbeitnehmer gewählt, diese wiederum direkt von den Arbeitnehmern. Nach einem sinngemäß gleichen Verfahren können die Arbeitnehmer vor Ablauf der Wahlzeit ihre Vertreter im Aufsichtsrat abberufen. So wird die Demokratisierung der Unternehmensentscheidungen mit einer Demokratisierung der Unternehmensverfassung gekoppelt.
Entscheidungskonflikte entstehen aber auch, weil das Interesse des Arbeitgebers an klar abgegrenzten Befehlswegen in der betrieblichen Hierarchie mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Mitgestaltung seiner Arbeitsbedingungen kollidiert. Mit der Forderung nach wirtschaftlicher Demokratisierung ist auch eine Demokratisierung im Betrieb und am Arbeitsplatz gemeint. Diesem Ziel dient der SPD- Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Betriebsverfassung. Er will ihm in zwei Schritten näherkommen. Einmal werden die Befugnisse .des Betriebsrates, d. h. der nichtgewerkschaftlichen kollektiven Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb wesentlich verbessert. Zum anderen wird eine zusätzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer für Teilkollektive unterhalb des Betriebsrates ermöglicht. Für Arbeitnehmer, die im Rahmen der Aufgabe einer Betriebsabteilung oder des Betriebes gemeinsam selbständige Teilfunktionen erfüllen, kann der Betriebsrat Arbeitsgruppen bilden. So verknüpfen wir die Demokratisierung der betrieblichen Entscheidungen mit der potentiellen
Demokratisierung der Betriebsverfassung von der Basis her.
Mit der Verabschiedung der vorliegenden SPD- Entwürfe wäre ein bedeutsamer Schritt auf dem Wege der Demokratisierung der gesamten Wirtschaftsverfassung getan, der den Abbau von Minderheits- und Machtprivilegien mit sich bringen würde. Die Verabschiedung unserer Entwürfe brächte die längst fällige Einlösung von Versprechungen für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung und die Angleichung von Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit. Für dieses Ziel hat die Arbeiterbewegung von ihren Anfängen an gekämpft. Ebenso lange traf sie auf den hartnäckigen Widerstand der Gegenseite.
Selbst die Diskussion um die paritätische Mitbestimmung in Unternehmen währt nun schon Jahrzehnte. Neue Gesichtspunkte treten kaum noch auf und sind mit großer Wahrscheinlichkeit auch von Sachverständigenkommissionen mit — vorsichtig gesagt — mittelfristigen Arbeitsperioden nicht zu erwarten. Von einigen traditionellen Antimitbestimmungsargumenten, die früher eine große Rolle spielten, machen die Arbeitgeber und ihre Vertreter in der Politik heute allerdings nur noch mit halbem Herzen Gebrauch, etwa von der Kapitalfluchtparole, von der ich nichts mehr gehört habe, oder auch von dem Zuchthausgleichnis, das der „Industriekurier" einmal brachte. Andere kehren jedoch mit unerbittlicher Gleichmäßigkeit und Eintönigkeit wieder, selbst wenn sie sachlich schon längst widerlegt sind. Nicht als einzelne Sachargumente, wohl aber als Teilstücke einer Gesamtstrategie der Mitbestimmungsgegner sind solche Reprisen bedeutsam. Dazu einige Beispiele.
Mein verehrter Vorgänger als Abgeordneter des Wahlkreises 142, Professor Franz Böhm, fragte sich z. B. 1951, ob eine Betriebsverfassung, „bei der die unternehmerische Willensbildung verumständlicht und bei der das in vielen Fällen einer volkswirtschaftlich wünschenwerten Betriebsumstellung feindliche Interesse der beschäftigten Arbeiter an der unveränderten Erhaltung ihres individuellen Arbeitsplatzes mit einem verstärkten Einfluß auf die Unternehmensentschlüsse ausgestattet wird", nicht die Geneigtheit der Betriebe „zu spontaner experimenteller Erprobung neuer und rationellerer Produktionsmethoden, d. h. zu immer neuen Betriebsumstellungen und Betriebsanpassungen" vermindere. „Was hilft den Arbeitern ihr Mitbestimmungsrecht", fragte Böhm 1951, „wenn seine Inanspruchnahme die hemmenden, bremsenden, konservativen Impulse vermehrt und begünstigt, die vorwärtstreibenden, fortschrittlichen und dynamischen Kräfte aber entmutigt und einschüchtert . . .?" Er gibt — damals — den Arbeitnehmern den Rat, auf die Verwirklichung von Projekten zu verzichten, „deren Einführung retardierende, elastizitätsvermindernde, fortschrittshemmende, zunftmäßig-konservative, monopolisierende, marktverfilzende Dauerwirkungen haben muß", dem Betriebskonservatismus Vorschub leisten, die Anpassungsfähigkeit der Betriebe herabmindern, ihren Willen zum Marktgehorsam lähmen und ihre Marktwendigkeit beeinträchtigen.



Matthöfer
Die Entwicklung ist über diese Bedenken und Einwände hinweggegangen. Die Praxis hat längst das Gegenteil bewiesen. Es wäre geradezu paradox, wollte man heute noch zur Rechtfertigung für die Beibehaltung autokratischer Praxis in der Industrie das Kriterium der Leistungsfähigkeit bemühen, wo doch die Mehrheit der Industriesoziologen seit langem davon ausgeht, daß eine Demokratisierung betrieblicher Entscheidungsprozesse die Produktivität der betreffenden Wirtschaftseinheit in der Regel erhöht.
Auch hat nicht die angeblich von Mitbestimmungsfesseln freie, durchaus machtbewußte, in ihren Entscheidungen ungehemmte, über große Kapitalmassen verfügende, zur Abwehr gewerkschaftlicher Mitbestimmungsansprüche — z. B. bei der Einführung neuer technischer Verfahren oder der Bestimmung der Zahl der Mitglieder einer Ofenmannschaft — kostspielige, die ganze amerikanische Volkswirtschaft lähmende Streiks in Kauf nehmende amerikanische Stahlindustrie in den vergangenen Jahren zum technischen Fortschritt entscheidend beigetragen, sondern die mitbestimmte oder vergesellschaftete deutsche und österreichische. Das gilt für große, in Zukunft wichtige technologische Durchbrüche, z. B. bei der direkten Reduktion, beim Sauerstoffaufblaseverfahren, beim Stranggießen genauso wie für die Erhöhung der Produktivität durch verbesserte Sintermethoden, Vakuumtechnik, besseren Stofffluß, niedrigeren Koksverbrauch, Verbesserungen in der Kraft-, Wasser- und Wärmewirtschaft, Verwertung von Abfallstoffen, Ausweitung der Verbundwirtschaft, verbesserte Möllerzusammensetzung und Rohstoffaufbereitung, Verwendung von Sauerstoff und Wasserdampf im Hochofen, Erhöhung der Walzgeschwindigkeiten usw. Auf all diesen Gebieten ist die mitbestimmte oder vergesellschaftete Stahlindustrie der Vorreiter gewesen und nicht die von Mitbestimmungsfesseln angeblich freie amerikanische Stahlindustrie. Auch von Marktgehorsam und Marktwendigkeit kann bei der amerikanischen Stahlindustrie, deren Preisfestsetzungen und Produktionsbeschränkungen geradezu Musterbeispiele administrativer Willkür bieten, doch wohl kaum gesprochen werden.
Wer damals, also 1951, die Böhmschen Beurteilungskriterien akzeptierte, müßte heute angesichts des vorliegenden Beweismaterials für die Mitbestimmung sein. Aber in gesellschaftlichen Machtfragen zählen nun einmal nicht immer nur die besseren, durch Erfahrung und Erkenntnisse der Wissenschaft gesicherten Argumente. Es gibt eben Leute, die man an den Haaren ins 20. Jahrhundert ziehen muß, und wenn sie noch so strampeln und schreien.
Heute hört man das soeben widerlegte Argument oft noch in der Form: Mitbestimmung gefährde Einheitlichkeit und Schnelligkeit der Unternehmensentscheidungen. Aber es kommt nicht nur auf Einheitlichkeit und Schnelligkeit der Unternehmensentscheidungen, sondern auch auf ihre Qualität und ihre gleichgewichtige Orientierung auch am Arbeitnehmer- und Allgemeininteresse an, also nicht nur auf die Formen der Unternehmensentscheidungen, sondern auch auf ihren Inhalt. Das Argument geht also im wesentlichen an der Sache vorbei. Interessant ist lediglich sein politischer Zweck: Es soll funktionale Sachzwänge konstruieren, um längst überholte Herrschaftsstrukturen als geschichtslosen Endzustand darzustellen.
Hier und dort wird auch behauptet, erweiterte Mitbestimmung isoliere die deutsche Wirtschaft. Herr Mischnick hat das ja auch gesagt. Dieses Argument ist sachlich kaum zu halten. In allen EWG-Staaten gibt es mannigfache Formen betrieblicher und überbetrieblicher Mitbestimmung. Selbst für das Statut der Europäischen Handelsgesellschaft entsteht durch eine erweiterte Mitbestimmung kein grundsätzlich neues Problem, da die vorhandene Mitbestimmung im Montanbereich dort sowieso berücksichtigt werden müßte.
Im übrigen haben sich die Gewerkschaften des Internationalen Freien Gewerkschaftsbundes, Herr Mischnick, in ihrem Aktionsprogramm einheitlich auf das Ziel der Wirtschaftsdemokratie festgelegt. Es ist ein zentrales Ziel jeder Gewerkschaftsbewegung, in allen Industriegesellschaften die einseitige Befehlsgewalt der Geschäftsleitungen im Produktionsprozeß anzugreifen, einzuschränken, wenn möglich, aufzuheben und durch gleichberechtigte Kooperation zu ersetzen. In verschiedenen Ländern nimmt dieser Kampf selbstverständlich verschiedene Formen an. In den USA z. B., einem Land mit chronischer Unterbeschäftigung, haben die Gewerkschaften Methoden entwickelt, die den Arbeitgeber unter Umständen zwingen, auch in modernen, hochautomatisierten Betrieben bis zu 50 % mehr Facharbeiter zu beschäftigen, als eigentlich für Zwecke der Produktion erforderlich wären.
Bei uns zeigt sich der Kampf um das Recht der Gestaltung des Arbeitsprozesses in der Auseinandersetzung um die Mitbestimmung. Meine amerikanischen Freunde werden mir verzeihen, wenn ich unsere Lösungsvorschläge im großen und ganzen für vernünftiger und sinnvoller halte als die in der amerikanischen Praxis angewandten Methoden. Wichtig ist nicht der sachliche Inhalt, sondern der strategische Zweck der bei uns verbreiteten Isolationslegende. Sie soll die Gefahr einer wirtschaftlichen Austrocknung und sozialer Unsicherheiten heraufbeschwören, um die Existenzangst breiter Bevölkerungsschichten zu mobilisieren.
Ähnliche Funktionen haben die anderen von Unternehmerseite vorgebrachten Argumente zur Verteidigung ihrer überkommenen Vorrechte. Sie halten in der Regel einer kritischen Nachprüfung selten stand, zum Teil entziehen sie sich sogar rationaler Nachprüfung. Sie verfolgen nur den einen Zweck: sie sollen der Bevölkerung Angst einjagen, Angst um den Arbeitsplatz, Angst um den Lohn, Angst vor der Pleite, Angst vor unkontrollierten geheimnisvollen Funktionärsverschwörungen, Angst vor dem Ausland, Angst vor der Konkurrenz.
Was die Mitbestimmung im Unternehmen angeht, sind die Fronten klar abgesteckt. Was die Mitbestimmung- im Betrieb und am Arbeitsplatz angeht, scheinen sie hier und dort ein wenig verwischt zu sein. So sieht es auf den ersten Blick aus,



Matthöfer
als gäbe es Berührungspunkte zwischen den von der SPD als Möglichkeit vorgeschlagenen „Arbeitsgruppensprechern" und den von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ins Gespräch gebrachten „Verbindungsleuten". Wir haben, wie Sie wissen, ins Gesetz geschrieben, daß die Gewerkschaften, wenn sie das für erforderlich halten, tarifvertraglich Arbeitsgruppensprecher oder Vertrauensleute einführen können. Die Verbindungsleute der Arbeitgeber sind, soweit man das schon beurteilen kann, lediglich als Anpassungsinstrument mit produktivitätssteigernden Wirkungen gedacht, das als Ersatz für eine erweiterte Mitbestimmung im Unternehmen angeboten wird. Wir jedoch sind für Mitbestimmung auf allen Ebenen, vom Arbeitsplatz über die Arbeitsgruppe, im Betrieb, bis zum Unternehmen. Unsere Regelungen sollen Kontroll- und Gegenmachtelemente als Ergänzung und Unterbau eines umfassenden Mitbestimmungssystems für alle Entscheidungsstufen sein.
Damit soll sicher nichts gegen die neue und in einigen Fragen positive Einstellung der Arbeitgeber gesagt werden, die man sicher mit Interesse zur Kenntnis nehmen kann. Allerdings sollte niemand glauben — das gilt auch für Herrn Mischnick —, man könne Produktivitätssteigerungen erzielen, indem man nur so tut, als ob, und versucht, Arbeitnehmern zwar Diskussions- und Informationsrechte am Arbeitsplatz zu geben, nicht jedoch echte Zuständigkeiten in den Gremien des Unternehmens, wo die wirklich wichtigen Entscheidungen fallen. Nichts verärgert mehr als die Aufforderung, Zeit und Energie 'für die Diskussion von Belanglosigkeiten aufzubringen, während der Zugang zu den wichtigen Entscheidungen weiterhin verbaut bleiben soll.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Lösung eines abgestuften Systems von Mitbestimmungsrechten auf allen Entscheidungsebenen ist sachgerecht. Sie ist notwendig als nächster logischer Schritt des alle Bereiche der Gesellschaft erfassenden Demokratisierungsprozesses. Wir bitten Sie deshalb sehr herzlich: helfen Sie uns, in den Ausschußberatungen unsere Vorschläge zu verbessern! Wir sind offen für alle Diskussionsbeiträge. Geben Sie uns die 50 Stimmen, die wir zur Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode benötigen! Eine solche Regelung läge im Interesse der ganzen deutschen Wirtschaft und im Interesse des ganzen deutschen Volkes.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521018600
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung um zwei Stunden. Sie wird um 15.15 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung von 13.15 bis 15.16 Uhr.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521018700
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der Beratung des Punktes 3 — das sind die Entwürfe der Fraktion der SPD — fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Buschfort.

Hermann Buschfort (SPD):
Rede ID: ID0521018800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich einige Bemerkungen zum Betriebsverfassungsgesetz mache, ist es angezeigt, noch einmal auf einige Ausführungen vom Vormittag einzugehen.
Herr Dr. Barzel meinte heute morgen: Wir brauchen eine abgestufte, funktionsgerechte Mitbestimmung. Diese Formulierung möchte ich vollinhaltlich unterstützen. Nur taucht dabei die Frage auf, wie tief und wie hoch die einzelnen Stufen sein sollen. Wir sind der Auffassung, daß die Mitbestimmung immer dort einzusetzen hat, wo wesentliche Interessen der Arbeitnehmer im personalpolitischen, im sozialpolitischen und im wirtschaftspolitischen Bereich berührt werden.
Eine zweite Feststellung, die ich treffen darf, ist wohl die, daß am Vormittag kein Redner Kritik zum Mitbestimmungssicherungsgesetz und zur Begrenzung der Aufsichtsratsbezüge angemeldet hat. Ich darf daraus schließen, daß wir diese beiden Gesetze, da sie auch vom Inhalt her nicht umfangreich und nicht kompliziert sind, sicherlich noch in dieser Legislaturperiode verabschieden werden.
Nun aber einige Bemerkungen zum Betriebsverfassungsgesetz. Wir haben es hier mit einem Erfahrungsbereich über viele Jahre zu tun und haben es mit einem Gesetz zu tun, das in der gesamten Industrie und in großen Bereichen des Handwerks und Handels Anwendung findet. Die Erfahrungen sind also groß, und die Auswertungsmöglichkeiten waren entsprechend. Wenn wir jetzt die Beurteilung vornehmen, ist zunächst einmal festzustellen, daß wir in dem vorhandenen Betriebsverfassungsgesetz immer nur ein Organisationsgesetz gesehen haben. Es war also geregelt, was der Betriebsrat zu tun hat, es war geregelt, wie die Funktionen des Wirtschaftsausschusses sind und welchen Inhalt eine Betriebsversammlung haben darf. Aber die Interessenlage des einzelnen Arbeitnehmers oder der Arbeitsgruppe war nicht berücksichtigt, Möglichkeiten für Eigeninitiative und freie Entfaltung der Persönlichkeit waren in diesem Betriebsverfassungsgesetz nicht gegeben. Wenn man das Gesetz so sieht, ist es verständlich, daß jetzt eine umfassende Novellierung oder aber, wenn Sie so wollen, fast ein neues Gesetz vorgelegt worden ist.
Der zweite Grund, der uns bewogen hat, eine umfassende Vorlage zu erarbeiten, war der, daß wir die Rechtsprechung und zwischenzeitlich erlassene Gesetze in diese Neuformulierung einarbeiten mußten. Sie alle wissen — wenn ich das beispielsweise sagen darf —, daß wir die Pflichtversicherungsgrenzen aufgehoben haben. Im Betriebsverfassungsgesetz sind diese Grenzen aber noch enthalten. Sie müssen aus technischen Gründen herausgenommen werden. Sie wissen ebenso, daß das Bundesarbeitsgericht gesagt hat: Wenn es sich um Mitbestimmung handelt, kann sie nur Anwendung finden, wenn sie nicht einen einzelnen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit § 56 betrifft.
Ich bitte Sie hier eindringlich, einmal zu überprüfen, wie man einem Arbeitnehmer verständlich machen kann, daß sein Mitbestimmungsbereich



Buschfort
keine Anwendung findet, wenn er nur seine Person allein betrifft. Hier muß man sagen, daß alles, was Mitbestimmung bedeutet, ob es sich nun u. a. um die Arbeitszeit, um den Urlaubsplan oder um die Akkordbestimmungen handelt, für den einzelnen ebenso von Bedeutung ist wie für eine Gruppe oder für ,die Arbeitnehmer eines ganzen Betriebes. Hier hat der Gesetzgeber und hat die Rechtsprechung sicherlich einiges nachzuholen, und ich denke, das werden wir für unseren Teil bei den nun folgenden Beratungen ermöglichen können.
Die weiteren Veränderungen, die hier angestrebt werden müssen, zeigen sich wohl auch dort, wo beispielsweise durch die EWG-Bestimmung vom 17. April 1964 die Wählbarkeit von der EWG angehörenden Arbeitnehmern zum Betriebsratsmitglied in der Bundesrepublik gegeben ist. Wer nun die Praxis kennt, wird einsehen müssen, daß es eine sehr schlechte Sache ist, einem holländischen Arbeitnehmer zu sagen: bitte, du darfst Betriebsratsmitglied bei uns in der Bundesrepublik werden, aber dem österreichischen Arbeitnehmer sagen zu müssen: du darfst es nicht, oder dem Franzosen zu sagen: du darfst es, und beispielsweise dem Jugoslawen zu sagen: du darfst es nicht. Hier ist es angezeigt und sicherlich auch interessant, einen kleinen Schritt zur Verwirklichung der europäischen Vorstellungen zu tun und eine Veränderung herbeiführen.
Ich meine aber auch, dieses Gesetz muß nach den Erfahrungen, die wir bisher gesammelt haben, prakikabler werden. Sehen Sie, zur Zeit sind immer in irgendeinem Betrieb in der Bundesrepublik Betriebsratswahlen. Das ist ein unerträglicher Zustand, der alle, die beteiligt sind, über Gebühr belastet. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, die vom DGB vorgeschlagene Formulierung übernehmen zu können, daß Betriebsratswahlen zukünftig nur noch in jedem durch drei teilbaren Kalenderjahr durchzuführen sind und daß alle Betriebe, die in diesen Rhythmus nicht hineinpassen, sich anzupassen haben. Hierdurch wird eine wesentliche Vereinfachung herbeigeführt. Es wird aber auch eine wesentliche Verbesserung für alle Beteiligten, seien es Presse, Rundfunk, Fernsehen, Betriebsräte, Arbeitgeberverbände oder Gewerkschaften, herbeigeführt.
Erlauben Sie mir, an dieser Stelle auch auf eine Bemerkung von Herrn Mischnick einzugehen, der es heute morgen so darstellte, als sei es nichts Besonsonderes, daß in der Bundesrepublik in 50 % der betriebsratsfähigen Betriebe bisher kein Betriebsrat gebildet worden ist. Ich möchte hier nicht anregen, einmal zu untersuchen, welche Ursachen dazu wohl beigetragen haben. Wenn Sie mich fragen,' würde ich sagen: In aller Regel verhindert der unwahrscheinliche Druck der Betriebsinhaber, Betriebsratsmitglieder zu finden. Es mag hier und da auch mangelnde Zivilcourage hinzukommen. Aber ich könnte aus der Praxis nicht nur ein Beispiel, ich könnte dutzendweise Beispiele bringen, daß zunächst einmal Arbeitnehmer, die sich bemüht haben, einen Betriebsrat zu bilden, entlassen wurden oder aber sonstige Schwierigkeiten im Betrieb hatten. Wenn es so ist, verwundert es einen doch nicht, daß sich Arbeitnehmer scheuen, die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten auszuschöpfen, zumal damit persönliche Benachteiligungen verbunden sind. Deshalb haben wir es als notwendig erachtet, diesen Bereich einmal besonders zu überprüfen, und haben festgelegt, daß zukünftig Wahlvorstände und Kandidaten einen Kündigungsschutz erhalten sollen, und zwar in einer nachwirkenden Form.
Ebenso sind wir der Auffassung, daß immer dann, wenn betrieblich kein Wahlvorstand zustande kommt, auch eine Möglichkeit geschaffen werden muß, durch das Arbeitsgericht einen betriebsfremden Wahlvorstand einzusetzen, damit den vorhandenen Gesetzen Genüge getan wird.

(Abg. Schulhoff: Wie?)

— Darf ich noch einmal fragen, ich habe Sie nicht verstanden.

(Abg. Schulhoff: Wir wollen doch in diesen Betrieben keine betriebsfremde Mitglieder haben!)

— Ja, wir wollen in Betrieben immer dort, wo es das Gesetz vorschreibt, Betriebsräte haben. Wenn die Möglichkeit dazu im Betrieb nicht gegeben wird, wenn der Arbeitgeber verhindert, daß es zu Betriebsratsbildungen oder zu Betriebsversammlungen oder zur Bildung von Wahlvorständen kommt, dann soll nach unserer Auffassung das Arbeitsgericht befinden können, daß Betriebsfremde die Funktion des Wahlvorstandes übernehmen können.

(Abg. Schulhoff: Eben!)

Ich bin ganz bewußt der Auffassung, daß diese Änderung notwendig ist, um in allen Betrieben, die betriebsratsfähig sind, zu gleichen Verhältnissen zu kommen.
Wir haben ebenfalls vorgesehen, daß der Bereich der Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern zukünftig nicht mehr davon abhängen soll, wie das jeweilige Arbeitsgericht im Ermessensbereich eine Festlegung trifft, sondern wir sind der Auffassung, daß eine Festlegung nach Betriebsgrößen in aller Regel im Gesetz zu erfolgen hat, um eine angemessene Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb zu gewährleisten.
Einen besonderen Bereich hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion auch der Jugendvertretung im Betriebsverfassungsgesetz gewidmet. Wir sind der Meinung, daß die bisherigen Arbeitsmöglichkeiten, die unsere Jugendvertretungen haben, nicht ausreichend sind. Deshalb sehen wir vor, daß in dieses Gesetz eingebaut wird, daß Jugendvertreter zukünftig in den Fällen ein Stimmrecht haben, in denen es sich ausschließlich um Angelegenheiten der Jugendlichen handelt, und wir sehen vor, daß die Betriebsjugendvertretung immer die Möglichkeit hat, mit einem Jugendvertreter an den Betriebsratssitzungen teilzunehmen. Dadurch ist eine ständige Information und Mitarbeitsmöglichkeit gewährleistet, die unseres Erachtens dringend erforderlich ist.
Ich sagte einleitend, wir mußten dieses Betriebsverfassungsgesetz bei der Überarbeitung so sehen,



Buschfort
daß zwischenzeitliche Erkenntnisse eingearbeitet werden mußten. Das hat sich insbesondere im Bereich der Mitbestimmung, im sozialen und personellen und wirtschaftlichen Bereich gezeigt. Das Bundesarbeitsgericht hat den Betriebsräten durch die Rechtsprechung zum § 56 nicht die Möglichkeit gegeben, bei einzelne Arbeitnehmer betreffenden Fragen mitzubestimmen. Deshalb muß hier eine Veränderung herbeigeführt werden, um auch den einzelnen Arbeitnehmer zu erfassen.
Es muß aber auch der Bereich, der zwischenzeitlich u. a. aus der Umschulung und Fortbildung entstanden ist, mit deren Bedeutung wir es heute zu tun haben, in dieses Gesetz eingeordnet werden. Auch sollte die Verwendung von betrieblichen Kontrollgeräten und Datenanzeigegeräten, die immer stärker und immer häufiger auf das Betriebsgeschehen Einfluß nehmen, nicht ohne die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betrebsrates angewandt werden. Ich denke da insbesondere an Maschinenlastschreiber, an Fernsehanlagen und an sonstige Kontrollgeräte, die in den Betrieben zur Überwachung eingebaut werden. Ich meine, es sei von besonderer Bedeutung, daß der Betriebsrat hier ein wesentliches Wort mitzureden hat. Ebenso ist die Einbeziehung von Prämienentlohnung und leistungsbezogenen Entgelten in § 56 zu sehen, da wir es in den Betrieben heute nicht mehr ausschließlich mit dem Begriff Stundenlohn oder Akkordlohn zu tun haben.
Erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zu den personellen Angelegenheiten. Ich bin überzeugt, daß gerade dieser Bereich in der späteren Diskussion - eine besondere Rolle spielen wird. Wir haben vorgesehen, daß die Betriebsräte sowie die Personalräte im Personalvertretungsgesetz zukünftig bei Entlassungen, Versetzungen, Umgruppierungen oder ähnlichem ein volles Mitbestimmungsrecht erhalten sollen. Wir möchten, daß in diesen Fragen — auch aus der Sicht des Wirtschaftsausschusses heraus — der Betriebsrat durch eine umfassende Information befähigt ist, die Zusammenhänge mit Investitions-und Rationalisierungsvorhaben zu beurteilen. Wenn gewährleistet ist, daß der Betriebsrat in diesen wirtschaftlichen Angelegenheiten eine Information erhält, dann ist auch sichergestellt, daß er bei der verantwortlichen Mitarbeit bei Entlassungen, Umgruppierungen usw. keine falschen Entscheidungen treffen wird.
Hier wird uns zwar immer wieder die Frage gestellt, ob wir denn ernsthaft den Betriebsräten zumuten wollen, diese verantwortliche Funktion zu übernehmen. Ich möchte dazu sagen: In den mitbestimmten Betrieben hat bisher der Arbeitsdirektor die Verantwortung getragen. In vielen der verarbeitenden Betriebe ist es bereits jetzt so, daß sich Betriebsräte und Arbeitgeber darüber geeinigt haben, Entlassungen und Einstellungen der Mitbestimmung zu unterwerfen. Ich meine auch, daß eine Gesetzgebung, die die Mitverantwortung will, bewußt klarstellen muß, daß hier Fakten sind, die der Betriebsrat zu übernehmen hat. Ich sehe darin keine ungerechtfertigte Belastung für den Betriebsrat, sondern ich sehe darin eine berechtigte und verpflichtende
Wahrnehmung der Interessen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.
Ich sagte bereits, daß wir eine bessere Informationsmöglichkeit für die Mitarbeiter im Wirtschaftsausschuß möchten. Ich denke hierbei insbesondere an Informationen über Investions- und Rationalisierungspläne. Ich kann mir eine sinvolle Mitarbeit des Betriebsrats nicht vorstellen, wenn er nicht umfassend über betriebliche Veränderungen informiert wird, um gegebenenfalls auch rechtzeitig Sozialpläne einleiten zu können. Deshalb meine ich, daß auch hier ein berechtigtes Interesse der Arbeitnehmer zu sehen ist, Veränderungen herbeizuführen.
Nun noch eine abschließende Bemerkung. Wer den Ausführungen heute morgen aufmerksam
folgt ist, konnte den Eindruck gewinnen, es handle sich bei der Mitbestimmung um einen Vorgang, bei dem schließlich Gewerkschaftsfunktionäre oder Betriebsratsmitglieder all das, was im Betrieb vor sich geht, allein bestimmen wollen. So ist es nicht. Es handelt sich hier um Gesetze zur Erweiterung der Mitbestimmung. Die Betonung ist hier auf das Wort „mit" zu legen, und das heißt nichts anderes, als daß nicht mehr eine Seite allein zu entscheiden hat, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinteressen wahrzunehmen. Es geht also darum, eine gebührende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen bei allen betrieblichen Entscheidungen herbeizuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, bitte ich Sie vielmals, unseren Gesetzen die Zustimmung nicht zu versagen.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521018900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die erste Beratung der Gesetze unter Punkt 3 der Tagesordnung beendet.
Wir kommen zur Erledigung der Überweisungsvorschläge des Ältestenrates.
Der Entwurf eines Personalvertretungsgesetzes soll an den Innenausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Arbeit zur Mitberatung überwiesen werden. — Dem wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Das Gesetz über die Unternehmensverfassung in Großunternehmen und Konzernen soll überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß zur Mitberatung. Die Federführung ist noch offen. Ist inzwischen darüber eine Verständigung erfolgt?

(Abg. Rösing: Ausschuß für Arbeit!)

— Ausschuß für Arbeit! — Diesem Vorschlag wird ebenfalls nicht widersprochen. Dann ist so beschlossen.
Das Gesetz zur Neuregelung der Betriebsverfassung soll überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschafts und Mittelstandsfragen. — Auch hier erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes soll überwiesen werden an den Rechtsausschuß — feder-



Vizepräsident Schoettle
führend — sowie an den. Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und an den Ausschuß für Arbeit. — Diesem Überweisungsvorschlag wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Das Zweite Mitbestimmungssicherungsgesetz soll überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit — federführend — sowie an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen. — Auch hier wird nicht widersprochen; die Überweisung ist im vorgeschlagenen Sinne beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 4 auf:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gaststättengesetzes (GastG) — Drucksachen V/205, V/1652 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß)

-Drucksache V/3623 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr.
Kuchtner (Erste Beratung 19. Sitzung)

Die Frau Berichterstatterin hat ihren Bericht bereits erstattet. Wir waren in der 207. Plenarsitzung am Mittwoch, dem 15. Januar 1969 so weit gekommen, daß von der Fraktion der SPD vorgelegte Änderungsanträge bereits begründet waren. Als die Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der SPD 565 durchgeführt werden sollte, wurde im Rahmen der Auszählung die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt und die Sitzung vom amtierenden Präsidenten aufgehoben. Nach § 51 der Geschäftsordnung wird in solchem Falle noch einmal in einer der nächsten Sitzungen abgestimmt. Das ist ganz logisch; denn wir waren in der Abstimmung.
Ich stelle daher den Änderungsantrag Umdruck 565 *) Ziffer 1 zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, gebe ein Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Wir wiederholen die Abstimmung, weil im Präsidium keine Einigkeit besteht. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag Umdruck 565 Ziffer 1 stimmen wollen, sich zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — Das Präsidium ist sich darüber einig, daß das erste die Mehrheit war. Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nun über den § 1 in der durch die Abstimmung geänderten Fassung ab. Wer dem § 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Ich bitte aber, Platz zu nehmen, so daß deutlich zu erkennen ist, wer für was stimmt. § 1 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 2. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 565 Ziffer 2 vor. Der Antrag ist bereits begründet. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nun über den Änderungsantrag Umdruck 565 Ziffer 3 abstimmen. Wer diesem Änderungs-
*) Siehe 207. Sitzung, Anlage 7 antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer der Ziffer 3 des Umdrucks 565 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. —Danke. Die Gegenprobe! - Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen.
Ich darf das Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben. Insgesamt sind 303 Stimmen abgegeben worden; das Haus war also beschlußfähig. Mit Ja haben gestimmt 158, mit Nein 144, enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit ist also der Änderungsantrag Umdruck 565 Ziffer 3 angenommen.
Wir haben nun noch über Ziffer 4 des Änderungsantrages abzustimmen. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. — Die Gegenprobe! Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Ziffer 4 ist angenommen.
Wir stimmen jetzt über den § 2 in der geänderten Fassung ab. Wer diesem Paragraphen zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Danke. — Die Gegenprobe! — Ich unterstelle, daß das erste die Mehrheit war.
Wir kommen zu § 3. Hier liegt kein Änderungsantrag vor. Wer stimmt dem § 3 zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Gegenstimme, eine Enthaltung. § 3 ist angenommen.
Nun kommt § 4. Dazu liegt auf Umdruck 561 *) wieder ein Änderungsantrag vor; der Antrag soll begründet werden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0521019000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Änderungsantrag auf Umdruck 561 ist an und für sich schon begründet worden. Da aber offensichtlich die letzten beiden Worte unseres Änderungsantrags für einen Teil dieses Hauses zu hart formuliert sind, nämlich die Worte „und sie beherrscht", bitten wir Sie, diese Worte zu ersetzen durch die Worte „mit ihnen vertraut ist". Wir tun das in der Hoffnung, daß wir damit der Mehrheit dieses Hauses die Möglichkeit geben, diesem Antrag zuzustimmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521019100
Das ist also eine Änderung des Änderungsantrags. Das Haus hat sie zur Kenntnis genommen.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0521019200
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir leid; auch dieser etwas weicheren Fassung, die die Einführung einer entsprechenden Prüfung durch die Hintertür bedeutet, können wir nicht zustimmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521019300
Herr Abgeordneter Unertl hat das Wort.
*) Siehe 207. Sitzung, Anlage 8
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210.- Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 11371

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0521019400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unbeschadet dessen, was in der dritten Lesung noch an Änderungsanträgen von uns kommt, möchte ich für meine Freunde erklären, daß wir diesem Änderungsantrag zustimmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521019500
Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 561 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung wiederholen.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 561 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmmen dann über § 4 in der Fassung des Entwurfs ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. § 4 ist angenommen.
Ich rufe § 4 a auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 565 vor, der den Paragraphen schlicht gestrichen haben will.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulhoff.

Georg Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID0521019600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um den Sachkundenachweis. Mir geht es sicherlich so wie Ihnen: Wenn ich. einen Gesetzentwurf in die Hand nehme, überprüfe ich ihn nach drei Gesichtspunkten. Erstens: Was kostet es den Staat, oder wen kostet es etwas? Zweitens: Wem nützt es? Drittens: Wem schadet es?
In diesem Falle ist die erste Frage einfach zu beantworten — darüber sind wir uns einig -: Es kostet nichts. Dann wird alles gleich besser.
Die zweite Frage ist: Wem nützt es? Meine Damen und Herren, ich meine, es nützt dem Verbraucher, der Öffentlichkeit, all denen, die eine Gaststätte besuchen. Selbstverständlich, diejenigen, die in der Lage sind, nur in ganz feinen Gaststätten zu speisen, können allenfalls eine Austernvergiftung riskieren. Aber die einfachen Leute, zu denen ich mich auch zähle — Handwerker, Lastkraftwagenfahrer -

(Heiterkeit — Abg. Schulte: Abgeordnete!)

— Abgeordnete, z. B. Hinterbänkler, die also keine Eignung zum Staatssekretär haben —, gehen auch schon einmal in kleine Pinten, und sie riskieren dann allerdings eine Fischvergiftung oder eine Muschelvergiftung.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Aber die verhindern Sie damit ganz bestimmt nicht! — Weitere Zurufe.)

— Sie können mich durch solche Zwischenrufe nicht erschüttern. Dann müssen sie schon gezielt sein. Jedenfalls wäre es doch nicht das erste Mal, daß jemand sich so eine Vergiftung zugezogen hätte. Ganze Familien sind schon auf diese Weise umgekommen.

(Lachen.)

Aber, meine Damen und Herren, sei es so oder
so, seien mehr oder weniger umgekommen, — —

(Fortgesetztes Lachen und Zurufe.)

— Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit, sonst warte ich so lange, bis Sie ruhig sind.
Fest steht doch eines: es soll der unmögliche Zustand beseitigt werden, daß, obwohl in allen Wirtschaftsbereichen, die Nahrungsmittel an die Verbraucher abgeben, ein Befähigungsnachweis erbracht werden muß, als einzige Gruppe das Gaststättengewerbe ausgeschlossen sein soll. Also der Bäcker, der Brotwaren verkauft, die an und für sich nicht ohne weiteres zur Vergiftung führen — allenfalls dazu, daß ab und zu ein Zahn kaputt geht, wenn etwas zu hart ist —,

(fortgesetztes Lachen)

muß eine Prüfung machen. Derjenige, der Fleisch verkauft, muß eine Prüfung machen. Ja, sogar derjenige, der Hackfleisch verarbeitet — auch in Industriebetrieben; das ist das sogenannte Hackfleischgesetz —,

(Heiterkeit)

muß die Meisterprüfung oder mindestens die Ausnahmegenehmigung haben. Aber dort, wo aus diesen Naturalien etwas Fertiges zubereitet wird, was den Verbrauchern vorgesetzt wird, kann man einfach jeden nehmen, ganz egal, woher er kommt und was er kann.

(Beifall in der Mitte.)

Auf der anderen Seite: wem schadet es? Sehen Sie sich bitte einmal den Antrag an. Schon derjenige wird als sachkundig angesehen, der irgendwo eine Gesellenprüfung gemacht hat. Es wird derjenige als sachkundig angesehen, der in den letzten zehn Jahren drei Jahre lang einschlägig beschäftigt war. Das sind doch verhältnismäßig milde Bedingungen. Es geht sogar so weit, daß derjenige ausgenommen wird, der irgendwie den Nachweis erbringt, daß er einschlägig befähigt ist.
Es soll nur eines vermieden werden: daß derjenige, der leicht zu Geld gekommen ist, irgendwie veranlaßt durch eine der Brauereien, die da sehr großzügig sind das heißt in der Vergabe, nicht im Pachtpreis —, eine solche Gaststätte anmietet und dann auf Gedeih und Verderb die Gäste bedient. Es ist eingewandt worden, daß sich das womöglich gegen die Ausländer richtet. Keinesfalls! Die Italiener und die Spanier und die Franzosen sollen ausgezeichnete Köche sein.

(Lachen und Zurufe von der SPD.)

Es wird nicht die Sprache, sondern es wird die Kochkunst geprüft.
Die dritte Frage war also: wem schadet es? Es gibt nur eine Gruppe, der es schadet: das sind die Brauereien, die mit Macht auf Ablehnung drängen. Mich haben sie auch dahin angesprochen, daß dieser § 4 a nicht verabschiedet werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich hätte mich vielleicht nicht mit dieser Intensität der Sache angenommen, wenn ich nicht ein eigenes Erlebnis gehabt



Schulhoff
hätte, das Sie bitte freundlichst zur Kenntnis nehmen wollen. Ein Chauffeur von mir

(Zurufe von der SPD: Aha! — Wie viele haben Sie denn? — Weitere Zurufe und Lachen)

— warten Sie mal ob, nicht so vorschnell, meine Herren; ich höre Sie auch immer aufmerksam an und bitte um das gleiche — wollte nun endlich auch einmal besser leben, nicht immer fahren, wollte abends pünktlich zu Hause sein.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

Da hat er sich von einer Brauerei verleiten lassen — ich kann alles mit Roß und Reiter nennen —, eine Wirtschaft zu übernehmen. Er hat seine Ersparnisse zusammengekratzt und hat dann eine Pacht von zweieinhalbtausend Mark im Monat übernommen. Er hat seine Frau in die Gaststätte mit hineingenommen, um keine fremden Kräfte beschäftigen zu müssen.

(Anhaltende Zurufe.)

Er hat seine Tochter aus einem Damenschneidereibetrieb genommen

(Zurufe und Lachen)

— es ist eine tragische Angelegenheit, lachen Sie bitte nicht zu früh — und hat seinen Sohn aus der Lehre genommen. Der Erfolg war, daß er, obwohl die Brauerei nach einigen Monaten die Pacht auf 1500 DM verkürzt hat, in einem Jahr pleite war und achteinhalbtausend Mark Schulden hatte. Dann war ich es, der mit seinen Gläubigern verhandelt hat, um ihn wenigstens dadurch von der Vollstreckung zu befreien, daß wir dafür garantiert haben, daß er die Schuld in Raten von 100 DM monatlich bezahlt. Nun muß dieser Mann, wieder in den Chauffeurdienst zurückgekehrt, fünf Jahre lang für seine Leichtfertigkeit büßen.

(Lachen bei der SPD.)

Und noch eines: Sein Sohn hat ihn daraufhin verlassen; er ist nach Frankreich in die Fremdenlegion gegangen, weil er seinem Vater böse war.

(Unruhe bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521019700
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Haase (Kassel) ?

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0521019800
Ich stimme im Prinzip Ihren Überlegungen zu. Aber wäre vielleicht, was das letzte Beispiel betrifft, der Grund für das Scheitern Ihres Fahrers darin zu suchen, daß der Betreffende selbst sein bester Kunde war?

(Heiterkeit.)


Georg Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID0521019900
Der Mann war magenkrank!

(Große Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521020000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage?

Georg Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID0521020100
Es ist so — glauben Sie es mir wirklich! —, die Brauereien möchten einen großen Kreis von Bewerbern haben, auch von solchen, die völlig unsachkundig sind. Für die kommt es nur darauf an — Herr Elbrächter, nicht wahr, so ist es doch? —, Leute zu bekommen, die bezahlen, die die Kaution hinterlegen können, Darauf kommt es ihnen allein an. Aber das sind keine Gesichtspunkte für uns, meine Damen und Herren.
Sie haben hier also zu entscheiden — nehmen Sie es nicht so leicht! —: der Verbraucher auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Brauereien. Wenn Sie die Brauereien noch reicher machen wollen, — bitte, es steht Ihnen frei.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521020200
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß es sich hier um eine tiefgehende Weltanschauungsfrage handelt, die die Emotionen hochtreibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0521020300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Brauereien und ihre Interessen sind in diesem Zusammenhang nicht wichtig. Sie hätten bei der Kartellgesetznovellierung in der vergangenen Legislaturperiode Gelegenheit gehabt, im Zusammenhang mit Knebelungsverträgen, Herr Schulhoff, dafür zu sorgen, daß solche Dinge nicht eintreten.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist der erste Punkt.
Punkt zwei. So wie dieser Sachkundenachweis hier gestaltet ist, nützt er nichts, weil nämlich die lebensmittelrechtlichen Vorschriften völlig ausreichen und die Erfahrung gelehrt hat, daß die Konzessionsentzüge wegen Verstoßes gegen die lebensmittelrechtlichen Vorschriften in der Mehrzahl bei solchen Leuten erfolgt sind, die ihre Sachkundenachweise gehabt haben.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich bitte also, meine Damen und Herren, dem adäquaten Mittel des Lebensmittelrechts und der notwendigen Kontrolle zu entsprechen und es anzuwenden und hier nicht einen Sachkundenachweis zu verlangen, der keinerlei Wirkung hat, höchstens die eine: daß die vom Grundgesetz her garantierte freie Berufsausübung ungebührlich eingeschränkt wird: Unsere verfassungsrechtlichen und -politischen Bedenken haben wir schon in der vergangenen Woche erörtert.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521020400
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0521020500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens: Herr Kollege Lange weiß ganz genau, daß die verfassungsrechtliche Frage geprüft wurde und daß im Zusammenhang mit dem Einzelhandelsgesetz, das die Sachkunde ja auch vorschreibt, geklärt ist, daß das, was hier gewollt



Unertl
wird — und zwar nach den Auslegungen des Rechtsausschusses und nach dem, was der Rechtsausschuß in seinem Bericht gesagt hat —, mit der Verfassung in Einklang gebracht ist.
Zweitens möchte ich ganz kurz versuchen, dem ganzen Gesetz wieder die Note zu geben, die es verdient. Es ist nicht am Platze, dies mit Lächerlichkeiten abzutun, sondern, meine Damen und Herren, hier will sich ein Berufsstand eine Ordnung ausgerechnet in einer Zeit geben, in der wir einige Ordnungsgesetze erlassen haben, die draußen großen Widerstand finden. Ich darf an die Gesetzgebung gerade für die Ordnungswidrigkeiten im Kraftverkehr erinnern; da wird bestimmt noch einiges auf das Parlament zukommen.
Außerdem wird der Gesetzentwurf, der hier eingebracht ist und den Beginn der Fahrunfähigkeit und -untüchtigkeit beim Kraftfahrer mit 0,8 oder 1,0 Promille gesetzlich verankern will, ebenfalls draußen zur Diskussion stehen. Ich möchte sagen: ich habe einfach kein Verständnis dafür, daß ein Gesetz, das, wie Kollege Schulhoff sagte, weder den Steuerzahler noch den Finanzminister eine Markt kostet, von diesem Parlament in einer Zeit beraten werden soll, in der wir gerade von dem Bundestag, dessen Legislaturperiode in diesem Jahr zu Ende geht, nicht sagen können, daß er immer sehr mittelstandsfreundlich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, ich höre draußen so viele Redensarten bei Versammlungen. Da gibt man sich so mittelstandsfreundlich, wenn es gerade paßt. Wenn hier aber einmal ein Gesetz zur Abstimmung kommt, von dem eine Gruppe, nämlich die Gastwirte ganz generell und der Berufsverband, möchte, daß ihm Nachdruck gegeben wird, um die Ordnung wiederherzustellen, die dem Berufsstand die totale Gewerbefreiheit genommen hatte, dann sollte man die Fassung des Rechtsausschusses hier gelten lassen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Gewerbefreiheit, meine Damen und Herren, rührt doch noch aus dem Morgenthau-Zeitalter und aus der Zeit der Besetzung der Bundesrepublik Deutschland.

(Oh-Rufe bei der SPD.)

— Ja, da gibt es keinen Widerspruch. Meine Damen und Herren, diese Entwicklung hat dazu geführt, daß gerade in kleinen Kreisen unseres Mittelstandes, beim Einzelhandel, bei vielen kleinen Betrieben das Ende kommen mußte. Einerseits haben wir uns zur amerikanischen Praxis und zum Großbetrieb, zum Konzern entwickelt. Hier steht der Supermarkt, dort steht der Großmarkt, und die Kleinen bleiben einfach auf der Strecke. In diesem Hause soll sich niemand einbilden, daß dieser Bundestag bei der kommenden Bundestagswahl nicht auch danach beurteilt wird, wie er mit diesen Anliegen kleiner Existenzen in der Bundesrepublik umgeht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Freunde und meine Damen und Herren, wenn die Gastwirte nicht immer Freunde haben, soll man nicht so handeln, daß, wenn einige aus der Rolle fallen, die anderen darunter zu leiden haben.
Wir wissen doch, was sich heute auf dem Gaststättensektor entwickelt hat: der Fernsehschirm auf der einen Seite, auf der anderen Seite das Gesetz über den Alkoholgenuß und -mißbrauch und über die Untüchtigkeit des Kraftfahrers nach Alkoholgenuß.
Dazu kommt der von den Brauereien so wunderbar formulierte Bierhausierhandel, von dem man heute sagt: Seine Majestät der Verbraucher wünscht, daß ihm die Brauerei das Bier billiger als dem Gastwirt ins Haus liefert. Das hat doch alles dazu geführt, daß die Klein- und Kleinstbetriebe, die Schankbetriebe, die Schankgaststätten sowieso nicht mehr eine Lebensgrundlage abgeben. Was im landwirtschaftlichen Bereich gang und gäbe ist, was wir im handwerklichen Bereich beim Schuhmacher, beim Schneidermeister, beim Stellmacher — so sagt man in Norddeutschland, in Bayern ist es der Wagnermeister — erlebt haben, was wir auf vielen Sektoren dieses gewerblichen Bereichs erlebt haben, trifft für Schankstätten in der Zukunft zu. Diese Kleingaststätten werden in Zukunft auf jeden Fall zu auslaufenden Betrieben und Betriebsstätten werden.
Wenn wir uns dann vor Augen halten, daß unsere Nachbarländer, die klassischen Fremdenverkehrsländer wie Österreich und die Schweiz, sich in der Vergangenheit einen verstärkten Sachkundenachweis gegeben haben, dann sollte man doch der deutschen Gastronomie, die ebenfalls ein Aushängeschild für die Bundesrepublik schon an dem Tage ist, wo jemand ein Gastwirtschild an seine Tür hängt, das Recht geben, das nach zwei und drei Perioden in diesem Bundestag nicht fertig wurde, und die Fassung des Rechtsausschusses endlich Gesetz werden lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie schreibt denn einer? Ich möchte nicht den Fehler begehen, der von dieser Stelle aus begangen wurde, als man einen Brief eines verehrten Gastwirts aus Hamburg bei der Beratung der Mehrwertsteuer vorlas. Ich möchte die Sätze, die bestimmt auch mich nicht ganz friedlich stimmen, nicht vorlesen, aber mit Genehmigung des Präsidenten ein paar Sätze. Da schreibt einer erst heute:
Wie geht es denn zu in dieser Bundesrepublik? Der Kleine wird kleiner, der Große wird größer. Und in unserem Gewerbe sind vielfach in Gaststätten immer die Ausländer und Betriebsfremde am Werke und haben sich eingeschlichen, die von keiner Behörde, also vom Landratsamt, ausgeschaltet werden können.
Was man in diesem Gesetz endlich haben möchte und womit sich der Rechtsausschuß so viel Mühe gemacht hat, hängt — ich habe es schon einmal von diesem Platz aus gesagt — mit dem strengen Lebensmittelgesetz zusammen, das wir in der Bundesrepublik eben haben. Wenn man vom Einzelhandel die Sachkunde verlangt, dann kann man auch den Gastwirt zu einer gewissen Sachkunde anhalten. Was im Gesetz verlangt wird, ist doch beileibe nicht so, daß man von großen Schwierigkeiten oder von undurchführbaren Maßnahmen reden kann. Halten Sie auch die Bäuerin, die auf dem Dorf mehr als



Unertl
acht Fremdenbetten anlegt und deswegen nach diesem Gesetz auch gefragt wird, ob sie etwas vom Lebensmittelrecht weiß, von dem, was jeder andere beherrschen muß, halten Sie unsere Bäuerinnen, unsere jungen Mädchen auf dem Bauernhof, die in Haushaltungsschulen bereits heute auch Servierkurse machen, nicht für so ungeschickt, daß sie mit den Anforderungen, die von der Industrie- und Handelskammer dann gestellt werden, nicht fertig würden! Wir sollten doch nicht so über- oder untertreiben, wir sollten nicht so tun, als ob wir hier ein Gesetz machten, daß alles aus den Fugen brächte.
Ich richte mich nicht immer nach dem, was z. B. die „Süddeutsche Zeitung" gestern geschrieben hat oder was die „Frankfurter Allgemeine" geschrieben hat. In einem aber hat der Berichterstatter der „Süddeutschen Zeitung" recht: Dieser Bundestag sollte endlich einmal beieinanderbleiben, sollte der Öffentlichkeit nicht immer das schlechte Bild der Beschlußunfähigkeit bieten. Er sollte dieses Gesetz zur Verabschiedung bringen. Man sollte die Feigheit ablegen und den Mut haben, entweder ja oder nein zu sagen.
Ich bin dafür, daß wir die Fassung des Rechtsausschusses heute Gesetz werden lassen. Ich bitte Sie darum, für die Vorlage des Rechtsausschusses zu stimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521020600
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner.

Dr. Edeltraud Kuchtner (CSU):
Rede ID: ID0521020700
" Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist wieder einmal die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Forderung nach einem Sachkundenachweis angesprochen worden. Daß diese Forderung verfassungsmäßig ist, ergibt sich eindeutig aus dem Urteil des Verfassungsgerichts in bezug auf den Einzelhandel. Darin ist festgestellt, daß bei der Abgabe von Lebensmitteln an den Verbraucher besondere Anforderungen an den Bewerber, an den Betriebsinhaber gestellt werden können. Das muß in vermehrtem Maße doch vom Gastwirt gelten, der die Speisen nicht nur abgibt, sondern auch verarbeitet.
Wenn hier gesagt wird, das könne nicht funktionieren, so muß ich darauf hinweisen, daß die Formulierung eine Härteklausel und eine Differenzierung nach den Notwendigkeiten der verschiedenen Betriebsarten enthält. Was für das Lebensmittelhandwerk und den Lebensmittelhandel notwendig und recht ist, ist meines Erachtens für den Gastwirt, der die Speisen verarbeitet, billig.
Ich weise noch einmal darauf hin, daß es nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig ist, diesen Befähigungsnachweis zu fordern, und daß die Bestimmung auch sachgerecht und funktionsgerecht angewendet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521020800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0521020900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich die Diskussion verlängern muß, obwohl die Argumente bereits vor acht Tagen hin- und tiergewendet worden sind. Es sind in der Sache keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht worden. Da hier aber mit Vehemenz davon gesprochen worden ist, daß dieses Gesetz den Staat kein Geld koste und daß es mittelstandsfreundlich sei, möchte ich doch noch einmal sagen, welche Gesichtspunkte mich veranlassen, den § 4 a in der Fassung des Rechtsausschusses abzulehnen und für die Fassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu stimmen.
Das vorliegende Gesetz hat für mich drei Aspekte.
Der erste ist der gesundheitspolitische Aspekt. Ich habe nach dem Schwergewicht der Diskussion den Eindruck, daß die gesundheitspolitische Motivierung vorgeschoben ist und es sich ganz einfach um eine Schutzmaßnahme in einem „Kästchen-Denken" einer Gott sei Dank verflossenen Zeit handelt. Auch der Hinweis auf die Bestimmungen für den Einzelhandel zieht nicht. Ich darf darauf hinweisen; daß die Hersteller von Lebensmitteln einen solchen Sachkundennachweis nicht brauchen, der Großhandel ebenfalls nicht. Obwohl ich zugebe, Frau Kollegin Kuchtner, daß eine solche Bestimmung verfassungsmäßig sein kann — darin liegt für mich gar nicht der Streit —, wäre ich jederzeit bereit, die Bestimmung für den Einzelhandel über den Sachkundennachweis in lebensmittelrechtlicher Beziehung fallenzulassen.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal]: Sehr richtig!)

Der gesundheitspolitische Schutz ist durch unser Lebensmittelgesetz und durch die Überwachung gegeben. Ich hatte schon das letzte Mal Anlaß, darauf hinzuweisen, daß hier vielleicht etwas im argen liegt. Das kostet aber Geld; das gebe ich ohne weiteres zu und betone das. Aber die lebensmittelpolizeiliche Überwachung in den Ländern könnte und müßte verstärkt werden. Das wäre ein besserer Schutz als ein großer Befähigungsnachweis oder kleiner Befähigungsnachweis, denn es gibt ja merkwürdige Ausnahmebestimmungen, Kautschukbestimmungen, so daß man von einem Befähigungsnachweis nicht mehr sprechen kann. Ich darf — ich wiederhole es — an die leidige Nitritaffäre erinnern, wo Leute mit großem Befähigungsnachweis contra legem gehandelt haben. Erst die Lebensmittelüberwachung hat diese Mißstände aufgedeckt. Genau dasselbe gilt für Gastwirtschaften. Es wird gar nicht bestritten, daß durch ungeeignete Personen Gefahren entstehen. Aber wenn man es mit notorischen Gesetzesbrechern zu tun hat, kann man sich von vornherein nicht davor schützen. Das ist also, glaube ich, ein alter Erfahrungsgrundsatz.
Der zweite Aspekt betrifft das Wirtschaftspolitische. Ich wage zu widersprechen, daß es sich um ein mittelstandsfreundliches Gesetz handelt. Wir müssen doch die große Strukturänderung, die sich gerade auf dem flachen Land vollzieht und die durch den Tourismus herbeigeführt wird, im Auge behalten. Das letzte Mal hat Herr Kollege Unertl darauf hingewiesen, daß in seiner Heimat, auf dem flachen Land, geradezu eine Inflation von kleinen Gastwirtschaften und Schankwirtschaften entstanden sei. Das



Dr. Elbrächter
liegt einfach daran, daß Millionen von Bundesbürgern heute durch die deutschen Lande reisen und sich dort aufhalten. Heute morgen habe ich gerade eine Nachricht aus dem Wirtschaftsministerium bekommen, wonach es im Sommerhalbjahr des letzten Jahres über 100 Millionen Übernachtungen gegeben hat. Das wirkt sich natürlich aus.
Lieber Kollege Unertl — auch Herr Schulhoff ist angesprochen —, die Änderung im gesellschaftlichen Leben, d. h. daß der Mann — die Frau ist weniger angesprochen — nicht mehr den Drang hat, in die Wirtschaften zu gehen, können Sie nicht aufhalten. Das ist nicht nur durch den Flaschenbierhandel bedingt, das ist selbstverständlich auch durch das Auto bedingt, das unser Leben umkrempelt, das ist auch durch das Fernsehen bedingt; das wissen wir doch alle. Es ist Gott sei Dank auch dadurch bedingt, daß die häusliche Atmosphäre von einem, ich darf sagen, in den meisten Fällen gediegenen Wohlstand zeugt, so daß das Wirtshaus nicht mehr die Oase, die Zuflucht aus einer häuslichen Atmosphäre ist, die nicht zureicht, eine Erscheinung, wie wir sie im vergangenen Jahrhundert — auch noch bis Anfang dieses Jahrhunderts — gehabt haben. Das sind erfreuliche Dinge, und Sie können diese Entwicklung durch kein Schutzgesetz aufhalten. Nehmen Sie doch Abschied von solchen Vorstellungen!
Wirtschaftspolitisch gesehen ist also die Ablehnung Ihres Vorschlags durchaus nicht mittelstandsfeindlich, sondern ich betone, daß soundso viele Existenzen auf dem Lande keine Zukunft haben werden. Frau Kollegin Kuchtner, Sie sagten, diese Leute sollten nicht betroffen sein, sie sollten durch eine Kautschukbestimmung wegen der unzumutbaren Belastung von den Erschwernissen Ihres § 4 a verschont werden.
Jetzt komme ich auf den dritten Aspekt, den Aspekt der Praktikabilität. Sie widersprechen sich doch: auf der einen Seite wollen Sie es durch einen Sachkundennachweis erschweren. Dort, wo sich die Entwicklung am häufigsten ändert, nämlich auf dem flachen Land, wollen Sie den Sachkundennachweis nicht fordern, weil Sie Ihre eigenen Wähler nicht tangieren wollen. Ich darf das einmal ganz deutlich ansprechen. Das ist doch kein gutes Spiel; das muß ganz deutlich gesagt werden.
Zum Schluß möchte ich sagen, daß die Behauptung, der § 4 a koste kein Geld, einfach nicht stimmt. Natürlich — ich wiederhole, was ich schon letztes Mal gesagt habe —, den Finanzminister, unseren Staat nicht; aber eine Behörde wie die Industrie- und Handelskammer, auf die wir diese Sache abwälzen, die kostet doch auch das Geld. Diese braucht doch dann neue Leute, sie hat zusätzliche Arbeit. Sie können das mit einer solchen Argumentation einfach nicht vom Tische wischen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521021000
Gestatten Sie eine Frage, Herr Elbrächter? — Herr Unertl, bitte!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0521021100
Ist Ihnen bekannt, daß die Gastwirte zu den Beitragszahlern der Industrie- und Handelskammern zählen und daß sie deswegen von dieser Industrie- und Handelskammer diese Betreuung kraft ihrer Beitragsleistung erwarten können?

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0521021200
Aber wenn die Industrie- und Handelskammer über den jetzigen Apparat hinaus stärker beanspruch wird, und das ist doch die logische Folge, dann kostet das doch mehr Beiträge.

(Widerspruch des Abg. Unertl.)

— Aber da beißt doch keine Maus den Faden ab, Herr Kollege Unertl. Mit dem Einmaleins rechnen kann ich auch noch. So einfach kann man es sich nicht machen. Das ist jedenfalls kein Argument. Ich bitte daher unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit — das möchte ich betonen —, hier den wirtschaftspolitischen Sachverstand walten zu lassen, so wie der Wirtschaftspolitische Ausschuß das Gesetz nach langen Beratungen formuliert hat. Ich bitte also, den § 4 a zugunsten des Änderungsantrags der SPD-Fraktion abzulehnen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521021300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark.

Dr. Anton Stark (CDU):
Rede ID: ID0521021400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte an sich nicht die Absicht, zu diesem Thema noch etwas zu sagen. Nach dem, was mein Kollege Elbrächter hier gesagt hat, muß ich das aber als Mitglied des Rechtsausschusses tun. Es geht nicht an, daß man uns hier unterstellt, wir hätten unter Interessengesichtspunkten ein Gesetz rechtlich beraten.

(Beifall bei CDU/CSU und FDP.)

Wir müssen diesen Vorwurf ganz entschieden zurückweisen.
Zum zweiten. Wenn sich hier Kollegen, die die Dinge rechtlich überhaupt nicht geprüft haben, Kritik anmaßen, nachdem der Rechtsausschuß diesen Paragraphen eingehend besprochen hat, ist das, glaube ich, kein guter Stil in diesem Parlament.
Zum Sachlichen, meine Damen und Herren. Wenn man unsere Handwerksordnung ansieht, wenn man unser Lebensmitteleinzelhandelsgesetz ansieht und wenn man einmal unsere ganze Gesetzgebung durchgeht, was bei uns alles eines Sachkundenachweises bedarf, so braucht beispielsweise ein Schuhhandwerker, der ein Schuhhandwerk aufmacht, bei uns die Meisterprüfung, und hier in einem Bereich, wo es um Menschen geht, wo es um die Gesundheit geht, da tun wir so, als ob hier jeder anfangen könnte. Allein darum geht es, allein unter gesundheitspolitischen und rechtlichen Gesichtspunkten ist diese Frage zu prüfen, nicht unter wirtschaftspolitischen. Meines Erachtens sind hier von meinen Kollegen etwas falsche Töne hineingeraten. Es geht allein um die Rechtsfrage, ob das, was wir hier vom Rechtsausschuß vorschlagen, zulässig ist. Dazu gibt es eine Menge Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die eindeutig sagen, die Berufsausübung kann, wenn es im überwiegenden Interesse der Bevölkerung liegt, bis zu einem bestimmten Grade eingeschränkt werden. Rechtlich ist das also keine umstrittene Frage. Wir sollten



Dr. Stark
nicht immer das Grundgesetz bemühen, wenn wir etwas anderes wollen, wenn wir das Gesetz aus anderen Gründen ablehnen wollen.
Zur Sache selbst. Der Rechtsausschuß hat zwar nur unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, aber wir leben ja im Rechtsausschuß nicht im luftleeren Raum, wir haben auch geprüft, ob diese Vorschrift sinnvoll und notwendig ist. Da es hier um die Gesundheit der Verbraucher, der Bevölkerung geht, sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß es in diesem Falle mehr als in vielen anderen Fällen unserer sonstigen Gesetzgebung gerechtfertigt ist, einen Sachkundenachweis einzuführen.

(Beifall bei CDU/CSU und FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521021500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung.

(Abg. Unertl: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung, Herr Abgeordneter Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0521021600
Herr Präsident. Meine Damen und Herren. Zur Abstimmung steht jetzt die Vorlage des Rechtsausschusses, § 4 a. Zu diesem Punkte beantrage ich namentliche Abstimmung.

(Zustimmung bei CDU/CSU und FDP.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521021700
Ich frage, ob der Antrag auf namentliche Abstimmung von mindestens 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. — Ich glaube, das sind 50 Abgeordnete.

(Widerspruch.)

— Meine Damen und Herren, es hat wenig Sinn, wenn Sie einer Feststellung von hier oben schlicht widersprechen. Wir können es ja von hier oben auch beurteilen.
Ich stelle noch einmal die Unterstützungsfrage. Wer unterstützt den Antrag auf namentliche Abstimmung? Jetzt zählen wir. — Es ist durch Zählen festgestellt, daß mehr als 50 Mitglieder des Hauses diesen Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen.
Wir stimmen jetzt also namentlich über die Fassung der Vorlage ab. Es ist allgemeine Praxis, daß, wenn ein Streichungsantrag vorliegt, über den zu streichenden Artikel oder Paragraphen abgestimmt wird. Wer mit Nein stimmt, will die Streichung, wer mit Ja stimmt, möchte den § 4 a erhalten. Wer also streichen will, stimmt mit Nein, wer nicht streichen will, stimmt mit Ja. —
Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den § 4 a in der Fassung des Ausschusses bekannt. Es haben 375 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Davon haben 186 mit Ja gestimmt, mit Nein 168, 6 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 3 Berliner Abgeordnete haben mit Ja gestimmt, 12 mit Nein; insgesamt haben sich 15 Berliner Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Somit ist der § 4 a in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Ja CDU/CSU
Dr. Abelein Baier
Balkenhol Dr. Barzel
Bauer (Wasserburg) Bauknecht
Dr. Becher (Pullach) Becker
Berberich Berendsen Dr. Besold Bewerunge Biechele
Blöcker
Frau Blohm Blumenfeld Bremer
Brück (Köln) Bühler
Burger
Dr. Conring Dr. Czaja Damm
Draeger
Ehnes
Enk
Frau Enseling
Ernesti
Erpenbeck Dr. Even Falke
Dr. Franz Franzen
Dr. Freiwald Dr. Frerichs Frieler
Fritz (Welzheim)

Frau Geisendörfer Geisenhofer
D. Dr. Gerstenmaier Gierenstein
Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Gottesleben
Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde
Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hammans
Hanz (Dahlen)

Hauser (Bad Godesberg) Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Hellige Dr. Hesberg
Hörnemann (Gescher) Hösl
Dr. Hofmann (Mainz) Frau Holzmeister Horten
Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jaeger
Dr. Jahn (Braunschweig) Josten
Dr. Kempfler
Frau Klee
Dr. Kliesing (Honnef) Köppler
Krampe
Krammig Krug
Frau Dr. Kuchtner
Kühn (Hildesheim) Kuntscher Lampersbach
Leicht
Lemmrich
Dr. Lenz (Bergstraße)

Lenze (Attendorn)

Leukert
Dr. Lindenberg
Dr. Luda
Lücke (Bensberg)

Majonica
Maucher
Meister Memmel
Dr. von Merkatz
Dr. Müller-Hermann
Müser
Dr. von Nordenskjöld
Ott
Frau Pitz-Savelsberg
Porten
Dr. Prassler
Rainer Rasner Rawe Dr. Reinhard
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Rösing Rommerskirchen
Ruf
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schlager
Schlee
Dr. Schmid-Burgk Schmidhuber
Schmitt (Lockweiler)

Frau Schroeder (Detmold) Schröder (Sellstedt) Schulhoff
Frau Dr. Schwarzhaupt
Dr. Schwörer
Dr. Siemer
Dr. Sinn
Stahlberg
Dr. Stark (Nürtingen)

Stein (Honrath)

Dr. Steinmetz
Stiller
Frau Stommel
Stooß Storm Struve Stücklen
Tobaben
Unertl
Dr. Freiherr
v. Vittinghoff-Schell Vogt
Wagner
Dr. Wahl
Weigl Wendelborn
Wieninger
Windelen
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Dr. Wuermeling
Ziegler
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete
Dr. Gradl
Müller (Berlin) Frau Pieser
SPD
Haage (München) Höhmann (Hess. Lichtenau) Hörauf
Könen (Düsseldorf)




Vizepräsident Schoettle Lemper
Müller (Worms)

Dr. Müthling
Raffert
Riegel (Göppingen)

Roß
FDP
Busse (Herford)

Dr. Dahlgrün
Dorn
Dr. Emde Ertl
Frau Funcke
Geldner
Freiherr von Gemmingen Genscher
Frau Dr. Heuser
Dr. Imle Kubitza Logemann
Mertes
Dr. Miessner
Mischnick
Moersch
Dr. Mühlhan
Opitz
Peters (Poppenbüll) Porsch
Ramms Reichmann
Dr. Rutschke
Sander
Schmidt (Kempten) Spitzmüller
Wächter
Walter Wurbs Zoglmann
Nein
CDU/CSU
Blank Brand Budde Dr. Elbrächter
Exner Dr. Frey
Meis
Mick
Müller (Remscheid) Orgaß
Röhner Rollmann
Dr. Schmidt (Wuppertal) Dr. Serres
Dr. Süsterhenn Varelmann
Wullenhaupt
Zink
SPD
Ahrens (Salzgitter) (Gast) Frau Albertz
Dr. Apel
Dr. Arndt (Berlin/Köln) Auge
Bäuerle Bals
Baltes Barche Dr. Bardens
Dr. Bayerl Bazille
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) Berkhan
Berlin Beuster Biermann
Blume Börner Brück (Holz)

Brünen Buchstaller
Büttner Buschfort
Collet Cramer Diekmann
Eckerland
Frau Eilers
Dr. Enders
Eschmann
Felder Feuring Flämig Folger Dr. Arndt (Hamburg)

Franke (Hannover)

Frehsee Frau Freyh
Fritsch (Deggendorf)

Fritz (Wiesbaden)

Geiger Gerlach Glombig
Gscheidle
Haar (Stuttgart)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Hansing
Hauck Hauffe Dr. Dr. Heinemann
Herberts
Frau Herklotz
Hermsdorf
Herold Hirsch Höhne Hölzle
Hörmann (Freiburg) Hofmann (Kronach)
Frau Dr. Hubert
Hufnagel
Iven
Jahn (Marburg)

Jaschke
Junghans
Junker Kaffka Kahn-Ackermann
Kern
Killat
Frau Kleinert
Dr. Koch
Kohlberger
Frau Korspeter
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler
Kurlbaum
Lange Langebeck
Leber Lemp Lenders
Dr. Lohmar
Lotze Maibaum
Marquardt
Marx (München)

Matthes
Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke Michels
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. Mommer
Müller (Mülheim)

Dr. Müller (München) Müller (Ravensburg)
Dr. Müller-Emmert Neemann
Paul
Peiter
Peters (Norden)

Pöhler Porzner Ravens Regling Rehs
Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Richter
Dr. Rinderspacher
Rohde
Frau Rudoll
Sänger Saxowski
Frau Schanzenbach
Frau Schimschok
Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)
Dr. Schmidt (Offenbach) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen Schoettle
Schonhofen
Schulte Seibert Seidel Seifriz Seither Frau Seppi
Spillecke
Stephan Strohmayr
Tallert
Dr. Tamblé
Tönjes
Vit
Welslau Wendt Westphal Wiefel Wienand Wilhelm Wolf
Wuwer
Zebisch
Berliner Abgeordnete
Bartsch Bühling Frau Krappe
Liehr
Frau Lösche
Mattick
Neumann (Berlin)

Dr. Schellenberg
Dr. Schulz (Berlin)

Dr. Seume
Urban
Wellmann
Enthalten CDU/CSU
Dr. Schulze-Vorberg Springorum
SPD Welke
FDP
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. h. c. Menne (Frankfurt)

Endgültiges Ergebnis: Abgegebene Stimmen: 358 und 15 Berliner Abgeordnete. Ja: 186 und 3 Berliner Abgeordnete. Nein: 167 und 12 Berliner Abgeordnete. Enthalten: 5.
Ich habe noch eine Erklärung zur Abstimmung abzugeben. Meine Damen und Herren, es scheint, daß in einigen Teilen des Hauses das Signal zur Abstimmung nicht oder nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Infolgedessen sind mehrere Abgeordnete hier im Saal eingetroffen, nachdem ich die Abstimmung bereits geschlossen hatte. Ich mußte der Erklärung der Abgeordneten, die sich auf die verschiedensten Lager verteilen, zustimmen, daß sie gute Gründe dafür hatten, hier so spät einzutreffen. Ich glaube nicht, daß die Stimmen, die nach meiner Feststellung, daß die Abstimmung geschlossen sei, abgegeben worden sind, das Ergebnis wesentlich verändert haben. Ich bitte das Haus um Zustimmung zu diesem Verfahren. Ich konnte in dieser Situation nicht anders handeln, wenn ich den Kollegen nicht einfach unrecht hätte tun wollen.
Es ist aber zu prüfen, ob die Einrichtungen des Hauses — vor allem bei der weiten Streuung der Sitzungsräume — tatsächlich ausreichen und genügen, um alle Mitglieder des Hauses rechtzeitig



Vizepräsident Schoettle
davon zu unterrichten, daß eine namentliche Abstimmung oder ein Hammelsprung stattfinden wird.

(Abg. Genscher: Dann brauchen wir ein Vorbeugungsklingeln!)

Wir werden diese Schwierigkeit wahrscheinlich in einem vergrößerten Umfang haben, wenn wir drüben im Hochhaus sitzen.
Zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Frehsee .das Wort.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0521021800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung ist eine widersprüchliche Fassung des Gesetzes entstanden. Sie muß nun bereinigt werden. Ich beantrage namens meiner Fraktion die Zurückverweisung des Gaststättengesetzes in den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.

(Abg. Rösing: Und Rechtsausschuß!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521021900
Herr Schulhoff hat das Wort.

Georg Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID0521022000
Ich widerspreche der Zurückverweisung. Ich muß sagen, meine Freunde von der SPD, es ist ein schlechter Stil, die Dinge auf diese Weise ändern zu wollen, wenn man verliert.

(Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521022100
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten hier nicht immer wieder Stilfragen aufwerfen. Ganz gleich, von welcher Seite es geschieht, ist es falsch. Hier sind Sachentscheidungen getroffen worden, und es ist ganz natürlich, daß diejenigen, die dabei unterlegen sind, den Versuch machen, eine solche Sachentscheidung zu korrigieren. Das ist ganz normal.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0521022200
Herr Präsident! Um ein Mißverständnis auszuräumen: Es handelt sich um eine gesetzgeberisch und parlamentstechnisch einfach notwendige Maßnahme. Die Ergebnisse der Abstimmung über die Ziffern 1, 2, 3 und 4 stehen in diametralem Widerspruch zu dem Ergebnis der Abstimmung über Ziffer 5 des Antrags auf Umdruck 565. Die Fachleute müssen sich einfach wieder an die Arbeit machen und müssen dem Plenum des Bundestages nun auf Grund der neuen Situation eine Neufassung des Gesetzes vorlegen. Dazu genügt die Rücküberweisung an den Wirtschaftsausschuß, der von Anfang an — bis zu der zeitlich ersten zweiten Lesung des Gaststättengesetzes, während der der Entwurf ja an den Rechtsausschuß überwiesen wurde — der federführende Ausschuß war.

(Unruhe bei der CDU/CSU und der FDP.)

Das Gesetz ist in der ersten Lesung zur Federführung an den Wirtschaftsausschuß überwiesen worden. Ich bitte deswegen jetzt namens meiner Fraktion um Rücküberweisung an den Wirtschaftsausschuß.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521022300
Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0521022400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich muß aus der erfolgten Abstimmung und aus deren Ergebnis eine Folgerung für bestimmte andere Formulierungen gezogen werden. Aber diese Folgerungen können genauso gut bei den Beratungen in dritter Lesung gezogen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Eine Rückverweisung an den Ausschuß ist also nicht erforderlich. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag des Kollegen Frehsee nicht stattzugeben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521022500
Meine Damen und Herren, die Sache ist sehr einfach. Der Überweisungsantrag ist gestellt, und zwar stützt er sich auf § 82 der Geschäftsordnung: „Solange nicht die letzte Einzelabstimmung erledigt ist, kann die ganze oder teilweise Zurückverweisung an einen Ausschuß erfolgen." Es ist ganz klar, daß wir darüber abstimmen müssen.
Ich stelle den Antrag des Abgeordneten Frehsee, die gesamte Vorlage an den Wirtschaftsausschuß zurückzuverweisen, zur Abstimmung. Wer stimmt diesem Antrag zu? — Danke. — Die Gegenprobe!
— Meine Damen und Herren, das Präsidium kann sich nicht darüber klarwerden, wo die Mehrheit liegt. Wir stellen es durch Aufstehen fest. Wer dem Antrag auf Rückverweisung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe bitte!
— Es ist unklar, was die Mehrheit ist. Wir müssen auch über den Rückverweisungsantrag durch Auszählung abstimmen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung über den Antrag auf Rückverweisung des Gaststättengesetzentwurfes bekannt. Abgestimmt haben 308 Mitglieder des Hauses. Mit ja, also für die Rücküberweisung haben 162, mit Nein 143 gestimmt. Die Rücküberweisung ist beschlossen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0521022600
Meine Damen und Herren! Das Haus hat die Rücküberweisung beschlossen. Da es sich hier vorwiegend um Rechtsfragen handelt, schlage ich vor, die Rücküberweisung dahin zu erweitern, daß die Vorlage auch an den Rechtsausschuß geht. Ich bitte Sie, dem zuzustimmen.

(Abg. Rösing: Und zwar federführend! — Abg. Frehsee: Es ist doch bereits beschlossen!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521022700
Erstens mal — das muß ich feststellen, Herr Kollege Wagner —: das Haus hat beschlossen, entsprechend dem Antrag Frehsee an den Wirtschaftsausschuß zurückzuverweisen. Wenn Sie also jetzt beantragen,

(Abg. Wagner: Zusätzlich!)




Vizepräsident Schoettle
— zusätzlich — die Vorlage an den Rechtsausschuß zu überweisen, müssen wir darüber ebenfalls abstimmen.

(Unruhe und Zurufe von der SPD.)

— Aber sicher. Dazu bedarf es keiner Geschäftsordnungsdebatte. Es ist ein Antrag gestellt, und darüber wird ebenfalls abgestimmt.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD. — Abg. Könen [Düsseldorf] : Zu dem Antrag, Herr Präsident!)

— Das Wort hat der Abgeordnete Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0521022800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte den Antrag auf Rücküberweisung an den Rechtsausschuß für vollständig überflüssig. Denn der Beschluß, der vorhin gefaßt wurde, wurde ja schließlich nicht zuletzt deshalb gefaßt, weil der Kollege Frehsee in der Begründung gesagt hat: es sind widersprüchliche Dinge darin. Dazu braucht man keine Juristen, sondern alleine den gesunden Menschenverstand.

(Lachen bei der CDU/CSU, Unruhe und Zurufe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521022900
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0521023000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesem Hause lag ein Rücküberweisungsantrag in geschlossener Form vor. In diesem Rücküberweisungsantrag hieß es a) Rückverweisung, b) an den Wirtschaftsausschuß. Darüber hat das Haus nun beschlossen. Ich halte damit diesen Akt für beendet. Jetzt zu versuchen, weiterzugehen, halte ich für unzulässig.

(Zurufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521023100
Nein, entschuldigen Sie, Herr Kollege Ravens, Sie befinden sich im Widerspruch zur Geschäftsordnung.
Es ist ein zusätzlicher Antrag auf Rückverweisung auch an einen anderen Ausschuß gestellt worden, und über den muß abgestimmt werden. Ich glaube nicht, daß es nötig ist, noch eine längere Geschäftsordnungsdebatte hier zu führen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Wir stimmen ab über den Antrag auf gleichzeitige Überweisung an den Rechtsausschuß.

(Zuruf von der CDU/CSU: Federführend!)

Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung an den Rechtsausschuß ist ebenfalls beschlossen. Über die Federführung, glaube ich, sollten wir uns hier nicht streiten.
Herr Frehsee!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0521023200
Ich bin ganz Ihrer Meinung, Herr Präsident, daß wir jetzt nicht über die Federführung streiten können. Ich stelle nur fest, daß der Entwurf eines Gaststättengesetzes zur Federführung an den Wirtschaftsausschuß zurückverwiesen worden ist.

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521023300
Dann müssen wir also doch streiten; ich halte das nicht für sehr sinnvoll. Aber ich würde sagen — als Präsident kann man ja auch eine Meinung haben —, daß es richtig ist, das Gesetz an den Wirtschaftsausschuß — federführend — zu überweisen. Die Möglichkeit einer Verständigung zwischen den beiden Ausschüssen ist ja doch immer gegeben. Wir haben das niemals zu einer Prinzipienfrage gemacht. In diesem Falle scheint mir also wirklich die Überweisung an den Wirtschaftsausschuß — federführend — sinnvoll zu sein. Ich wäre dankbar, wenn das Haus diesem Vorschlag folgte.

(Zustimmung.)

— Gut, dann ist dieser Punkt erledigt; die zweite Beratung wird nicht fortgesetzt.

(Anhaltende Unruhe.)

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden (Reparationsschädengesetz — RepG)

— Drucksache V/2432 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/3687 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden (7. Ausschuß)

— Drucksachen V/3662, zu V/3662 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wuermeling

(Erste Beratung 151. Sitzung) Der Berichterstatter hat das Wort.


Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0521023400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Fortgesetzte Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0521023500
Ich bitte um Ruhe.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0521023600
Vorab eine drucktechnische Berichtigung. Auf Seite 1 der Drucksache zu V/3662 ist im zweiten Absatz die Zeile 10 verdruckt und daher zu streichen und zu ersetzen durch die Worte: „Die im Gesetzentwurf behandelten Schäden weisen". Der zweite Satz des zweiten Absatzes lautet dann richtig:
Die im Gesetzentwurf behandelten Schäden weisen gegenüber den im Lastenausgleichsgesetz



Dr. Wuermeling
geregelten Kriegsschäden keine strukturelle Verschiedenheit auf.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß der Druckerei ein solches Versehen unterlaufen konnte.
Zur Sache! Meine Damen und Herren, die umfassende Bedeutung des Ihnen in Drucksache V/3662 vorliegenden Gesetzentwurfs und die Vielschichtigkeit seiner Probleme läßt es geboten erscheinen, den schriftlich vorliegenden ausführlichen Ausschußbericht durch einige wenige erläuternde Bemerkungen zu ergänzen. Mit diesen Bemerkungen soll insbesondere auch einer breiteren Öffentlichkeit der Sinn und Kerngehalt der sehr komplexen 74 Paragraphen des Gesetzentwurfs und ihrer Verzahnung mit anderen verwandten Gesetzen so gemeinverständlich wie möglich dargestellt und ohne juristische Verklausulierungen erläutert werden.
Es handelt sich bei diesem Gesetz um das letzte große Gesetz zur Liquidation des wirtschaftlichen und finanziellen Bankrotts des nationalsozialistischen Regimes, vorbehaltlich des noch ausstehenden Leistungsgesetzes für die Entschädigung der Sowjetzonenflüchtlinge.
Voraufgegangen sind dem Ihnen jetzt vorliegenden Reparationsschädengesetz meist mehrfach novelliert, die allseits bekannte Lastenausgleichsgesetzgebung, das Allgemeine Kriegsfolgengesetz, das Besatzungsschädenabgeltungsgesetz, das Bundesvertriebenengesetz, das Flüchtlingshilfegesetz, das Bundesevakuiertengesetz, das Bundesentschädigungsgesetz für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung, das Häftlingshilfegesetz für die Opfer kommunistischer Verfolgung, das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im öffentlichen Dienst, das Bundesrückerstattungsgesetz, das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz, das Heimkehrergesetz und nicht zuletzt das in diesem Zusammenhang zu nennende Bundesversorgungsgesetz für unsere Kriegsopfer.
Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun die letzte große Lücke dieser Kriegsfolgengesetzgebung schließen, indem er die in § 366 des Lastenausgleichsgesetzes noch vorbehaltene Regelung für die noch nicht geregelten Kriegs- und Kriegsfolgeschäden trifft. Es handelt sich dabei um folgende Kriegs- und Kriegsfolgeschäden:
1. um die sogenannten „Reparationsschäden"; das sind einerseits Verluste an deutschem Auslandsvermögen, andererseits Schäden, die durch die uns allen bekannten Demontagen und Wegnahmen von Wirtschaftsgütern im Inland zu Reparationszwecken entstanden sind;
2. um die sogenannten „Restitutionsschäden", die dadurch entstanden sind, daß Sachen, die aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten stammten, zurückgegeben werden mußten;
3. um die sogenannten „Zerstörungsschäden", die im Zusammenhang mit den zur Beseitigung deutschen Wirtschaftspotentials getroffenen Maßnahmen der Siegermächte entstanden und den genannten „Reparationsschäden" verwandt sind; und schließlich
4. um die sogenannten „Rückerstattungsschäden", die insbesondere dadurch entstanden sind, daß nach alliiertem Recht Vermögensgegenstände entschädigungslos zurückgegeben werden mußten, die in der Zeit der Judenverfolgung von jüdischen und anderen verfolgten Mitbürgern rechtsgeschäftlich erworben waren.
Die schwierige Aufgabe der vom Plenum am 26. Januar vorigen Jahres beauftragten Ausschüsse, nämlich des federführenden Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden, des Rechtsausschusses und des Haushaltsausschusses, bestand darin, diese besonders auch unter formalen und sozialen Gesichtspunkten sehr verschieden gelagerten vier Grundtatbestände in einer Weise zu regeln, die ebenso den rechtlichen wie den sozialen Notwendigkeiten unseres sozialen Rechtsstaates entspricht.
Wir gingen in der Ausschußberatung von der Erkenntnis aus, daß eine sinnvolle und einigermaßen befriedigende Regelung nur möglich ist, wenn die Gesamtliquidation der Hitlerkatastrophe im Zusammenhang gesehen wird. Niemand konnte und kann erwarten oder beanspruchen, daß all das, was das nationalsozialistische Regime an Unrecht und Ungerechtigkeit verursacht hat, von der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang wiedergutgemacht wird. Schon die astronomischen Zahlen, die dann als Entschädigungsbeträge herauskämen, schließen jede ernstliche Diskussion darüber aus. Andererseits ist auch die Wirkung der einzelnen Kriegs- und Kriegsfolgeschäden auf die jeweils Betroffenen seelisch wie materiell so unterschiedlich, daß eine gedankenlos schematische Wertung von Schadenssummen allein keine den Grundsätzen eines sozialen Rechtsstaates entsprechende Lösung gewesen wäre. Nicht zuletzt muß gerade auch das Ausmaß der Auswirkungen der Schäden auf den einzelnen Betroffenen beachtet werden, wenn an eine Vollentschädigung aller nun einmal nicht gedacht werden kann.
Vor allem muß bei all diesen Erwägungen gesehen werden, daß Millionen unserer Mitbürger ihren Ernährer oder andere nahe Angehörige durch den Hitlerkrieg verloren haben, ohne daß ihnen dieser schwerste aller Verluste seelisch wie materiell auch nur annähernd wiedergutgemacht werden kann, so sehr wir uns beim Bundesversorgungsgesetz und seinen Novellierungen immer wieder darum bemühen mögen. Diese größten Opfer durch Verlust nächster Angehöriger — oder auch durch ernste körperliche Beschädigung — und das so harte Schicksal des Verlustes der angestammten Heimat mit ihren bleibenden schweren seelischen Belastungen haben uns im Ausschuß stets vor Augen gestanden, wenn wir in diesem Gesetz nun die letzten großen Bereiche materieller Schäden regeln mußten. Im übrigen: Der eine hat durch Vertreibung Heimat und alles Vermögen verloren, der andere durch Bomben nur sein Vermögen, der eine durch die zweite Inflation sein ganzes Geldvermögen, der andere mußte durch lange Kriegsgefangenschaft oder politische Verfolgung besonders schwere



Dr. Wuermeling
Opfer bringen, andere wieder sind dadurch, daß sie verfolgten jüdischen Mitbürgern in bester Absicht ihre Vermögenswerte abkauften, um ihnen zu Barmitteln für die Flucht ins Ausland zu verhelfen, durch die Verpflichtung zu entschädigungsloser Rückerstattung wesentlich geschädigt worden, andere wieder haben größere oder kleinere Guthaben oder Grundstücke im Ausland durch Beschlagnahme zu Reparationszwecken verloren, wieder andere haben erhebliche Vermögensschädigungen durch die Demontagemaßnahmen erlitten. Da wir all diese völlig unterschiedlichen Schädigungen und ihre noch unterschiedlichere Auswirkung auf die einzelnen Betroffenen nebeneinander sehen mußten, drängte sich geradezu der Gedanke auf, daß die zu treffende Regelung nicht ausschließlich unter rein formalen Gesichtspunkten erfolgen konnte. Wir konnten z. B. demjenigen, der in New York ein Guthaben durch Beschlagnahme verloren hatte, der aber zufällig hier in der Heimat mehr oder weniger ungeschoren geblieben war, keine Vollentschädigung nur deshalb zuerkennen, weil er irgendeinen Schein oder eine alliierte Entschädigungsanordnung vorweisen kann, während z. B. alle diejenigen, die als Heimatvertriebene nicht nur alles Vermögen, sondern auch ihre Heimat verloren haben, sich mit den Leistungen des Lastenausgleichsgesetzes zufriedengeben müssen. Wir glauben auch, die durch Demontagen Geschädigten nicht grundsätzlich besser stellen zu dürfen als etwa diejenigen, die während des nationalsozialistischen Regimes — oft unter erheblicher Eigengefährdung — jüdischen Mitbürgern durch Abkauf ihrer Vermögenswerte die Auswanderung ermöglicht hatten und diese Vermögenswerte später entschädigungslos zurückgeben mußten. Wenn man die Entschädigungsregelung in all diesen Fällen etwa davon abhängig gemacht hätte, ob ein vermeintlicher, auf irgendein Papier gestützter „Rechtsanspruch" auf Vollentschädigung sich rein formal etwas weniger schwer begründen ließ oder nicht, dann würden wir das getan haben, was schon die alten Römer mit dem bekannten Wort „summum ius, summa injuria" — höchstes Recht gleich größtes Unrecht — gekennzeichnet haben. Es konnte nicht unsere Aufgabe sein, die größte Unrechtskatastrophe unserer Geschichte nach rein formalistischen Maßstäben angeblichen Rechtes zu liquidieren. Dann würde nämlich gerade im Bereich dieses Gesetzes das „höchste Recht" zum größten Unrecht werden.
Das Recht erfüllt seine Aufgabe — wenn Sie dieses persönliche Bekenntnis eines Juristen im Rahmen einer Berichterstattung gestatten — im Dienst an der Gerechtigkeit. Gerade das himmelschreiende Unrecht des Hitlerregimes mußte uns davon abhalten, es durch formalistisch motivierte neue Ungerechtigkeiten bei seiner Liquidation auch noch aufzustocken. Gewiß können wir volle Gerechtigkeit bei der Liquidation solchen Ausmaßes mit den Mitteln menschlicher Gesetzgebung nicht schaffen. Aber bei der Liquidierung eines Höchstmaßes an Unrecht - oberhalb des toten Buchstabens — das uns mögliche Höchstmaß an Gerechtigkeit zu verwirklichen, das ist Absicht und Ziel der Vorlage, die wir Ihnen zur Entscheidung unterbreiten.
In diesem Sinne glaubten wir gerade als Gesetzgeber, dem Hohen Hause einen vor unserem Gewissen verantwortbaren Entwurf vorlegen zu sollen, der gerade unter diesen Gesichtspunkten auch Interessentenklagen beim Bundesverfassungsgericht standhält.
Nachdem die breitesten und vergleichsweise ähnlichsten Schadensbereiche — auch sehr unterschiedlicher Art — im Lastenausgleichsgesetz eine auch vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Regelung gefunden haben, die seit Jahren praktiziert wird, hielten es die beteiligten Ausschüsse nicht nur für naheliegend, sondern für notwendig, dem Regierungsvorschlag zu folgen, auch alle vier in diesem Gesetz zu regelnden Schadenstatbestände grundsätzlich wie im einzelnen gleichmäßig nach den bekannten und anerkannten Grundsätzen des Lastenausgleichsgesetzes zu regeln. Dessen Einzelheiten — nach sozialen Gesichtspunkten degressiv gestaffelte Entschädigungstabelle, Berechnung für Grundbesitz und Betriebsvermögen nach dem steuerlichen Einheitswert, Einheitswertvergleich, Vermögensvergleich und Ausschluß der juristischen Personen — sind hier gewiß nicht näher zu erläutern. Entscheidend wichtig ist für diese Berichterstattung lediglich die Feststellung, daß wir keinen sozial vertretbaren oder rechtlich zwingenden Grund finden konnten, der es gerechtfertigt hätte, diese jetzt noch zu regelnden vier Schadensbereiche nicht genauso zu behandeln wie die Schäden insbesondere der Heimatvertriebenen und der Bomben- und Währungsgeschädigten, d. h. nicht nur nach formalen Gesichtspunkten, sondern gleichrangig unter sozialen Aspekten.
Im Gegensatz zu der im 4. Deutschen Bundestag nicht zur Verabschiedung gekommenen Regierungsvorlage des Jahres 1963 ist die dem jetzigen 5. Deutschen Bundestag vorgelegte Regierungsvorlage von 1967 allerdings aus finanzpolitischen Gründen in einzelnen wesentlichen Punkten von den Grundsätzen des Lastenausgleichsgesetzes abgewichen. Zum einen sah der uns vom Plenum überwiesene Regierungsentwurf von 1967 vor, daß die Verzinsung der Schadensbeträge nicht wie im Lastenausgleichsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1953, sondern erst vom 1. Januar 1967 erfolgen soll, daß also den nach diesem Gesetz Entschädigungsberechtigten die Zinsen für 14 Jahre — das sind rund 60 % der Entschädigungsbeträge — vorenthalten bleiben sollten. Diesem Regierungsvorschlag konnten die beteiligten Ausschüsse ebensowenig folgen wie der von der Regierung vorgeschlagenen Vorenthaltung der sogenannten sozialen Leistungen des Lastenausgleichsgesetzes, nämlich der Kriegsschadenrente, der Aufbaudarlehen und der Hausratbeihilfen, zumal da das finanzielle Gesamtausmaß der letztgenannten sozialen Leistungen bei diesem unseren Gesetz kaum von erheblicher Bedeutung ist.
Der federführende Ausschuß hat deshalb in Übereinstimmung mit dem Rechtsausschuß und — worauf ich besonders hinweisen darf — auch mit dem Haushaltsausschuß einmütig beschlossen, sowohl die Zinszuschläge wie im Lastenausgleichsgesetz bereits ab 1. Januar 1953 zuzuerkennen als auch die genann-



Dr. Wuermeling
ten — für das Gesamtvolumen wenig bedeutsamen — sozialen Leistungen zu gewährleisten. Dieser Entschluß wurde insbesondere dem Haushaltsausschuß dadurch wesentlich erleichtert, daß der Gesamtaufwand für das vorliegende Gesetz, der in der Begründung des Regierungsentwurfs mit rund 1,3 Milliarden berechnet worden war, sich nach neuesten Erfahrungen und neuesten Berechnungen der Bundesregierung nur um rund 50 Millionen DM — auf Jahre verteilt - erhöht, wenn sowohl die Zinszuschläge als auch die sozialen Leistungen entsprechend dem Lastenausgleichsgesetz einbezogen werden. Die beteiligten Ausschüsse hielten dieses „Gleichziehen" mit dem Lastenausgleichsgesetz aus sachlichen, rechtlichen wie sozialen Gründen für zwingend geboten, zumal da eine ungünstigere Regelung als die des Lastenausgleichsgesetzes Ansätze für eine Anfechtung dieses Gesetzes beim Bundesverfassungsgericht geboten hätte. Bei der jetzigen Fassung des Entwurfs sind wir hingegen davon überzeugt, daß durchschlagende verfassungsrechtliche Einwendungen ebensowenig mehr erhoben werden können wie gegen das bereits seit langem geltende Lastenausgleichsgesetz.
Ich darf diesen ganz generellen mündlichen Bericht, der uns angesichts der Unübersichtlichkeit der ganzen Materie im einzelnen geboten schien, damit beschließen und im übrigen auf den zu allen Einzelheiten ausführlichen Schriftlichen Bericht zu Drucksache V/3662 verweisen, der allen Mitgliedern des Hohen Hauses vorliegt, ergänzend auch auf die Begründung zur Regierungsvorlage in Drucksache V/2432, hier vorbehaltlich der von den Ausschüssen beschlossenen Abänderungen des Entwurfstextes. Aus allem zusammen, dem Schriftlichen Bericht, dieser mündlichen Ergänzung dazu und aus der Begründung der Regierungsvorlage, kann sich gewiß ein jeder über all die schwierigen und vielschichtigen Details dieses Gesetzes genau orientieren, deren mündlicher Vortrag im Plenum sicher zu weit führen würde.
Ich darf, meine Damen und Herren, noch ein Wort besonderen Dankes anschließen an die Vertreter der Bundesregierung und des Bundesausgleichsamtes, die uns in der so diffizilen Einzelberatung der einzelnen Abschnitte und deren Verzahnung mit anderen einschlägigen Gesetzen und Paragraphen mit vorzüglicher Sachkunde und der den bewährten Grundsätzen des Berufsbeamtentums entsprechenden Hilfsbereitschaft jederzeit zur Verfügung gestanden haben. Ich darf in diesem Falle einmal — gewiß im Sinne aller Mitglieder des Kriegsfolgenausschusses — auch unserem Ausschußvorsitzenden, Herrn Kollegen Mick, hier im Plenum ein Wort des Dankes dafür sagen, daß er diese wahrlich komplizierte Vorlage ebenso menschlich wie sachlich durch alle Fährnisse der Ausschußberatung hindurchgesteuert hat.

(Beifall.)

Namens der beteiligten Ausschüsse empfehle ich dem Hohen Hause die Annahme der Vorlage gemäß Drucksache V/3662 in dem Vertrauen, daß wir damit einen weiteren wichtigen Stein setzen zur Ausgestaltung unseres sozialen Rechtsstaates, in dessen
Dienst wir auch hier unserer Verantwortung nach dem Grundgesetz gerecht werden.

(Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521023700
Meine Damen und Herren, wir danken auch dem Herrn Berichterstatter für die Arbeit, die hier geleistet wurde.
Ich frage, ob zum Eintritt in die zweite Beratung das Wort zu einer allgemeinen Aussprache gewünscht wird? — Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Einzelberatung ein.
Ich rufe den § 1 auf, zu dem kein Änderungsantrag vorliegt. Wer dem § 1 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 1 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 liegt ein Änderungsantrag *) der Abgeordneten Gerlach, Peters und Genossen vor. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Der Herr Abgeordnete Gerlach hat das Wort zur Begründung des Antrags.

Horst Gerlach (SPD):
Rede ID: ID0521023800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Menschen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet ist der Begriff der Traktateigentümer bzw. sind die Begriffe des Traktats und der Traktatländereien ein fester Bestandteil ihres Sprachschatzes. Zu diesen Begriffen haben diese Menschen eine besondere Rechtsbeziehung.
Auf Grund von Vereinbarungen während des Wiener Kongresses haben die damaligen Königreiche Hannover, später Preußen einerseits und das Königreich der Niederlande andererseits 1816 in Aachen, 1818 in Kleve und 1824 in Meppen Grenzverträge abgeschlossen, die zu einer Grenzbegradigung und damit zu einer Grenzverlegung führten. Den Eigentümern der beiderseits der neuen Grenze liegenden landwirtschaftlichen Flächen wurde insbesondere im Traktat von Meppen eine Eigentumsgarantie gegeben, neben anderen Rechten, die sich auf den Transport landwirtschaftlicher Güter und Gerätschaften bezogen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die auf niederländischem Staatsgebiet liegenden Flächen deutscher Eigentümer vom niederländischen Staat als Feindeigentum beschlagnahmt und dem niederländischen Beheerinstitut — gleich Verwaltungsinstitut — zur Verwaltung übertragen. Das Beheerinstitut hat weite Flächen dieser an sich im Eigentum deutscher Landwirte befindlichen Ländereien niederländischen Landwirten zur Nutzung übertragen. Mit dem Abschluß des Pariser Abkommens, des Überleitungs- und Deutschlandvertrages wurde ein Teil dieser Ländereien enteignet, ein anderer Teil im Zuge der sogenannten Entfeindung den deutschen Eigentümern zurückgegeben.
Mit Abschluß des deutsch-niederländischen Grenzvertrages, der von diesem Hohen Hause 1963 durch ein entsprechendes Ratifizierungsgesetz anerkannt und verabschiedet worden ist, hat die Bundesregierung, wenn auch unter Protest, diesen Enteignungen zugestimmt, jedoch zugesichert, den Betroffenen eine
*) Siehe Anlage 2.



Gerlach
Entschädigung zu gewähren. In Art. 1 des Grenzvertrages wurden die Traktate von Aachen, Kleve und Meppen erneut bestätigt. Sie haben heute also noch volle Rechtsgültigkeit, jedoch nicht für die Traktateigentümer, deren Ländereien enteignet worden sind.
Die auf deutscher Seite liegenden niederländischen Traktatländereien verblieben samt und sonders in niederländischem Eigentum.
Im deutsch-niederländischen Grenz- und Ausgleichsvertrag, ergänzt durch einen Finanzvertrag und durch die Zusatzprotokolle, wurde zwischen den vertragschließenden Staaten vereinbart, daß die früheren Traktateigentümer bei sich bietender Gelegenheit ihr Eigentum zurückkaufen können. So konnte die Deutsche Bauernsiedlung Düsseldorf, die von der Bundesregierung damit beauftragt wurde, eine Anzahl Flächen vom niederländischen Staat und von niederländischen Besitzern für die deutschen Eigentümer zurückerwerben, die sie dann von der Deutschen Bauernsiedlung zurückkauften — also ihr eigenes Land zurückkauften. Wiederum andere frühere Traktateigentümer wurden auf im Binnenland liegende Flächen umgesiedelt. Auch diese Flächen mußten erworben werden. Denjenigen früheren Traktateigentümern, die ihr Eigentum nicht zurückerhalten haben, wurden von der Bundesregierung und von den Ländern Wirtschaftsbeihilfen gewährt, die von Jahr zu Jahr erneut beantragt werden mußten.
So ergibt sich heute folgende Gruppierung von Geschädigten:
1. Traktateigentümer, die ihr Eigentum im Zuge der Entfeindung zurückerhalten haben. Diese sind mit Ausnahme des Ernteausfalls und damit Einkommensausfalls während der Zeit der Beschlagnahme nicht geschädigt.
2. Frühere Traktateigentümer, denen ihr Eigentum durch das niederländische Beheerinstitut an niederländische Landwirte verkauft worden ist und denen die Kaufsumme zur Verfügung gestellt worden ist.
3. Traktateigentümer, die ihr eigenes Land mit Hilfe von Darlehen des Bundes zurückkaufen konnten.
4. Frühere Traktateigentümer, die im Zuge der Umsiedlung neues Land erworben haben.
5. Frühere Traktateigentümer, die bisher entschädigungslos enteignet, denen aber zu ihrer Existenzsicherung bisher Wirtschaftsbeihilfen gewährt worden sind.
Der Herr Berichterstatter hat in seinem Schriftlichen Bericht Drucksache zu V/3662 zu § 2 des Reparationsschädengesetzes ausgeführt, daß die Verluste der sogenannten Traktatgeschädigten ohne zusätzliche Besonderheiten sind. Dieser Feststellung kann ich nicht beitreten. Ich kann auch dem nicht beipflichten, daß die von den Traktatgeschädigten geforderte bessere Behandlung dem Grundsatz der Gleichbehandlung gleichartiger Schäden widersprechen würde in dem Sinne, wie der Herr Berichterstatter in seinem Schriftlichen Bericht ausgeführt hat.,
Ich hoffe, Ihnen mit den wenigen Skizzierungen zur Situation der Traktateigentümer bzw. der früheren Traktateigentümer deutlich gemacht zu haben, daß die Traktatgeschädigten mit anderen Geschädigtengruppen nicht gleichgesetzt werden können, wohl aber in dieser Geschädigtengruppe der Traktatgeschädigten also der Gleichheitsgrundsatz einer tatsächlich vergleichbaren Schädigung verletzt wird.
Das zur Verabschiedung vorliegende Reparationsschädengesetz ist auf dem Grundsatz des Lastenausgleichsrechts aufgebaut. Um diesen Grundsatz nicht zu verletzen, beantrage ich mit meinem Antrag, die Entschädigung für das verlorene Traktateigentum aus dem Reparationsschädengesetz herauszunehmen, wobei ich voraussetze, daß diese Geschädigtengruppe in einem eigenen Gesetz, das den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten entspricht, erfaßt werden soll, um dieser Gruppe eine gerechte Entschädigung zu gewähren.
Nun wird mir entgegengehalten, daß ich dann das Risiko eingehen würde, daß die Traktatgeschädigten überhaupt nichts oder sehr verspätet etwas bekommen würden, daß zumindest diese Gefahr bestünde. Vielmehr wäre es richtiger, sie zumindest in der im Reparationsschädengesetz vorliegenden Form abzufinden.
Hierzu muß ich erklären: Ich gehe nicht von dem Standpunkt des „alles oder nichts" aus. Ich gehe davon aus, daß ein verbrieftes Recht geachtet werden muß. Wenn die Bundesregierung unter dem Zwang ihres Verständigungswillens bei Abschluß des deutsch-niederländischen Grenzvertrags Enteignungen zugestimmt hat, so leite ich für mich und meine Freunde die Verpflichtung ab, den Geschädigten im Gleichheitsvergleich zu ihren Nachbarn — und das im wörtlichsten Sinne — einen vergleichbar gerechten Ausgleich zu gewähren. Dieser Verpflichtung sollten wir uns, meine Damen und Herren, nicht entziehen.
Wenn man aber geneigt ist, einen Vergleich über die Gruppe der Traktatgeschädigten hinaus mit anderen Gruppen zu ziehen, dann darf ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in einer Anzahl von Abkommen, so z. B. mit der Schweiz 1952, mit Schweden 1956 oder mit Portugal 1958, sich verpflichtet hat, die deutschen Eigentümer für ihre in diesen Ländern durch Enteignung entstandenen Schäden voll zu entschädigen, was auch geschehen ist.
Nach Abschluß des deutsch-niederländischen Grenzvertrages haben die Traktatgeschädigten als Ausdruck ihres Protestes gegen die Enteignung ihrer Ländereien, damit gegen die Verletzung ihres verbrieften Rechts eine Mauer aufgerichtet. Wer wie ich in diesem Grenzgebiet lebt, kann und wird die Verbitterung dieser Menschen verstehen. Auch die niederländischen Nachbarn im Grenzgebiet spüren und wissen, daß hier ein Unrecht geschehen ist. Einige haben das Land früherer deutscher Traktateigentümer weder gepachtet noch gekauft, weil sie das Unrecht erkannten. Andere waren und sind der Meinung: „Weggenommen hat man's den Deutschen sowieso. Warum soll ich nicht dieses Land



Gerlach
bewirtschaften? Ich kann's auch gebrauchen." Einig sind sich jedoch alle darüber, daß die freundschaftlichen Beziehungen gelitten haben und daß die Grenzbewohner nun für die Fehler der Regierungen zu büßen hätten. Die deutschen Traktatsgeschädigten hoffen, daß der Deutsche Bundestag ihnen eine gerechte Entschädigung für ihre Verluste gibt.
Die Traktatsgeschädigten sind kleine und mittlere Landwirte. Sie waren auf ihr Traktatland als Grundlage ihrer Existenz angewiesen. Sie können nicht begreifen, daß dem Fürsten Salm-Salm seine Traktatländereien in Größe von 449 ha ohne Entfeindung und entschädigungslos zurückgegeben worden sind und die Studienanstalt Gaesdonck — es ist eine bischöfliche Anstalt — ebenfalls ihre Ländereien in Größe von 125 ha zurückerhalten hat,

(Hört! Hört! in der Mitte)

ohne einen Pfennig dafür zu zahlen, wie es die geschädigten Landwirte tun mußten, und ohne der Entfeindung anheimzufallen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, unter diesen Gesichtspunkten meinen Antrg aufzunehmen und zu verstehen. Für viele in diesem Hause mag diese Frage regional bezogen erscheinen. Sie ist aber in erster Linie eine Frage der Gerechtigkeit, der gerechten Entschädigung. Wir können den Geschädigten ihr Land nicht zurückgeben; wir haben es aber in der Hand, ihnen einen gerechten Ausgleich zu geben.
Ich bitte Sie daher um Annahme meines Antrags.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521023900
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0521024000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Antrag des Herrn Kollegen Gerlach heißt es: „Soweit in den an die westlichen Grenzen der Bundesrepublik angrenzenden Gebieten ..." Es gibt auch andere Gebiete, sowohl im Norden als auch im Süden oder auch Gebiete im Bayerischen Wald, die ähnlich gelagerte Verhältnisse haben und die hier dann auch Berücksichtigung finden müßten. Natürlich betrifft der engere Begriff der Traktate die Ländereien an der niederländischen Grenze. Aber die ähnlichen Verhältnisse in allen anderen Grenzbereichen sind auch gegeben.
Im übrigen ist die Frage der Sonderbehandlung sehr eingehend geprüft worden. Nicht umsonst hat der Herr Berichterstatter in seinem Bericht darauf hingewiesen und die entsprechende Schlußfolgerung gezogen.
Mit gutem Grund ist schon im alten Entwurf des Reparationsschädengesetzes eine Sonderregelung für die Traktatgeschädigten nicht vorgesehen gewesen. Feststeht, daß die Traktatgeschädigten Reparationsgeschädigte sind. Wenn das so ist, dann müssen sie aber auch wie alle übrigen Geschädigten nach diesem Gesetz behandelt werden. Dabei macht das Schicksal der Betroffenen, das je nach den Freigabe- oder Rückkaufsmöglichkeiten auf Grund der Nachkriegsverträge mit den Grenzländern verschieden ist, keinen Unterschied. Diese Unterschiede werden gegebenenfalls durch die für alle Geschädigten, die etwas zurückverlangt haben, vorgesehenen Schadensausgleichsvorschriften des Entwurfs wie im LAG berücksichtigt.
Eine Sonderbehandlung des relativ kleinen Personenkreises der Traktatgeschädigten, wie man sagen darf, könnte dazu führen, daß andere Geschädigtengruppen unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz auch eine Sonderregelung für sich in Anspruch nehmen mit der Folge einer nicht absehbaren zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts. Man darf nicht verkennen, was eine solche Kettenreaktion, die mit Sicherheit zu erwarten wäre, an finanziellen Auswirkungen mit sich bringen würde.
Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521024100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leukert.

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0521024200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf kurz auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters verweisen, auf die sich auch der Herr Kollege Gerlach als Antragsteller bezogen hat. Der Parlamentarische Staatssekretär Leicht hat schon im wesentlichen die Gründe genannt, die dem Antrag entgegenstehen. Ich darf — wohl mit Zustimmung aller Mitglieder des Ausschusses für Kriegs- und Verfolgungsschäden —hinzufügen, daß wir diese Frage sehr gründlich behandelt haben, daß es aber aus dem Gleichheitsgrundsatz heraus unmöglich war, eine bessere Behandlung der Gruppe dieser Geschädigten zuzugestehen. Man muß ja bei seiner Forderung auch ehrlich sein. Was gebe ich einem Bauern, dem man an der Ostgrenze der Bundesrepublik Land weggenommen hat? Was gebe ich einem Heimatvertriebenen, der seinen ganzen Bauernhof verloren hat? Was gebe ich auf der anderen Seite jemandem, der sein ganzes Vermögen im Ausland verloren hat? Ich kann doch diese — ob das nun 100 oder 200 Personen oder Familien sein mögen — nicht herausheben und ihnen eine bessere Entschädigung gewähren. Ich glaube, daß kann man nicht mit gutem Gewissen tun.
Daher darf ich auf die zur dritten Lesung vorgelegten Entschließungsanträge verweisen, in denen die Bundesregierung noch einmal gebeten wird, diese Frage zu prüfen und uns nach der Prüfung eventuell eine neue Regelung vorzuschlagen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521024300
Herr Kollege Leukert, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ramms?

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0521024400
Bitte!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521024500
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß holländische Bauern an der niederländischen



Ramms
Grenze ungefähr 5400 Hektar Land auf deutschem Gebiet haben?

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0521024600
Das mag sein. Doch wir haben hier die Frage zu entscheiden, ob Deutsche, die ihr Land durch irgendwelche Verträge von den Niederlanden oder einem anderen Staat nicht entschädigt bekommen haben, jetzt eine Entschädigung haben sollen. Sie werden sie auch erhalten, aber so, wie es das vorliegende Reparationsschädengesetz vorsieht, nicht anders.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521024700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521024800
Ja, bitte!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521024900
Bitte, Herr Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (FDP):
Rede ID: ID0521025000
Ist Ihnen bekannt, daß das holländische Beheers-Institut, das die Verwaltung des deutschen Besitzes auf holländischem Gebiet hatte, diese Ländereien unberechtigterweise verkauft hat?

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0521025100
Das ist mir im großen und ganzen nicht bekannt, aber das können wir noch nachprüfen. Dazu werden wir ja bei weiteren Besprechungen Möglichkeiten haben.
Ich darf bitten, diesen Antrag abzulehnen, darf aber gleichzeitig ersuchen, dann den Entschließungsanträgen zuzustimmen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521025200
Zu diesem Antrag wird das Wort nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Gerlach, Peters (Norden), Wolf und Genossen zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 auf Umdruck 574.
Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag zustimmen will, möge sich erheben. — Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den unveränderten § 2. Wer ihm zustimmen will, gebe ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der § 2 ist angenommen.
Ich rufe die §§ 3 bis 40 auf. Zu diesen Paragraphen liegt kein Änderungsantrag vor. Wer ihnen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Paragraphen sind bei einer Gegenstimme und einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe dann den § 41 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 570 *) vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Spitzmüller das Wort.
*) Siehe Anlage 3

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0521025300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben als Freie Demokraten bei der Zustimmung zu diesem Gesetz viele Hemmungen überwinden müssen, nachdem von der Rechtsanspruchstheorie nicht ausgegangen werden konnte, nachdem das Lastenausgleichsprinzip die einzige durchführbare Möglichkeit war. Aber bei diesem § 41 Abs. 2 haben wir nun doch, so wie er da steht, außerordentliche Bedenken. Es versteht sich von selbst, daß ein Gesetz nur im Rahmen der im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel erfüllt werden kann. Wenn das aber expressis verbis so im Gesetz vorangestellt wird, wie das hier geschieht, dann muß das Besorgnis und Unruhe bei den Betroffenen erzeugen, nämlich weil es so aussieht, als ob daran gedacht ist, daß der Ansatz womöglich knapp über Null liegen könnte. Wenn das hier so vorweg postuliert wird, dann entsteht der Eindruck, daß hier unter Umständen nicht einmal das, was im nachfolgenden Satz festgehalten ist, erfüllt werden soll. Dieser nachfolgende Satz
Im übrigen richtet sich die Erfüllung nach den Grundsätzen, die für die Erfüllung von Ansprüchen auf Hauptentschädigung nach § 252 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 des Lastenausgleichsgesetzes gelten.
bedeutet nämlich nach jenem § 252:
Bevorzugt zu befriedigen sind die Ansprüche von Geschädigten in hohem Lebensalter sowie solche Ansprüche, bei denen die Hauptentschädigung der Abwendung oder Milderung sozialer Notstände dient.
Und das geht dann in dieser Tour weiter. Wir sind der Meinung, das mindeste, was man von einem Gesetz erwarten sollte, ist, daß die Mittel so angesetzt werden, daß diese bevorrechtigten Ansprüche der in hohem Alter und in sozialen Notständen Lebenden berücksichtigt werden können. Wir befürchten einfach, daß dieser Satz 1, so vorangestellt, ein bißchen den Eindruck erweckt, man wolle den Ansatz knapp über Null halten und den Regierungen in der Zukunft gleichzeitig doch die Möglichkeit geben, das Gesetz trotzdem treu und brav zu erfüllen, nachdem das vorher in Satz 1 so deutlich angesprochen worden ist.
Wir bitten deshalb, den Satz 1 zu streichen, d. h. den Absatz so zu verändern, daß die Bevorrechtigung eben klarer und deutlicher zum Ausdruck kommt, als das hier mit dieser Abschwächung durch den vorangestellten ersten Satz der Fall ist.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521025400
Das Wort zu diesem Antrag hat Herr Dr. Kreutzmann.

Dr. Heinz Kreutzmann (SPD):
Rede ID: ID0521025500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der FPD abzulehnen, denn ich glaube, daß dieser Antrag wenig Vertrauen zu der Initiative des Parlaments bekundet. Ich denke, daß das Parlament seinem Willen auf Erfüllung des Gesetzes nachdrücklich genug Durchschlagkraft geben kann.




Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521025600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0521025700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Herr Kollege Spitzmüller wahrscheinlich nicht ganz informiert war, denn sein Ausschußkollege Schmidt hat ja auch dieser Fassung zugestimmt. Im Reparationsschädengesetz ist hinsichtlich der Erfüllung der Entschädigungsansprüche gar nichts anderes enthalten als im Lastenausgleich, und es besteht tatsächlich keine Notwendigkeit, jetzt noch eine Änderung herbeizuführen. Im Gegenteil, ich glaube sogar, daß die Formulierung des § 41 sauberer und klarer ist, vor allen Dingen für den Staatsbürger, der nun wissen muß, was in § 41 steht, und der nicht, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, lediglich auf § 252 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 zu verweisen ist.
Ich darf annehmen, daß Sie dem zustimmen, und bitte, den Antrag abzulehnen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521025800
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekrtär beim Finanzminister.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0521025900
Ich muß wenigstens einige Sätze sagen, nachdem Herr Spitzmüller davon gesprochen hat, daß die Gefahr bestehen würde, der Ansatz werde knapp über Null liegen. Um das vorweg zu sagen, Herr Spitzmüller: In der mittelfristigen Finanzplanung sind, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, bereits Beträge vorgesehen, die weit über Null liegen, nämlich für das Jahr, in dem es beginnen soll — 1969 —, 10 Millionen, im nächsten Jahr 60 Millionen, im Jahr 1971 dann 80 Millionen, 1972 100 Millionen. In der Folge sind zunächst ebenfalls diese Größenordnungen vorgesehen. Wir wissen noch nicht genau, was die neue mittelfristige Finanzplanung, die Fortschreibung bringt, aber sicherlich, wenn das Gesetz so verabschiedet wird, nicht weniger.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß man die Vorschrift des § 41 Abs. 2 nur im Zusammenhang mit der Begründung, die zu dieser Vorschrift gegeben worden ist, sehen kann. Dort heißt es, wie Sie ja wissen:
Vorbild für diese Vorschrift sind die Regelungen der §§ 251 und 252 LAG. Nicht übernommen wurde allerdings
— auch das steht in dieser Begründung —
die Bindung an den Endtermin der Erfüllung .des Anspruchs auf Hauptentschädigung (31. März 1979).
Das geschieht unter anderem auch aus haushaltspolitischen Gründen, weil wir mit den Mitteln hinkommen müssen. Sie wissen alle, wie wir rechneten. Wir meinen also, daß man daran festhalten sollte.
Der Wegfall des Satzes 1 würde bedeuten, daß die Ansprüche auf Grund des Reparationsschädengesetzes praktisch sofort bedient werden müßten.
Die Hauptentschädigungsweisung des Präsidenten des Lastenausgleichsamtes wird in aller Kürze die Erfüllung sämtlicher Ansprüche ohne weitere Voraussetzungen zulassen können. Diese Erfüllung ist zwar mit den Mitteln des Ausgleichsfonds für die Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz möglich, aber für die Bedienung der Ansprüche nach dem Reparationsschädengesetz aus Mitteln des Bundeshaushalts leider nicht möglich. Deshalb bitte ich, diesen Antrag abzulehnen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521026000
Zu dem Antrag wird das Wort nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 570 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über § 41 in der vorliegenden Fassung. Wer § 41 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Zu den §§ 42 bis 66 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Paragraphen sind bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 67 auf. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, zunächst der Antrag Umdruck 571 *), der sich auf die Streichung der Nummern 2, 4 und 5 bezieht. Frau Korspeter wünscht das Wort zur Begründung. Sie haben das Wort, Frau Korspeter.

Lisa Korspeter (SPD):
Rede ID: ID0521026100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte den Antrag Umdruck 571 begründen, der von einigen Kollegen des Hauses eingebracht worden ist. Lassen Sie mich vorweg sagen, daß dieser Antrag einer Klarstellung in einer Beweislastfrage dient.
Bisher gilt als Aussiedler, wer die Vertreibungsgebiete nach dem 8. 5. 1945 verlassen hat oder verläßt. Auf Grund der Fassung des § 67 dieses Schriftlichen Berichtes könnte eventuell der einzelne deutsche Volkszugehörige, der die Staatsangehörigkeit des Vertreibungsstaates besitzt, veranlaßt werden, die gegen ihn unmittelbar getroffenen Vertreibungsmaßnahmen im Einzelfall nachzuweisen.
Dies könnte nicht nur zu einer umständlichen Verwaltungsarbeit, sondern auch zu einer erheblichen Beweisnot führen. Nachdem Spätaussiedler seit mehr als einem Jahrzehnt ohne diesen Einzelnachweis in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden und die Unrechtstatbestände, unter denen sie in ihrer Heimat leben müssen, allgemein bekannt und von der Bundesregierung und zuletzt auch in der Neujahrsansprache des Herrn Bundespräsidenten ausdrücklich festgestellt worden sind, wäre eine zusätzliche Beweisführung im Einzelfall wenig sinnvoll. Darüber hinaus müßte in umfangreicher Verwaltungs- und Entscheidungspraxis der Gerichte umrissen werden, was überhaupt als Ver-
*) Siehe Anlage 4



Frau Korspeter
treibungsmaßnahme, die gegen den einzelnen gerichtet ist, zu verstehen ist. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag haben sich wiederholt für die Rechte der unter fremder Verwaltung lebenden deutschen Volks- und Staatsangehörigen verwendet, ihre schwierige Situation beklagt und sich verpflichtet, sie dann, wenn ihnen die Ausreise gestattet wird, mit vollen Rechten aufzunehmen.
Die vorliegende Vorschrift würde dies unter Umständen außerordentlich erschweren und viele entgegen der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Verwaltungspraxis benachteiligen. Daher wird mit dem Antrag auf Umdruck 571 die Streichung dieser Vorschrift beantragt. Ich bitte im Namen der Antragsteller das Hohe Haus, diesem Antrag stattzugeben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521026200
Das Wort zu diesem Antrag wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Abgeordneten Frau Korspeter und Genossen auf Umdruck 571 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Wir haben auf Umdruck 568 *) einen zweiten Änderungsantrag zu diesem Paragraphen, der von den Abgeordneten Rehs, Mick und Genossen eingebracht worden ist. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0521026300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 568 erstrebt keine materielle Änderung des vorliegenden Gesetzes, sondern er bezweckt eine Erleichterung und Sicherung für die Betroffenen bei der Realisierung der ihnen durch dieses Gesetz zugedachten Rechte. Wir haben aus dem Schriftlichen Bericht des Herrn Berichterstatters, seinen heutigen Ausführungen und aus den Darlegungen der Damen und Herren Kollegen zu einzelnen Teilen des Gesetzes ersehen, um welche umfangreiche, vielschichtige und komplizierte Materie es sich bei diesem Gesetz handelt.
Der Gesetzgeber darf sich nach meinem Dafürhalten nicht damit begnügen, daß er ein gutes Gesetz macht, sondern er muß auch daran denken, wie die Betroffenen, die von dem Gesetz Bedachten in den Stand versetzt werden, die Rechte aus diesem Gesetz wahrzunehmen, und wie das Gesetz der Absicht des Gesetzgebers entsprechend gehandhabt werden kann. Das ist ein Problem, das bei vielen Gesetzesmaterien auftaucht. Das ist eine Erscheinung, mit der es der Bürger heute vielfach zu tun hat. Es ergießt sich alljährlich eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen, Durchführungsbestimmungen, Erlassen und Richtlinien über die Bürger, die es dem einzelnen häufig unmöglich machen, seine Rechte zu erkennen und notfalls auch vor den Gerichten durchzusetzen.
Das gilt im besonderen bei sozialen Gesetzen, in dem ganzen Eingliederungs- und Entschädigungsrecht. Ich brauche das im einzelnen nicht anschaulich zu machen. Ich erlaube mir nur den Hinweis darauf,
*) Siehe Anlage 5
in welcher Situation sich ein Heimatvertriebener aus Ostpreußen, ein Aussiedler aus Polen, aus Rumänien oder aus Prag befindet, der nach einem wechselreichen Berufsleben, Wehrdienst, Kriegsgefangenschaft, Arbeitslosigkeit und nach dem Verlust zahlreicher Unterlagen ein Recht, eine Altersrente oder eine Entschädigung, die ihm nach den Gesetzen zugedacht ist, beantragen will. In welcher Situation befinden sich unsere Spätaussiedler, befinden sich alle diejenigen, die auch in die Materie hineingelangen wollen, die mit diesem Gesetz nun geregelt wird?
Wir stehen hier vor der Notwendigkeit, neben dem Gesetz zu sichern, daß auch der bedachte Bürger weiß, wie er zu seinem Recht kommt. In dieser komplizierten Materie werden sich nur sehr wenige Mitbürger zurechtfinden. Anwälte, die für die Rechtsdurchsetzung an sich beruflich zur Verfügung stehen sollten, sind aber in der Regel, nach aller Erfahrung, die wir auf diesen Gebieten gemacht haben, kaum in der Lage, dem bedachten Bürger zur Seite zu stehen. Sie sind gar nicht imstande, sich in die Materie hineinzuarbeiten; und zum anderen würde auch die Entschädigung, die die Bürger bekommen, das Honorar für die Mühe und den Zeitaufwand und alles, was sie selber bei einer Rechtsvertretung aufwenden müßten, nicht im entferntesten decken. Infolgedessen besteht hier eine sehr ernste Lücke, die der Gesetzgeber hierbei jetzt schon schließen sollte.
Meine Damen und Herren, z. B. bei den Kriegsopferverbänden ist deshalb schon seinerzeit daran gedacht worden, daß den Angehörigen der Verbände, die eben durch besondere Sachkunde in der Lage sind, Rechtsbeistand zu gewähren, auch die Möglichkeit gegeben wird, vor den Sozialgerichten aufzutreten.
Hier geht es darum, daß die Angehörigen der Vertriebenen- und Flüchtlingsorganisationen die Möglichkeit erhalten, mit Rat und auch als Rechtsbeistand vor den Sozialgerichten dafür einzutreten, daß ihren Angehörigen, ihren Mitbürgern und denjenigen, die um ihre Rechtsvertretung nachsuchen, den Vertriebenen und Flüchtlingen und Geschädigten, die Möglichkeit gegeben wird, vor den Gerichten ihre Rechte wahrzunehmen.
Ich bitte Sie deshalb, dem Änderungsantrag zuzustimmen, damit bei Verabschiedung des Gesetzes nicht von vornherein die Lücke offengelassen wird, die die Wirkung des Gesetzes erheblich beeinträchtigen würde.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521026400
Das Wort hat Herr Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0521026500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für angezeigt und auch nicht für unbedingt notwendig, daß diese Bestimmung des Antrags Umdruck 568 in das Reparationsschädengesetz aufgenommen wird. Sie ist sicherlich ein Fremdkörper in diesem Gesetz. Sie ge-



Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
hört wahrscheinlich in das Gesetz über die Sozialgerichtsbarkeit. Man sollte gründlich überlegen, ob man nicht auch andere Gruppen, die in dem Reparationsschädengesetz — außer Vertriebenen und Flüchtlingen — angesprochen sind, im Gesetz über die Sozialgerichtsbarkeit berücksichtigen sollte.
Ich muß daher gegen diesen Antrag Bedenken geltend machen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521026600
Das Wort hat Herr Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0521026700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Auch ich bitte Sie, den Antrag, der soeben von Herrn Rehs begründet worden ist, abzulehnen. Wir müssen, von der bestehenden Rechtslage ausgehen, die besagt — in § 95 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes —:
Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, dürfen Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge im Rahmen ihres Aufgabengebietes in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen unentgeltlich beraten. Sie bedürfen hierzu keiner besonderen Erlaubnis.
Die Möglichkeit, die Vertriebenen usw. zu beraten, ist also nach bestehendem Recht bereits gegeben. Nun soll plötzlich im Rahmen eines Reparationsschädengesetzes eine Regelung für Prozeßvertretung vor einem Gericht eingeführt werden, die mit dem Reparationsschädengesetz jedenfalls nichts zu tun hat; die Sozialgerichte haben mit der Materie, die hier geregelt wird, nichts zu tun.
Ich will die Frage, ob eine solche Regelung zweckmäßig, vernünftig, notwendig ist, hier nicht erörtern, ganz einfach deshalb nicht, weil niemand in diesem Hause im Augenblick in der Lage ist, diese Frage sachgemäß zu entscheiden. Sie bedarf einer besonderen Prüfung unter den verschiedensten Gesichtspunkten. Sollte sich dann ergeben, daß eine solche Prozeßvertretung, wie sie hier zusätzlich zu der bereits bestehenden Beratungsmöglichkeit verlangt wird — und das ist das einzige Neue in diesem Antrag —, nötig und vernünftig ist, dann mag das Sozialgerichtsgesetz in diesem Punkte entsprechend geändert werden.
Ein Wort zu den in Frage kommenden Ausschüssen. Hier muß ich freilich betonen: da es sich um ein Prozeßgesetz handelt, sollte mindestens der Rechtsausschuß zu einer solchen Frage gehört werden.

(Unruhe in der Mitte.)

— Ja, das Haus hat das bisher nämlich auch so gehandhabt. Die Prozeßgesetze — hier auch das Rechtsberatungsgesetz und die vielen einschlägigen Fragen, die sich wie ein roter Faden durch sämtliche Gesetze hindurchziehen, die die Prozeßordnung berühren — sollten von dem hierfür zuständigen Ausschuß mit Vernunft und Sachkunde beraten werden. Es geht nicht an, daß hier heute plötzlich aus dem Hintergrunde ein solcher Antrag auf den Tisch des
Hauses kommt und entschieden werden soll. Ich bitte, ihn daher abzulehnen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521026800
Das Wort hat Herr Maucher.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0521026900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwar im Ausschuß anfänglich auch diesen Standpunkt vertreten, den soeben Herr Busse vertreten hat. Der Ausschuß hat sich aber in der Diskussion mehrheitlich dieser Auffassung doch nicht angeschlossen. Er hat zwar keinen Beschluß darüber gefaßt, aber der Antrag ist entsprechend erweitert worden.
Im Grundsatz kann man durchaus der Auffassung sein, daß die Regelung dieser Fragen in das Sozialgerichtsgesetz gehört. Hier handelt es sich aber um ein Gesetz, das praktisch diese Vertretung nicht vorsieht. Man will die Betroffenen, die unter das Gesetz fallen, nicht ohne Schutz lassen. Man will sicherstellen, daß sie durch ihre Berufsverbände oder ihre Verbände, denen sie angehören, eine Vertretung erhalten, nichts anderes.

(Abg. Busse: Vor den Sozialgerichten!)

Es ist absolut unbenommen — wir haben ja auch eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vorgesehen —, diese Dinge nachher zu bereinigen. Es handelt sich also lediglich um die Überbrückung eines Interimszustandes. Nachher kann man diese Dinge im Sozialgerichtsgesetz bereinigen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß man auch hinsichtlich der Frage der Regelung im Sozialgerichtsgesetz lange Ausführungen machen konnte.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit sagen, die Vertretung durch die Vertreter der Organisationen und Verbände nach dem Sozialgerichtsgesetz hat sich in den letzten 20 Jahren hervorragend bewährt. Ich darf sagen, daß im Grunde genommen ein Streit zwischen den Juristen und den Vertretern vor den Sozialgerichten nie entstanden ist, und zwar deshalb nicht, weil einfach die Vertretung vor den Sozialgerichten in dem Fall von den Juristen nicht allzusehr begehrt ist.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521027000
Herr Kollege Maucher, Sie gestatten eine Zwischenfrage von Frau Diemer-Nicolaus? — Bitte, Frau Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0521027100
Herr Kollege Maucher, würden Sie denn umgekehrt in einem völlig fremden Sachgebiet eine landwirtschaftliche Frage behandeln? Ist es dann richtig, hier vorab zu entscheiden und nachher eine Berichtigung im Sozialgerichtsgesetz vorzunehmen? Der richtige Ort, um diese Dinge zu beraten, wäre doch das Sozialgerichtsgesetz. Stimmen Sie mir darin zu, daß man diese Frage nicht isoliert sehen darf?

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0521027200
Ich bin nicht Ihrer Meinung. Der Vergleich mit einer völlig fremden Sache — mit der landwirtschaftlichen Frage — trifft nicht zu. Hier geht es ausschließlich darum, daß wir ein Gesetz erlassen und sagen: Wir wollen jetzt eine



Maucher
Klärung herbeiführen, ob die Angehörigen der zuständigen Organisationen eine Vertretungsbefugnis haben oder nicht, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem diese Dinge in das zuständige Gesetz eingefügt werden.
Abschließend möchte ich sagen, wir können diesem Antrag ohne Bedenken zustimmen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521027300
Das Wort hat Herr Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0521027400
Meine Damen und Herren! Ich danke Herrn Kollegen Maucher für seine Ausführungen, denen ich mich voll anschließe. Es geht doch einfach nur darum: Weshalb sollen wir eine Regelung, die wir heute, aus Anlaß dieses Gesetzes, beschließen können, im Hinblick auf irgendeine spätere Regelung an einer anderen Stelle verschieben! Wollen wir es wieder offenlassen? Praktisch ist die Situation so, wie sie hier geschildert worden ist. Die Menschen sind ohne Rechtsbeistand, und das ist eine schlechte Lage. Die Anwaltschaft — ich bin doch selber Anwalt — kann nicht helfen, weil sie sich aus den angeführten Gründen nicht mit der Materie beschäftigt.
Deshalb bitte ich erneut, dem Antrag zuzustimmen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521027500
Das Wort hat Herr Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0521027600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird mir langsam aber sicher unverständlich, was hier geredet wird. Wir sollen heute eine Regelung treffen
— als Provisorium —,

(Abg. Dr. Czaja: Nicht als Provisorium!)

— das war Herr Maucher —, die wir dann demnächst daraufhin überprüfen, ob sie richtig war, um dann, wenn wir sie nicht für richtig halten, das Sozialgerichtsgesetz wieder zu ändern.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Das ist doch die Konsequenz aus dem, was Sie hier vorgetragen haben, und gegen dieses Verfahren wende ich mich mit aller Entschiedenheit. Darüber, ob es notwendig ist, die Regelung zu treffen, habe ich kein Wort gesagt.

(Abg. Dr. Czaja: Na also!)

— „Na also" ? Warum? Weil keiner hier im Hause ist, der Material hat, um diese Frage entscheiden zu können. Sie bedarf der Prüfung. Es bedarf dann aber auch der Prüfung, ob das nicht nur für diese Kreise zutrifft, sondern darüber hinaus weitere Kreise ein solches Recht erhalten müssen,

(Abg. Dr. Czaja: Dann müssen Sie es beantragen!)

wie Sie es hier für Flüchtlinge und Vertriebene einräumen wollen. All das bedarf einer Prüfung.

(Abg. Dr. Kopf: Jawohl!)

So geht es nicht, meine Damen und Herren, daß wir
heute sagen: „Wir machen es erst einmal so, und
wenn es nicht richtig ist, können wir es ja demnächst wieder anders machen."

(Lebhafter Widerspruch bei der CDU/CSU.) So wollen wir nicht verfahren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir machen nichts anders!)

— Aber gewiß doch!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521027700
Das Wort hat Herr Schlee.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521027800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es sich bei diesem Antrag darum handelte, daß die hier genannten Verbände das Recht bekommen sollen, in Fragen, die sich aus der Erledigung dieses Gesetzes ergeben, zu beraten, wäre diesem Antrag wohl leicht zuzustimmen, und ich habe auch Verständnis für dieses Anliegen. Aber ich kann das eigentlich nach längerer Überlegung gar nicht so recht herauslesen. Es heißt hier einfach, daß Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge ... Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge im Rahmen ihres Aufgabengebietes in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen unentgeltlich beraten dürfen.

(Zuruf: Das ist doch das Bundesvertriebenengesetz!)

Ich bin Mitglied des Finanzausschusses. Wir haben immer sehr großen Wert darauf gelegt, genau zu unterscheiden, zu prüfen und zu entscheiden, wer z. B. in Steuerangelegenheiten beraten darf und wer nicht. Wenn dieser Satz hier Gesetz wird, gibt es, meine ich, ein großes Durcheinander. Dann gibt es Zweifel, wo die Grenzen der Beratung sind.
Ich sage noch einmal: ich habe volles Verständnis dafür; aber ich meine, so im Galopp, mit dieser kurzen Vorlage, kann man diese Frage nicht erledigen. Das bedarf einer längeren Prüfung und auch der Einordnung in unser gegebenes Recht.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521027900
Herr Schlee, gestatten Sie eine Frage von Herrn Rehs?

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521028000
Bitte!

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0521028100
Herr Schlee, ist Ihnen bekannt, daß nach genau demselben Prinzip, wie es mit dieser Regelung erstrebt wird, die Frage für die Kriegsopferverbände längst entschieden ist? Es ist also nichts Neues.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521028200
Jawohl; aber dann gehört es wohl auch nicht hierher. Es sind hier speziell auch Steuerfragen.

(Zuruf des Abg. Rehs.)

— Herr Kollege Rehs, die Kriegsopferverbände beraten, soweit ich unterrichtet bin, nur in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung.

(Widerspruch.)




Schlee
Hier heißt es aber auch: Rechts- und Steuerangelegenheiten. Das ist meiner Meinung nach eine Norm, die in ihrem Umfang und hinsichtlich ihrer möglichen Übereinstimmung mit den anderen Rechtsregelungen nicht klar ist.
Herr Rehs, ich bin im Grundsatz nicht gegen dieses Anliegen. Aber ich meine, daß man es nicht in diesem Galopp machen kann.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521028300
Herr Kuntscher möchte Ihnen noch eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521028400
Bitte!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521028500
Bitte, Herr Kuntscher!

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0521028600
Herr Kollege Schlee, haben Sie in der Drucksache nicht gesehen, daß es sich hier um eine Änderung des Bundesvertriebenengesetzes und nicht nur um eine solche des Reparationsschädengesetzes handelt?

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521028700
Gewiß, Herr Kollege Kuntscher! Aber wenn ich hier nun lese: „ ... dürfen .. . in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen unentgeltlich beraten", so ist mir der Umfang dieser Befugnis nicht klar, und es muß meiner Meinung nach geprüft werden, wieweit das mit anderen Fragen der Rechtsberatung, der Beratung in Rechts- und Steuerangelegenheiten, übereinstimmt.
Ich betone noch einmal, ich habe volles Verständnis dafür. Aber ich glaube nicht, daß man es in diesem Galopp hier durchziehen kann.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521028800
Jetzt eine Zwischenfrage von Herrn Maucher!

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0521028900
Herr Kollege Schlee, haben Sie den Antrag nicht genau gelesen, nämlich den Satz: „ ... im Rahmen eines Aufgabengebietes ..."? Sind nicht bei dieser Fassung „im Rahmen ihres Aufgabengebietes" die Satzungen der Verbände maßgebend, und ist Ihnen nicht bekannt, daß analog dazu im Sozialgerichtsgesetz die Kriegsopferverbände „im Rahmen ihrer Aufgaben" vertreten? Auch hier ist die Satzung maßgebend.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521029000
Jawohl, Herr Kollege Maucher, das habe ich sehr wohl gelesen und mir auch überlegt: Was bedeutet das, welche Einschränkung bedeutet das? Aber ich bin eben nicht zu einer klaren Auffassung darüber gekommen, was es bedeutet, daß sie „im Rahmen ihrer Aufgaben" z. B. in Steuersachen beraten dürfen.

(Abg. Dr. Czaja: Das ist doch geltendes Recht!)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521029100
Herr Kuntscher darf noch einmal eine Zwischenfrage stellen. — Bitte!

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0521029200
Herr Kollege Schlee, § 93 Abs. 1 BVFG, also des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes, besagt folgendes:
Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, dürfen Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge im Rahmen ihres Aufgabengebietes in Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsfragen unentgeltlich beraten. Sie bedürfen hier keiner besonderen Erlaubnis.
Das ist also geltendes Recht.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0521029300
Das mag sein. Ich muß dennoch eine Warnung aussprechen. Der Satz scheint mir so, wie er dasteht, nicht in allen Konsequenzen überlegt zu sein.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521029400
Das Wort hat Herr Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0521029500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, mit der Abstimmung über diesen Antrag die Beschlußfähigkeit des Hauses festzustellen.

(Ah-Rufe bei der CDU/CSU. — Abg. Kuntscher: So ist das! Das ganze Reparationsschädengesetz soll fallen!)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521029600
Meine Damen und Herren, wird der Antrag von fünf anwesenden Abgeordneten unterstützt? — Das ist der Fall. Dann stimmen wir ab.

(Abg. Dr. Rutschke: Können wir nicht den Antrag zurückstellen und an den Ausschuß verweisen?)

— Das ist jetzt ein anderer Antrag, den Sie stellen.

(Abg. Dr. Rutschke: Ich stelle den Antrag, den Antrag an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen!)

— Das heißt, daß wir dann die ganze Vorlage zurückverweisen müßten.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

— Wegen dieses Antrags? Aber den Antrag allein können wir nicht zurückverweisen, denn es ist ein Antrag zur Ergänzung eines Paragraphen des Gesetzes. Er muß ja Teil der Vorlage bleiben.
Wird der Antrag auf Rückverweisung gestellt? — Ich würde sagen, das ist der weitergehende Antrag: Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß. — Herr Rutschke, Sie haben das Wort.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0521029700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir geht es darum, daß diese Frage geklärt wird. Der Antrag ist im Grundsatz berechtigt. Ich glaube aber, daß die Einwände, die von sachkundiger Seite gekommen sind, so wichtig sind, daß wir das jetzt nicht hopplahopp entscheiden sollten. Meine Intention war, daß wir diesen speziellen Ergänzungsantrag zur Beratung an den Ausschuß zurückverweisen. Nun höre ich vom Herrn



Dr. Rutschke
Präsidenten, daß das geschäftsordnungsmäßig nicht zulässig ist. Deshalb erübrigt sich mein Antrag.
Ich möchte aber die Antragsteller bitten, diesen Antrag zurückzustellen, um ihn vielleicht nach der Prüfung erneut einzubringen. Das würde ich auch im Interesse der Sache selbst für richtig halten.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521029800
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0521029900
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich bedauere sehr, daß wir durch den Antrag der Freien Demokraten in diese sehr unangenehme Situation gekommen sind, ein Antrag, der meines Erachtens dem Sachanliegen nicht gerecht wird. Ich möchte das mit aller Eindeutigkeit feststellen. Aber selbstverständlich kann es hier keiner von uns verantworten, daß etwa die Verabschiedung dieses Gesetzes in dem Ablauf, der hier jetzt vorgesehen ist, behindert wird. Meine Fraktionsfreunde, soweit sie mit mir übereinstimmen, sind auch nicht bereit, den Ablauf der Verabschiedung infolge dieses Antrages der FDP in Frage stellen zu lassen. Wir werden daher auf den Antrag in dieser Lesung verzichten und behalten uns vor, ihn in einem anderen Zusammenhang erneut zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521030000
Meine Damen und Herren, das ist eine neue Lage; dieser Antrag ist also zurückgezogen.
Dann stimmen wir ab über den § 67 in der Fassung, die sich aus der Annahme des Umdrucks 571 ergibt. Wer dem so geänderten § 67 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist bei einigen Enhaltungen angenommen.
Ich rufe dann die §§ 68 bis 74, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit kann ich die zweite Beratung schließen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Zur dritten Beratung hat Herr Abgeordneter Wahl das Wort zu einer Erklärung.

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0521030100
Herr Präsident. Meine Damen und Herren. Erlauben Sie mir, im eigenen Namen zu der Vorlage einige Bemerkungen zu machen. Ich war im mitberatenden Rechtsausschuß Berichterstatter und bin mit meiner Rechtsansicht in der Minderheit geblieben.
Im Zivilrecht gibt es die alte Frage, an wen sich der Eigentümer einer Sache halten muß, wenn sie durch eine unglückliche Verkettung von Umständen für die Schuld eines Dritten gepfändet worden ist.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521030200
Einen Augenblick Herr Kollege Wahl. Durch den wieder abgeblasenen Alarm von eben wegen der Beschlußfähigkeit ist etwas Unruhe im Hause entstanden.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, doch Platz zu nehmen oder auch die Gespräche wieder nach draußen zu verlegen, jedenfalls hier dem Redner Ruhe zu geben.
Einen Augenblick noch. — Wir fahren nicht fort, meine Damen und Herren, wenn nicht genügend Ruhe im Saal ist. Darf ich auch meinen Kollegen Schoettle bitten, davon Notiz zu nehmen.

(Heiterkeit und Beifall.)

Danke sehr, vielen Dank. — Auch da drüben sehe ich noch Geschäftsführer, die auch noch der Aufforderung nachkommen müssen.
Bitte, meine Damen .und Herren, wollen wir das doch ernst nehmen. Es muß ein Minimum an Ruhe im Saal sein. Es ist für den Redner nicht zumutbar, in eine solche Geräuschkulisse hineinzureden. —Jetzt geht es, Herr Kollege Wahl.

Dr. Eduard Wahl (CDU):
Rede ID: ID0521030300
Danke schön, Herr Präsident. — Im Zivilrecht gibt es die alte Frage, an wen sich der Eigentümer einer Sache halten muß, wenn sie durch .eine unglückliche Verkettung von Umständen für die Schuld eines Dritten gepfändet worden und ihr Erlös dem Gläubiger des Dritten zugeflossen ist. Hat der Eigentümer dann die Ansprüche gegen den Gläubiger geltend zu machen, dem der Erlös zugeflossen ist, auf den dieser eigentlich keinen Anspruch hat, weil er sich ja nur aus dem Vermögen seines Schuldners befriedigen darf, oder muß er sich an den Schuldner halten, weil dessen Schuld aus dein Vermögen des früheren Eigentümers getilgt worden ist, wenn der Pfändungsgläubiger den Erlös behalten darf?
Im vorliegenden Falle der Reparationsgeschädigten ist die Frage eindeutig im zweiten Sinne zu lösen. Zwar hätten nach rein zivilrechtlichen Kategorien die Reparationsgeschädigten ihre Ansprüche gegen die Alliierten richten müssen; aber nachdem die Bundesregierung die Beschlagnahmungen hingenommen und es damit zugelassen hat, daß von den Alliierten die Erläse der Bundesrepublik auf Reparationskonto gutgeschrieben wurden, wodurch die Betroffenen ihre Ansprüche gegen die Alliierten verloren haben, muß die Bundesrepublik die früheren Eigentümer entschädigen. Im Überleitungsvertrag ist denn auch auf Verlangen der Alliierten diese Entschädigungspflicht von unis ausdrücklich übernommen worden.
Die Bundesrepublik hat aus dieser Überlassung der riesigen beschlagnahmten Vermögensmassen an die Alliierten durch das Londoner Schuldenabkommen, das nur auf diesem Hintergrund möglich war, beträchtlichen Nutzen gezogen. Man denke an die großen Reparationsleistungen der Ostzone aus der laufenden. Produktion an die Sowjetunion.
Bei den durch den Lastenausgleich begünstigten Personengruppen liegen solche haftungsbegründenden Umstände nicht vor. Das Bundesverfassungsge-



Dr. Wahl
richt hat festgestellt, daß sie ohne das Lastenausgleichsgesetz keinen Anspruch gegen die Bundesrepublik gehabt hätten. In der Tat haben die Vertreibung ebensowenig wie die Fliegerschäden eine Bereicherung der Bundesrepublik zur Folge gehabt. Die Anwendung des Lastenausgleichsgesetzes im ganzen auf die jetzt zu behandelnde Geschädigtengruppe, wenn damit auch einige dankenswerte Vergünstigungen verknüpft sind, wird deshalb der Rechtslage nicht gerecht.
Ich erinnere an den Vermögensvergleich, der beim normalen Vertriebenen der Entschädigung nicht entgegensteht, bei den Reparationsgeschädigten dagegen in den meisten Fällen, ferner an den Ausschluß der juristischen Personen, an die Zugrundelegung gewisser Bilanzstichtage bei gewerblichen Unternehmungen. Diese Sätze führen nach der Vorlage in den meisten Fällen zu einer Entschädigungshöhe von null Mark. Ich frage mich, ob noch von einer Entschädigung die Rede sein kann, wenn die meisten leer ausgehen. Natürlich kann die Entschädigung angesichts der hier in Frage stehenden Massenenteignung nicht nach den Grundsätzen gewährt werden, die bei Einzelenteignungen entwikkelt worden sind; aber hier scheint mir die rechtlich mögliche untere Grenze der Entschädigung doch erheblich unterschritten zu sein.
Zu einer rechtlichen Regelung der Entschädigungsfrage gehört nicht nur der Blick auf den erlittenen Schaden, sondern auch der Blick auf die schadensbegründenden Ereignisse und die Rolle, die die Bundesrepublik dabei gespielt hat, d. h. wie sie sich auf deren Lage ausgewirkt haben. Nicht jeder Kriegsschaden ist in gleicher Weise ersatzpflichtig. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Das haben die bisherigen Entschädigungsgesetze auch nie getan. Ich erinnere an die breite Skala der Schadensregelungen, von den Wiedergutmachungsgesetzen über die Abgeltung der sogenannten Besatzungsschäden bis zur Kriegsopfer- und Heimkehrerentschädigung und dem Lastenausgleichsrecht. Für den Juristen gibt es gar keine andere Methode als die, die Fälle nach ihrem verschiedenen Tatbestand zu beurteilen. Ich will aber nicht alles wiederholen, was ich teils mündlich, teils schriftlich im Rechtsausschuß zu Protokoll gegeben habe, weil ich keine Chance sehe, die Mehrheit des Hauses für meine Rechtsansicht zu gewinnen.
Das Bundesverfassungsgericht muß über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden, die angesichts des Art. 14 des Grundgesetzes über die Enteignungsentschädigung nicht gegeben ist. Die zahlreichen Autoren, die sich mit der Frage beschäftigt haben, sind sämtlich dieser Ansicht, außer zwei Herren des Bundesfinanzministeriums, die in die öffentliche Diskussion eingegriffen haben.
Auch im Rechtsausschuß sind deshalb gegen die Regierungsvorlage erhebliche Bedenken geltend gemacht worden. Der Berichterstatter hat sich für die Gewährung einer Enteignungsentschädigung im dargelegten Sinne ausgesprochen, und der der SPD- Fraktion angehörende Mitberichterstatter hat immerhin den Ausschluß der juristischen Personen als unzulässig bezeichnet. Gleichwohl hat auch der Rechtsausschuß schließlich, ebenso wie die anderen Ausschüsse, die Regierungsvorlage gebilligt, allerdings bei einer sehr schwachen Besetzung dieses Ausschusses.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung hat ihre Auffassung, daß auch eine Lastenausgleichsregelung genüge, im wesentlichen mit der Erwägung begründet, die Reparationsschäden seien eine Folge der völkerrechtswidrigen Konfiskation der Siegermächte, für die sie nicht einzustehen habe. Mit diesem Argument verletzt die Bundesregierung jedoch die im Überleitungsvertrag übernommenen Verpflichtungen. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, daß das Bundesverwaltungsgericht erst kürzlich entschieden hat, deutsche Gerichte seien auf Grund des Überleitungsvertrages nicht mehr befugt, die Völkerrechtswidrigkeit alliierter Maßnahmen festzustellen.
Auch die Bundesregierung hat früher, ebenso wie alle Fraktionen des Hauses, den Rechtsanspruch auf Enteignungsentschädigung anerkannt. Neue Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung gerechtfertigt hätten, sind seitdem nicht aufgetreten.
Maßgebend für den Entschluß der beteiligten Ausschüsse, der Regierungsvorlage zuzustimmen, dürften in erster Linie politische und fiskalische Erwägungen gewesen sein. Dabei hat auch die Überlegung eine Rolle gespielt, daß die streitigen Rechtsfragen ohnehin vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden müssen und daß das Parlament sich deshalb zunächst einmal für die billigere Lösung entscheiden könne. Mit einem solchen Verfahren werden aber in bedenklicher Weise die Zuständigkeiten des Gesetzgebers auf das Bundesverfassungsgericht abgewälzt.
In der vergangenen Legislaturperiode hat die Bundesregierung die Kosten des Reparationsschädengesetzes mit 1,7 Milliarden DM angegeben. Obwohl die damals vorgesehenen Leistungen in einzelnen Punkten sogar noch verbessert worden sind, sollen die Kosten der jetzigen Vorlage nur 1,25 Milliarden DM betragen. Schon hier zeigt sich, daß die Berechnungen der Bundesregierung in erheblichem Maße Zweifeln begegnen müssen. Man wird die Voraussage wagen können, daß auch der jetzt angegebene Betrag zu hoch gegriffen ist. Von dem aufzuwendenden Betrag wird nur ein verschwindend kleiner Bruchteil für die Abgeltung der Reparationsschäden verwendet werden, während der größte Teil der Entschädigung von Verlusten dienen wird, die keine eigentlichen Reparationsschäden sind. Man kann deshalb ohne Übertreibung feststellen, daß die Reparationsgeschädigten nach diesem Gesetz praktisch nichts erhalten werden.
Das hat seine Ursache einmal in dem Ausschluß der juristischen Personen, die nach den amtlichen Berechnungen mehr als zwei Drittel aller Schäden erlitten haben. Aber auch das übrige Drittel der natürlichen Personen wird in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nichts bekommen, weil die völlig unrealistische Schadensberechnung auf der Grundlage des Vermögens- und Einheitswertvergleichs



Dr. Wahl
den Ausschluß von allen Entschädigungsleistungen zur Folge haben wird.
Noch eine Schlußbemerkung. Wenn man aber die Grundsätze des LAG für das Reparationsschädengesetz anwenden will, muß man diese Grundsätze auch konsequent durchführen. Meines Erachtens sollte den Geschädigten die Möglichkeit gegeben werden, eine Ermäßigung der Vermögensabgabe zu beanspruchen, wie sie das Lastenausgleichsgesetz in den §§ 39 ff. vorsieht.

(Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521030400
Das Wort hat Herr Enders.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0521030500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Im Namen meiner Fraktion darf ich zur dritten Lesung des Reparationsschädengesetzes dem Hohen Hause folgende Erklärung abgeben.
Die sozialdemokratische Fraktion bringt ihre Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß es nach sehr schwierigen und umfangreichen Verhandlungen nunmehr gelungen ist, das Reparationsschädengesetz heute in zweiter und dritter Lesung zu beraten und zu verabschieden, wobei ich jetzt schon ankündigen möchte, daß meine Fraktion nach Verabschiedung des Gesetzentwurfs noch zwei Entschließungsanträge einbringen wird.
Dem 4. Deutschen Bundestag wurden bereits zwei Entwürfe für ein Reparationsschädengesetz vorgelegt, einer von der Bundesregierung und einer von einer Gruppe von CDU-Abgeordneten. Es kam aber damals wegen der Forderungen der letztgenannten Gruppe zu keiner Verabschiedung im Parlament.
Der vorliegende Entwurf sieht dagegen für Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden Leistungen vor, die nach dem Grundsatz des Lastenausgleichsgesetzes gewährt werden. Ursprünglich ging der jetzige Regierungsentwurf von einem Finanzvolumen von 1,326 Milliarden DM aus. Hierbei war nur an eine Verzinsung der Hauptentschädigung vom 1. Januar 1967 an gedacht. Sozialleistungen waren ausgeschlossen. Während der Ausschußberatungen wurde festgestellt, daß die Leistungen des Entwurfs mit etwa 30 % bzw. rund 400 Millionen DM überhöht eingesetzt worden waren. Dadurch konnte über Mittel verfügt werden, die es ermöglichten, 400 Millionen DM für nachstehende zusätzliche Verbesserungen einzusetzen:
1. Frühverzinsung der Hauptentschädigung vom 1. Januar 1953 an,
2. Gewährung von Kriegsschadenrenten und Aufbaudarlehen sowie Hausratsbeihilfe bei einer vorliegenden Notlage,
3. Einbeziehung weiterer Personenkreise, z. B. Sudetendeutscher, die als Deutsche im Ausland leben.
Die Gesamtabwicklung der Zahlungen nach diesem Gesetz ist zwar nicht auf das Jahr 1979 begrenzt worden; die Fraktion der SPD ist aber in Übereinstimmung mit dem federführenden Ausschuß der Meinung, daß alle erledigungsfähigen Fälle zusammen mit denen des Lastenausgleichsgesetzes in den nächsten zehn Jahren abgewickelt werden und allenfalls nur Spätfälle eine längere Bearbeitung erfahren sollten.
Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes wird ein weiteres wichtiges Kapitel der Entschädigung für die Verluste im Zusammenhang mit den Ereignissen des zweiten Weltkrieges und seiner Folgen einer Regelung zugeführt werden.
Übrig bleibt jetzt nur noch die Leistungsgewährung für die Flüchtlinge aus Mitteldeutschland. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hofft, daß der von ihr seit 16 Jahren geführte Kampf um dieses Gesetz nach der heutigen Verabschiedung eines diesbezüglichen Entwurfs im Bundeskabinett noch in dieser Legislaturperiode zu einem positiven Abschluß geführt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521030600
Das Wort hat Herr Menne.

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0521030700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! 24 Jahre nach Kriegsende sind wir endlich so weit, das Reparationsschädengesetz zu verabschieden. Das ist einer der Hauptgründe, warum meine Fraktion eine ganze Reihe von Bedenken zurückgestellt hat, die berechtigt sind.
Wir waren immer der Meinung, daß der verlorene Krieg und die Nachkriegssituation, aus denen diese Schäden entstanden sind, berechtigte Ansprüche verursacht haben, die viel früher hätten geregelt werden müssen. Nun haben die Ausschußberatungen und die Auffassung der Bundesregierung, daß nur nach Lastenausgleichsgesichtspunkten entschädigt werden sollte, diese Ansicht mit großer Mehrheit bestätigt. Die FDP-Fraktion verschließt sich dem nicht, obwohl wir es lieber gesehen hätten, wenn den Geschädigten ein voller Rechtsanspruch zuerkannt worden wäre. Maßgebend für unsere Bemühungen, aus der jetzigen Situation das Beste zu machen, sind in erster Linie die folgenden Gründe.
Eine Vielzahl bedürftiger Anspruchsberechtigter befindet sich in so schlechten sozialen Verhältnissen, daß dringend geholfen werden muß. Wie ich schon sagte, sind über 20 Jahre verstrichen, seit die Schäden eingetreten sind. Es ist unmöglich, mit der Auszahlung der Entschädigung noch länger zu warten. Deshalb hat auch mein Kollege Herr Spitzmüller vorhin den Antrag gestellt — den Sie allerdings abgelehnt haben —, daß die Auszahlung — im allgemeinen gesprochen — von der Haushaltslage nicht abhängig sein sollte.
Viele der Betroffenen leben heute nicht mehr; viele werden die Auszahlungen nach dem Lastenausgleichsprinzip vielleicht gar nicht mehr erleben.



Dr. h. c. Menne (Frankfurt)

Wir müssen ganz offen zugeben, daß der Glaube an die Rechtsstaatlichkeit durch das lange Zögern bei der Verabschiedung des Gesetzes erschüttert worden ist.
Die Bestätigung des von der Bundesregierung in dem Entwurf niedergelegten Lastenausgleichsprinzips durch die Mehrheit der Ausschußmitglieder bedeutet allerdings für uns, daß dann auch eine konsequente Lösung durch das gesamte Gesetz hindurch zu fordern und zu verwirklichen ist. Deshalb wurde die Frühverzinsung entsprechend dem Haushaltsausgleichsgesetz ab 1953 gegen den Willen der Bundesregierung nun doch noch in die Ausschußfassung aufgenommen, ebenso die Hausratshilfe.
Eine Verwirklichung des Lastenausgleichsprinzips bedeutet aber leider auch, daß die juristischen Personen nicht mit in den Kreis der zu Entschädigenden einbezogen werden können. Das sehen wir mit schwerem Herzen; denn, meine Damen und Herren, es gibt viele kleine Familiengesellschaften, kleine juristische Personen, die dadurch um ihre Entschädigung kommen werden.
— Bitte sehr!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521030800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Korspeter? — Bitte schön!

Lisa Korspeter (SPD):
Rede ID: ID0521030900
Herr Dr. Menne, Sie haben zwar an den Ausschußberatungen nicht teilgenommen. Darf ich Sie aber bitte darauf aufmerksam machen, daß der Regierungsentwurf im Anfang zwar nicht die Frühverzinsung vorsah; daß sich aber die Bundesregierung während der Beratungen des Ausschusses keineswegs gegen eine Frühverzinsung gewehrt hat?

W. Alexander Menne (FDP):
Rede ID: ID0521031000
Ich danke Ihnen. Das war mir nicht bekannt, denn ich bin ja nicht in dem Ausschuß. Aber deswegen kann man doch hier sprechen.
Zur Frage der juristischen Personen wollte ich noch sagen, daß später doch noch einmal eine Überprüfung erfolgen muß, denn hier geschieht ein Unrecht. Da ist gar kein Zweifel.
Bedenken haben wir auch gegen den Einheitswertvergleich zwischen dem 1. Januar 1940 und dem 20. Juni 1948; das ist der Termin der Währungsumstellung. Viele Demontagegeschädigten haben in ihrer DM-Eröffnungsbilanz einen relativ hohen Restvermögensansatz vorgesehen und sind eigentlich deshalb nicht zu einer richtigen Schadensfeststellung in der Lage. Aber im Interesse einer schnellen Durchführung des Lastenausgleichsprinzips haben wir auch hier unsere Bedenken zurückgestellt.
Da Sie nun unseren Antrag abgelehnt haben und da vorhin gesagt wurde, daß dieser Antrag das Vertrauen der Bevölkerung in den Bundestag gefährden würde, möchte ich nunmehr vorschlagen, daß wir, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen oder zu gewährleisten, doch die Bundesregierung ersuchen, für eine genügende Bereitstellung von Mitteln zu sorgen. Denn sonst bleibt dieses Gesetz nur ein Versprechen.

(Abg. Leukert: Das ist doch in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen!)

Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, daß die Bundesregierung ersucht wird, in den Entwürfen des Bundeshaushalts ausreichend Mittel zur Entschädigung der zuerkannten Ansprüche bereitzustellen und sicherzustellen, daß die notwendige finanzielle Regelung entstandener Härten nicht länger hinausgezögert und die Erfüllung nach Lastenausgleichsgrundsätzen im Sinne des § 252 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 möglich wird. Wir würden es begrüßen, wenn Sie dieser Entschließung Ihre Zustimmung geben könnten.
Damit nun nach 24 Jahren für die Betroffenen die Rechtsansprüche erfüllt werden, stimmt meine Fraktion dem Gesetz zu.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521031100
Das Wort hat Freiherr von Vittinghoff-Schell.

Dr. Freiherr Felix von Vittinghoff-Schell (CDU):
Rede ID: ID0521031200
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die lange und leidvolle Geschichte der Reparationsgeschädigten und ihrer Ansprüche wird mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs, wie ich fürchte, leider nur einen vorläufigen Abschluß finden. Die rechtlichen Ausführungen, die mein Freund Professor Wahl soeben gemacht hat und die ich voll und ganz unterstreiche, zeigen nur allzu deutlich, welchen grundsätzlichen Bedenken und Zweifeln die vorgesehene gesetzliche Regelung begegnen muß.
Es ist ein sehr breites Band der verschiedensten Tatbestände, das der Gesetzentwurf zu regeln bestrebt ist. Ich greife nur einen heraus, von dem heute abend bereits die Rede gewesen ist und der mir besonders naheliegt, nämlich den der Traktatsgeschädigten, der dem Hohen Hause vorhin dankenswerterweise von Herrn Kollegen Gerlach eingehend dargestellt worden ist. Nach der vorgesehenen Regelung wird diese Gruppe — vielleicht von Einzelfällen abgesehen — völlig leer ausgehen. Ich bedauere das nicht nur, sondern ich halte das schlicht und einfach für Unrecht.
Der einzige Vorzug einer Verabschiedung ist meiner Meinung nach darin zu erblicken, daß die Geschädigten nunmehr ihr Recht vor den Gerichten suchen können, ohne durch Klagestopp oder die Einrede schwebender Gesetzgebungsverfahren daran gehindert zu werden. Wahrscheinlich läßt sich überhaupt nur im Prozeßwege klären, welche Besonderheiten der verschiedenen Tatbestände so gravierend sind, daß sie eine verschiedenartige Behandlung nicht nur erlauben, sondern erfordern. Nach ihrem historischen Ablauf wie nach der Rechtslage ist die Frage der Entschädigung der enteigneten Traktatländereien meiner Meinung nach ein solcher Sonderfall. Ich sehe mich daher nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Da die Mehrheit des



Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell
Hauses offensichtlich zur Zustimmung bereit ist, gefährdet mein negatives Votum ja auch die Fortführung der anhängigen gerichtlichen Verfahren nicht. Ich habe die Zuversicht, daß unsere Gerichte die meines Erachtens erforderlichen Korrekturen zu gegebener Zeit vornehmen werden.

(Beifall).


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521031300
Das Wort hat Herr Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0521031400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Zwei Bemerkungen vor der Abstimmung. Eines zu dem, was wir hier eben etwas temperamentvoll erledigt haben. Ich möchte hier klar sagen: Ich würde mich freuen, wenn — sei es von Regierungsseite, sei es von den Initiatoren des uns heute vorliegenden Antrags — eine Gesetzesinitiative ergriffen würde, die es uns ermöglicht, das aufgeworfene Problem in Ruhe und Sachlichkeit, so wie es erforderlich ist, zu erörtern. Dann erst können wir sachlich zu dem Stellung nehmen, was geschehen ist. Wir sehen dem also mit Erwartungen entgegen, ja, wir würden eine solche Initiative begrüßen.

(Zuruf des Abg. Dr. Czaja.)

— Ja, eine Sachprüfung. Ist es denn wirklich so schwer, das zu verstehen? Das ist mir einfach unbegreiflich, mein lieber Kollege.

(Abg. Dr. Czaja meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521031500
Herr Busse, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0521031600
Ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521031700
Das ist Ihr gutes Recht.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0521031800
Nun aber zum Zweiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Kollege Professor Wahl hat eingehend die schweren Rechtsbedenken, die gegen die im Ausschuß und hier in der zweiten Lesung getroffene Regelung des Reparationsschädengesetzes geltend gemacht werden können, dargelegt. Ich habe schon in der vorigen Legislaturperiode zusammen mit anderen Fraktionsfreunden einen Gesetzentwurf unterschrieben, der nicht von den Grundsätzen ausging, die jetzt diesem Gesetz zugrunde liegen. Ich brauche nach den früheren Ausführungen jetzt hier nicht alles zu wiederholen.
Ich verkenne keineswegs, daß die Rechtsfrage, insbesondere die verfassungsrechtliche Frage, die sich hier ergibt, außerordentlich schwierig ist. Wir würden sie, selbst wenn wir hier heute stundenlang diskutierten, auch nicht annähernd erschöpfend diskutieren können. Wir würden auch — das soll kein abwertendes Urteil sein — sehr viele Mitglieder dieses Hauses überfordern, wenn wir in dieser Frage eine Entscheidung von ihnen verlangten.
Ich habe Verständnis dafür, daß selbst die, die an sich unsere rechtlichen Bedenken teilen, sich im Interesse der Erledigung, also aus Opportunitätsgründen, dazu durchgerungen haben, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu geben. Das möchte ich klar und deutlich aussprechen.
Ich bitte aber auch für die um Verständnis, die sich eine gegenteilige Rechtsmeinung gebildet haben — eine Rechtsmeinung, die auf verfassungsrechtlichen Grundsätzen beruht — und die sich hier wie in anderen Fällen, mögen noch so viel Opportunitätsgründe dafür sprechen, nicht dazu durchringen können, diesen Gründen der Zweckmäßigkeit einer Erledigung den Vorrang vor den rechtlichen Grundsätzen, an ,die auch dieses Haus meines Erachtens gebunden ist und gebunden bleibt, zu geben. Ob die Dinge so liegen oder anders, wird demnächst unzweifelhaft höheren Ortes entschieden werden. Erst dann wird man sagen können: Es ist so oder so geregelt. — Davon wird das weitere Schicksal abhängen.
Nur eines möchte ich hier noch betonen. In der vorigen Legislaturperiode — glücklicherweise hat sich heute Ähnliches nicht wiederholt — wurde denen, die einen anderen Standpunkt vertreten haben, ein unsoziales Verhalten vorgeworfen. Von einer Seite wurde sogar der Vorwurf erhoben, daß die Initiatoren des Gegenentwurfs damals aus Honorargründen gehandelt hätten. Ich freue mich, daß diese Dinge heute nicht wieder in dieser Form hochgebracht worden sind; denn auch diejenigen, die den Rechtsstandpunkt vertreten haben, wie ich ihn vertrete, haben jedenfalls bei den Beratungen im Rechtsausschuß eindeutig zu erkennen gegeben, daß — abgesehen von den rechtlichen Grundsätzen — das Maß der Entschädigung durchaus den tatsächlichen Verhältnissen angepaßt werden kann, ja angepaßt werden muß, in denen sich diese Bundesrepublik und unser Staat heute befindet. Wir hätten da allen Notwendigkeiten Rechnung tragen können. Auch nach diesen Grundsätzen hätte eine tragbare und finanziell zu verwirklichende Regelung gefunden werden können.
Aber all das erübrigt sich, nachdem offensichtlich die Meinung des Hohen Hauses so ist, wie sie hier heute mehrfach zum Ausdruck gekommen ist. Ich wollte aber klarmachen, warum nicht nur ich, sondern auch einige andere meiner politischen Freunde dem Fraktionsbeschluß nicht zustimmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0521031900
Das Wort hat Herr Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0521032000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als einem Bewohner der ehemaligen französischen Zone in der gebotenen Kürze einige Anmerkungen.
In jenen Jahren, in den schwierigen Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, war die französisch besetzte



Burger
Zone besonders stark durch Demontagemaßnahmen geschädigt worden. Von der französischen Besatzungsmacht waren auch starke Holzhiebe durchgeführt worden. Sie werden verstehen, daß ein Land der Klein- und Mittelbetriebe, die beinahe alle teilweise demontiert worden sind, durch diese sehr schwere Inanspruchnahme besonders geschädigt worden ist. So ist -noch viele Jahre, ja beinahe noch bis heute ein starkes Zurückbleiben der Wirtschaftskraft in jenen betroffenen Regionen zu verzeichnen gewesen. Dabei muß man noch berücksichtigen, daß jene Grenzlandgebiete in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg und auch in der Zeit nach 1933 nie besonders gefördert worden sind. Dadurch wird verständlich, daß der neue Aderlaß durch die damals durchgeführten Demontagen ein starkes Handikap für die Wirtschaft und die Bewohner unseres Landes bedeutete.
Schäden haben nicht nur die Wirtschaft und die Allgemeinheit, sondern auch sehr viele Einzelpersonen erlitten. Nicht allen ist es gelungen, wieder Tritt zu fassen, und nicht alle Betriebe konnten durch die Anschaffung von neuen Maschinen wieder Fuß fassen und die Konjunktur ausnutzen. Viele Briefe, die an meine Kollegen und mich geschrieben worden sind, deuten auf diese Notsituation hin.
Der Herr Berichterstatter Dr. Wuermeling hat ausführlich dargelegt, aus welchen grundsätzlichen und übergeordneten Gesichtspunkten heraus eine Entschädigung über die Lastenausgleichsgrundsätze hinaus nicht gegeben werden konnte. Es können also die zahlreichen Familienaktiengesellschaften und die vielen geschädigten kleinen, armen Gemeinden nicht berücksichtigt werden. Der Ausschuß hat sich sehr bemüht, über die Regierungsvorlage hinauszugehen; darauf wurde mehrfach hingewiesen. Ich denke hier an die Frühverzinsung, die Kriegsschadensrente als Pflichtleistung, die Aufbaudarlehen für geschädigte Betriebe, mit denen sie ihre Investitionen finanzieren können, und auch an die Entschädigung für Anteilseigner.
Ich glaube, daß trotz der großen Bedenken wegen der besonderen Schäden, die gerade in der ehemals französisch besetzten Zone entstandenen sind, das Haus diesem Gesetz doch zustimmen sollte. Mit diesem Gesetzeswerk wird ein großer Aderlaß unserer Region in dem möglichen Umfange gemildert, und die großen Schäden werden wenigstens einigermaßen berücksichtigt. Daher möchte ich mich trotz einiger Bedenken für die Annahme des Gesetzgebungswerkes aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521032100
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0521032200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist im Ausschuß einstimmig verabschiedet worden. Wenn dieser Gesetzentwurf einstimmig verabschiedet worden ist, so nicht deshalb, weil wir im Ausschuß der Meinung waren, daß wir hier der Weisheit letzten Schluß zu offerieren hätten, sondern weil dieser Ausschuß und seine Mitglieder nach sehr intensiven, langwierigen Beratungen zu der Meinung gekommen waren, daß es einfach keinen anderen Weg und keinen Ausweg gab, dieses Gesetz so und nicht anders zu verabschieden, und weil der Ausschuß der Meinung war — meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auch das hier in Offenheit aussprechen —, daß es unrealistisch ist, Rechtstheorien über mehr als zwölf Jahre nachzujagen und denjenigen, dem das Recht zugute kommen soll, dabei verhungern zu lassen.
Ich wehre mich deshalb auch mit Leidenschaft dagegen, wenn Sie, Herr Professor Wahl, aber auch Sie, Herr Busse, vom sogenannten Rechtsstandpunkt sprechen mit so einem unterschwelligen Ton, als wenn das Ergebnis der Ausschußarbeit ein aus Opportunität, aus Zweckmäßigkeit, aus finanziellen Möglichkeiten, aus politischen Erwägungen — und und und — gewachsenes Ergebnis wäre. Ich mache mit allem Nachdruck darauf aufmerksam, daß wir uns im Ausschuß um die Rechtsfragen mindestens so viel Gedanken gemacht haben, wie Sie das mit Recht auch im Rechtsausschuß getan haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Busse [Herford] : Habe ich nie bestritten!)

— Herr Kollege Busse, das ist keine Anklage, das ist keine Polemik, das ist eine Feststellung,. um Legendenbildungen vorzubeugen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521032300
Herr Abgeordneter Mick, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus?

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0521032400
Ich lasse ebenso wie Herr Busse keine Zwischenfrage zu, verehrte Frau Kollegin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen alle — und ich werde mich hier gar nicht in eine juristische Auseinandersetzung einlassen; erstens würde ich dann unglaubwürdig, und zweitens würde ich damit der Sache nicht dienen —, daß man auf allen Gebieten Konstruktionen so oder so setzen kann. Architekten können kühne Konstruktionen setzen, die allen gesetzlichen Notwendigkeiten der Statik, der Baupolizei und was es da sonst noch alles geben mag, genügen und am Ende kann dieses Gebäude so beschaffen sein, daß kein Mensch darin wohnen kann, daß kein Mensch ein Geschäft darin eröffnen kann usw. Ich will auch das nicht weiter ausführen. Die Andeutungen dürften wohl genügen, um Ihnen klarzumachen, was ich hier ausdrücken will.
Uns kam es darauf an, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf einer gesunden Rechtsbasis,

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

wie wir meinen, ein. Gebäude zu errichten, in dem die, die jetzt noch im Regen stehen, nach 20 Jahren endlich ein Dach über dem Kopf bekommen, auf das sie einen Anspruch haben. Es kam uns darauf



Mick
an, hier ein Stück Krieg und Nachkrieg zu liquidieren, ohne den Boden des Rechts zu verlassen.
Nun haben Sie, verehrter Herr Professor Wahl, von den Reparationen gesprochen, und zwar mit dem Blick auf die Seite, mit der diese Frage mehr oder weniger geregelt sein dürfte. Wir streben doch alle nach der Liquidierung des Krieges; wir streben auch nach Friedensverträgen mit der Gegenseite, um endlich wieder zu Verhältnissen zu kommen, die wir als normal bezeichnen können. Es ist doch das Ziel unserer Außenpolitik, auch mit der Seite zu Regelungen zu kommen, mit der bisher noch keine Regelungen möglich gewesen sind. Wissen Sie, wie dann die Frage der Reparationen gelöst wird? Wollen Sie denn etwa sagen: „Der Teil ist nach Lastenausgleichsmaßstäben abgefunden, das ist also alles klar", während wir hier jetzt, ehe wir überhaupt einen Friedensvertrag haben - nun, nach meiner Meinung, verehrter Herr Kollege Wahl —, zweierlei Recht setzen wollen?
Dabei weiß ich genau — dafür haben wir uns im Ausschuß mit diesen Fragen viel zu lange befaßt —, welche Härten mit diesem Gesetz verbunden sind. Dazu gehört auch die von Ihnen, Herr von Vittinghoff-Schell, aber auch die von Herrn Gerlach angesprochene Frage, ganz zweifellos. Sie sehen, daß wir nicht möchten, daß die Diskussion darüber beendet wird. Wir wissen bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion nur, daß wir, wenn wir diesem Antrag und Ihrem Bemühen, Herr von Vittinghoff-Schell, heute zugestimmt hätten, einen Anfang, aber kein Ende sehen würden. Von daher ist es auch zu verstehen, daß wir — ebenso die Fraktion der Sozialdemokraten — einen Entschließungsentwurf diesem Hohen Haus vorlegen, damit weiter nach Recht gesucht werden kann und nach Möglichkeit auch Recht gefunden wird.
Nun zu einem ganz anderen Punkt! Wir haben uns bei unserer mühseligen Ausschußarbeit nie eingebildet, daß wir mit diesem Gesetz Lorbeeren ernten könnten. Wir waren uns auch darüber einig, daß es keine Materie ist, mit der man etwa parteipolitische Blümchen pflücken kann. Das ist absolut nicht drin, und wir haben uns darauf eingestellt und sind den Dingen sachlich zu Leibe gerückt.
Wir sind uns klar darüber, daß es gar nicht selbstverständlich ist, -hier ein Gesetz zu verabschieden, welches 1,3 Milliarden DM kosten soll. Ich lasse mich überraschen, ob es nicht einiges mehr kostet, zumal im letzten Teil der Beratung bei dem verständlichen Wunsch, das Gesetz über die Bühne zu bringen, der Finanzminister mehr mit sich hat reden lassen, als das zu einem früheren Zeitpunkt der Fall war. Das war gar nicht einfach. Denn heute ist es — wohl auch mit gutem Recht — viel populärer, wenn man sich als einen Mann ausgibt, der nach vorn denkt, der die Zukunft erorbert. Ich habe manchmal den Eindruck, daß es heute schon sehr viele Zeitgenossen gibt, die liebend gern bereit sind, dafür die Opfer der Vergangenheit am Wege liegen zu lassen. Dem haben wir widerstanden, und dem hat auch die Bundesregierung widerstanden. Sie hat — das soll hier anerkannt werden — mit dazu beigetragen, daß diese Opfer aufgesammelt werden konnten.
Wir sagen zwar — Herr Kollege Wuermeling hat das eben in seiner Berichterstattung auch getan —, daß wir hier einen Schlußstein in die Kriegsschädengesetzgebung setzen. Ich bin nicht ganz so optimistisch, Herr Kollege Wuermeling. Wir w erden wahrscheinlich noch manches novellieren,

(Abg. Dr. Wuermeling: Das bleibt vorbehalten!)

und von Mark und Pfennig her gesehen, werden wir noch manches zu leisten haben. Wir werden es leisten müssen. Denn wir haben die Zukunft zu gewinnen, jawohl; aber wir haben auch die Vergangenheit zu liquidieren, wenn wir in der Zukunft bestehen wollen. Das sage ich auch allen jenen jungen Leuten, die mir etwa sagen: „Was geht das uns an? Wir haben keinen Krieg angefangen!" Nun, denen sage ich: Als am 30. Januar 1933 die SA usw. marschierte, stand ich drei Tage vor meinem 19. Geburtstag. Und mich will jemand für den 30. Januar 1933 verantwortlich machen? Ich habe dann aber in Krieg und Nachkriegszeit gebüßt für das, was passiert ist, als ich noch nicht 19 Jahre alt war, und ich bin willens — ich glaube, daß ich da mit dem Hohen Hause einig gehe —, das restlos zu liquidieren.
Wir wissen, daß die Frage mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes nicht ausgestanden sein wird. Natürlich wird sich das Bundesverfassungsgericht mit Fragen zu beschäftigen haben. Ist das ein Nachteil? Haben wir uns damit etwas vergeben? Haben wir damit etwas versäumt? Wenn das der Fall wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre die Institution des Bundesverfassungsgerichts nach meiner Meinung nicht notwendig, zumindest hätte sie dann nicht so hohen Rang notwendig, wie es tatsächlich der Fall und nach meiner Meinung auch mit Recht ist.
Ich muß dem Bauernverband der Vertriebenen, der ebenfalls Anstände zu diesem Gesetz hat, als wenn er mit ihm Rechte aufgeben müßte, sagen: Wir wissen, daß dem nicht so ist. Dieses Gesetz ist kein Friedensvertrag mit anerkannten Reparationen, sondern innerdeutsches Recht. Alles andere ist eine Frage von zwischenstaatlichen Abkommen, die hoffentlich bald getätigt werden mögen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute Änderungsanträgen entgegengestemmt haben, so nicht deshalb — ich sagte es schon in einem anderen Zusammenhang —, weil wir darin grundsätzlich ungerechtfertigte Ansprüche sähen, sondern einfach deshalb, weil wir wußten, daß aus einem Schneeball eine Lawine werden würde, die zunächst die überrollen würde, denen wir heute helfen wollen.
Ich habe alle Veranlassung, den Mitgliedern des Ausschusses zu danken, die in weiß Gott mühseliger Arbeit dieses Gesetz bis zum heutigen Tage gebracht haben. Ich habe mich zu bedanken bei der Bundesregierung, bei der Beamtenschaft, insbesondere aber — auch das soll man einmal einem verdienten Manne nachsagen, der inzwischen in den Ruhestand getreten ist — Herrn Ministerialrat Seidler, der wesentlichen Anteil an der Gedankenführung zu diesem Gesetz hat:



Mick
Ich darf für meine Fraktion erklären, daß sie dem Gesetz zustimmt. Ich darf ferner erklären, daß meine Fraktion dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zustimmen wird, der ja die gleiche Materie betrifft wie einer unserer Entschließungsanträge.
Ich darf des weiteren sagen, daß meine Fraktion den Entschließungsantrag der FDP ablehnt, weil es erstens für uns eine Selbstverständlichkeit ist, daß die Bundesregierung diese Materie so schnell abwickelt, wie das möglich ist, und weil wir zweitens — es wurde hier schon von Herrn Kollegen Dr. Reichmann gesagt — uns als Parlament ein Armutszeugnis ausstellen würden, wenn — wo Menschen sind, sind Fehlerquellen! — hier Fehler der Bundesregierung nicht gerügt würden, und die Bundesregierung durch die Tat auf den Pfad des Besseren gelenkt würde.
Ich finde es allerdings auch etwas merkwürdig, daß, obwohl Herr Kollege Menne den Entwurf damit begründete, daß möglichst schnell abgewickelt werden solle, sein Kollege Dorn keine Bedenken hate, die Verabschiedung des Gesetzentwurfs, wegen einer zehntrangigen Frage mit einem Geschäftsordnungstrick erneut zu verzögern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521032500
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0521032600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Theorien, die einige Kollegen vorgetragen haben und zu denen die Bundesregierung bereits in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf eingehend Stellung genommen hat, veranlassen mich, wenigstens einige Sätze auch zu diesen Fragen zu sagen. Diese Theorien können einen bereits bestehenden Rechtsanspruch auf eine Entschädigung nach Meinung der Bundesregierung nicht begründen. Nach eingehender Prüfung der Dinge wird diese Ansicht insbesondere auch vom Bundesjustizministerium vertreten. Aber auch der federführende Ausschuß, der Rechtsausschuß — wie hier schon ausgeführt worden ist —, und die anderen beteiligten Ausschüsse dieses Hohen Hauses haben diese Theorien nach eingehender Erörterung abgelehnt. Es liegen zwar Rechtsgutachten vor, die solche Rechtsansprüche anerkennen. Das ist aber nun einmal unser Schicksal, meine Damen und Herren, daß wir stets solchen Gegengutachten begegnen.
Man mag dazu sagen, was man will. Eines aber ist klar: Formaljuristisch kann man an diese Sache nicht herangehen, wie der Berichterstatter, Herr Kollege Wuermeling, sehr richtig ausgeführt hat. Sonst wird nämlich aus dem angeblichen Recht das größte Unrecht. Die Reparationsgeschädigten können keine volle oder bessere Entschädigung erhalten als die Lastenausgleichsgeschädigten. Anderenfalls würden wir nach Meinung der Bundesregierung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Deshalb sind die Grundsätze des Lastenausgleichs angewendet worden. Dies bedeutet vor allem, daß nur
Kleinstschäden voll, größere Schäden nur mit degressiv abfallenden Quoten und Großschäden überhaupt nicht abgegolten werden. Jede andere und bessere Lösung, wie sie teilweise gewünscht wurde, hätte gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und wäre auch politisch gegenüber den Geschädigten des Lastenausgleichsgesetzes, insbesondere den Vertriebenen, nicht zu rechtfertigen gewesen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

Während der eingehenden Ausschußberatung ist der Entwurf noch an einigen Stellen zugunsten der Geschädigten verbessert worden, und ich bin dankbar dafür, daß sowohl der Herr Kollege Mick als auch — in einer Zwischenfrage — Frau Kollegin Korspeter darauf hingewiesen haben, daß gerade auch die Herren des Bundesfinanzministeriums und die Leitung des Bundesfinanzministeriums hier mitgeholfen haben, Lösungen zu finden, die auch im finanziellen Rahmen noch erträglich waren. Insbesondere ist hinsichtlich der Frühverzinsung der Entschädigung eine Anpassung an das Lastenausgleichsgesetz erfolgt. Auch wurden einige Härten in bezug auf Sozialleistungen beseitigt. Nach den mir vorliegenden Schätzungen überschreiten die beschlossenen Änderungen unter Berücksichtigung aller Umstände das Volumen der Regierungsvorlage, wenn überhaupt, nur unwesentlich.
Trotz anfänglicher Bedenken in der einen oder anderen Frage bin ich mit dem Haushaltsausschuß der Meinung, daß dieses finanzielle Risiko bescheidener Mehraufwendungen hingenommen werden kann, wobei ich — ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Haushaltsausschuß — davon ausgegangen bin und es nunmehr feststellen kann, daß der Aufwand auch durch die Beratungen in der zweiten und dritten Lesung nicht weiter erhöht worden ist. Die in den Ausschüssen vorgenommenen Verbesserungen liegen im wesentlichen — und das ist auch erfreulich festzustellen — im Sozialbereich und verbessern auch die Verfassungssicherheit der Gesamtvorlage.
Ich möchte die heutige Schlußberatung zu diesem Gesetzeskomplex zum Anlaß nehmen, den beteiligten Ausschüssen, insbesondere aber dem federführenden Ausschuß und seinem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Mick, und dem Berichterstatter, Herrn Kollegen Wuermeling, für die rasche und erfolgreiche Arbeit an diesem schwierigen Gesetz meinen ausdrücklichen Dank zu sagen.
Meine Damen und Herren, das Gesetz berücksichtigt einen Kreis von Geschädigten, der bisher noch keine Leistungen in der Kriegsfolgengesetzgebung erhalten hat. Allein diese Feststellung, meine ich, läßt uns heute nach Abschluß dieses Gesetzgebungsverfahrens alle freudig sein, daß diejenigen, die hier Betroffene sind, nun auch endlich in den Genuß dessen kommen, was ihnen dieses Gesetz geben wird.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521032700
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Dann komme ich zur Schlußabstimmung der dritten Lesung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Das erste war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Wir haben nun abzustimmen über den zweiten Ausschußantrag, die Petitionen als erledigt anzusehen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zu den Entschließungsanträgen, zuerst Umdruck 572*) des Abgeordneten Gerlach und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Horst Gerlach (SPD):
Rede ID: ID0521032800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, daß die Frage der direkten Entschädigung früherer Traktateigentümer einer erneuten Prüfung unterzogen werden muß, um alle rechtlichen Aspekte und deren Konsequenzen, insbesondere innerhalb der Gruppe der geschädigten Traktateigentümer, aber auch unter Berücksichtigung ihrer besonderen völkerrechtlichen Stellung nach den Verträgen von Aachen, Kleve und Meppen zu untersuchen.
Namens meiner Fraktion bitte ich um Annahme dieses Entschließungsantrags.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521032900
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Damit komme ich zum nächsten Entschließungsantrag, Umdruck 573 **) der Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Das Wort wird nicht begehrt.

(Zurufe: Ist schon begründet!)

- Ist schon begründet. Ausschußüberweisung ist nicht beantragt, nur Sachabstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum dritten Entschließungsantrag, dem Umdruck 575 ***) der Fraktion der CDU/CSU. Wird das Wort gewünscht? —

(Zurufe: Ist schon begründet!)

— Ist schon begründet. Ausschußüberweisung ist nicht beantragt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
*) Siehe Anlage 7 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 8
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. Juli 1967 über die Einführung von Sondervorschriften für Ölsaaten und Saatenöle, mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten
— Drucksache V/3537 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3738 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß)

— Drucksache V/3715 —
Berichterstatter: Abgeordneter Lemp

(Erste Beratung 201. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter für seinen schriftlichen Bericht. Eine Ergänzung ist nicht veranlaßt.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, —3, - Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen! Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Internationalen Getreide-Übereinkunft von 1967
— Drucksache V/3533 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschätfsordnung
— Drucksache V/3735 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß)

— Drucksache V/3716 —
Berichterstatter: Abgeordneter Lemp (Erste Beratung 201. Sitzung)




Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Eine Ergänzung ist nicht veranlaßt.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3, - 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Offenbar keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Rohholz
— Drucksache V/3458 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß)

— Drucksache V/3717 —
Berichterstatter: Abgeordneter Bewerunge (Erste Beratung 194. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Eine Ergänzung ist nicht veranlaßt.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 6, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht begehrt.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten Abkommen vom 20. März 1968 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit und der Zusatzvereinbarung zu dem Abkommen über Soziale Sicherheit vom gleichen Tage
— Drucksache V/3349 —
Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

— Drucksache V/3709 —Berichterstatter: Abgeordneter Sänger (Erste Beratung 194. Sitzung)

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Sänger, für seinen Schriftlichen Bericht.
Ich rufe in zweiter Beratung auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 10 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts (Zweites Besoldungsneuregelungsgesetz —2. BesNG)

— Drucksache V/3693 —
Das Wort zur Begründung hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Herr Köppler.

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0521033000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst dem Hohen Hause die Entschuldigung des Bundesministers des Innern vorzutragen, der es bedauert, wegen einer anderen dienstlichen Verpflichtung nicht selbst dieses so wichtige Gesetz hier einbringen zu können.
Das Hohe Haus hat bereits am 11. Dezember des vorigen Jahres zusammen mit anderen Verfassungsänderungen auch die Änderung des Art. 75 unseres Grundgesetzes verabschiedet. Diese Änderung bringt für einen Teil des jetzt eingebrachten Gesetzentwurfs zur Besoldungsneuregelung die erforderliche Erweiterung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Bundes.
Der Ihnen vorliegende Entwurf baut die im Frühjahr des vorigen Jahres eingebrachte, aber noch nicht verabschiedete zweite Stufe der Besoldungs-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 210, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. Januar 1969 11401
Parlamentarischer Staatssekretär Köppler
neuregelung zu einem umfassenderen Neuregelungsprojekt aus. Dabei ist auch den Überlegungen Rechnung getragen worden, die im Innenausschuß dieses Hohen Hauses bei Beratung der erwähnten früheren Vorlage angestellt worden sind. So scheinen die Voraussetzungen gegeben, daß die mit dem Ersten Besoldungsneuregelungsgesetz 1967 begonnene Konsolidierung dieser schwierigen und wichtigen Materie des Dienstrechts noch in der laufenden Legislaturperiode im wesentlichen abgeschlossen werden kann.
Gleichwohl, meine Damen und Herren, zeigt die Kritik der verschiedenen Beamtengruppen an dem Konzept der Bundesregierung, welche Hindernisse einer allseits befriedigenden Regelung entgegenstehen. Eine Erfüllung aller Wünsche und Vorstellungen ist deshalb nicht möglich, weil die Forderungen etwa der Lehrer, der Polizeivollzugsbeamten, der Richter und der Verwaltungsbeamten sich gegenseitig ausschließen. Ich meine, daß es hier auch für die großen Verbände, die eine verantwortliche Zusammenarbeit mit den Organen des Staates anstreben, noch eine entscheidende Aufgabe zu lösen gibt. Ich jedenfalls würde es dankbar begrüßen, wenn die Last der Verantwortung, eine Synthese zwischen den auseinanderstrebenden Vorstellungen der verschiedenen Gruppen zu finden, von den Verbänden mit getragen würde. Dieses Ziel wird möglicherweise leichter erreicht werden können, wenn Kriterien der Ämterbewertung noch stärker konkretisiert werden. Die langwierigen Vorarbeiten hierfür sind im Gange. Sie müßten allerdings zwecklos bleiben, wenn nicht zunächst bei Bund und Ländern einheitliche Bewertungen für die verschiedenen Amtsträger gesichert werden könnten, von denen aus die weitere Entwicklung sachlich gefördert werden kann; denn uneinheitliche Bewertungen schließen die Herbeiführung einer Synchronisierung nach objektivierten Merkmalen aus, weil sie verständlicherweise immer nur den Zug der Angleichung nach oben erzeugen.
Aus dieser Sicht sollte der vorgelegte Entwurf allen Beteiligten, so meine ich, akzeptabel erscheinen. Er nutzt die bisher vorhandenen Erkenntnisse zu einer Synthese und setzt an die Stelle eines gegenseitigen Überspielens eine gemeinsame Ordnung.
Die wichtigsten Punkte des Entwurfs möchte ich wie folgt erläutern und hierbei auch Irrtümer, die aufgetreten sind, klarstellen.
Erstens. Die Vorlage legt hinsichtlich des finanziellen Volumens den Haushaltsansatz für neue Besoldungsmaßnahmen im Jahre 1969 zugrunde. Es ist die Behauptung aufgestellt worden, dieser Gesetzentwurf erfordere 5 % des Besoldungsaufwands oder erhöhe die Gehälter um 5 %, bringe aber durch das erst für den 1. Juni dieses Jahres vorgesehene Inkrafttreten eine erheblich geringere Zuwachsrate für dieses Jahr. Das ist unrichtig. Die im Haushalt 1969 ausgebrachten Verstärkungsmittel werden abzüglich der für den Tarifbereich in Betracht kommenden Ausgaben in Anspruch genommen. Dabei ist wichtig, daß den Vorstellungen des
Innenausschusses entsprochen wurde und die aus Besoldungsverbesserungen des Jahres 1968 herrührenden Mehrausgaben nicht angerechnet worden sind. Freilich will ich auch eindeutig klarstellen, daß hierin die Befriedigung eines Nachholbedarfs aus dem vorigen Jahr, das im ganzen nur eine Anhebung um insgesamt etwa 2% brachte, enthalten ist. Der Vorschlag des Entwurfs, die Verbesserungen erst am 1. Juni 1969 in Kraft treten zu lassen, war notwendig, um das Personalverstärkungskonto für 1969 nicht zu überziehen. Hierbei mußte auch die Erhöhung der Sonderzuwendungen auf ein halbes Dezembergehalt berücksichtigt werden. Bei Erstellung des Entwurfs war hierfür der Unterschied zu einem Drittelgehalt zugrunde zu legen. Aber ich glaube insoweit allerdings, daß noch eine gewisse Dispositionsmöglichkeit für dieses Hohe Haus und insbesondere für den Innenausschuß bestehen wird.
Zweitens. Die Grundgehälter werden in dem vorliegenden Entwurf um unterschiedliche Prozentsätze angehoben. Das ist notwendig, wenn, dem Ziel der neuen Regelung entsprechend, im Laufe der Vergangenheit entstandene Ungereimtheiten einigermaßen bereinigt und die Abstände von Besoldungsgruppe zu Besoldungsgruppe wieder mit den Anforderungen in den einzelnen Ämtern in Einklang gebracht werden sollen. Es ist die Auffassung vertreten worden, dies sei bei gleichzeitig anzustrebender Anpassung der Gehälter an die allgemeine Einkommensentwicklung nicht akzeptabel. Einmal muß hierzu hervorgehoben werden, daß eine Neuordnung schon ihrer Zielsetzung nach keine Garantie für eine gleichmäßige prozentuale Anhebung der Gehälter geben kann. Zum anderen ist aber gleichwohl in dem Entwurf dafür Sorge getragen, daß durch die verschiedenartigen strukturellen Maßnahmen im Ergebnis ein verhältnismäßig gleichmäßiger Gehaltszuwachs eintritt. Dies wird vor allem zugunsten der Empfänger kleinerer Einkommen und kinderreicher Familien durch gezielte Veränderungen der Ortszuschlagstabelle erreicht, ferner durch Einführung von Amtszulagen in zahlreichen Zweigen des einfachen Dienstes.
Drittens. Der Entwurf bezieht in die rahmenrechtlichen Bindungen der Ämterbewertung insbesondere auch den Polizeivollzugsdienst, die Lehrerbesoldung sowie die Richterbesoldung ein. Das wird von den betroffenen Kreisen in -zum Teil heftiger Weise beklagt und kritisiert. Ich bedaure das ganz besonders, weil der Bundesregierung naturgemäß nichts ferner liegt, als irgendeine Gruppe ungerechtfertigt zu benachteiligen. Es stellt sich uns jedoch die Frage, wie wir es verantworten könnten, überhaupt einer der Gruppen ihren Standort im Besoldungsgefüge zuzuweisen, wenn wir andere hiervon ausnehmen würden.
Sachlich möchte ich zu den verschiedenen angesprochenen Bereichen klärend hinzufügen: Im Polizeivollzugsdienst wird die Einstufung des Polizeihauptwachtmeisters in die Besoldungsgruppe A 6 fixiert, was der derzeitigen Besoldungslage in den Ländern entspricht und einen nach den Besonderheiten dieses Dienstes gerechtfertigten Vorsprung vor dem sonstigen mittleren Dienst anerkennt; die über-



Parlamentarischer Staatssekretär Leicht
dies günstigeren Beförderungsmöglichkeiten bleiben unangetastet, was ich in Grenzen auch vor dem Verwaltungsdienst vertreten zu können glaube.
Zur Lehrerbesoldung: Die Einstufung der Lehrer an den Volksschulen, Realschulen und Gymnasien entsprechend dem derzeitigen Stand ist nach meiner Ansicht unausweichlich. Bildungs- und Schulpolitik können nicht in erster Linie über die Besoldung betrieben werden, und sie werden es auch nicht. Die im Gang befindlichen Planungen in diesem Bereich zeigen im übrigen auch, daß die besoldungsrechtliche Einstufung in keiner Weise die zukünftige Entwicklung beeinträchtigt. Ich stehe auch nicht an, klarzustellen, daß im Falle einer Änderung der Anforderungen an die Lehrer die derzeitige Einstufung überprüfbar ist, allerdings auch nur dann, wenn sich die Anforderungen wirklich sachlich verändern und etwaige besoldungsrechtliche Veränderungen in diesem Bereich keine Ausstrahlungen auf andere Beamtengruppen zur Folge haben.
Zur Richterbesoldung: Die Ländervertretung hat dem nachhaltigen Verbesserungsvorschlag der Bundesregierung im ersten Durchgang zugestimmt, nachdem der Innenausschuß des Bundesrates jeglicher Strukturanhebung überhaupt widersprochen, der Rechtsausschuß im Gegensatz hierzu für die volle Durchstufung eingetreten war. Danach sollte auch von den Beteiligten selbst anerkannt werden, daß hier die bestmögliche Lösung gefunden worden ist.
Lassen Sie mich nun noch auf eine in der Öffentlichkeit entfachte Diskussion eingehen, die wegen der Wirkungen der Besoldungsvorlage auf die Amtsgehälter der Mitglieder der Bundesregierung und die Diäten der Abgeordneten dieses Hohen Hauses entstanden ist. Der Ihnen vorliegende Entwurf enthält auch eine strukturelle Verbesserung der in der Besoldungsordnung B geregelten Gehälter. Unter anderem ist vorgesehen, daß den Staatssekretären, die nach Besoldungsgruppe B 11 eingestuft sind, eine Amtszulage von nicht ganz 500 DM gewährt wird. Die Bundesregierung glaubte, Ihnen diesen Vorschlag machen zu sollen, weil nur dann dem Vorangehen der Länder entsprochen werden kann und die Relationen zwischen den Ämtern der Staatssekretäre des Bundes und anderen Spitzenämtern beim Bund und in den Ländern wiederhergestellt werden können. Hätte sie ihn nicht gemacht, wäre auch dieses Gesetz wieder Stückwerk geblieben, wären Spannungen und Ungerechtigkeiten im Besoldungsgefüge beibehalten worden. Denn die Besoldungsgruppe B kann man nicht isoliert betrachten; man muß sie im Zusammenhang mit dem gesamten Besoldungsgefüge in Bund und Ländern sehen.
Die an die Erhöhung des Gehalts der Staatssekretäre anknüpfende Verbesserung der Amtsgehälter nach dem Bundesministergesetz und die Erhöhung der Diäten für die Abgeordneten dieses Hohen Hauses sind nach der derzeit geltenden, von diesem Hohen Hause selbst beschlossenen gesetzlichen Regelung die gleichsam automatische Folge. Der Bundesregierung war das bei der Beratung des Gesetzentwurfs im Kabinett bewußt. In der Vorlage meines Hauses, die ihr zur Beschlußfassung vorlag, waren die verschiedenen Aspekte der vorgesehenen Regelung eingehend erläutert und erörtert.
Das Kabinett hat sich nach Prüfung der dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte nicht dazu entschließen können, Ihnen ein Abgehen von der automatischen Koppelung der Diäten und Ministergehälter an die Beamtenbesoldung, wie sie jetzt geltendes Recht ist, vorzuschlagen. Es hätte sonst einer Verschiebung der Relationen zwischen der Besoldung der hohen Bundesbeamten und den Diäten der Abgeordneten des Bundestages das Wort reden müssen. Das konnte, so meine ich, nicht seine Aufgabe sein; hierüber zu befinden, sind die Mitglieder dieses Hauses selbst berufen.
Die Frage der Diäten und Ministergehälter wird bei der Beratung dieses Entwurfs sicher eine wichtige Rolle spielen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß sie bei einer Gesamtbetrachtung des Gesetzes nur von sekundärer Bedeutung sein kann. Viel wichtiger ist das eigentliche Anliegen des Entwurfs. Er zielt auf eine ausgewogene Neuregelung ab, bei der einer sozial gerechten und familiengerechten Lösung besondere Beachtung geschenkt worden ist. Dies zeigen die zahlreichen gezielten Maßnahmen der Vorlage; ich nenne nur die Verbesserungen des Ortszuschlages und die Einführung von Amtszulagen im einfachen Dienst.
Abschließend bitte ich Sie, bei Ihren Beratungen die wesentlichen Verbesserungsvorschläge zugunsten zahlreicher Bereiche — z. B. auch im Versorgungsrecht — zu würdigen. Die Bundesregierung würde eine zügige Beratung und Verabschiedung dieses wichtigen Gesetzes besonders und dankbar begrüßen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521033100
Der Gesetzentwurf ist begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0521033200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU sieht in dem vorliegenden Entwurf eine der gewichtigsten Vorlagen dieser Periode für den beamten- und besoldungspolitischen Bereich. Der Entwurf stellt den Abschluß der in dieser Legislaturperiode ergriffenen Harmonisierungsmaßnahmen und nach unserer Meinung zugleich das Grundgesetz der von Regierung und Parlament über Jahre hinweg betriebenen Besoldungsreform dar. Das selbstverständliche Ziel, den Beamten den gebührenden Anteil an der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung zu geben, ist gekoppelt mit dem Ziel der Wiederherstellung der inneren Besoldungsgerechtigkeit.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat am Ende des letzten Jahres eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes beschlossen, mit der die Befugnis des Bundes, Rahmenrecht zu setzen, auch auf die Festlegung der Endgrundgehälter und Ortszuschlagssätze ausgedehnt wird. Der Entwurf baut auf dieser veränderten Rechtslage auf. Die neue Grundgehaltstabelle soll über das Rahmenrecht auch für die Länder- und Kommunalbeamten Verbindlichkeit erlan-



Wagner
gen. Dies ist es, was dieser Gesetzgebung über den Bereich der Bundesbeamten hinaus Bedeutung und Gewicht verleiht.
Wir treten nach wie vor dafür ein, daß den Beamten mit gleicher Aufgabenstellung gleiche Ämter zugewiesen werden, daß die dafür bezahlten Gehälter gleich sind und unter vergleichbaren Umständen die Aufstiegschancen gleich sind, egal, auf welcher Basis staatlichen oder kommunalen Wirkens der Beamte seine Pflicht tut.
Der Modernisierungseffekt dieses Gesetzes erschließt sich bei einer Zusammenschau der Grundgehaltstabelle mit den Neuerungen beim Ortszuschlagssystem. Die in den einzelnen Laufbahnen erreichte Beförderung, die die Leistung und Verantwortung des Beamten honoriert — im Unterschied zur Bewährungsbeförderung ins erste Aufstiegsamt —, soll nicht nur einen neuen Titel, sondern auch eine entsprechende finanzielle Besserstellung bringen und damit der verstärkten Verantwortung Rechnung tragen. Das Ausmaß der Grundgehaltserhöhungen beträgt, je nach Besoldungsgruppe, zwischen 3 und 10%. Am erheblichsten wird sich die Erhöhung in den Gruppen A 4, A 5, A 8, A 9 und A 13 niederschlagen. Die der B-Besoldung zugeordneten leitenden Beamten erfahren eine ähnliche, dem Ausmaß ihrer Verantwortung entsprechende Besserstellung.
Meine Damen und Herren, man darf nicht verschweigen, daß das ursprünglich bei der Neugestaltung des Ortszuschlagssystems anvisierte Ziel, den nicht familienstandsbezogenen Teil des Ortszuschlages ins Grundgehalt einzubauen und den familienstandsbezogenen Restteil für alle Beamten in gleicher Höhe als Hausstandszuschlag auszuweisen, aus finanziellen Gründen nicht voll erreicht wird. Wir begrüßen, daß die im Entwurf geschaffene Zwischenlösung die Zielrichtung auf den seinerzeit von Innenminister Höcherl konzipierten Familienstandszuschlag eindeutig und wohl auch unverrückbar festlegt. Eben weil die große Zahl der Beamten mit niederen Einkommen im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst bevorzugt bedacht wird, verdient diese Neuregelung das Prädikat sozial. Weil wieder erreicht wird, daß der Besoldungsgewinn bei steigendem Familienstand nicht relativ abnimmt, verdient sie das Prädikat familienfreundlich.
Die wichtigsten strukturellen Änderungen innerhalb des Besoldungsgefüges ergeben sich für die Gruppen der Unterführer der Bundeswehr, für die Richter und die Philologen. Durch besoldungspolitische Maßnahmen werden sowohl die bisher erbrachten Leistungen der Unteroffiziere beim Aufbau der Bundeswehr gewürdigt als auch die Bedeutung der Unteroffiziere für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr unterstrichen. — Die Aufstockung der Richtergehälter in A 14 und A 15 trägt der verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich anzuerkennenden Sonderstellung der Richter Rechnung, wenn dabei auch die Tatsache nicht aus den Augen verloren wird, daß Richter und Verwaltungsbeamte des höheren Dienstes die gleiche Vor- und Ausbildung haben. Bei den Philologen wäre nach meiner persönlichen Meinung die Ausbringung einer vierstufigen Laufbahn wünschenswert, um die Aufstiegsmöglichkeiten der Lehrer des höheren Dienstes zu verbessern.
Ich bin sicher, meine Damen und Herren, daß die Probleme der Polizeibeamten, die Technikerbesoldung und die Frage der Bindung der Lehrergehälter bei den Beratungen in den Ausschüssen einen besonderen Raum einnehmen werden.
Wir bejahen, daß alte Forderungen der Versorgungsempfänger erfüllt werden. Die individuelle Überleitung aller Versorgungsempfänger in die Besoldungsordnung des Bundesbesoldungsgesetzes steht bevor. Der für die strukturelle Überleitung maßgebliche Stichtag 1958 wird aufgehoben und auf Ende 1969 verlegt. Wir werden, so meine ich, in diesem Zusammenhang erneut sorgfältig die Sätze der Mindestversorgung überprüfen müssen.
Es würde sicher den Rahmen der ersten Lesung sprengen, tiefer in die teilweise äußerst komplizierten Einzelheiten dieses Entwurfs einzusteigen und darzulegen, an welchen Punkten die CDU/CSU- Fraktion noch Korrekturen wünscht und mit welchen Vorschlägen sie in besonderem Maße einig geht. Insgesamt stimmt die Fraktion der CDU/CSU mit der aufgezeigten Leitlinie des Entwurfs überein und hat Anlaß, dem Herrn Bundesinnenminister und dem Herrn Bundesfinanzminister den schuldigen Dank für die Vorlage auszusprechen.
Der Entwurf stellt im Rahmen des finanziell Möglichen eine vertretbare Lösung der anstehenden Probleme der Beamtenbesoldung dar. Der durchschnittliche jährliche Besoldungsgewinn beträgt, wenn man die geplante Aufstockung der Sonderzuwendungen auf 50 % mit einbezieht, über 5 %. Kritik wird vermutlich trotzdem nicht ausbleiben, weil strukturelle Umschichtungen eben sehr viel schwerer plausibel zu machen sind als lineare Erhöhungen. Die Fraktion wird sich aber dagegen wehren, die notwendigen und fälligen strukturellen Maßnahmen zugunsten einer alleinigen linearen Anhebung zu verschieben, weil dadurch zugleich Reformwille und Reformverwirklichungsmöglichkeit dieses Parlaments in Zweifel gestellt würden.
Meine Damen und Herren, die Öffentlichkeit möge uns auch glauben, daß dieses Parlament auf keinen Fall eine Reform zum eigenen Nutzen machen wird. Die Koppelung der Ministergehälter und Abgeordnetendiäten, die von Herrn Staatssekretär Köppler ausführlich dargestellt wurde, mit den Staatssekretärsbezügen und die Tatsache, daß der Entwurf eine Amtszulage für Staatssekretäre in Höhe von 495 DM ausweist, haben die Vermutung aufkommen lassen, daß dahinter eine 12%ige Diätenerhöhung versteckt werden sollte. Ich kann guten Gewissens sagen, daß von uns aus diese Absicht nie bestand und nicht besteht. Wir werden verhindern, daß die Abgeordnetendiäten als Resultat der Ausbringung einer Amtszulage für Staatssekretäre steigen.
Davon abgesehen wird die Tatsache, daß gerade das höchste Beamtenamt, das der Bund zu vergeben hat, mit einer umstrittenen Zulage ausgeschmückt



Wagner
werden soll, sehr ernsthaft überdacht werden müssen. Ich meine, daß diese Regelung einer der Tendenzen dieses Gesetzes widerspricht, nämlich das Zulagewesen so stark wie möglich einzuschränken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden uns für eine zügige Beratung in den Ausschüssen und für eine rechtzeitige Verabschiedung hier in diesem Hause einsetzen. Ich hoffe, daß es bei diesen Beratungen gelingt, Lösungen zu finden, die den öffentlichen Dienst auch in Zukunft attraktiv erhalten, d. h. die es jungen Menschen möglich machen, ihr Berufsziel im öffentlichen Dienst zu suchen. Ich glaube, daß dies im Interesse unseres Staates und seiner Bürger liegt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521033300
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0521033400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst meinem ausdrücklichen Bedauern Ausdruck geben, daß es dem Herrn Innenminister nicht gelungen ist, sich für den Termin der ersten Beratung dieses wichtigen Gesetzes freizumachen. Er hat nun schon mehrfach das Pech gehabt, hier nicht anwesend sein zu können. Herr Staatssekretär, ich kann nur sagen, Ihre noble Art versöhnt selbst hei berechtigter Kritik. Ich danke Ihnen für die Einbringung.
Zwei weitere Bemerkungen im voraus. Zunächst haben die Kollegen des Verteidigungsausschusses und des Rechtsausschusses gebeten, sich gutachtlich äußern zu können. Ich darf den Kollegen sagen, daß wir das Votum der beiden Ausschüsse selbstverständlich entgegennehmen werden.
Eine weitere Bemerkung. Herr Staatssekretär, Sie dürfen sicher sein, daß der Innenausschuß zügig beraten wird. Wir werden uns sogar in einer sitzungsfreien Woche nach Bonn begeben, um den Gesetzentwurf so schnell wie möglich abschließend beraten zu können. Bei dieser Gelegenheit, Herr Kollege Mertes, möchte ich auch der Opposition dafür danken, daß sie durch ihr Einverständnis mit dazu beigetragen hat, diese Terminplanung durchzuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Gesetz selbst wird ein Kollege Spillecke noch einiges sagen. Heute abend spielt eine Frage eine große Rolle, die zu einer breiten öffentlichen Diskussion geführt hat. Der Bund der Steuerzahler, der sich ja in dieser Frage als eine Art kapitolinischer Gänse der öffentlichen Meinung gefühlt hat, hat also rechtzeitig geschnattert, obwohl nach meiner Meinung zu früh, ohne den Sachverhalt,

(Abg. Brück [Holz] : Wir hatten schon darüber gesprochen, daß es nicht so war!)

ohne die Meinung der Fraktionen zu kennen. Ich kann hier nur sagen, meine Damen und Herren, es gibt hier keine raffinierte Art, um über drei Ecken Diäten und Ministergehälter zu erhöhen. Das war niemandes Absicht. Wir haben hier auch gar nicht irgendeine Absicht gehabt, die dann zurückgenommen werden mußte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Darüber besteht gar kein Zweifel. Wir werden uns natürlich im einzelnen die Verbesserungen ansehen und uns damit beschäftigen.
Das Ganze hat uns aber wieder auf ein Grundproblem geführt, und dieses Grundproblem muß hier doch einmal angesprochen werden. Der eigentliche Fehler im System ist der, daß der Staatssekretär Eckmann für die Verfassungsorgane ist, um das einmal so deutlich zu sagen. Die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag, Bundesverfassungsgericht usw. — sind eben Organe sui generis, und was sie tun, steht natürlich auch — zu Recht oder zu Unrecht — unter einer besonders starken öffentlichen Kritik und auch unter dem besonderen Eindruck der öffentlichen Meinung. Deshalb müssen wir jetzt doch einmal ernsthaft darangehen — wir hatten schon einmal einen Anlauf genommen —, zu überlegen, wie der Standort dieser Verfassungsorgane so fixiert werden kann, daß erneute Mißdeutungen überhaupt nicht möglich sind, wenn im Rahmen des Besoldungsgefüges Änderungen vorgenommen werden.
Das gilt beispielsweise auch für die Mitglieder der Bundesregierung. Im Grunde ist das heutige Bundesministergesetz nichts anderes als eine Fortentwicklung der Regelung aus der Bismarckzeit, in der der Staatssekretär der oberste Beamte war. Deshalb nehmen auch Beamte eine so bevorzugte Stellung ein, während alle anderen, die hier Minister werden, entsprechend benachteiligt werden. Wir haben dies schon bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfs für ein Änderungsgesetz zum Bundesministergesetz in diesem Hohen Hause gesagt. Wir müssen versuchen, einen Weg zu finden, wie wir aus dieser Klammerung herauskommen, die ganz offensichtlich zu Schwierigkeiten führt.
Ich habe noch einen letzten sachlichen Wunsch hier anzumerken, Herr Staatssekretär. Der Wirtschaftsbericht bringt sehr differenzierte, ausgezeichnete Zahlen über die Lohn- und Gehaltsentwicklung in der Privatwirtschaft. Seit Jahren bemühen wir uns, daß im öffentlichen Dienst entsprechende Kriterien erarbeitet werden. Wir meinen, daß das Statistische Bundesamt dazu in der Lage wäre und daß die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Es wäre gut, wenn im nächsten Jahr noch mehr exakte Zahlen vorliegen würden, um die Urteilsbildung auch der öffentlichen Meinung zu verbessern. Dadurch könnte auch das Zahlenbild von Kommunen, Ländern und Bund hier deutlicher werden. Gerade die beiden großen Betriebsverwaltungen klagen im Hinblick auf die zurückliegenden Jahre doch sehr stark, und es ist das Gefühl entstanden, daß dort die Gesamtentwicklung nicht genügend berücksichtigt worden sei.
Die deutsche Öffentlichkeit kann beruhigt sein. Es war nichts vorgesehen, was über drei Ecken auch nur den Anschein einer Diätenerhöhung oder einer Erhöhung der Ministergehälter haben könnte, wie das in den letzten Tagen in der öffentlichen Diskussion behauptet wurde. Wir werden uns bei unseren Bemühungen daran halten, wohin die allgemeine Entwicklung der Beamtengehälter im öf-



Schmitt-Vockenhausen
fentlichen Dienst hinzeigt. Das werden wir im Ausschuß zu beraten haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521033500
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0521033600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, wenn der Kollege Schmitt-Vockenhausen hier kritisiert, daß heute abend wieder kein Minister auf der Regierungsbank sitzt. In diesem Falle ist uns vorher mitgeteilt worden, warum er nicht hier sein kann. Wir haben heute den ganzen Tag auch bei wichtigen anderen Gesetzesvorlagen das außergewöhnliche Vergnügen gehabt, für wenige Stunden, solange die Sprecher der Regierungsparteien hier zum Thema sprachen, einen der vielen Minister zu sehen. Als der Sprecher der Opposition sprach, verschwand auch der. Wir haben uns also damit auseinanderzusetzen gehabt, daß bei den auch von Ihnen als so besonders wichtig herausgestellten Beratungen über diese Gesetze das Parlament unter sich war und daß die Kabinettsmitglieder es nicht für nötig hielten, nach hier zu kommen. Deswegen meine ich, daß wir heute abend diese Frage gar nicht mehr zu diskutieren brauchten; denn den ganzen Tag über ist das nicht anders gewesen.
Der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat gesagt, die Öffentlichkeit könne beruhigt sein; es sei nicht vorgesehen gewesen, über mehrere Ecken hinweg die Ministergehälter oder die Abgeordnetenbezüge, die Diäten, zu erhöhen. Ich glaube, ganz so war es ja wohl nicht. Denn wenn die Bundesregierung das in ihrem Regierungsentwurf nicht vorgeschlagen hätte, wäre darüber mit Sicherheit keine Diskussion in der Öffentlichkeit entstanden.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Hier in diesem Hause! — Abg. Dr. Even: Die Fraktionen des Hauses!)

— Darauf komme ich jetzt, Herr Kollege Even. Ich kann die Dinge nur hintereinander vortragen. Daß in diesem Hause die Fraktionen ein solches Ansinnen nicht gestellt haben, ist eindeutig klar. Aber daß die Bundesregierung diesen Vorschlag im Rahmen der Vorlage eines Gesetzes unterbeitet hat, ist genausowenig wegzudiskutieren. Ich meine, hier zeigt sich einmal, daß die Dinge, um die wir in der Diskussion auch nicht herumkommen, ganz offen ausgesprochen werden müssen.
Dieses Gesetz hat also einen Wirbel in der Öffentlichkeit erzeugt, bevor es dem Parlament heute zur ersten Beratung vorgelegt wurde. Man sprach von schleichender Diätenerhöhung und anderen Dingen mehr. Ich meine, es war gut, daß die Fraktionen — —

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Die Herren hätten aber auch einmal bei uns fragen können, bevor sie es draußen gesagt haben; denn wir müssen es ja beschließen, hätten es beschließen müssen!)

— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, gerade dieses Thema behandle ich ja.

(Abg. Moersch: Es ist gut, daß Sie Kontakt zu Ihrem Minister haben!)

— Aber wir wollen nicht unterstellen, Herr Kollege Moersch, daß die Koalitionsfraktionen die Regierungsvorlage vorher gekannt haben; denn sonst hätten sie mit Sicherheit vorher genauso reagiert, wie sie nachher reagiert haben, als es in der Öffentlichkeit bekanntwurde. Ich glaube, in diesem Hause gibt es keinen Zweifel darüber, daß alle drei Fraktionen sofort, nachdem die Dinge bekannt wurden, erklärt haben, daß mit Sicherheit dieser Teil der Regierungsvorlage schon gestorben ist, bevor er zu ernsten Beratungen in das Haus gekommen ist. Das muß einmal — insofern stimme ich also den Kollegen Wagner und Schmitt-Vockenhausen zu — in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Diese Diskussion wirft, nachdem die Regierung so verfahren ist, zwei Fragen auf. Die erste Frage ist, ob es richtig war und ist, daß die Koppelung der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten mit den Beamtengehältern so entschieden worden ist. Diese Entscheidung ist damals in diesem Hause mit einer breiten Mehrheit getroffen worden. Aber das schließt nicht aus, daß hier nunmehr neue Überlegungen angestellt werden sollen.
Wir Freien Demokraten haben dem Parlament eine Alternativlösung vorgeschlagen, um dieses Problem in eine völlig andere Richtung zu bringen. Wir haben dem Deutschen Bundestag vorgeschlagen, einen Senat für Parlamentsfragen einzurichten. Dieser Senat sollte nach unseren Vorstellungen aus neun unabhängigen Mitgliedern bestehen. Ihm dürfen keine früheren oder augenblicklichen Mitglieder des Deutschen Bundestages angehören, sondern es sollten Mitglieder sein, die völlig unabhängig sind und vom Bundespräsidenten berufen werden. Sie sollten zu Beginn einer jeden Legislaturperiode ein Gutachten über die Angemessenheit der Entschädigung der Mitglieder des Deutschen Bundestages zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit sowie über die erforderliche Ausstattung mit Hilfskräften und technischen Hilfsmitteln zur Ausübung des Mandats erstellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn eine solche Entscheidung in diesem Hause getroffen würde und sich das Parlament dazu durchringen könnte so zu verfahren, würde mit Sicherheit eine erhebliche Versachlichung der Diskussionen um die Bezüge der Abgeordneten ermöglicht werden. Dadurch würde auch das Parlament unabhängiger nach außen in der Frage einer gerechten Beurteilung der Beamtenbesoldung, wenn im Zusammenhang mit der Diskussion dieser Frage nicht immer wieder die Frage gestellt wird: Wieviel bekommt ihr denn, wenn ihr hier nun zustimmt? Das muß man in aller Deutlichkeit sehen. Ich würde den Koalitionsfraktionen empfehlen, doch zu versuchen, mit uns gemeinsam die Frage des Senats für Parlamentsfragen nunmehr hier zu entscheiden.
Das zweite Problem, das mit dieser Regierungsvorlage aufgetaucht ist, ist der Vorschlag einer



Dorn
Amtsvorlage an Staatssekretäre in Höhe von monatlich 495 DM. Wir meinen, dafür gibt es keine sachliche Begründung. Meine Damen und Herren, im Hintergrund steht doch ein ganz anderes Problem, das von der Bundesregierung — oder muß ich in diesem Fall sagen: von der Ministerialbürokratie? — gelöst werden soll, nämlich das Problem des Verhältnisses der Staatssekretäre zum Generalinspekteur der Bundeswehr. Unseren Antrag auf Gleichstellung des Generalinspekteurs der Bundeswehr mit einem Staatssekretär kann man nicht durch Besoldungstricks abwehren. Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, daß unser Antrag falsch ist, dann sollte sie den Mut haben, das auch zu sagen und zu erklären, daß sie eine solche Gleichstellung in der Sache nicht will. Aber man sollte nicht durch einen Trick versuchen, den Geralinspekteur in die gleiche Gruppe zu bringen, ihn aber von der Amtszulage der Staatssekretäre auszuschließen. Damit würde man eine neue Besoldungssituation schaffen, die uns allen nicht einleuchten kann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0521033700
1. die Diätenerhöhung, die hierdurch bedingt wird, fällt aus, 2. die Erhöhung der Ministergehälter findet nicht statt. Beide Konsequenzen werden von uns vorgeschlagen. Wir halten auch diesen Teil der Vorlage der Bundesregierung für ausgesprochen schlecht, Herr Staatssekretär. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Denn Sie selbst haben wohl ein nicht besonders überzeugendes Gefühl der Argumentation gehabt, als Sie an dieser Stelle standen und zugaben, daß darüber noch viel diskutiert werden muß.
Allerdings ist uns bei der Entscheidung der Bundesregierung eines völlig unverständlich. Der Vertreter der Bundesregierung erklärte nämlich im Ältestenrat: „Das Kabinett war sich über diese Auswirkungen bei der Zustimmung nicht im klaren." Ich wäre also dem Herrn Bundesinnenminister dankbar, wenn er bei zukünftigen Vorlagen, die das Parlament oder die Minister oder die Staatssekretäre betreffen, das Kabinett so ausführlich auch über die Hintergründe informierte, daß der Vertreter der Bundesregierung, nachdem er das aus der Öffentlichkeit erfahren hat, im Ältestenrat dann nicht eine solche Erklärung abgeben muß.
Weitere Fragen, die von den Freien Demokraten bereits in der ersten Lesung angesprochen werden müssen, betreffen nur wenige Dinge; denn wir wollen die Vorlage in der Ausschußberatung ausführlich und zügig behandeln. Wir bedauern, Herr Staatssekretär, daß entscheidende Regelungen, die wir zuletzt im Sommer des vergangenen Jahres angesprochen haben, auch jetzt wieder nicht befriedigend in diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung getroffen werden. Daher sind wir gezwungen, die im vergangenen Jahre von unserer Fraktion gestellten Anträge bei den Sachberatungen im Ausschuß und, wenn sie nicht berücksichtigt werden sollten, hier bei der zweiten und dritten Lesung zu wiederholen. Es geht uns dabei insbesondere um die Verbesserung der Besoldung der Richter, der Philologen und der Unteroffiziere.
Lassen Sie mich zum Problem der Unteroffiziere ein sehr kritisches Wort sagen. Wir haben uns im Dezember des vergangenen Jahres ausführlich auch über diese Frage hier noch einmal unterhalten. Das, was der Verteidigungsminister zu diesem Problem in der Öffentlichkeit und im Parlament bisher vorgetragen hat, war wirklich eindeutig und lag genau auf der Linie, die wir Freien Demokraten in der Vergangenheit immer vertreten haben. Wir verstehen einfach nicht, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, diese wichtige Angelegenheit endlich zu regeln, obwohl die Bundesregierung ständig in der Öffentlichkeit beklagt, daß ihr mehr als 30 000 Unteroffiziere fehlen. Sie gibt als Begründung in der Öffentlichkeit ständig an, daß die Besoldungsanreize für die Laufbahn miserabel seien.

(Beifall bei der FDP.)

Entweder ist das Argument in der Sache richtig, dann muß die Bundesregierung, wenn sie den Mißstand erkannt hat, auch die Konsequenzen daraus ziehen, oder das Argument wird als Scheinargument ständig in der Öffentlichkeit vertreten, und man ist an der Lösung dieses Problems gar nicht interessiert. Dann muß man das auch offen sagen und darf nicht ständig darum herumdrehen. Das, was mit diesem Teil des Gesetzentwurfs praktiziert wird, macht die Argumente der Bundesregierung in der Öffentlichkeit mit Sicherheit nicht glaubwürdiger.
Ein anderes Problem ist die Frage der Technikerzulage. Ein langjähriger Kampf, der in diesem Hause von Kollegen aller Fraktionen geführt worden ist, hat zu Teilerfolgen geführt. Ich hoffe, daß wir mit einem Erfolg zu diesem Thema am Ende der dritten Lesung das Problem endgültig ad acta legen können.
Wir wissen, daß in der Lehrerschaft und bei der Polizei große Unruhe besteht. Wir wollen hier auch deutlich sagen, daß mit der Regelung der gesetzlichen Notwendigkeiten zu diesem Thema jeder Nivellierung entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden muß. Wir glauben, daß in der Ausschußberatung die Frage der Lehrerbesoldung und der Besoldung der Polizeibeamten noch einen breiten Raum einnehmen wird.
Ein besonderes Problem ist es — hier ist nach unserer Meinung keine gute Lösung gefunden worden — die Bezüge der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen so zu regeln wie es eigentlich von diesen Gruppen, nachdem sie ihr Leben im öffentlichen Dienst verbracht haben, beansprucht werden kann. Hier muß ohne Zweifel mehr geschehen, als bisher geschehen ist.
Wir begrüßen es — das betone ich für die Opposition ausdrücklich —, daß nicht nur eine lineare Erhöhung, sondern auch strukturelle Verbesserungen in diesem Regierungsentwurf vorgesehen sind, wobei die Frage zu stellen ist, ob in Zukunft lineare Erhöhungen allein überhaupt noch vertretbar sein werden. Aber das ist ein schwieriges und sehr kompliziertes Problem, ich will das Hohe Haus heute abend mit ihm nicht noch lange aufhalten. Wir müssen allerdings sagen, Herr Staatssekretär, daß uns nicht alle strukturellen Verbesserungen, die im Ge-



Dorn
setzentwurf enthalten sind, als unbedingt notwendig erscheinen.
In den vergangenen Jahren ist für die Gruppen des einfachen und mittleren Dienstes — Gott sei Dank — im Verhältnis mehr getan worden als für die Gruppe des höheren Dienstes; wir haben dort also erhebliche Verbesserungen in ungleichem Verhältnis zum höheren Dienst durchgeführt. Insofern sehen wir ein, daß im höheren Dienst diesmal ein Nachholbedarf erledigt werden muß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Anläßlich des 50jährigen Bestehens des Deutschen Beamtenbundes sind eine Reihe von Reden gehalten worden, die auch mit diesem Thema zu tun haben. Dabei wurde ein Satz bestätigt, der einmal von meinem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Mischnick vor nicht allzu langer Zeit in der Öffentlichkeit vorgetragen wurde, nämlich: Die Beamtenbesoldung muß Schritt halten mit der allgemeinen Einkommensentwicklung. Diese Auffassung ist weitgehend verbreitet, auch in anderen Fraktionen. Ich frage daher die Bundesregierung: Hält sie das, was sie in ihrem Entwurf vorschlägt, unter diesem Kriterium für ausreichend? Insbesondere, Herr Staatssekretär, bitte ich die Bundesregierung und ich bitte die Koalitionsfraktionen, bei den Beratungen noch einmal ernsthaft die Frage zu prüfen, ob der Termin des Inkrafttretens dieser Verbesserungen die letzte denkbare Verbesserungsmöglichkeit ist, ob es nicht sinnvoller ist, dieses Gesetz bereits am 1. April dieses Jahres in Kraft treten zu lassen.
Wir hoffen, daß die zweite und dritte Lesung bald möglich sein werden. Wir, die Opposition, haben bei der Terminabstimmung im Innenausschuß, wie der Kollege Schmitt-Vockenhausen schon vorgetragen hat, unsere Zustimmung dazu gegeben, daß das Thema in einer sitzungsfrein Woche beraten wird.
Es wäre an dieser Stelle für mich sehr reizvoll, auf das Verhältnis des Staates zum Beamten und des Beamten zum Staat einzugehen — ich will mir das für die zweite Lesung des Haushaltsplans des Innenministers aufsparen —; denn zu diesem Thema ließe sich gerade in einem solchen Zusammenhang sehr viel sagen. Wer auch in der Beamtenschaft viele Diskussionen der letzten Monate aufmerksam verfolgt hat, weiß, daß das ein Thema ist, das in den nächsten Jahren nicht so schnell von der Tagesordnung verschwinden wird.
Herr Präsident, wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf auch an den Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden sollte. Was der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen vorgetragen hat, daß nämlich der Rechtsausschuß angehört werden sollte, ist nach unserer Meinung allein nicht ausreichend. Ich darf daher zum Schluß noch diesen Antrag für meine Fraktion stellen. Im übrigen hoffen wir, daß bald eine gute Entscheidung getroffen werden kann.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521033800
Das Wort hat der Abgeordnete Spillecke.

Hermann Spillecke (SPD):
Rede ID: ID0521033900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundlagen für die Reform des Besoldungsrechts sind in diesem Hohen Hause im April 1966 eingehend erörtert worden. Mein Fraktionskollege Schmitt-Vockenhausen hat sich damals gesorgt, ob die vorhandenen finanziellen Mittel es auch möglich machen, die Reform durchzuführen, die tatsächlich notwendig ist.
Die Reform ist nicht so vorangekommen, wie wir es erhofft hatten, und die jetzt vorliegende Zusammenfassung der zweiten und dritten Harmonisierungsstufe in einem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz läßt noch viele Probleme, vor allem in der Frage des Ortszuschlages und der Zulagen, offen. Trotz allem wollen wir uns, wie auch die Sprecher der anderen Fraktionen im Hause dargelegt haben, im Innenausschuß eine zügige Beratung vornehmen und diesen Entwurf mit allem, was er noch an Schwierigkeiten und Beratungsproblemen aufweist, bald über die Bühne bringen.
Ich möchte bei meinen Ausführungen auf folgende drei Punkte besonders hinweisen.
Erstens. Der Entwurf darf nicht zu Verschlechterungen in der Beamtenbesoldung führen. Die Bundesregierung und auch der Bundestag haben durch die Sprecher der Fraktionen in der Öffentlichkeit ganz bestimmte Zusagen gemacht. So sind in der mittelfristigen Finanzplanung Besoldungsverbesserungen für den öffentlichen Dienst von 5 % für 1969 vorgesehen. Ich will hier im Detail auf die unterschiedliche Anhebung in den einzelnen Gruppen nicht eingehen. Aber, meine Damen und Herren, ich persönlich bin der Auffassung, daß wir uns bei der Beratung des Gesetzentwurfs den unteren Laufbahngruppen noch einmal mit besonderer Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Änderungen in der Finanzmasse auf Grund der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst dürfen nicht dazu führen, daß sie sich einseitig auf die für die Beamten vorbehaltene Finanzmasse auswirken. Ich sage das mit Vorbedacht und darf unterstellen, daß die Kolleginnen und Kollegen des Innenausschusses und auch die Bundesregierung sehr wohl wissen, was damit gesagt sein soll.
Zweitens. Die im Entwurf vorgesehene Grundämtereinteilung soll auf Grund der vom Bundestag im Dezember 1968 verabschiedeten Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes für den Bund wie für Länder und Gemeinden gelten. Das darf aber nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion nicht dazu führen — und da schließe ich u. a. auch an die Ausführungen des Kollegen Dorn an —, daß für einzelne Berufsgruppen notwendige Sonderregelungen von vornherein ausgeschlossen sind. Dies gilt insbesondere für die Berufssoldaten im Verhältnis zu den Polizeibeamten. Weiterhin muß geprüft werden, ob und inwieweit Sonderbestimmungen für die Richter und Staatsanwälte getroffen werden müssen. Wegen der Lehrerbesoldung verweise ich auf die Ausführungen meines Fraktionskollegen Hermann Schmitt-Vockenhausen in diesem Hause am 11. Dezember 1968 anläßlich der Verabschiedung der Änderung zum Art. 75 des Grundgesetzes.



Spillecke
Drittens. Wir sind uns in diesem Hause sicherlich alle bewußt, daß es heute sehr schwierig ist, einzelne Aufgabenbereiche in die engen Bindungen des Beamtenrechts einzuordnen. Denken Sie bitte an die Fluglotsen oder die Einordnung innerhalb der BOrdnung. Herr Kollege Dorn, ich sage das so frei und offen: Wir werden uns die Besoldungsordnung B ganz besonders vor die Brust nehmen, wir werden auch untersuchen müssen, ob die Vorstellungen der Bundesregierung, wen sie in eine einzelne B-Gruppe zuordnet, unserer Auffassung entsprechen.
Verehrter Herr Staatssekretär, ich darf eine Anmerkung so ganz nebenbei machen. In diesem Entwurf steht z. B. bei der Besoldungsgruppe B 10 angegeben: Direktor des Bundestages. Ich kenne hier keinen Direktor des Bundestages, ich kenne nur einen beim Bundestag. Ich meine, wenn ein solcher Entwurf an das Hohe Haus gelangt, .sollte er auch auf solche Fehler untersucht werden. Wenn man weiß, wie umfangreich die personelle Ausstattung eines Ministeriums ist, darf das eigentlich nicht darin stehen.

(Abg. Dorn: Sehr gut! — Abg. Moersch: Seien Sie doch dankbar, daß Sie etwas zu kritisieren haben!)

Meine Damen und Herren, bei der B-Besoldung wäre es sicherlich besser, wenn man vom Bundestag nur ab und an eine Grundsatzentscheidung verlangen würde und nicht nachher das ins Detail Gehende entscheiden läßt. Um sich hier zu helfen, sieht der Entwurf häufig noch Zulagen vor, so unter anderem für den Verwaltungsgerichtsdirektor, den Oberstudiendirektor und viele andere. Wenn mich nicht alles täuscht, war es einmal die Absicht des zuständigen Fachausschusses und der großen Mehrzahl der Mitglieder dieses Hauses, vom Zulagenwesen — ich will nicht sagen: vom Zulagenunwesen — endlich einmal wegzukommen.
Wir wissen alle, daß diese Reform von uns in dem Umfang, wie wir sie verstanden wissen wollen, in dieser Legislaturperiode nicht mehr bewältigt werden kann. Einmal fehlt hierfür die notwendige Zeit zur Beratung, und ich mache auch gar kein Hehl daraus: da fehlt auch, verehrter Herr Staatssekretär, noch so manches an finanzieller Ausstattung. Im Grunde genommen sind wir doch hier — ich sage es einmal so ungeschützt — im Bundestag als Abgeordnete ganz arme Schweine. Wir müssen da draußen bei den Beamtenorganisationen schon vor Einbringung, bevor uns dieser Entwurf überhaupt zu Gesicht kommt, unseren Schädel hinhalten, und dann wird ein Entwurf konzipiert, streng nach der Beweglichkeit, die die mittelfristige Finanzplanung hergibt. Das ist dann alles in ein enges Korsett gespannt, und dann kommen wir bedauernswerte Abgeordnete des Innenausschusses dazu, etwas beraten zu müssen, von dem wir im vorhinein wissen, daß es ganz am Ende dennoch nur unzulänglich sein kann. Das ist eine ganz miese Situation für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich in diesem Ausschuß mit der sicherlich oft recht schwierigen Materie beschäftigen müssen.
Und ich meine: Dieses Reformwerk, wie es dem Bundestag einmal in seiner Gänze vorgeschwebt hat, wird auch im Hinblick auf den Fortfall des Ortsklassensystems in dieser Periode nicht beendet werden. Ob wir im Innenausschuß da in Relation zum Entwurf des Gesetzes noch zu einer Verbesserung kommen können? — Ich hoffe es, habe aber doch einige Zweifel, daß wir den Entwurf sehr zum Vorteil der Betroffenen werden ändern können.
Abschließend ist also zu sagen, daß der Entwurf des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes zumindest in einigen Punkten einer sehr eingehenden, sorgfältigen Prüfung und Beratung bedarf. Anträge werden ohne Zweifel von den Fraktionen schon bei der Ausschußberatung gestellt werden, und ich darf hier für meine Fraktion ankündigen, daß wir entsprechende Anträge stellen werden, um den Spielraum für Verbesserungen voll auszufüllen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle darin einig, daß wir schnell, zügig, trotzdem sehr sorgfältig beraten werden. Über den Zeitpunkt des Inkrafttretens werden wir hoffentlich noch zu einer gemeinsamen Vorstellung finden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521034000
Wird noch das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0521034100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dorn hat vorgeschlagen, diesen Entwurf auch an den Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Nach Durchsicht des Entwurfs komme ich zu der Auffassung, daß der Rechtsausschuß allenfalls mit einer einzigen Frage, nämlich mit der Richterbesoldung, beschäftigt werden könnte. Ohne dieser Frage ihr Gewicht nehmen zu wollen, bin ich doch der Auffassung, daß der Rechtsausschuß seine Auffassung dem Innenausschuß auch gutachtlich mitteilen kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, den Vorschlag des Kollegen Dorn abzulehnen, und bitte Sie, die Vorlage an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0521034200
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über die Frage ab, welcher Ausschuß federführend sein soll. Das ist nach allgemeiner Auffassung der Innenausschuß. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Dann besteht wohl Einmütigkeit darüber, daß die Vorlage gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden soll. — Kein Widerspruch.
Dann steht noch der Antrag zur Abstimmung, den Rechtsausschuß mitberatend zu beteiligen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Verwendung von Steinkohle in Kraftwerken und des Gesetzes zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes in der Elektrizitätswirtschaft
— Drucksache V/3549 —
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen —federführend —, an den Finanzausschuß zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden
— Drucksache V/3702 —
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform — federführend — und an den Ausschuß für Gesundheitswesen zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Die Punkte 13 und 14 der Tagesordnung sollen am Freitag behandelt werden.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dichgans, Majonica, Dr. Lenz (Bergstraße) und Genossen
betr. Wettbewerbsbeschränkungen im Handel zwischen Mitgliedstaaten der EWG
— Drucksache V/3591 —
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen (4. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dichgans, Majonica, von Eckardt, Dr. Lenz (Bergstraße) und Genossen betr. Förderung des Wiederaufbaus der Dresdener Oper
— Drucksachen V/1239, V/3679 —Berichterstatter: Abgeordneter Franke (Hannover)

Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses (20. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU
betr. Beseitigung von Autobahn-Engpässen
— Drucksachen V/2524 Teil VI, V/3635 —
Berichterstatter: Abgeordneter Maibaum
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Es geht darum, den Antrag für erledigt zu erklären. Erfolgt Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen (4. Ausschuß) über den Bericht des Bundesministers für Verkehr
betr. erweiterter Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet
— Drucksachen V/3194, V/3711 —
Berichterstatter: Abgeordneter Höhmann

(Hessisch Lichtenau), Abgeordneter Hösl

Ich danke den Berichterstattern für ihren Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung der ehemaligen Mackensen-Kaserne in Hamburg-Winterhude an die Freie und Hansestadt Hamburg
— Drucksachen V/3344, V/3703 —Berichterstatter: Abgeordneter Strohmayr
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rats
1. über den Verkehr mit Saatgut von Öl- und Faserpflanzen,



Vizepräsident Dr. Jaeger
2. über den Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten,
3. über den Verkehr mit Gemüsesaatgut,
4. zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut,
5. zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Betarübensaatgut,
6. zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln,
7. zur Änderung der Richtlinie des Rats vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut
— Drucksachen V/3127, V/3725 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ritgen
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Es geht nur darum, daß das Haus die Angelegenheit zur Kenntnis nimmt. Das geschieht hiermit.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 23. Januar, also morgen, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.