Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 22. Oktober 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Finanzausgleich zwischen den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung beantwortet. Sein Schreiben wird ails Drucksache 1307 verteilt.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung von gestern und heute auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung (Drucksache 55) ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1094 Anlage 1) (Erste Beratung: 6. Sitzung.),
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beschränkung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1094 Anlage 2) (Erste Beratung: 6. Sitzung.).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. KuChtner. Der Schriftliche Bericht liegt vor. Wünscht die Berichterstatterin, ihn noch zu ergänzen?
Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf der Bundesverwaltungsgerichtsordnung liegt dem Hause nun zum dritten Male vor. Ziel und Zweck ist, ein klares und einheitliches Recht für die Verfassung und das Verfahren der Verwaltungsgerichte für das ganze Bundesgebiet zu schaffen. Die Rechtsgrundlagen des Verwaltungsgerichtsverfahrens sind jetzt zersplittert. Insbesondere gilt im gesamten Gebiet der früheren britischen Besatzungszone noch immer von der Militärregierung gesetztes Recht, nämlich die Militärregierungsverordnung Nr. 165. Schon deshalb ist es hohe Zeit, dieses Rechtsgebiet einheitlich zu regeln.
Der Ausschuß für Inneres und der federführende Rechtsausschuß haben sich in intensiver Arbeit bemüht, in der Verwaltungsgerichtsordnung, die ein Fundamentalgesetz unseres Rechtsstaates ist, die Stellung des der öffentlichen Gewalt gegenüberstehenden Bürgers möglichst zu festigen. Sehen Sie bitte die Regelungen, die Ihnen die beiden Ausschüsse vorschlagen, unter dem großen Gesichtspunkt, daß es sich wirklich um ,das heiße Bemühen handelt, sowohl dem Bürger wie dem Staat die ihnen gebührende Verfahrensposition zu verschaffen, d. h. möglichst ein Gleichgewichtsverhältnis herzustellen. Ich kann nur wünschen, daß dieser Entwurf auf der einen Seite Staatsomnipotenz und damit Staatsverdrossenheit der Bürger verhüten hilft, auf der anderen Seite aber das notwendige Maß an Einfügung in die Gemeinschaftsordnung herbeiführt, das nun einmal in einer rechtsstaatlichen Ordnung und in einem rechtsstaatlichen Zusammenleben in einem Volke erforderlich ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die Heranziehung von Vertretern bei unvorhergesehener Verhinderung kann eine Hilfsliste aus ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern aufgestellt werden, die am Gerichtssitz oder in seiner Nähe wohnen.
Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes la Nr. 1 bis 3 ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes la Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen.
Das Verwaltungsgericht besteht aus dem Präsidenten, den Direktoren, weiteren Richtern und ehrenamtlichen Verwaltungsrichtern in erforderlicher Anzahl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4571
— ich sage es doch gerade — in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern. Aber der ehrenamtliche Richter gehört nun einmal nicht zum Gericht. Zum Gericht gehören, wie schon erwähnt, der Präsident, die Direktoren der Kammern und die einzelnen Richter, d. h. nach der Systematik des Gesetzes die hauptamtlichen Richter.
— Herr Dr. Arndt, Sie verstehen das nicht. Aber Sie haben die Beweislast, •Sie haben uns vorzutragen, wieso die ehrenamtlichen Richter zum Gericht gehören. Das ist einfach nicht richtig.
Das haben Sie bisher nicht vorgetragen. Ich kann nicht alles noch einmal sagen, was ich gesagt habe. Dann muß ich länger reden, als ich es vorhatte.
Daß sie am Urteil mitwirken, habe ich soeben vorgetragen, Herr Kollege Menzel. Das steht nämlich in dem Abs. 3 des § 3. Das habe ich schon einmal gesagt und will es nicht wiederholen. Wenn Sie also nicht mehr beantragen — über die anderen Punkte können wir uns nachher unterhalten —, dann geht Ihr Antrag ins Leere. Deshalb kann man ihm nicht zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entweder gehören die ehrenamtlichen Richter zum Gericht oder nicht. Damit klargestellt ist, daß sie Richter sind, haben wir den Antrag zu § 3 Abs. 1 gestellt.
Ich bitte um Annahme.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem soeben begründeten Antrag der SPD zu § 3 Abs. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es bestehen Zweifel.
Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Ich bitte diejenigen, die dagegen sind, sich zu erheben. — Danke schön. Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 3 in der Fassung des Ausschusses. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Wir haben noch über den § 2a abzustimmen, ebenso über den unbestrittenen § 4, den ich hiermit aufrufe. — Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Wer diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
§ 5 entfällt.
Ich rufe jetzt § 6 auf. Hierzu liegt ein weiterer Änderungsantrag der SPD vor. Zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Jahn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie einem Änderungsantrag zuzustimmen, wonach im § 6 die Absätze 1 und la durch folgende Bestimmungen ersetzt werden:
Das Präsidium des Verwaltungsgerichts besteht aus dem Präsidenten, den Direktoren und einer gleichen Anzahl von Richtern, die von den auf Lebenszeit ernannten Richtern im Hauptamt nach Maßgabe der Geschäftsordnung in geheimer Wahl für die Dauer von drei Jahren berufen werden.
Nächster Absatz:
Sind bei ,einem Verwaltungsgericht mehr als sechs Direktoren angestellt, so gehören kraft ihres Amtes dem Präsidium nur die sechs dienstältesten und bei gleichem Dienstalter dem Lebensalter nach ältesten Direktoren an.
Nächster Absatz:
Zum Präsidium wählbar und wahlberechtigt sind alle im Hauptamt auf Lebenszeit ernannten Richter, die dem Präsidium nicht kraft ihres Amtes angehören.
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4572 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Jahn Letzter Absatz:
Direktoren, die nicht dem Präsidium angehören, nehmen an seinen Verhandlungen mit beratender Stimme teil.
Wir möchten mit diesem Antrag das Präsidium in einer neuen und bisher noch nicht geübten Art und Weise zusammensetzen. Wir versuchen, damit einen Beitrag zu dem zu leisten, was sich der Rechtsausschuß bei den Beratungen der Verwaltungsgerichtsordnung von Anfang an vorgenommen hat, nämlich mit der Verwaltungsgerichtsordnung eine Art Modellgesetz für weitere Verfahrensordnungen zu schaffen und das, was erneuert, was weiter entwickelt werden kann, schon bei dieser Gelegenheit weiterzuentwickeln.Es geht darum, daß die wichtigen Aufgaben des Präsidiums in besserer Form als bisher wahrgenommen werden können, und zwar durch ein besser zusammengesetztes Präsidium. Was hat das Präsidium zu tun? Seine Aufgabe besteht in der Erfüllung zweier sehr wichtiger Pflichten, nämlich einmal darin, festzulegen, welcher einzelne Spruchkörper, welche Kammer oder welcher Senat über welche Rechtsstreitigkeiten, die zunächst ja an das Gericht in seiner Gesamtheit herangetragen werden, entscheidet. Weiter bestimmt das Präsidium, welche Richter welchem Spruchkörper, welcher Kammer oder welchem Senat, angehören sollen. Das ist schon nach unserer bestehenden Gerichtsverfassung ein wesentlicher Bestandteil der Autonomie und damit auch ein wesentlicher Bestandteil der Unabhängigkeit der Gerichte, ein Eckpfeiler unserer bestehenden Rechtsordnung. Damit ist nämlich gewährleistet, daß die Gerichte selber darüber bestimmen, wie sie die an sie herangetragenen Sachen verteilen und jede Manipulation von außen ausschließen.Nun besteht beim gegenwärtigen Rechtszustand, wonach dem Präsidium allein der Präsident und die Direktoren oder Senatspräsidenten angehören, ja immer noch die Möglichkeit einer gewissen Einflußnahme durch die Exekutive selbst, und zwar insofern, als die Exekutive allein darüber befindet, wer Direktor oder Senatspräsident an einem Gericht werden soll. Schon bei der Auswahl derjenigen, die Direktoren oder Senatspräsidenten werden sollen, besteht die Möglichkeit, auf die Arbeit des Gerichtes einen gewissen Einfluß auszuüben. Es wäre wünschenswert, wenn man das völlig beseitigen könnte; aber das geht natürlich nicht. Deswegen haben wir nach einem Weg gesucht, um diese Schwierigkeit wenigstens in etwa zu verringern.Wir glauben, das kann dadurch geschehen, daß man neben diejenigen Mitglieder des Präsidiums, die ihm kraft ihres Amtes im Gericht angehören, eine Anzahl von gewählten Mitgliedern des Präsidiums setzt, die aus der Mitte des Geeichtes von allen ordentlichen Mitgliedern des jeweiligen Gerichtes frei bestimmt werden. Das ist der eine Grund, der uns veranlaßt, diesen Antrag zu stellen.Es gibt noch einen weiteren Grund. Der bisherige Aufbau des Präsidiums und der Gerichtsverfassung ist weitgehend hierarchisch; das heißt, es fehlt in der Zusammensetzung, im Aufbau des Präsidiums jedes demokratische Element, jede demokratische Praxis. Nur die Direktoren oder Präsidenten und ein oder zwei dienstälteste Richter gehören kraft ihres Amtes automatisch dem Präsidium an und haben allein darüber zu bestimmen, wie die Geschäfte im Gericht verteilt werden.Wir meinen, es wäre eine demokratischere Ausgestaltung des Gerichtspräsidiums, wenn ihm eine gewisse Anzahl — nach unserer Vorstellung die Hälfte — Mitglieder angehörten, die aus der Mitte des Gerichtes frei gewählt sind. Wir sind der Meinung und befinden uns da in Übereinstimmung mit einer großen Anzahl von Richtern, daß den Mitgliedern des Gerichtes ein größeres Maß an Recht zur Mitgestaltung und Mitbestimmung im Gericht und bei der Geschäftsverteilung des Gerichtes eingeräumt werden sollte. Es ist notwendig, auch denjenigen, die nicht kraft ihres Amtes dem Präsidium angehören, die Möglichkeit zu geben, Mitverantwortung und damit ein höheres Maß an Selbstverantwortung für die geschäftsordnungsmäßigen Regelungen in einem Gericht zu tragen.Es ist uns entgegengehalten worden, daß man mit solchen Wahlen ein unnötiges Maß von Unruhe in das Gericht hineintrage. Wahlen bringen naturgemäß ein gewisses Maß von Unruhe mit sich. Aber ich glaube, daß das kein Argument gegen Wahlen ist. Auch in einem Gericht kann es nichts schaden — es ist im Gegenteil sehr wünschenswert —, wenn in stärkerem Maße als bisher ein demokratisches Element einzieht. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen, und wir bitten Sie um Ihre Zustimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag der SPD auf Änderung der bisherigen Regelung des § 6, wie sie der Rechtsausschuß entsprechend dem Regierungsentwurf angenommen hat, können wir nicht gutheißen. Der Regierungsentwurf und der Rechtsausschuß haben sich nach der alten Regelung gerichtet, nach der das Präsidium des Gerichtes sich zusammensetzt aus dem Präsidenten, den Direktoren und aus Richtern, die nach dem Lebens- oder Dienstalter bestimmt werden.Nach dem Antrag der SPD soll diese Reglung in zweifacher Hinsicht geändert werden. Erstens soll die Zahl der Direktoren aufgewogen werden durch die gleiche Zahl von Richtern, die nicht Direktoren sind und die nicht schon kraft ihres Amtes dem Präsidium angehören. Zweitens sollen diese Richter als Mitglieder des Präsidiums nicht mehr nach dem Dienst- oder Lebensalter, sondern durch eine Wahl bestimmt werden.Über die Vermehrung der Richter im Präsidium könnte man reden. Allerdings hat — über das Gerichtsverfassungsgesetz hinaus — der Rechtsausschuß bereits eine Vermehrung der Mitglieder auf
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 45
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Schleezwei — unter Umständen auf drei — vorgesehen, und ein Bedürfnis zu einer weiteren Vermehrung ist bisher nicht hervorgetreten.Die Antragsteller scheinen zu unterstellen, daß die Belange der Richter bei der Verteilung der Geschäfte nicht genügend gewahrt werden. Meine Damen und Herren, die Direktoren schauen schon von sich aus darauf, daß die Geschäftslast unter ihren Kammern gerecht verteilt wird und daß alle Richter und Mitglieder des Gerichts nach ihren Fähigkeiten eingesetzt werden. Es herrscht viel mehr Objektivität bei dieser Geschäftsverteilung, es herrscht viel mehr Rücksichtnahme auf die tatsächliche Geschäftslast, als meist angenommen zu werden scheint. Von Manipulationen ist hier nirgends die Rede gewesen.Mit Entschiedenheit spreche ich mich aber dagegen aus, daß die Mitglieder des Präsidiums, soweit sie nicht als Direktoren kraft Amtes dazugehören, nicht mehr nach ihrem Lebens- und Dienstalter, sondern durch Wahl bestimmt werden sollen. Meist handelt es sich bei den Richterkollegien um kleine Gremien, und eine Wahl ist in einem kleinen Gremium immer mißlich. Entweder ist sie gar keine echte Wahl, sondern es kommt eine Verabredung zustande, die auf Umstände Rücksicht nimmt, welche mit einer korrekten Wahl gar nichts zu tun haben, oder es kommt zu kollegialen Verstimmungen, weil in dem kleinen Kreis der eine zurückgesetzt, der andere vorgezogen werden soll. Handelt es sich aber um größere Richtergremien bei größeren Verwaltungsgerichten, so wird es unfehlbar zu Parteiungen kommen. Das soll nicht heißen, zu Parteiungen im Sinne der hier vorhandenen Parteien. Es können durchaus Parteigruppen nach persönlichen Motiven sein. Alles das ist meines Erachtens mit der Kollegialität, mit der Einheit des Richterstandes nicht zu vereinbaren. Vor allem aber ließe eine solche Änderung, wie sie die SPD erstrebt, zwei Arten, zwei Klassen von Richtern hervortreten, nämlich ein Korps von Direktoren, das kraft Amtes Sitz und Stimme im Präsidium hat, und den Haufen der gemeinen Richter, die ihre Vertreter hinzuwählen können. Das wäre ebenfalls mit der Kollegialität unter den Richtern unvereinbar. Die Unabhängigkeit eines Mitgliedes des Präsidiums wird gewahrt dadurch, daß das Mitglied seinen Sitz auf Grund seines Lebens-, seines Dienstalters einnimmt. Das scheint mir die beste Garantie dafür zu sein, daß das Mitglied, auch soweit es nicht Direktor ist, sich im Präsidium voll durchsetzen kann. Überhaupt wird derjenige, der einen Wunsch geltend machen will, immer imstande sein, über seinen Direktor oder über den direkten Weg zum Präsidenten seinen Wunsch zum Tragen zu bringen.Es ist mir auch nie zur Kenntnis gekommen, daß bei einem Gericht die bisherige, alte und bewährte Regelung beanstandet worden wäre, daß sie zu Unzuträglichkeiten geführt hätte, daß die Richter das Verlangen empfunden hätten, mehr an der Geschäftsverteilung beteiligt zu sein, daß sie sich zurückgesetzt gefühlt hätten. Ich möchte Sie bitten, diese alte und bewährte Regelung zu belassen.Vor allen Dingen kann ich Herrn Kollegen Jahn nicht zustimmen, wenn er meint, wir wollten hier einen Modellfall für die Zukunft schaffen. Wir hoffen, daß wir auf dem Wege sind zu einer einheitlichen Gerichtsordnung, zu einer einheitlichen Verfahrensordnung für alle Gerichte, zu einem einheitlichen Gerichtsverfassungsgesetz für alle Gerichte. Diese Frage jedoch, die heute durch den Antrag der SPD aufgerührt wird, muß später einmal auf Grund eingehender Beratungen geregelt werden; sie sollte aber heute nicht für die Zukunft präjudiziert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege Dr. Arndt!
Ich darf den Herrn Kollegen Dr. Arndt bitten, sich darüber auszusprechen, ob die Antragsteller damit einverstanden sind, daß über den Änderungsantrag zu § 6 en bloc abgestimmt wird, oder ob sie eine separate Abstimmung über den letzten Absatz des Änderungsantrags für notwendig halten.
Herr Präsident, ich habe den letzten Absatz hier nicht vorliegen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schlee sagte, daß die Verwaltungsgerichtsordnung kein Modellfall sei. Während der ganzen langen Beratungen ist unter uns keine Meinungsverschiedenheit darüber gewesen, daß diese Gerichtsordnung eine Modellordnung für alle künftigen Gerichtsordnungen sein soll.
Ob es je zu einem einheitlichen Gerichtsverfassungsgesetz kommt, steht noch ganz dahin. Wenn es dazu kommt, wird es aber sicher noch Jahre dauern.Wir kommen mit diesem aus Richterkreisen und aus Kreisen des Deutschen Richterbundes angeregten und befürworteten Antrag ja nicht erst heute, sondern ich habe am 10. Juni, also vor über vier Monaten, Herrn Kollegen Hoogen die Absicht, einen solchen Antrag zu stellen und noch im Ausschuß zu behandeln, mitgeteilt, und zwar unter Angabe der genauen Formulierung, mit der der Änderungsantrag jetzt vorgelegt wird.Im übrigen bin ich über die Ausführungen, die Sie gemacht haben, erstaunt. Denn das Präsidium der verschiedenen Gerichte entscheidet über die Verteilung der Geschäftslast innerhalb einer Kammer und innerhalb eines Senats überhaupt nicht, sondern es entscheidet ausschließlich darüber, welche Materien eine Kammer bzw. ein Senat zugewiesen bekommt und welche Richter einer Kammer bzw. einem Senat angehören. Von Manipulationen hat niemand gesprochen; darum geht es nicht. Ich glaube, Herr Kollege Jahn hat sehr deutlich gemacht, worum es sich handelt, nämlich darum, die Struktur der Gerichte, ihre Zusammensetzung als Verwaltungskörper hierarchischer Art, wie sie bei der Exekutive üblich und in der Regel auch not-
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4574 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Dr. Arndtwendig sind, zu ändern und den Gerichten den kollegialen Charakter zu geben, der ihnen auch nach den eigenen Wünschen der Richterschaft zukommt.Bei Ihnen besteht — das erklärt sich daraus, daß wir jetzt erst über § 6 abstimmen — auch der Irrtum, es handle sich bloß um die Verwaltungsgerichte und dort um die Direktoren und die Verwaltungsrichter. Es handelt sich selbstverständlich genauso um die Oberverwaltungsgerichtsräte und die Senatspräsidenten beim Oberverwaltungsgericht, und es handelt sich nicht zuletzt um die Bundesrichter beim Bundesverwaltungsgericht und um die Senatspräsidenten beim Bundesverwaltungsgericht.Was mir gänzlich unverständlich ist, ist Ihre Behauptung, daß dadurch die Kollegialität unter der Richterschaft gestört werde und wir zwei Klassen von Richtern bekämen, nämlich ein Korps von Direktoren und Senatspräsidenten auf der einen Seite und, wie Sie so hübsch gesagt haben, von „gemeinen Richtern" auf der andern Seite. Genau das haben wir doch jetzt!
Wir haben doch jetzt die „gemeinen Richter", die nicht darüber mitbestimmen dürfen, wie die Verteilung der Richter auf die Sprucheinheiten vor sich geht und welche Materien den verschiedenen Kammern und Senaten zugewiesen werden. Wir haben heute unmündige Richter, und zwar noch bis zum Bundesgericht hinauf. Nach Ihrer Auffassung soll es beim Bundesverwaltungsgericht bei den unmündigen Bundesrichtern bleiben, die „gemeine Richter" sind und nicht das Mitbestimmungsrecht haben, wie die Autonomie des Bundesverwaltungsgerichts auszuüben ist, und bei ihren Vorgesetzten innerhalb der Gerichtsbehörde, den Senatspräsidenten. Gerade das soll ja beseitigt werden. Es soll keine Klassenteilung zwischen den Richtern in vorgesetzte und untergebene Richter mehr geben, sondern es soll die Kollegialität hergestellt werden, so daß jeder Richter auf seine Weise innerhalb des Kollegiums mitwirken kann, wie das Präsidium gebildet wird und wie es zur Ausübung der Autonomie kommt. Ich bitte Sie also sehr, diesem Antrag zuzustimmen; denn er stellt eine Gerichtsverfassung her, die dem Kollegialprinzip bei den Gerichten entspricht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Darlegungen des Herrn Kollegen Schlee, der aus einer persönlichen jahrzehntelangen Erfahrung Ihnen die Verhältnisse geschildert hat, habe ich sachlich nichts weiter hinzuzufügen. Herr Kollege Arndt hat dargelegt, daß er bereits am 10. Juni, also nach Abschluß der Arbeiten im Rechtsausschuß, Herrn Kollegen Hoogen dieses Anliegen mitgeteilt hat. Dazu muß ich feststellen, daß im Rechtsausschuß über dieses
Problem, das immerhin eine Änderung der seit 1878 bestehenden Gerichtsverfassung beinhaltet, nicht verhandelt worden ist. Bisher jedenfalls sind uns Klagen gegen dieses System nicht zu Ohren gekommen. Insbesondere hat sich der Richterbund nicht mit diesem Anliegen an den Rechtsausschuß oder an einzelne Mitglieder des Rechtsausschusses gewandt. Wir haben bei der Besprechung dieser Anträge vor wenigen Tagen erklärt, daß nach unserer Meinung die demnächst anstehende Beratung des Richtergesetzes die Gelegenheit ist, auch über diese Dinge nachzudenken, sie dann aber für alle Gerichtsordnungen übereinstimmend zu regeln.
Sicherlich soll die Verwaltungsgerichtsordnung eine Modellgerichtsordnung für das Verfahrensrecht sein,
aber eine solche Änderung, wie sie heute hier vorgeschlagen ist, muß eingehend beraten werden. Wir erklären uns bereit, das gelegentlich der Beratung des Richtergesetzes zu tun und erst dann die Dinge für alle Gerichtsbarkeiten einheitlich zu regeln. Aber es geht nach meiner Meinung nicht an, ohne eingehende Beratung nunmehr hier eine Änderung vorzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte!
Herr Kollege Dr. Weber, sind Sie wirklich der Meinung, daß es möglich ist, diese Frage der Gerichtsverfassung im Richtergesetz zu regeln?
Ich bin der Meinung, daß selbstverständlich eine Übergangsvorschrift das Gerichtsverfassungsgesetz ändern kann, wie wir auch durch die Übergangsvorschriften dieses Gesetzes eine ganze Reihe anderer Verfahrensgesetze ändern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weber hat gesagt, der Antrag sei im Rechtsausschuß nicht beraten worden. Wenn er nicht beraten worden ist, so ist das die Schuld der Mehrheit.
Die Mehrheit hat in einer der Sache nicht angemessenen Weise plötzlich den Beschluß gefaßt, bei einem Gesetz von dieser grundsätzlichen Bedeutung, einem auf Jahrzehnte hinaus als Gerichtsordnung geplanten Gesetz, keine zweite Lesung abzuhalten, sondern in der sogenannten zweiten Lesung nur auf einige Punkte zurückzukommen, die der Mehrheit gefielen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4575
Dr. ArndtIch habe deshalb am 10. Juni — das ist über vier Monate her — dem Herrn Kollegen Hoogen geschrieben:Da leider im Ausschuß keine zweite Lesung stattfand, war es nicht möglich, auf alle Fragen zurückzukommen. Aus Kreisen des Deutschen Richterbundes ist mir der Gedanke nahegelegt worden, in einem Modellgesetz die Zusammensetzung des Präsidiums zu ändern. Ich denke deshalb an die folgende Fassung von § 6 Abs. 1 und 2.Dann kommt wörtlich der Vorschlag, wie er jetzt der Antrag der Sozialdemokratie ist.Meine Damen und Herren, ich gebe gern zu, daß sich die Arbeit im Rechtsausschuß durch ein erhebliches Maß an Sachlichkeit und an Kollegialität auszeichnet. Das habe ich wiederholt auch öffentlich gesagt; das habe ich auch Besuchergruppen gesagt. Wir stehen aber hier wieder einmal vor einem der Fälle, wo die Mehrheit Anliegen der Minderheit einfach abwürgt. Sie hat es versäumt, im Ausschuß in die Beratung einzutreten, die durchaus möglich gewesen wäre. Aus den zehn Jahren meiner Tätigkeit im Rechtsausschuß erinnere ich mich nicht an einen einzigen Fall, daß eine Initiativvorlage der Opposition auf Erlaß eines Gesetzes je das Plenum des Bundestages wieder erreicht hätte. Ich erinnere Sie an den Gesetzentwurf — er ging von der DP aus, wir Sozialdemokraten haben ihn aufgenommen —, der das Recht der Journalisten in der Konkursordnung besser regeln sollte als bisher. Ich erinnere Sie an den Gesetzentwurf über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege. Ich erinnere Sie an den Gesetzentwurf über Einschränkung von Beschlagnahmen der Presse. Ich kann Ihnen noch eine ganze Reihe von Initiativgesetzentwürfen der Opposition aufzählen. Die kommen aus dem Rechtsausschuß einfach nicht wieder heraus und werden dem Plenum nicht vorgelegt. So ist es auch hier.Auf diese Weise zerstören Sie die parlamentarische Demokratie. Da brauchen Sie hier im Hause gar nicht die Sitzordnung zu ändern und alle möglichen derartigen Dinge zu machen. Nehmen Sie vielmehr die Opposition bei der Beratung ernst und geben Sie der Opposition den Rang, der ihr zukommt, indem Sie mit ihr sachlich reden und die Anträge der Opposition so behandeln und verhandeln wie jeden anderen Antrag auch. Aber kommen Sie nachher nicht ins Plenum und sagen: Wir haben keine Gelegenheit gehabt, darüber zu reden, — wenn ein solcher Antrag vier Monate vorliegt!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Berichterstatterin Frau Dr. Kuchtner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Ausführungen des Herrn Dr. Arndt insoweit widersprechen, als er sagte, im Rechtsausschuß sei nicht beschlossen worden, eine zweite Lesung nicht abzuhalten. Im Protokoll der 39. Sitzung ist auf Seite 43 vermerkt, daß sich der Ausschuß darüber einig war, eine zweite Lesung nicht durchzuführen, da nach Abschluß der ersten Lesung Sachverständige gehört und dann noch einzelne Fragen besprochen werden sollten. Dieser Beschluß ist in Anwesenheit des Herrn Dr. Arndt gefaßt warden.
— Ich habe es gestern im Protokoll nachgelesen; darin steht es.
Ich muß auch noch sagen, daß wir gerade die Frage des Präsidiums in den letzten Sitzungen des Rechtsausschusses nochmals eingehend behandelt haben. Wenn die Mehrheit zu einer anderen Meinung kommt, können Sie nicht sagen, daß wir Ihnen nicht Gelegenheit gegeben haben, sich zu äußern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu § 6 und zu dem Änderungsantrag ist geschlossen.Wir stimmen ab über den Änderungsantrag, der zu § 6 Abs. 1 bis lc gestellt worden ist. Er ist von dem Kollegen Jahn begründet. Soll ich den Text noch einmal verlesen? — Es wird darum gebeten. Abs. 1 lautet:Das Präsidium des Verwaltungsgerichts besteht aus dem Präsidenten, den Direktoren und einer gleichen Anzahl von Richtern, die von den auf Lebenszeit ernannten Richtern im Hauptamt nach Maßgabe der Geschäftsordnung in geheimer Wahl für die Dauer von drei .Jahren berufen werden.Abs. la lautet:Sind bei einem Verwaltungsgericht mehr als sechs Direktoren angestellt, so gehören kraft ihres Amtes dem Präsidium nur die sechs dienstältesten und bei gleichem Dienstalter dem Lebensalter nach ältesten Direktoren an.Abs. lb lautet:Zum Präsidenten wählbar und wahlberechtigt sind alle im Hauptamt auf Lebenszeit ernannten Richter, die dem Präsidium nicht kraft ihres Amtes angehören.Abs. 1c ist der Abschnitt, bei dem ich vorhin fragte, ob getrennt abgestimmt werden soll, was aber verneint worden ist. Er lautet:Direktoren, die nicht dem Präsidium angehören, nehmen an seinen Verhandlungen mit beratender Stimme teil.Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag en bloc zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke. Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zu § 6 in der Fassung des Ausschusses. Ich bitte, hierüber abzustimmen. Wer
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4576 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Vizepräsident Dr. Beckerdiesem Paragraphen in der Ausschußfassung nunmehr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Ich rufe § 7 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt ein weiterer Antrag der SPD vor. Darf ich fragen, wer ihn begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, in § 7 folgenden Abs. 2a einzufügen.
Jeder Kammer soll in der Regel nur die nach § 3 Abs. 3 zur Entscheidung erforderliche Anzahl von ständigen Richtern zugeteilt werden.
Ich darf dabei gleich darauf hinweisen, daß dasselbe Problem unserem Änderungsantrag zu § 9 Abs. 3 zugrunde liegt, dessen letzter Satz lauten soll: „Mehr ständige Richter sollen in der Regel einem Senat nicht zugeteilt werden."
Wir sollten durch eine derartige Bestimmung in der Verwaltungsgerichtsordnung dafür sorgen, daß der Mißstand, der sich in den letzten Jahren bei der weitaus größten Zahl unserer Gerichte eingebürgert hat, kein Normalzustand wird, daß er vielmehr beseitigt wird, der Mißstand nämlich, daß dem einzelnen Spruchkörper zum Teil erheblich mehr Richter angehören, als zur Entscheidung in einer Sache notwendig sind. Wir kennen Kammern und Senate, die doppelt soviel Richter haben, als dem Spruchkörper eigentlich angehören müssen.
Wir sollten die Gefahr für das Ansehen der Rechtspflege, die damit verbunden ist, nicht gering achten. Auch nur der Verdacht, ein Präsidium könnte in der Zusammensetzung der einzelnen Kammern oder Senate dadurch manipulieren, daß von Fall zu Fall bestimmt wird, wer in den Spruchkörpern als Richter tätig ist, der Eindruck also, daß der einzelne rechtsuchende Bürger seinem gesetzlichen Richter entzogen werden könnte, sollte unter allen Umständen vermieden werden. Es ist gar nicht gesagt, daß es in jedem Fall so sein muß; aber auch nur die Gefahr, daß der Eindruck entsteht, der einzelne Bürger könnte seinem gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 GG entzogen werden, sollte Anlaß sein, eine solche Bestimmung hier aufzunehmen.
Die Herren Präsidenten der oberen Bundesgerichte haben uns vor einigen Tagen eine umfangreiche Denkschrift zugeleitet, in der sie in bewegten Worten darüber klagen, welche Schwierigkeiten sich bei der Besetzung der Senate für die einzelnen Termine und bei der Festlegung der Sachen, die an den einzelnen Sitzungstagen verhandelt werden sollen, ergeben. Diese Schwierigkeiten können dann nicht auftauchen, wenn dem einzelnen Senat oder der einzelnen Kammer nicht mehr Richter angehören, als erforderlich ist. Bei aller Anerkennung der Schwierigkeiten, die sich in der Nachkriegszeit ergeben haben, immer einen vollzählig besetzten Spruchkörper zur Verfügung zu haben, sollten wir jetzt allmählich diese Notmaßnahme abbauen. Wir sollten mit einer solchen Vorschrift auch der Verwaltung diesen bequemen Ausweg, einen oder mehrere Reserverichter l in die einzelnen Spruchkörper zu entsenden, versperren.
Die mit einer Überlastung zusammenhängenden Schwierigkeiten hat es, wenn auch nicht in diesem Maße, zu allen Zeiten gegeben, und zu allen Zeiten ist es üblich gewesen, daß, wenn eine einzelne Kammer oder ein einzelner Senat nicht voll besetzt tagen konnte, aus einer anderen Kammer bzw. einem anderen Senat ein Richter zur Vertretung berufen wurde. Dieses Verfahren hat sich bewährt. Wir müssen endlich zu diesem geordneten Zustand zurückkehren.
Wir wissen, daß es nicht möglich ist, die von uns gewünschte Regelung zwingend vorzuschreiben. Wir haben deshalb in unserem Antrag auch nur eine Sollvorschrift vorgesehen. Es liegt jedoch die eindeutige Absicht zugrunde, dem Grundsatz, die Einheit der einzelnen Spruchkörper wiederherzustellen, Genüge zu tun. Wir bitten Sie, unserem Ergänzungsantrag zu § 7 zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Überbesetzung der Gerichte hat den Rechtsausschuß bei der Beratung der Haushalte der oberen Bundesgerichte schon oft beschäftigt. Der Rechtsausschuß hat den Standpunkt vertreten, daß eine Überbesetzung der Gerichte in der Regel nicht stattfinden soll. Als Überbesetzung in diesem Sinne hat man es aber nicht angesehen, daß einem Senat oder einer Kammer ein Richter mehr zugeteilt wird, als die Besetzung der Kammer als solche erfordert. Insbesondere gaben Überbesetzungen beim Bundesarbeitsgericht berechtigte Veranlassung dazu, dieses Thema aufzugreifen und zu rügen, daß drei und mehr Richter als Beisitzer zu dem einzelnen Senat abgeordnet waren. Diesem Mißstand haben wir aber dadurch abgeholfen, daß wir bei den Haushaltsberatungen beschlossen haben, zunächst einen dritten und schließlich sogar einen vierten Senat beim Bundesarbeitsgericht einzurichten.Die Verwaltungsgerichtsordnung biete unseres Erachtens keinen Anlaß, das Problem der Überbesetzung durch eine Soll-Vorschrift zu regeln. Dadurch träte etwas durchaus Unerwünschtes ein. Es kann nämlich nach meiner Meinung nicht bestritten werden, daß es zu einer sachlichen Arbeit, insbesondere bei den oberen Gerichten — Oberverwaltungsgericht und Bundesverwaltungsgericht —, notwendig ist, daß der Senat einen Beisitzer mehr hat. Sonst müßten in Urlaubszeiten, bei Erkrankungen und dergleichen mehr Vertretungen aus den anderen Senaten stattfinden. Es wäre durchaus unerwünscht, daß ein neuer Richter eintreten müßte, der die ganze Sache bis dahin überhaupt nicht kennt. Eine Einarbeitung in die Akten ist für den Vertreter völlig unmöglich.Wir sind also gegen eine übermäßige Besetzung der Senate; aber wir sehen es nicht als übermäßige
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4577
Dr. Weber
Besetzung an, wenn bei einer Kammer, bei einem Senat ein Richter mehr vorhanden ist, wie es jetzt der Fall ist. Deshalb besteht unseres Erachtens speziell bei der Verwaltungsgerichtsordnung kein Anlaß, das Problem auch nur durch eine Soll-Vorschrift zu regeln. Die Soll-Vorschrift hätte nämlich für die Regierung die Wirkung, daß sie sie beachten müßte und infolgedessen auch nicht einen Richter mehr — über die gesetzliche Zahl hinaus — den einzelnen Kammern und Senaten zuteilen könnte.
Es wäre weiter für den Haushalt bindende Vorschrift, daß nur die gesetzliche Zahl von Richtern an die Kammern und Senate abgeordnet werden könnte, weitere Stellen aber nicht bewilligt werden dürften. Das halten wir für unerwünscht. Gegen eine Überbesetzung, betone ich nochmals, sind wir; aber die Besetzung mit einem Beisitzer mehr sehen wir nicht als Überbesetzung an.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD zu § 7. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 7 in der Ausschußfassung. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den § 8. Er ist unstreitig. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte hierzu. Wer dem § 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den § 9. Dazu liegen zwei Anträge vor: Zu Absatz 1 ein Antrag, den der Kollege Schmitt schon bei § 3 begründet hat, zu Absatz 3 ein Antrag, den der Kollege Jahn schon begründet hat. Das Wort wird gewünscht?
— Nur der letzte Satz. Zu welchem Paragraphen?
— Danke schön. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Änderungsantrag zu § 9 Abs. 3 sind wir zu dem Kernpunkt der heutigen Beratungen vorgedrungen, nämlich der Frage, ob in der zweiten Instanz ehrenamtliche Verwaltungsrichter mitwirken sollen. Wie sehr sich die Ausschußmehrheit gegen die Mitarbeit ehrenamtlicher Richter wendet, zeigt am deutlichsten der § 9 der Ausschußfassung, wonach die ehrenamtlichen Richter in der zweiten Instanz ausgeschaltet werden sollen.Schon die Reichsverfassung von 1849 sah bei allen Gerichten die Mitwirkung des Laienelements vor. Es ist sicher kein Zufall, daß nach 1945 bis auf die Länder der amerikanischen Besatzungszone in den deutschen Ländern auch bei den Oberverwaltungsgerichten ehrenamtliche Beisitzer herangezogen wurden. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß es mit der Wiedereinführung rechtsstaatlicher Verhältnisse und der Demokratisierung unseres öffentlichen Lebens als selbstverständlich angesehen wurde, daß auch in der zweiten Instanz ehrenamtliche Verwaltungsrichter eine wichtige Funktion haben.Leider hat sich die Mehrheit des Ausschusses dafür entschieden, dieses Institut abzubauen. Wir können diese Entscheidung nur als einen Versuch ansehen, die Mitwirkung der Öffentlichkeit an der Gerichtsbarkeit, die in der Demokratie ein entscheidendes Anliegen ist, abzubauen.Die Behauptung, die Laienbeisitzer hätten in der zweiten Instanz keine echte Funktion, wird den Tatsachen nicht gerecht und zeugt von einer mangelnden Wertschätzung der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter. Wir haben in den letzten Jahren immer mehr ausgezeichnete ehrenamtliche Beisitzer in den Verwaltungsgerichten bekommen. Es war sehr interessant, daß der als Gutachter herangezogene Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Herr Dr. Werner, der jahrelang Präsident des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg war, ausdrücklich auf seine ausgezeichneten Erfahrungen hinwies, die auch die Gerichte der 2. Instanz mit den ehrenamtlichen Beisitzern gemacht haben.
Man kann sich nicht darauf berufen, daß die zweite Instanz nur in beschränktem Umfang Tatsacheninstanz sei. Das ,war sie auch bei dem Präsidenten Werner in Lüneburg, und doch hat er gute Erfahrungen mit den Laienbeisitzern gemacht. In einer Zeit, in der es darauf ankam, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, diesem jungen Zweig der Gerichtsbarkeit, in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen zu verschaffen, ist dieses Ansehen, wie Herr Präsident Werner sagte, nicht zuletzt durch die Hilfe der ehrenamtlichen Richter errungen worden.Es geht hier aber auch nicht nur um die Demokratisierung der Rechtspflege. Entscheidend ist auch, daß gerade die Verwaltungsgerichte — ähnlich wie die Sozialgerichte, die ja nach § 1 des Sozialgerichtsgesetzes „besondere Verwaltungsgerichte" sind — heute in so entscheidendem Umfang berufen sind, durch ihre Rechtsprechung den notwendigen sozialen Ausgleich sicherzustellen. Der Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen Staat und Staatsbürger ist nach wie vor eine entscheidende Aufgabe. Mit der Verlagerung vieler Aufgaben auf die Verwaltung, die von niemandem mehr bestritten werden kann, braucht der soziale Rechtsstaat Gerichte, die unter Mitarbeit ehrenamtlicher Richter diesen Ausgleich suchen.Zu den Bereichen des Sozialrechts im weiteren Sinne, mit denen die Verwaltungsgerichte zu tun haben, gehören das Recht der öffentlichen Fürsorge,
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4578 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Schmitt
die Wohlfahrtspflege, das Flüchtlings- und Vertriebenenrecht, die Fragen des Notaufnahmeverfahrens, das Recht des Lastenausgleichs, der Wohnraumbewirtschaftung und des sozialen Wohnungsbaus, alles Rechtsgebiete, auf denen, wie Herr Präsident Werner es einmal sagte, dem Staatsbürger eine bestimmte „sozialstaatliche Position" gegeben wird. Die Sicherung dieser Position kommt heute, soweit nicht nach § 51 des Sozialgerichtsgesetzes die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben ist, auf Grund der Generalklausel grundsätzlich den Verwaltungsgerichten zu.Streitigkeiten dieser Art bilden heute einen wesentlichen Teil der bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Prozesse. Damit ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit berufen und bestimmt, im öffentlichen Recht als Träger der rechtsprechenden Gewalt den sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen, dem Bürger das Gefühl der sozialen Sicherheit zu geben und dem Rechtsuchenden zur Durchsetzung seines Anspruchs zu verhelfen.Bei der Frage der Angleichung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an die übrigen Gerichtsordnungen kann daher die Frage der Mitarbeit ehrenamtlicher Richter nur an dem Vorbild der Sozialgerichtsbarkeit gemessen werden. Es wäre nicht gut, meine Damen und Herren, wenn die reiche Erfahrung der ehrenamtlichen Richter in den vielen von mir genannten Bereichen vom Gesetzgeber zurückgewiesen würde. Es dient der Rechtsangleichung, wenn sich sowohl die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit wie die besondere Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Fortbildung und Weiterentwicklung des öffentlichen Rechts auch in Zukunft in der zweiten Instanz der Mitarbeit ehrenamtlicher Richter versichern. Auf diese Weise wird das Anliegen des Grundgesetzes, die Schaffung des sozialen Rechtsstaats, verwirklicht.Ich bitte um Annahme unseres Antrages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
,Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kempfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand, der in forensischen Dingen einigermaßen erfahren ist, wird die hohe Bedeutung des richterlichen Ehrenamts in der deutschen Gerichtsbarkeit verkennen oder dieses Amt gar missen wollen. Auch dieses Hohe Haus ist sich zweifellos in der Wertschätzung dieser Institution einig, ob sie uns in der Form der Geschworenen und Schöffen oder in der Form der Sozialrichter, der Arbeitsrichter und der Handelsrichter entgegentritt. Daran ändert nichts, daß ein Teil dieses Hohen Hauses heute aus rein formellen Gründen einer Änderung des § 3 des Verwaltungsgerichtsgesetzes nicht zugestimmt hat.Wenn wir dem Einbau von ehrenamtlichen Richtern in der zweiten Instanz des Verwaltungsrechtszuges, nämlich beim OVG, nicht zustimmen zu können glauben, so geschieht dies nicht aus irgendeiner grundsätzlichen Stellungnahme gegen den ehrenamtlichen Richter überhaupt, sondern aus rein sachlichen Gesichtspunkten. Der Grund ist, daß wir bei der Eigenart des Verwaltungsrechts, besonders auf der Stufe des Oberverwaltungsgerichts, den ehrenamtlichen Richter für überfordert halten. Wir glauben nicht, daß das ehrenamtliche Element hier die Bedeutung und Wirkungsmöglichkeit erlangen kann, die ihm zweifellos zusteht.Ich darf dies in aller Kürze begründen. Wenn auch der Vorschlag der Oberverwaltungsgerichtspräsidenten und der Sachverständigenkommission, die Oberverwaltungsgerichte zu reinen Revisionsgerichten und das Bundesverwaltungsgericht nur zu einem Vorlagegericht zu machen, nicht angenommen, sondern in beiden Ausschüssen ziemlich einhellig abgelehnt worden ist, so besteht doch der De-facto-Zustand, daß beim Oberverwaltungsgericht meist Rechtsfragen zu entscheiden sind, deren Sachverhalt in zwei Vorinstanzen und in einer richterlichen, mit ehrenamtlichen Beisitzern besetzten Instanz meist geklärt sein dürfte. Diese Rechtsfragen sind aber, weil es sich bei der Verwaltung um kein begrenztes Gebiet handelt, besonders schwierig. Vor allem ist das allgemeine Verwaltungsrecht nicht kodifiziert, sondern viele Grundbegriffe müssen erst aus Rechtslehre und Rechtsprechung gewonnen werden. Deshalb ist eine besonders konstante Rechtsprechung erforderlich.Für diese Instanz, die ja in Sachen des Landesrechts meistens die letzte ist, scheint es uns somit an der Hauptbetätigungsmöglichkeit des ehrenamtlichen Richters, nämlich der Würdigung des i Sachverhalts aus Erfahrung, Praxis und gesundem Hausverstand, wenn nicht in allen, so doch in den meisten Fällen zu fehlen. Andererseits besteht aber auch keine Betätigungsmöglichkeit für das Ermessen, da Ermessensfragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit in dieser Instanz entzogen sind.Präsident Werner hat übrigens in der Sitzung des Rechtsausschusses vom 15. 4. 1959 ausdrücklich dem zugestimmt, was der Rechtsausschuß vorschlägt, also der Besetzung der Senate der Oberverwaltungsgerichte mit fünf Richtern.Aus diesen Erwägungen kommen wir zu der Auffassung, daß die Senate der Oberverwaltungsgerichte nur mit fünf Berufsrichtern besetzt sein sollen. Vielleicht ist die Stellungnahme des Verwaltungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, der Vertretung eines Standes, der sich in der Geschichte immer für das Ehrenamt eingesetzt hat, der dem Ehrenamt in allen Stufen durchaus aufgeschlossen gegenübersteht, nicht ganz ohne Interesse. Das Gutachten dieses Ausschusses hält die Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern in der Verwaltungsgerichtsbarkeit überhaupt nicht für zweckmäßig; man glaubt nicht, daß die Beteiligung von ehrenamtlichen Richtern eine bessere Rechtsfindung garantiere. Diese Stellungnahme sollte uns zu denken geben, mindestens bei der Frage, ob ehrenamtliche Richter in der zweiten und für viele Fälle letzten Instanz beizuziehen sind.Ich bitte daher, den Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu § 9 Abs. 1 und 3 abzulehnen und es
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Dr. Kempflerbei der vom Rechtsausschuß beantragten Fassung zu belassen.
Vizepräsident Dr. Becker: Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kempfler „spricht vergebens viel, um zu versagen; der andere hört vor allem nur das Nein". — Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um ein wesentliches Stück der Demokratisierung unserer Rechtspflege. Das wollen Sie heute abbauen. Das ist der Sachverhalt. Darüber wird abgestimmt. Ich bitte nochmals um Annahme unseres Antrags.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 404 Ziffer 4, der § 9 Abs. 1 betrifft. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Entscheidung ist zweifelhaft. Ich bitte um Wiederholung durch Aufstehen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Entscheidung ist wieder zweifelhaft. Ich muß auszählen lassen. —Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: 156
Ja-Stimmen, 160 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen. Der Antrag Ziffer 4 des Umdrucks 404 ist damit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Ziffer 5 des Umdrucks 404, einen Antrag auf Änderung des § 9 Abs. 3. Wer dieser Fassung des § 9 Abs. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den § 9 in der Fassung des Ausschusses. Wer § 9 in der Fassung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf §§ 10, — 11, — 12, — 13 und 14. — Zu allen diesen Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor. Ich darf annehmen, daß das Haus mit der einheitlichen Erledigung einverstanden ist. — Dann ist so beschlossen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die eben aufgerufenen §§ 10 bis einschließlich 14. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr den § 15 ,auf, der wohl wieder einige Debatten entfesseln wird. Hierzu liegt unter Ziffer 1 des Umdrucks 399 ein Antrag vor. — Es ist der einzige Antrag, den ich sehe. — Wird zur Begründung dieses Antrags das Wort gewünscht? — Bitte schön, Herr Kollege Dr. Werber.
Herr Präsident! Meine Damen ,und Herren! Mit dem § 15 kommen wir zu einer wichtigen Entscheidung über dieses Gesetz. Es ist darüber zu entscheiden, welche Befähigung der Verwaltungsrichter haben soll, um sein Amt ausüben zu können.
Die Bundesregierung hat in § 15 Abs. 3 ihrer Vorlage außer der ,allgemeinen Befähigung nach Abs. 2 verlangt, daß der Verwaltungsrichter eine dreijährige Berufserfahrung haben muß, sei es in der Verwaltung, sei es Richter, sei es als Anwalt, als Hochschullehrer, Verwaltungsrechtsrat usw. Darüber hinaus hat die Bundesregierung in § 15 Abs. 5 ihres Entwurfes verlangt, daß die Hälfte der Verwaltungsrichter Erfahrung in der Verwaltung besitzen muß. Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat diese Frage in Berlin sehr eingehend beraten. Er hat sich im wesentlichen auf den Standpunkt gestellt, den die Regierung in ihrer Vorlage vertreten hatte.Im Gegensatz dazu hat sich der Rechtsausschuß mit dem zweiten Staatsexamen begnügt. Wir müssen es den Vertretern des Rechtsausschusses überlassen, ihre 'besondere Begründung dafür hier vorzutragen. Der Rechtsausschuß will den einheitlichen Richtertyp schaffen. Er sieht in diesem Gesetz ein Präjudiz für das künftige Richtergesetz. Dabei erhält er die Unterstützung von anderen Kreisen.Die Frage war nun, ob eine Synthese gefunden werden kann. In einer Sonderbesprechung zwischen dem Rechtsausschuß und dem Innenausschuß ist versucht worden, eine Einigung herbeizuführen. Wir wollten, daß der Absatz 5 wenigstens zu einer Sollbestimmung umgestaltet wird, wenn man die Muß-Bestimmung schon nicht annehmen wollte. Leider war es nicht möglich, die Zustimmung des Rechtsausschusses zu dieser mildesten Form der Festlegung der Verwaltungserfahrung im Gesetz zu erhalten.Ich habe daher die Ehre, für die Mitglieder des Innenausschusses den Änderungsantrag auf Umdruck 399 zu begründen. Mit diesem Antrag soll die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden, wobei allerdings die Muß-Bestimmung in Absatz 5 zu einer Sollbestimmung wenden soll. Um es ganz deutlich zu sagen: Es geht darum, daß der künftige Verwaltungsrichter Verwaltungserfahrung besitzt und daß die Kammern und Senate so zusammengesetzt sind, daß ein Teil der Richter diese Erfahrung hat. Wir haben uns im Innenausschuß zu diesem etwas ungewöhnlichen Vorgehen des Antrages auf Umdruck 399 entschlossen. Für uns handelt es sich jedoch nicht um eine Prestigefrage. Wir wissen, daß der Rechtsausschuß über Persönlichkeiten mit großen Erfahrungen auf dem Gebiet des Rechtslebens verfügt. Wir stehen jedoch auf dem Standpunkt, daß eine so wichtige Frage — das be-
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4580 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Dr. Werberjaht auch der Rechtsausschuß — dem Hohen Hause zur Entscheidung vorgelegt werden muß. Das Hohe Haus soll darüber entscheiden, ob hier ein Präjudiz für das künftige Richtergesetz geschaffen oder an der Forderung der Verwaltungserfahrung festgehalten werden soll.Das war auch der Grund, warum wir im Innenausschuß uns weder den Forderungen des Deutschen Anwaltsvereins oder des Richterbundes noch sonst einer außerparlamentarischen Organisation angeschlossen haben. Für uns war allein das allgemeine Wohl entscheidend.Die Herren vom Rechtsausschuß darf ich auf folgendes aufmerksam machen. Sowohl das Arbeitsgerichtsgesetz als auch das Sozialgerichtsgesetz enthalten die Soll-Bestimmung, in der die Berufserfahrung zusätzlich gefordert wird.
— Ich weiß sehr wohl, was Sie damit sagen wollen, Herr Kollege. Ich bin sehr dankbar für diesen Zwischenruf. Er bringt zum Ausdruck, daß die Vertreter der anderen These auch das Arbeitsgerichtsgesetz und das Sozialgerichtsgesetz in diesem Punkt geändert haben möchten. Sie werden diese Änderung dann über kurz oder lang vorschlagen müssen. Das Haus wird dann auch für diese Gesetze eine grundsätzliche Entscheidung treffen müssen.Sehr interessant war folgendes Argument des Rechtsausschusses. Die Stellen, die in Bund und Ländern für die Personalpolitik verantwortlich und für die Besetzung der Richterstellen zuständig seien, könnten ja Persönlichkeiten berufen, die die Verwaltungserfahrung besäßen. Dieses Argument ist um so interessanter, als es das Grundanliegen bejaht. Denn wenn der Rechtsausschuß sagt: „Sie können ja entsprechende Leute mit Verwaltungserfahrung berufen", so gibt er damit selber zu, daß solche Erfahrungen für die Urteilsfindung nötig sind. Er sagt einschränkend, er wolle es nicht im Gesetz verankert wissen. Aber die Praxis zeigt doch folgendes: Eine Personalverwaltung wird mit der Forderung, den Mann mit Verwaltungserfahrung in die Kammern und Senate zu bringen, leichter durchdringen, wenn eine gesetzliche Handhabe besteht und sie sagen kann: „Ich bin durch das Gesetz gehalten, mindestens die Hälfte der Richterstellen in den Kammern und Senaten entsprechend zu besetzen." Das scheint mir ein sehr wesentliches Argument zu sein. Vergessen Sie doch nicht, meine Damen und Herren: Das öffentliche Leben wird immer komplizierter, und die Auslegung und Anwendung der Gesetze, Verordnungen und Erlasse erfordert unerbittlich die Verwaltungserfahrung des Richters. Die Urteile müssen lebensnah sein. Man kann doch nicht von Ergebnissen rein logischer Deduktionen ausgehen; hier muß doch die Verwaltungserfahrung dazukommen.Ich darf Ihnen ein Beispiel bringen. Nehmen Sie einmal an, die Verwaltungsgerichte hätten Sonderkammern auf schulischem Gebiet. Sie werden doch nicht bestreiten wollen, daß es auf dem Gebiete der Schule in den Ländern wofür ja auch die Verwaltungsgerichte zuständig sind — eine ganzeReihe von Anliegen gibt, die von der Elternschaft immer wieder vorgetragen werden. Denken Sie an Prüfungen, an Prüfungsergebnisse, denken Sie an Versetzungen, denken Sie an die Frage der Notengebung. Das sind vielleicht vom Bundestag etwas entfernte Gebiete; aber draußen bei der Elternschaft spielen sie eine große Rolle, sie spielen eine größere Rolle, als wir das manchmal glauben wollen.
Sind Sie wirklich der Meinung, daß sich die deutsche Öffentlichkeit damit abfinden würde, daß, wenn eine solche Sonderkammer bestehen würde, zuwenig Richter darin wären, die auf dem Gebiet der schulischen Verwaltung juristische Erfahrung haben? Es würde doch einfach verlangt werden, daß eine solche Sonderkammer ausreichend Juristen hätte, die in der Schulverwaltung tätig waren und in der Lage sind, aus der Erfahrung eine Entscheidung zu treffen.Ich bin auf das festeste überzeugt: Wenn dieses Haus nachher in der Abstimmung die Entscheidung fällt, die Möglichkeit zu geben, bei der Besetzung darauf hinzuweisen, daß ein Teil der Richter Verwaltungserfahrung haben muß, so dienen wir damit dem Grundsatz, den die Berichterstatterin aufgestellt hat, nämlich dem fundamentalen Grundsatz, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine der wichtigsten Einrichtungen der gesamten Rechtsstaatlichkeit ist, die wir besitzen.Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß der Innenausschuß interfraktionell, von der CDU bis zur SPD, in Entscheidung einer Gewissensfrage einheitlich dieser Auffassung ist.
Wir stellen dem Hohen Hause anheim, ob es uns folgen will oder dem Rechtsausschuß.
Die Absätze 2 und 3 des Antrages Umdruck 399 brauche ich, glaube ich, nicht besonders zu begründen, weil die Entscheidung darüber sich logisch aus der Annahme oder Ablehnung des ersten Absatzes ergibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Werber hat soeben die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in sehr bewegenden Worten verteidigt. Ich möchte ihm dafür danken. Ich habe seinen Betrachtungen nicht sehr viel Sachliches hinzuzufügen. Lediglich einige Hinweise! Wenn ich mich hier zum Wort gemeldet habe, so tue ich das deswegen, weil ich auf diesem Gebiet selber vielleicht etwas von einem Saulus zu einem Paulus geworden bin.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4581
Bundesinnenminister Dr. Schröder— Nun, das kann vorkommen und ist vorgekommen.
Herr Kollege Hermsdorf, Sie dürfen nun nicht gleich annehmen, daß ich auf allen Gebieten der Bekehrung fähig sei.
Ich darf vielleicht daran erinnern, daß ich von Hause aus Anwalt bin und daß ich von daher vielleicht dazu neigen könnte, dieses Problem anders zu betrachten. Aber ich habe nun viele Jahre lang in der Stellung, in der ich mich heute befinde, Gelegenheit gehabt, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Grundsatzes wie dessen, den ich hier verteidige, selbst mitzuerleben, und ich bin der Meinung, daß die Regelung, die wir — darauf möchte ich noch einmal hinweisen — für das Bundesverwaltungsgericht haben und die in den norddeutschen Ländern gilt, die im übrigen auch in ähnlicher Weise für die Sozialgerichte und die Arbeitsgerichte eingeführt und für die Finanzgerichte beabsichtigt ist, auch für die Verwaltungsgerichte im ganzen Bundesgebiet bestehen sollte. Herr Kollege Werber hat das im einzelnen auseinandergesetzt. Es ist in der Tat so — und ich bitte, den Hinweis auf diese anderen gerade genannten Rechtsgebiete mit einzubeziehen —, daß hier an den Richter besondere Anforderungen gestellt werden müssen, wenn auch nicht in dem Sinne, wie einer der verehrten Kollegen hier im Hause es zum Ausdruck gebracht hat — hoffentlich zitiere ich es aus dem Gedächtnis richtig —, als eine Art Gardekavallerie.
Ich habe die Verwaltungsrichter nie so betrachtet, als handle es sich bei ihnen um eine Art Gardekavallerie. Für mich, meine Damen und Herren, handelt es sich um Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte, nicht um Fragen des gesellschaftlichen Ranges. Das sind Dinge, die in unserer Zeit keine echten Kriterien und auch keine Wirklichkeit mehr sind. Aber ich glaube, daß sich diese besondere Art von Erfahrungen, die der Verwaltungsrichter besitzen soll — wie die Regierungsvorlage sie vorsieht und wie sie jetzt wieder beantragt ist —, als zweckmäßig erwiesen hat. Für mich geht es hier lediglich um Zweckmäßigkeitsgründe und um nichts anderes. Das wollte ich doch gern sagen. Im übrigen unterstreiche ich jedes Wort, das der verehrte Kollege Werber dazu ausgeführt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Winter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt den Versuch machen, den Standpunkt des Rechtsausschusses darzulegen. Ob mir das gelingt, weiß ich nicht.Ich darf eingangs folgendes sagen. Der Herr Bundesinnenminister hat dadurch, daß er für sich eineWandlung der Gesinnung in Anspruch genommen hat, vielleicht den Eindruck erweckt, daß der Beruf des Anwalts — den ich auch ausübe — einen von vornherein zu der Auffassung des Rechtsausschusses und in Gegensatz zu den Mitgliedern des Innenausschusses bringen müßte. Dem ist, glaube ich, nicht so. Nicht deshalb, weil ich Rechtsanwalt bin, sondern weil ich mir diese Dinge im Ausschuß bei den Beratungen sehr sorgfältig überlegt habe, dabei natürlich als Jurist überlegt habe, bin ich zu meiner Auffassung gekommen.Bei dem Antrag, den die Mitglieder des Innenausschusses interfraktionell hier vorgetragen haben, handelt es sich um zwei völlig verschiedene Probleme. Das eine Problem ist, daß für die Ernennung zum Verwaltungsrichter eine besondere, zusätzliche Qualifikation vorausgesetzt wird. Nach dem Antrag kann niemand Verwaltungsrichter werden, der nicht die Befähigung zum Richteramt erworben hat — wobei an anderer Stelle festgelegt ist, daß die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst dem gleichsteht — und nicht darüber hinaus drei Jahre lang noch irgend etwas anderes getan hat. Dabei ist zunächst unerheblich, worin dieses andere besteht. Er kann als Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit tätig gewesen sein; er kann als Rechtsanwalt oder Verwaltungsrechtsrat tätig gewesen sein; er kann auch als Hochschullehrer tätig gewesen sein. Jedenfalls wird in dem Antrag gesagt, daß er Richter am Verwaltungsgericht erst werden kann, wenn er drei Jahre lang noch etwas anderes getrieben hat. Das will mir nicht eingehen. Wenn sich ein Abiturient entschließt, Jurist zu werden, dann hat er eine Ausbildung von vielen Semestern vor sich. Mindestens sieben Semester sind, soviel ich weiß, vorgeschrieben, jedenfalls in Bayern; anderswo ist vielleicht ein Semester weniger vorgeschrieben. Durch die Ablegung der sehr anstrengenden und sehr intensiven Prüfung mit allem Drum und Dran vergeht ein weiteres halbes Jahr. Das sind also vier Jahre Ausbildung, und wir wissen alle, daß derjenige, der diese Prüfung gemacht hat, von niemandem als voll anerkannt wird; das ist ein Schmalspurjurist, der es nicht zur Vollendung der Ausbildung gebracht hat. Dann folgt eine intensive Ausbildung, die in den Ländern verschieden geregelt ist und die den jungen Juristen noch einmal jahrelang in Anspruch nimmt. Das sind dreieinhalb Jahre. Dann folgt eine schwierige Prüfung, die noch ein halbes Jahr dauert. Es sind also acht Jahre, die der junge Jurist zu dem ausgesprochenen, auch von ihm akzeptierten Zweck der Ausbildung in allen Sparten, die überhaupt in Frage kommen — bei uns in Bayern einschließlich der Verwaltung, anderswo vielleicht getrennt nach Verwaltung und Justiz —, beschäftigt sein muß. Er soll nicht damit beschäftigt werden, irgendwo an einem Gericht eine Sparte ein paar Jahre zu bearbeiten, sondern soll mit allen Einzelheiten der gesamten Rechtspflege — auch in der Verwaltung — bekanntgemacht werden. Dann muß er wieder eine schwierige Prüfung ablegen und bekommt ein Zeugnis, daß er die Befähigung zum Richteramt erlangt hat. In dem Gesetz wird ihm aber bescheinigt: Richter kannst du trotzdem nicht werden; du mußt vielmehr erst noch drei Jahre etwas anderes tun.
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4582 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Dr. WinterDieses Hohe Haus hat sich schon einmal zu dem Prinzip bekannt, daß diese Bescheinigung nicht entwertet werden soll. Es war — vielleicht horribile dictu — die berüchtigte Beratung der Bundesrechtsanwaltsordnung, bei der hier im Plenum ernsthaft darüber diskutiert worden ist, ob dieses Zeugnis ausreicht oder ob eine weitere Ausbildung, ein Vorbereitungsdienst nötig ist. Die Gründe, die für die Einführung eines Vorbereitungsdienstes sprachen, waren im Prinzip durchaus die gleichen wie hier. Dieses Hohe Haus hat sich dagegen entschieden; diese Entscheidung sollte nach meinem Dafürhalten heute aufrechterhalten werden.
Ich glaube also, daß der Rechtsausschuß aus diesem Grunde den Absatz 3 der Regierungsvorlage gestrichen hat.Das zweite Problem ergibt sich in Abs. 5. Wenn allerdings Absatz 3 entfällt, hat Absatz 5 überhaupt keinen Sinn mehr. Selbst wenn ich noch eine zusätzliche Ausbildung für den Verwaltungsrichter vorschreiben wollte, wäre ich noch lange nicht gezwungen, unter diesen vorbereitenden Tätigkeiten eine bestimmte Tätigkeit herauszuheben und das Prozentverhältnis der verschiedenen Richterarten untereinander gewissermaßen zu betonieren.Soviel ich weiß, ressortiert die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Mehrzahl der Länder bei den Innenministern. Ich möchte jetzt keine Debatte darüber entfesseln, ob das richtig ist oder nicht. Da es aber so ist, besteht für den Gesetzgeber vielleicht ein Anlaß, zu überlegen, ob genügend Leute mit richterlicher Erfahrung in den Verwaltungsgerichten vertreten sind, ob in den Verwaltungsgerichten dann nicht nur Verwaltungsjuristen sitzen, also praktisch Leute mit den gleichen Interessen und der gleichen Ausbildung, wie sie diejenigen haben, deren Verwaltungsakte, deren Eingriffe in die persönliche Freiheit des Bürgers auf ihre Rechtmäßigkeit nachgeprüft werden sollen. Man müßte dann den Absatz 5 umstellen.Ich möchte aber noch auf eines hinweisen. Es ist hier vorgetragen worden, man sehe einen Kompromißversuch darin, daß in Absatz 5 aus der Muß-Vorschrift eine Soll-Vorschrift gemacht worden ist. Mir leuchtet das nicht ein; denn hier handelt es sich um eine Weisung des Gesetzgebers an den Minister, an die Behörde, die das Gericht zusammensetzt. Es ist wohlausgeschlossen, daß eine solche Behörde von einer Soll-Vorschrift abweichen wird. Das wird sie gar nicht dürfen. Auch die Soll-Vorschrift wird die Verwaltung binden. Das ist also kein Kompromiß, das ist kein Unterschied. Wir haben uns auch im Rechtsausschuß die Dinge sehr ernstlich überlegt, und ich darf Sie herzlich bitten, die interfraktionellem Anträge des Innenausschusses abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade an diesem Punkt unserer Beratungen bedaure ich es besonders, daß der Herr Bundesjustizminister nicht anwesend und auch nicht durch seinen Staatssekretär vertreten ist.
Ich hoffe, daß dies nicht ein Ausdruck des Protestes dagegen ist, daß er bei dem Gesetz nicht federführend Ist, oder wenigstens nicht der einzige Ausdruck; denn ich persönlich hätte es für richtiger gehalten, die Federführung für das Gesetz hätte beim Justizministerium gelegen.
Wir haben das im Hohen Hause dadurch korrigiert, daß wir das Gesetz dem Rechtsausschuß zugewiesen haben.Das wirft schon einiges Licht auf die Frage, die hier zur Behandlung steht. Sie wurde im 2. Bundestag im Rechtsausschuß schon einmal von einem der Befürworter dieses Antrags, einem Herrn aus dem Bundesrat, mit folgenden Worten charakterisiert. Er sagte: Daß ein junger Assessor über Ansprüche entscheidet, die gegen den Staat erhoben werden, verträgt sich nun einmal nicht mit der Kleiderordnung. Aber es geht hier doch nicht darum — dieser Irrtum schwingt gefühlsmäßig weithin mit —, daß die Verwaltungsgerichte eine verlängerte Verwaltungstätigkeit entfalten, also einfach eine weitere Instanz sind, an die man nach der Beschwerde zum Regierungspräsidenten usw. noch gehen könnte. Die Verwaltungsgerichte sind doch Gerichte. Sie haben deshalb überhaupt nicht über Ermessensfragen zu entscheiden, sondern haben sich damit nur zu befassen, wenn Ermessensüberschreitung behauptet wird und in Frage steht. Der Unterschied zwischen dem Zivil- und dem Verwaltungsrecht ist lange nicht so groß wie der grundsätzliche Unterschied zwischen Rechtsprechung einerseits und Verwaltung andererseits. Diesen wollen wir klar gewahrt haben, damit hier in keiner Weise eine Vermischung stattfindet. Die Gefahr einer solchen Vermischung sehe ich in dem vorliegenden Antrag.Die Forderung, daß Verwaltungsrichter zusätzliche Qualifikationen haben müssen, könnte doch nur gerechtfertigt sein, wenn entweder die Materie des Verwaltungsrechts im Gegensatz zu den anderen Rechtsgebieten besonders schwierig wäre oder wenn allgemein Verwaltungsgerichtsprozesse viel bedeutender und schwerwiegender für die Beteiligten wären als Prozesse vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit, also sowohl Zivil- wie Strafprozesse.Auf eine besondere Schwierigkeit ist von niemandem hingewiesen worden. Es liegt auf der Hand, daß etwa ein Rechtsstreit aus dem Hypothekenrecht genauso schwierig ist und Spezialkenntnisse erfordert wie ein Rechtsstreit aus dem Verwaltungsrecht. Man sagt, dazu sei besondere Erfahrung nötig. Ja, dann dürfte z. B. auch kein Junggeselle über eine Ehescheidung mit zu Gericht sitzen.Was die Bedeutung der Prozesse angeht, so gibt es natürlich bedeutende verwaltungsrechtliche
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Dr. BucherProzesse. Aber wenn ich an das Wort von der Kleiderordnung und an das Beispiel von dem jungen Assessor zurückdenke, dann muß ich sagen, es verträgt sich damit auch nicht, daß ein Assessor mit zu Gericht sitzt, wo es um eine erhebliche Strafe oder, um nochmals darauf zurückzukommen, um das Schicksal einer Ehe, um tief in das Leben eingreifende Angelegenheiten geht.Ich habe mir einen beliebigen Band von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte herausgegriffen und erlaube mir, Ihnen einmal ganz genau in der Reihenfolge, wie sie hier stehen, einige Fälle vorzulesen, die die Verwaltungsgerichte beschäftigen: Dispens bei Anwendung einer Bauordnung, Entlassung eines Schülers aus öffentlicher höherer Schule, vertraglicher Anspruch auf Ruhelohn nach dem BWGöD, Keine Heranziehung nach § 17 Preußisches Ansiedlungsgesetz, wenn Ansiedlung in ausgewiesenem Baugebiet, Begriff des Schlachtviehmarkts beim Ausgleichszuschlag für Lebendvieh usw. usw. Ich könnte die Liste so fortsetzen. Sie sehen daraus, daß es auch da wichtige und unwichtige Dinge gibt genauso wie auf der Traktandenliste eines ordentlichen Gerichts.Vollends finde ich die Forderung einer besonderen Qualifikation widerspruchsvoll, wenn man gleichzeitig auf eine Verstärkung der ehrenamtlichen Richter Wert legt; das widerspricht der Auffassung, bei den Verwaltungsgerichten könnten nur die Leute tätig sein, die besondere Erfahrungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts haben.
Zu dem Argument, daß die Muß-Vorschrift durch eine Soll-Vorschrift ersetzt sei, hat bereits der Kollege Winter gesprochen. Ich brauche dazu nichts mehr zu sagen.In Gesprächen im Hause wird häufig ein Gegensatz zwischen Verwaltungsbeamten einerseits und Rechtsanwälten andererseits konstruiert. Dieser Gegensatz spielt hier bestimmt keine Rolle, denn wir Rechtsanwälte gehören ja zu der glücklichen Gruppe derer, die in den Abs. 3 einbezogen sind, die also Verwaltungsrichter werden könnten. Allerdings wären sie von der Vorschrift des Abs. 5 betroffen, daß mindestens die Hälfte der Richter jedes Gerichts aus der Verwaltung kommen muß bzw. soll.Es ist schon gesagt worden, wir wollten hier ein Modell für eine Verfahrensordnung schaffen, nach dem auch die Finanzgerichtsordnung gestaltet werden sollte. Gerade deshalb sollten wir nicht diese Sonderbestimmung einfügen, sondern es bei der einheitlichen Qualifikation der Richter belassen. Wir befinden uns hier in Übereinstimmung mit dem Deutschen Richterbund — dem auch Verwaltungsrichter angehören —, der uns in einem Telegramm mitgeteilt hat, wir sollten in dieser Sache bei den Beschlüssen des Rechtsausschusses bleiben.Ich bitte Sie ebenfalls, den gestellten Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu den Bemerkungen des Herrn Kollegen Werber. Er hat gesagt, es handle sich hier um eine Gewissensfrage. Herr Kollege Werber, wir sollten nicht jede Frage, die uns einigermaßen wichtig erscheint, gleich zu einer Gewissensfrage erheben und damit vielfach überstrapazieren. Vor allem diesem Gegenstand sind solche großen Worte nicht angemessen. Es gibt sicher andere Gelegenheiten in diesem Hause, wo man mit größerer Berechtigung von einer Gewissensfrage sprechen kann.Der Herr Bundesinnenminister hat 'erklärt, wir hätten bereits ähnliche Regelungen im Sozialgerichts- und im Arbeitsgerichtsgesetz. Herr Minister, Sie irren sich. Die Regelungen im Sozial- und im Arbeitsgerichtsgesetz sind sehr viel anders. Dort ist nämlich lediglich gesagt, daß die Richter besondere Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet haben sollen, nicht mehr. Hier wird in der Regierungsvorlage erstens zwingend festgelegt, daß die Richter die Sonderqualifikation haben m ü s s en, zweitens bestimmt, daß die besondere Qualifikation nur während einer Zeit von drei Jahren erworben werden kann. Davon steht in den Gesetzen, die Sie zitiert haben, kein Wort, und deswegen ist dieser Vergleich sehr schlecht.Die Regelung, die mit dem vorliegenden Antrag angestrebt wird, gehört, wenn man es richtig betrachtet, einfach nicht in das Gesetz. Die Antragsteller verkennen, daß man hier zwei Fragen sehr genau auseinanderhalten muß, nämlich einmal die der juristischen Qualifikation, die jemanden befähigt, Richter zu sein, und zum andern die Frage der besonderen persönlichen und praktischen Eignung, in einem bestimmten Zweig der Gerichtsbarkeit Richter zu sein. Die erste Frage muß vom Gesetzgeber geregelt werden. Sie ist im Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. Dort ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Ausbildung aller Richter festgelegt. Ich darf mich hierzu auf das beziehen, was der Kollege Dr. Winter vorhin so eingehend und richtig dargelegt hat. Die Einheitlichkeit der Ausbildung gibt die Voraussetzungen zum Erwerb der Befähigung zum Richteramt. Diese Ausbildung muß eine umfassende, eine universale sein. Sie soll eine rechtswissenschaftliche sein. Wer diese Ausbildung durchgemacht hat, wer die entsprechenden Prüfungen bestanden hat, hat die Qualifikation zum Richteramt. Wir sollten uns davor hüten, auch nur den Gedanken aufkommen zu lassen, daß die richterliche Qualifikation etwas mit der Ausbildung von Fachtechnikern oder von Leuten, die nur noch auf ein kleines, enges Teilgebiet spezialisiert sind, zu tun habe.Ich möchte Ihnen noch einmal in Erinnerung zurückrufen, wie es Herr Kollege Dr. Winter schon getan hat, daß wir bereits eine Grundsatzentscheidung, in der wir die Einheitlichkeit der juristischen Qualifikation anerkannt haben, in diesem Hause
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4584 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Jahn
vor einigen Monaten getroffen haben, als wir im Zusammenhang mit der Beratung der Bundesrechtsanwaltsordnung mit großer Mehrheit beschlossen haben, daß eine besondere Anwaltsassessorzeit nicht mehr Voraussetzung für die Befähigung sein muß, Rechtsanwalt zu sein.Die ganz andere Frage, welche besonderen praktischen und persönlichen Fähigkeiten die Verwendung des Richters in dem einen oder anderen Gerichtszweig empfehlen, entzieht sich nach unserer Auffassung der gesetzlichen Festlegung, wie sie von den Antragstellern gefordert wird. Das ist ausschließlich die Frage einer vernünftigen und sinnvoll gehandhabten Personalpolitik; aber Personalpolitik kann man nicht im vorhinein im Gesetz normieren.Diese personalpolitische Frage ist allerdings auch nach unserer Meinung für die Richter aller Gerichtszweige gleichwertig zu beurteilen. Ich meine, sie ist von gleichem Gewicht, von gleicher Bedeutung. Herr Kollege Dr. Bucher hat einige Beispiele gebracht. Meine Damen und Herren, ob ein Jugendrichter über das weitere Schicksal eines jungen Menschen, der vielleicht einmal gefehlt hat, zu entscheiden hat; ob ein Strafrichter über die Ehre und die Freiheit, vielleicht den lebenslänglichen Freiheitsentzug eines Menschen zu entscheiden hat; ob ein Arbeitsrichter über den Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers zu entscheiden hat; oder ob ein Landgerichtsrat über den Fortbestand einer Ehe und das Schicksal einer ganzen Familie oder über Vermögenswerte, die in die zehn- und hunderttausend Mark gehen können, zu entscheiden hat: das sind nicht weniger gewichtige Aufgaben als die, die der Verwaltungsrichter wahrzunehmen hat. Auch hier wird den Richtern in einem ganz erheblichen Maße eine Verantwortung aufgeladen und die Möglichkeit, das Recht gegeben, die Rechtsverhältnisse und Rechtsbeziehungen anderer Menschen zu gestalten. Es ist einfach nicht einzusehen, weshalb gegenüber dieser verantwortungsvollen Aufgabe die Kontrolle eines Oberbürgermeisters oder eines Ministers etwas anderes, ja etwas Wichtigeres, etwas Gewichtigeres sein soll.Es gibt nach unserer Auffassung keine Rechtfertigung für irgendwelche Rang- oder Standesunterschiede in der Richterschaft. Das hat mit dem, was der Herr Bundesinnenminister vorhin gesagt hat, nichts zu tun, sondern es geht darum, daß die Richter in ihrer Gesamtheit gleich bewertet werden und daß lediglich die Frage, wo und wie sie eingesetzt werden, vernünftig und richtig entschieden wird.Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht verschweigen, daß leider der Eindruck nicht zu vermeiden ist, daß bei all diesen Forderungen nach einer Bevorzugung der Verwaltungsrichter nicht zuletzt besoldungsrechtliche Fragen im Hintergrund stehen. Sie sollten zuletzt ein Grund dafür sein, eine solche gesetzliche Festlegung zu treffen.Meine Damen und Herren! Wer sich diese Überlegungen zu eigen macht, hängt gewiß nicht der Vorstellung nach, daß damit der Schaffung einesEinheitsrichters, der frei und willkürlich in den verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit austauschbar sei, der Weggeebnet werde. Das gibt es nirgends. Auch ein Richter, der vornehmlich in der Strafgerichtsbarkeit tätig gewesen ist, wird nicht ohne weiteres als Jugendrichter oder als Grundbuchrichter eingesetzt. Die persönliche Eignung, die persönlichen praktischen Erfahrungen sind maßgebend für die Verwendung jedes Richters.Ich meine, man sollte die Vorwürfe, die der Bund der Verwaltungsrichter in meiner Ansicht nach recht anmaßendem Ton in der Öffentlichkeit erhoben hat, in aller Form und eindeutig zurückweisen. Hier sollte das Gewicht der mehr als 10 000 Richter, die dem Deutschen Richterbund angehören, etwas größere Bedeutung haben gegenüber den unverkennbaren Interessenforderungen, die da laut geworden sind.Es dürfte ein gefährlicher Fehler sein, Personalpolitik durch gesetzliche Festlegungen regeln zu wollen und auch noch in der Gerichtsbarkeit ein besonderes Reservat für die Verwaltungsbeamten zu schaffen. Auch das Preußische Oberverwaltungsgericht, dessen großer Ruf und dessen hohes Ansehen ja nicht von ungefähr kamen, stützte sich hinsichtlich seiner Besetzung keineswegs auf gesetzliche Vorschriften; vielmehr waren die gute Besetzung und die gute Arbeit der dort tätigen Richter das Ergebnis einer guten Personalpolitik. Daß wir eine gute Personalpolitik von den dafür Verantwortlichen 'erwarten, sollte selbstverständlich sein.In dem Antrag, der uns hier vorgelegt worden ist, wird nur allzu deutlich, daß all das, was hier als Argument vorgeschoben wird — daß besondere Verwaltungserfahrung notwendig sei —, gar nicht stimmt. In dem Antrag — ich glaube, Herr Kollege Winter ist es gewesen, der darauf schon hingewiesen hat — wird als eine zwingende Voraussetzung gefordert, und zwar unter Ziffer 2, daß der betreffende zukünftige Verwaltungsrichter mindestens drei Jahre als hauptamtliches Mitglied eines Gerichts tätig gewesen sein muß. Nun, wer drei Jahre als hauptamtliches Mitglied eines Gerichts tätig gewesen ist, kann durchaus als Assessor, als junger Amtsrichter oder als Landgerichtsrat in einer Ehescheidungskammer gesessen haben und braucht nicht die mindeste praktische Erfahrung hinsichtlich der besonderen Aufgaben der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu haben. Und wenn jemand drei Jahre Rechtsanwalt gewesen ist, ist damit ebenfalls überhaupt noch nichts über seine besondere Erfahrung auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts gesagt. Auch wenn jemand drei Jahre beamteter Hochschullehrer gewesen ist — auch unter dieser Voraussetzung soll jemand nach dem Antrag als Verwaltungsrichter berufen werden können —, ist damit über seine besondere verwaltungsgerichtliche Erfahrung noch kein Wort gesagt.Ich finde, gerade hier wird deutlich, daß es gar nicht, wie immer gesagt wird, um die besondere verwaltungsgerichtliche Erfahrung, um die Verwaltungserfahrung schlechthin geht, sondern ganz einfach darum, eine besondere Qualifikation und damit
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4585
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ein besonderes Vorrecht für die Verwaltungsrichter zu schaffen.Einer solchen Entwicklung den Weg zu ebnen, kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein. Es muß Aufgabe der Personalpolitik sein, die geeigneten Richter zu finden, die ihre Aufgaben in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfüllen können. Ich darf deshalb bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den. Änderungsantrag unterstützen und für die Wiederherstellung der Regierungsvorlage sprechen. Ich bin sehr froh, daß es der Zufall fügt, daß ich gerade nach dem Kollegen Jahn sprechen darf. Herr Kollege Jahn zeigte meines Erachtens, vielleicht von ihm ungewollt, doch sehr deutlich, welche Dinge wirklich im Hintergrunde stehen.Herr Kollege, Sie sprachen von Rang- und Standesunterschieden, Sie sprachen von Reservaten, die sich die Verwaltungsrichter schaffen könnten, und Sie sagten, eine gleiche Bewertung aller Richter sei notwendig. Ja, wer die Dinge so sieht, der geht meines Erachtens völlig an dem Problem vorbei.
Denn es geht gar nicht darum — damit darf ich mich einmal an die durch alle Fraktionen gehende Fraktion der Rechtsanwälte wenden —, daß man in irgendeiner Weise eine zusätzliche juristische Voraussetzung einführen will, daß man etwa der einheitlichen, mit dem Assessorexamen abgeschlossenen Ausbildung noch etwas zusätzliches Juristisches hinzufügen will. Damit würde man in der Tat einen Rangunterschied schaffen und eine Wertung sozusagen zwischen einem Richter mit Assessorexamen und einem Richter mit noch weiteren Voraussetzungen vornehmen. Nein, darum geht es nicht und kann es auch nicht gehen. Die einheitliche juristische Vorbildung ist mit dem Assessorexamen abgeschlossen. Damit ist ein solcher Mann grundsätzlich zu dem Richteramt in allen Zweigen befähigt.
— Natürlich! Ich wollte zunächst einmal die Debatte durch diese Feststellung entschärfen. Die Verschärfung entstand daraus, daß manche hier im Hause offenbar meinen — ich kann es nicht anders sagen, ich empfinde es so —, der einfache Zivil- und Strafrichter sei etwas Minderwertigeres gegenüber dem Verwaltungsrichter. Das ist doch nicht der Fall.
— Nein, Herr Kollege. Ich bin nicht im Innenausschuß, aber wenn etwa die Dinge dort in dieser Richtung gelaufen sein sollten, dann sind sie bestimmt nicht richtig gelaufen.Ich darf mich jetzt einmal vor allem an die nichtjuristischen Mitglieder des Hauses wenden. Meine Damen und Herren, es geht doch einfach darum, daß die Lebensvorgänge nun einmal so kompliziert sind, daß man auf vielen Lebensgebieten um spezielle Lebenserfahrungen nicht herumzukommen scheint. Das kann früher einmal anders gewesen sein, wo alles nicht so kompliziert war. Heute ist das aber so.Er gibt ja auch einen Fachanwalt für Steuerrecht. Das ist ein vollausgebildeter Jurist, der bei Nachweis einer zusätzlichen, weiteren Spezialtätigkeit sich dann „Fachanwalt für Steuerrecht" nennen kann.
Das hebt ihn doch nicht höher als einen anderen Rechtsanwalt. Eine solche Vorstellung wäre doch einfach nicht richtig. Die Öffentlichkeit spricht ja z. B. auch von einem „Scheidungsanwalt". Und bei den Landgerichten gibt es sogenannte „Verkehrskammern". Die Richter dort sollen möglichst im Besitze eines Führerscheins sein. Sie müssen es nicht, aber die Erfahrung hat doch gezeigt, daß es zweckmäßig ist, daß ein Richter, der über eine so komplizierte Sache wie einen Verkehrsunfall zu entscheiden hat, auch etwas vom Autofahren versteht.Das ist die Sache: eine zusätzliche Kenntnis auf spezialisierten und komplizierten Gebieten, nicht eine Höherstellung oder Höherrangierung als Jurist. Insofern stimmt es auch nicht, daß bei dieser Frage etwa irgendwelche Besoldungsfragen im Hintergrunde stünden. Das mag bei anderen Dingen der Fall sein.
— Ich möchte jetzt erst einmal zu Ende sprechen, Herr Kollege! — Jedenfalls bei dieser Streitfrage stehen Besoldungsfragen nicht im Hintergrunde. Ein Verwaltungsrichter mit dieser zusätzlichen Erfahrung wird nicht anders besoldet als einer ohne diese Spezialkenntnisse. Sie sind ja ohnehin in der gleichen Kammer. Es soll auch nicht über- und untergeordnet werden. Sie sollen nebeneinander, miteinander tätig sein.Man muß hier wirklich einmal an die Praxis des hochangesehenen Preußischen Oberverwaltungsgerichts erinnern. Warum war es nicht nur in Deutschland, sondern in aller Welt so hoch angesehen? Weil es dort eine gesunde Mischung von, sagen wir mal, reinen Richtern und verwaltungserfahrenen Männern gab. Das Preußische Oberverwaltungsgericht war in der Praxis je zur Hälfte mit Verwaltungsbeamten und Richtern besetzt. Diese Mischung hat sich glänzend bewährt.Wie ist es denn nun sonst mit einem Assessor? Die Verwaltung setzt im allgemeinen — und das dürfte doch ein Argument sein — den Assessor nicht gleich voll ein. In der Finanzverwaltung z. B. erhält der Gerichtsassessor nicht sofort eine verantwortliche Tätigkeit, sondern muß ein dreiviertel Jahr gewissermaßen als Lehrling dort tätig sein, nicht um dann noch einmal ein Examen zu machen, sondern um in dieser Zeit die Spezialmaterie kennen
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4586 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Dr. Miessnerzu lernen. Erst dann darf er in dieser Verwaltung verantwortlich tätig sein und Entscheidungen treffen. So ist es in den anderen Verwaltungen im allgemeinen auch.Ich darf noch ein anderes Argument bringen, an dem Sie meines Erachtens nicht vorbeigehen können. Wenn man schon von dem Verwaltungsbeamten, der den Verwaltungsakt setzt, zu der vollen juristischen Vorbildung noch eine spezielle Kenntnis in diesem Fach fordert, um wieviel mehr muß man dies bei dem Gericht fordern — mindestens bei einigen Mitgliedern dieses Gerichts —, das über die Rechtmäßigkeit solcher Verwaltungsakte zu entscheiden hat.Eben aus diesen Gründen scheint mir diese gesunde Mischung, wie sie bei dem Preußischen Oberverwaltungsgericht lange Jahre bestand, vorbildlich und außerordentlich zweckmäßig zu sein.Der Herr Kollege Dr. Bucher hat hier das Telegramm des Richterbundes erwähnt. Offensichtlich hat aber der Bund deutscher Verwaltungsrichter eine andere Meinung, als sie in dem von dem Kollegen Bucher zitierten Telegramm des Richterbundes zum Ausdruck kommt. Der Bund deutscher Verwaltungsrichter sagt am Schluß seiner Eingabe — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich das verlesen —:Der Bundestag läuft Gefahr, dem bloßen Phantom des Einheitsrichters zuliebe ein hochentwickelten Rechtsinstitut, wie es die deutschen Verwaltungsgerichte auch während der letzten zehn Jahre verkörpert haben, ohne sachliche Notwendigkeit über Bord zu werfen.Meine Damen und Herren, man sollte daher die Regierungsvorlage wiederherstellen und es bei einer jahrzehntealten bewährten Praxis belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Miessner hat soeben gesagt, er wende sich an die nichtjuristischen Mitglieder des Hauses. Ich bin der Meinung, daß alle Mitglieder dieses Hauses gleichermaßen berufen sind, über diese Frage zu entscheiden. Ich möchte mich deshalb an das ganze Haus wenden und vor allen Dingen zurückweisen, daß er von der „Fraktion der Rechtsanwälte" gesprochen hat. Ich weiß nicht, ob das ein Beitrag zur sachlichen Diskussion sein sollte, Herr Kollege Miessner. Meiner Ansicht nach kann es das nicht gewesen sein. Im übrigen: Was hat diese Frage eigentlich mit den Rechtsanwälten zu tun?
Ich möchte den Herrn Kollegen Miessner jetzt um eine Antwort auf die Frage bitten: Wenn Sie mit so großem Nachdruck die gesetzliche Normierung fordern, wollen Sie dann konsequenterweise auch für alle anderen Zweige der Gerichtsbarkeit dasselbe verlangen, wollen Sie sagen, daß auch der Ehescheidungsrichter — ich möchte dann übrigens auch gerne genau wissen auf welchem Gebiet — ähnliche praktische Erfahrungen mitbringen müsse, bevor er in einer Ehescheidungskammer tätig sein könne? Oder wollen Sie sagen, daß nur derjenige Verkehrsrichter werden kann, der vorher drei Jahre Auto gefahren ist?
Herr Kollege, Sie haben das Beispiel der Ehescheidung erwähnt. Ist Ihnen nicht bekannt, daß der in der Ausbildung befindliche Gerichtsreferendar diese Dinge während seiner praktischen Ausbildung von 31/2 Jahren gelernt hat?
Er hat da mit Ehescheidungen zu tun. Mit diesen zivil- und strafrechtlichen Fragen hat er praktisch bereits zu tun gehabt, wenn er Assessor wird, während er mit dein praktischen Fragen der Verwaltung bis dato nichts oder jedenfalls nur sehr wenig zu tun gehabt hat.
— Ich glaube, ich komme besser nachher noch einmal darauf zurück, Herr Kollege.
Ich werde Ihnen nachher sofort das Wort erteilen.
Ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar für diese freundliche Auskunft. Vielleicht können Sie aber doch nachher noch einmal etwas verdeutlichen, was nach Ihrer Meinung ein Gerichtsreferendar in seiner 3 1/2jährigen Ausbildungszeit denn wirklich lernt. Das ist nämlich etwas unklar ge- blieben.
Meine Damen und Herren, im übrigen irrt sich der Herr Kollege Miessner einfach; denn auch der Gerichtsreferendar hat in allen Ländern eine praktische Ausbildung von vielen Monaten innerhalb der Verwaltung und am Verwaltungsgericht durchzumachen. Was er auf idem einen Spezialgebiet, von dem ich soeben gesprochen habe, lernt und erfährt, das kann er sich auch in der Ausbildung als Gerichtsreferendar aneignen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie Frau Kalinke eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege, ich gehöre nicht zur Gewerkschaft der Rechtsanwälte und nicht zu der der Verwaltungsrichter. Ich möchte nur als eines der Mitglieder des Hauses, an die Sie appelliert haben, fragen: Meinen Sie nicht auch, daß es im Interesse der jungen Richter und der Assessoren sein dürfte, noch mehr Erfahrungen und besonders spezielle Erfahrungen zu sammeln? Überfordert man sie nicht, wenn man ihnen zumutet, Entscheidungen über Maßnahmen von Landesregierungen, Regierungspräsidenten und Gemeinden zu treffen? Bitte, sagen Sie doch dazu etwas!
Verehrte Frau Kollegin, zunächst einmal bedürfte es des besonderen Hinweises, daß Sie keiner Gewerkschaft angehören,
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die hier im Hause ihre Meinung sagen will, sicherlich nicht.
Im übrigen muß ich Ihnen leider sagen, daß die Frage, die Sie mir jetzt gestellt haben, sowohl von dem Kollegen Dr. Bucher als auch von mir vorhin sehr ausführlich hier behandelt worden ist. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Es ist unserer Meinung nach wirklich kein Unterschied in der Verantwortung, ob über das Schicksal einer Ehe, einer ganzen Familie, ob über das Schicksal eines Menschen, der vielleicht ein Leben lang die Freiheit entzogen bekommt, entschieden wird, oder ob über einen Verwaltungsakt entschieden wird, den ein Minister, Oberbürgermeister oder Regierungspräsident erlassen hat.
Eine andere sachliche Klarstellung ist nötig. Der Kollege Miessner hat gesagt, daß schon für das Preußische Oberverwaltungsgericht eine Regelung bestanden hat, wie sie hier gefordert wird. Das ist nicht wahr. Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, daß es dafür eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht gab, und auch das stimmt nicht, was über die Zusammensetzung gesagt worden ist. Die Hälfte der Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts waren Kammergerichtsräte, die andere Hälfte kam zum weitaus überwiegenden Teil aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht aus der allgemeinen Verwaltung.Ich meine, man sollte hier nicht mit dem Argument arbeiten, daß bei der Annahme dieses Antrags eine Jahrhunderte alte Erfahrung berücksichtigt und eine Tradition gewahrt werde.Ich möchte den Kollegen Miessner herzlich bitten, sich, wenn er noch einmal über diese Frage spricht, mit meiner Argumentation auseinanderzusetzen, daß es hier nicht um eine Frage der allgemeinen richterlichen und juristischen Qualifikation geht, sondern um die Befähigung, die praktische und persönliche Eignung der Richter. Dazu, Herr Kollege Miessner, haben Sie bisher noch nichts gesagt.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner. — Meine Damen und Herren, ich weiß, daß der Abgeordnete Dresbach sich vorher gemeldet hat. Aber ich bin sicher, daß er es schätzt, wenn ich dazu beitrage, daß bestimmte Fragen unverzüglich zwischen denen ausgetragen werden, die sie aufgeworfen haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir immer wieder, als ob hier irgendwie Komplexe in der Richtung mitspielen, daß der, ich will einmal sagen, „Nurjurist" sich in seiner Hochachtung geschmälert fühlt, wenn es daneben noch Verwaltungsjuristen gibt. Darum dreht es sich aber doch gar nicht.
Ich darf jetzt zu der Referendarausbildung, auf die Kollege Jahn zu sprechen kam, Stellung nehmen, damit wir in der Debatte etwas weiterkommen. Es ist richtig — das ist ja ein Einwand, der vom Rechtsausschuß gemacht worden ist —, daß die Referendarausbildung heute „moderner" ist als noch vor 30 Jahren. Als ich Referendar war, wurde man normalerweise bei Gericht, beim Rechtsanwalt und bei der Staatsanwaltschaft ausgebildet. Es gab aber schon damals Zeiten, Herr Kollege, in denen der Referendar freiwillig auch bei der Verwaltung war. Ich habe als Referendar ein halbes Jahr Verwaltungstätigkeit freiwillig mitgemacht. Das ist erfreulicherweise heute nunmehr Voraussetzung geworden, so daß in der Tat der Jurist, der jetzt mit dem Assessorexamen abschließt, nicht mehr so ganz — laienhaft ausgedrückt — weltfremd diesen allgemeinen Dingen der Verwaltung gegenübersteht. Das ist richtig.
Aber es ist doch ein grundlegender Unterschied — und das wollte ich vorhin sagen, als ich von der Praxis in Ehescheidungsfällen sprach und offensichtlich mißverstanden warden bin. Der junge Referendar wird bei den Gerichten ausgebildet und ist damit schon die ganzen Jahre hindurch in engster Verbindung mit der richterlichen Praxis im Zivil- und Strafrecht. Das muß doch zugegeben werden, meine Damen und Herren!
Das ist doch der Unterschied, daß er nun, wenn er dieses Examen abgelegt hat und bei einem Gericht für Zivil- und Strafsachen eingesetzt wird, nicht als Unerfahrener dort hinkommt, sondern 1 seine mehrjährige Praxis in der Ausbildungszeit nun als verantwortlicher Richter fortsetzt. Es will mir scheinen, daß hier doch ein Unterschied zu der ganz anders gearteten Tätigkeit in der Verwaltung besteht. Dort setzt er im großen und ganzen — wenn er auch einmal kurz hineingeschaut hat — seine Ausbildung nicht fort, sondern kommt in einen neuen Zweig hinein und wird deshalb auch von der Verwaltung noch einmal eine gewisse Zeit eingearbeitet, damit er sich für ein Gebiet spezialisiert. Ich glaube, daß man dieses Argument einfach nicht übersehen kann.
Es mag sein, daß drei Jahre vielleicht zuviel sind. Ich habe mit Freunden ernsthaft überlegt, ob man nicht eine nur zweijährige Praxis vorsehen sollte. Damit würde dem Referendar etwa die gleiche praktische Tätigkeit zugemutet, die der Verwaltungsbeamte zu leisten hat, über dessen Verwaltungsakte er später zu entscheiden hat. Das wäre ein Kompromiß. Vielleicht greift ein Mitglied des Hauses diesen Kompromißvorschlag auf. Grundsätzlich aber überhaupt keine gesonderte Praxis zu verlangen, scheint mir zu wenig zu sein. Ich meine daher, wir sollten die Regierungsvorlage wiederherstellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es will mich schier bedünken,
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Dr. Dresbachals ob hier doch manche gesellschaftlichen Atavismen im Raume schwängen.
— Doch, Herr Kollege Jahn! Das können Sie nicht verstehen; Sie sind noch so glückhaft jung.
So ein alter Geselle von 65 wie ich hat eine größere Übersicht als Sie. Sie wissen nicht, was das Wort Atavismen hier bedeutet. Das geht weit in die Vergangenheit zurück. Das ist der alte gesellschaftliche Gegensatz zwischen Verwaltungsjuristen und Justizjuristen. Hier spielt der königlich-preußische Regierungsreferendar eine Rolle. Ich erinnere an den Traum des Oberlandesgerichtspräsidenten, der geträumt hat, er sei zum königlich-preußischen Regierungsreferendar ernannt worden.
Es sind der Dinge noch mehr.
Vom Herrn Bundesinnenminister ist gesagt worden, daß diese höheren Verwaltungsbeamten die Gardekavallerie darstellten. Ich muß mich entschieden dagegen verwahren, daß die Gardekavallerie hier als die Inkarnation des Vornehmsten hingestellt wird.
Da bin ich Sachverständiger. Das Vornehmste auf dieser Welt war das 1. Regiment der Christenheit, das war das 1. Garderegiment zu Fuß.
Das möge der Herr Bundesinnenminister zur Korrektur seiner militärisch-historischen Kenntnisse entgegennehmen.
Ich darf nun noch etwas zu der Behauptung sagen, daß der Verwaltungsbeamte als Verwaltungsrichter eine fortgesetzte Verwaltungsbeamtentätigkeit ausübe. Einige kleine historische Betrachtungen! Ich spreche hier von Preußen; ich spreche nicht für den süddeutschen, demokratisch stets rein gebliebenen Raum,
sondern für das wechselvolle Preußen.
In Preußen war es doch so, daß jeweils politisch mißliebige höhere Verwaltungsbeamte in die Verwaltungsgerichtsbarkeit oder zu den Rechnungsprüfungsbehörden gesteckt wurden.
So war es um 1920 herum, wo Sie in der Hardenbergstraße die trefflichsten Reaktionäre vomKösener SC — mein Verband war kaum vertreten —
treffen konnten. So war es nach 1933, wo Sie in der Hardenbergstraße oder in Potsdam bei der „Oberräucherkammer" immer noch mit „Guten Tag" grüßen konnten.
Ich habe noch sehr lebhaft in Erinnerung, daß diese auf die Abstellgeleise gesetzten höheren Verwaltungsbeamten als Richter und als unabhängige, fast richterähnliche Beamten der Rechnungsprüfungsbehörden ihre Hauptaufgabe einfach darin sahen, ihre aktiven Brüder im Dienst zu piesacken.
Von einer fortgesetzten Verwaltungsbeamtentätigkeit kann man hier nicht sprechen.Meine Damen und Herren, nun aber zum Gesellschaftspolitischen abschließend eine Bemerkung. Man darf wohl feststellen, daß sich die Justiz in allen diesen Dingen, auch in der Laufbahn, am intaktesten gezeigt hat. Sie hat alle Revolutionen noch am ehesten überwunden. Wir haben aber jeweils im Bereich der höheren Beamtenschaft starke Einbrüche, auch politischer Art, erlebt. In diesem Germanien sind ja nun alle Dutzend Jahre Revolutionen fällig. Ich hoffe, daß es diesmal länger stabil bleiben wird; ich werde mein möglichstes dazu tun. Aber, Herr Jahn, das sind Atavismen, wenn Sie noch mit dem vornehmen Begriff des alten Verwaltungsbeamten vielleicht heimlich spielen. Ich glaube, die Justiz hat eine gesellschaftliche oder sonstige Rehabilitation nicht nötig. Aber in die höhere Verwaltungsbeamtenschaft sind Fremdkörper eingebrochen; und wenn wir hier die höhere Verwaltungsbeamtenschaft etwas geradeziehen wollen, dann ist das fast ein Stück Rehabilitation, denn sie ist, gemessen an der Justiz — der Erfolg dreier Revolutionen —, abgesunken.Das waren meine Betrachtungen mehr gesellschaftspolitischer Art, auch etwas Militärisches aus meiner eigenen königlich-preußischen Gardezeit dazu gesagt.Ich erwarte keinen Beifall.
Herr Abgeordneter Dresbach, Sie verstehen es ausgezeichnet, durch Bescheidenheit Beifall auszulösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir Juristen im Hause haben allen Anlaß, dem Herrn Kollegen Dresbach recht dankbar zu sein, daß er mit seinen launigen Bemerkungen die Atmosphäre etwas aufgelockert hat. Ich befürchte nämlich, daß die nach meiner unmaßgeblichen Meinung ohnedies nicht große Liebe zu den Juristen in diesem Hause sich noch mehr vermindert, wenn es so weitergeht wie bisher.
Ich halte es für keine gute Sache, wenn gerade bei juristischen Themen entgegen der sonstigen Gepflogenheit in diesem Hohen Hause nicht dem Votum des federführenden Ausschusses gefolgt wird, sondern 35 Änderungsanträge kommen. Für besonders schlecht halte ich es, wenn, wie bis zu Ziffer 5 des Änderungsantrags Umdruck 404, Ände
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Memmelrungsanträge kommen, die nicht einmal schriftlich vorliegen. Das ist eine gewisse Zumutung für die nicht juristisch belasteten Mitglieder des Hauses.Nun zur Sache selbst. Meine Damen und Herren, Sie wollen doch alle einen Schritt vorwärts gehen auf dem Wege zum einheitlichen Richter, zu dem Typus des Richters schlechthin. Wenn Sie das wollen, dann dürfen Sie nicht dem Antrag Werber folgen; denn damit würden Sie die ohnedies große Zersplitterung in den einzelnen Gerichtsbarkeiten noch vermehren.Ich würde Sie also bitten, den Antrag Werber und Genossen abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Werber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich vorhin im Namen der Mitglieder des Innenausschusses den Antrag begründet habe, habe ich mir nicht geschmeichelt, daß eine so ausführliche Debatte entstehen und sogar der Herr Kollege Dresbach einen so hervorragenden Beitrag zur Diskussion liefern würde. Vor allem bin ich dem letzten Redner sehr dankbar; denn er hat noch einmal auf das Grundsätzliche zurückgeführt.
Und, Herr Kollege Jahn: Es ist nicht richtig, daß es nicht erlaubt wäre, hier von einer Gewissensfrage zu sprechen. Es ist eine politische Entscheidung; darin werden Sie mit mir übereinstimmen. Wenn eine politische Entscheidung von Bedeutung in einem so wichtigen Gesetz, über das in zwei Legislaturperioden verhandelt worden ist, getroffen wird, dann kann man auch von einer Gewissensfrage sprechen; und ich nehme das für mich in Anspruch.
Der Herr Vorredner hat, wie gesagt, noch einmal darauf hingewiesen — und dafür bin ich ihm dankbar —, daß es sich in diesem Gesetz darum handle, den Einheitsrichter zu schaffen, also um ein Präjudiz für das Richtergesetz. Für die Klarstellung bin ich dankbar, weil wir vom Innenausschuß gerade das Gegenteil meinen. Wir wollen eben nicht den Einheitsrichter, sondern wir wollen haben, daß die besonderen Verhältnisse der einzelnen Gebiete, soweit notwendig, berücksichtigt werden. Mit keinem Argument, Herr Kollege Jahn, ist darauf eingegangen worden, daß die logische Folge der Annahme der Fassung des Rechtsausschusses wäre, daß auch das Arbeitsgerichtsgesetz und das Sozialgerichtsgesetz über kurz oder lang zu ändern wäre, und das wollen Sie ja letzten Endes. Es wäre mir recht gewesen, wenn Sie es gesagt hätten; denn dann wäre die ganze Front noch klarer.
— Es ist aus den Worten des Vorredners klar hervorgegangen.
Meine Damen und Herren, ich kann mich kurz fassen. Es ist sowieso am Freitag schwierig, die Dinge bei guter Besetzung des Hauses zu Ende zu bringen. Ich glaube, die Frage ist entscheidungsreif.
Viele neue Argumente können nicht mehr vorgebracht werden. Das Hohe Haus muß sich entscheiden, ob es den Weg zum Einheitsrichter gehen will oder dem Innenausschuß und ,der Bundesregierung folgen will, die auf dem Standpunkt stehen, daß gesetzlich verankerte Vorschriften über Erfahrungen des Verwaltungsrichters auf dem Gebiet der Verwaltung nötig sind.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Meine sehr verehrten Herren und Damen Kollegen! Da ich mit Herrn Kollegen Werber, der jetzt so eifrig für seinen Antrag geworben hat, die parlamentarischen Klingen gekreuzt habe, liegt schon einige Jahre zurück. Ich freue mich, es diesmal in einer sachlichen Atmosphäre wieder tun zu können. Aber ich kann ihm nicht folgen. Er hat es nicht verstanden, mich für seine Ausführungen zu erwärmen; er konnte mich nicht werben.
Herr Kollege Werber, trotzdem war Ihr Schlußwort insofern sehr aufschlußreich, als Sie sagten, es werde sich hier um eine politische Frage handeln. Ich bin allerdings der Auffassung, daß es vor allem eine Frage der Zweckmäßigkeit ist. Ich muß Ihnen auch insofern widersprechen, als Verwalten und Rechtsprechen wirklich etwas ganz Verschiedenes ist. Wenn der Referendar und wenn schon der Student in weitem Umfange mit öffentlichem Recht vertraut gemacht wird und wenn der Referendar außerdem die Rechtsprechungspraxis kennenlernt, dann ist das eine gute Synthese, auf Grund derer er imstande ist, nachher die Aufgaben in allen Zweigen der Rechtsprechung zu erfüllen.
Ich will jetzt nicht mehr viele Worte machen; die Gründe und die Gegengründe sind schon ausführlich dargelegt worden. Ich möchte aber noch folgendes sagen: Wenn man die Befürworter dieses Antrags hört, könnte man glauben, daß, wenn der Antrag abgelehnt würde, überhaupt keine Richter mit Verwaltungserfahrung mehr in die Verwaltungsgerichte kämen. Etwas Derartiges ist überhaupt nicht beabsichtigt. Ich kann insofern auf das verweisen, was Herr Kollege Jahn ausgeführt hat, daß das eine Sache der Personalpolitik ist. Wir können die Exekutive in der Auswahl der Richter nicht gesetzlich in der Form binden, die hier vorgesehen ist. Ich komme aus dem „süddeutschen rein demokratischen Raum". und möchte bestätigen, daß auch ohne eine derartige gesetzliche Regelung die Zusammensetzung der Richter an den Verwaltungsgerichten bei uns durchaus zufriedenstellend gewesen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
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4590 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als einer der Unterzeichner des Antrags möchte ich hier doch noch einmal klarstellen, daß die einheitliche Laufbahn der Richter durch diesen Antrag nicht unterbrochen wird. Über eins, meine Damen und Herren, sind wir uns sicher alle klar: daß die Spezialisierung auch auf den verschiedenen Rechtsgebieten nicht aufgehalten werden kann. Wenn der Gesetzgeber hier einen entsprechenden Hinweis gibt, ist das für die Gerichte nur von Vorteil.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht ganz kurz. Ich möchte mich nur ich glaube dabei im Namen sehr vieler Kollegen aus dem Rechtsausschuß zu sprechen — mit aller Deutlichkeit von der Unterstellung des Herrn Kollegen Werber distanzieren, daß hier ein Einheitsrichter angestrebt würde. Ich habe auch Herrn Kollegen Memmel nicht so verstanden. Er hat vom einheitlichen Richtertyp geredet. Ich mache mir das Wort nicht zu eigen. Ich vermute, er meint damit, daß das eigentlich Richterliche, nämlich die Objektivität des Denkens, die Unabhängigkeit des Denkens und die Unbefangenheit des Denkens, alle Richter jeden Gerichtszweiges in der gleichen Weise auszeichnen muß. Ich glaube nicht, daß Herr Kollege Memmel mehr oder etwas anderes gemeint hat.
Dagegen hoffe ich, daß niemand hier im Hause ist, der etwa an eine Art Eintopfrichter denkt, einen Mann, der heute über Jugendfragen entscheidet, der morgen Ehen scheidet und der am dritten Tage über Verwaltungsakte und ähnliches mehr urteilt. Das wäre ein ganz grober Unfug. Herr Kollege Jahn hat das sehr deutlich ausgeführt: zur Fähigkeit des rechtswissenschaftlichen Denkens muß bei jedem Richter die persönliche und sachliche Eignung hinzukommen. Das ist für einen Richter, der über Patentsachen entscheidet, in keiner Weise anders als bei einem Richter, der über Verwaltungssachen entscheidet, bei einem Jugendrichter nicht anders als bei einem Arbeitsrichter.
Durch die Antragsteller wird vollkommen verwischt, daß persönliche und sachlich-fachliche Eignung selbstverständlich für jeden Richter in je gleichwertiger Weise erforderlich sind. Einen Einheitsrichter also wünscht hier kein Mensch. Aber — um Herrn Kollegen Dresbach zu zitieren —: es wünscht auch keiner von uns, daß innerhalb der Richterschaft ein Zweig glaubt — ich habe das von Ihnen gelernt —, daß er das Garderegiment zu Fuß sei.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht nur eine Frage der Eignung oder der Erfahrung, sondern vor allem eine Frage des geistigen Standortes des Richters. Ich persönlich bin durch 25 Jahre hindurch Zivilist und weiß, daß ich als Zivilist zunächst einmal individualistisch erzogen bin und die Rechtsprobleme vom individualistischen Standpunkt sehe und verstehe.
Ich habe die Freude gehabt, vier Jahre lang ein Ministerium für Arbeit, Soziales und Wiederaufbau zu leiten. Da habe ich erkannt, insbesondere im Verhältnis der Verwaltung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, daß es ganz entscheidend darauf ankommt, daß wir in der Verwaltungsgerichtsbarkeit Menschen haben, deren geistiger Standort vom Gemeinwesen her bestimmt wird und nicht ausschließlich vom Interesse des einzelnen.
Aus diesem Grunde habe ich mich für den Antrag Werber — Wiederherstellung der Regierungsvorlage — ausgesprochen. Ich meine, wir brauchen unter allen Umständen Menschen, die im Umgang mit dem Gemeinwesen auch die übergeordneten Belange der Allgemeinheit in der Verwaltung sehen und durchsetzen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag Umdruck 399 Ziffer 1. Danach sollen in § 15 die vom Ausschuß gestrichenen Absätze 3 und 5 der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden.
— Haben Sie einen Zweifel, Herr Abgeordneter Dr. Weber?
- Es ist nicht ganz die Regierungsvorlage, nein,aber im wesentlichen die Regierungsvorlage, mit dem Unterschied von „muß" und „soll".Wer für den Änderungsantrag ist, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ersteres war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.Wir stimmen nunmehr über § 15 in der durch diese Abstimmung geänderten Fassung ab. Wer dem Paragraphen zustimmen will, möge die Hand erheben.— Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.§ 16 entfällt an dieser Stelle.§ 17. Dazu liegt kein Änderungsantrag vor. Wer § 17 in der Ausschußfassung zustimmen will, möge die Hand erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.§ 18. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 399 Ziffer 2 vor. Er ist eine logische Folge der Abstimmung, die wir soeben vorgenommen haben. Wer dem Antrag Umdruck 399 Ziffer 2 zustimmen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4591
Vizepräsident Dr. Schmidwill, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Wer § 18 in der so geänderten Fassung zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.§ 19 ist unverändert. Wer § 19 zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Zu § 20 liegt der Antrag Umdruck 404 Ziffer 6 vor. Wer begründet ihn? — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will im Hinblick auf die vorgerückte Zeit nicht auf die Erörterungen der Sachverständigen im Rechtsausschuß zurückkommen. Entscheidend ist, daß auch der § 20 in der vom Rechtsausschuß beschlossenen Fassung nicht unserer Auffassung von der Stellung der ehrenamtlichen Richter entspricht. Wir hätten gewünscht, daß auch die ehrenamtlichen Richter zumindest den Urteilstenor unterzeichnen sollten. Mit Rücksicht auf die Haltung, die die Mehrheit im Rechtsausschuß eingenommen hat, beschränken wir uns auf den vorliegenden Antrag. Danach soll der ehrenamtliche Richter eine Abschrift der vollständigen Urteilsausfertigung erhalten. Wir bitten Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nach unserer Auffassung unnötig, ja sogar schädlich, wenn neben den Prozeßakten des Gerichts noch private Prozeßakten der einzelnen Gerichtsmitglieder, seien sie nun Berufsrichter oder Laienrichter, geführt werden. Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Wir stimmen ab. Wer dem Antrag Umdruck 404 Ziffer 6 zustimmen will, erhebe die Hand. — Gegenprobe! — Ich bitte die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer dafür ist, erhebe sich. — Gegenprobe! Es bestehen Zweifel, welches die Mehrheit ist; wir müssen auszählen. —
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben 285 Mitglieder des Hauses; mit Ja haben gestimmt 139, mit Nein 146, eine Stimmenthaltung. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr zur Abstimmung auf die §§ 20, — 21, — 22, — 23, — 24, — 25, — 26, — 27, —28, — 29, — 30, — 31, — 32, — 33, —bis § 34 einschließlich. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
§ 34a. Umdruck 404 Ziffer 7 enthält einen Änderungsantrag. Ziehen Sie Ihren Antrag zurück?
— Der Änderungsantrag auf Umdruck 404 Ziffer 7 wird also zurückgezogen.
Der Antrag Umdruck 404 Ziffer 8 betrifft die Überschrift des 4. Abschnittes — vor § 35 —. Das Wort hat der Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir obliegt die Begründung unseres Änderungsantrages zum 4. Abschnitt in den Ziffern 8, 9, 10 und 11 auf Umdruck 404.Ich möchte vorausschicken, daß es sich um keine Änderung in der Sache selbst handelt, sondern daß wir einer Einrichtung, die in etwas verschiedenen Farben schillert, nur ein anderes Etikett geben wollen. Der 4. Abschnitt der Verwaltungsgerichtsordnung handelt vom sogenannten Vertreter des öffentlichen Interesses. In den Vorschriften dieses Abschnittes ist klar zum Ausdruck gebracht, daß sich der Vertreter des öffentlichen Interesses — ich will ihn der Kürze halber VÖI nennen — an anhängigen Verfahren beteiligen kann.Was nun den Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht anbelangt, so muß gesagt werden, daß diese Rechtsinstitution bereits mit Verabschiedung des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes geschaffen worden ist. Aber schon in den Vorberatungen zum Bundesverwaltungsgerichtsgesetz ist sichtbar geworden, daß der Oberbundesanwalt auf der einen Seite gewissermaßen Verwaltungsbeamter, also an Weisungen gebunden sein soll, zum anderen aber eine richterähnliche Stellung haben und über den Interessen stehen soll. Wie soll er aber — diese Frage zu stellen muß erlaubt sein — glaubhaft das sogenannte öffentliche Interesse wahren können, wenn seine Position in dem Maße geschmälert wird, als ihm die Funktion eines Vertreters der Kabinettsmeinung zugeschoben wird? Die Wahrnehmung des echten öffentlichen Interesses muß doch insoweit beeinträchtigt werden, als dieser Oberbundesanwalt in die Rolle eines Beteiligten hineingedrängt wird.Wir meinen, es sollte im demokratischen Rechtsstaat klar gekennzeichnet werden, daß eine Parteirolle im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dadurch verwischt werden kann, daß man versucht; der Meinung einer Regierung als Partei während des Verfahrens sozusagen den Anschein zu geben, als objektiviere sich in ihr das öffentliche Interesse. Bei der damals ziemlich einhellig beschlossenen Einrichtung des Oberbundesanwalts wurde klar ersichtlich, daß er den Weisungen der Bundesregierung unterworfen sein soll und daß er als Institution mit politischem Akzent jederzeit abberufen werden kann.Auch der Versuch, den Oberbundesanwalt mehr als Sachverständigen zu charakterisieren, der Informationsmaterial vorträgt — und dieser Versuch ist in den Beratungen des Rechtsausschusses gemacht worden —, kann doch schließlich nicht davon ablenken, daß der Oberbundesanwalt in dieser Konstruktion überwiegend Interessen wahrzunehmen hat. Man kann die Interessen zwar als übergeordnet
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Bauer
bezeichnen, der Begriff „öffentliches Interesse" ist hier jedoch keineswegs angebracht..Viel deutlicher wird die Problematik der Zwitterstellung dieses Vertreters des angeblichen öffentlichen Interesses auf Landesebene. Nach der bisher in sieben Ländern gültigen Regelung soll ihm nämlich — und das sieht der Entwurf des Rechtsausschusses vor — allgemein oder für bestimmte Fälle die Vertretung eines Landes oder einer Landesbehörde übertragen werden können. Dabei unterliegt er den Weisungen der Landesregierung. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß er — bei Klagen gegen den Staat — in einer Person sowohl das öffentliche Interesse wahrnehmen als auch gleichzeitig Vertreter des Staates im Sinne einer Partei sein soll.Wenn nun in dem Bericht auf Drucksache 1094 zu lesen steht, daß der Rechtsausschuß den wertvollen Beratungsergebnissen des Innenausschusses weitgehend gefolgt sei, so trifft das hier — ich möchte persönlich hinzufügen: leider — nicht zu. Der Innenausschuß hatte nämlich in Würdigung der nun einmal gegebenen Sachlage vorgeschlagen, dem Vertreter des öffentlichen Interesses solle die Vertretung des Beklagten, also des Staates, nicht übertragen werden können. Man kommt nun einmal an dem unangenehmen Ergebnis nicht vorbei, daß der schlichte Rechtsuchende sich zwei Persönlichkeiten gegenübergestellt sieht, dem Behördenvertreter als seinem Prozeßgegner und darüber hinaus diesem Vertreter des öffentlichen Interesses, von dem doch — darüber sollten wir uns klar sein — der Staatsbürger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet, daß er sich auf die Seite des Behördenvertreters schlägt und sich doch zumeist auch in dieser Richtung einordnen wird.Ganz augenfällig wird dieses Moment des „Überwucherns" bei der Frage, wo dieser Vertreter des öffentlichen Interesses Platz nehmen soll, ob neben dem Vertreter der Behörde oder am Gerichtstisch. Dieses Bild haben wir in Alt-Baden gehabt, wo er im Talar am Richtertisch Platz genommen hat. Etwas Ähnliches haben wir heute noch in Baden-Württemberg, wo der Vertreter des öffentlichen Interesses sein Amtszimmer im Verwaltungsgericht selbst hat.Diese Erfahrungen haben neben der praktischen Auswirkung im Verfahren selbst dazu beigetragen, daß einige Mitglieder des Rechtsausschusses — mit guten Gründen — die Abschaffung dieses Instituts des beamteten Vertreters des öffentlichen Interesses überhaupt befürwortet haben, eben deshalb, weil er ein Überbleibsel obrigkeitsstaatlicher Geschichte und entbehrlich sei. Wenn sich der Rechtsausschuß dem nicht angeschlossen hat, dann wohl vornehmlich deshalb, weil insbesondere namhafte bayerische Juristen über die Einrichtung, die dort von altersher Staatsanwalt heißt, in so rosigen Farben berichtet und diese Institution als in Bayern auf Grund 80jähriger Tradition so eingebürgert und bewährt bezeichnet haben, daß man sie nicht beseitigen wollte. Wenn auch unterstellt werden kann, daß der bayerische Vertreter des öffentlichenInteresses bisweilen zur objektiven Rechtsfindung einen nützlichen Beitrag geleistet und wenigstens den Anflug einer unabhängigeren Haltung gezeigt hat, kommt man gleichwohl an der Zwielichtigkeit und Schwierigkeit des Begriffs „Interesse" in diesem Zusammenhang nicht vorbei.Kann man wirklich unter „öffentliches Interesse" all das einordnen, was genannt wird: Interesse des Staates als Partei im bestimmten Verfahrensfall, oder: Interesse des Fiskus, Interesse von Ressorts oder Behörden, Interesse der Regierung, allgemeines Staatsinteresse? Wer kann eindeutig beantworten, ob das Obsiegen des Fiskus im öffentlichen Interesse liegt?Unsere Bedenken wegen des vielschichtigen Begriffs „öffentliches Interesse" sind im Rechtsausschuß auch von qualifizierten Juristen geteilt worden. Sie können, wenn Sie sich die Mühe machen, in den Protokollen nachlesen, daß sowohl maßgebliche Sprecher des Bundesinnenministeriums wie auch Sachverständige aus oberstgerichtlicher Rechtsprechung und der Wissenschaft bekundet haben, daß der Begriff des öffentlichen Interesses schwammig, zu farblos sei, daß man die Karten offen auf den Tisch legen solle und daß eine exaktere Formulierung im Sinne einer Akzentverschiebung erwünscht sei. Schließlich hat der Herr bayerische Staatsanwalt Groß, vielleicht der erfahrenste Sachverständige für diese Rechtsfigur des VÖI im Rechtsausschuß vorgetragen, für die Beibehaltung des Begriffs „Vertreter des öffentlichen Interesses" spreche lediglich, daß der Staatsanwalt beim Verwaltungsgericht von jeher diese Bezeichnung gehabt habe und daß damit diese Bezeichnung in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gedrungen sei. Tatsächlich sei dieser Ausdruck nicht genau, der Vertreter des öffentlichen Interesses gehöre zur Exekutive, die ihrerseits durch die Staatsregierung bestimmt werde. Denn das Parlament könne nicht bestimmen, wie die Regierung in einer Einzelfrage Stellung zu nehmen habe. Daß die Regierung bestimme, was „öffentliches Interesse" sei, werde völlig offenbar in Zeiten politischer Spannungen, in politischen Prozessen. Er hat hinzugefügt, er sei durch das Bayerische Innenministerium ermächtigt, zu erklären, daß Bayern an der Bezeichnung „Vertreter des öffentlichen Interesses" keineswegs — nur deshalb, weil sie immer so gewesen sei — festzuhalten wünsche. Wenn eine passendere Bezeichnung — und darauf kommt es hier an — gefunden werde, werde man sich durchaus nicht gegen deren Übernahme wenden.Nun, meine Damen und Herren, wir glauben, eine annehmbare Bezeichnung gefunden zu haben, die den, Vorzug hat, klar und ehrlich zu sein. Wir wollen den Staatsvertreter des öffentlichen Interesses — wie er im Entwurf heißt — des 4. Abschnitts so benannt wissen, wie es nach Maßgabe seiner Aufgabenstellung und wie es nach seiner Tätigkeit im Verfahren auf Landesebene überwiegend gerechtfertigt ist und wie er dort in Erscheinung tritt, nämlich in einer Parteirolle. Wir wollen sagen ,,Vertreter der Regierung" als Generalbegriff und als Überschrift für den 4. Abschnitt. Wir wollen im einzel-
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Bauer
nen sagen „Interesse der Bundesregierung" für die Charakterisierung des Oberbundesanwalts und „Interesse der Landesregierung bzw. des Senats" für die Funktion auf Landesebene.Wenn Sie so beschließen, haben Sie sowohl zur Gesetzeswahrheit als auch zur Gesetzesklarheit beigetragen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich dem Antrag der SPD zu Abschnitt 4 des Gesetzes an. Der gegebenen Begründung möchte ich nur noch weniges hinzufügen.
Auch ich war ursprünglich ein Gegner dieser Institution, weil ich darin etwas Zwitterhaftes oder, wie Herr Kollege Bauer sagte, Zwielichtiges gesehen habe. Ich ließ mich dann aber davon überzeugen, daß es in vielen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zweckmäßig ist, wenn die Bundes- oder Landesregierung ihren Standpunkt zur Geltung bringen kann, insbesondere in Verfahren, in denen als Partei Gemeinden oder Gemeindeverbände beteiligt sind und nicht die Regierung selber. Weniger dürfte es in Frage kommen, daß etwa der Standpunkt der Bundesregierung gegenüber einem Ressortstandpunkt zum Ausdruck kommt; das wird wohl vorher abgeglichen werden. Aber für die anderen Fälle, glaube ich, hat sich eine solche Institution bewährt. Auch das, was uns dazu aus Bayern berichtet wurde, war sicherlich eindrucksvoll.
Wenn man den „Vertreter des öffentlichen Interesses", wie er hier nun einmal steht, schafft, dann soll man auch dafür sorgen, daß es wirklich kein Zwielicht gibt.
Entschuldigen Sie, wenn ich hier einige Sätze eines collegium logicum einschalte. Bei solchen Dingen muß man sich immer den logischen Grundsatz vom ausgeschlossenen Dritten vergegenwärtigen. Er bedeutet, daß man einer Sache oder Person von zwei einander widersprechenden Eigenschaften immer nur eine beilegen kann. Es kann etwas schwarz oder weiß, hart oder weich, aber nicht beides zugleich sein. Sehen wir unter Beachtung dieses Grundsatzes in einen Saal hinein, in dem ein Prozeß verhandelt wird! Es gibt da zwei Kategorien von Beteiligten. Zu der einen Gruppe gehören diejenigen, die Interessen vertreten, sei es als Kläger, sei es als Beklagter, als Staatsanwalt oder als Angeklagter. Die anderen sind die, die das Recht suchen und finden müssen. Etwas Drittes gibt es nicht, tertium non datur. Zu welcher Gruppe soll nun die Institution gehören, die wir hier schaffen? Wenn wir nur vom „Vertreter des öffentlichen Interesses" reden, wissen wir es nicht. Das oberste öffentliche Interesse ist zweifellos, daß bei Gerichten Recht gesprochen wird, daß nicht das eine oder das andere Interesse obsiege, weil es stark ist, sondern daß das Recht, soweit menschenmöglich, verwirklicht wird. Es ist doch klar, daß der Mann, der hier auftreten soll, der Oberbundesanwalt — diese
Bezeichnung ist sehr gut: er ist der Anwalt des Bundes — oder der Staatsanwalt — er ist der Anwalt des Staates —, Interessen wahrnehmen soll, und zwar berechtigte, sehr wichtige Interessen. Man kann sie auch öffentliche Interessen nennen; aber man stellt doch in diesem Zusammenhang mit der Formulierung „Vertreter des öffentlichen Interesses" dieses öffentliche Interesse, das das Regierungsinteresse ist, dem höheren öffentlichen Interesse an der Rechtsfindung gleich. Eben das führt zu den Zwielichtigkeiten, von denen Herr Kollege Bauer gesprochen hat und die wir vermeiden sollten.
Deshalb halte ich es für richtiger, dem Änderungsantrag entsprechend vom „Vertreter des Interesses der Bundesregierung" oder „der Landesregierung" zu sprechen. Es handelt sich dabei nicht nur darum — Herr Kollege Benda wind mir gestatten, daß ich von ihm zu erwartenden Einwand vorwegnehme —, daß ein anderer Name 'eingesetzt wind. Es sind, wie Sie sehen, nur drei Paragraphen in diesem Abschnitt. Mit dem anderen Namen, der überall in diesen Paragraphen eingesetzt wird, wird die Sache zwar nicht geändert, aber klargestellt.
Ich bitte Sie deshalb, dem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Ausführungen der beiden Kollegen, die soeben gesprochen haben, klang doch ein gewisses Unbehagen über die Institution des — ich darf den Ausdruck gebrauchen — Vertreters des öffentlichen Interesses durch. Beide Kollegen und die Fraktionen, für die sie hier gesprochen haben, wollen an der Sache nichts ändern. Es mag richtig sein, Herr Kollege Dr. Bucher, daß der andere Name einen anderen Akzent setzt; ich will zugeben, daß damit eine gewisse andere Richtung dieser Institution angedeutet werden soll. Ich meine aber, daß meine beiden Vorredner von der Aufgabe des Vertreters des öffentlichen Interesses — des Oberbundesanwalts und der entsprechenden Institution bei den Ländern — nicht die richtigen Vorstellungen haben, daß sie hier einfach etwas unterstellen. Ich will hier nicht polemisch erörtern, ob zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit und dem Interesse der Bundesregierung oder einer Landesregierung ein Gegensatz bestehen könne oder müsse, sondern nur darauf aufmerksam machen, daß jedereinzelne Bundesminister und jeder einzelne Landesminister den Eid geleistet haben, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben, so daß es in einem Prozeß die Aufgabe desjenigen, der die Bundesregierung oder eine Landesregierung vertritt, ist, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen.
Nun darf ich noch mit wenigen Worten auf das aufmerksam machen, was zu dieser Institution gerade vor wenigen Tagen in Berlin anläßlich der Einführung des neuen Oberbundesanwalts gesagt worden ist. Ich darf auf die sehr aufschlußreichen Bemerkungen hinweisen, die sowohl Herr Staatssekretär Dr. Anders als auch der neue Oberbundes-
Benda
anwalt zu dieser Institution gemacht haben; ich will sie nicht verlesen, sie sind ja veröffentlicht, und jeder von Ihnen wird sie kennen. Ich möchte nur mit einigen wenigen Worten darauf eingehen.
In Berlin haben beide Redner, nach meiner Meinung mit vollem Recht und in voller Übereinstimmung mit dem bisher geltenden Recht, herausgestellt, daß es gerade nicht die Aufgabe des Oberbundesanwalts beim Bundesverwaltungsgericht ist, dort einseitige Parteiinteressen zu wahren. Herr Staatssekretär Dr. Anders hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es geradezu einer der Grundsätze des Oberbundesanwalts sein solle, sich nicht an Prozessen zu beteiligen, bei denen Bundesbehörden Prozeßpartei sind. Der Oberbundesanwalt solle vielmehr bei der Frage, ob er sich beteiligen solle, die Fälle herausnehmen, die typisch seien, die grundsätzliche Bedeutung hätten, aber nicht solche Fälle, bei denen ein spezielles Interesse der Bundesregierung oder eines Bundesministeriums in Frage stehe.
Es ist weiter darauf hingewiesen worden, daß die Weisungsgebundenheit des Oberbundesanwalts, die ja in dem Gesetzentwurf enthalten ist und die offenbar niemand ändern will - Herr Kollege Bauer, Sie haben das vorhin erwähnt , unter anderem dazu dient, den Gegensatz zwischen reinen Ressortinteressen und den übergeordneten Interessen der Allgemeinheit, denen zu dienen die Bundesregierung verpflichtet ist, zu überbrücken und dieser überwiegenden Interesse im Gegensatz zu dem Spezialinteresse eines Ministeriums zum Siege zu verhelfen.
Weiter - und das als letzter Punkt -: Der neue Oberbundesanwalt hat selber gesagt, es sei eine der vornehmsten Aufgaben dieser Institution des Oberbundesanwalts beim Bundesverwaltungsgericht, zu verhindern, daß die Behörde in Fällen, in denen dies sachlich nicht gerechtfertigt ist, zuungunsten des Bürgers Revision einlegt, und damit nicht nur der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, sondern unnütze Prozesse im Interesse der Allgemeinheit, der Öffentlichkeit zu vermeiden.
Nur auf diese Stichworte möchte ich mich beschränken. Es ist darüber auch noch sehr viel mehr und sehr viel Beachtenswertes gesagt worden. Das alles sind doch Dinge, von denen man nicht einfach sagen kann: Das ist das Interesse einer Regierung, sei es Bundes- oder Landesregierung. Deswegen glaube ich, der Name „Vertreter des öffentlichen Interesses" ist nicht nur aus Traditionsgründen, sondern aus der Sache heraus gerechtfertigt, nicht nur weil er sich bewährt hat, sondern weil mit ihm zutreffend das ausgedrückt ist, was wir dieser Institution an Geist geben wollen, ein Geist, in dem sie bisher gearbeitet hat und nach unserer Überzeugung auch in Zukunft arbeiten will. Aus diesen Gründen meinen wir, an diesem Namen festhalten zu sollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wir können in einem über die Ziffern 8, 9, 10 und 11 des Antrags Umdruck 404 abstimmen.
Danach werden wir über den Änderungsantrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 399 abstimmen.
Zunächst also die Ziffern 8, 9, 10, 11 des Antrags Umdruck 404; es handelt sich um die Umwandlung des Namens. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dafür ist, der möge sich erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Es besteht keine Einigung im Präsidium, wir müssen wieder auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben 271 Mitglieder des Hauses, also rund 30 weniger als vor zehn Minuten, abgestimmt; wir nähern uns dem Freitagnachmittag. Mit Ja haben 130, mit Nein 140 Mitglieder des Hauses gestimmt; ein Mitglied hat sich der Stimme enthalten. Die Anträge unter den Ziffern 8, 9, 10 und 11 des Umdrucks 404 sind abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 399 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. Darf ich den Herrn Antragsteller bitten, sich zu äußern, ob er zustimmen will.
- Umdruck 399 Ziffer 3. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben.— Von den Unterzeichnern haben drei für den Antrag gestimmt. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr zur Abstimmung die §§ 35, -
35a, - 35b, - 36, - 37, - 38, - 39, - 40, - 41,
- 42, - 43, - 44, - 45, - 46, - 47, - 48 auf. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einmütige Annahme fest.
Zu § 49 liegt auf Umdruck 397 Ziffer 1 ein Änderungsantrag vor. Wer begründet diesen Antrag?
- Der Antrag wird nicht begründet.
Wer dem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Nun stimmen wir über den § 49 in der geänderten Fassung ab. Wer zustimmen will, erhebe die Hand. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe die §§ 50, - 51, - 52, - 53, - 54, - 55, - 56, - 57, - 58, - 59, - 60, - 61, - 61a,
- 62 und 63 auf. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Zu § 64 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 397 Ziffer 2a vor. Wer begründet den Antrag?
- Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Das ist die Mehrheit.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85, Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4595
Vizepräsident Dr. Schmid
Antrag Umdruck 404 Ziffer 12! Wer begründet den Antrag?
— Ist erledigt.
Dann stimmen wir über den § 64 in der geänderten Fassung ab. Wer zustimmen will, der möge das Handzeichen geben. — Einstimmige Annahme.
Zu § 65 liegen ebenfalls zwei Änderungsanträge vor. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag Umdruck 397 Ziffer 2b auf. — Keine Begründung. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. — Einstimmige Annahme.
Entfällt damit der Antrag Umdruck 404 Ziffer 13? Wird er zurückgezogen?
Wer dem abgeänderten § 65 zustimmen will, ebenso den §§ 65a, 66, 67, 68, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
§ 69! Hierzu liegen vier Änderungsanträge vor. Zunächst Umdruck 397 Ziffer 3. Wird der Antrag begründet? — Auf Begründung wird verzichtet. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 397 Ziffer 3 ab. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. — Einmütige Annahme.
Nunmehr Änderungsantrag Umdruck 401 Ziffer 1. Danach soll zwischen Satz 1 und Satz 2 folgender Satz eingefügt werden:
Bei Verfahren in Steuersachen sind als Bevollmächtigte auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer zugelassen.
Wird der Antrag begründet? —
— Dann bitte ich diejenigen Mitglieder des Hauses, die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. —Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag Umdruck 402 Ziffer 1, in § 69 den Abs. 5 zu streichen. Auch hierzu keine Begründung? — Bitte, Frau Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei § 69 handelt es sich um folgendes: Der Rechtsausschuß hat sich entschlossen, den Anwaltszwang einzuführen, soweit es sich um Berufungs- und Revisionsverfahren handelt. Ich darf darauf hinweisen — wenn auch der Punkt noch nicht aufgerufen wurde —, daß ein Antrag der SPD-Fraktion vorliegt, die diesen Anwaltszwang wieder beseitigt wissen will, soweit es sich um das Berufungsverfahren handelt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gleich auch zu dieser Frage Stellung nehmen.Unser eigener Antrag beruht auf der Auffassung, daß es, wenn wir den Anwaltszwang haben, so wie er bei der Zivilgerichtsbarkeit vorgeschrieben ist, nicht mehr als richtig und logisch und einheitlich ist, daß sich auch die Behörden, wenn sie Prozesse vor den Obergerichten führen, durch Anwälte vertreten lassen müssen. Deshalb haben wir die Streichung des § 69 Abs. 5 beantragt.Besonders wegen des Antrags der SPD muß ich trotz der vorgerückten Zeit etwas darüber sagen, warum der Anwaltszwang bei Obergerichten angebracht ist. Wir Juristen, besonders wir Anwälte, sind uns bewußt: wir sind gar nicht immer sehr beliebt. Aber die Mandanten brauchen uns, sie kommen und fragen: Was ist los? Was kann da gemacht werden?Bei der Beratung der Verwaltungsgerichtsordnung kam zur Sprache, daß die Verwaltungsgerichte, besonders auch die Oberverwaltungsgerichte und der Verwaltungsgerichtshof, außerordentlich stark belastet sind. Wenn das so ist, muß man natürlich nach den Ursachen fragen. Es kommt doch einer Rechtsverweigerung nahezu gleich, wenn ein rechtsuchender Bürger ein Urteil nicht innerhalb einer angemessenen Frist bekommt und wenn eine mündliche Verhandlung unter Umständen erst viele Monate nach Einlegung der Berufung oder Revision stattfindet.Wir sind nun der Auffassung, daß die notwendige Vertretung durch Anwälte, also die Notwendigkeit, daß ein Rechtsuchender sich mit einem Rechtskundigen berät, bevor er ein Rechtsmittel einlegt, zu einer Entlastung der oberen Gerichte beiträgt. Welche Aufgaben hat denn der Anwalt? Er hat seinen Mandanten zunächst über die Rechtslage zu l unterrichten. Diejenigen Kollegen, die sich so sehr für die besondere, zusätzliche Ausbildung der Verwaltungsrichter in der Verwaltung ausgesprochen haben, haben insbesondere darauf hingewiesen, wie kompliziert heute die Verwaltung ist. Dazu möchte ich sagen, daß das Verwaltungsrecht nicht weniger kompliziert ist als die Verwaltung und daß gerade im Verwaltungsrecht umfassende Rechtskenntnisse nötig sind, um beurteilen zu können, ob eine Berufung oder gar eine Revision Aussicht auf Erfolg hat. Eine Rechtsberatung ist deshalb unerläßlich, und diese findet durch den Anwalt statt.Welche Aufgaben hat der Anwalt weiterhin? Wenn richtig Recht gesprochen werden soll, kommt es in erster Linie darauf an, festzustellen, um was für einen Sachverhalt, um was für einen Tatbestand es sich handelt. Der Laie ist nicht in der Lage zu erkennen, welche Tatumstände für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sind. Hier setzt eine den Gerichten nicht ins Auge fallende Tätigkeit der Anwälte ein, die — ich muß Ihnen das aus meiner eigenen Praxis sagen — oft sehr viel Geduld und sehr viel Zeitaufwand erfordert. Man kann mir jetzt auch nicht entgegenhalten: Das ist ja schon die zweite Instanz, gegebenenfalls die dritte Instanz. Wir Anwälte stoßen im Gespräch mit Mandanten, die in erster Instanz nicht anwaltlich vertreten waren, immer wieder auf Tatumstände, die für die rechtliche Beurteilung vielleicht von ausschlaggebender Bedeutung sind und vorgetragen werden müssen.
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Frau Dr. Diemer-NicolausDer Anwaltszwang führt dazu, daß manche Berufung und manche Revision nicht mehr eingelegt wird. Wir sind der Auffassung, daß dadurch eine echte Entlastung gerade auch der Oberverwaltungsgerichte herbeigeführt werden kann. Wenn man von dem Anwalt genau wie von dem Richter eine qualifizierte langjährige Ausbildung verlangt, kann er vor den Obergerichten sachgemäßer und für das Gericht besser vortragen als ein Laie. Soweit es sich um die Revision handelt, wird ein Änderungsantrag nicht gestellt. Schon für das Berufungsverfahren sind diese Gründe nach unserer Meinung von so ausschlaggebender Bedeutung, daß man an der Ausschußfassung festhalten und es beim Anwaltszwang auch für das Berufungsverfahren belassen sollte.Meine Damen und Herren, noch wenige Worte zur Streichung des Abs. 5. Ich kann nicht verstehen, warum man jetzt für die Behörden, die vor den Obergerichten prozessieren, eine Ausnahme machen will. Was ich soeben über den Mandanten gesagt habe, gilt genauso für die Behörden. Es ist sogar schon der Ausspruch gefallen: Die Behörden prozessieren immer durch sämtliche Instanzen, schon weil gegebenenfalls der Rechnungshof fragt, warum sie nicht weitergekämpft haben. Ich möchte mir diese Formulierung absolut nicht zu eigen machen; ich will nur sagen, welche Auffassungen man vielfach antrifft. Man erlebt da manchmal wirklich Überraschungen. Die eine Behörde führt einen Rechtsstreit in der Berufungs- und Revisionsinstanz weiter, während eine mit einem erheblichen Kostenrisiko belastete Partei sich die Einlegung eines Rechtsmittels sehr überlegt hätte. Es schadet deshalb unter diesen Umständen gar nichts, wenn auch die Behörden die Probleme nochmals mit einem Anwalt durchsprechen müssen. Der Anwalt wird selbstverständlich die Erfahrung der Behörde nicht einfach ad acta legen; aber eine Behörde sieht die Dinge gerade nur von ihrem Behördenstandpunkt, von ihrem Ressort aus, während der Anwalt darüber hinaus doch einen viel weiteren Blick hat über ein viel umfangreicheres Rechtsgebiet. Auch was im allgemeinen Recht geschieht, verfolgt er ganz anders und muß es anders verfolgen, als das gegebenenfalls bei einem Ressort der Fall ist.Auch die Gerichte dürfen nicht nur ressortmäßig denken, sondern müssen nach allgemeingültigen Gesichtspunkten urteilen, auch wenn es sich um einen derartigen Einzelstreit handelt. Es liegt deshalb auch im Interesse der Rechtsfindung, wenn die Behörden sich — genau wie das auch beim Bundesgerichtshof der Fall ist — durch Anwälte vertreten lassen müssen.
Meine Damen und Herren, der Antrag Umdruck 404 Ziffer 15 hat genau das gleiche Petitum.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den soeben von der Frau Kollegin Diemer-Nicolaus begründeten Antrag Umdruck 402 Ziffer 1 kann meines Erachtens erst abgestimmt werden, wenn zuvor der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 404 Ziffer 14 begründet und über den sozialdemokratischen Antrag abgestimmt worden ist.
Ich darf es kurz erklären. Es geht zunächst überhaupt um den Grundsatz, ob Anwaltszwang vor den Obergerichten oder nicht. Erst wenn über diesen Grundsatz entschieden ist — und um den geht es im sozialdemokratischen Antrag —, kann man sinnvoll entscheiden, ob die Behörden ein Privileg haben sollen. Dann könnte man eigentlich erst den inzwischen schon vorweggenommenen Antrag der Herren Kollegen bescheiden, die eine Ausnahme vom Anwaltszwang für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater haben wollen. Zuerst aber kommt das Prinzip des Anwaltszwangs als solches, und um dieses Prinzip geht es im Antrag der SPD Umdruck 404 Ziffer 14.
Wird das Wort zu diesem Geschäftsordnungsantrag gewünscht? — Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Beschluß, den wir vor wenigen Minuten über den Antrag Umdruck 397 Ziffer 3 gefaßt haben, ist der jetzt zur Debatte gestellte Antrag der SPD eigentlich präjudiziert. Hier steht nämlich ausdrücklich: „Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung ....". Das hätte ja nicht beschlossen werden können, wenn am Oberverwaltungsgericht kein Anwaltszwang bestünde. Damit ist die Entscheidung präjudiziert.
— Aber durch den Beschluß ist es implicite dazu gekommen.
Meine Damen und Herren, außerdem gibt es noch eine dritte Lesung, in der gewisse Unstimmigkeiten der zweiten Lesung korrigiert werden können, falls welche vorliegen sollten.
Genau das will ich ja veranlassen. Wer begründet diesen Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind in der Tat bei dem zweiten neuralgischen Punkt der Verwaltungsgerichtsordnung angelangt. Der erste Punkt war nach meiner Meinung die Frage der ehrenamtlichen Richter. Der § 15, bei dessen Beratung man beinahe den Eindruck haben konnte, es handle sich um eine Weltanschauungsfrage, gehört nach meiner Ansicht
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Bauer
nicht so sehr zu den neuralgischen Punkten. Ich darf nun Ihre Aufmerksamkeit für die Frage des Anwaltszwanges erbitten, auch wenn die Diskussion gerade mitten in die Mittagessenszeit hineinfällt.Dem Bericht Drucksache 1094 entnehmen Sie, daß der Rechtsausschuß, der, wie es dort heißt, den wertvollen Beratungsergebnissen des Innenausschusses weitgehend gefolgt sei, in der weitreichenden Frage des Anwaltszwanges dem Innenausschuß leider nicht gefolgt ist. Der Rechtsausschuß hat nämlich die Einführung des Anwaltszwanges vor dem Oberverwaltungsgericht beschlossen und damit einen neuen Weg beschritten, der insoweit überhaupt ein Novum in der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit darstellt. Der Klarheit halber sei angefügt, daß der Anwaltszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht unumstritten ist.Es liegt auf der Hand, daß der Anwaltszwang vor dem Oberverwaltungsgericht sowohl für den Richter wie für den Anwalt beachtliche Annehmlichkeiten mit sich bringen würde. Welcher Richter würde es nicht begrüßen, der Lektüre allzu langer Schriftsätze enthoben zu sein und vom Anwalt konzentriert dargestellt zu bekommen, was die Partei will und auf welche rechtlichen Gesichtspunkte sie sich überwiegend einstellt? Und gereicht es nicht auch der Anwaltschaft zur Freude, wenn sie durch Zuweisung eines umfangreichen Aufgabengebietes eine Erweiterung ihres Wirkungsbereiches bekommt?
Das Parlament hat aber nach meiner Meinung vor allem die Pflicht, zu prüfen, ob und inwieweit die Masse der schlichten Rechtsuchenden von einem derartigen Novum dieselben Annehmlichkeiten zu gewärtigen hat.Zunächst ist hierbei festzustellen, daß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Gegensatz zum Zivilprozeß die sogenannte Offizialmaxime gilt, d. h. das Gericht muß von sich aus das Erforderliche zur Klärung des Sachverhalts leisten. Dieser Grundsatz ist nicht zuletzt eingeführt worden, um dem rechtsunkundigen Kläger zu seinem Recht zu verhelfen. Hinzu kommt weiter, daß auch das Oberverwaltungsgericht in einem erheblichen Umfang Tatsacheninstanz ist; denn es kommt auch dort noch vielfach zu Beweisaufnahmen und zur Sachaufklärung, die in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht nicht vorgekommen worden sind. Auch kann schwerlich schlüssig dargetan werden, daß vor dem Oberverwaltungsgericht die Rechtsfragen nennenswert komplizierter wären als etwa in der ersten Instanz, vor dem Verwaltungsgericht.Weiter ist in den Verhandlungen deutlich geworden, wie mißlich sich die Einführung des Anwaltszwanges vor dem Oberverwaltungsgericht auswirkt. Das hat nämlich die Folge, daß sich die Partei auch zu Tatsachen vor dem Oberverwaltungsgericht selbst praktisch nicht mehr äußern kann. Man muß hier die Frage aufwerfen: Warum soll man dem Recht-suchenden die Möglichkeit beschneiden, sich selbst zu vertreten, wenn er sich dazu in der Lage glaubt?Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang übrigens die Feststellung eines oberstrichterlichen Sachkenners, daß sich bereits heute die Parteien ohnehin in nicht zu unterschätzendem Ausmaß freiwillig vertreten lassen. Deshalb ist die Frage gestattet: Warum müssen wir hier noch mit dem Anwaltszwang vor dem Oberverwaltungsgericht dahintertreten?Was hier aber die Beachtung aller finden sollte, ist die nicht wegzuleugnende und bedauerliche Tatsache, daß sich die Kostenfrage, die jedenfalls beim Anwaltszwang zunächst einmal für jeden auftaucht, zumeist als abschreckendes Moment auf den Staatsbürger auswirkt. Er fragt sich, ob er in der Lage ist, überhaupt Klage zu erheben bzw. in eine zweite Instanz zu gehen. Demgegenüber bereitet dies, ganz offen gestanden, dem Staat, der Behörde nach der bisherigen Rechtslage und Praxis keinerlei Hemmnis. Denken Sie bitte einmal an die Unzahl der schon von meinem Fraktionskollegen Schmitt erwähnten Kriegsfolgegesetze, die nach wie vor ganz besonders den einzelnen Staatsbürger angehen.Ein Argument müßte gerade bei den Kolleginnen und Kollegen zu Buche schlagen, die Verbindung zu Berufsorganisationen und Verbänden haben. In sehr vielen Fällen nämlich haben diese Vereinigungen versierte Vertreter, überwiegend sogar Justitiare, von ausgezeichneter Sachkenntnis an der Hand, die meist Juristen, aber nicht als Anwälte zugelassen sind, Persönlichkeiten, die ob ihrer Erfahrungen gerade auch von den Richtern geschätzt werden. Die Einführung des Anwaltszwangs vor dem Oberverwaltungsgericht würde bedeuten, daß dieser Kreis von Sachkennern für die Vertretung vor dem Oberverwaltungsgericht ausfallen würde und daß durch die Zuziehung eines Anwalts erhöhte Kosten entstehen müßten. Das trifft die Gewerkschaften genauso wie etwa den Beamtenbund, den Bauernverband, Flüchtlingsorganisationen oder ähnliche Gruppen. Der Ihnen zugegangenen berechtigten Eingabe der zahlenmäßig wie an Bedeutung nicht unansehnlichen Verbände der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfern würde in ihrem Kern Rechnung getragen, wenn Sie den Anwaltszwang vor dem Oberverwaltungsgericht ablehnten.Schließlich möchte ich Ihr Augenmerk darauf richten, daß in der zum Beschluß vorliegenden Fassung vorgesehen ist, daß sich der Staat, Länder, Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts durch die bei ihnen tätigen Beamten im Prozeß vertreten lassen können. Die Institutionen also, die bekanntlich ohne große Hemmungen in die Berufung gehen, wenn sie in der ersten Instanz unterlegen sind — weil letzten Endes der Fiskus für die Kosten einsteht, während sich der normale Bürger in der Regel sehr ernstlich überlegen muß, ob er im Falle des Prozeßverlustes überhaupt noch einen Fuß unter den Tisch bekommt —, sind von dem Anwaltszwang ausgenommen. Ich frage wieder: Wird nicht allein durch diesen Sachverhalt die Ungleichheit in den Chancen sichtbar, die den gegen eine behördliche Institution antretenden Rechtsuchenden im Verwaltungsgerichtsverfahren erwartet und die
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4598 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
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gerade den Ärmsten in Mitleidenschaft ziehen muß? Die Einführung des Anwaltszwangs vor dem Oberverwaltungsgericht würde eine Verstärkung der bestehenden Ungleichheit bedeuten.Der Rechtsausschuß des 2. Bundestages hatte sich keineswegs in Richtung auf den Anwaltszwang vor dem Oberverwaltungsgericht eingestellt. Insbesondere der damalige Berichterstatter Dr. Kihn, ein ausgezeichneter Sachkenner auf dem Gebiet der inneren Verwaltung, hat keinen Vorschlag in Richtung auf den Anwaltszwang gemacht. Ich bitte auch zu beachten, daß der Entwurf der Bundesregierung diesen Vorschlag ursprünglich nicht enthalten hat. Die Verhältnisse haben sich seitdem in keiner Hinsicht geändert. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum jetzt diese einschneidende Neuregelung Platz greifen soll.Wir empfehlen, es bei der bisherigen Rechtslage zu belassen und den Anwaltszwang vor dem Oberverwaltungsgericht abzulehnen. Wir bitten um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag Umdruck 404 Ziffer 14.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, den Beschluß des Rechtsausschusses zu bestätigen und es bei dem Anwaltszwang für das Oberverwaltungsgericht zu belassen, wie er ja auch nach dem vorliegenden Antrag für die Revisionsinstanz bestehenbleiben soll. Wir haben nicht daran gedacht — das möchte ich ausdrücklich sagen —, hier die Interessen der Anwaltschaft wahrzunehmen. Wir haben uns bei unseren Erörterungen vielmehr lediglich nach dem gerichtet, was wir im Interesse des rechtsuchenden Bürgers und im Interesse der Sache — um eine Beschleunigung der Prozesse und ihre sachgerechte Erledigung sicherzustellen — für richtig und notwendig halten. Eine Rechtsangelegenheit vor einem Gericht mit Erfolg zu vertreten, ist eben auch eine Sache, die gelernt sein will. Sie wissen, daß unser Rechtsgebäude immer verwickelter wird. Wer sich allein auf den gesunden Menschenverstand verlassen will, wird meist nicht den Erfolg erreichen, den er erhofft. Es sind auch hier Fachkenntnisse notwendig, wenn eine Sache richtig angefaßt und zum Ziel geführt werden soll. Außerdem wissen Sie, daß nicht alle Bürger die gleiche Geschicklichkeit haben, sich nicht der gleichen Gewandtheit im Auftreten erfreuen, um ihre Sache richtig vertreten zu können und das Maßgebliche zu erkennen. Die Aufgabe des Anwalts in einem Prozeß ist, dafür zu sorgen, daß diese Mängel des einzelnen in seiner Geschicklichkeit, in seiner Gewandtheit, auch in seiner Befähigung ausgeglichen werden.
Natürlich ist es Sache des Gerichts und eine ehrenvolle Aufgabe, dafür zu sorgen, daß jeder sein Rechtsanliegen in der Verhandlung vor dem Gericht möglichst richtig hervortreten lassen kann. Aber diese Möglichkeiten des Gerichts sind beschränkt Vergessen Sie nicht: Wir haben unseren Verwaltungsrechtsstreit als einen Parteienrechtsstreit aufgebaut. Das Gericht kann daher gewisse Grenzen der Unparteilichkeit in der Hilfe für den Bürger, der vor ihm steht, nicht überschreiten. Das Gericht ist auch nicht in der Lage, mit dem Bürger von vornherein alles zu besprechen, was vorgetragen werden muß, damit das Rechtsanliegen des Bürgers richtig in Erscheinung tritt.
Das alles sind Gründe, die es für einen Bürger ratsam erscheinen lassen sollten, sich in allen Instanzen der Beihilfe eines sachkundigen Anwalts zu bedienen. Die Bedenken, die mein Herr Vorredner hier geltend gemacht hat, daß nämlich die Kosten für einen Anwalt manche Partei davon abhalten würden, den Rechtsweg zu beschreiten, haben wir sehr wohlerwogen. Wir haben deshalb davon abgesehen, den Anwaltszwang auch schon in der ersten Instanz einzuführen. Wir beschränken ihn nur auf das Oberverwaltungsgericht. Wenn aber der Bürger glaubt, daß er in der ersten Instanz nicht. zu seinem Recht gekommen ist, und deshalb in die zweite Instanz gehen will, um einen besseren Erfolg zu erreichen,
dann soll man ihm auch zumuten und soll ihn veranlassen, sich um ,seines eigenen Interesses willen der sachkundigen Behandlung des Streitfalles durch einen kundigen Rechtsanwalt zu bedienen.
Es wäre eine Vergeudung, wenn der Bürger in die zweite Instanz ginge, ohne von sich aus für eine bessere Vertretung seiner Sache zu sorgen. Im übrigen ist die Frage der Kosten nicht so entscheidend für denjenigen, der es ernst meint. Die Kosten werden ihn nicht abhalten; denn wenn wir den Anwaltszwang haben, wird er von Gerichts wegen, von Staats wegen einen Anwalt auf Armenrecht erhalten müssen.
Ein weiteres veranlaßt uns, Ihnen den Anwaltszwang zu empfehlen. Darüber ist schon vom Herrn Vorredner gesprochen worden. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß sich dann viele Verbände der einzelnen Interessen der Bürger annehmen und vor dem Oberverwaltungsgericht viele Funktionäre der Verbände auftreten. Das wollen wir auch verhindert sehen; denn davon versprechen wir uns nichts Gutes. Wir wünschen bei dem Oberverwaltungsgericht einen Prozeß, der in größter Sachlichkeit, mit größter Sachkunde geführt wird. Wir glauben, daß diese besondere Sachkunde und Sachlichkeit eben nur von einem in seiner Ausbildung dem Gericht gleichstehenden Anwalt geleistet werden kann. Darum bitten wir Sie, dem Beschluß des Rechtsausschusses folgend, den Antrag auf Abschaffung des Anwaltszwanges abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zu den Anträgen der
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Staatssekretär Dr. AndersSPD und der FDP auf Streichung des § 69 Absatz 5, also auf Herstellung des Anwaltszwanges auch insoweit, sei es beim Oberverwaltungsgericht, sei es beim Bundesverwaltungsgericht.Meine Damen und Herren, wie wird dieser Antrag begründet? Er wird im wesentlichen damit begründet, daß man sagt, hier liege eine flagrante Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor. Das ist nicht richtig. Was sagt der Gleichheitsgrundsatz? Der Gleichheitsgrundsatz gebietet nur, daß Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Aber liegt denn wirklich eine Gleichstellung zwischen der beklagten Behörde im Verwaltungsprozeß und dem Bürger vor, der diesen Verwaltungsprozeß führt? Das ist keineswegs der Fall. Die Interessenlage ist verschieden. Der Bürger vertritt sein Einzelinteresse, die Behörde bemüht sich, das Gesamtinteresse, das Interesse der Allgemeinheit zu vertreten.Im übrigen ist es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit durchaus sinnvoll, daß die Behörden die Beamten auch in der zweiten und dritten Instanz auftreten lassen, die bereits im Vorverfahren und in der ersten Instanz aufgetreten sind. Letzten Endes gehen alle diese Kosten zu Lasten des Steuerzahlers; die sind nicht gering und spielen für die Länder und Gemeinden, auf deren Interessen hier Rücksicht zu nehmen ist, eine erhebliche Rolle.Eine Benachteiligung des Gegners tritt dadurch nicht ein. Man kann nicht sagen, daß eine größere Rechtsmittelfreudigkeit der Behörden deshalb besteht, weil sie die Prozesse in den oberen Instanzen durch ihre eigenen Beamten betreiben können. Rechtsmittel werden nicht, wie die geschätzte Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus sagte, allein deswegen eingelegt, weil der Rechnungshof dahinter her ist. Leider ist die Behörde in vielen Fällen durch zwingende rechtliche Vorschriften gebunden, das Gesetz so oder so auszuführen. Ein Entgegenkommen ist in diesen Fällen, so gern die Behörde in manchen Fällen entgegenkommen möchte, nicht möglich. Die Behörde ist, wenn die erste Instanz diesem Gesichtspunkt nicht Rechnung getragen hat, einfach gezwungen, den Rechtsmittelweg zu beschreiten.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diesen beiden Anträgen ihre Zustimmung nicht zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Deringer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe an dem Beschluß des Rechtsausschusses zwar nicht mitgewirkt, möchte den Antragstellern aber doch sagen, daß ihr Antrag nach meiner Auffassung in offenem Widerspruch zu der Haltung steht, die sie seinerzeit bei der Beratung der Bundesrechtsanwaltsordnung zum Thema Singular- oder Simultanzulassung eingenommen haben. Damals haben Sie, meine Herren Kollegen, hier lange Ausführungen darüber gemacht, daß es im Interesse der Rechtspflege sei, wenn am Oberlandesgericht ein neuer Anwalt mit der Sache befaßt werde. Sie haben also damals aus Gründen der
Rechtspflege dem Landgerichtsanwalt das Recht bestritten, vor dem Oberlandesgericht aufzutreten. Jetzt mit einemmal sagt Ihr Sprecher, es sei im Interesse der Rechtspflege, daß vor dem Oberverwaltungsgericht nicht nur jeder Anwalt, sondern jedermann auftreten könne. Ich bin der Meinung, daß hier ein offener Widerspruch besteht. Wenn Sie dort für das Oberlandesgericht neue Anwälte verlangt haben, dann müssen Sie hier mindestens sagen, daß vor dem Oberverwaltungsgericht im Interesse der Rechtspflege Anwälte nötig sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Dr. Anders veranlassen mich zu einer kurzen Erwiderung. Ich halte es für eine gänzlich verfehlte Ideologie, der Bürger vertrete immer das Einzelinteresse, während die Behörde, die Gemeinde, das Land oder der Bund, immer das Gesamt- oder Gemeininteresse verträten.
Ein einziges kleines Beispiel möge zeigen, wie falsch, wie gefährlich, wie undemokratisch eine solche Behauptung ist. Nehmen Sie an, eine Polizeibehörde verbietet die Aufführung eines Theaterstücks — wir haben in der Weimarer Zeit einige ganz bestimmte Fälle erlebt, an die ich denke —, und der Bürger wehrt sich gegen das polizeiliche Verbot der Aufführung eines für die geistige Entwicklung wichtigen Dramas. Wer vertritt das Gesamtinteresse? Der Bürger, der hier für die Grundrechte und die Verfassung eintritt, aber nicht der Polizeipräsident!
Es ist unmöglich, zu sagen, die Obrigkeit — ja, das ist ein obrigkeitsstaatliches Denken! — vertrete immer die Gemeinschaft, während der Bürger nur sich selbst vertrete. Das wollte ich hier nicht unwidersprochen lassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.
Der Antrag ist genügend unterstützt.Wir stimmen über den Antrag Umdruck 404 Ziffer 14 — über die Frage des Anwaltszwanges beim Oberverwaltungsgericht — ab.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich beteiligt 343 stimmberechtigte Abgeordnete und 14 Berliner Abgeordnete.
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4600 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Vizepräsident Dr. SchmidMit Ja haben gestimmt 150 stimmberechtigte Abgeordnete und 9 Berliner Abgeordnete, mit Nein 189 stimmberechtigte Abgeordnete und 5 Berliner Abgeordnete; 4 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist damit abgelehnt.JaCDU/CSUBrese CaspersEhrenDr. Kliesing Krüger (Neheim)LulayMaier
MickMühlenbergTerieteDr. ZimmerSPDFrau AlbertzAltmaier Dr. Arndt AugeBadingDr. BärschBäumer BalsBauer
Baur
Bazille Behrendt Behrisch Frau BennemannBergmann Berkhan BerlinBettgenhäuserBirkelbachBlachsteinDr. Bleiß Börner BruseBüttner Cramer Dr. Deist DewaldFrau Döhring DopatkaDröscherFrau Eilers ErlerEschmannFallerFelder Folger Franke Dr. FredeFrehsee FrenzelGeiger GeritzmannHaage HarnacherHansing Dr. HarmHauffe HeideHeiland HellenbrockFrau Herklotz HermsdorfHerold Höcker HöhmannHöhne HöraufFrau Dr. Hubert HufnagelIven
Jacobi Jacobs Jahn
Jaksch JürgensenJunghansKalbitzerFrau KeilhackFrau KettigKeuningKillat
Kinat
Frau Kipp-KauleKönen
Koenen
Frau KorspeterKraus KriedemannKühn
KurlbaumLange LantermannLudwigLücke LünenstraßMarx MatznerMeitmannDr. MenzelMerten Metter MetzgerDr. Meyer Meyer (Wanne-Eickel) Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Frau NadigOdenthalPeters Pöhler PrennelPriebe PützPusch ReglingReitzFrau RengerRitzel Rhode Frau RudollDr. SchäferScheurenDr. Schmid Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmitt (Vockenhausen) Schröder (Osterode) Seidel (Fürth)Seither Frau SeppiStengerStierle SträterStriebeckWalpertWegenerWehner WehrWelkeWelslauWeltner
Frau Wessel WienandWilhelmWischnewski WittrockZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-HeiseDr. KönigswarterFrau KrappeMattickNeumannDr. Schellenberg Schröter Schütz (Berlin)Dr. SeumeNeinCDU/CSUDr. Aigner ArndgenBaier
BaldaufBalkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauereisen Bauknecht BauschBerberich BergerDr. BergmeyerDr. BesoldDr. BirrenbachFrau Dr. Bleylervon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeFrau Dr. Brökelschen BrückBühlerBurgemeisterDr. Czaja Deringer Diebäcker DielDr. Dittrich Dr. DollingerDrachsler DraegerDr. Dresbach Eichelbaum Dr. Elbrächter Engelbrecht-GreveFrau EngländerEpléeEtzenbachDr. Even FinckhDr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FuchsFunkDr. FurlerFrau Dr. Gantenberg Frau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GienckeDr. Görgen Dr. Gossel GotteslebenFreiherr zu Guttenberg HackethalDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Graf HenckelDr. Hesberg Hesemann HöcherlHöflerHornDr. Huys Illerhaus Dr. Jaeger Jahn
Dr. Kanka Kemmer Dr. KempflerKirchhoff KistersFrau KlemmertKnobloch Dr. Knorr KochDr. Kopf KraftKrollKrugFrau Dr. KuchtnerKühlthau KunstLang
LeichtLenze
von Lindeiner-Wildau Lücker
MajonicaDr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. MartinMaucher MeisMemmel MengelkampMenkeMeyer Muckermann Müller-HermannMüserNiederaltFrau NiggemeyerOetzelFrau Dr. PannhoffDr. h. c. PferdmengesDr. PhilippFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. ProbstRasnerFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. Reith Richarts Riedel
RösingDr. Rüdel
RufScharnberg ScheppmannSchleeSchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerSeidl
SiebelDr. Siemer SimpfendörferSolkeSpies Stauch
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4601
Stiller Storch Dr. Storm
SühlerDr. ToussaintVehar Vogt Wacher Dr. WahlFrau Dr. h. c. Weber Dr. Weber (Koblenz) WehkingWeinkammFrau Welter
Dr. WerberDr. WilhelmiDr. WillekeWindelenWinkelheideDr. WinterWittmann Wittmer-Eigenbrodt WullenhauptDr. ZimmermannBerliner AbgeordneteBendaDr. Gradl Dr. KroneSPDDr. Dr. Heinemann FDPDr. AchenbachDr. BucherDr. DahlgrünFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrFrau Friese-KornDr. Hoven KellerKöhlerKühn
Lenz MarguliesMaukDr. MiessnerMischnick RammsDr. RutschkeSanderDr. Schneider Weber (Georgenau) ZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillDPFrau KalinkeLogemannProbst
Dr. RipkenDr. Schneider Dr. SchranzDr. SteinmetzTobabenEnthaltenCDU/CSUBecker FranzenLeonhardSchüttlerIch erteile das Wort dem Abgeordneten Bauer zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 404 Ziffer 15.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben durch Mehrheitsbeschluß den Anwaltszwang auch vor dem Oberverwaltungsgericht eingeführt. Dadurch gewinnt unser Antrag eine besondere Bedeutung und einen neuen Akzent. Ich muß noch einmal über die nicht wegzudiskutierende Ungleichheit der Chancen sprechen, der sich der rechtsuchende Normalbürger gegenübersieht, der in einen Verwaltungsprozeß gegen eine Behörde eintritt. Denken Sie insbesondere daran, daß neben dem eigentlichen Behördenvertreter in einer Vielzahl von Prozessen im Bundesgebiet auch noch der Staatsvertreter des öffentlichen Interesses vor ihm steht.
Wie kann man da ernstlich behaupten, das, was für den einen, den Staatsbürger, vor dem OVG nützlich sei, nämlich die Heranziehung eines Anwalts, sei für den anderen, die öffentliche Hand, also Bund, Länder, Gemeinden, Institutionen des öffentlichen Rechts, nicht nützlich? Warum soll man für diese in einer besseren finanziellen Position befindlichen Einrichtungen ein Privileg — das ist es und das bleibt es — gegenüber dem schwächeren Rechtsuchenden statuieren?
Wenn der kleine Mann einen Anwalt bezahlen soll, sollte auch die öffentliche Hand dazu gezwungen sein, statt der ohnehin bei ihr Beschäftigten einen Anwalt zu beauftragen und auch zu bezahlen.
Wenn Sie so beschließen wollten, hätten Sie vielleicht nebenbei noch die heilsame Wirkung erreicht, daß sich manche öffentliche Institution, manches der zahlreichen Ämter auf der unteren und mittleren Ebene, die bisweilen so munter prozessieren, doppelt und dreifach überlegen, ob sie den Prozeß beginnen, weil die Rechnungshöfe die Ursache der Kosten vielleicht doch noch etwas sorgfältiger unter die Lupe nehmen.
Wir halten die Annahme unseres Antrages gerade jetzt für ein Erfordernis der Gerechtigkeit. Wir bitten Sie, diesem unserem Antrag, nach dem die Behörde nicht besser gestellt sein soll als der Private, zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen hierzu? — Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen ab. Ich stelle fest, daß Ziffer 15 des Umdrucks 404 dieselbe Materie betrifft wie Ziffer 1 des Umdrucks 402. Wir stimmen über beide Anträge in einer Abstimmung ab. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; die Anträge sind angenommen.
Das Wort zu dem Antrag Umdruck 404 Ziffer 16 hat der Abgeordnete Bauer .
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben leider Gottes bis jetzt jeden Antrag, den die Opposition gestellt hat, niedergestimmt.
Auf jeden Fall möchte ich, wenn über Ziffer 16 noch nicht abgestimmt sein sollte, noch einmal darauf hinweisen, daß es sich hier um ein Anliegen aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes handelt. Den Mitgliedern des Deutschen Beamtenbundes wie der anderen Organisationen, die Gewerkschaftsstatus haben, würde durch die Annahme dieses Vorschlags in gleicher Weise gedient. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich in diesen Organisationen ausgezeichnete Fachleute befinden, insbesondere für das Gebiet des Personalvertretungsgesetzes. Auch die Richterschaft würde es durchaus begrüßen, wenn diese Personen nicht durch den Anwaltszwang ausgeschlossen sein würden. Ich glaube auch, daß es einer Beschleunigung der Verfahren dienlich sein würde, wenn Leute mit Sachkenntnis auf einem besonderen Gebiet vor Gericht auftreten könnten.
Ich bitte, diesem Antrag zu entsprechen, vorausgesetzt also, daß er nicht durch die vorhergehende Abstimmung erledigt ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
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4602 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht zu verwundern, daß im Verlauf der Abstimmung einmal ein Irrtum vorkommt. Einem solchen Irrtum ist Herr Kollege Bauer unterlegen. Erstens ist der Antrag der Opposition zu Ziffer 16 angenommen worden, und der Antrag unter Ziffer 17 war nach dem Wortlaut, der mir vorliegt, nur gestellt, — —
Der Antrag zu Ziffer 15 ist angenommen. Sie haben sich geirrt; es handelt sich hier um die Ziffern 15 und 16, nicht 16 und 17.
Der Antrag zu Ziffer 16 war nur für den Fall gestellt, daß den Behörden durch § 69 Abs. 5 Befreiung vom Anwaltszwang gewährt wird. Das ist gefallen, und damit ist der Antrag unter Ziffer 16 erledigt.
Am besten ziehen Sie ihn zurück.
— Er ist zurückgezogen.
Wir stimmen nunmehr ab über § 69 in der durch die beschlossenen Änderungen neuen Fassung. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! – Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
8. Abschnitt. §§ 70, — 71, — 72, — 72a, — 73. — Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einmütige Annahme fest.
Zu § 74 liegt unter Ziffer 4 des Umdrucks 397 ein Änderungsantrag vor. Wer begründet den Antrag?
— Er wird nicht begründet. Keine Wortmeldungen?
Dann stimmen wir ab. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
§ 74 in der neuen Fassung, — § 75, — § 76, —§ 77, — § 78, — § 79, — § 80, — § 81, — § 82, —§ 83, — § 84. — Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Zu § 85 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 397 Ziffer 5 vor. Keine Begründung?
Keine Wortmeldungen? — Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wer § 85 in der geänderten Fassung zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Zu § 86 liegt auf Umdruck 402 Ziffer 2 ein Änderungsantrag vor. Das Wort dazu hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Meine sehr geehrten Kollegen! Diejenigen, die mit mir zusammen im Rechtsausschuß waren, wissen, daß mich da insbesondere beschäftigt hat, wie man eine schnellere Terminierung erreichen könnte. Unser Änderungsantrag auf Umdruck 402 befaßt sich mit diesem Problem. Wir haben uns bei unserem Antrag an das gehalten, was sich schon seit Jahrzehnten im Zivilverfahren bewährt hat. Wir wollen, daß nach der Zustellung der Klage eine Terminierung erfolgt. Im Rechtsausschuß bin ich mit dieser Auffassung unterlegen. Deshalb unterbreiten wir den Antrag dem Plenum.
Man kann gegen unseren Antrag nicht einwenden, daß wegen der Offizialmaxime noch nicht zu übersehen sei, welche Rückfragen usw. gestellt werden müssen. Wir sind der Auffassung, daß eine Terminierung einer Beschleunigung des Verfahrens dient. Auch wenn die Terminierung nicht innerhalb von vier Wochen erfolgen kann, wenn sie erst nach drei oder vier Monaten möglich ist, ist dieser Zustand immer noch dem jetzigen vorzuziehen, bei dem man nicht weiß, wann überhaupt eine Terminierung erfolgt.
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, daß es manchmal ein Jahr dauert; ein solcher Fall ist mir selber passiert. Nach so langer Zeit sind die Dinge gegebenenfalls überholt. Wenn dagegen ein Termin festliegt, wird — auch bei der Offizialmaxime — sowohl von den Behörden als auch von den Anwälten rechtzeitig vor dem Termin das Material vorgelegt werden, das für die Entscheidung notwendig ist.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, dem Antrag der FDP auf Änderung des § 86 zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Memmel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen, Es gibt weder in der Zivilprozeßordnung noch in der Strafprozeßordnung den Zwang für den Richter, innerhalb von 24 Stunden zu terminieren bzw. die Klage zuzustellen.
— Ja, Herr Kollege Kanka, in der Strafprozeßordnung gibt es bei der vorläufigen Festnahme den Termin von 24 Stunden. Aber eine Bestimmung, daß der Richter innerhalb 24 Stunden nach Eingang die Klage zustellen muß, kann man nicht in ein Gesetz aufnehmen.
Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 402 Ziffer. 2. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte
Vizepräsident Dr. Jaeger
ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 86 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 87, - 88, - 89, - 90, - 91, - 92, - 93, - 94, - 95, - 96, - 97, - 98 und 99. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 100. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Weber und Genossen auf Umdruck 397, Ziffer 6, vor. Wird das Wort gewünscht?
- Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag der Abgeordneten Dr. Weber , Frau Dr. Kuchtner, Dr. Arndt usw., Umdruck 397, Ziffer 6, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Wer dem § 100 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 101, - 102, - 103, -104, - 105, - 106, - 107, - 108, - 109, - 110, -111, -112,- 113,- 114,- 114a, - 114b, - 115, - 116, - 117, - 118, - 119, - 120, - 121,
- 122, - 123, - 124, - 125, - 126, - 127, - 128,
- 129.
Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer den aufgerufenen Paragraphen - 101 bis einschließlich 129 - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Dann komme ich zu § 130. Hierzu liegt ein Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck 404 Ziffer 17, vor, § 130 zu streichen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, den § 130 und auch den damit im Zusammenhang stehenden § 141 zu streichen. Die Gründe, die sowohl von der Regierung als auch bei den Beratungen im Ausschuß für die Einfügung einer solchen Vorschrift, die einen Abbau der Rechtsmittel und eine weitgehende Beschränkung der Berufung zum Ziele hat, vorgetragen worden sind, können nicht überzeugen.Es ist gesagt worden, eine solche Maßnahme sei notwendig, um erstens der bestehenden Überlastung der Verwaltungsgerichte entgegenzuwirken und zweitens, damit verbunden, eine Beschleunigung des Verfahrens herbeizuführen. Die vorgeschlagene Regelung ist unserer Meinung nach der dazu am wenigsten geeignete Weg. Es handelt sich, das muß zunächst einmal vorweg bemerkt werden, bei diesen Erscheinungen, die zu teilweise berechtigten Beschwerden Anlaß gegeben haben, um ausgesprochene Nachkriegserscheinungen. Die Nachkriegszeit hat eine Fülle von besonderen Gesetzen mit sich gebracht, die zu Rechtsstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten Anlaß gaben. Diese Gesetze, die in erster Linie zur Überwindung des Nachkriegszustandes erlassen worden sind, sind allmählich im Auslaufen, und ihre Bedeutung geht mehr und mehr zurück. Sie werden im Laufe der weiteren Entwicklung keineswegs mehr so sehr im Vordergrund der Tätigkeit der Verwaltungsgerichte stehen, wie es bisher der Fall gewesen ist.Deshalb ist es eine schlechte Regelung, wenn aus diesem Anlaß und mit dieser Begründung jetzt versucht wird, grundsätzlich die Möglichkeit einzuführen, die Berufung für eine ganze Reihe von Rechtsgebieten völlig auszuschließen. Wenn es darum geht - was man nach den vorgetragenen Argumenten annehmen müßte -, tatsächlich zu einer Beschleunigung des Verfahrens zu kommen und der Überlastung der Gerichte entgegenzuwirken, dann wäre das eine Aufgabe der Verwaltung; dann müßte das durch eine geeignete - gegebenenfalls größere - Besetzung der Gerichte und durch sonstige verwaltungstechnische Maßnahmen geschehen. Man kann aber nicht aus einem solchen Anlaß und mit einer solchen Begründung sagen, daß deshalb, weil die Gerichte zuviel Arbeit haben, der Bürger in Zukunft weniger Recht bekommen soll. Darum geht es. Es geht um die verhängnisvolle Eröffnung eines Weges zur weitgehenden Einschränkung des Rechtsschutzes für den einzelnen Bürger, dem die Möglichkeit genommen werden soll, die Entscheidungen in jedem Falle durch ein weiteres Gericht nachprüfen zu lassen.Ich darf darauf verweisen, was bei der Anhörung der Sachverständigen im Rechtsausschuß Professor Dr. Bachof gesagt hat. Er hat ausdrücklich erklärt, wie außerordentlich bedenklich es sei, diese Regelung einzuführen. Er hat gesagt, daß die Schwierigkeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit größer sind als in jedem anderen Gerichtszweig, wenn es darum geht, festzustellen, wo es sich um Bagatellsachen und wo es sich um grundsätzliche Sachen handelt. Es besteht sicherlich Einigkeit darüber, daß in Bagatellsachen ein unbegrenzter Rechtszug nicht gegeben sein soll. Aber da in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht feststellbar ist, wann eine Bagatellsache und wann eine grundsätzliche Sache zu entscheiden ist, kann man nicht generell die Berufung ausschließen, ohne damit die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf das ernsteste zu gefährden. Herr Professor Bachof hat gesagt, daß es in einer Fülle von Fällen durchaus möglich ist, daß Grundsatzfragen auch auf den Gebieten, auf denen die Berufung in Zukunft ausgeschlossen sein soll, entschieden werden müssen. Aus diesem Grunde glauben wir, daß eine solche generelle Regelung, wie sie hier vorgesehen ist, nicht angängig ist und im Gesetz nicht verankert werden sollte.Ich muß Sie, meine Damen und Herren, aber auch darauf hinweisen, daß einer derartigen Rege-
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4604 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Jahn
lung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Sie gefährden die Gleichheit vor dem Gesetz, wenn Sie die Möglichkeit schaffen, daß für einen Teil von Rechtsfragen der Rechtszug, d. h. die Möglichkeit, Berufung einzulegen, ausgeschlossen wird und für einen anderen Kreis von ebenso grundsätzlichen Rechtsfragen diese Möglichkeit offenbleibt. Besonders deutlich wird das daran, daß der § 130 in der jetzt vorliegenden Form auch dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit gibt, auf seinem Gebiet die Berufung auszuschließen. Nun haben die Länder in sehr vielen Fragen zu demselben Thema gleichartige Gesetze erlassen. Das führt also zu dem Zustand, daß in dem einen Land, weil es ja im freien Belieben des Landes steht, ob es die Berufung insoweit ausschließen will, die Berufung ausgeschlossen wird und sie in dem anderen Land bestehenbleibt. In der gleichen Rechtsmaterie werden die Bürger zweier Länder der Bundesrepublik also völlig unterschiedlich behandelt.Meine Damen und Herren! Die Einheitlichkeit unserer Rechtsprechung, die Rechtseinheit schlechthin erfordert es, daß wir unter allen Umständen den vollen Instanzenzug bewahren, daß wir an diesem Grundsatz, an der Notwendigkeit, die Rechtseinheit zu sichern, festhalten und alles dazu tun, daß dies gewährleistet wird.Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag auf Streichung des § 130 zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten haben das gleiche Anliegen, das eben von Herrn Kollegen Jahn vorgetragen worden ist. Wir haben aber keinen Streichungsantrag gestellt, weil wir der Auffassung sind, daß es genügt, wenn wir den § 130 ablehnen. Es hat mich aber gefreut, daß wir der gleichen Auffassung sind. Ich kann das, was Sie gesagt haben, nur in vollem Umfange unterstreichen. Wir sind der Auffassung, daß es mit dem rechtsstaatlichen Denken — die Fähigkeit dazu haben wir Gott sei Dank wieder erworben — nicht zu vereinbaren ist, wenn man für einen begrenzten Zeitraum begrenzte Gebiete von der Nachprüfung in der Berufung völlig ausschließt.Sie haben auch auf die Verfassungsmäßigkeit und die Ungleichheit hingewiesen. Dazu möchte ich noch folgendes sagen. Nicht überall kann auch durch Landesgesetze die Berufung in den Ländern ausgeschlossen werden. In der Verfassung des Landes Baden-Württemberg ist ausdrücklich festgelegt, daß zwei gerichtliche Instanzen vorhanden sein müssen. Man hat das getan, obwohl früher in Südwürttemberg-Hohenzollern in verwaltungsrechtlichen Sachen teilweise nur eine Instanz vorgesehen war. Man ist inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, daß die Möglichkeit der Nachprüfung in einer zweiten Instanz Fundament eines Rechtsstaates ist und daß darauf unter keinen Umständen verzichtet werden kann, daß es sogar verfassungsmäßig garantiert werden muß. Eine solche Garantie ist im Grundgesetz nicht enthalten; aber die Auffassung, die alle Parteien im Landtag von Baden-Württemberg — damals Verfassunggebende Landesversammlung — vertreten haben, gilt mit der gleichen Begründung auch für unsere Bundesgesetze.Sie haben eine Begrenzung auf fünf Jahre vorgesehen. Nun nehmen Sie bitte folgenden Fall. Jemand hat eine Rechtssache, bei der die Berufung nicht möglich ist oder nur in dem beschränkten Umfange des § 130 möglich ist. Der Rechtsstreit ist im fünften, also im letzten Jahr — Sie haben auf fünf Jahre beschränkt — anhängig. Der Mann weiß, daß die Frist abläuft, und sein Anwalt wird alles tun, die Sache hinauszuzögern, damit er gegebenenfalls die Möglichkeit hat, nachher ein Rechtsmittel einzulegen. — Das ist einfach ein unmöglicher Zustand!Ich glaube, der Herr Präsident wird gestatten, daß. ich auch schon auf das Gesetz über die Beschränkung der Berufung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingehe. Das ist ja das erste Gesetz, in dem diese Dinge praktiziert werden sollen. Welche Zweige sollen denn in der Berufung beschränkt werden? Ich will nicht über die Kosten, über öffentliche Abgaben und Zwangsgelder reden. Soweit es sich dabei um Beträge bis 300 DM handelt, kann man darüber sprechen.Es soll aber z. B. schon das gesamte Gebiet der Wohnraumbewirtschaftung ausgenommen werden. Wir wünschen uns natürlich nichts sehnlicher, als so bald wie möglich von dieser Wohnraumbewirtschaftung dadurch wegzukommen, daß wir genügend Wohnungen schaffen. Soweit das aber nicht geschieht, hängt für eine Familie viel davon ab, ob sie die richtige Wohnung hat oder ob sie sich gegebenenfalls den Bestimmungen des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes unterwerfen muß. Für manche ist das wichtiger als ein Prozeß um 10 000 DM.Ich denke auch an die anderen Gebiete, z. B. an die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet. Ob hier ein ablehnender Bescheid erfolgt, der nicht mehr angefochten werden kann, hat doch für den Betreffenden sehr weittragende Folgen. Dann kommt die Anerkennung als ausländischer Flüchtling. Es sind doch eine Reihe von Rechtsfolgerungen für die Betreffenden an diese Anerkennung gebunden, so daß man ihnen doch unbedingt ein Rechtsmittel geben muß, damit es nicht bei der Entscheidung der ersten Instanz bleibt, zumal wenn sie für sie ungünstig ist. Als weiteres ist hier die Anerkennung als heimatloser Ausländer sowie die Gewährung des Aufenthalts- und Niederlassungsrechtes für Ausländer anzuführen. Auch das sind sehr bedeutungsvolle Fragen, die zu entscheiden sind. Sehen Sie sich diese Fälle einmal an.Wir haben im Rechtsausschuß über die Häufigkeit der Berufungen gesprochen. Mit der Ausschaltung der Berufung in diesen Fällen werden Sie die Überlastung der Oberverwaltungsgerichte nicht beseitigen. Bei den Fällen, die wegen der Wohnraumbewirtschaftung anhängig werden, ist nämlich Gott sei Dank eine Abnahme festzustellen, bei den anderen Gebieten handelt es sich um Fragen, die verhältnismäßig nicht allzu häufig auftreten.
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Frau Dr. Diemer-NicolausMan muß auch beachten, daß eine Zulassungsbeschwerde möglich ist. Im Hinblick auf die Entlastung ist zu sagen, daß über eine eingelegte Zulassungsbeschwerde, z. B. über die Frage, ob es sich um eine Sache von grundsätzlicher Bedeutung handelt oder nicht, auf alle Fälle entschieden werden muß. Meine Damen und Herren, in der Zeit, bis ein gewissenhafter Richter die Zulassungsbeschwerde ordnungsgemäß geprüft hat, hat er nahezu auch eine Entscheidung getroffen.Ich bitte Sie dringend zu beachten, daß wir durch die vorgesehene Einschränkung der Berufung eine wirksame Entlastung der Gerichte nicht erreichen werden. Bei den Oberverwaltungsgerichten müssen eben so viele Richter eingestellt werden, daß sie diese Aufgabe erfüllen und meistern können. Ich bin überzeugt, daß das zur gegebenen Zeit auch geschehen wird. Uns wurde auch gesagt, es fehle nicht an den Richterstellen, sondern an don Juristen, die bereit sind, in diese Richterstellen zu kommen. Das darf man nicht übersehen.Wir müssen vor allen Dingen darauf achten, daß wir unseren Rechtsstaat auch in bezug auf Rechtsprechung — nicht aushöhlen dürfen, indem wir das Recht des Bürgers auf wenigstens eine einmalige Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung wegfallen lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann in der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, nicht auf all die Argumente eingehen, die hier vorgetragen worden sind.
Zunächst zu Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus! Ich bin wirklich im Zweifel, ob Sie den Antrag Ihrer Fraktion auf Umdruck 403 eigentlich kennen. Darin steht nämlich das, was die Vorlage der Bundesregierung und in Übereinstimmung mit ihr der Rechtsausschuß wollen, mit dem einzigen Unterschied, daß Sie die Möglichkeit der Berufungsbeschränkung nur für bestimmte Rechtsgebiete vorsehen wollen. Ihr Katalog ist etwas weiter. Aber wenn Ihre grundsätzlichen Argumente gegen die Möglichkeit einer Berufungsbeschränkung richtig wären, würden sie sich genauso gegen Ihren eigenen Antrag Umdruck 403 richten wie gegen die Fassung des § 130. Insofern weiß ich nicht, ob Sie Ihren Antrag kennen. Vielleicht können Sie es mir sagen.
Zu einer Zwischenfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Kollege Benda, ist Ihnen nicht bewußt geworden, daß es sich nur um einen Hilfsantrag handelt, den wir für den Fall eingebracht haben, daß wir mit unserem Streichungsantrag zu § 130 nicht durchkommen?
Verzeihung, das ist mir nicht i aufgefallen. Wenn es einer sein sollte, dann müßte es drinstehen; aber es steht nicht drin. Ich habe Ihre Argumente so verstehen müssen, daß sie sich gegen den Grundsatz richten und nicht nur gegen den Antrag des Rechtsausschusses. Ich will mit Ihnen nicht über Formalien streiten; wir haben in dieser vorgerückten Stunde nicht die Zeit und die Lust dazu. Es handelt sich nur um die Frage: Sind Ihre grundsätzlichen Bedenken berechtigt? Wenn ja, kann man gar nichts machen. Sind sie nicht berechtigt, dann kann man sich natürlich über die Zweckmäßigkeit unterhalten.
Sie beide, Frau Kollegin und Herr Jahn, haben gesagt, der Bürger bekomme weniger Rechte. Diese Art der Argumentation ist bezeichnend für das merkwürdige Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten. Ist Ihnen beiden bewußt geworden — das scheint nicht der Fall zu sein —, daß in Ihrer Argumentation die Unterstellung steckt, der Bürger bekomme in der ersten Instanz immer unrecht? Nur dann nämlich kann dem Bürger die Möglichkeit abgeschnitten werden, sein Recht in der nächsten Instanz zu suchen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich die Beschränkung der Berufungsmöglichkeit mindestens dann zum Wohle des Bürgers auswirkt, wenn die Behörde, was auch vorkommen soll, in der ersten Instanz verloren und nicht die Möglichkeit hat, in die Berufung zu gehen. Wir wissen ja, daß Behörden durchaus bereit sind, ihr Glück in der zweiten Instanz zu versuchen, wenn die Möglichkeit da ist. — Bitte schön, Herr Jahn.
Sind Sie sich nicht darüber im klaren, daß Ihre Argumentation schließlich dazu führt, daß wir überhaupt kein Rechtsmittel mehr brauchen?
Nein, Herr Jahn, das nicht. Ich wehre mich nur gegen die Unterstellung, daß die Gerechtigkeit und die Rechtsfindung von der Zahl der Instanzen abhänge, vor denen Bürger und Behörde ihr Recht suchen und finden können. Das ist einfach nicht richtig.
— Herr Jahn, ich befinde mich da, wie ich meine, in Übereinstimmung mit diesem Haus. Dieses Haus hat nämlich, wenn ich mich nicht irre, anläßlich der Beratung des vorigen Haushalts einstimmig eine Resolution des Haushaltsausschusses — —(Abg. Dr. Arndt: Einstimmig? Das wäre eine
Schande! Keine einstimmige Beschlußfassung!)
— Herr Dr. Arndt, ich habe gesagt: „wenn ich mich nicht irre".
— Wenn ich mich geirrt habe, tut es mir leid.
Jedenfalls hat dieses Haus eine Entschließung des
Haushaltsausschusses angenommen, in der die Rede
4606 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Benda
davon war, daß man den Rechtsmittelzug — zwar beschränkt auf das Revisionsverfahren; aber das ändert nichts am Grundsatz — einschränken sollte, um einer Überfülle von gerichtlichen Instanzen zu begegnen.
— Es drehte sich damals um die Frage der Einrichtung eines weiteren Senats. Aber ich will darüber nicht reden, weil es absolut nicht zum Thema gehört.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die hier geäußert worden sind, sind sicherlich nicht 'berechtigt. Sie haben gesagt, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, eine solche Regelung sei verfassungswidrig. Demgegenüber darf ich Sie auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, veröffentlicht im 4. Band der Entscheidungen, Seite 387 ff., verweisen. Dort können Sie nachlesen, wie diese Frage entschieden worden ist. Ich brauche das hier nicht zu zitieren; es würde auch zu lange dauern.
— Frau Kollegin, ich bitte um Entschuldigung; Sie wissen, daß ich wirklich bereit bin, auf alle Fragen zu antworten, aber ich kriege nachher die Prügel von den Kollegen, die zum Zug wollen und dann sagen, es habe hier zu lange gedauert.
Ich will mich wirklich nicht um eine Frage drücken. Wir können die Sache nachher besprechen. Niemand würde es mir danken, wenn ich die Zeit, die dem Haus zur Verfügung steht, noch länger in Anspruch nähme.
— Es tut mir selber leid, denn die Frage ist wichtig genug, um erörtert zu werden. Aber Sie sehen, es geht in der Kürze der Zeit nicht.
Ein Weiteres zu den speziellen verfassungsrechtlichen Bedenken. Herr Kollege Jahn, ich nehme an, Sie haben sich im wesentlichen auf Uhle im „Deutschen Verwaltungsblatt" bezogen.
Dort ist nur in Frage gestellt worden, ob man ein geeignetes Differenzierungsmerkmal finden könne. Ich möchte ganz kurz dazu sagen, daß in dem Berufungsbeschränkungsgesetz — wir werden es nachher noch zu behandeln haben —, das die Fälle im einzelnen klärt, unterschieden ist zwischen den Bagatellsachen — Abgabensachen bis 300 DM wird man wohl als Bagatellsachen ansehen können — und den anderen Fällen, in denen man mit Recht sagen kann, daß ein besonderes Interesse nicht nur der
Behörde, sondern gerade auch des betroffenen Bürgers an einer schnellen Entscheidung vorliegt.
Ich wehre mich gegen die Unterstellung, daß ein Verfahren um so besser sei, je länger es dauere.
Das Gegenteil trifft in den Fällen, von denen hier gesprochen wird, zu. Ich wehre mich gegen die andere Unterstellung, daß die Bestimmungen des § 130 und des Berufungsbeschränkungsgesetzes kein geeignetes Mittel seien, um die Überlastung der Verwaltungsgerichte in Zukunft einzuschränken. Dazu muß ich zitieren, was von dem Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung des Rechtsausschusses am 17. April 1959 auf Grund der statistischen Ergebnisse einer Umfrage in den Ländern ausgeführt worden ist. Es wurde gesagt, daß im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 10 000 Berufungen bei den Oberverwaltungsgerichten eingegangen seien, daß gleichzeitig aber etwas mehr als 10 000 Berufungen aus den vergangenen Jahren mitgeschleppt worden seien. Das bedeutet, daß bei gleichbleibender Belastung der Oberverwaltungsgerichte, d. h. ohne die hier vorgesehene Änderung, jeder Richter bei einem Oberverwaltungsgericht etwa zehn Monate des Jahres allein mit der Aufarbeitung der Rückstände zu tun hat, ehe er an die Bearbeitung der neuen Fälle kommt. Wenn die hier vorgesehene Fassung Gesetz wird, hat das zur Folge, daß, ebenfalls bei gleichbleibender Belastung, in etwa fünf Jahren ungefähr 50 %; der Reste aufgearbeitet werden können und daß in weiteren zwei bis drei Jahren ein völlig normaler Zustand hergestellt ist, d. h. daß keine Rückstände mehr vorhanden sind.
Ich muß mich wegen der Kürze der Zeit auf diese Bemerkungen beschränken. Ich darf Sie aber doch bitten, meine Damen und Herren, diesen Fragen, über deren grundsätzliche Bedeutung wir uns in diesem Hause vielfach unterhalten haben und über die man sich eigentlich nicht mehr streiten sollte, Gewicht beizumessen. Ich bitte Sie, unseren Anträgen bzw. den Vorschlägen des Rechtsausschusses zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, die Zahl der Redner und der Zwischenfrager zu so später Stunde gegen das Wochenende hin zeigt, daß die Jurisprudenz nicht nur ein Beruf ist, sondern auch eine Leidenschaft. Da sie aber mit der Leidenschaft zur Prägnanz verbunden sein soll, bitte ich allgemein, sich kurz zu fassen, damit wir noch mit unserem Pensum fertig werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Ich werde mich, wie ja meistens, sehr kurz fassen. Ich bin doch betroffen, daß Sie, Herr Kollege Benda, so tun, als ob es darum ginge, daß ein Verfahren lange oder kurze Zeit dauert, und darauf hingewiesen haben, daß in diesem Falle ein Rechtsmittel auch zuungunsten der Privatperson vom Staat eingelegt werden könne. Selbstverständ-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4607
Dr. Bucherlich! Aber damit — es ist ja schon in einem Zwischenruf gesagt worden — können Sie gegen jedes Rechtsmittelverfahren überhaupt sprechen und werden doch den grundsätzlichen Bedenken nicht gerecht, die gegen eine Einschränkung der Berufung sprechen. Es ist verständlich, daß wir die Revision in allen Verfahrensordnungen weitgehend einschränken; das ist notwendig. Aber die Berufung sollte im allgemeinen möglich sein.Nur noch ein Wort zu Ihrer Bemerkung, in unserer Haltung sei ein Widerspruch. Im Gegenteil, sie ist ganz klar. Wir lehnen den § 130 zunächst einmal ab, weil wir es für falsch halten, schon in das Gesetz eine Art Ermächtigung hineinzusetzen, die Berufung einzuschränken. Wenn einmal wirklich Not am Mann sein sollte, bedarf es ja dieser Ermächtigung nicht. Dieses Gesetz hat ja keine verfassungsrechtliche Kraft, sondern es ist jederzeit möglich, die Berufung durch einfaches Gesetz einzuschränken. Dann ist der Gesetzgeber vor die Notwendigkeit gestellt, etwas Neues zu machen, und kann sich nicht auf eine bereits vorhandene Ermächtigung berufen.Wir sind also gegen diesen § 130 und unterscheiden uns von der SPD nur dadurch, daß wir glaubten — und ich halte das auch jetzt noch für richtig —, man braucht keinen Antrag auf Streichung zu stellen, wenn man dem Paragraphen nicht zustimmen will, sondern nur dagegen zu stimmen. Das ist eine rein geschäftsordnungsmäßige Differenz.Für den Fall, daß der § 130 bleibt, haben wir den Änderungsantrag zu § 1 Abs. 1 des Beschränkungsgesetzes gestellt. Ich sage das, damit ich nachher nicht noch einmal auf die Rednertribüne gehen muß. Dieser Antrag ist also nur eventual gemeint: wenn § 130 bleibt, wollen wir wenigstens die Regierungsvorlage wiederhergestellt haben.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, es liegt der Antrag vor, § 130 zu streichen. Gemäß unserer Übung kann der Antrag auf Streichung in zweiter Lesung nur so behandelt werden, daß über den § 130 selber abgestimmt wird. Wer dem Änderungsantrag der SPD zustimmt, muß gegen den § 130 stimmen. Ich lasse also über § 130 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist § 130 angenommen und zugleich der Änderungsantrag abgelehnt.
Ich rufe auf §§ 131, — 132, — 133, — 133a, — 133b, — 134 — und 134a. Das Wort wird nicht gewünscht? — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die genannten Bestimmungen sind angenommen.
Ich rufe auf § 135 und dazu den Antrag der Abgeordneten Dr. Weber , Frau Dr. Kuchtner, Dr. Arndt und Genossen, Umdruck 396. Ich nehme an, daß das Wort nicht gewünscht wird. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich weise noch einmal darauf hin, daß es in Absatz 2 Zeile 4 nicht „Rechtsform", sondern „Rechtsnorm" heißen muß. Ich lasse nunmehr über § 135 in der Ausschußfassung — .mit dieser Berichtigung und der soeben beschlossenen Änderung — abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — § 135 ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 136, — 137, — 138, — 139 — und 140. Das Wort wird nicht gewünscht? — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 141, dazu den Antrag auf Umdruck 404 Ziffer 18, diesen Paragraphen zu streichen. Wird das Wort gewünscht? —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich muß wieder wie vorhin verfahren und über § 141 in der Ausschußfassung abstimmen lassen. Wer also dem Änderungsantrag der SPD zustimmen will, muß gegen den § 141 stimmen. Wer § 141 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Streichungsantrag ist abgelehnt; § 141 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf § 142. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 142 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen!
Ich rufe auf § 143 und dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 397 Ziffer 7, nach dem der § 143 eine neue Fassung erhalten soll. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 397 Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Ohne Gegenstimmen angenommen. Damit hat der § 143 eine neue Fassung erhalten.
Ich rufe auf § 144, — § 145, – § 146, — und § 147. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 148 sowie den Änderungsantrag auf Umdruck 397 Ziffer 8. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Umdruck 397 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Wer dem § 148 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe auf § 149, - § 150 entfällt, - § 151, -§ 152, - § 153, - § 154, - § 154a, - § 155, -§ 156, - § 157. § 158 entfällt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 159. Der Änderungsantrag auf Umdruck 401 Ziffer 2 entfällt, nachdem der Antrag unter Ziffer 1 abgelehnt worden ist. Wer dem § 159 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
§ 160 entfällt hier.
Ich rufe auf die §§ 160a, — 161, - 162, - 163, -
164, 165, 166, - 167, - 167a, 168, - 169, - 169a, - 169b. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr den Antrag auf Umdruck 397 Ziffer 9 auf, nach dem ein neuer § 169c eingefügt werden soll. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen. Damit ist der § 169c eingefügt.
§ 170 soll nach der Ausschußvorlage entfallen, jedoch ist der Antrag gestellt - Umdruck 397 Ziffer 10 den § 170 in einer Neufassung wiederherzustellen. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen. Damit ist § 170 in neuer Fassung wieder eingefügt.
Ich rufe auf die §§ 170a, - 170aa, - 170b, - 171 entfällt, 171a, -- 171b, - 172, - 173, - 174 und 175 entfallen hier, 176, - 176a, - 177 entfällt, 177a, - 178, -- 179, - 179a, - 179aa, - 179b, - 179c, - 179d. - Das Wort wird nicht gewünscht.
- Also ist zu § 179a kein Änderungsantrag gestellt. Ich kann also bis § 179d abstimmen lassen, falls nicht noch Wortmeldungen erfolgen. - Das ist nicht der Fall.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zu § 179e und damit zum Antrag Umdruck 397 Ziffer 11. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Es ist so beschlossen.
Ich lasse über § 179e in der Ausschußfassung, jedoch unter Berücksichtigung der soeben erfolgten Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zu § 180 und damit zu den Anträgen Umdruck 397 Ziffern 12 und 13 sowie Umdruck 399 Ziffer 4. Wird zu diesen Anträgen das Wort gewünscht? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bloß darauf hinweisen, daß sich in § 180 unter 7 die gewünschte Änderung als Konsequenz daraus ergibt, daß das Hohe Haus in § 15 mit Mehrheit die ursprüngliche Regierungsfassung wiederhergestellt hat.
Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Nein.
Ich lasse über den Antrag Umdruck 397 Ziffer 12 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bei wenigen Gegenstimmen angenommen.
Antrag Umdruck 397 Ziffer 13. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Antrag Umdruck 399 Ziffer 4! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich glaube, die Abstimmung wiederholen wir noch einmal. Es handelt sich um den Umdruck 399 - Antrag der Abgeordneten Dr. Werber; Kühlthau, Schmitt , Kühn (Bonn) und Genossen - Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wer § 180 in der Ausschußfassung, jedoch mit den verschiedenen beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Einleitung und Überschrift muß ich noch aufrufen. Wer der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Bevor wir zur dritten Beratung kommen, erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche der dritten Lesung.
Ich nehme an, daß der Widerspruch namens Ihrer Fraktion erfolgt ist; das sind mehr als 10 Mitglieder des Hauses. Damit kann die dritte Lesung nicht stattfinden.Wir kommen nunmehr zu Punkt 14b), dem Entwurf eines Gesetzes über die Beschränkung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.Die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner, hat einen Schriftlichen Bericht erstattet, für den ich ihr danke.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959 4609
Vizepräsident Dr. JaegerIch rufe in zweiter Beratung § 1 mit dem Umdruck 403 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Umdruck 403, Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokraten, zuzustimmen wünscht, dem Abs. 1 eine andere Fassung zu geben, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Ich lasse nunmehr über § 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen.§ 2! — Entfällt hier. — Ich rufe §§ 3 und 3a auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.Ich rufe § 4 mit Umdruck 398 auf, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Weber , Frau Dr. Kuchtner, Dr. Arndt, Dr. Bucher, Dr. Schneider (Lollar) und Genossen. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesemÄnderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ohne Gegenstimmen. Damit hat § 4 eine neue Fassung erhalten.Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.— Ich bitte um die Gegenprobe. — Sie sind beschlossen.Wird Widerspruch gegen die dritte Beratung erhoben?
— Es wird Widerspruch erhoben. Wie viele Abgeordnete erheben Widerspruch? — Das sind mehr als 10 Mitglieder des Hauses. Die dritte Beratung kann daher nicht stattfinden.Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 4. November, 15 Uhr. Ich danke allen, die ausgeharrt haben.Die Sitzung ist geschlossen.