Rede von
Dr.
Ernst
Benda
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Nein, Herr Jahn, das nicht. Ich wehre mich nur gegen die Unterstellung, daß die Gerechtigkeit und die Rechtsfindung von der Zahl der Instanzen abhänge, vor denen Bürger und Behörde ihr Recht suchen und finden können. Das ist einfach nicht richtig.
— Herr Jahn, ich befinde mich da, wie ich meine, in Übereinstimmung mit diesem Haus. Dieses Haus hat nämlich, wenn ich mich nicht irre, anläßlich der Beratung des vorigen Haushalts einstimmig eine Resolution des Haushaltsausschusses — —(Abg. Dr. Arndt: Einstimmig? Das wäre eine
Schande! Keine einstimmige Beschlußfassung!)
— Herr Dr. Arndt, ich habe gesagt: „wenn ich mich nicht irre".
— Wenn ich mich geirrt habe, tut es mir leid.
Jedenfalls hat dieses Haus eine Entschließung des
Haushaltsausschusses angenommen, in der die Rede
4606 Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode 85. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1959
Benda
davon war, daß man den Rechtsmittelzug — zwar beschränkt auf das Revisionsverfahren; aber das ändert nichts am Grundsatz — einschränken sollte, um einer Überfülle von gerichtlichen Instanzen zu begegnen.
— Es drehte sich damals um die Frage der Einrichtung eines weiteren Senats. Aber ich will darüber nicht reden, weil es absolut nicht zum Thema gehört.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die hier geäußert worden sind, sind sicherlich nicht 'berechtigt. Sie haben gesagt, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, eine solche Regelung sei verfassungswidrig. Demgegenüber darf ich Sie auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, veröffentlicht im 4. Band der Entscheidungen, Seite 387 ff., verweisen. Dort können Sie nachlesen, wie diese Frage entschieden worden ist. Ich brauche das hier nicht zu zitieren; es würde auch zu lange dauern.
— Frau Kollegin, ich bitte um Entschuldigung; Sie wissen, daß ich wirklich bereit bin, auf alle Fragen zu antworten, aber ich kriege nachher die Prügel von den Kollegen, die zum Zug wollen und dann sagen, es habe hier zu lange gedauert.
Ich will mich wirklich nicht um eine Frage drücken. Wir können die Sache nachher besprechen. Niemand würde es mir danken, wenn ich die Zeit, die dem Haus zur Verfügung steht, noch länger in Anspruch nähme.
— Es tut mir selber leid, denn die Frage ist wichtig genug, um erörtert zu werden. Aber Sie sehen, es geht in der Kürze der Zeit nicht.
Ein Weiteres zu den speziellen verfassungsrechtlichen Bedenken. Herr Kollege Jahn, ich nehme an, Sie haben sich im wesentlichen auf Uhle im „Deutschen Verwaltungsblatt" bezogen.
Dort ist nur in Frage gestellt worden, ob man ein geeignetes Differenzierungsmerkmal finden könne. Ich möchte ganz kurz dazu sagen, daß in dem Berufungsbeschränkungsgesetz — wir werden es nachher noch zu behandeln haben —, das die Fälle im einzelnen klärt, unterschieden ist zwischen den Bagatellsachen — Abgabensachen bis 300 DM wird man wohl als Bagatellsachen ansehen können — und den anderen Fällen, in denen man mit Recht sagen kann, daß ein besonderes Interesse nicht nur der
Behörde, sondern gerade auch des betroffenen Bürgers an einer schnellen Entscheidung vorliegt.
Ich wehre mich gegen die Unterstellung, daß ein Verfahren um so besser sei, je länger es dauere.
Das Gegenteil trifft in den Fällen, von denen hier gesprochen wird, zu. Ich wehre mich gegen die andere Unterstellung, daß die Bestimmungen des § 130 und des Berufungsbeschränkungsgesetzes kein geeignetes Mittel seien, um die Überlastung der Verwaltungsgerichte in Zukunft einzuschränken. Dazu muß ich zitieren, was von dem Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung des Rechtsausschusses am 17. April 1959 auf Grund der statistischen Ergebnisse einer Umfrage in den Ländern ausgeführt worden ist. Es wurde gesagt, daß im Durchschnitt der letzten Jahre etwa 10 000 Berufungen bei den Oberverwaltungsgerichten eingegangen seien, daß gleichzeitig aber etwas mehr als 10 000 Berufungen aus den vergangenen Jahren mitgeschleppt worden seien. Das bedeutet, daß bei gleichbleibender Belastung der Oberverwaltungsgerichte, d. h. ohne die hier vorgesehene Änderung, jeder Richter bei einem Oberverwaltungsgericht etwa zehn Monate des Jahres allein mit der Aufarbeitung der Rückstände zu tun hat, ehe er an die Bearbeitung der neuen Fälle kommt. Wenn die hier vorgesehene Fassung Gesetz wird, hat das zur Folge, daß, ebenfalls bei gleichbleibender Belastung, in etwa fünf Jahren ungefähr 50 %; der Reste aufgearbeitet werden können und daß in weiteren zwei bis drei Jahren ein völlig normaler Zustand hergestellt ist, d. h. daß keine Rückstände mehr vorhanden sind.
Ich muß mich wegen der Kürze der Zeit auf diese Bemerkungen beschränken. Ich darf Sie aber doch bitten, meine Damen und Herren, diesen Fragen, über deren grundsätzliche Bedeutung wir uns in diesem Hause vielfach unterhalten haben und über die man sich eigentlich nicht mehr streiten sollte, Gewicht beizumessen. Ich bitte Sie, unseren Anträgen bzw. den Vorschlägen des Rechtsausschusses zuzustimmen.