Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe auf Punkt 36 a) und b) der verbundenen Tagesordnung:
a) Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration ,
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht .
Zunächst gebe ich zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und DP dem Herrn Abgeordneten Schmücker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zehn Monaten haben die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei eine Große Anfrage zur Wirtschaftskonzentration eingebracht. Aus mancherlei Gründen hat sich die parlamentarische Behandlung dieser Anfrage bis heute hinausgezögert. Um die erste Hinausschiebung hatte ich selber aus Krankheitsgründen gebeten. Der nächste Termin mußte verschoben werden, da sich Kollegen, die unbedingt an der Debatte teilnehmen wollten und nach meiner Meinung auch sollten, auf Auslandsreise befanden. Vor der Sommerpause ließ die durch die Etatverabschiedung angespannte Geschäftslage des Hauses eine Beratung nicht mehr zu.Ich erwähne diese Gründe so ausführlich, weil die Verzögerung von einigen Seiten als Verschleppung gedeutet worden ist. An sich sollten solche Unterstellungen gar nicht aufkommen können, da eine Verschleppung nie den Zweck hätte erreichen können, der ihr nachgesagt wird.Ich nehme aus der Verzögerung viel lieber das positive Ergebnis. Dieses positive Ergebnis ist, daß sich die deutsche Öffentlichkeit seit zehn Jahren in einer solchen Ausführlichkeit und Intensität mit der Frage der Konzentration befaßt, daß die Bedeutung dieses Problems jedem politisch interessierten Bürger bewußt geworden ist. Von vielen Seiten ist umfangreiches Material zusammengetragen worden, das wertvolle Hinweise lieferte. Presse, Gewerkschaften und die Organisationen der Wirtschaft haben sichintensiv mit dem Konzentrationsproblem befaßt, und vor allem die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer hat instruktive Beiträge erarbeitet.Wer allerdings geglaubt hat, diese Debatte müsse ,ein fertiges Rezept für den sofortigen Abbau jeglicher Konzentration bringen, der hat sich nach meiner Meinung im Frühjahr ,geirrt, und der wird sich wohl auch heute irren. Die Bekämpfung unnötiger wirtschaftlicher Konzentration und die Einschränkung derjenigen Macht, die auch von jeder unvermeidbaren Konzentration ausgeht, wird eine Aufgabe für eine lange Zukunft sein. Wir sollten hier und heute prüfen, wie die gegenwärtige Situation ist und welche Mittel wir anwenden müssen, um den Gefahren zu begegnen.Bei der Analyse unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur sollten wir bei allen Parteien wenigstens annähernd zu den gleichen Ergebnissen kommen können. Warum sollte ich beispielsweise nicht zugeben, daß ich der Analyse, die in dem Entwurf des Grundsatzprogramms der SPD aufgezeichnet worden ist, weithin zustimme? Ich füge dieser Feststellung noch nicht einmal das in der politischen Auseinandersetzung fast unvermeidbare Aber hinzu, das sonst sofort wieder dein Unterschied zwischen den Methoden herauskehren soll. Ich bitte vielmehr auch Sie, die Darstellung der Gegebenheiten von der Frage nach der Schuld an diesen Zuständen wenigstens eine Zeitlang frei zu halten.Ich trage diese Bitte nicht deshalb vor, weil ich Angst haben könnte vor dieser Frage nach der Schuld. Denn erstens bin ich selber viel zu jung, um persönlich Schuld tragen zu können, und zweitens bin ich der Meinung, daß eine Schuld im Sinne eines Versäumnisses oder gar der bewußten intriganten Lenkung hier gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang in Frage kommen kann. Ich weiß aber sehr wohl, daß Analysen, wenn man sie unter den Druck der Schuldfrage stellt, sehr oft verzerrt werden; am Ende sucht man dann nicht mehr nach Erkenntnissen, sondern nur noch nach Ausreden.Noch eine weitere Vorbemerkung möchte ich mir gerade anläßlich dieser Debatte erlauben. Man kann Untersuchungen von verschiedenen Standpunkten aus führen. Aber einen Ausgangspunkt muß man haben, und den sollte weder der Sprecher noch der Kritiker außer acht lassen. Wir streiten doch hier im Hause so häufig in Detailfragen und tun dann so, als wenn in ihnen die Differenzpunkte lägen. In Wirklichkeit liegen sie viel tiefer, und weil man es nicht wagt, sie offen zu nennen, ficht man dann in Scheingefechten und endet in nutz-
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Schmückerloser Polemik; man redet aneinander vorbei, anstatt im offenen Wort zu bekennen, daß man bei d e n Unterschieden angelangt ist, welche die Verschiedenheit der politischen Richtungen begründen, ich möchte sogar sagen, bei den Unterschieden, welche den politischen Richtungen erst ihre ,eigenständige Daseinsberechtigung geben. Gerade in dieser Debatte, meine ich, sollte diese Feststellung vorausgeschickt werden. Denn was hier zur Gro-Ben Anfrage gestellt ist, ist nicht nur ein nüchternes Zahlenspiel der Wirtschaft, sondern ist die Struktur unserer Gesellschaft, sind also die Lebensmöglichkeiten unserer Menschen.Meine Damen und Herren! Wir haben den Wohlstand für alle zur Parole gewählt; aber nicht — wie uns häufig unterstellt wird —, um jedem ein unbekümmertes Leben zu ermöglichen und den interessenlosere Spießbürger zum Idol zu erheben, sondern um möglichst allen, die danach verlangen, eine Basis der freien Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu verschaffen.
In der Not mit den Problemen fertig zu werden, ist uns Deutschen sehr häufig gelungen. Die hier angesprochene Frage müssen wir meistern, obwohl es uns gut geht.Das große Interesse der deutschen Öffentlichkeit an der Frage der Gestaltung unserer Wirtschaft beweist, daß wir uns nicht in der Gefahr der Verkümmerung des politischen Willens befinden. Ich bin sogar davon überzeugt, daß in der öffentlichen Meinung die Strukturpolitik inzwischen einen Vorrang gegenüber der bis vor kurzem notwendigerweise überbetonten Konjunkturpolitik erhalten hat; und das werte ich als einen Erfolg.Das Gesagte gilt nicht nur für den eigenen nationalen oder europäischen Wirtschaftsraum, sondern weit darüber hinaus. Es wäre wohl sonst kaum möglich, daß die Hilfe für die Entwicklungsländer von einer so breiten Mehrheit unseres Volkes getragen ist.Natürlich ist nicht alles reiner Edelmut; es sind auch andere Gefühle dabei. Wieder auf Deutschland bezogen: es haben — Gott sei Dank, möchte ich sagen — viele Menschen Sorge, vor allem im selbständigen Unternehmertum der Industrie, des Handwerks und des Handels und den freien Berufen, die Wirtschaft würde ihnen nach dem Wohlstand eines Tages eine bedrückende Abhängigkeit bringen. Das spricht für unsere Menschen und widerlegt die häufige Behauptung von einer politischen Gleichgültigkeit. Wir sollten nun untersuchen, ob und inwieweit die Sorgen berechtigt sind.In der Regierungserklärung zu Beginn des 3. Deutschen Bundestages hieß es:Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht.Bundeskanzler Dr. Adenauer und Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Erhard haben wiederholt in eindrucksvollen Worten diese Erklärung unterstrichen. Wir meinen nun, daß es an der Zeit ist, im Sinne dieser Erklärung die Situation unserer Wirtschaft zu diskutieren.Wir fragen daher die Bundesregierung erstens:Was versteht die Bundesregierung unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration?Wir stellen diese Frage, um die auch hier im Hause unzweifelhaft mögliche Einigung darüber zu erzielen, daß die wirtschaftliche Konzentration an sich noch nicht tadelnswert ist. Eine moderne Wirtschaft kann auf Konzentration nicht generell verzichten. Die Massenproduktion von Gebrauchsgütern und die sehr kapitalintensive Herstellung von Grundstoffen und mancherlei Investitionsgütern läßt sich in vielen Fällen ohne eine Konzentration von Produktionsmitteln nicht verwirklichen. Der wachsende Wohlstand unseres Volkes beruht nicht zuletzt auf der Massenproduktion. Die fortschreitende Automation ist zudem ohne größere Betriebsformen kaum vorstellbar, womit allerdings nicht gesagt sein soll, daß diese Automation den Großbetrieben vorbehalten sei. Wir haben bereits heute eine große Anzahl von Klein- und Mittelbetrieben, die sich gerade unter Ausnutzung der technischen Entwicklung erfolgreich im Wettbewerb behauptet haben. Es ist daher durchaus möglich, und ich halte es sogar für wahrscheinlich, daß die kommende Entwicklung den kleineren und mittleren Betrieben neue Chancen gibt. Die Aufgabe des Gesetzgebers wird es sein, dafür zu sorgen, daß die kleineren und mittleren Betriebe diese Chancen wahrnehmen können.Es gibt also wirtschaftliche Konzentration, die nicht nur unvermeidbar, sondern sogar erforderlich sind. Natürlich können derartige Unternehmen aus ihrer Vorzugsstellung heraus sehr leicht ungerechtfertigte Vorteile ziehen. Darum wird es unsere Aufgabe sein, solche Möglichkeiten weitestgehend einzuschränken. Wirtschaftliche Macht kann auch zu politischer Macht werden. Sie kann es aber nur bleiben, wenn Parlament und Regierung es zulassen, und das darf auf keinen Fall geschehen.Neben den aus ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung heraus gerechtfertigten Konzentrationen gibt es aber auch eine Reihe von Betriebs- und vor allen Dingen Unternehmenskonzentrationen, die gegen jede wirtschaftliche Vernunft verstoßen. Sie leisten nichts, was die Konzentration rechtfertigen könnte, und bestehen nur, weil sie auf Grund veralteter, wettbewerbsfeindlicher Gesetze ein bequemes Leben haben. Sie nutzen mehr oder weniger geschickt vor allem das Steuer- und Gesellschaftsrecht aus. Hätten sie von Anfang an die ganze Härte des Wettbewerbs zu spüren bekommen, wären sie wohl kaum entstanden.Erwähnen möchten wir auch, daß die nach unserer Meinung mangelhafte marktwirtschaftliche Regelung unserer Werbung auf einigen Gebieten zu Konzentrationen geführt hat, die allein nach den
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Schmückerpreislichen und qualitativen Leistungen dieser Firmen nicht zu rechtfertigen sind. Am leichtesten hat es die vertikale Konzentration bei der Ausnutzung veralteter Gesetze. Man kann den Unternehmen, welche die gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzen, hieraus keinen Vorwurf machen, so sehr es wünschenswert wäre, daß sie von sich aus maßgehalten hätten. Leider aber war es den gesetzgebenden Organen infolge der dringlicheren Arbeiten der letzten Jahre nicht möglich, eine durchgreifende Reform der Gesetze vorzunehmen. Inzwischen aber dürfte diese Reform zu einer der wichtigsten Aufgaben geworden sein.Von jeder Konzentration gehen unter dem geltenden Gesellschafts- und Steuerrecht gesellschaftspolitische Nachteile aus. Bei den vermeidbaren Konzentrationen sind diese Nachteile erheblich größer als bei jenen Konzentrationen, auf die wir, wenigstens zur Zeit, noch nicht verzichten können. Sie führen zur Gefährdung oder gar zur Vernichtung selbständiger Existenzen, die sonst durchaus lebensfähig wären. Dabei nimmt diese Vernichtung selbständiger Existenzen nur selten die Form harter Fehden an. Wir hören immer häufiger, daß Unternehmer ihre Betriebe größeren Unternehmen anbieten und sich selber mit einer Angestelltenposition begnügen. Wir nehmen an, daß der Bundesregierung derartige Vorgänge, die sich gern einen sozialen, um nicht zu sagen karitativen Anstrich geben, nicht unbekannt sind. Sie dürften wohl mit ein Anlaß zu dem eingangs zitierten Satz der Bundesregierung gewesen sein.Ich meine, man darf hier feststellen: Jede durch eine vermeidbare Konzentration verursachte Ausschaltung eines selbständigen Unternehmers ist ein Schlag gegen die Marktwirtschaft. Eine Wettbewerbswirtschaft ist ohne unternehmerisches Denken nicht möglich. Natürlich darf man nicht behaupten, daß lediglich der selbständige Unternehmer unternehmerisch tätig werden könne; aber er allein ist in jedem Fall gezwungen, unternehmerisch zu handeln. Eine Marktwirtschaft ohne selbständige Unternehmer ist nicht denkbar.
Wir sollten uns deshalb im Interesse der Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft bemühen, alle vermeidbaren Konzentrationen abzubauen. Dieser Abbau braucht nicht durch eine dirigistische Politik zu erfolgen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, daß die Wettbewerbsbedingungen, soweit sie durch staatliche Normen beeinflußbar sind, so gestaltet werden, daß es sich nicht mehr lohnt, vermeidbare Konzentrationen vorzunehmen oder aufrechtzuerhalten.Um das tun zu können, meine Damen und Herren, möchten wir einen allgemeinen Überblick über die Verhältnisse haben, um auf Grund dieser Unterlagen prüfen zu können, ob etwas und was getan werden muß. In diesem Sinne bitten wir Sie auch, unsere zweite Frage aufzufassen:Kann die Bundesregierung einen Überblicküber den Umfang solcher Konzentrationen inder Wirtschaft geben, oder was gedenkt sie zu tun, um sich einen solchen Überblick zu verschaffen?Ich wiederhole dazu die Bitte, nicht jahrelang an überperfektionistischen Definitionen und statistischen Zahlen herumzuarbeiten, wenn es auch schwer sein dürfte, einen einmal entfachten Eifer in dieser Branche zu bremsen.Unsere dritte Frage lautet:Inwieweit sind die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien mit der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden?Diese Frage, meine Damen und Herren, geht von der geschichtlichen Vorstellung einer gegliederten Wirtschaft aus. Wir wissen, daß die Einteilung der Wirtschaft in Funktionen weder von unserer Verfassung noch von unserer Wirtschaftskonzeption her tragbar ist. Wir mögen uns heute noch die Bequemlichkeit leisten können, die Wirtschaft in Grundstoffindustrie, Verarbeitung, Weiterverarbeitung, Großhandel, Einzelhandel, Handwerk usw. einzuteilen und daraus Funktionen abzuleiten. Aber das, davon bin ich fest überzeugt, wird bald vorbei sein.Das Handwerk ist übrigens ein Beweis dafür, daß es nicht möglich ist, Funktionen aufrechtzuerhalten. Im Handwerk fallen durchweg mehrere Verarbeitungsstufen und der Handel in einem Unternehmen zusammen. Wenn wir dennoch unsere dritte Frage so formuliert haben, dann deshalb, weil die verwendeten Begriffe eben nach wie vor geläufig sind. Wir empfinden es aber als eine gute Gelegenheit, gerade aus diesem Anlaß auf Widersprüche hinzuweisen. Es wird, wie ich sagte, nach unserer Meinung auf die Dauer nicht tragbar sein, bei der Vorstellung zu verharren, es gebe abgrenzbare Funktionen oder Stufen.Es wäre nun Faber verhängnisvoll, durch Umkehrschluß aus der Einheitlichkeit der Wirtschaft folgern zu wollen, die Märkte müßten sowohl auf der anbietenden wie auf der nachfragenden Seite vereinheitlicht werden. Die Einheit der Wirtschaft muß vielmehr ihr Gleichgewicht haben in einer möglichst mannigfaltigen Unternehmensstruktur. Ohne diese Mannigfaltigkeit würde der Verbraucher das Recht der freien Konsumwahl, der Arbeiter sein Recht der freien Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes verlieren.Die unternehmerischen Möglichkeiten waren in früherer Zeit auf bestimmte Funktionen ausgerichtet, und ich sagte, daß diese Vorstellung auch heute noch besteht. Viele selbständige Großhändler wehren sich beispielsweise gegen ein Vordringen der Grundstoff- und Investitionsgüter- oder Verarbeitungsindustrie in den Handel aus dem Gefühl heraus, daß dieser Handel nur ihnen, den Großhändlern, zustehe. Diese Auffassung scheint mir zu eng zu sein. Wir wehren uns gegen das Vordringen jener Unternehmen in den Handel, weil sie meistens nicht laus unternehmerischen Gründen expandieren, sondern weil sie veraltete Gesetze ausnutzen und ihre Marktmacht erweitern wollen. Der Allgemeinheit entsteht dabei kein Vorteil, im Gegenteil, sie wird häufig benachteiligt. Einer zu einem Konzern
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Schmückergehörigen Eisenhandlung ist es möglich, durch innerbetriebliche Verrechnungspreise unlauter am Markt aufzutreten. Sie benachteiligen dadurch bis zum letzten Kunden alle diejenigen, die das nicht können.Wir möchten daher wissen, in welchem Umfang ,die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrie mit ,der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden ist. Wir möchten es wissen, um das tatsächliche Ausmaß der Gefahren für unseren Wettbewerb kennenzulernen.Meine Damen und Herren, wir haben absichtlich nicht nur von einem Vordringen der Industrie in den Handel gesprochen, weil wir auch Auskünfte über das Vordringen des Handels in die Industrie haben möchten. Man kann durch eine Konzentration der Nachfrage die Produktionsunternehmen in die gleiche Verlegenheit bringen, wie das durch die Produktion gegenüber dem Handel geschehen kann. Die gesellschaftspolitische Bedeutung unserer Frage nach den unternehmensmäßigen Verbindungen zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen ist offenkundig. Unsere Vorstellung von einer Wirtschaftsstruktur mit einer Vielzahl von Anbietern und einer Vielzahl von Nachfragern soll dem einzelnen die Freiheit bewahren. Allerdings hat die Freiheit nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch ein Risiko. Die Freiheit, die ohne Risiko ist, ist bisher noch nicht entdeckt worden, weder in der Innenpolitik noch in der Außenpolitik.
Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist also nicht die ängstliche Sorge um die Erhaltung einzelner oder gar bestimmter Unternehmen, sondern Ausgangspunkt ist der Wunsch nach der Sicherung unserer Marktwirtschaft, um mit der Marktwirtschaft unseren Bürgern das Recht zur freien Gestaltung ihres Lebens zu garantieren. Zur freien Konsumwahl, meine Damen und Herren, gehört Initiative. Ich meine, nur der Faule findet sich mit Zuteilungen ab. Beruf und Arbeitsplatzwahl sind eine echte Entscheidung, erst recht aber gehört Initiative dazu, Unternehmer zu sein.Wer aus der Marktwirtschaft das Recht auf Rendite aus jeglicher Tätigkeit herleitet, hat uns gründlich mißverstanden. Wer allerdings diese Feststellung mißbraucht, um den notwendigen Reformen veralteter Gesetze auszuweichen, welche zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen dringend erforderlich sind, der hat nach meiner Meinung ebensowenig begriffen, worum es uns geht. Ich richte mich mit dieser Feststellung nicht nur an die Wirtschaft, sondern auch an die Verwaltung, von deren innerer Überzeugung es ebenso abhängt, ob wir die notwendigen Reformen auch durchführen können.Meine Damen und Herren, es bestehen heute nicht nur Konzentrationen in der produzierenden und verteilenden Wirtschaft und zwischen beiden. Die Kreditwirtschaft nimmt ebenfalls einen großen Einfluß auf die Gesamtstruktur unserer Wirtschaft. Wir fragen daher die Bundesregierung — das ist unsereFrage 4 —: welche Einflüsse gehen von der Kreditwirtschaft auf die Konzentration aus?Die Kreditwirtschaft selbst hat einen bemerkenswerten Strukturwandel erfahren. Anfang 1900 gab es noch weit über 1000 Privatbanken in Deutschland. Heute ist die Zahl auf ,etwas über 200 zurückgegangen. Der Einfluß der Privatbankiers ist also erheblich geschmälert worden. Es mag nun nicht populär sein, die Bedeutung der Privatbanken für unsere Wirtschaft zu unterstreichen; jedenfalls haben sie in der Vergangenheit sehr viel geleistet, und ich frage mich häufig, ob diese ihre Aufgaben vom heutigen Kreditwesen, von den heutigen Kreditsystemen in gleicher Weise erfüllt werden.Aber eine zweite Frage. Wir wissen aus Gesprächen mit Vertretern aus allen Sparten des Kreditwesens, daß von ihnen einheitlich die Entwicklung zum Vollbankensystem bejaht wird. In den angelsächsischen Ländern ist die Entwicklung anders verlaufen. Dort hat man die Trennung der Aufgaben beibehalten, und es scheint uns, daß man dabei nicht schlecht fährt. Es wird nicht oder kaum möglich sein, in Deutschland die Entwicklung zurückzuschrauben. Aber die Nachteile, die eingetreten sind, müßten dennoch untersucht werden, und man sollte sich, wenn man solche Nachteile feststellt, bemühen, sie abzuändern.Ich meine, daß hierzu die Berücksichtigung der englischen und amerikanischen Erfahrungen gehört. Sie können uns wertvolle Hinweise geben. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren, wie es wohl um die Unabhängigkeit eines Unternehmens bestellt ist, das von ein und derselben Bank oder Bankengruppe etwa in folgenden Punkten betreut wird: 1. Depotstimmrecht — das es übrigens in England und Amerika nicht gibt —, 2. Eigenbeteiligung, 3. Kreditgeschäft, 4. Emissionen und Kurspflege und 5. Außenhandelsgeschäft.Eine weitere Frage: Wie will eine solche Bank den übrigen Kunden gerecht werden, wenn die Bundesbank beispielsweise restriktive Maßnahmen anordnet? Sehr viele haben das drastische Wort des Bundeskanzlers von dem Fallbeil, das dann immer zuerst die Kleinen trifft, scharf gerügt. Aber ich meine, die meisten haben den Herrn Bundeskanzler sehr genau verstanden. Es würde ja geradezu der Charakter eines Übermenschen dazu gehören, in einer länger anhaltenden schwierigen Situation zum eigenen Nachteil den anderen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.Aber auch in Zeiten der Hochkonjunktur bestehen gewisse Besorgnisse. Auf jeden Fall ist es wohl besser, wir sorgen durch unsere Gesetzgebung dafür, daß die Bankiers erst gar nicht in diese Gewissenskonflikte hineingeraten.
Wir werden beim Kreditwesengesetz eine gute Gelegenheit haben, unsere marktwirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Auffassungen fester zu verankern. Wir werden jedenfalls mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eine der wichtigsten
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Schmückerwirtschaftspolitischen Entscheidungen dieser Legislaturperiode treffen.In unserer fünften Frage wünschen wir von der Bundesregierung Auskunft darüber, ob und in welchem Ausmaß nach ihrer Meinung die Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Konzentration begünstigen. Wir stellen diese Frage, weil es bisher, soweit ich unterrichtet bin, keiner Landesregierung in nennenswertem Ausmaß gelungen ist, in der industriellen Erschließung industriearmer Gebiete Erfolge zu erzielen. Trotz erheblicher Zinsverbilligungen und Zuschüsse sind nur wenige Unternehmer in der Lage, Betriebe in diese Gebiete zu legen, und das, obwohl dort Arbeitskräfte in einem für die heutige Arbeitsmarktlage geradezu erstaunlichen Umfang zur Verfügung stehen.Ich glaube nicht, daß man dies einfach auf den Mangel an unternehmerischer Initiative zurückführen darf. Jeder Unternehmer muß seine Kalkulation nach den Realitäten ausrichten. Er muß auf die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens achten. Er muß das nicht nur zum Vorteil seines eigenen Betriebes, sondern auch zum Vorteil der Gesamtheit tun. Er stellt jedoch immer wieder fest, daß alle Zinsvergünstigungen nicht dazu ausreichen, die Standortnachteile auszugleichen. Es kommt also darauf an, in den Industrialisierungsprogrammen viel stärker auf eine Verbesserung der Standortbedingungen zu achten.Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich alle Bemühungen der Bundesregierung, strukturschwachen Gebieten Hilfe zu gewähren, und wir freuen uns, daß jetzt auch der Haushaltsausschuß dem Entwicklungsprogramm für zentrale Orte in wirtschaftlich schwachen Gebieten zugestimmt hat.Nun zu den kommunalen Bemühungen der Industriewerbung! Die Gemeinden wissen, daß sie von der Gewerbesteuer leben müssen. Folglich versuchen sie, besonders steuerkräftige, also große Gewerbebetriebe in ihren Bereich zu ziehen. In dem Wettlauf um neue Betriebe gewinnen meistens die bereits heute gewerbesteuerstarken Gemeinden, weil sie mehr bieten können. Wir halten diese Entwicklung für bedenklich und fordern die Verantwortlichen auf, für eine Abhilfe zu sorgen.Unsere sechste Frage lautet:Wie beurteilt die Bundesregierung die Konzentrationsvorgänge in ihrer Wirkung auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer?Es ist wichtig, bei allen Konzentrationen darauf zu sehen, ob sie vermeidbar oder unvermeidbar sind. Die vermeidbaren sollte man abbauen. Dafür müssen wir die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Die unvermeidbaren Konzentrationen sollten wir nicht als lästiges Übel hinnehmen, sondern als für die Wohlstandsmehrung unentbehrlich betrachten. Die Nachteile, die sie für die Freiheit bringen können, müssen in anderer Weise gemildert werden. So haben wir auch die Mitbestimmung als ein Mittel der Machtverteilung angesehen. Die Mitbestimmung gehört den Arbeitnehmern als Betriebsangehörigen. Die Mitbestimmung auf Bereiche auszudehnen, die über den Unternehmen stehen, scheint uns die Konzentration eher zu verstärken als abzubauen.In der 7. Einzelfrage sprechen wir von dem seit einiger Zeit stark in den Vordergrund gerückten Problem der lohnbezogenen Abgaben. Wir fragen die Bundesregierung, ob nach ihrer Ansicht durch den Unterschied in der Belastung, wie sie sich zwischen den lohn- und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen ergibt, eine Konzentration begünstigt wird.Es ist offenbar, daß der rationalisierte, von Arbeitskräften entblößte Betrieb an den Sozialabgaben in geringerem Umfang beteiligt wird als der lohnintensive. Wir haben das gerade anläßlich der Kindergelddebatte ausführlich besprochen. Dabei haben wir allerdings auch die Meinung gehört, daß eine Wettbewerbsbeeinflussung nicht eintrete. Das halte ich für falsch; denn es gibt nicht nur einen Wettbewerb innerhalb der gleichen Branchen, sondern einen allgemeinen Wettbewerb, an dem sich alle Betriebe beteiligen. Das gilt besonders für den Arbeitsmarkt und für den Geld- und Kapitalmarkt. Hier geht die Konkurrenz quer durch alle Bereiche der Wirtschaft.Wir müssen also erneut die Frage stellen, ob die Sozialabgaben bei diesen Verhältnissen tatsächlich ausschließlich Lohnbestandteil sind. Wenn die Lohnsumme die ausschließliche Bemessungsgrundlage eines steigenden Sozialaufwandes bleibt, dann muß doch zwangsläufig der Preis für alle Arbeit, die nicht maschinell ersetzbar ist, steigen. Der Umfang der nicht maschinell ersetzbaren Arbeit wird immer sehr groß bleiben. Was aber, wenn diese Arbeit, die vornehmlich von den freien Berufen und dem Handwerk geleistet wird, so hohe Preise fordern muß, daß sie der Durchschnittsbürger nicht bezahlen kann? Sollen wir dann zu Subventionen greifen oder an die Verstaatlichung beispielsweise des Gesundheitsdienstes oder der Rechtsberatung oder ähnlicher Dinge herangehen?Ich halte es geradezu für schaurig, diese Konsequenz bis zum Ende durchzudenken. Danach bestünde am Ende die Möglichkeit, daß in der Großwirtschaft marktwirtschaftlich einstweilen alles intakt bleibt, aber die Sozialisierung plötzlich am anderen Ende anfängt. Das darf nach der Auffassung meiner politischen Freunde auf keinen Fall geschehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hoffen, deutlich gemacht zu haben, daß unsere Abneigung gegen Wirtschaftskonzentrationen weder aus Neidkomplexen herrührt, noch aus der Verteidigung bloßer Besitzinteressen entstanden ist. Das werden uns noch nicht alle Kritiker glauben. Aber ich darf einmal daran erinnern, daß die soziale Marktwirtschaft in den ersten Jahren als reine Besitzbürgerwirtschaft diffamiert worden ist. Inzwischen wird diese Marktwirtschaft selbst von demjenigen Verbraucher, dem am persönlichen Besitz gar nichts gelegen ist, verteidigt und als die beste Wirtschaftsform anerkannt, die ihm den höchstmöglichen Vorteil bietet. Auf die Sicherung dieser Marktwirtschaft kommt es uns an,4424 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959SchmückerIch denke auch mit einiger heiterer Genugtuung an die Jahre, in denen man unserer Mittelstandsarbeit den Vorwurf egoistischer Interessenvertretung gemacht und in denen man diese Arbeit für engstirnige Kästchenpolitik gehalten hat. In Wirklichkeit ging es uns damals und geht es uns heute um die Durchsetzung der Marktwirtschaft bis in jene Kreise hinein, die gewollt oder ungewollt über Privilegien und gesetzliche Unzulänglichkeiten einen Vorteil nach dem anderen erlangen können. Ich wiederhole auch hier: die Benachteiligungen der kleinen und mittleren Unternehmen beruhen auf den Vorteilen der größeren Unternehmen, insbesondere auf steuerlichem Gebiet, die den kleineren und mittleren nicht zugänglich sind. Wir haben manche Äußerungen bedeutender Großunternehmer, die das bestätigen. Ich habe eine Meinungsäußerung in Erinnerung, in der uns sogar der Vorwurf gemacht wurde, daß man ihnen so lange diese Vorteile gewährt hat. Ich kann nur hoffen, daß man, wenn es an die Beseitigung der in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmung geht, im konkreten Fall also, gleiches Verständnis zeigt. Daß es sehr schwer werden wird, von Privilegien, die man jahrzehntelang genossen und lieb gewonnen hat, herunterzugehen, ist nur natürlich.Wir wissen — und das betonen wir ausdrücklich —, daß die notwendige Reform Rücksicht auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu nehmen hat. Wir wollen den Wettbewerb im Innern stärken und der Vermachtung in der Wirtschaft begegnen. Wir sind davon überzeugt, daß dabei unsere gesamte Wirtschaft — groß und klein — neue Kräfte gewinnen wird. Die Auseinandersetzung wird sehr schwierig sein, nicht nur im praktischen Bereich, wo es um die Brieftasche geht, sondern auch im Grundsätzlichen und im Theoretischen. Aber es geht darum, die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft in unserer gesamten Gesetzgebung zu verwirklichen. Wir sollten es uns zumindest vornehmen, bei allen kommenden Gesetzen darauf zu achten. Wir müssen in vielen Punkten liebgewordene Vorstellungen aufgeben. Das ist nicht leicht, auch nicht für die Verwaltungen, die ja ebenfalls unter einer Einteilung leiden, die praktisch nach jenen Funktionen ausgerichtet ist, von denen ich vorhin sagte, daß wir uns nicht mehr an sie halten können.Wir bitten die Bundesregierung in der Frage 8, uns die gesetzlichen Bestimmungen zu nennen, welche nach ihrer Ansicht die Konzentration begünstigen. Diese Frage beinhaltet keine Kritik; denn wohl kein Gesetz ist in der Absicht geschaffen worden, irgendwen zu benachteiligen. Die Gesetze sind nach den Erkenntnissen geformt, die man zur Zeit ihrer Schaffung hatte. Gesetze, die praktische Dinge regeln, müssen aber laufend an die tatsächlichen Verhältnisse angepaßt werden. Was von Dauer und unantastbar sein muß, sind die Grundsätze. Die praktische Verwirklichung müßte dagegen etwas mehr mit der Zeit gehen.An dem Beispiel der Umsatzsteuer wird klar, wie unerhört kompliziert die Reform veralteter Gesetze ist. Als die Umsatzsteuer geschaffen wurde, fand man nichts Unnatürliches darin, die einzelnen Unternehmen zu Steuerschuldnern zu machen. Man gab sich der trügerischen Annahme hin, daß es allen Unternehmen in gleicher Weise gelingen werde, die Steuer abzuwälzen. Man nahm also an, alle Waren würden — wenigstens annähernd — gleich belastet werden. Das ist aber falsch; darüber herrscht inzwischen in diesem Hause Übereinstimmung. Eine gleichmäßige Abwälzung ist nur möglich, wenn die Waren ohne Rücksicht auf die Art ihrer Herstellung und Verteilung gleichmäßig belastet sind. Dieser Anforderung würde nach der Meinung vieler Experten eine Mehrwertsteuer gerecht. Sie brächte strukturpolitisch viele Vorteile. Ihre konjunkturpolitischen Auswirkungen sind jedoch noch umstritten. Weiter würden bei diesem System alle Selbständigen mit einer hohen Wertschöpfung, die aus der persönlichen Arbeitsleistung entspringt, sehr stark benachteiligt.Aus diesen Hinweisen wird deutlich, daß Reformen, die unerwünschte Wirkungen von Gesetzen beseitigen sollen, sehr leicht andere Nachteile bringen können. Darum ist es auch selten möglich, ein System chemisch rein durchzuhalten.Es wird auch diesmal nicht ohne erhebliche Kompromisse abgehen. Wenn sich herausstellen sollte, daß, was ich befürchte, ein Mehrwertsteuersystem mehr Nachteile als Vorteile bringt, so müßten wir bereit sein, auch durch — ich sage das im vollen Bewußtsein der Bedeutung dessen, was ich ausführe — systemwidrige Eingriffe in das jetzige System oder in das Mehrwertsystem einer gerechten Besteuerung näherzukommen. Wichtiger als die Rettung des Steuersystems ist die Wettbewerbsneutralität, ohne die unsere Marktwirtschaft zum Erliegen kommt. Wir hoffen, daß die Vorarbeiten der Bundesregierung uns noch in diesem Jahr vor die Grundsatzentscheidung über die kommende Gestaltung der Umsatzsteuer stellen werden.Wir fragen die Bundesregierung in unserer letzten Frage, welche weiteren Maßnahmen sie für notwendig hält, um eine gesunde Struktur der deutschen Wirtschaft im Sinne der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zu gewährleisten. Wir glauben dabei nicht, daß es sinnvoll ist, spezielle Antikonzentrationsgesetze zu schaffen. Voraussetzung ist aber, daß es uns gelingt, durch eine wettbewerbs- und konzentrationsneutrale Gestaltung aller Maßnahmen eine gesunde Gesellschaftsstruktur zu erhalten.Wir wollen hier in aller Deutlichkeit feststellen, daß die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei die Durcharbeitung der Gesetze und ihre laufende Verbesserung für eine der wichtigsten innenpolitischen Aufgaben unserer Zeit halten. Wir freuen uns, daß die bisherige Wirtschaftspolitik die Ausgangsstellung für diese Arbeit gegeben hat. Wir sind froh darüber, daß unsere Außenpolitik es ermöglicht, daß wir uns dieser innenpolitischen Aufgabe widmen können.Diese Möglichkeiten, so meinen wir, sind zugleich eine Verpflichtung. Denn wenn wir jetzt die Chance verspielen, kann eines guten Tages alles umsonst gewesen sein. Die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, vor allen Dingen ihres Struktur- und ge-
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Schmückersellschaftspolitischen Gehalts, ist ein Teil unseres Ringens um die Erhaltung unserer Freiheit. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur dem Parlament und der Regierung, sondern auch den Sozialpartnern und der gesamten Öffentlichkeit. Wir sollten daher alles tun, um möglichst vielen Menschen klarzumachen, daß es im Interesse aller liegt, eine möglichst vielgliedrige Struktur unserer Wirtschaft und damit auch unserer Gesellschaft zu erhalten.Meine Damen und Herren, die Wirtschaft ist es gewöhnt, ihre Probleme nüchtern und sachlich zu erörtern. Das sollten auch wir tun. Aber wir dürfen keinen Augenblick vergessen, daß es hei diesem Bemühen um eine freiheitliche Gesellschaftsordnung um unsere Existenz geht. Darum ist diese Sorge es wert, daß wir nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit ganzem Herzen dabei sind.
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage —.Drucksache 702 — gehört.
Zur Beantwortung gebe ich das Wort dem Herrn Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP des Bundestages betreffend Wirtschaftskonzentration wie folgt.Ich werde die Fragen im einzelnen wiederholen, um die Antwort deutlicher zu gestalten.Frage 1 lautet:Was versteht die Bundesregierung unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration?Im Mittelpunkt der Diskussion, die allenthalben über die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Beurteilung der Konzentration in Fluß gekommen ist, steht die Befürchtung, daß sich ein immer größerer Teil der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und damit zugleich der wirtschaftlichen Macht auf einen sich ständig verkleinernden Kreis von Unternehmen beschränkt. Dabei spielt es für die Verwendung des Begriffes Konzentration keine Rolle, ob es sich um das betriebliche Wachstum einzelner Unternehmen, um die Verschmelzung mehrerer Unternehmen oder um ihre Zusammenfassung in einem Konzern handelt. Ebenso ist es belanglos, ob sich der Konzentrationsprozeß in der Form abspielt, daß bisher selbständige Unternehmen vom Markt verdrängt oder aufgesaugt oder ob Neugründungen erschwert oder verhindert werden. Befürchtet wird vielmehr eine Entwicklung, mit der die wirtschaftliche Verfügungsgewalt — sei es durch rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten oder durch persönliche Verbindungen — in zunehmendem Maße in die Hände einiger Weniger übergeht. Auch bei der Behandlung der vorliegenden Großen Anfrage soll unter Konzentration jede Zusammenballung wirtschaftlicher Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten hei einem immer kleiner werdenden Kreis von Unternehmen verstanden werden.Was nun die Frage anlangt, was unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration zu verstehen ist, so werde ich mir erlauben, die Stellungnahme der Bundesregierung und ihre Beurteilung des Problems erst vorzutragen, wenn durch die Ausführungen zu den folgenden Fragen die vielgestaltigen Erscheinungsformen der Konzentration eingehender dargelegt worden sind.Ich komme zur Frage 2. Sie lautet:Kann die Bundesregierung einen Überblick über den Umfang solcher Konzentrationen in der Wirtschaft geben, oder was gedenkt sie zu tun, um sich einen solchen Überblick zu verschaffen?Ich antworte: Die vorhandenen statistischen Unterlagen reichen für einen zahlenmäßigen Nachweis der bestehenden Konzentration nicht aus. Sie können vielmehr nur, wie es z. B. auch der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Bericht über die wirtschaftliche Lage in den Ländern des Gemeinsamen Marktes vom September 1958 tut, gewisse Aspekte des Konzentrationsproblems beleuchten.Drei statistische Tabellen zur Industrieberichterstattung, zur Umsatzsteuerstatistik und zur Statistik der Eigentumsanteile am Kapital der Aktiengesellschaften sind den Herren Abgeordneten zugeleitet worden.Eine vergleichende Betrachtung der Industrieberichterstattung der Jahre 1952 bis 1957 erweist, daß sich die Zahl der kleinen und mittleren Industriebetriebe — bis zu 200 Beschäftigten — gehalten hat, daß aber die Zahl der größeren Betriebe um fast ein Drittel angewachsen ist. Hierin zeigt sich ein allgemeiner Zug zum größeren Betrieb, der auch im Handwerk und im Handel festgestellt worden ist.Auch aus der Umsatzsteuerstatistik geht hervor, daß der Anteil der Unternehmungen mit Umsätzen von mehr als 25 Millionen DM im Laufe der letzten Jahre zugenommen hat. Allerdings hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Steuerpflichtigen in dieser Größenklasse ebenfalls erhöht, auch dadurch, daß zahlreiche Betriebe in höhere Umsatzsteuerklassen aufgerückt sind. Daher kann aus der Ausweitung des Umsatzanteiles dieser Unternehmungen nicht mit Sicherheit auf eine Konzentrationsbewegung geschlossen werden. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß in einer großen Anzahl von Wirtschaftsbereichen, z. B. Kraftfahrzeughandwerk, Baugewerbe, Produktion und Reparatur von und Handel mit Gütern des gehobenen Bedarfs, zahlreiche Betriebe durch den Zugang und das Wachstum wirtschaftlich selbständiger Existenzen sich in kurzem zu ansehnlichen Betriebsgrößen entwickeln konnten.Eine Arbeitsstättenzählung, die sämtliche gewerbliche Betriebe, unter Ausschluß also der landwirtschaftlichen Arbeitsstätten, erfaßt, wurde zuletzt im Jahre 1950 durchgeführt. Die damals ermittelten
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4426 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. ErhardZahlen können die gegenwärtigen Verhältnisseaber nicht mehr hinreichend kennzeichnen. Dienächste Arbeitsstättenzählung ist für 1961 geplant.Die Ergebnisse der Vermögensteuerstatistik 1953 ließen sich zur Feststellung eines Konzentrationsprozesses allenfalls mit der letzten Vorkriegserhebung aus dem Jahre 1935 vergleichen. Es erscheint jedoch ratsamer, für Vergleichszwecke die in der Auswertung befindliche Vermögensteuerstatistik 1957 abzuwarten, um die Vermögensverhältnisse mit Hilfe eines zeitnäheren Vergleichs analysieren zu können.Bietet die amtliche Statistik schon hinsichtlich der Unternehmenskonzentration nur sehr spärliche Unterlagen, so gilt dies noch mehr für die Eigentumskonzentration. Die für die Jahre 1956 und 1958 durchgeführte Untersuchung über die Streuung des Eigentums am Kapital der deutschen Aktiengesellschaften, die nach Dauer-, Schachtel- und Publikumsbesitz trennt, gibt zwar gewisse Anhaltspunkte für die Entwicklung der Konzernverflechtungen, doch weist das Statistische Bundesamt darauf hin, daß die Ergebnisse aus erhebungstechnischen Gründen nicht exakt vergleichbar seien. Der relativ steigende Betrag derjenigen Aktien, die dauernde Beteiligungen — Dauerbesitz und Schachtelbesitz — darstellen, läßt aber zumindest die Tendenz einer wachsenden Konzentration des Eigentums an den Aktiengesellschaften erkennen.Weitere Anhaltspunkte für den Umfang von Konzentrationen ergeben sich aus den Vorschriften des Kartellgesetzes vom 27. Juli 1957, das in § 23 die Meldung von Unternehmenszusammenschlüssen vorschreibt. Die Prüfung der seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstatteten Meldungen durch das Kartellamt hat ergeben, daß in 22 von insgesamt 30 gemeldeten Fällen der Marktanteil der zusammengeschlossenen Unternehmen größer als 20 v. H. ist. Aus dieser Feststellung allein läßt sich allerdings noch kein zutreffendes Bild darüber gewinnen, in welchem Grad die betreffenden Unternehmen auf ihren Tätigkeitsgebieten marktbeherrschend sind.Um einen genauen Überblick über die laufenden Konzentrationsvorgänge und den bereits erreichten Konzentrationsgrad in der Wirtschaft zu gewinnen, müßten Sonderuntersuchungen für einzelne Wirtschaftsbereiche oder für Großbetriebe und Konzerne von einer bestimmten Umsatz-, Kapital- und Beschäftigungsgrenze an durchgeführt werden. Diese Untersuchungen würden zweckmäßigerweise in Form einer Enquete stattfinden. Die Bundesregierung befürwortet die Durchführung einer solchen Erhebung. Sie wird prüfen, welche Voraussetzungen dafür zu schaffen sind.Ferner dürften die künftigen statistischen Erhebungen — Arbeitsstättenzählung, Handelszählung, Umsatzsteuerstatistik, Gewerbesteuerstatistik, Vermögensteuerstatistik — sowie die bei der Aktienrechtsreform vorgesehene erweiterte Publizitätspflicht der Aktiengesellschaften dazu beitragen, daß wir einen besseren Einblick in den Stand und die Entwicklung der Konzentration erhalten.Ich komme damit zur Frage 3, die lautet:Inwieweit sind die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien mit der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden?Die Antwort: Der Prozeß der Wirtschaftskonzentration spielt sich nicht nur in der Richtung Vorproduktion—Verarbeitung—Handel ab. Vielmehr hat sich die Konzentration vor allem in den Grundstoffindustrien auch in umgekehrter Richtung, d. h. zu den vorgelagerten Stufen hin, entwickelt. In diesen Fällen wird das Motiv zur Konzentration in der Regel die Sicherung der Versorgung sein, während im umgekehrten Falle einer Konzentration in Richtung zu den nachgeordneten Stufen das Interesse an einer Sicherung des Absatzes ausschlaggebend ist.Wie ich in der Antwort auf Frage 2 bereits ausgeführt habe, stehen der Bundesregierung ausreichende Unterlagen für eine quantitative Beurteilung der Konzentration nicht zur Verfügung. Sie war jedoch bemüht, sich ein Strukturbild der vertikalen Verbindungen in den Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien zu verschaffen.Um die Beantwortung der Anfrage nicht mit einer Aufzählung von Einzelheiten zu belasten, habe ich mir erlaubt, den Mitgliedern des Hohen Hauses eine Zusammenstellung zuzuleiten, welche die vertikalen Verbindungen im Bergbau, in der Energieversorgung, der chemischen Industrie, der Mineralölwirtschaft, in sonstigen Grundstoffindustrien und in wichtigen Zweigen der Investitionsgüterindustrien behandelt.Nun zur Frage 4:Welche Einflüsse gehen von der Kreditwirtschaft auf die Konzentration aus?Durch das Kreditgeschäft der Banken können Konzentrationsbestrebungen der Wirtschaft gefördert werden, sei es — was seltener vorkommt —, daß unmittelbar zur Durchführung von Konzentrationsabsichten Bankkredite gewährt werden, sei es, daß durch die Kreditaufnahme eigene Mittel des Unternehmens für den Erwerb von Beteiligungen frei werden. In beiden Fällen bürgt das Bankinteresse in der Regel dafür, daß es sich um eine betriebswirtschaftlich gesunde Erweiterung des Unternehmens handelt. Falls nicht der Ausbau oder der Erwerb einer marktbeherrschenden Position angestrebt wird, dürfte eine derartige Erweiterung auch volkswirtschaftlich zu dem Kreis der unbedenklichen Konzentrationserscheinungen gehören.Eine besondere Prüfung verdient allerdings die Frage, ob die allgemeine Geschäftspolitik der Kreditinstitute Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft indirekt dadurch fördert, daß kleine und mittlere Unternehmen infolge ungenügender Befriedigung ihres Kreditbedarfs oder wegen hoher Kreditkosten konzentrationsanfälliger werden. Hierzu ist folgendes festzustellen:Die Struktur des deutschen Kreditgewerbes ist vielgestaltig genug, um allen Unternehmensgruppen die ihren Bedürfnissen angepaßte Kreditversorgung zu gewährleisten. Die Hauptgruppen des Kreditgewerbes können geradezu nach ihrem Kunden-Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4427Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhardkreis klassifiziert werden. Dabei ist erfreulicherweise ein Anwachsen des Marktanteils derjenigen Gruppen zu konstatieren, die vorwiegend der Kreditversorgung mittlerer und kleiner Unternehmen dienen. Auf diese Gruppen entfällt ein Anteil von über zwei Drittel an der Gesamtbilanzsumme aller Kreditinstitute. Aber auch die Großbanken haben stets und mit Erfolg Wert darauf gelegt, viele kleinere Unternehmer als Kunden zu haben.
Die Klage, daß Kreditinstitute die kleineren Unternehmer bei der Gewährung von Krediten im Vergleich zu Großkunden gleicher Bonität benachtetiligen, ist in dieser Verallgemeinerung kaum berechtigt. Wie die Zinsentwicklung des letzten Jahres gezeigt hat, wird bei hoher Liquidität der Wettbewerb stärker und die Spanne zwischen Kosten von Groß- und Kleinkrediten so eng, daß heute für Kleinbetriebe eine Kreditaufnahme nicht wesentlich teurer ist als für Großunternehmen. Ganz wenden sich freilich die Unterschiede in den Kreditkosten zwischen Groß- und Kleinbetrieben nie beseitigen lassen, da sich hier wie beim Warenbezug der marktwirtschaftlich bedingte Rabatt für Großabnehmer stets bis zu einem gewissen Grade auswirken wird.Bei Unternehmenszusammenschlüssen wirken Kreditinstitute üblicherweise mit, wenn zu solchen Zwecken Kapitalerhöhungen durchgeführt oder Anleihen aufgenommen werden. Das Emissions- und Placierungsgeschäft ist jedoch eine legitime Betätigung der Kreditinstitute und kann deshalb grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn damit zuweilen auch eine gewisse Hilfestellung bei Konzentrationsvorgängen verbunden sein kann.Bedenklich im Sinne der Konzentration wäre dagegen ein spekulatives Zusammenkaufen einer Beteiligung durch ein Kreditinstitut in der Absicht, die Beteiligung einem Großaktionär oder einem Konzern anzubieten, der durch sie beherrschenden Einfluß auf das Unternehmen gewinnt und daher zur Zahlung eines Paketzuschlages bereit ist.Häufiger dürfte es allerdings vorkommen, daß Kreditinstitute einem Interessenten ihre Dienste als Einkaufskommissionär — nicht selten in Verbindung mit der Erteilung von Unterkommissionen — beim planmäßigen Aufkauf von Aktien eines Unternehmens zur Verfügung stellen. Falls das Kreditinstitut Einblick in stille Reserven oder verborgene Geschäftschancen des Unternehmens hat, die aus dessen Geschäftsberichten und Dividendenpolitik weder für die breite Öffentlichkeit noch für die Börse erkennbar waren, so kann es bei derartigen Aufkäufen zu billigen Preisen unter Umständen in eine erhebliche Kollision mit den Interessen anderer Kunden, insbesondere seiner Depotkunden geraten, die sich bei ihrer Entscheidung über den An- und Verkauf von Aktien von dem Kreditinstitut beraten lassen. Bis zu einem gewissen Grad wird hier die für die Neuregelung des Aktienrechts vorgesehene wesentlich größere Transparenz der Bilanzen Abhilfe schaffen können.Mit Hilfe der Stimmen, die auf die Aktien ihrer Depotkunden entfallen, beeinflussen die Kreditinstitute wesentlich das Ergebnis der Hauptversammlungen zahlreicher Gesellschaften. Verstärkt wird diese Einflußmäglichkeit noch, wenn Depotstimmrechte — ich möchte hier nicht darauf eingehen, wieweit dies rechtlich zulässig ist — durch Übertragung bei einem Kreditinstitut zusammengefaßt werden, das an dem betreffenden Unternehmen geschäftsmäßig besonders interessiert ist. Wollte man aber den Versuch unternehmen, das Depotstimmrecht der Kreditinstitute labzuschaffen, so wäre zu befürchten, daß in den Hauptversammlungen Minderheitsgruppen einen entscheidenden Einfluß erlangen, was ebenfalls nicht gebilligt werden könnte. Auf die heute schon mögliche Übertragung des Stimmrechts auf andere Bevollmächtigte — z. B. Wirtschaftsprüfer — kann der Aktionär nicht gut verwiesen werden, da hierbei, abgesehen von der Gefahr neuer Machtkonzentration, vor rallem den Kleinaktionären nicht zumutbare Kosten entstehen. Aus dem gleichen Grunde bietet ein stärkeres Hinwirken auf Teilnahme des einzelnen Aktionärs an der Hauptversammlung keine praktikable Lösung dieses Problems.Die dem Depotstimmrecht innewohnende Gefahr einer Machtausübung mittels fremder Stimmen kann nur dadurch gebannt werden, daß bei der Stimmrechtausübung mehr als bisher der Wille des Aktionärs zur Geltung kommt. Diesem Anliegen wird bei der Reform des Aktienrechts Rechnung getragen werden. Der im Herbst 1958 vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Referentenentwurf eines Aktiengesetzes sieht dieser Richtung vor, daß das Depotinstitut künftig vor jeder Hauptversammlung von dem Aktionär eine Vollmacht zur Stimmrechtausübung einholen und zu jedem Punkt der Tagesordnung seine Weisung erbitten muß. Zu diesem Zweck wird das Depotinstitut dein Aktionär über die einzelnen Punkte der Tagesordnung so hinreichend unterrichten müssen, daß er sich eine eigene Meinung bilden kann; eine bloße Aufzählung der Tagesordnungspunkte wie bisher genügt also nicht mehr. Im übrigen wird man daran denken müssen, im Aktiengesetz ausdrücklich festzulegen, daß die Kreditinstitute das Depotstimmrecht 'ausschließlich im Interesse der Aktionäre auszuüben haben. Auf diese Weise wird das Interesse des Aktionärs an den Angelegenheiten seiner Gesellschaft gestärkt werden. Darüber hinaus ist es wünschenswert, in dem Aktionär das Bewußtsein seiner Rechte und Pflichten durch publizistische Maßnahmen zu wekken.
Schließlich läßt sich die Möglichkeit der Übertragung des Stimmrechts auf ein anderes Kreditinstitut — wie es der Referentenentwurf vorsieht — in der Weise begrenzen, daß die Übertragung nur zulässig ist, wenn das Depotkreditinstitut am Ort der Hauptversammlung keine Niederlassung hat.Daß den Aufsichtsräten bei fast allen Unternehmen ein oder mehrere Vertreter von Kreditinstituten angehören, hat seine Ursache nicht allein im Depotstimmrecht; der sachverständige Rat erfahrener Bankiers in den Aufsichtsorganen ist für die Gesellschaften allgemein von Nutzen. Mandatshäufungen allerdings erscheinen bedenklich. Daher sieht der
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. ErhardEntwurf der Aktienrechtsreform eine Neuregelung der zulässigen Höchstzahl von Mandaten einer Person vor.Zu der häufig vertretenen Meinung, die Kreditinstitute hätten in einem wesentlichen Umfang beherrschende Beteiligungen an Unternehmen erlangt, die nicht Kreditinstitute sind, ist festzustellen, daß größere Dauerbeteiligungen dieser Art selten und für ,die deutsche Wirtschaft jedenfalls nicht typisch sind. Die Kreditinstitute üben im allgemeinen einen konzernmäßigen Einfluß auf andere Unternehmen nicht aus. Kennzeichnend ist, daß das Wertpapierportefeuille der Kreditinstitute überwiegend aus festverzinslichen Wertpapieren besteht.Bei der Gründung von Investmentgesellschaften durch die Kreditinstitute verhindert die gesetzliche Höchstgrenze für ,die Anlage der Mittel einer Kapitalanlagegesellschaft in Aktien einer Gesellschaft, daß die Kreditinstitute über Kapitalanlagegesellschaften einen wesentlichen Einfluß auf eine Gesellschaft ausüben.Ich komme damit zu Frage 5:In welchem Ausmaß beeinflussen die Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Konzentration?Die Bundesregierung geht bei der Beantwortung der Großen Anfrage grundsätzlich von den Problemen der wirtschaftlichen und nicht von denen der räumlichen Konzentration aus. Bei der vorliegenden Teilfrage scheint jedoch der Begriff der Konzentration auch in räumlichem Sinne gemeint zu sein. Ich darf mich auf einige kurze Bemerkungen zu beiden Problemen beschränken.Was die betriebliche Konzentration angeht, so kann wohl nicht allgemein unterstellt werden, sie werde durch die kommunale Förderung bewußt begünstigt, indem die Gemeinden sich etwa ausschließlich um die Ansiedlung von Großbetrieben bemühten. Ein solches Verhalten würde häufig ihren Interessen widersprechen, weil es zu einer einseitigen, Entwicklung und damit auch zu einer Krisenanfälligkeit führen würde. Vielmehr beabsichtigen die Gemeinden im allgemein in erster Linie, durch die Ansiedlung von Betrieben auf lange Sicht neue Einnahmequellen, wie z. B. ein höheres Gewerbesteueraufkommen, zu erschließen.Zur räumlichen Konzentration ist zu bemerken, daß die Gemeinden zum Teil durch direkte, zum Teil durch indirekte wirtschaftsfördernde Maßnahmen die Ansiedlung von Gewerbebetrieben auf ihrem Gebiet begünstigen. Zu den direkten Maßnahmen zählen u. a. die Bereitstellung von Bauland, die unterschiedliche Gestaltung von Gewerbesteuerhebesätzen der verschiedenen Gemeinden und die Gewährung von Krediten. Zu der indirekten Förderung gehören u. a. Straßen- und Wegebau, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Anlagen zur Energieversorgung sowie Schul- und Krankenhausbau.Durch derartige Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung können die Tendenzen zur räumlichen Konzentration, die sich schon aus dennatürlichen Umständen ergeben, noch verstärkt werden. Erfahrungsgemäß verfügen zahlreiche Gemeinden gerade in solchen Gebieten, in denen die Wirtschaft ohnehin schon stark räumlich konzentriert ist, über größere finanzielle Möglichkeiten, die sie zur direkten und indirekten Förderung der Industrieansiedlung verwenden können. Mittels des Finanzausgleichs werden jedoch die größten Unterschiede ausgeglichen. Um noch bestehende Diskrepanzen zu mildern, fördern Bund und Länder zusätzlich die Ansiedlung industrieller Betriebe in den zurückgebliebenen Gebieten. Im Rahmen solcher Förderungen, z. B. des regionalen Förderungsprogramms des Bundes für die Zonenrand- und Sanierungsgebiete, werden Mittel für die Ansiedlung von Industriebetrieben in finanzschwachen Gebieten bereitgestellt.Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Ansiedlung von Industrie in ländlichen Gebieten zu. Die Bundesregierung widmet dieser Frage — wie bereits in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zum Ausdruck kommt — aus politischen und sozialen Gründen ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie ist bemüht, die Ansiedlung von Industriebetrieben in Klein- und Mittelstädten, die Mittelpunkte ländlicher, insbesondere kleinbäuerlich strukturierter Gebiete sind, zu fördern, indem sie Unternehmern, die bereit sind, in diesen Städten Betriebe zu errichten, zinsgünstige langfristige Kredite zur Verfügung stellt. Sofern die Voraussetzungen zur Ansiedlung von Industrie — Wasserversorgung, Energieversorgung usw. — zum Teil erst noch geschaffen werden müssen, ist die Bundesregierung bereit, die Gemeinden bei den ihnen zufallenden Erschließungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Bemühungen um die Durchsetzung ländlicher Gebiete mit kleinen Industriezentren in den hierfür geeigneten Klein- und Mittelstädten stehen noch im Anfangsstadium. Sie werden jedoch in nächster Zeit mit Nachdruck weiter verfolgt werden. Die Bundesregierung hofft, daß diese Bemühungen dazu beitragen, die neu entstehenden industriellen Kapazitäten von den bisherigen Ballungsräumen abzulenken.Auf die Frage 6:Wie beurteilt die Bundesregierung die Konzentrationsvorgänge in ihrer Wirkung auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer?antworte ich wie folgt:Auf die betriebliche Mitbestimmung im engeren Sinne — also auf die eigentliche Betriebsverfassung — haben Konzentrationsvorgänge grundsätzlich keinen Einfluß. Sie wird weder davon berührt, daß ein Unternehmen wächst, also seine Betriebe vergrößert oder deren Anzahl vermehrt, noch dadurch, daß es als wirtschaftlich abhängiges Unternehmen einem Konzern eingegliedert wird oder unter Verlust auch seiner rechtlichen Selbständigkeit vollständig in einem anderen Unternehmen aufgeht. Die gesetzlich garantierten Rechte der Betriebsräte werden durch einen Wechsel in der Person des Arbeitgebers oder dadurch, daß der Arbeitgeber Weisungen einer Konzernspitze unterworfen wird, jedenfalls
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhardnicht unmittelbar berührt. Bei Betriebsänderungen — wie Stillegungen oder Betriebsverlagerungen — hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, auch wenn solche Änderungen im Zuge einer Konzentration durchgeführt werden sollen. Führt die Konzentration dazu, daß zu einem Unternehmen mehrere Betriebe gehören, so ist zur einheitlichen Repräsentation seiner Arbeitnehmer ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, wenn dies von denjenigen Betriebsräten beschlossen wird, die drei Viertel der Arbeitnehmerschaft des Unternehmens repräsentieren. Ein entsprechendes Organ zur Repräsentation sämtlicher Arbeitgeber eines Konzerns ist allerdings gesetzlich nicht vorgesehen. Dafür besteht aber auch kein Bedürfnis, da die Geschäftsführer und Vorstände der einzelnen Unternehmen trotz deren wirtschaftlicher Eingliederung in den Konzern die Arbeitgebereigenschaft behalten und damit weiterhin die Partner der Betriebsräte bzw. des Gesamtbetriebsrates des von ihnen vertretenen Unternehmens bleiben. Überdies besteht die Möglichkeit, auf der Konzernebene freiwillig Ausschüsse oder ähnliche Gremien zu bilden, wie sie sich in der Praxis gelegentlich schon als nützlich erwiesen haben.Von größerer Bedeutung als für die Betriebsverfassung sind Konzentrationsvorgänge für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Verwaltungsorganen juristischer Personen. Nach den hierfür geltenden Rechtsvorschriften kommen drei Formen dieser Art von Mitbestimmung in Betracht: die Mitbestimmung für Montanbetriebsunternehmen nach dem Gesetz von 1951, die sogenannte Holding-Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz von 1956 und in den übrigen Fällen die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach §§ 76 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes.Ein Konzentrationsvorgang, bei dem sich ein mitbestimmtes Unternehmen lediglich vergrößert, ohne andere Unternehmen in sich aufzunehmen oder wirtschaftlich von sich abhängig zu machen, hat auf die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Gesellschaftsorganen in der Regel keinen Einfluß. Allerdings ist bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Versicherungsvereinen sowie allgemein bei Familiengesellschaften im Sinne des § 76 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes das Anwachsen des Unternehmens auf mehr als 500 Arbeitnehmer überhaupt erst die Voraussetzung für eine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat. Ähnlich unterliegt ein Unternehmen des Kohlen- oder Eisenerzbergbaus erst dann der Montan-Mitbestimmung nach dem Gesetz von 1951, wenn seine Arbeitnehmerzahl mehr als 1000 beträgt.Wird der Aufsichtsrat eines Mitbestimmungsunternehmens mit Rücksicht aus das Wachstum des Unternehmens erweitert, so steigt proportional auch die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.Tritt im Zuge eines Konzentrationsvorganges ein Wandel in der Rechtsform des Unternehmens ein, so kommt dies im Regelfalle der Mitbestimmung der Arbeitnehmer zugute. Es liegt jedenfalls imnormalen Trend der Konzentration, daß bei ihr die Unternehmen von Personalgesellschaften in solchen juristischen Personen aufgehen statt umgekehrt. Damit treten aber erst die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Arbeitnehmer in den Gesellschaftsorganen ein.Die Mitbestimmungsgesetze tragen sodann dem Umstand Rechnung, daß bei Eingliederung eines Unternehmens in einen Konzern die unternehmerischen Entscheidungen den Verwaltungen der abhängigen Unternehmen mehr oder weniger entzogen werden. Als Ausgleich für die damit automatisch verbundene Minderung des Mitbestimmungseinflusses sehen sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz von 1956 eine Mitbestimmung in den entsprechenden Verwaltungsorganen der an der Spitze des Konzerns stehenden juristischen Person vor. Sie kommt allen Arbeitnehmern von Konzernunternehmen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform zugute; daneben bleibt die etwaige Mitbestimmung bestehen, die der Rechtsform, der Größe und dem Gegenstand der abhängigen Unternehmen entspricht. Form und Intensität der Mitbestimmung in der Konzernspitze sind der Stärke der Konzernbindung und in der Regel dem Gesamtcharakter des Konzerns angepaßt. Gehört zu dem Konzern mindestens ein Unternehmen, in dessen Organen die Arbeitnehmer das Montan-Mitbestimmungsrecht nach dem Gesetz von 1951 haben, und steht es in einem Organschaftsverhältnis zu der Obergesellschaft, so gilt für letztere die sogenannte Holding-Novelle von 1956, die den Auswirkungen der Wiederherstellung des Verbundes von Kohle, Eisen und Verarbeitung in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Die Mitbestimmungsform entspricht dann dem wirtschaftlichen Gewicht der Montangesellschaften innerhalb des Konzerns. Nur wenn ein Montanbetriebsunternehmen selbst die Konzernspitze bildet, behält es in jedem Falle die qualifizierte Mitbestimmung nach dem Gesetz von 1951.Da die Mitbestimmung in den Unternehmungsorganen die rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens in der Form einer juristischen Person begrifflich voraussetzt, entfällt sie zwangsläufig zusammen mit der eigenen Rechtspersönlichkeit des Unternehmens. Das betrifft die Fälle der Fusion mehrerer juristischer Personen und die der sogenannten Umwandlung einer juristischen Person auf den Allein-oder Mehrheitsgesellschafter. Beide Fallgruppen wirken sich infolgedessen mitbestimmungsrechtlich gleich aus. Bei der Fusion und der Umwandlung von Kapitalgesellschaften fallen die Gesellschaftsorgane der aufgenommenen oder umgewandelten Unternehmen weg. Damit entfallen auch insoweit die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und gegebenenfalls die Arbeitsdirektoren dieser juristisch untergegangenen Gesellschaften. Eine Beteiligung der Arbeitnehmer besteht nur noch in den Verwaltungsorganen der aufnehmenden Gesellschaft bzw. der bisherigen Obergesellschaft, die ihre Tochtergesellschaften auf sich umgewandelt hat.Es wird die Ansicht vertreten, daß dies zu einer Minderung des Einflusses der Arbeitnehmer führe. Durch den Zusammenschluß mehrerer UnternehmenBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhardzu einem Großunternehmen werde in der Regel die Eigenständigkeit der vorher rechtlich selbständigen Betriebsabteilungen nicht aufgehoben; deren Leiter behielten vielmehr fast immer nahezu die gleichen Aufgaben wie vor der Verschmelzung oder Umwandlung, insbesondere wenn sich entsprechend den Erkenntnissen der modernen Betriebswirtschaft die Gedanken der Dezentralisation und der Delegation durchsetzen. Daraus könne sich eine verhältnismäßig große Distanz des Vorstandes des Großunternehmens — und damit auch des seine Tätigkeit überwachenden Aufsichtsrats — zu den einzelnen Betrieben, zu deren Leitern und zu den dort beschäftigten Arbeitnehmern ergeben. Die Arbeitnehmer hätten dann aber durch Beteiligung im Aufsichtsrat und gegebenenfalls über den Arbeitsdirektor nur noch Einfluß auf den Vorstand des Großunternehmens und nicht mehr, wie früher, auch auf die Leiter der einzelnen damals noch rechtlich selbständigen Betriebsabteilungen.Diese Problematik wird deshalb so ausführlich dargelegt, weil in letzter Zeit Umwandlungen vorgenommen wurden, die zu heftigen Diskussionen geführt haben. Allerdings sind solche Umwandlungen nicht eigentlich Konzentrationsvorgänge. Sie stellen allenfalls die letzte organisatorische Phase eines bereits vorher durchgeführten Verbindungsvorganges dar, der sich durch Erwerb der absoluten Konzernherrschaft über die nun umgewandelten Unternehmen abzeichnete; die Umwandlung stellt also keinen Machtzuwachs, sondern nur eine Konzentrierung im organisatorischen Sinne dar. Hinsichtlich der mit ihr verbundenen, soeben geschilderten Mitbestimmungsprobleme bemühten sich die Beteiligten, wie der Bundesregierung bekannt ist, durch unmittelbare Verhandlungen tragbare Lösungen zu finden.Die Verschmelzung oder Umwandlung von Unternehmen kann im übrigen zu einer stärkeren Form der Mitbestimmung in den verbliebenen Gesellschaftsorganen führen, z. B. wenn bei dem Großunternehmen infolge der Verschmelzung oder Umwandlung die Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1951 eintreten. Bei der Verschmelzung bedeutet dies, daß mindestens ein Teil der Arbeitnehmer überhaupt erst in den Genuß der paritätischen Mitbestimmung kommt. Im Falle der Umwandlung verstärkt sich der gewerkschaftliche Anteil im Aufsichtsrat, und der Arbeitnehmerflügel erhält auch rechtlich stärkeren Einfluß auf die Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors.Zu einer schwächeren Form der Mitbestimmung würde dagegen eine Verschmelzung führen, bei der ein Unternehmen des Kohlenbergbaus mit Unternehmen anderer Wirtschaftszweige so vereinigt würde, daß in dem neuen Großunternehmen der Kohlenbergbau nicht mehr überwiegender Betriebszweck wäre und deshalb die Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1951 entfielen. In diesem Falle würde an die Stelle der bisherigen paritätischen Beteiligung im Aufsichtsrat des aufgenommenen Bergbauunternehmens eine Arbeitnehmervertretung zu einem Drittel der Aufsichtsratssitze des Großunternehmens nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes treten und dem Vorstand des Großunternehmens dementsprechend auch kein Arbeitsdirektor angehören.Frage 7 lautet:Wird die Konzentration nach Ansicht der Bundesregierung durch den Unterschied in der Belastung begünstigt, wie sie sich zwischen lohn-und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen durch die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben auf der Grundlage der Beschäftigung und Lohnsumme ergibt?Ich antworte: Die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben nach Beschäftigung und Lohnsumme bildet in sämtlichen Versicherungszweigen der Sozialversicherung die Grundlage für .das geltende Beitragssystem und auch für die Leistungen. Infolgedessen werden durch diese Art einer Bemessung der Sozialabgaben lohnintensive Unternehmen stärker als kapitalintensive belastet. Eine Erhöhung der gesetzlichen Sozialabgaben, die als Lohnnebenkosten zu betrachten sind, hat also die gleiche Wirkung wie eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. Es handelt sich hier allein um eine Frage der wirtschaftlich richtigen Zurechnung von Kosten. Der wirtschaftliche Fortschritt würde gehemmt werden, wollte man die Teile der Produktionskosten, die der sozialen Sicherung dienen, durch die Wahl einer wesensfremden Bemessungsgrundlage anderen anlasten als denjenigen, die diese Kosten verursacht haben.Die lohnintensiven Unternehmen können dem Ansteigen der gesamten Arbeitskosten durch vermehrten Einsatz von Sachkapital begegnen und dadurch den Anteil der Arbeitskosten an Iden Gesamtkosten herabsetzen. Ein solcher Zug zu verstärkter Kapitalintensität ist in vielen Wirtschaftszweigen seit langer Zeit zu beobachten. Diese Entwicklung liegt im Zuge des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts und führt zu Produktivitätssteigerungen.Es gibt allerdings eine Reihe von Wirtschaftszweigen, deren Produktionsstruktur nur eine beschränkte Kapitalintensivierung zuläßt. Dort, wo dies der Fall ist — und dies gilt z. B. für große Bereiche des Dienstleistungsgewerbes —, können Unternehmen, gleich welcher Größe, den steigenden Arbeitskosten nicht ausweichen. Hier werden sich, soweit sich nicht die Nachfrage anderen Gütern zuwendet und mithin der Markt es zuläßt, Preiserhöhungen durchsetzen, ohne daß ein solcher Vorgang Anlaß für eine Konzentrationsbewegung wäre.Dort jedoch, wo die technischen Voraussetzungen für eine weitere Umwandlung von einer lohnintensiven in eine kapitalintensive Produktion gegeben sind, erzwingen Rentabilitätserwägungen den Übergang zur kapitalintensiven Fertigung. Da große Unternehmen meist kapitalkräftiger sind als mittlere und kleinere, gelingt es ihnen leichter, den Anteil der Lohnkosteneinschließlich der lohnbezogenen Sozialabgaben an den Gesamtkosten in Grenzen zu halten. Der Umfang der sich daraus ergebenden Konzentrationsbewegung darf jedoch nicht überschätzt werden. Der Konzentrationsprozeß wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die zum Teil auch die konzentrationsfördernden Einflüsse kompensie-
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhardren und auf diese Weise eine Konzentration in den wirtschafts- und gesellschaftspolitisch notwendigen Grenzen halten. Der in diesem Zusammenhang entscheidende Beitrag, um die in dieser Entwicklung für mittlere und kleinere Betriebe liegenden Nachteile zu beseitigen, besteht darin, diesen kapitalschwächeren Betrieben in ausreichendem Umfang Kapitalquellen zu erschließen. Allerdings sind damit die Wettbewerbsvorteile nicht ausgeglichen, die eine zu großzügig bemessene steuerliche Abschreibungsmöglichkeit für den kapitalintensiven Betrieb bedeutet. Dementsprechend bemüht sich die Steuergesetzgebung ständig um kostengerechte Abschreibungssätze.Bei der Beurteilung dieser Vorgänge darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß in unserem gesamten Rentenversicherungsrecht — und nicht nur dort — Beschäftigung und Lohn nicht nur die Grundlage der Beitragsbemessung, sondern auch der Leistungen sind. Dies erschwert naturgemäß eine Änderung des Systems, falls sich eine solche bei näherer Prüfung aller Umstände als empfehlenswert erweisen sollte. Die Rentenhöhe soll den Konsumverzicht des Versicherten während der zurückgelegten Beitragszeit widerspiegeln.
Dies geschieht, indem nicht nur die Arbeitnehmer durch ihre Beiträge, sondern auch die Arbeitgeber mit Beiträgen, die wirtschaftlich nichts anderes als Lohnteile sind, das aufbringen, was nachher als Rente gezahlt wird. Will man nicht den Versicherungscharakter aufgeben, so darf der Sachzusammenhang zwischen Beschäftigung, Lohn, Beitrag und Rente nicht übersehen werden. Sollten sich, wie nähere Untersuchungen noch beweisen müßten, tatsächlich wirtschaftliche und gesellschaftliche Schwierigkeiten aus dem bestehenden System der Beitragsbemessung ergeben, so müßte noch sehr genau überlegt werden, was an die Stelle der jetzt lohnbezogenen Sozialabgaben gesetzt werden kann. Nur wenn andere brauchbare Maßstäbe für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge gefunden sind, würde hier eine Reform im Bereich des Möglichen liegen. Alle diese Überlegungen und Schwierigkeiten haben die Bundesregierung veranlaßt, ein wissenschaftliches Gutachten mit dem Thema „Die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzlichen Sozialabgaben auf die lohnintensiven Mittel- und Kleinbetriebe" in Auftrag zu geben. Die Ergebnisse dieser — inzwischen vorliegenden — Untersuchung werden von einem interministeriellen Ausschuß beraten und ausgewertet.Frage 8 lautet:Welche gesetzlichen Bestimmungen begünstigen nach Ansicht der Bundesregierung die Konzentration? Wird die Bundesregierung Änderungen von Gesetzen vorschlagen? Welche Änderungen hält sie für vordringlich?Ich beantworte diese Frage wie folgt: Die Anreize zur wirtschaftlichen Konzentration sind, wie schon erwähnt, vielfältiger Natur. Sie liegen jedoch primär regelmäßig im rein ökonomischen Bereich und hängen gewöhnlich mit dem Streben eines
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Es bedarf auch meiner Ansicht nach im Augenblick zumindest nicht genauester qualitativer Analysen. Wer in der Wirtschaft steht, kennt den heftigen Druck, dem mittlere und kleine Unternehmen bereits heute unterliegen, und weiß, daß es praktisch überhaupt nicht mehr vorkommt, daß ein mittleres Industrieunternehmen ins Leben gerufen wird. Das ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache.Ich erwähnte schon, daß seit der Einbringung der Anfrage der CDU/CSU zehn Monate vergangen sind.
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KurlbaumWir Sozialdemokraten haben zum Problem der Konzentration hier im Bundestag schon Wesentliches und Grundsätzliches gesagt. Wir haben uns mit dem Problem der Konzentration schon im Juni 1958 anläßlich der Debatte über den Etat des Bundeswirtschaftsministers befaßt, also fünf Monate, bevor Sie Ihre Anfrage eingereicht haben, und mein Freund Deist hat sich im Sommer dieses Jahres, wiederum gelegentlich der Diskussion des Etats des Bundeswirtschaftsministers, sehr eingehend mit dieser Frage befaßt.Ich glaube, unsere grundsätzliche Einstellung zu dem Problem ist klar, mindestens für alle diejenigen, die von unseren Ausführungen Kenntnis nehmen wollen. Wir haben auch Wert darauf gelegt, Konkretes zu verlangen, und ich habe es sehr bedauert, daß die erste konkrete Maßnahme, die wir verlangt haben — es war unser Antrag Drucksache 1151 vom Juni dieses Jahres zum Umwandlungsteuergesetz — von Ihnen abgelehnt worden ist. Dieser Antrag wäre die Gelegenheit gewesen, mindestens eine Reihe volkswirtschaftlich höchst fragwürdiger Fusionen zu stoppen.
Ein großer Teil dieser Fusionen dient vornehmlich dem Ziel, neue Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Im Falle eines dieser Konzerne erreichen die zusätzlichen Abschreibungsmöglichkeiten eine dreistellige Millionenziffer. Es hätten also mehrere Gründe vorgelegen, unserem Antrag zu entsprechen. Ich hoffe daher, daß sich das Plenum noch einmal sehr genau überlegt, ob es dem Vorschlag des Finanzausschusses folgen soll, unseren Antrag abzulehnen.Die Begründung für den Vorschlag des Finanzausschusses ist in der Tat sehr seltsam. Man hat so argumentiert: Wenn ein schlechtes Gesetz — und das Umwandlungsteuergesetz ist zweifellos ein schlechtes Gesetz — einer Gesellschaft die Möglichkeit gibt, etwas vom Standpunkt der Allgemeinheit Schädliches zu tun, müssen die Wettbewerber dieses Unternehmens die gleiche Chance haben. Das scheint mir ein sehr bemerkenswerter Standpunkt zu sein. Selbst schlechte Gesetze sollen so etwas wie einen schutzwürdigen Besitzstand darstellen! Hier scheinen mir einzelne CDU-Abgeordnete ein übertriebenes Feingefühl für den Schutz der Interessen von Großkonzernen zu haben.
Lassen Sie mich nun zu unserem Antrag kommen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, hier auch ein paar Worte zur Frage der nützlichen Konzentration und zur Frage der nicht nützlichen Konzentration zu sagen. Nachdem aber Herr Schmücker das bereits eingehend behandelt hat und wir mit ihm auch in diesem Punkte übereinstimmen und nachdem auch der Bundeswirtschaftsminister eine geraume Zeit dazu verwendet hat, uns diesen Unterschied noch einmal klarzumachen, möchte ich den Bundeswirtschaftsminister nur auf einen Vorgang aufmerksam machen.In der „Süddeutschen Zeitung" vorn 10./11. Oktober war zu lesen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister vor dem Wirtschaftsbeirat der Union die Ansicht vertreten hat, für die Sozialdemokraten sei jede unternehmerische Großform schädlich. Mein Freund Deist hat sich in Gegenwart des Bundeswirtschaftsministers im Sommer dieses Jahres über dieses Thema schon sehr eingehend ausgelassen. Ich habe das hier ein Jahr vorher getan, ebenfalls in seiner Gegenwart, und ich kann Ihnen nur sagen: wir sind vollkommen Ihrer Meinung. Ich würde es daher begrüßen, wenn auch der Herr Bundeswirtschaftsminister — mindestens, nachdem er eine weitere Viertelstunde auf die Erklärung dieses Unterschieds verwendet hat — uns nunmehr glaubte, daß auch wir das verstanden haben.
Mit der theoretischen Diskussion dieses Unterschieds ist es nun wirklich nicht getan, sondern wir sollten uns vor Augen halten, wie sich die Dinge entwickeln können, wenn es uns nicht gelingt, diesen Vorgang entscheidend zu bremsen. Es ist in der Tat so, wie es hier schon gesagt worden ist: wenn sich der Konzentrationsvorgang, von dem wir alle und vor allem die Praktiker der Wirtschaft wissen, so fortsetzt, müssen wir uns auch mit der Tatsache abfinden, daß die Zahl der selbständigen Unternehmer und die Zahl der Wettbewerber auf den verschiedenen Märkten abnimmt, zum mindesten der Einfluß der selbständigen mittleren Unternehmen laufend gegenüber dem Einfluß der Großunternehmen nachläßt. Daraus könnte sich dann eine sehr unerfreuliche Alternative für uns alle ergeben, die auch uns Sozialdemokraten unerwünscht wäre. Als eine Alternative könnte sich eine Wirtschaft entwickeln, die von unkontrollierten privaten Machtgruppen beherrscht wird. Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir für eine solche Wirtschaft, die entscheidend von privaten Machtgruppen beherrscht wird, nicht zu haben sind, daß eine solche Wirtschaft für uns unakzeptabel ist, und wir glauben, sie sollte für jeden Demokraten unakzeptabel sein.
Es gibt noch eine zweite Alternative, die sich aus einem fortschreitenden Konzentrationsprozeß ergeben könnte. Diese Alternative sieht so aus, daß die Wirtschaft, weil sie von marktbeherrschenden Unternehmen beherrscht wird, weitgehend der Kontrolle öffentlicher Institutionen unterworfen werden müßte. Meine Damen und Herren, auch eine solche Alternative — bitte, glauben Sie uns das — ist uns im höchsten Grade unerwünscht. Wir sind der Meinung, daß es energischen Bemühungen gelingen muß, die Konzentration, wo sie volkswirtschaftlich unnötig oder schädlich wird, so weit einzudämmen, daß wesentliche Teile der Wirtschaft von unnötigem Dirigismus freigehalten werden.
— Meine Damen und Herren, rufen Sie nicht zu früh „Bravo!". Solche Dinge haben wir schon früher sehr oft hier gesagt.
Aber wir lassen uns nicht weismachen, daß das, wasin Wirklichkeit privater, vor der Öffentlichkeit ge-
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Kurlbaumflissentlich verborgener Dirigismus ist, eitel Wettbewerb und Marktwirtschaft sei.
Damit komme ich zu den Einzelheiten unseres Antrages, und zwar zunächst zu Punkt I 1), der sich mit der Frage der Preisbindung der zweiten Hand beschäftigt. Dazu habe ich folgendes Allgemeine zu sagen. Die SPD interessiert sich lebhaft nicht nur für die konzentrierte Macht eines einzelnen Großunternehmens oder einer kleinen Gruppe marktbeherrschender Unternehmungen, sondern die SPD interessiert sich z. B. auch lebhaft für eine Mehrheit der Produzenten einer Branche, die zusammen mit dem Handel eine Macht gegenüber dem Verbraucher auszuüben in der Lage sind und die sich dabei der Preisbindung der zweiten Hand bedienen.In den letzten Monaten ist immer deutlicher geworden, daß dem Verbraucher in vielen Fällen durch Anwendung der Preisbindung der zweiten Hand zusammen mit einem überhöhten Preis auch ein genormter Service aufgezwungen wird. Nun, ich stehe auf dem Standpunkt, daß bei der Bedeutung, die der Service heute in der fortgeschrittenen Wirtschaft hat, dann von Konsumfreiheit nicht mehr die Rede sein kann.
Ich möchte noch weiter gehen.. Ich möchte ,sagen, daß das eigentlich schon eine zwangswirtschaftliche Form ist, gegen die wir gemeinsam vorgehen sollten.
Ich glaube weiter, daß sich niemand darüber wundern kann, wenn der Verbraucher sich daher nach einem guten Freunde, nach einem nicht mehr ganz linientreuen Großhändler oder nach einem Versandhaus umsieht, das in der Lage und willens ist, ihm diesen Gegenstand billiger zu liefern. Um wieviel billiger, meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen ausführen.In den letzten Tagen war in der Presse zu lesen, daß der Inhaber eines großen Versandhauses bei einer Pressekonferenz erklärt habe, ein Filmgerät, das vom Fachhandel immer noch für 475 DM verkauft werde, sei nunmehr bei ihm für 290 DM zu erhalten.
Sie sehen also: ganz gewaltige Spannen!
Ich rufe Ihnen ferner nur das in die Erinnerung zurück, was der Uhrenhändler Weiß erklärt hat. Er hat ,gesagt, es gebe drei verschiedene Ausführungen einer Uhr eines bekannten Uhren-Markenunternehmens, die genau das gleiche Uhrwerk enthielten, aber zu drei verschiedenen Preisen verkauft würden. Die Uhrwerke befänden sich in drei verschiedenen Gehäusen, deren Preise sich nur um wenige Mark unterschieden. Der Ladenpreis dieser drei Uhren mit genau demselben Uhrwerk betrage einmal 29,75 DM, einmal 47 DM und einmal 61 DM.Das sind tadelnswerte Zustände. Herr Schmücker, diese Zustände werden auch Sie tadelnswert finden. Es wäre interessant, einmal festzustellen, wieviele Mitglieder dieses Hauses sich auch schon einmal der Hilfe eines solchen Freundes bedient haben, um derartigen gewaltigen Handelsspannen aus dem Wege gehen zu können.
Ich bin überzeugt, der Prozentsatz ist sehr hoch.Aber ernsthaft: der Handel sollte es sich auch überlegen, ob es ihm wirklich auf lange Sicht nützt, wenn er der Entwicklung neuer Betriebsformen künstliche Hemmnisse in den Weg legt und sich selbst in eine Zwangsjacke begibt. Wenn man den Handel in eine solche Zwangsjacke steckt, finden unausweichlich solche Ausbrüche statt, wie wir sie neulich in Nordrhein-Westfalen erlebt haben, wo große Teile des Einzelhandels plötzlich Rundfunkgeräte 20 % billiger verkauft haben. Handel und Industrie sollten sich darüber einig sein, daß solche Vorgänge mit einem schweren Verlust an Ansehen beim Verbraucher verbunden sein müssen.
Aus diesem Grunde haben wir in unserem .Antrag unter den konkreten Maßnahmen unseren Vorschlag wiederholt, die verbindlichen Preisbindungen der zweiten Hand in eine unverbindliche Form zu überführen. Wir glauben, daß das den Übergang zu einer wirklichen Marktwirtschaft auch auf diesem Gebiete erleichtern könnte.Unser nächster Vorschlag geht dahin, die Einwirkungsmöglichkeiten des Kartellamtes marktbeherrschenden Unternehmungen und auch Individualverträgen gegenüber auszudehnen. Das Bundeskartellamt hat in seinem Bericht bereits darauf hingewiesen, daß ,der § 22 des Kartellgesetzes unzureichend sei. — So scharf hat das Bundeskartellamt sich nicht ausgedrückt; aber man muß bedenken, daß der Präsident des Bundeskartellamtes mit seinen Ausführungen sehr vorsichtig sein muß.Wir wollen auch hier im wesentlichen Anträge wiederholen, die wir schon in der Debatte über das Kartellgesetz gestellt haben. Ich meine den, Antrag, erstens die Mißbrauchstatbestände für den Eingriff der Kartellbehörde marktbeherrschenden Unternehmungen gegenüber zu erweitern und zweitens die Möglichkeit zugeben, auch Individualverträge dann für unwirksam zu ,erklären, wenn sie „nur" vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus den Wettbewerb unangemessen einschränken.Meine Damen und Herren, das sind nicht theoretische Überlegungen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen aus der Mineralölwirtschaft exemplifizieren. Ich exemplifiziere im Hinblick auf die bayerischen Verhältnisse. Sie können z, B. in Bayern bei der Mehrzahl der normalen Tankstellen, die den großen Firmen gehören, das Benzin für 61'13f kaufen. Sie wissen aber auch, daß Sie bei den freien Tankstellen dasselbe Benzin, das sich nach der Auskunft von Fachleuten von dem anderen ausschließlich durch die Farbe, durch sonst gar nichts anderes unterscheidet, durchschnittlich für 54, ja sogar für 50 Pf erhalten können.Nun könnte man die Frage stellen: Warum vermehren sich denn diese Tankstellen nicht rapide?
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KurlbaumDas ist die interessante Frage. Sie vermehren sich deshalb nicht rapide, weil erstens die Versorgung dieser Tankstellen mit freiem Benzin erhebliche Schwierigkeiten macht — man versucht natürlich, die Versorgung von seiten der großen Unternehmungen zu stören — und weil als entscheidend hinzukommt, daß die großen Mineralölgesellschaften durch die Tankstellenverträge, durch die sogenannten Knebelungsverträge es den Tankstelleninhabern unmöglich machen, anderes als ihr Markenbenzin zu verkaufen.
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— Das ist der entscheidende Punkt. Die Art und Weise, wie die großen Tankstellensysteme auf das Markenbenzin festgelegt sind, macht es praktisch überhaupt unmöglich, daß weitere Raffinerien von unabhängigen Herstellern mit einem zügigen Absatz ihrer Produkte rechnen können. Entsprechende Änderungen des Kartellgesetzes könnten also entscheidenden Einfluß auf diese unerwünschte Entwicklung haben.Lassen Sie mich nun zum nächsten Punkt übergehen, zur Frage der Publizität. Hier scheint weitgehende Einigkeit mindestens im Ziel, oder sagen wir besser: in der Tendenz — natürlich im Ausmaß leider wieder nicht — vorhanden zu sein. Wir haben uns zu unseren Vorstellungen über die Publizität hier schon im Juli 1958 und im Oktober 1958 ausgiebig geäußert, und ich möchte in unser aller Interesse diese Ausführungen nicht wiederholen. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß unsere alte Forderung, daß die besonderen Publizitätsvorschriften für Unternehmen von einer bestimmten Größe an, unabhängig von der Rechtsform, gelten sollen, inzwischen durch die Tatsachen wesentlich unterstützt wird.Ich weise nur auf all die Umwandlungen von der AG-Form in die GmbH- und OHG-Form hin. Damit Sie wissen, daß es sich hier nicht nur um uninteressante Objekte handelt, erwähne ich die Umwandlung der Margarine-Union und der SunlichtGesellschaft, also Tochtergesellschaften des Unilever-Konzerns. Ich erwähne hier die Umwandlung einiger Werke von Flick und Oetker. All diese Unternehmungen — das ist offensichtlich — wollen aus der mit einer, wenn auch bescheidenen Publizitätspflicht belasteten AG-Form in die Anonymität, mindestens was die Publizität betrifft, flüchten, in die GmbH-Form oder noch weitergehend in die OHG-Form.Meine Freunde und ich haben es deshalb sehr bedauert, daß der Entwurf, den die Bundesregierung für die Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt hat, der in so unglücklicher Weise mit dem GratisaktienProblem gekoppelt worden ist, bis heute noch nicht im Wirtschaftsausschuß beraten worden ist. Er hätte mindestens einen bescheidenen Fortschritt gebracht insofern, als die Unternehmen nunmehr verpflichtet würden, ihre Umsatzziffern zu veröffentlichen. Daß unsere Wünsche sehr viel weiter gehen, ist klar. Wir haben es in unserem Antrag deutlich gesagt. Wir wünschen, daß die Öffentlichkeit auch ein zutreffendes Bild der Vermögens- und Ertragsverhältnisse bekommt. Wir stellen uns vor, daß daneben die Art und Weise der Verflechtung zwischen den großen Firmen der Öffentlichkeit sichtbar gemacht wird.Wir stellen uns dabei z. B. vor — das geht über das hinaus, was in unserem Antrag gesagt wird —, daß von Unternehmen von einer gewissen Größe an bei der Aufzählung der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder gleichzeitig mitgeteilt wird, in welchen anderen Großunternehmen diese Herren Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder sind.
Ich glaube, meine Damen und Herren, das wird den Einblick der Öffentlichkeit in den Konzentrationsprozeß, in den Verflechtungsprozeß, ganz wesentlich erleichtern, und wir brauchen dann nicht mehr auf umfangreiche Erhebungen zu warten, bevor wir Entscheidungen treffen können.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen sehr interessanten Vorgang. Es wird hier immer gesagt, es bestehe die Gefahr, daß die deutsche Wirtschaft dann zu weit gehe. Ich möchte dieses Argument überhaupt nicht gelten lassen. Der Vorteil für uns selber hier und für unsere Demokratie ist erheblich größer als die Nachteile, die uns im Verhältnis zum Ausland daraus entstehen können. Außerdem mache ich darauf aufmerksam, daß kürzlich eine Verordnung der Französischen Republik — ich glaube, im Juni dieses Jahres — erschienen ist, wonach die Gesellschaften von einer bestimmten Größe an nicht nur ihre Umsätze, sondern auch ihre Wertpapierbestände nach Anzahl und Art veröffentlichen müssen. Das ist eine Vorschrift, von der wir in unserem geltenden Recht noch weit entfernt sind.Lassen Sie mich einiges zum Abschnitt III unseres Antrags sagen. Wir schlagen hier eine ähnliche Einrichtung vor, wie sie sich in Großbritannien seit Jahren bewährt hat. Es ist interessant, daß ein so liberaler Mann wie Professor Hayek anläßlich der ASU-Tagung auf die Institution der britischen Monopolkommission hingewiesen und sie außerordentlich gelobt hat. Wir möchten uns dem weitgehend anschließen und wünschen, daß die Monopolkommission nicht nur die Pflicht hat, gewisse Tatbestände zu untersuchen, sondern auch das Recht hat, das Ergebnis der Untersuchungen zu veröffentlichen, wenn sie der Meinung ist, daß das tunlich sei.Es ist darauf hingewiesen worden, daß die in Großbritannien bestehende Befugnis zur Veröffentlichung der Berichte der Monopolkommission bereits Wunder gewirkt habe; viele Dinge seien aus bloßer Furcht davor abgestellt worden, daß sie in einem Bericht veröffentlicht würden. Wir würden uns freuen, meine Damen und Herren, wenn Sie sich auch hier unseren Vorstellungen anschließen würden.
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KurlbaumNun zum Abschnitt IV unseres Antrags. Auch hier kann ich nur das Grundsätzliche sagen. Die Steuerpolitik muß zur Bekämpfung volkswirtschaftlich unerwünschter Konzentration aufs engste mit der Wirtschaftspolitik koordiniert werden. Deshalb hat sich die SPD bereits im Jahr 1956 mit einem Antrag dafür eingesetzt, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, einen umfassenden Bericht zur Frage der Umsatzsteuerreform vorzulegen. Dieser Antrag ist Ende 1956 angenommen worden, und Ende 1958 haben wir den Bericht erhalten.Inzwischen — das scheint mir erfreulich zu seinsetzt sich auch in der Öffentlichkeit allgemein die Auffassung durch, daß eine grundlegende Umgestaltung der Umsatzsteuer unabweislich notwendig geworden ist. Die SPD weiß selbstverständlich auch, daß die kumulative Umsatzsteuer, wie wir sie jetzt haben, nicht die Hauptursache der vertikalen Konzentration ist. Aber die SPD ist der Auffassung, daß der kumulativen Umsatzsteuer eine erhebliche Bedeutung für die vertikale Konzentration zukommt. Deshalb verlangt sie eine grundlegende Umgestaltung der Umsatzsteuer mit dem Ziel, die konzentrationsfördernde Wirkung aufzuheben. Ich freue mich, daß nunmehr auch hierüber weitgehend Einigkeit zu bestehen scheint.Dabei muß aber nach unserer Auffassung gleichzeitig dafür Sorge getragen werden, daß die mit einer solchen Umsatzsteuerreform notwendigerweise verbundene Verschiebung in der Steuerlast nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus und damit zu Nachteilen für den Verbraucher führt. Das möchten wir ausgeschlossen wissen. Deshalb muß bei der Wahl des neuen Systems — darauf kommt es entscheidend an — darauf geachtet werden, daß die Verschiebungen in der Steuerbelastung, die zur Aufhebung der konzentrationsfördernden Wirkung nicht unbedingt notwendig sind, auf ein möglichst geringes Maß eingeschränkt werden.
Unter diesen Bedingungen verengt sich für die Mitglieder dieses Hauses, die sich mit der Frage der Umsatzsteuerreform beschäftigt haben, die Auswahl unter den möglichen Systemen außerordentlich stark. Infolgedessen stehen wir auf dem Standpunkt, daß das Problem in der Tat entscheidungsreif ist.Es besteht aber neben den wirtschaftspolitischen und den steuerpolitischen Notwendigkeiten auch eine rechtspolitische Notwendigkeit, in der Frage der Umgestaltung der Umsatzsteuer nunmehr zu einem Ergebnis zu kommen. Einige von Ihnen werden wissen — auch der Bundesfinanzminister weiß es natürlich —, daß vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren mit dem Ziel läuft, die derzeitige Umsatzsteuer wegen der mit der kumulativen Wirkung zwangsläufig verbundenen ungleichen Belastung gleicher Waren für verfassungswidrig zu erklären. Ich frage daher die Bundesregierung, ob sie es nicht für nötig hält, für den Fall mindestens vorbereitet zu sein, daß diese Steuer für verfassungswidrig erklärt wird.Ich komme zum Abschnitt B unseres Antrags, der sich mit der Frage der Erhaltung von öffentlichen Unternehmen in solchen Märkten beschäftigt, in denen der Wettbewerb wesentlich eingeschränkt ist. Ich kann mich im Interesse des Fortgangs unserer Beratungen auch bei dieser Frage kurz fassen, weil wir gestern bei Gelegenheit der Beratung über das Volkswagenwerk eine Erklärung abgegeben haben, aus der deutlich geworden ist, welche entscheidende Bedeutung wir öffentlichen Unternehmungen in bestimmten Bereichen beilegen, in denen der Wettbewerb wesentlich eingeschränkt ist. Wir haben das gestern am Volkswagenwerk exemplifiziert. Wenn Sie wollen, können wir das am Beispiel des Aluminiummarktes noch weiter exemplifizieren. Wir können uns glücklich schätzen, die Vereinigten Aluminiumwerke in öffentlicher Hand zu haben. Bekanntlich bemüht sich die amerikanische Aluminiumindustrie seit einiger Zeit darum, diesen Markt auch in Europa für sich zu monopolisieren.Es gibt andere Beispiele. Auf dein Kohlemarkt könnten z. B. öffentliche Unternehmen wie die Preußag und Hibernia positiv einwirken, auf den Markt für Eisen und Stahl die Reichswerke Salzgitter. Ich will Sie nicht mit längeren Ausführungen aufhalten, möchte aber deutlich machen, daß es hier ganz konkrete Dinge gibt, mit denen wir uns befassen müssen, wenn wir die Probleme meistern wollen.Ich bin auch der Meinung — und mit mir meine Fraktion —, daß all die angesprochenen Probleme wesentlich besser gelöst werden können, wenn es uns gelingt, auf diesem Gebiet zu einer internationalen Zusammenarbeit zu kommen. Unser Kollege Dr. Kreyssig hat am 23. September diesels Jahres im Europäischen Parlament dargelegt, in welchem Umfang Kartelle, Konzerne und marktbeherrschende Gruppen heute bereits versuchen, entgegen dem Ziel der EWG durch Wettbewerbsbeschränkungen das zunichte zu machen, was wir dort eigentlich wollen. Das Ziel der EWG ist doch, durch Wettbewerb und Arbeitsteilung die Rationalisierung weiterzutreiben und dadurch ,einen Beitrag zur Steigerung des Lebensstandards zu liefern. Ich möchte damit nur andeuten, daß wir all die Probleme, die wir heute behandeln, im internationalen Zusammenhang sehen mass en.Die bisher von mir behandelte Konzentration von Unternehmungen und die Formen des Mißbrauchs der dadurch entstandenen Macht müssen aber auch — das ist von Ihnen schon angedeutet worden — im Lichte der starken Eigentumskonzentration gesehen werden, vor der wir in der Bundesrepublik stehen. Wir wissen natürlich, daß ein Mißbrauch der Macht, die in den Händen von Vorständen und Aufsichtsräten marktbeherrschender Unternehmungen liegt und eine ungünstige Wirkung auf die Volkswirtschaft haben kann, niemals durch Eigentumsstreuung verhindert werden kann. Sie kann nicht einmal wesentlich eingeschränkt wenden. Ebenso sicher ist aber auch, daß eine Vermögenskonzentration in einem derartigen Ausmaß, wie es jetzt bei Privatpersonen, insbesondere bei Großaktionären zu be-
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Kurlbaumobachten ist, zusätzliche Probleme der Machtkontrolle aufwirft.Hier muß ich etwas über den Kursstand der deutschen Aktien sagen; denn er zeigt sehr eindeutig eine Anhäufung von Eigentum und Vermögen, wie sie wohl niemand von uns in der Vergangenheit in so kurzer Zeit für möglich gehalten hat. Nehmen wir einmal das Jahr 1953 als Ausgangspunkt;, fünf Jahre nach der Währungsreform hatten sich die Dinge schon einigermaßen normalisiert. Damals betrug der Kurswert der gesamten deutschen Aktien rund 20 Milliarden DM. Er ist von 1953 bis heute um etwa 100 Milliarden DM auf 120 Milliarden DM gestiegen, hat sich also in sechs Jahren versechsfacht. Nun gibt es in der Bundesrepublik etwa ein ehalbe Million Aktiendepots. Der Anteil der 400 000 Klein- und Kleinstdepots an diesen 120 Milliarden DM ist aber so gering — er liegt vermutlich bei 1 oder 2 % —, daß er bei unserer summarischen Überlegung keine Rolle zu spielen brauchtt. Es bleibt also das Faktum bestehen, daß die 120 Milliarden DM, die der deutsche Aktienbesitz repräsentiert, zum größten Teil anderen Unternehmen oder Großaktionären gehören, zum kleineren Teil etwa 100 000 mittleren Aktionären.Dieser Vermögenszuwachs von 100 Milliarden DM hat sich praktisch — dank unserer trefflichen Steuergesetzgebung — steuerfrei vollzogen. Mit dieser Tatsachesollten auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich einmal beschäftigen. Hier hat ein kleiner begünstigter Kreis in sechs Jahren sein Vermögen einkommensteuerfrei versechsfachen können.Demgegenüber — meine Damen und Herren, diese Feststellung mögen Sie mir nicht übelnehmen — nehmen sich Ihre Vorschläge zur Eigentumsstreuung bis jetzt geradezu mikroskopisch aus.
Welches sind die Gründe gerade für diese Entwicklung? Ich weiß natürlich auch, daß die Zinssenkung bei der Entwicklung der Kurse eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ich weiß auch, daß heute ein sehr viel stärkeres Interesse für Aktien besteht und daß Aufkäufe stattgefunden haben. Das wissen natürlich auch wir Sozialdemokraten. Aber ein großer Teil dieses ungeheuren Vermögenszuwachses in privater Hand ist auf zwei Ursachen zurückzuführen: erstens auf eine Wirtschaftspolitik, die eine Selbstfinanzierung der Unternehmungen in diesem Ausmaße gestattete, zweitens auf eine Steuerpolitik, infolge der bei der Körperschaftsteuer bei gleichem Bruttogewinn vor Steuerabzug der Nettogewinn nach Steuerabzug heute etwa 75 % höher liegt als im Jahre 1953. Sie werden mir zugeben, daß eine solche Steigerung — bei gleichem Ausgangsgewinn eine Erhöhung der Nettogewinne um 75 % — sich natürlich auch in den Aktienkursen ganz erheblich niedergeschlagen hat. Wir Sozialdemokraten haben bei jeder Gelegenheit, bei jeder Herabsetzung der verschiedenen Körperschaftsteuersätze in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, daß die Herabsetzung sehr unerfreuliche Wirkungen haben muß.Man kann sagen — nehmen Sie mir auch diese Feststellung bitte nicht übel —: Wenn in den letzten Jahren dünne Schichten großer und größter Aktionäre geradezu gemästet worden sind, dann ist es Ihr Verdienst, meine Damen und Herren.
Wirtschaftliche Konzentration und wirtschaftliche Macht sind für uns Sozialdemokraten selbstverständlich nicht nur Probleme der Abwägung der Vorteile technischen Fortschrittes, rationeller Herstellung, für die die Großunternehmen prädestiniert sind, gegenüber den Nachteilen derselben Unternehmen, die sich leicht zu marktstrategischen Manipulationen, die nicht im allgemeinen Interesse liegen, verführen lassen. Für uns Sozialdemokraten ist nach unserer Erfahrung wirtschaftliche Großmacht in der Regel auch Interessentenmacht im politischen Raum. Seien wir uns über eines klar! Unsere Demokratie wird von unseren Bürgern danach beurteilt werden, inwieweit sich Parlamente und Regierungen gegen Interessenwünsche durchsetzen können.
Je konzentrierter die Macht der Wirtschaft ist, je weniger das Gebaren dieser Großmächte von der Öffentlichkeit beobachtet werden kann, je mehr sie sich der notwendigen Überwachung durch die dafür nötigen öffentlichen Institutionen entziehen können, auf um so schwächeren Füßen wird unsere Demokratie stehen.Darum sollte die Stärkung der Demokratie auch von dieser Seite her unser gemeinsames Anliegen sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten haben im vergangenen Dezember die Große Anfrage der CDU begrüßt. Sie sprach ein Thema an, das uns schon immer brennend beschäftigt hat. Leider haben wir zehn Monate auf die Antwort der Bundesregierung warten müssen, und jetzt befriedigt uns auch der eingeschlagene parlamentarische Weg nicht. Herr Minister Erhard hat uns soeben die Ansicht der Regierung aus einem, wie wir hören, vierzig Seiten umfassenden Manuskript vorgelesen. Niemand von uns konnte den Inhalt voll und ganz in sich aufnehmen. Wenn wir jetzt dazu Stellung nehmen sollen, kann das nur mehr oder weniger flüchtig geschehen, und es besteht durchaus die Möglichkeit, daß wir unsere Ansicht in den nächsten Tagen und Wochen noch präzisieren oder vielleicht auch berichtigen müssen, wenn wir den Wortlaut Ihrer Erklärung eingehend durchgesehen haben werden.Das gibt mir Veranlassung, vorzuschlagen, die Erledigung solcher Großen Anfragen etwas anders ablaufen zu lassen. Wenn Sie, Herr Minister, uns, allen Parteien, vielleicht vor einem oder zwei Tagen diese Antwort auf eine Anfrage, die ja von Ihrer eigenen Fraktion gekommen ist, gegeben hät-
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Dr. Atzenrothten und wenn wir auf die Verlesung verzichtet hätten, wäre die Debatte nach meiner Ansicht viel lebhafter geworden, und wir hätten auch mehr Interesse für das Thema geweckt, sowohl bei unseren Kollegen hier im Hause als auch bei der Öffentlichkeit. Sie sehen die leere Pressetribüne.Der Umfang des Themas ist leider durch die Anfrage auf die Machtkonzentration in der Wirtschaft beschränkt. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß es auch andere Gebiete in unserem staatlichen Leben gibt, in denen Konzentrationen bestehen, die zu einer Machtzusammenballung geführt haben und über die wir zu gegebener Zeit ebenfalls sprechen müssen.Wir teilen die Ansicht der Regierung, daß nicht jede Zusammenfassung wirtschaftlicher Unternehmungen unerwünscht, gesellschaftspolitisch gefährlich ist. Es hieße die technische Entwicklung zurückschrauben, wollte man fordern, daß Automobile in vielen Kleinbetrieben hergestellt werden müssen. Es wäre aber auch ebenso unvernünftig, wenn man die grundsätzliche Forderung aufstellen wollte, daß im Einzelhandel nur der kleine private Betrieb seine Daseinsberechtigung hat.Wir sind mit der Bundesregierung auch darin einig, daß bestimmte Konzentrationsvorgänge, die der Herr Minister näher dargelegt hat, als unerwünscht zu bezeichnen sind und daß solchen Erscheinungen entgegengetreten werden muß. Dabei muß man aber nicht nur zu erwartende Zusammenfassungen überprüfen, sondern auch bestehende Zusammenballungen beachten und unter die Lupe nehmen.Aber, Herr Minister, über solche Grundsätze waren wir uns ja schon im Jahre 1957 einig, zu der Zeit, als der Bundeskanzler seine Regierungserklärung abgab. Seitdem sind zwei Jahre vergangen, und wenn ich auf die in dieser Zeit erzielten praktischen Ergebnisse zurückblicke und dann den Inhalt der heute abgegebenen Erklärung hinzunehme — soweit ich ihn verstanden habe —, muß ich zu der bedauerlichen Feststellung kommen, daß die Bundesregierung aus ihrer richtigen Erkenntnis der Lage bis heute nur wenig, allzuwenig praktische Folgerungen gezogen hat.Schon der vom Bundestag in der Frage 2 geforderte Überblick über den Umfang der Konzentration ist lückenhaft. Er versagt vor allem da, wo er für diese Debatte interessant werden könnte. Konkret ist allein die Feststellung, daß sich die Zahl der größeren Betriebe vermehrt, die der kleineren aber nur gehalten hat, daß also die Tendenz zum größeren Unternehmen eindeutig feststeht und mit Sicherheit anhalten wird. Das wußten wir alle schon vorher.Allerdings ist auch Ihre Behauptung, Herr Kurlbaum, es sei heute nicht möglich, daß noch kleine oder mittlere Unternehmen entstünden, nicht zutreffend. Aber gerade an Sie, an die Sozialdemokratische Partei, muß ich mich dabei mit der Frage wenden: Sind nicht unsere sozialpolitischen Maßnahmen auch ein Hindernis gegen die Neuerrichtung von kleinen Unternehmen? Fehlt nicht derDrang des einzelnen Menschen, sich dem Wettbewerb zu stellen, wenn der abhängige Arbeitnehmer durch staatliche Maßnahmen in einer Weise gefördert wird, die ein solches Interesse am Wettbewerb einfach überflüssig macht? Auch das sollte gerade Herr Kurlbaum, der das eben bedauert hat, sehr beachten, Wir müssen auch die andere Seite sehen.Zu der Frage der Konzernverflechtungen, Herr Minister, vermissen wir ebenfalls eine echte Aussage. Das gleiche gilt auch für die Angaben über das Kartellamt. Wir tappen, was den Umfang der Verschachtelungen, der Verflechtungen oder sonstiger Bindungen angeht, nach wie vor völlig im Dunkeln.In die Beantwortung dieser Frage hätte nach unserer Ansicht auch eine Angabe über die Verflechtungen zwischen den Gewerkschaften und den Gemeinschaftsbanken aufgenommen werden sollen. Solche Angaben wären nämlich ohne Schwierigkeiten zu ermitteln gewesen.Aus der Beantwortung der Frage 2 können wir also nicht die Hoffnung schöpfen, von der Bundesregierung in absehbarer Zeit mehr zu erfahren. Das bedauern wir.Zur Frage 3 hat der Herr Minister die Gründe für die Herstellung von vertikalen Verbindungen in der Grundstoffindustrie ohne eine Stellungnahme wiedergegeben. Wenn man den Wunsch nach Sicherung der Rohstoffversorgung einerseits und den nach Sicherung des Absatzes andererseits ohne weiteres als berechtigt anerkennt, wie es in der Regierungserklärung anscheinend getan wird, dann gibt es letzten Endes nur Unternehmen, die von der Rohstoffgewinnung bis zur Belieferung des Verbrauchers als eine große, zusammengefaßte Einheit tätig werden. Hier fehlt die grundsätzliche Stellungnahme.Aber auch die Praxis ist anders. Herr Minister, aus zuverlässiger Quelle ist mir bekanntgeworden — ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das bestätigen oder bestreiten könnten; es betrifft allerdings nicht direkt Ihren Bereich, sondern den Bereich des Herrn Ministers Lindrath, aber Ihre Wirtschaftspolitik —, daß sich eines der großen Unternehmen in staatlichem Besitz, nämlich Salzgitter, jetzt mit der Absicht trägt, in die Verarbeitung zu gehen, und zwar den Behälterbau aufzunehmen. Das wäre eine Katastrophe für die Siegerländer Wirtschaft. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit ganz ernsthaft darauf lenken.Ich bin mir allerdings bewußt, wie wenig Einfluß, Herr Deist, die Bundesregierung auf die öffentlichen Wirtschaftsunternehmen hat. Ich weiß nicht, ob Herr Minister Erhard in der Lage ist, Dr. Ende von solchen Absichten abzuhalten. Es wäre aber sehr gut, wenn wir hier einmal die Probe aufs Exempel machen könnten.
— Er sollte, ich bin auch dieser Meinung.Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4445Dr. AtzenrothErkennt die Bundesregierung den betriebswirtschaftlich durchaus vertretbaren Standpunkt als erwünscht an, daß ein Unternehmen auf seine Rohstoffbasis nicht verzichten darf und daß es auch für seinen Absatz sorgen muß, so braucht sie sich eigentlich nicht um Maßnahmen gegen diese Konzentration zu bekümmern. Glaubt sie aber, daß gerade hier durch Überspitzung die von ihr selbst bezeichneten gesellschaftspolitischen Gefahren drohen — und wir sind dieser Meinung —, dann sollte sie dem Bundestag Gegenmaßnahmen vorschlagen. Was von einer Änderung des Aktienrechts gesagt wird, ist für diesen speziellen Punkt nur wenig von Bedeutung. Ich komme aber darauf noch einmal zurück.Die Bundesregierung sollte zu der Frage Stellung nehmen, ob die Unternehmungen solche Zusammenfassungen, gleichgültig ob sie in der vertikalen oder der horizontalen Ebene liegen, nicht damit erkaufen sollten, daß sie zu einem prozentual größeren Teil als die kleinen Unternehmungen an den Lasten des Staates teilnehmen müßten. Von allen denjenigen, die in der Lage sind, durch Kapitalmacht die Vorteile in Anspruch zu nehmen, die sich aus einer wirtschaftlichen Konzentration ergeben, kann billigerweise auch verlangt werden, daß sie sich einer stärkeren Belastung für die Allgemeinheit unterwerfen. Das wäre eine echte Mittelstandspolitik.Wenn die Antwort auf die Frage 4 zunächst besagt, daß das Kreditgeschäft der Banken keine Konzentrationsbestrebungen gefördert habe und daß sich ernsthafte Schwierigkeiten in der Kreditversorgung auch für die kleineren Unternehmungen nicht ergeben haben, so ist dem zuzustimmen. Aber diese Frage gewinnt erst wieder ernsthafte Bedeutung, wenn die Mittel für die Kredithergabe nicht mehr so flüssig sind, wie das heute der Fall ist. Ob die Bundesregierung bei einer anderen Lage noch einmal die gleiche Antwort erteilen kann wie heute, möchte ich bezweifeln.Interessant waren auch die Ausführungen, die der Herr Minister zu der Frage des Depotstimmrechts der Banken gemacht hat. Herr Minister, auch Sie sehen her Gefahren, die durch Machtausübung mittels fremder Gelder und fremder Stimmen entstehen können. Sie verweisen auf die große Aktienrechtsreform als Gegenmaßnahme. Aber wann, glauben Sie, wird sie von diesem Bundestag verabschiedet werden? Herr Minister, ich glaube, auch Sie werden nicht den Optimismus aufbringen, anzunehmen, daß das noch bis zum Jahre 1961 geschehen wird. Ich glaube, sie wird kaum vorgelegt werden.
Noch ein Wort zur Konzentration im Bankgewerbe. Die Bundesregierung sagt, daß seit 1931 keine wesentlichen Zusammenschlüsse mehr zu verzeichnen seien. Sie sagt aber nicht, daß sich seitdem die Zahl der Privatbanken ganz wesentlich verringert hat.Nun noch ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Auf das Thema „Privilegien der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute" geht die Antwort nur sehr kurz ein. Es handelt sich hier aber um eineganz wichtige Frage. Wir müssen von der Bundesregierung die baldige Vorlage eines Gesetzes fordern, durch das diese Institute wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben beschränkt werden. Denn gerade in letzter Zeit sind immer wieder Klagen darüber laut geworden, daß sich solche Institute, gestützt auf ihre besonderen Privilegien, in gefahrdrohender Weise zum Schaden der privaten Institute ausgedehnt haben. An jeder Ecke entsteht eine Sparkassennebenstelle.Alles in allem gesehen, müssen wir aus der Antwort des Herrn Ministers zu dieser Frage den Eindruck gewinnen, daß er dem Problem „Konzentration in der Kreditwirtschaft" wenig kritisch gegenübersteht.Der Einfluß anderer Kabinettskollegen scheint eine gleiche Haltung bei der Beantwortung der nächsten Frage hervorgerufen zu haben. Niemand wird etwas dagegen einwenden, wenn Gemeinden, die Ansiedlung von Gewerbebetrieben auf ihrem Gebiet durch Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur oder andere ähnliche Maßnahmen zu fördern suchen. Aber auch die Bundesregierung sollte sich entschieden dagegen wehren, daß Förderungen auch durch ungleichmäßige Gestaltung der Steuersätze vorgenommen werden. Hier muß Gerechtigkeit auch für die vorhandenen Unternehmen gelten. Wenn die Rechtslage nicht eindeutig sein sollte, müßte die Bundesregierung recht bald die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, um derartige Mißbräuche zu verhindern.Mit der Bundesregierung sind wir der Ansicht, daß Konzentrationsvorgänge im allgemeinen auf das betriebliche Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer keinen Einfluß gehabt haben und haben werden. In vielen Fällen unterstützen sogar die Arbeitnehmervertreter die Absichten in bezug auf Zusammenschlüsse mehr, als das volkswirtschaftlich erwünscht ist. Auch auf dem Gebiet der Mitbestimmung der Arbietnehmer in den Verwaltungen juristischer Personen, also z. B. beim Montan-Mitbestimmungsrecht, sehen wir an und für sich keine Gefahr für den Einfluß der Arbeitnehmer. Dabei möchte ich aber besonders betonen, daß wir die Konzentration selber nicht gern sehen. In sehr vielen Fällen hat man sich übrigens bei solchen Zusammenfassungen in der Praxis schon damit geholfen, daß im Einvernehmen zwischen Betriebsleitungen und Arbeitnehmervertretungen in den Großbetrieben gewisse Zwischeninstanzen geschaffen worden sind, die die Verbindung zum zentralen Aufsichtsrat aufrechterhalten.Ich darf mich einen Augenblick mil der Beantwortung der Frage 7 beschäftigen. Herr Minister, Sie haben uns ein betriebswirtschaftliches Kolleg über die Erkenntnisse der Wissenschaft ganz richtig wiedergegeben, haben aber ein Eingehen auf die wirtschaftspolitischen Folgerungen vermieden. Ganz sicherlich sind die Sozialabgaben, mögen sie zu Lasten des Unternehmers oder des Arbeitnehmers gehen, echte Kostenbestandteile. Insofern liegt also — das ergibt sich aus der Beantwortung der CDU-Anfrage — keine Begünstigung der kapitalintensiven Wirtschaftszweige vor. Aber nicht alle
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Dr. AtzenrothLeistungen der Sozialversicherung beruhen auf dem Lohn oder sind dem Lohn äquivalent, sondern ein großer Teil der Leistungen der Sozialversicherung wird aus allgemeinen sozialen Gesichtspunkten gegeben und muß von den lohnintensiven Betrieben getragen werden; während die kapitalintensiven Betriebe zu diesem Teil nichts oder wenig beitragen. Es gibt aber auch manche staatlichen Abgaben, die einseitig auf den Lohn bezogen werden und dadurch die lohnintensiven Betriebe benachteiligen. Ich denke an die Lohnsummensteuer und an das Kindergeld. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß sich die lohnintensiven Betriebe besonders im Mittelstand viel schwerer tun als diejenigen, die sich nicht so sehr mit dem Kostenfaktor Lohn beschäftigen müssen, und das müßte, ganz abgesehen 'von reinen betriebswirtschaftlich-wissenschaftlichen Überlegungen, von der Regierung stärker berücksichtigt werden.Zu der wichtigen Frage 8 behauptet die Regierung, daß es nicht sinnvoll wäre, die bestehenden Rechtsvorschriften oder Rechtsinstitute als konzentrationsbegünstigend anzusehen. Hier sind wir nicht der gleichen Auffassung. Schon die Tatsache, daß sich die Bundesregierung mit der Vorlage einer großen Aktienrechtsreform beschäftigt, bestätigt, daß das derzeige Aktienrecht nicht in allen Punkten in Ordnung ist. Viele Konzentrationen sind nur durch dieses Recht begünstigt worden. Die Reform des Aktienrechts ist also sehr dringend, und ich wünschte, Sie könnten meiner Befürchtung entgegentreten, daß wir diese Reform in diesem Bundestag nicht mehr zuwege bringen.Wenn man wie die Bundesregierung der Meinung ist, daß ein Ausweichen der Kapitalgesellschaften in die Rechtsform der GmbH verhindert werden soll — und wir sind an und für sich auch dieser Meinung —, dann muß man aber das Institut der GmbH grundsätzlich anders gestalten. Herr Kurlbaum hat gefordert, daß die Publikationspflicht auch auf die GmbH übertragen wird, zunächst auf die größeren Gesellschaften. Wir unterstützen diese Forderung nicht und sind der Ansicht, daß man eine Bestimmung festlegen sollte, wonach große Kapitalgesellschaften keinen beherrschenden Einfluß auf die GmbH haben dürfen oder ihr Anteil an einer GmbH beschränkt werden muß, so daß auf diese Weise das Ausweichen vor der Publikationspflicht verhindert werden kann.Sie haben noch eine Reihe von anderen Vorschlägen in diesem Rahmen gebracht, auf die ich allerdings jetzt nicht eingehen kann, weil ich sie mir nicht alle notieren konnte. Ob die Umsatzbesteuerung sich konzentrationsfördernd ausgewirkt hat, ist natürlich eine der wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang. Schon gestern habe ich für meine Fraktion darauf hingewiesen, daß man das Umsatzsteuergesetz nicht mit den kleinen Änderungsgesetzen berichtigen kann, wie wir gestern eines an den Ausschuß verwiesen haben, und daß wir von der Bundesregierung nun die baldige Vorlage der sogenannten großen Umsatzsteuerreform verlangen müssen.Ihre Ausführungen in der heutigen Erklärung waren ja nur sehr kurz. Sie waren zu kurz, als daß wir uns ein klares Bild von den Absichten der Bundesregierung in diesem Punkte machen könnten. Eine Verbesserung des derzeitigen Systems ist sicher unbedingt notwendig. Allerdings — und hier spreche ich zunächst nur für meine Person und nicht für meine Fraktion — bin ich, Herr Dr. Becker, nach langem Überlegen doch zu der Überzeugung gekommen, daß in der Umsatzbesteuerung nicht ein Systemwechsel notwendig ist, sondern daß eine Verbesserung des geltenden Systems leichter und wirkungsvoller durchzuführen wäre. Ich sehe, daß der Herr Bundesfinanzminister erfreut ist, endlich einmal wieder eine Unterstützung zu bekommen.
Einen breiten Raum in den Ausführungen der Bundesregierung nimmt die Frage des Kartellrechts in Anspruch. Die Haltung der Freien Demokratischen Partei ist schon in der zweiten Legislaturperiode eindeutig festgelegt worden; sie hat sich auch jetzt nicht geändert. Wir erwarten, daß sich der für die Wirtschaftsführung des Bundes verantwortliche Minister auf diesem Gebiet nun endlich im Sinne der freien Marktwirtschaft durchsetzt. Die Bemerkung — ich hoffe, daß ich sie richtig gehört habe —, daß nur er, der Wirtschaftsminister, nicht die Bundesregierung, die Wirksamkeit der §§ 23 und 24 bezweifle, läßt eigentlich aufhorchen.Aber auch bei der SPD wird etwas stark aufgetragen, und manche Dinge werden doch in ihrer Wirksamkeit übertrieben. Herr Kurlbaum weiß, daß wir, mein Freund Hoffmann im 2. Bundestag und ich, uns für eine starke Beschränkung der Preisbindung zweiter Hand eingesetzt haben.
Man muß aber hier die Praxis sehen. Sie wollen ja doch die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen noch weiter verschärfen.
Wenn wir auf die Praxis sehen, Herr Dr. Deist, dann müßten wir eigentlich stärker als hier im Parlament draußen bei dem Verbraucher anfangen, wir müßten bei der Hausfrau anfangen.
Wer begünstigt denn die Preisbindung der zweiten Hand? In erster Linie der Käufer, der Einkäufer, der hier geradezu einen festen Preis fordert und verlangt. Hier müssen wir aufklärend wirken. Hier wird der Wettbewerb zum großen Teil durch die Verbraucher eingeschränkt. Wir müssen den Verbraucher darüber aufklären, daß ein echter Wettbewerb nur entstehen kann,. wenn die Masse der Verbraucher ihn auch wirklich fordert. Es ist also nicht allein der Gesetzgeber, der hier im Verzuge ist, sondern die andere Seite leider auch.In Beantwortung der letzten Frage führt die heutige Regierungserklärung noch eine Fülle von Zielen auf, die sich die Bundesregierung gestellt hat,
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Dr. Atzenrothum eine gesunde Struktur der deutschen Wirtschaft zu gewährleisten. Aber wiederum muß ich darauf hinweisen, daß das Ziele sind, die schon vor zwei Jahren in der Regierungserklärung bekanntgegeben worden sind. Sie haben uns einige Punkte genannt, in denen für den Mittelstand konkrete Vorteile erreicht worden sind, z. B. die Beseitigung der Umsatzsteuer auf der untersten Ebene oder auch eine Erleichterung bei der Gewerbesteuer, die gerade dem Mittelstand und dem Kleingewerbe zugute kommen. Aber alles das sind Verbesserungen, Herr Minister, die nicht der Anregung der Bundesregierung entsprangen, sondern zu denen es durch Anregungen aus diesem Hause und nicht zuletzt durch Anregungen der Freien Demokraten gekommen ist. Die konkreten Handlungen und Tatsachen der Bundesregierung sind nur ganz gering an Zahl.Warum ist nicht ein viel größerer Teil der Pläne, die Sie jetzt aufstellen, schon verwirklicht worden? Zwei Jahre haben wir Zeit gehabt. Es gibt eben zu viele Hindernisse innerhalb der Regierung selbst. Ich erinnere dabei an die Frage der Privatisierung, die viel weiter vorgetrieben sein könnte. Ich erinnere an die Widerstände, die sich gegen die an und für sich begrüßenswerten Vorschläge des Ministers Lücke in der Wohnungswirtschaft erhoben haben. Warum kommt Herr Lücke mit seinen Plänen nicht weiter? Doch nicht etwa unseretwegen. Wir unterstützen ihn voll und ganz. Auf dem Gebiete des Verkehrs wagt ja nicht einmal der Minister Erhard anzukündigen, daß auch hier eine Einbeziehung in die Marktwirtschaft geplant sei.Nun noch zum Schluß ein Wort zu der Eigentumsbildung. Diese Frage ist weniger von der Bundesregierung als von einem bestimmten Kreis der CDU in die Öffentlichkeit gebracht worden. Wie so oft in unserem parlamentarischen Leben unterstützen wir Freien Demokraten die Regierung oder die CDU in ihren grundsätzlichen Erklärungen. Aber wie so oft müssen wir dann immer wieder ein Mißverhältnis zwischen dem, was angekündigt ist, zwischen Theorie und Praxis feststellen; denn die Vorschläge, die uns bisher gemacht worden sind, sind doch kaum realisierbar. Das Wort von der „Sozialromantik", das in diesem Zusammenhang geprägt worden ist, trifft auf manche dieser Vorschläge zu. Wir werden alle vernünftigen Vorschläge voll und ganz unterstützen, wir werden sie aber auf ihre realistische Verwirklichung hin prüfen müssen, und wir dürfen — Herr Katzer, das haben wir ja schon besprochen — nicht dazu kommen, daß bestimmte Maßnahmen zu einer Spaltung innerhalb bestimmter Berufszweige führen, die wir begünstigen wollen. Immer wieder ist unsere grundsätzliche Stellungnahme: erworbenes Eigentum ist besser als geschenktes Eigentum. Auch wir haben dazu ganz konkrete Pläne, und wir werden sie in nächster Zeit der Öffentlichkeit vorlegen, ebenso wie Sie das getan haben.Zusammenfassend muß ich für meine Fraktion erklären, daß wir in der Regierungserklärung sehr viele positive und begrüßenswerte Gedanken gefunden haben. Aber nach zwei Jahren genügen solche Erklärungen nicht mehr. Wir wollen Taten sehen, und davon konnte uns die Regierungserklärung leider zuwenig berichten.
Das Wort hat der Abgeordnete Deringer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir bisher einige umfassende „Großunternehmen der Rede" erlebt haben, wollen sich die folgenden Redner mit hoffentlich sehr erwünschter Konzentration jeweils nur mit einigen Spezialfragen befassen. In diesem Sinne darf ich mich auf die wichtigsten Gebiete des Wirtschaftsrechts beschränken.Vorweg allerdings ein paar Bemerkungen zur Definition: Es ist schon wiederholt gesagt worden, daß es selbstverständlich eine ganze Reihe guter technischer, wirtschaftlicher und anderer Gründe für die Konzentration gibt. In diesem Sinne war es gemeint, wenn Herr Schmücker vorhin sagte, daß Konzentration an sich kein tadelnswerter Zustand ist. Damit war keine Aussage über den Zustand gemacht, den unsere Wirtschaft heute erreicht haben mag. Unerwünscht ist in meinen Augen jede Konzentration, die das Funktionieren des Marktes wesentlich beeinträchtigt oder verfälscht und dadurch die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der selbständigen Unternehmen beeinträchtigt.
Nun sprechen wir allerdings allzuviel von der Konzentration im allgemeinen, ohne uns dabei zu überlegen, daß es eine ganze Reihe verschiedener Formen von Konzentrationen gibt. Wenn wir aber die richtigen Mittel gegen unerwünschte Konzentrationen finden wollen, dann bedarf es dazu der richtigen Diagnose. Ich darf deshalb ein paar Bemerkungen zu den verschiedenen Formen der Konzentration machen, die nach meiner Auffassung gerade auch für die rechtlichen Überlegungen wichtig sind.Die Wissenschaft hat sich bisher im wesentlichen, auch in den Vereinigten Staaten, nur mit dem Monopol bzw. — nach unserer Terminologie — mit dem Marktbeherrscher befaßt, d, h. mit dem Unternehmen, das, sei es durch Ausdehnung, sei es durch Zusammenschluß, sich auf einen Markt, auf eine Ware bezieht, einen hohen Marktanteil erreicht. Daneben aber sind nach meiner Auffassung in der Praxis viel wichtiger und gefährlicher die zwei anderen Formen der Konzentration, nämlich die vertikale und die horizontale Konzentration über mehrere Wirtschaftszweige hinweg oder, wie man in Amerika zu sagen pflegt, das conglomerate enterprise.Sicher gibt es auch bei der vertikalen Konzentration, d. h. bei dem Hineingehen in andere Wirtschaftsstufen, durchaus positive Gründe: Sicherung des Rohmaterials oder der Absatzwege. Aber damit sind doch eine Reihe von Gefahren verbunden, die der Herr Bundeswirtschaftsminister in seine
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DeringerAntwort schon aufgezeigt hat und die ich deshalb hier nur noch einmal kurz skizzieren möchte.Zum Beispiel besteht die Möglichkeit unterschiedlicher Preise einmal für das abhängige Unternehmen, für die eigene Tochter, und zweitens für das selbständige Unternehmen, das im Wettbewerb mit dieser Tochter steht. Weiter besteht die Möglichkeit der bevorzugten Belieferung der Töchter in Mangelzeiten oder gar einer völligen Sperre der Rohstoffquelle bzw. der Absatzwege. Schließlich gibt es die Möglichkeit von Koppelgeschäften, insbesondere dann, wenn es sich um eine Mangelware handelt.Ein Beispiel für die letztere Möglichkeit: ein großer Konzern im Rheinland erklärt allen Bauunternehmern, die von ihm Bauaufträge erhalten, sie erhielten nur dann Aufträge, wenn sie sich verpflichteten, nicht nur die Rohstoffe für diese Aufträge, sondern auch die Rohstoffe für alle übrigen Aufträge, die sie hätten, von seiner Baustoffhandlung, seiner Tochter, zu beziehen. Ein anderes Beispiel ist etwa, daß auf dem Gebiet der Düngemittel ein knapper Stoff nur in Koppelung mit Stickstoff oder reichlich vorhandenen Düngemitteln abgegeben wird.Ebenso wichtig erscheint mir bei der Betrachtung der Konzentration der Ausdehnung eines Unternehmens auf verschiedene nebeneinanderstehende Wirtschaftszweige. Auch dafür gibt es sicher positive Gründe: Das Risiko ist natürlich geringer, Ausweichen auf Ersatzware, auf Ersatzproduktionen, etwa von Eisen zu Kunststoffen, von Kohle zu Öl, Rationalisierung durch gemeinsame Dienste, bessere Kreditunterlagen usw.Trotzdem gibt es auch hier manche Gefahren, die wir, wenn wir die Dinge richtig behandeln wollen, beachten müssen: die Möglichkeit, die Verluste aus dem einen Bereich in den anderen, gewinnbringenderen Bereich zu verschieben, insbesondere — da, wo man anfängt, mit gezieltem Unterbieten selbständige Wettbewerber aus dem Spiel zu bringen — das Eindringen in fremde Gebiete durch Finanzkraft, ein Kapital- und nicht ein Leistungswettbewerb, ebenfalls Koppel- und Gegengeschäfte, geballte Einkaufsmacht für irgendwelche Waren, für die ein gemeinsamer Bedarf vorliegt, etwa Energie, Transportmittel und Kredit.Nun mögen vertikale und horizontale Konzentration über verschiedene Bereiche hinweg an sich ungefährlich sein, soweit damit nicht an irgendeinem Punkte eine Marktmacht verbunden ist. Wenn der Waldbesitzer eine Sägemühle und eine Möbelfabrik hat, mag er vielleicht alle Wettbewerbsvorteile der vertikalen Konzentration bei der Umsatzsteuer ausnutzen. Er bedeutet jedoch keine Gefahr für seinen Wettbewerber. Anders ist es, wenn auf irgendeiner Stufe Marktmacht besteht, weil diese Marktmacht benutzt wird, um auf andere Stufen hinüberzugreifen. Hier liegt nach meiner Auffassung für Wissenschaft und Gesetzgebung das entscheidende Problem, das bisher selbst in den Vereinigten Staaten noch gar nicht ausreichend behandelt worden ist: zu erkennen, wann und wo hier vertikale oder horizontale Konzentration gefährlich und unerwünscht wird.Lassen Sie mich zur Veranschaulichung unerwünschter vertikaler Konzentrationen nur ein paar Beispiele für das Eindringen der Grundstoffindustrie in das Gebiet des Handels, insbesondere des Düngemittel-, Baustoff-, Eisen- und Kohlehandels bringen. Im Baustoffhandel ist der Anteil des Werkshandels in Nordrhein-Westfalen von 7,2 % im Jahre 1950 auf 13,7 % im Jahre 1957 gestiegen, in Bayern in der gleichen Zeit von 4 auf 10,6 % und in der gesamten Bundesrepublik von 4,8 auf 11 %.Ein weiteres Beispiel. In einer Großstadt in Norddeutschland mit 17 freien Baustoffhändlern und früher 3, jetzt 5 Handelsgesellschaften betrug der Anteil des Werkshandels am Zementumsatz im Jahre 1950 praktisch 0 %, im Jahre 1957 32,5 %.Ein drittes Beispiel: Im Düngemittelhandel zählt man heute 128 Großhandelsfirmen, davon 37, also 29 %, freie Großhändler, dagegen 77 Konzernfirmen, 11 Einkaufsgemeinschaften und 3 Handelsabteilungen von Herstellern.Ein letztes Beispiel, der Einzelfall einer Konzernhandelsgesellschaft, die in der ganzen Bundesrepublik insgesamt 13 Firmen mit 16 zusätzlichem. Niederlassungen, also zusammen 29 Betriebsstätten hat. Davon laufen — und damit kommt ein weiteres Problem hinzu — 8 unter dem Namen des Konzerns, 10 unter dem Namen eines an sich bekanten Tochterunternehmens und weitere 11 unter dem Namen anderer Firmen, denen man von außen nicht ansieht, daß sie zu diesem Konzern gehören.In unseren Überlegungen, welche Maßnahmen gegen etwa unerwünschte Erscheinungen dieser Art möglich sind, ist schon wiederholt gesagt worden, daß es eine ganze Reihe von verschiedenen indirekten und direkten, positiven und negativen Maßnahmen, vor allem im Steuerrecht, gibt. Meine Aufgabe beschränkt sich, wie gesagt, darauf, ein paar Gebiete des Wirtschaftsrechts zu behandeln.Vorweg das Patentrecht! Ich weiß, daß ich hier ein für die Betroffenen recht heißes Eisen anrühre. Das Patent ist ein vom Staat verliehenes Monopol für die Erfinderleistung. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß das Patent auch als Mittel zum Ausbau oder zum Schutz einer wirtschaftlichen Machtstellung mißbraucht werden kann. Die amerikanische Literatur spricht deshalb von dem Patent-Antitrust-Dilemma.Besonders interessant ist in diesem Punkt der § 15 des Patentgesetzes, der bekanntlich vorsieht, daß Zwangslizenzen unter gewissen Voraussetzungen erteilt werden können, wenn das im öffentlichen Interesse geboten ist. Bisher sind recht wenige Zwangslizenzen erteilt worden. Die Rechtsprechung hat zwar eine Reihe von Beispielen dafür angeführt, was im öffentlichen Interesse geboten ist. Bisher hieß es aber immer, Förderung des Wettbewerbes, der Konkurrenz, um damit niedrigere Preise zu erreichen, liege nicht im öffentlichen Interesse. Wir sollten, meine ich, deshalb bei der weiteren Prüfung dieses Rechtsgebietes erwägen — ich weiß, daß das sehr problematisch ist —, ob nicht mindestens dann, wenn neben
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Deringerder patentrechtlichen auch eine wirtschaftliche Machtstellung besteht, die Erteilung einer Zwangslizenz im öffentlichen Interesse geboten ist.Ein weiteres Gebiet ist das Recht der Firmenbezeichnung, von dem der Herr Bundeswirtschaftsminister schon sprach. Das Handelsrecht geht von dem Grundsatz der Firmenwahrheit und Firmenklarheit aus; denn der Geschäftspartner soll wissen, mit wem er es zu tun hat. Dieser Grundsatz ist allerdings weitgehend durchbrochen bei der „abgeleiteten Firma" : bei der Übernahme einer Personalgesellschaft durch eine juristische Person ist lediglich ein Zusatz hinzuzufügen, der die Tatsache erkennen läßt, daß es sich um eine juristische Person handelte aus dem man aber nicht entnimmt, welches der Name der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist.Ich möchte deshalb dem Gedanken der Bundesregierung zustimmen, daß geprüft werden sollte, ob nicht in Zukunft Konzernfirmen bei Übernahme einer Personalgesellschaft deren Firma eine Bezeichnung hinzufügen sollten, aus der die Zugehörigkeit dieser Personalgesellschaft zum Konzern zu erkennen ist. Das mag auch seine Nachteile haben, weil der Name des Konzerns unter Umständen eine erhebliche Werbekraft besitzt. Aber der Vorteil, daß die Zusammenhänge klarer werden, scheint mir doch zu überwiegen.Auf das Genossenschaftsrecht, das in der Antwort der Bundesregierung erwähnt wurde, einzugehen, möchte ich mir der Kürze der Zeit halber ersparen. Wir wissen, daß eine Reform des Genossenschaftsrechts in Vorbereitung ist. Wir hoffen, daß dabei berücksichtigt wird, daß Genossenschaften überschaubare Kreise von Personen sein sollen, die sich um der Selbsthilfe willen zusammenschließen, nicht aber große Kapitalgesellschaften. Daß sie Kapitalgesellschaften sind, kann heute von manchen Genossenschaften gesagt werden.Besonders wesentlich ist das Gesellschafts-, insbesondere das Aktienrecht. Der Deutsche Juristentag hat im Jahre 1957 in Düsseldorf in einer besonderen Arbeitsgruppe, der im wesentlichen Wirtschaftsjuristen angehörten, die Frage bejaht, daß auf dem Gebiet des Konzernrechts gesetzgeberische Maßnahmen gesellschaftsrechtlicher Art notwendig sind. Das Institut der Wirtschaftsprüfer, von dem man annehmen darf, daß es von diesen Fragen auch etwas versteht, hat bald danach oder sogar gleichzeitig vorgeschlagen, daß man bei einer Neuordnung des Aktienrechts einen Konzernabschluß mit konsolidierter Bilanz und einen Konzernbericht einführen sollte, in dem der rechtliche und wirtschaftliche Aufbau des Konzerns dargelegt wird.Wir begrüßen es, daß der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums diese und andere Anregungen aufgegriffen und zum erstenmal den Versuch gemacht hat, ein eigenes Konzernrecht zu kodifizieren. Da wir, wenn der Entwurf in dieses Haus kommt, im einzelnen darüber werden diskutieren müssen, möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen, sondern nur die mir wichtig erscheinenden Neuerungen kurz andeuten. Das sind u. a. die Neuregelung des Depotstimmrechts, der verstärkteMinderheitenschutz, besonders in Konzernen, die stärkere Publizität etwa durch die Vorschriften über den Unternehmensvertrag, also den Konzernvertrag, die Sicherung außenstehender Aktionäre bei einem Konzern, der Ausbau der Haftung der Weisungsberechtigten und die Aufstellung von Konzernabschlüssen und -geschäftsberichten. Ich glaube, daß alle diese im Entwurf enthaltenen Gedanken zu begrüßen sind und daß wir, wenn wir den Entwurf hier im Hause beraten, diese Gedanken noch weiter ausbauen sollten.Sie werden es deshalb verstehen, wenn ich zu dem Vorschlag unter A II in dem Antrag der Fraktion der SPD nur sagen kann, daß ich seine Tendenz und auch weitgehend seinen Inhalt bejahe. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, daß für Personalgesellschaften mindestens dann Publizität verlangt werden sollte, wenn es sich um wirklich wichtige, große Unternehmen handelt. Ob allerdings die Festlegung einer Meldepflicht schon bei einer Beteiligung von 10 % nicht ein wenig über das Ziel hinausschießt, möchte ich hier offenlassen.Meine Frage an die Bundesregierung ist: Wann können wir mit dem Regierungsentwurf des neuen Aktienrechts rechnen? Wir sollten ihn so rechtzeitig erhalten, daß erhebliche Vorarbeiten für seine Verabschiedung geleistet werden können, falls es nicht gelingt, ihn noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.Als letztes erwähne ich das wichtigste und vielleicht heikelste Gebiet, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Bei den Debatten beim Zustandekommen dieses Gesetzes, an denen ich noch nicht teilgenommen habe, ist von bestimmter Seite immer wieder die These vertreten worden, das Kartellverbot fördere die Konzentration. Nun, für die Vereinigten Staaten läßt sich das statistisch weder beweisen noch widerlegen. Aber eines scheint mir sicher: daß ein scharfes Kartellverbot die Konzentration dann fördert, wenn nicht zugleich Bestimmungen gegen die Konzentration vorhanden sind, — einfach deswegen, weil sonst die Betroffenen natürlich gezwungen sind, auf die Konzentration auszuweichen.Nun muß ich allerdings generell sagen, daß sich unser jetziges Gesetz auch nur mit dem Marktbeherrscher, d. h. mit dem Monopol auf einem einzigen Markt, beschäftigt, während die beiden anderen, in meinen Augen wichtigeren Formen der Konzentration, die vertikale und die horizontale über mehrere Bereiche hinweggehende im Grunde genommen darin kaum behandelt sind.Im einzelnen zu diesem Gesetz! Gegen den Mißbrauch der Marktmacht haben wir die berühmten §§ 22 und 26 Abs. 2, Verbot der Diskriminierung bzw. der Behinderung. Die Fraktion der SPD hat beantragt, die Befugnisse im § 22 zu erweitern, also vermutlich die in den Vorarbeiten zu diesem Gesetz diskutierte Generalklausel wieder einzuführen. Nach meinen Erfahrungen in der Praxis meine ich, daß man mit der ziemlich scharfen Formulierung des § 26 Abs. 2 — Diskriminierungs- und Behinderungsverbot — gerade gegen die Behinderung der Wettbewerber doch verhältnismäßig viel
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4450 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Deringermachen kann. Ich halte deshalb, wenn sich die bisherigen Bestimmungen als unzulänglich erweisen, die aufgeworfene Frage durchaus für diskutabel, ohne daß ich jedoch damit zur Frage der Generalklausel hier endgültig Stellung nehmen möchte. Aber zunächst einmal sollten wir abwarten, bis das Bundeskartellamt eine Reihe von Entscheidungen getroffen hat, in denen es klipp und klar sagt: Hier reichen für meine Arbeit die §§ 22 und 26 Abs. 2 nicht aus. Ich habe eine Reihe von Fällen erlebt, in denen man das zunächst annahm, nachher aber feststellte, daß man bei richtiger Auslegung und Anwendung durchaus auch mit diesem Mittel vorgehen kann. Die Engländer haben mit einem wesentlich milderen Gesetz, wie Herr Kollege Kurlbaum vorhin schon andeutete, bei richtiger Handhabung durchaus positive Erfolge erzielt.Für Zusammenschlüsse haben wir in diesem Gesetz bekanntlich nur die Meldepflicht des § 23. Das Bundeskartellamt sagt in seinem Bericht, diese Vorschrift sei unzureichend, weil der Marktbegriff schwer abzugrenzen sei und die Befugnisse nicht sehr weit reichten. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Antwort durchblicken lassen, daß die Befugnisse wohl nicht zur Bekämpfung von Zusammenschlüssen ausreichen. Die Fraktion der SPD schlägt deshalb vor, über die Meldepflicht hinaus eine Erlaubnispflicht und sogar die Möglichkeit der Entflechtung einzuführen.Nun, ich gebe dem Bundeskartellamt durchaus darin Recht, daß die Bestimmung über die Meldepflicht, die allein auf einem Marktanteil aufbaut, wahrscheinlich problematisch ist, einfach deshalb, weil man in vielen Fällen gar nicht feststellen kann, ob dieser Marktanteil nun erreicht ist oder nicht — Substitutionskonkurrenz und alle diese Dinge. Ob man aber deshalb schon heute eine Erlaubnispflicht einführen soll, möchte ich doch in Frage stellen; denn Merkmale dafür, wann ein Zusammenschluß eines Verbotes bedürftig oder einer Erlaubnis würdig ist, haben wir im Grunde genommen noch gar nicht. Das Bundeskartellamt selber sagt in seinem Bericht zu diesem Thema — den ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf —:Eine sichere Grundlage für die Beurteilung ist aber notwendig, weil die nicht zu vermeidende Rechtsunsicherheit einer schwebenden Unwirksamkeit im Anmelde- bzw. Erlaubnisverfahren nicht noch dadurch erhöht werden darf, daß die in Betracht kommenden Unternehmen nur schwer feststellen können, ob die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen unter die Konzentrationsbestimmungen fallen.Wir müssen darüber hinaus bedenken, daß wir jetzt in den größeren Markt der EWG hineingehen und sowieso mit größeren Unternehmenseinheiten rechnen müssen, ganz abgesehen davon, daß wir dann auch die Koordinierung unserer deutschen und der Vorschriften des Gemeinsamen Marktes erreichen müssen, bei denen, wie die Beteiligten wissen, im Augenblick ein erheblicher Rechtswirrwarr besteht. Mir scheinen allerdings Rechtsunsicherheit und Rechtswirrwarr gerade auf dem gebiet des Wirtschaftsrechts auf die Dauer genausounerwünscht zu sein wie gewisse wirtschaftspolitisch abzulehnende Erscheinungen, die man im Augenblick vielleicht mangels ausreichender Befugnisse und Bestimmungen noch nicht bekämpfen kann.Abgesehen davon ist der Vorschlag der SPD, eine Erlaubnispflicht einzuführen und eine Entflechtung zu ermöglichen, in meinen Augen deshalb sachlich unzulänglich, weil er im Grunde genommen nur die Monopole, also diejenigen Unternehmen erfaßt, die einen großen Marktanteil auf einem Markte haben. Die Frage der vertikalen und horizontalen Konzentration wird damit eben auch nicht gelöst.Ich möchte Ihnen selbst einen Vorschlag unterbreiten. Man könnte wenigstens eine bessere Befolgung der Vorschrift über die Meldepflicht durch eine Bestimmung erreichen, wonach Zusammenschlüsse erst dann zivilrechtlich gültig sind, wenn sie dem Bundeskartellamt angemeldet werden. Das bedeutet nicht, daß eine Prüfung erfolgt, das bedeutet nicht, daß eine Erlaubnis nötig ist. Eine solche Bestimmung sichert aber, daß die Unternehmenszusammenschlüsse, durch die ein Marktanteil von 20 % oder mehr erreicht wird, auch tatsächlich angemeldet werden.
Wesentlich wichtiger erscheint mir auch auf dem Gebiet des Kartellrechts die Publizität. Zum Thema der Firmenbezeichnungen sowie zum Konzernrechthabe ich schon einiges gesagt. Ob man darüber hinaus ein Konzernregister einführen sollte, in das alle Konzerne einzutragen wären, möchte ich so lange offenlassen, solange wir noch keine Erfahrungen mit der im Entwurf des neuen Aktiengesetzes vorgesehenen Eintragung der Unternehmensverträge in das Handelsregister gesammelt haben. An sich ist damit ja Publizität über die Konzernzusammenhänge genug vorhanden.Die Fraktion der SPD schlägt darüber hinaus noch die Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand und eine schärfere Handhabung der Befugnisse des Kartellamts gegen Ausschließlichkeitsverträge des § 18 vor. Die Meinungen über den Wert der vertikalen Preisbindungen und auch der Ausschließlichkeitsklausel sind zweifellos nicht nur in diesem Hause, nicht nur in der Wirtschaft und Wissenschaft, sondern, wie Herr Kollege Atzenroth vorhin schon sagte, auch unter den Verbrauchern sehr geteilt. Im übrigen handelt es sich in beiden Fällen zwar um wichtige Probleme des Wettbewerbs- oder Kartellrechts, aber in meinen Augen eigentlich nur um indirekte Fragen der Konzentration.Ich bin auch hier wieder der Meinung, daß die Möglichkeiten, die das Bundeskartellamt durch den § 17 für die Preisbindung und den § 18 für die Ausschließlichkeitsverträge hat, zunächst ausreichen. Solange das Bundeskartellamt nur zwei Verfahren nach § 18 und noch keines nach § 17 eingeleitet hat, kann man eigentlich nicht sagen, daß diese Bestimmungen nicht ausreichen. Wir sollten also auf diesem Gebiet die Entwicklung abwarten.DeringerSchließlich noch ein Wort zu dem Vorschlag, eine Monopolkommission zu bilden. Zunächst darf ich den Herrn Kollegen Kurlbaum — wenn er die Güte hat, zuzuhören — sachlich dahin berichtigen, daß sich gerade die englische Monopolkommission als unzulänglich erwiesen hat. Sie wurde nämlich durch das Gesetz von 1956 abgeschafft, und es wurde eine andere Regelung eingeführt. Gewiß hat die Kommission auch in ihrer unzulänglichen Form drüben eine ganze Reihe sehr positiver Ergebnisse erzielt. Aber ich möchte diese Frage gar nicht endgültig entscheiden, weil nach meiner Auffassung die vorgeschlagene Kommission im wesentlichen eine Aufgabe hätte, deren Lösung wir mit unserer Forderung nach einer Enquete vorläufig anstreben.Abschließend darf ich unterstreichen: Kernproblem ist nach meiner Auffassung gar nicht so sehr der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt, sondern vielmehr auf den vorgelagerten und gleichgelagerten Stufen. Dafür fehlen uns aber noch die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Deshalb eine Enquete und deshalb eine wissenschaftliche Durcharbeitung. Wir können eis uns nicht leisten, auf einem so wichtigen Gebiet mit der Stange im Nebel herumzufahren.
Mancher mag meine Haltung zu den Fragen als sehr vorsichtig bezeichnen. Es mag sein, daß ich als Jurist die Fragen immer etwas behutsamer anpacke. Im Grundsatz sind wir uns durchaus darin einig, daß unerwünschte Konzentration bekämpft werden sollte. Da es ,aber dafür, wie auch Sie sagen, kein Patentrezept, sondern nur ein Bündel von Maßnahmen gibt, scheint mir, daß man die einzelnen Rezepte sehr sorgfältig prüfen und auf ihre Wirksamkeit abwägen sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bändigung der Macht" wäre wohl eine andere Formulierung des Themas der Konzentrationsdebatte. Bändigung der Macht ist nicht nur ein ökonomisches, sondern ein schlechthin gesellschaftliches, auch ein politisches Problem. Niemand anders als unser verehrter Herr Bundestagspräsident hat am 15. September in diesem Hohen Hause, als er über den freiheitlichen Rechtsstaat und über die Freiheit sprach, unter Zustimmung aller Fraktionen den Satz geprägt: Unsere Bahn der Freiheit ist etwas anderes als der Dschungel, in dem der Stärkere, der Bedenkenlose, der Brutale das Faustrecht ausübt.
An diesem Punkt stehen wir jetzt in unserer Debatte. Wir stehen vor der Frage, ob wir im Rahmen unserer Vertragsfreiheit, unserer Koalitionsfreiheit, unserer Gewerbefreiheit, unserer Berufsfreiheit da angelangt sind, wo doch der Stärkere, der Bedenkenlose und der Brutale von der Freiheit einen unangemessenen Gebrauch macht.
Die Erklärung der Bundesregierung zu der Anfrage der Koalition über die Konzentrationsvorgänge läßt meines Erachtens zur Genüge erkennen, daß es der Bundesregierung mit dem Grundsatz, den der Herr Bundestagspräsident über die Auswirkungen und Möglichkeiten der Benutzung unserer Freiheiten aufgestellt hat, ernst ist. Die Verhinderung der unerwünschten Konzentration hat der Herr Bundeswirtschaftsminister heute in aller Form, auch in konkreter Art, als Ziel genannt. Die Definition dessen, was an Konzentration unerwünscht ist, hat ein Mitglied der Bundesregierung heute in diesem Hause erstmals gegeben. Wir sind dem Herrn Bundeswirtschaftsminister für diese Definition dankbar.
Daß die unerwünschte Konzentration nicht nur die betroffenen Konzernherren, Monopolherren, Kartellherren in ihrer zukünftigen Geschäftspraxis und Geschäftsgesinnung und in ihrem zukünftigen Machtstreben angeht, ist bereits gesagt worden. Die zweite Gesellschaftsschicht, die von dieser Frage ebenso betroffen wird, ist die ganze Schicht derer, die wir in unserer Zeit unter dem Begriff der Selbständigen zusammenfassen: der Gewerbetreibenden, der freien Berufe und der Landwirtschaft. Deshalb wird diese Debatte zum Teil auch als eine mittelstandspolitische Debatte angesehen. Letzten Endes sind von der Debatte die Verbraucher und damit die gesamte Schicht der unselbständigen Menschen unserer Zeit berührt.
Ich möchte mich mit Rücksicht auf den ungeheuren Umfang der Möglichkeiten, die diese Debatte in sich birgt, auf die Auswirkungen beschränken, die von dieser Debatte für die Schicht der Seib-ständigen erhofft werden. Gewiß, man kann sich auf den Standpunkt stellen, die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung bedarf überhaupt keiner irgendwie gearteten Ordnungselemente. Aber diese Debatte soll ja auch dazu dienen, die in den letzten Jahren entstandenen Disparitäten zwischen der selbständigen Tätigkeit und der Tätigkeit der Großwirtschaft, zwischen den selbständigen und auch den unselbständigen Menschen unserer Zeit aufzuhellen. Wir haben die Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört, daß bestimmte wissenschaftliche Institute und Professoren dieser Institute aufgefordert sind, eine gewisse Aufklärung zu bringen und Material über die Zusammenhänge zwischen Konzernbildung, Kartellbildung und den übrigen Schichten der selbständigen Wirtschaft darzustellen. Solcher Aufforderungen kann es nach meiner Auffassung ganz bestimmt nicht genug geben.
Wir wissen aber, daß die Wissenschaft an entscheidendes Material unserer Zeit nicht herankommt. Ich verweise — in Abwesenheit des Herrn Bundesarbeitsministers — auf das sogenannte Gutachten über die Disparitäten zwischen lohnintensiven und energieintensiven Betrieben von Professor Müller — Freiburg, das seit etwa 14 Tagen vorliegt. Wenn man dieses Gutachten auf sich wirken läßt, muß man sagen, daß die Wissenschaft hier in lapidaren Erklärungen und Feststellungen hängenbleibt, ohne in die Substanz eintreten zu können. Warum? Weil ihr entscheidendes Material für die Klarstellung der Verhältnisse einfach nicht zugänglich ist.
4452 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. Schild
So wird es auch mit den wissenschaftlichen Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen der Konzernbestrebungen auf die selbständige mittelständische Wirtschaft sein. Auch hier sind bestimmte Daten einfach nicht vorhanden, die man aber haben muß. Wenn es nicht anders geht, wird man ein Gesetz schaffen müssen, um sie zu erlangen, damit es überhaupt erst einmal möglich wird, die Disparitäten und die Relationen festzustellen.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in unserer Bundesrepublik beispielsweise nicht feststellbar ist, wieviel PS in der deutschen Wirtschaft insgesamt installiert sind, geschweige denn die branchenweise Verteilung dieser PS auf konzernierte Wirtschaft, auf Großwirtschaft, auf automatisierte Wirtschaft, auf mittelständische Wirtschaft usw. Solange diese statistischen Feststellungen über die installierten Energien nicht vorhanden sind, nützt uns die wissenschaftliche Forschung über Konzerne überhaupt nichts.
Genauso ist es mit der verbrauchten künstlichen Energie. Auch die Kilowattstunden und sonstigen Einheitswerte für verbrauchte Energien sind statistisch bei uns nicht feststellbar. Diese Dinge werden bei uns nicht erfaßt. Daher ist auch die Diskussion über die Auswirkungen der Konzernierung auf lohnintensive und energieintensive Betriebe mit der Tatsache belastet, daß wir kein konkretes Material für die letzten Beurteilungen haben.
Wir sind der SPD dafür dankbar, daß sie einen Antrag gestellt hat, wonach die Bundesregierung einen Jahresbericht über die Situation der gewerblichen Selbständigen und die Situation der freien Berufe veranlassen soll, der etwa dem Grünen Bericht oder dem Sozialbericht ähnlich ist. In diesem Jahresbericht sollen die Disparitäten und Relationen festgestellt und Vergleiche vorgenommen werden, die Erkenntnisse über die Auswirkungen der unerwünschten Konzentration objektiv bringen.
Deshalb muß diese Debatte auch dazu dienen, das Material für diese wissenschaftlichen Untersuchungen herbeizuschaffen. Ich kann mir denken, daß die zukünftigen Umsatzsteuererklärungsformulare ganz andersaussehen als die augenblicklichen, daß man nämlich in ihnen auch Angaben über die installierten PS-Kräfte, Angaben über die verbrauchten Energien verlangen wird, damit man endlich einmal zu den Problemen Stellung nehmen kann, die mit der Konzernierung technischer Art, 'aber auch wirtschaftlicher Art zusammenhängen..
Die Koalitionsparteien, die diese Debatte über die Wirtschaftskonzentrationdurch ihre Große Anfrage forciert haben, haben dem Hohen Hause heute einen Entschließungsantrag unterbreitet, mit dem erreicht werden soll, Entartungserscheinungen, die mit der unerwünschten Konzentration zusammenhängen durch gezielte Maßnahmen zu beseitigen und auch behärdliche Untersuchungen anzustellen, wie diese unerwünschte Konzentration eingeengt und beschränkt werden kann. Ich halte diese gezielten Einzelmaßnahmen für sehr wichtig. Ich bin der Ansicht, daß man in diesem Hohen Hause zu diesem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP noch ein kurzes Wort sagen muß.
Diese Einzelmaßnahmen, beispielsweise Eigentumsbildung in Personenhand, sind, soweit es sich um die Schicht der Selbständigen handelt, hier bereits erörtert worden. Aber es ist ein der Praxis nichts dabei herausgekommen. Wir haben bei den Etatberatungen beispielsweise Zins verbilligungsmaßnahmen für die Finanzierung gewerblicher Räume und Läden, und zwar für die nachstellige Finanzierung, beschlossen. Ihre Durchführung scheiterte dann aber an den Verwendungsrichtlinien. Diese Verwendungsrichtlinien waren praktisch nicht realisierbar. Wir dürfen aber nicht nur an Eigentumsmaßnahmen für die Unselbständigen denken; für die selbständigen kleinen und mittleren Betriebe ist die Eigentumsfrage genauso wichtig. Denn wir haben in der Handwerksstatistik 1956 festgestellt, daß 50 % der 770 000 Handwerksbetriebe unserer Bundesrepublik ihre Werkstatt und ihren Laden nicht auf eigenem Grund und Boden haben.
Diese Eigentumsbildung in den Kreisen des selbständigen gewerblichen Mittelstands läßt sich nicht einfach mit einer Erklärung fördern. Es ist vielmehr notwendig, eine effektive Kapitalzinspolitik zu betreiben und sonstige Maßnahmen zur Eigentumsbildung, zum Beispiel Baulandbeschaffung für diese Kreise, zu treffen, um diese Eigentumspolitik überhaupt glaubwürdig zu machen. Diese Eigentumspolitik für die Selbständigen, die noch kein Privateigentum an Grund und Boben für Fabriken, Werkstätten und Läden haben, ist augenblicklich bei der Baulandfrage, vor der wir stehen, ungeheuer schwierig gewarden.
Darauf wollte ich im Hinblick auf das Problem, das in dem Gesamtantrag der Koalition angeschnitten ist, noch einmal hingewiesen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Wieninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Absicht unserer Großen Anfrage liegt u. a. darin, auf breiter Grundlage aufzuzeigen, wie sehr die Startverhältnisse in der Wirtschaft auseinanderklaffen und in welcher Weise die Steuergesetze, aber auch die Soziallasten die einen begünstigen, die anderen aber benachteiligen. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis erwarten wir eine prinzipielle Förderung der selbständigen mittleren Existenzen.Ich darf zu Punkt 7 unserer Anfrage Stellung nehmen. Dieser Punkt lautte:Wird die Konzentration nach Ansicht der Bundesregierung durch den Unterschied in der Belastung begünstigt, wie sie sich zwischen lohn- und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen durch die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben auf der Grundlage der Beschäftigung und Lohnsumme ergibt?Es liegt auf der Hand, daß die Wettbewerbslagezwischen Betrieben, die rationalisiert sind, die also
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4453
Wieningerinfolge des Einsatzes von Maschinen weniger Arbeitskräfte benötigen, und solchen, die aus irgendwelchen Gründen diese Maßnahme nicht oder noch nicht durchgeführt haben, die also noch lohnintensiv sind, zugunsten der maschinisierten und mechanisierten Betriebe verschoben ist. Arbeitskräfte sind nun einmal kostspielig, und Betriebe mit arbeitsparenden Maschinen werden deshalb ihren Mitbewerbern, die nicht darüber verfügen, um ein gutes Stück voraus sein. An dieser Tatsache können weder Parlament noch Regierung etwas ändern. Wir verzeichnen hier also eine naturgegebene Startungleichheit.Zu diesem natürlichen Wettbewerbsnachteil kommt noch der Umstand, daß die lohnintensiven Betriebe nach dem Maß der von ihnen bezahlten Löhne auch noch Sozialabgaben zu leisten haben, Sozialabgaben, deren Höhe kalkulatorisch stark ins Gewicht fällt. Dies bewirkt, daß die naturgegebene Startungleichheit noch weiter, und zwar um ein gutes Stück, vergrößert wird.
Die Investitionsvorleistungen lohnextensiver Betriebe machen diesen Nachteil der lohnintensiven Betriebe noch lange nicht wett. Es ist notwendig, die Tatsache solcher Wettbewerbsnachteile der lohnintensiven Wirtschaft im Rahmen dieser Debatte aufzuzeigen.Fragen wir uns nun, ob etwas unternommen werden kann, um diese Ungleichheit ganz oder wenigstens teilweise zu beseitigen. Exakte Vorschlägekönnen und sollen im Rahmen dieser Aussprache nicht gemacht werden. Ich möchte nur zwei Feststellungen treffen.Erstens. Die Lohnbezogenheit von Soziallasten ist im Grundsatz gerechtfertigt, insbesondere wenn zwischen Lasten und Leistungen ein Aquivalenzprinzip herrscht. Professor Dr. Müller hat zu diesem Thema im Auftrage des Bundeswirtschaftsministeriums ein aufschlußreiches Gutachten erstellt. Er kommt zu dem Schluß, daß die Soziallasten für die Rentenversicherung, die soziale Krankenversicherung und die Unfallversicherung lohnbezogen bleiben müssen, wenn vermieden werden soll, daß diese sozialen Einrichtungen ihres Versicherungscharakters verlustig gehen.Die zweite Feststellung richtet sich gegen die Auffassung, daß andere Soziallasten, wie z. B. Leistungen für die Arbeitslosenversicherung und das Kindergeld, unbedingt lohnbezogen bleiben müssen. Das Versicherungsprinzip in der Arbeitslosenversicherung ist nach Ansicht gewichtiger Sachverständiger bezweifelbar, und beim Kindergeld besteht überhaupt kein Kausalzusammenhang zwischen der Belastung nach der Lohnsumme und der Leistung, die sich ja nach der Kinderzahl bemißt. Ich will damit lediglich die Möglichkeit andeuten, daß unter Umständen andere Bemessungsgrundlagen gefunden werden müßten.In diesem Zusammenhang ist auch noch zu überlegen, ob es angezeigt, möglich und notwendig ist, lohnintensiven Betrieben in anderer Weise einen Belastungsausgleich, z. B. bei Kreditaktionen oderdurch eine Investitionshilfe oder in steuerlicher Hinsicht, zu verschaffen. Wir können heute diese Fragen hier nicht zu Ende diskutieren und müssen uns damit begnügen, festzustellen, daß hier ein beachtenswertes Problem gestellt ist. Dieses Problem sollte einer Lösung zugeführt werden. Wir müssen den Mut haben, auf diesem Gebiete von einem überkommenen Denken abzugehen, um der veränderten strukturellen Entwicklung in der Wirtschaft Rechnung zu tragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte mir den Hinweis zu gestatten, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß eine frei gesprochene Rede, auch wenn einige markante Sätze schriftlich vorbereitet sind, die Aufmerksamkeit des Hauses viel mehr fesselt als eine Vorlesung.
Das Wort hat der Abgeordnete Mick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich einige Ausführungen zu Punkt 6 der Großen Anfrage mache. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer war für uns der richtige Weg, um über das Kontrollratsgesetz 22 hinaus einen eigenen geistigen und rechtlichen Beitrag zur Abkehr vom Führerprinzip nationalsozialistischer Prägung zu leisten. Wir leisteten diesen Beitrag nicht zuletzt auch, um dem Gedanken der Partnerschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder, wenn Sie so wollen, zwischen Kapital und Arbeit zu dienen. Daß dies gleichzeitig eine restlose Ablehnung jedes Klassenkampfgedankens war, muß jedem einleuchten, der irgendwie einmal mit „christlich-sozial" auch nur flüchtig in Berührung kam. Der Gedanke, mit der Mitbestimmung natürlich vorhandene Ebenen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beseitigen zu wollen, ist uns dabei allerdings nicht gekommen. Wir waren allerdings der Auffassung, daß man eine Ebene schaffen müsse, auf der gemeinsam beraten, verhandelt, bestimmt werden und einer nichts gegen den anderen tun könnte.Bei aller Wichtigkeit, die der Frage der überbetrieblichen Mitbestimmung zukommt — und es kommt ihr eine große Bedeutung zu, etwa im vieldiskutierten Bundeswirtschaftsrat —, waren wir gewiß, zunächst die Fragen der betrieblichen Mitbestimmung angehen zu müssen, weil es nun einmal so ist, daß das, was oben werden soll, von unten wachsen muß, um auch von unten getragen werden zu können. Nicht zuletzt war das auch der Grund, warum wir eine mehr oder weniger repräsentative, in der Hauptsache durch außerbetriebliche Kräfte getragene Mitbestimmung abgelehnt haben. Das Sowohl-Als-auch aber immer in der Verantwortung der betrieblichen Kräfte scheint uns eine gute Lö-
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Micksung zu sein. Von einigen Punkten abgesehen, die aber nicht in die Zuständigkeit des Gesetzgebers fallen, hat sich diese Lösung bewährt.Unter Außerachtlassung dieser zweifellos wichtigen Fragen außerbetrieblicher Mitbestimmung, aber auch wichtiger Fragen betrieblicher Mitbestimmung, scheint es mir notwendig zu sein, über etwas zu sprechen, was sich in konkreten Vorgängen ergeben hat. Man mag es de jure als richtig anerkennen, daß beim Aufgehen bisher mehr oder weniger selbständiger Unternehmen in einem Konzern die Mitbestimmung nicht gemindert wurde, weil sie in der Konzernspitze ihren Wirkungsbereich behält. De facto aber, vor allem mit Blick auf den Mann und die Frau im Betrieb, rückt sie in weite Ferne.
Ich möchte es mit den Worten eines Metallarbeiters aus einem bestimmten Unternehmen sagen, der anläßlich einer Diskussion über diese Vorgänge den Satz prägte: Für uns ist heute die Mitbestimmung genauso weit entfernt wie weiland für das russische Volk der Zar. Das mag überspitzt klingen; aber ich glaube, es ist durchaus plastisch ausgedrückt. Es erfüllt uns mit Genugtuung, daß auf Grund von Vereinbarungen zwischen Konzernen und Gewerkschaften bis auf einen Konzern zumindest vorläufige Regelungen getroffen werden konnten, die der Betriebsferne der Mitbestimmung entgegenwirken, indem so etwas wie eine Mittel- oder Zwischeninstanz der Mitbestimmung geschaffen wurde.Es wird zu überlegen sein, ob die dort getroffenen Regelungen auf sich beruhen oder als Modell für gesetzliche Regelungen dienen können. Jedenfalls bleibt festzuhalten, daß die CDU/CSU keinen Grund hat, von den Gedanken, die bei der Einführung der Mitbestimmung für sie maßgebend waren, irgend etwas preiszugeben. Das gilt insbesondere für die parteipolitische Unabhängigkeit der Betriebsräte und der von den Arbeitnehmern ,gestellten Aufsichtsräte. Wir werden uns überall da widersetzen, wo über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Versuch unternommen wird, parteipolitische Konzentration zu betreiben.
Solchem Tun widersprechen Geist und Buchstabe der Mitbestimmungsgesetze.
Es bedeutet eine Diskriminierung der gesamten Mitbestimmung der Arbeitnehmer, wenn sie in parteipolitische Geschäfte einbezogen wird.
Für uns heißt es nicht „Mitbestimmung einer oder mehrerer Parteien", sondern „Mitbestimmung der Arbeitnehmer, unbeschadet ihrer Rasse, Konfession oder Parteimitgliedschaft", so wie es im Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich proklamiert ist.Wenn wir dies sagen, meine Damen und Herren, so haben wir dazu Veranlassung, und sie soll hier offen ausgesprochen werden. Gestatten Sie, daß ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Auszüge aus zwei Briefen verlese, um Ihnen deutlich zu machen, was gemeint ist. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands schreibt unter „Bezirk Dortmund, Bezirksgruppenreferat", unter anderem:Liebe Genossen! für den gesamten Konzern „Rheinische Stahlwerke" finden in den nächsten Wochen Wahlen für den Aufsichtsrat statt. Um nunmehr zu erreichen, daß unsere Genossen aus den Betriebsräten der einzelnen Werke sich kennenlernen und gemeinsame Vorschläge erarbeiten, um vor allem aber auch zu sichern, daß nicht durch Zersplitterung unserer eigenen Leute KP- oder andere Kollegen— die Frage müßte beantwortet werden, wer die anderen Kollegen sind —
zum Zuge kommen, soll vor der Betriebsrätesitzung des Konzerns, die der gesamten Frage gilt, eine Zusammenkunft der parteigenössischen Betriebsräte aller Unternehmen des Rheinischen Stahlwerk-Konzerns im Lande stattfinden.
Nun ein Auszug aus .einem weiteren Schreiben:Sozialdemokratische Partei Deutschlands, der Parteivorstand, soziale Arbeitsgemeinschaft, Industriegruppe Metall. „In den nächsten Tagen",— so heißt ,es in dem Schreiben —wird Dich der Genosse Rudi Leeb besuchen und Dir eine Liste vorlegen mit der Bitte, einen Beitrag ,als Spende einzuzeichnen.
— Nur die Ruhe, meine Herren, nur die Ruhe! Wir gehen dabei von der Erwartung aus,
— warum denn diese Nervosität? —daß Du Dich diesem selbstverständlichen Wunsche nicht verschließt, da Deine Nominierung— und nun hören Sie gut zu! —als Aufsichtsratsmitglied oder als Arbeitsdirektor nicht nur eine auf die Person bezogene Berufung, sondern eine Funktion ist, die auch im Interesse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ausgeübt wird.
Mit besten Grüßen der— parteipolitisch unabhängig sein sollende —Vorsitzende der IG MetallOtto Brenner —und — gez. Erich Ollenhauer.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4455
MickMeine Damen und Herren, aus der Tatsache, daß diese Briefe in unsere Hand kamen — und sie sind gewiß nicht an christlich-soziale Adressaten gerichtet —, mögen Sie ersehen, daß die in Mitbestimmungsorganen tätigen Arbeitnehmer genau wie wir solche parteipolitischen Geschätfe ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung oder besser eine Frage vorweg. Ich war der Meinung, daß wir uns heute über eine der Fragen unterhalten, die gerade unseren Bundeswirtschaftsminister besonders angehen und interessieren sollten. Ich stelle mit einiger Verwunderung fest, daß er seit einiger Zeit nicht mehr im Saale anwesend ist. Ich weiß nicht, ob es geboten — —
— Ach, er braucht nicht dabei zu sein?! Na ja, darüber kann man jedenfalls streiten. Man kann diese Abwesenheit auch als mangelndes Interesse für die Sache ansehen.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, derKollege Deist ist ja, wenn ich recht unterrichtet bin, nicht Wirtschaftsminister, und er ist wohl auch nicht dafür verantwortlich, daß bestimmte Maßnahmen ergriffen und seitens der Regierung durchgeführt werden, wie es hier in einer Reihe von Anträgen gefordert wird. Ich glaube, mit diesem Vergleich kommen wir nicht sehr viel weiter.Aber nun zu dem, was der Herr Kollege Mick hier gesagt hat. Das war an sich ganz nett; nur versuche ich zu ergründen, was das eigentlich mit der Sache zu tun hat. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, worauf diese Salven, die da gegen die sogenannte parteipolitisch gefärbte Mitbestimmung abgeschossen wurden, eigentlich gezielt waren, wenn ich versuche, mir in Erinnerung zurückzurufen; was der Ausgangspunkt dieser Debatte ist.
Die ganze Erregung des Kollegen Mick gewinnt etwas Peinliches, wenn man sich vorstellt, daß doch sicherlich auch die christliche Arbeitnehmerschaft, Herr Kollege Mick, nicht so ganz untätig und ganz uninteressiert ist.
Ich meine, man sollte mit diesen Dingen etwas vorsichtiger umgehen und sollte nicht versuchen, hier so ein bißchen parteipropagandistischen Trommelwirbel zu machen.
Vielleicht, Kollege Mick, ist es der Sache dienlicher,wenn wir uns über die Fragen unterhalten, die imZusammenhang mil der heutigen Debatte stehen, mit der entscheidenden Frage, ob und inwieweit das Institut der Mitbestimmung uns nützlich sein kann und uns noch nützlicher sein sollte, als es heute ist: als ein Instrument gegen die Machtkonzentration in der Wirtschaft. Ich wäre sehr froh darüber gewesen, wenn Sie dazu einiges mehr gesagt hätten als die allgemeine Vorbemerkung. So bin ich gezwungen, mich an das zu halten, was in Ihrem Antrag steht, in dem Sie erklären, daß die Erhaltung der betriebsnahen Mitbestimmung besonders vordringlich ist, und entsprechende Maßnahmen fordern. Zu dieser sachlichen, zum Thema gehörigen Äußerung kann man sehr freudig und dankbar ja sagen, obwohl man sich dabei allerdings auch einmal darüber unterhalten muß, wie Sie das genau meinen. Das heißt: was verstehen Sie genau unter dieser betriebsnahen Mitbestimmung?Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was der Herr Minister vorhin in seinen Ausführungen gesagt hat, dann scheint es mir doch notwendig zu sein, daß Sie in Ihren eigenen Reihen noch einmal etwas klarere Vorstellungen entwickeln und sich einig werden darüber, was das eigentlich bedeuten soll. Der Herr Minister hat uns nämlich vorhin gesagt, daß in den großen Konzernen für alle Arbeitnehmer eine Mitbestimmung nicht notwendig sei. Ja, er ist sogar noch einen Schritt weitergegangen. Er hat erklärt, daß die Dinge, die im Zusammenhang mit der Umwandlung geschehen seien, eigentlich keine Konzentrationen seien und daß deshalb darin kein Problem der Mitbestimmung liege. Ich muß das doch wohl so auffassen, daß nach Meinung des Herrn Ministers mit dem Institut der Mitbestimmung bei den Fragen, über die wir uns hier unterhalten, nicht sehr viel anzufangen ist und daß sie hier nur eine untergeordnete Rolle spielt.Ist es so, wie es uns der Herr Minister hier gesagt hat? Ich glaube nicht. Daß bei den Arbeitnehmern immerhin ein sehr großes Interesse daran besteht, die Mitbestimmung und damit ihren Einfluß auf die Unternehmen zu erhalten, und daß sie als Folge der verschiedenen Umwandlungsmaßnahmen einen Rechtsverlust erlitten haben, beweist doch allein die Tatsache, daß es sehr großer Anstrengungen bedurft hat, wenigstens gewisse Rechtspositionen durch Verträge zu erhalten. Und das ist nicht einmal in allen Fällen gelungen.Wir müßten uns doch eigentlich darüber verständigen können, daß manche Erscheinungen in den Betrieben sowie manche Entwicklungen im Zusammenhang mit der Konzentration Ausdruck einer bestimmten Haltung vieler Unternehmensleitungen sind. Diese Haltung ist, wie ich glaube, recht treffend von jemandem charakterisiert worden, der sicherlich nicht in dem Geruch steht, Sozialdemokrat und deswegen einseitig festgelegt zu sein. Da ist nach der „Welt" vom 8. Oktober 1959 auf dem Fachkongreß für Werkzeugmacherei und Betriebswirtschaft von Herrn Professor Eisele einmal in sehr deutlicher Form etwas ausgesprochen worden, was wohl ausgesprochen werden muß, daß nämlich — so sagte er — in den Unternehmen teilweise ein tyrannischer Dirigismus herrsche, daß dahinter
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Jahn
primär das Streben nach Macht und Geltung stehe und daß ein bis ans Diabolische grenzendes Machtverlangen sich in den Unternehmensleitungen durchgesetzt habe.Ich darf Ihnen einen anderen Hinweis geben. Herr Professor von Nell-Breuning sagt, daß die Situation des Vorstandes der Aktiengesellschaften praktisch als die eines ausgesprochen frei schwebenden Managements angesehen werden müsse.Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier wird deutlich, weshalb bei den Fragen, mit denen wir uns zur Zeit auseinanderzusetzen haben, die Forderung nicht nur nach der Bewahrung, sondern auch der richtigen Einordnung der Mitbestimmung nicht unter den Tisch fallen darf. Dieses Machtstreben, von dem ich soeben gesprochen habe, bedarf der Kontrolle, und diese Kontrolle der Macht kann wenigstens zu einem guten Teil durch eine gute und auch gesetzlich gesicherte Mitbestimmung erreicht werden.Wenn Sie diese Kontrolle ernsthaft wollen, Herr Kollege Mick und ich meine, darüber sollten wir uns unterhalten —, müssen Sie dafür sorgen, daß auch in den umgewandelten Unternehmen für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, für ihre Beteiligung an der Willensbildung im Betrieb noch genügend Raum bleibt und daß ein Weg gefunden wird, gegenüber den reinen Unternehmerinteressen auch die allgemeinen Interessen noch in einer angemessenen Weise zu berücksichtigen. Es wäre gut und sicherlich ein wesentlicher und nützlicher Beitrag, den die Bundesregierung im Zusammenhang mit ihren Überlegungen, wie sie der Konzentration begegnen kann, leisten könnte, wenn die Bundesregierung einmal klare Vorstellungen darüber entwickelte, wie in Zukunft auch in den Großbetrieben, in den Konzernen eine genügende Mitbestimmung der Arbeitnehmer gesichert werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Diebäcker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Behandlung der Frage, in welchem Ausmaß Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Konzentration beeinflussen, hat der Herr Minister vorhin seine Ausführungen mehr auf die Frage der räumlichen Konzentration abgestellt. Uns interessiert aber im Gesamtrahmen dieser Großen Anfrage heute neben der räumlichen Konzentration gerade auch die betriebswirtschaftliche mit ihren gesellschaftspolitischen Auswirkungen. Die betriebswirtschaftliche Konzentration ist es ja, die zu unerwünschten Zusammenballungen führen kann, zu einer Atmosphäre, in der der mittelständische Betrieb nicht oder nur in beschränktem Umfang leben kann. Lassen Sie mich daher zur betriebswirtschaftlichen Konzentration und zu ihrer Beeinflussung durch kommunale Wirtschaftsförderung noch einige wenige Sätze sagen.Der Herr Minister hat ausgeführt, daß die kommunale Wirtschaftsförderung „nicht ausschließlich" der Förderung von Großbetrieben dient. Das ist sicherlich richtig. Auf der anderen Seite seien wir uns aber klar darüber, daß hinter solchen Förderungsmaßnahmen vielfach der selbstverständliche Wunsch der Gemeinden steht, durch ein höheres Gewerbesteueraufkommen eine bessere Finanzlage zu erreichen. Man ist, wenn auch nicht grundsätzlich und immer, so doch in vielen Fällen der Auffassung, daß ein Großbetrieb gerade im Hinblick auf das Gewerbesteueraufkommen, gemessen an den Erfahrungen der letzten Jahre, eine wesentlich mehr Milch gebende Kuh ist als eine Vielzahl von mittleren oder kleineren Betrieben. Wir möchten die Aufmerksamkeit der Bundesregierung gerade auf diese Frage lenken und darum bitten, daß man hier in geeigneter Weise Vorsorge trifft und das vielfach den Großunternehmen gezeigte Entgegenkommen einer kritischen Betrachtung unterzieht.In welcher Weise kann nun ein solches Entgegenkommen gegenüber den erwähnten Unternehmen gezeigt werden? Zunächst ist hier die Vergabe der Grundstücke zu nennen, soweit es sich um kommunales Eigentum handelt. Man muß gelegentlich beobachten, daß schon vor Aufstellung von Bebauungsplänen Grundstücksverkäufe angebahnt oder durchgeführt worden sind. Große Grundstückskomplexe werden en bloc an wenige Wohnbaugesellschaften bzw. Siedlungsgenossenschaften, oftmals an solche, die unter starkem kommunalem Einfluß stehen, verkauft. Diese Gesellschaften treten ihrerseits zum Zwecke der Finanzierung der eigenen Vorhaben an finanzkräftige Großbetriebe, beispielsweise des Handels, heran, die so die Möglichkeit bekommen, in diesen Wohnblocks ihre Läden zu errichten. Die Gemeindeverwaltungen bzw. die Wohnbaugesellschaften der Gemeinden hätten, wenn sie die Förderung des Mittelstandes auf ihre Fahnen geschrieben hätten, die Verpflichtung, auch die mittleren Betriebe in angemessener Weise zu berücksichtigen. Das geschieht leider allzu wenig.Aber nicht nur die Beschaffung der Grundstücke ist ein Feld, auf dem man dem geeignet erscheinenden Großbetrieb entgegenkommen kann. Zu erwähnen ist hier vor allem der Ausbau der Grundstücke. Was unternimmt man nicht alles auf dem Gebiete des Straßen- und Wegebaus, der Heranschaffung von Strom und Gas, der Übernahme von Abbruch-und Wiederaufbauarbeiten oder gar der Errichtung von Schulen, um den gewünschten Unternehmen mit der erwarteten Gewerbesteuerträchtigkeit die Ansiedlung schmackhaft zu machen! Es sind mir Fälle bekannt, in denen das gezeigte Entgegenkommen der wirtschaftsfördernden Stelle so weit ging, daß man auch Wohnungen für Werksangehörige als geeignetes Handelsobjekt ansah, um die Firma, die einem interessant erschien, zur Ansiedlung zu bewegen.Sie werden, meine Damen und Herren, sicherlich mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß Gelder der öffentlichen Hand für diese Zwecke ganz besonders dann nicht zur Verfügung stehen sollten, wenn hiermit nur eine ganz bestimmte Kategorie von Unternehmen gefördert wird.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4457
DiebäckerEntgegenkommen zeigte man bei den Wirtschaftsförderungsstellen der Kommunen auch auf dem Gebiet der Grundstücks- und Pachtpreise. Ich weiß von Fallen, in denen z. B. ,erstklassige Fabrikhallen zu einem Jahrespachtzins von 70 Pf und weniger pro Quadratmeter angeboten worden sind.Hinzu kommen die Angebote auf zins- und tilgungsgünstige Zuschüsse für die Beschaffung von Maschinen.Daß Entgegenkommen auf steuerlichem Gebiet in solchen Fällen nicht ,gezeigt werden darf, darauf haben zuständige Länderwirtschaftsminister nn der Vergangenheit wiederholt aufmerksam machen müssen.Man darf diese Fragen, so meinen wir, nicht vorwiegend von finanzpolitischen Gesichtspunkten aus betrachten. Sie sind vielmehr auch — und ich meine sogar in starkem Maße — vom gesellschaftspolitischen Standpunkt aus zu sehen. Was meinen Freunden und mir am Herzen liegt, ist das eine: die Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung müssen allen ,gesunden Betrieben den gleichen Start, die gleiche Chance geben, den großen wie den kleinen. Wir haben den Wunsch, daß die Bundesregierung sich bei ihrem weiteren Vorgehen auf diesem Gebiet dafür einsetzt, daß dieses Ziel erreicht wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aile Vorredner haben zwischen der wirtschaftlich unvermeidbaren und der unerwünschten Konzentration unterschieden. Im Bereich der kommunalen Wirtschaft gibt es aber eklatante Fälle für eine wirtschaftlich unerwünschte Form der Konzentration, eine, die die freie Konsumwahl der Bürger einschränkt, und zwar zum Teil auf Generationen hinaus. Dabei geht es um Marktbeherrschung. Auch wird — sich glaube, das ist das Entscheidende — Einfluß auf die Regierung und Verwaltung genommen. Ich meine die Bauwirtschaft.Vielleicht darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zur Illustraition aus dem Protokoll über eine Sitzung eines Stadtparlaments eine Passage vorlesen, aus der ganz deutlich wird, worum es sich handelt. Ein Redner führte dort aus:Wenn wir die Dinge einmal ganz objektiv beim Namen nennen und mit den entsprechenden wirtschaftstheoretischen Kategorien versehen, so stehen wir einem Monopolkapitalismus der großen Baugesellschaften ,gegenüber. Durch rigorose Ankäufe treiben sie die Baulandpreise so hoch, daß kein privater Interessent noch Chancen hat, Bauland zu angemessenen Preisen zu erwerben. Diese Gesellschaften, die sich meist gemeinnützig nennen, nehmen Tausenden von Bausparern die Hoffnung, ihren Plan vom Eigenheim zu verwirklichen.Ich glaube, das ist eine objektiv richtige Feststellung. Wir brauchen uns nur einmal vor Augen zuhalten, daß allein eine Baugesellschaft in der Bundesrepublik im Jahre 1958 über 83 000 Wohnungen verfügte, daß ein Drittel einer norddeutschen Großstadt von einer einzigen Gesellschaft aufgebaut worden ist, daß beispielsweise in Hamburg im Jahre 1958 26 000 Wohnungen im Besitze dieser Gesellschaft waren, in Bremen 20 000 und in Düsseldorf 16 000. Ich meine, da ist das Maß des Erträglichen überschritten.
Eines scheint mir persönlich sehr bedenklich zu sein. Ich habe mit großer Freude einige sehr interessante Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Dekonzentration gelesen. Bei diesen Gesellschaften handelt es sich fast ausschließlich um solche, die sowohl ideologisch als auch finanziell und vor allen Dingen personell mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund auf das engste verbunden sind.Die steuerlichen Vorteile, die Ihnen allen bekannt sind und die bei diesen Gesellschaften viel größer sind als bei den Mammutgesellschaften der privaten Hand — sie zahlen keine Gewerbesteuer, keine Körperschaftsteuer usw. —, sind ja nicht die einzigen. Das Entscheidende ist, daß in einem großen Ausmaße Macht entstanden ist und daß sich Gemeindeverwaltungen und sogar Regierungen diesem Einfluß beugen müssen. Ich möchte hierfür mit kurzen Beispielen den Beweis antreten.In einer norddeutschen Stadt hatte das Parlament über einen Aufbauplan zu entscheiden. Nach diesem Aufbauplan
in Hamburg! — sollten über 100 000 Wohnungen gebaut und das entsprechende Gelände vom Parlament festgelegt werden. Bevor das Parlament überhaupt die Möglichkeit hatte, diese Pläne zu bearbeiten und darüber zu entscheiden, hatte die Verwaltung das Gelände für 30 000 Wohnungen bereits im Vorwege den großen Gesellschaften übereignet.Ich darf noch zwei Beispiele anfügen, die aus einem Nachrichtenmagazin stammen, das gewiß nicht als regierungsfreundlich bezeichnet werden kann. Dort werden zwei Beispiele für den Einfluß solcher Mammutgesellschaften auf die Verwaltung, d. h. auf den Staat, gebracht. Es wird berichtet, daß ein privater Bauherr ein Gelände kaufen und dafür 8,50 DM pro Quadratmeter bieten wollte. Die Verwaltung hat abgelehnt und hat gesagt: 5,50 DM ist angemessen. Der Verkauf scheiterte natürlich. Kurze Zeit später kaufte mit Genehmigung derselben Verwaltung eine Baugesellschaft dieses Areal für 14 DM pro Quadratmeter.Ein anderes Beispiel! — Man könnte diese Beispiele beliebig vermehren, ich möchte nur ein weiteres eklatantes Beispiel herausgreifen. — Am Stadtrand der gleichen Stadt wollte ein privater Bauherr landwirtschaftlich genutztes Gelände für 5 DM pro Quadratmeter kaufen. Man hat es abgelehnt und hat gesagt: Du darfst höchstens 85 Pf zahlen. Was passierte? Der Kauf kam nicht zustande. Aber eine große Gesellschaft kaufte das an-
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Gewandtliegende Gelände zum Preis von 10 DM pro Quadratmeter.Das sind Beispiele für eine unerwünschte Konzentration. Ebenso unerwünscht ist es, wenn einige Stadtverwaltungen zwar dem Mittelstand kein Bauland geben, dafür aber zu sehr kulanten Preisen — in Städten wie Düsseldorf und Hamburg — Warenhäusern die Möglichkeit geben, sich an sehr günstig gelegenen Stellen zu etablieren. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Wohnungsbauministeriums ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Preisstoppverbot und die entsprechende Verordnung der Alliierten, die nur diese Gesellschaften ausnimmt, revidiert werden müssen. Ich glaube, das ist wichtig, denn nirgendwo in der Praxis sind die gesellschaftspolitischen Auswirkungen so negativ wie bei dieser Form der Konzentration.Wir müssen noch eines bedenken. Nach der unwidersprochenen Darstellung des Nachrichtenmagazins, das ich vorhin zitierte, werden die Wohnungen der genannten Gesellschaft zu 70 v. H. nur an organisierte Leute abgegeben.
— Dem ist nicht widersprochen worden. Dann müssen Sie dafür den Gegenbeweis bringen.Ich möchte zum Abschluß hervorheben, wie bedenklich die gesellschaftspolitischen Auswirkungen sind. Allein in der Stadt Hamburg gibt es über 60 000 Bürger, die einen voll finanzierten Bausparvertrag haben und die niemals in der Lage sein werden, zu Eigentum zu kommen, es sei denn, sie wandern aus.
Hier haben wir das Beispiel einer unerwünschten Konzentration. Wir bitten sehr darum, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, diese gesellschaftspolitisch unerwünschte Konzentration zu unterbinden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Lange .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Debatte anhört, fragt man sich: wer ist in diesem Hause die Mehrheitspartei, wer regiert seit 1949? Meine Damen und Herren von der CDU/CSU und auch von der DP, Sie haben seit 10 Jahren Gelegenheit gehabt, entsprechend Ihren ursprünglichen programmatischen Erklärungen — ich denke hierbei an das Ahlener Programm, das, wenn es verwirklicht warden wäre, wahrscheinlich die heutige Debatte überflüssig gemacht haben würde — die Dinge zu steuern, zu regeln, zu ordnen. Sie haben hier die Mehrheit. Es ist interessant festzustellen, daß hier praktisch Regierungsparteien und Regierung selbst mit verteilten Rollen spielen, um sich in der Öffentlichkeit ein Alibi zu verschaffen.
Es hat doch weiß Gott keinen Sinn, so zu tun, als oh sich die Koalition CDU/CSU-DP mit ihrer Großen Anfrage in einer ohnmächtigen Position gegenüber der Regierung befände. Entweder man hat das, was man heute mit solcher Deutlichkeit vorgetragen hat und dem wir weitgehend zustimmen — darüber hat es in den zurückliegenden Jahren keinen Zweifel gegeben —,
gewollt und will es noch — dann hätte man es verwirklichen können —, oder aber es haben sich innerhalb der Regierung und der Regierung gegenüber aus den Kreisen der Partei selbst so entscheidende Interessen- und Interessentenwiderstände ergeben, daß die Verwirklichung des ursprünglichen Programms einfach nicht mehr möglich gewesen ist.
Das ist aber eine Sache, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Sie selbst zu verantworten haben. Wir können nicht zulassen, daß hier so getan wird als ob.
— Wir gestatten alles, aber Sie müssen auch uns gestatten, unsere Meinung zu diesen Dingen zu sagen.Außerdem wäre in einem entscheidenden Punkt einiges möglich gewesen. Im Dezember 1955 haben wir eine sogenannte Mittelstandsdebatte gehabt, in der ein Teil der Problematik erörtert worden ist. Ein Antrag der Opposition, der damals vorgelegt worden ist, ist nie verabschiedet worden.Zum zweiten haben wir im Frühjahr dieses Jahres über den Antrag Drucksache 712 gesprochen. Es sollte ein Bericht über die Lage der Mittelschichten nach Möglichkeit bis zum 15. November dieses Jahres erstattet werden. Die Regierungspartei hat uns erklärt, daß sie bei dem Bemühen, diesen Antrag so schnell wie möglich zu verabschieden, mithelfen wolle. Bis heute ist die Sache noch nicht erledigt. Der. 15. November ist in kurzer Zeit da. Der Bericht kann also nicht vorgelegt werden. Von dort aus wären unter Umständen schon einige Instrumente in Ganz zu setzen, Herr Minister, von denen Sie heute in Ihrer Erklärung gesagt haben, daß wir sie nicht besitzen. Wir wissen, daß sie noch nicht vorhanden sind. Dieser Bericht sollte die Regierung in den Stand setzen, gleichzeitig zu erklären, welche Instrumente sie zur Durchführung bestimmter Maßnahmen, auch zur Durchleuchtung bestimmter Zusammenhänge wirtschaftlicher und soziologischer Art benötigt. Das ist bis zur Stunde noch nicht geschehen. Dies ist auch etwas, was auf die Mehrheitspartei in diesem Hause zurückfällt. Es kommt einfach darauf an, das, was man immer erklärt, mit der Inbrunst zu wollen, es auch endlich einmal zu verwirklichen.
Helfen Sie doch einmal mit, die Forderungen hinsichtlich vernünftiger Kreditpolitik, hinsichtlicheines Zugangs kleinerer und mittlerer Betriebe und
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4459
Lange
Unternehmungen zum Kapitalmarkt zu erfüllen! Lassen Sie sich doch nicht immer durch alle möglichen Bedenken, die gar nicht immer fundiert sind, davon abhalten, einmal das zu tun, was Sie für notwendig erachten oder von dem Sie mindestens sagen, daß Sie es für notwendig erachten!Schaffen Sie also solche Voraussetzungen! Schaffen Sie beispielsweise für die Kreditpolitik ein zusammenfassendes Instrument in der Gestalt eines Leitinstituts, in der Gestalt einer Bundesgarantiekasse, damit man die Bürgschaften von dieser Seite her zentral steuern kann und die Hilfe, die man geben will, auch koordinieren kann. Sie haben das in der Hand. Bis zur Stunde ist in diesem Zusammenhang noch nichts geschehen. Wir bekommen nur immer zu hören, daß das so oder so nicht gehe. Wenn wir noch sehr lange zögern und wenn Sie noch sehr lange in den Ausschüssen und in Ihrer Fraktion darüber reden, dann werden wir vielleicht noch einmal ein solches Schauspiel erleben. Aber dann ist wahrscheinlich die Debatte vorbei und kommt das, was sich aus der Debatte ergeben soll, zu spät im Hinblick auf die Erscheinungen, die heute hier gegeißelt worden sind.Ein Gutes hat für mein Empfinden diese Debatte. Sie macht die Öffentlichkeit auf bestimmte Vorgänge innerhalb unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft aufmerksam. Aber das allein kann man ja wohl nicht gewollt haben, wenn man sich nicht den Vorwurf zuziehen wollte, daß man als Regierungspartei es überhaupt bis zu diesem Punkt hat kommen lassen. Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein.Ich habe an Sie, meine Damen und Herren, nur die eine Bitte: sorgen Sie dafür, daß die Anträge, die noch in den Ausschüssen schmoren und die einige Instrumente enthalten, mit denen man an die Lösung solcher Probleme gehen kann, tatsächlich zum Plenum zurückkommen und daß dann der Bundesregierung Aufträge erteilt werden.Noch einige kleine Bemerkungen! Herr Atzenroth, Sie haben vorhin geglaubt sagen zu können, daß sich aus den gesetzlichen Verpflichtungen zur Gewährung von sozialen Leistungen — sprich: durch den sozialen Status — Schwierigkeiten für die Gründung neuer Unternehmungen ergäben. Ich bin nicht der Meinung, daß das die Ursache dafür ist, daß so wenige neue Unternehmungen gegründet werden. Wenn man nämlich auf eine verminderte Lebenshaltung abstellen will, dann ist man auf dem falschen Weg. Ich will nicht annehmen, daß Herr Atzenroth sich auf diesen Weg begeben möchte.Zum anderen muß ich an Herrn Gewandt die Frage richten, ob er es lieber sieht, daß der öffentlich geförderte Wohnungsbau zu einem so großen Teil zur Errichtung werkseigener Wohnungen dient, daß die Konzerne und die großen Unternehmungen über die Werkswohnungen noch größere gesellschaftliche Macht gewinnen, als sie sie im Augenblick schon haben.
— Herr Dr. Fritz, Herr Gewandt hat das so dargestellt, als ob diese eine Form der „böse Bube" wäre. Er ist sich wahrscheinlich darüber klar, daß wir heute nicht so viele Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaues hätten, wenn es diese Form nicht gegeben hätte.
Meine Damen und Herren, Sie haben zwei Anträge vorgelegt. In dem einen ersuchen Sie um ein Gesetz über eine Enquete. Wenn ich richtig verstanden habe, wollen Sie .diesen Antrag heute verabschiedet wissen. Sie finden uns in Ihrer Gesellschaft; wir stimmen zu.Aber wir möchten eines noch deutlich machen. Es kann nicht dabei bleiben, einfach „alsbald" den Entwurf eines Gesetzes über eine Enquete vorzulegen. In den Antrag muß vielmehr eine Terminierung eingefügt werden, damit aus ihm klar hervorgeht, bis zu welchem Zeitpunkt die Enquete vorgelegt werden soll. Überlegen Sie sich das selber noch einmal!Der andere Antrag, den Sie vorgelegt haben, enthält einige Punkte, die das Hohe Haus schon einmal beschlossen hat. In ihm steht unter anderem, besonders vordringlich sei die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume. Ich erinnere mich, daß dieses Haus anläßlich der Beschlußfassung über den Grünen Plan eine solche Meinung vertreten hat und der Regierung einen entsprechenden Auftrag erteilt hat. Wir sollten unsere eigenen Beschlüsse nicht durch dauernde Wiederholung entwerten. Entweder messen wir unseren Beschlüssen soviel Wert bei, daß wir bei der Regierung Druck dahintersetzen, oder aber wir lassen Beschlüsse ganz sein. Sonst geraten wir in die Gefahr, die ich eingangs geschildert habe.Meine Damen und Herren, alles in allem noch einmal die Mahnung: jammern Sie nicht mehr über Konzentration, wenn Sie die politische Macht in der Hand haben, die Konzentration zu verhindern! Verhindern Sie die unerwünschte Konzentration!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker .Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lange, zu Ihren Vorbemerkungen möchte ich sagen, es gibt auch eine Entwicklung der Wirtschaft. Was vor fünf Jahren ,eine Wohltat war, ist vielleicht heute eine Plage. Die Verhältnisse ändern sich, und wir müssen sehen, uns den neuen Verhältnissen anzupassen.Ich erinnere mich nicht, daß die SPD auf dem Gebiet der Umsatzsteuer, mit dem ich mich besonders beschäftigt habe, einen konkreten Vorschlag gemacht hätte. Die Probleme sind sehr schwierig. Erfreulicherweise können wir heute feststellen, daß wir über die Tendenz weitgehend einig sind. Das ist sicher schon ein Gewinn. Wenn man sich in der
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4460 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. Becker
Tendenz einig ist, kann man auch zusammen überlegen, welche Maßnahmen man ergreifen soll.
— Das ist kein Koalitionsangebot, Herr Heinemann, aber es schadet ja nichts, wenn man auf einem einzelnen Gebiet in der Sache einig ist.Im übrigen haben Sie, Herr Lange, von den mittleren Betrieben gesprochen, die aufs Land gebracht werden. Ich habe den Eindruck, daß in den letzten Jahren eine ganze Menge mittlerer Betriebe aufs Land gebracht worden sind. Es gibt heute infolge der guten Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und unserer Koalition nur noch ganz wenige Bezirke, in denen überhaupt Arbeitskräfte auf dem Lande zu finden sind. Sie sehen also, daß diese Entwicklung praktisch sehr weit vorangetrieben ist. Die letzten Reste, die in dieser Beziehung noch ausgeräumt werden müssen, werden jetzt durch das neue Programm ausgemerzt, und in aller Kürze wird fast kein Gebiet mehr vorhanden sein, in dem überhaupt noch Arbeitskräfte aufgenommen werden können.Ein Thema ist, glaube ich, in unserer Debatte besonders wichtig: die Umsatzsteuer. Was würden Sie sagen, wenn wir nicht hier am späten Abend in der Diskussion, sondern bei einem Sportländerkampf wären und einer der Hundertmeterläufer plötzlich vier Meter Vorgabe bekäme. Ich hoffe, daß wir alle so objektiv wären — auch dann, wenn es unser eigener Mann wäre —, festzustellen, daß das nicht in Ordnung ist. Wir würden uns wahrscheinlich an den Schiedsrichter wenden und würden sagen: Die Kampfordnung auf diesem Platz muß geändert werden.
— Ich will Ihnen sagen, wer der Schiedsrichter ist: Der Schiedsrichter ist das Bundesverfassungsgericht und nicht wir hier, Herr Jahn. Man hat sich auch an das Bundesverfassungsgericht gewandt, das wissen Sie ganz genau. Leider hat das Bundesverfassungsgericht die Industriellen, die sich deswegen beschwert haben, seit zweieinhalb Jahren warten lassen, und es besteht auch noch keine konkrete Aussicht, daß das Urteil kommt. Immerhin ist soeben darauf hingewiesen worden, daß die Lösung gerade dieser Frage dadurch besonders erschwert ist, daß der Schiedsrichter noch nicht gesprochen hat.Ich bin der Auffassung, daß man auf diesem Gebiet dringend eine Startgleichheit braucht. Das Umsatzsteuergesetz selbst sagt ja in § 8, daß diese Startgleichheit nicht vorhanden ist und daß gewisse gesetzliche Bestimmungen über einen gleichen Start getroffen werden müssen. In der Metallindustrie z. B., die sehr viele Stufen in ihrer Produktion hat, liegt der mehrstufige Betrieb um etwa 8 % günstiger als die einstufigen Betriebe, die dieselben Erzeugnisse herstellen. Ohne Zweifel fördert also die Umsatzsteuer hier die Konzentration. Man muß aber auch die Funktion der vielenZulieferbetriebe sehen, die ja auch in Großbetrieben eine Rolle spielen.Interessant ist übrigens eine Feststellung unseres Kollegen Professor Böhm zur Lage der einstufigen Betriebe. Er sagte noch kürzlich, die Entwicklung sei in der letzten Zeit so gelaufen, daß er Zweifel habe, ob das Kartellgesetz den richtigen Weg einschlage, wenn man nicht zugleich die Ungleichheiten in der Wirtschaft durch gesetzliche Maßnahmen abschaffe.Wir haben uns in der CDU/CSU-Fraktion über diese Zusammenhänge sehr viel Gedanken gemacht. Wir haben großen Wert darauf gelegt, daß die Kommissionen, die im Finanzministerium eingesetzt sind, an die Arbeit gingen und intensiv arbeiteten. Wir haben sogar in den geheiligten Parlamentsferien mehrere Sitzungen abgehalten, weil wir dieses Problem für so schwerwiegend hielten. Noch in diesem Jahr wird das Ergebnis der Arbeiten des Hartmann-Ausschusses vorliegen.Wenn man sich zu seiner Systemänderung entschließen sollte, würde man meiner Ansicht nach zu der Wertschöpfung als Grundlage der Steuer übergehen müssen. Da gelten folgende Grundsätze:1. muß die neue Steuer konzentrationneutral sein;2. muß der Staat Bleichhohe Einnahmen haben; denn es ist ja nicht richtig, eine Steuerreform zu machen, bei der die Einnahmen nicht garantiert sind;3. muß man diese Steuer breit verteilen und nicht nur an einem Punkte ansetzen, wie das manchmal vorgeschlagen worden ist;4. muß man im Interesse der freien Berufe und -auch im Interesse des Handwerks die Dienstleistungen geringer besteuern als die Warenlieferungen;5. muß man die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes berücksichtigen. Heute ist die deutsche Industrie im Gemeinsamen Markt durch die ungleichen Belastungen sehr stark benachteiligt, vor allem durch die unterschiedliche Umsatzausgleichsteuer. Das müßte man auf dem Wege einer Steuerreform abstellen. Ich glaube, das ist für unsere industrielle Entwicklung und für die Entwicklung des gemeinsamen Marktes ein besonders wichtiges Petitum. Durch eine solche Reform würde das Problem der Organschaft automatisch gelöst.Wir brauchen also eine konzentrationsneutrale Umsatzsteuer. Wir müssen unsere Finanzverfassung der derzeitigen Lage und der Entwicklung der freien Marktwirtschaft in der richtigen Form anpassen. Wir haben daher in unsere Entschließung die Forderung aufgenommen, eine wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer zu schaffen. Sie können sich darauf verlassen, daß wir alles daransetzen werden, diese Forderung auch zu verwirklichen. Wir wollen, genau wie das hier von der SPD gesagt wurde, konkrete Maßnahmen. Ich meine auch, wir hätten über die Dinge genug geredet.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dollinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kurlbaum hat heute von dem Umwandlungs-Steuergesetz gesprochen. Ich nehme an, es ist ein Zufall, daß während dieser Plenarsitzung der Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses vorgelegt wanden ist, in dean sehr klar zum Ausdruck gebracht wird, aus welchen rechtlichen Überlegungen sich die CDU/CSU-Fraktion nicht entschließen konnte, dem Antrag der SPD-Fraktion .zuzustimmen.
Ich meine, es hat sich nun im ganzen Hause in dieser Richtung ein erfreulicher Wandel vollzogen. Heute wird übereinstimmend anerkannt, daß wir eine solche wettbewerbsneutrale Umsatzsteuer brauchen. Der Antrag Drucksache 515 der. Fraktionen der CDU/CSU und der DP war ein guter Anfang in dieser Richtung. Wir erkennen gern an, daß Sie tapfer mitgearbeitet haben, und wir hoffen, daß es vielleicht auch noch gelingt, zu einer solchen Ausweitung zu kommen, daß alle Wünsche erfüllt werden können.
— Ja, das ist aber nicht gekommen.
Etwas anderes scheint mir aber zur Stärkung der mittleren und kleinen Wirtschaft wichtig zu sein, was hier noch nicht behandelt worden ist; das ist die Gewerbesteuer. Hier gibt es bei der Behandlung der Einzelunternehmungen und der Personalgesellschaften gegenüber den Kapitalgesellschaften ohne Zweifel Benachteiligungen. Wir alle richten in diesem Augenblick erneut die Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister, die Frage der Gewerbesteuer mit dem Ziel zu überprüfen, hier einen Ausgleich zu schaffen. Wir sind insbesondere der Meinung, daß es notwendig ist, einen der Leistung angemessenen gewerbesteuerfreien Betrag für das Arbeitseinkommen des Unternehmers in Anrechnung zu bringen.
Auch die Frage der Schuldzinsen muß in diesem Zusammenhang noch einmal aufgegriffen werden.
Im Hinblick auf die Entwicklung in der Wirtschaft sollte auch die Frage der Vermögensteuerfreigrenze noch einmal überprüft werden.
Ich möchte mich im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit auf diese wenigen Bemerkungen beschränken. Ich glaube, Herr Kollege Lange, Sie waren sehr erregt. Vielleicht hängt das damit zusammen, daß trotz Ihrer Hoffnungen eine Konzentration eingetreten ist, die Sie nicht freut, aber uns, nämlich die, daß der gewerbliche Mittelstand, jene bedrohten Kreise, das Vertrauen zu der CDU/CSU und der Politik der Regierung in den letzten Jahren immer wieder bewiesen haben; eine Konzentration auf die Partei CDU/CSU, die uns freut, die Sie allerdings nicht freuen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich die Begründung der Anfrage, die Vorlesung dies Herrn Bundeswirtschaftsministers und den Verlauf der Debatte gehört habe, frage ich mich: Was hat diese Debatte eigentlich für eine Bedeutung? Ich entsinne mich: Im Oktober 1957 schrieb unser Kollege Schmücker im „Obermeisterbrief", der Beilage des „Deutschen Handwerksblatts", einige markige Worte. Er sagte nämlich:Mehr denn je auf dem Posten sein! Es dart nämlich nicht wieder so kommen, das Bundesregierung und Bundestag sich in den ersten zwei Jahren mit den mittelstandspolitischen Fragen Zeit lassen und dann erst in der zweiten Halbzeit an diese Fragen herangehen, wenn die Wahlen heranrücken
und das Grollen aus dem Handwerk und dem übrigen gewerblichen Mittelstand ihnen entgegentreten.
Das ist zweimal so gewesen. Diesmal nicht wieder!
Darauf kam, mit großem Donner angekündigt, im Dezember des Jahres 1958 die Große Anfrage. Beraten wird sie am 15. Oktober 1959, nachdem die zweite Halbzeit des Bundestages begonnen hat.
Wir haben darüber gesprochen.
— Ich sage gleich noch ein paar Worte dazu, wenn Sie weiter darüber sprechen wollen. — Meine Damen und Herren, wir haben dann die Rede des Herrn Kollegen Schmücker gehört. Er kam zu dem Schluß: „Jetzt ist es an der Zeit", — und nun dachte ich: Was wird kommen?, worauf er sagte: „die Probleme ernsthaft zu diskutieren."
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4462 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. DeistEin anderer Ihrer Kollegen stellte fest, wir seien uns in den Grundsätzen doch im wesentlichen einig, und das sei immerhin schon ein Fortschritt.Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob die Unruhe, die ja nun wirklich in einem großen Teil der selbständigen Unternehmer vorhanden ist, ob nicht der Bericht einer unter dem Weisungsrecht des Bundeswirtschaftsministeriums stehenden Behörde wie des Kartellamts und ob nicht letzten Endes auch die Große Anfrage, die mindestens durch die öffentliche Stimmung hervorgerufen war, ein Zeichen dafür sind, daß hier ernste Gefahren vorliegen, die konkrete Maßnahmen verlangen und bei denen wir nicht mehr sagen können: „Wir werden weiter überlegen, wir werden weiter diskutieren, wir werden ernsthafte Maßnahmen in Erwägung ziehen." Mir scheint, der Zeitpunkt ist gekommen, an dem etwas geschehen muß.Denn diese Probleme sind nicht neu. Wir diskutieren sie hier seit langem. Und Sie selber haben sie diskutiert und darüber gesprochen. Und der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung im Oktober 1957 für solche Zwecke jenen Satz einträufeln lassen, den Sie jetzt als Einleitung für Ihre Große Anfrage benutzt haben.Neu sind diese Dinge also nicht. Und da stellt sich doch die Frage, nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister seinerzeit das Kartellgesetz als das „Grundgesetz der freien Marktwirtschaft" bezeichnet hat, wie es kommt, daß wir uns ungeachtet eines solchen Gesetzes heute, und zwar auf Ihre Anfrage hin, mit dem Problem der Machtkonzentration zu befassen haben.Darum, meine ich, sollte man sich das Werden des Kartellgesetzes doch noch einen kurzen Augenblick ins Gedächtnis zurückrufen. Diese Entwicklung läßt nämlich den Schluß darauf zu, wie ernsthaft eigentlich diese Ihre Deklamationen und die Große Anfrage sind.
Das Kartellgesetz — Sie erinnern sich — wurde zum ersten Male im Bundestag eingebracht im Juni des Jahres 1952. Wieder einmal zweite Halbzeit, unmittelbar vor den Wahlen! Es konnte bis 1953 nicht mehr erledigt werden. Es wurde ein zweites Mal am 30. April 1954 beim Bundesrat eingebracht. Der Bundesrat arbeitete schnell, er beschloß am 21. Mai 1954. Und dann begann der Sturmlauf des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der Sturmlauf der übrigen Interessenten gegen den Entwurf; und acht Wochen lag der Gesetzentwurf in der Schublade der Bundesregierung, bevor sie in der Lage war, diesen von ihr längst beschlossenen Gesetzentwurf an den Bundestag weiterzuleiten.
Auch das ist bezeichnend!
Sie wissen, wie dann die Bearbeitung der CDU, wie die Verhandlungen zwischen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, seinem Amt und dem BDI zu einer Vereinbarung führten und wie dann eine Leidensgeschichte von fünf Jahren endete, deren Ergebnis dieses Kartellgesetz ist.Und so ging es nicht allein mit dem Gesetz. Das Kartellgesetz sollte am 1. Januar 1958 in Kraft treten. Am 1. Januar 1958 gab es noch keinen Beamten und keinen Präsidenten der Kartellbehörde, so daß sie hätte in Wirksamkeit treten können. Auch hier der Einfluß des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der beim Bundeskanzler gegen den in Aussicht genommenen Vorsitzenden Einspruch erhoben hatte.
Erst im Februar konnte der Präsident ernannt werden, und nach einem Jahre, im Januar 1959, wurdeer dann glücklich offiziell in sein Amt eingeführt.
Mehrere Monate mußte er ohne arbeitsfähigen Mitarbeiterstab auskommen, und auch heute hat er eine volkswirtschaftliche Abteilung, die völlig ungenügend besetzt ist. So ist es kein Wunder, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister heute erklären muß: wir haben überhaupt keine genügenden statistischen und sonstigen Unterlagen. Diese Unterlagen hätte eine tüchtige volkswirtschaftliche Abteilung beim Bundeskartellamt beschaffen können. Meine Damen und Herren, dann hätten wir heute nicht soviel über Enqueten zu sprechen brauchen.Und das Ergebnis? Das Bundeskartellamt stellt in seinem Bericht fest, daß es gegenüber den Zusammenschlüssen nicht über die genügenden Eingriffsmöglichkeiten verfügt, daß die Meldepflichten nicht ausreichen und ungenügend beachtet werden, so daß man überlegen müsse, wieder das Erlaubnisverfahren einzuführen.Die Bundesregierung nahm Stellung. Es dauerte vier Monate, bis zum April 1959, da inzwischen manche merkwürdigen Dinge zwischen dem Bundeskartellamt und der Bundesregierung spielten. Dann erklärte die Bundesregierung, sie werde prüfen, sie wolle sich ein objektives Bild verschaffen; falls es notwendig sei, werde sie nicht zögern, die erforderlichen Schritte einzuleiten. Das war immerhin im April, also vor nunmehr sechs Monaten. Am 12. Juni, in der Haushaltsdebatte hier im Hause, sagte der Herr Bundeswirtschaftsminister bereits das gleiche, was er heute wiederholt hat. Der Bundeswirtschaftsminister bezweifelt, daß die Bestimmungen des Kartellgesetzes ausreichen, um der fortschreitenden Tendenz zur Konzentration entgegenzuwirken. Ich frage: wie lange will eigentlich der Herr Bundeswirtschaftsminister noch zweifeln, nachdem die Unzulänglichkeiten so offensichtlich geworden sind, ehe er bereit ist, die gesetzlichen Maßnahmen vorzuschlagen, die er doch bereits vor sieben Jahren für notwendig hielt? Oder ist die Macht des Herrn Bundeswirtschaftsministers in diesem Bundeskabinett und in dieser Regierungskoalition so gering, daß er wichtige Dinge nicht durchsetzen kann und darauf warten muß, daß gelegentlich Störfeuer in Form von Großen Anfragen veranstaltet wird?
Das scheint mir keine angemessene Behandlung dieses wichtigen Problems zu sein.Meine Damen und Herren! Es macht auch stutzig, daß hier eine Große Anfrage mit einer sehr abge-
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Dr. Deistwogenen akademischen Rede des sonst gar nicht so akademisch redenden und handelnden Herrn Schmücker eingebracht wird, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in einer Erklärung von anderthalb Stunden eine sehr diffizile Fleißarbeit der verschiedenen Ministerien vorlegt
und daß wir dann eine sehr schön nach den verschiedenen Gebieten, Interessengruppen usw. ausgewogene Garnitur von Rednern vorgeführt bekommen, die einige kleine Punkte darlegen. Von der großen Debatte über das gesellschaftspolitische Problem der Konzentration, die die Freiheit der Wirtschaft und die Grundlagen unserer Demokratie bedroht, ist überhaupt nicht mehr die Rede!
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bei der Haushaltsdebatte im Juni dafür bereits den Ton angegeben. Damals meinte er: „So groß ist der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht, wie Sie ihn hier zu zeichnen suchen, nach meiner festen Überzeugung nicht". Das sagte er zu mir, weil er offenbar der Überzeugung war, daß das ganze Problem nicht mehr so wichtig sei.Der Kollege Gewandt ist es, glaube ich, gewesen, der das Problem wirtschaftlicher Macht dann auf seine Weise angeschnitten hat:
Die „Neue Heimat", die Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften!
Nun, zunächst einmal besteht ein Unterschied zwischen dem Machtmißbrauch und dem Einsatz von Macht zu erwünschten volkswirtschaftlichen Zwekken,
und ich weiß nicht, ob man die Tatsache, daß die „Neue Heimat" Hunderttausende von Wohnungen für arme Menschen zu einem niedrigen Mietzins erstellt hat, als Machtmißbrauch hinstellen darf.
Noch ein Zweites, Herr Kollege Gewandt! Sie meinten, da würden nur Organisierte aufgenommen. Ich weiß nicht, wen Sie unter „Organisierten" verstehen. Es scheint mir kein schlechtes Kriterium für einen Menschen zu sein, wenn er einer anständigen Organisation angehört.
Aber Sie sollten auch wissen, Herr Kollege Gewandt, daß die Zuweisung von Land und steuerliche Vergünstigungen davon abhängig sind, daß auf bestimmtem Gebiet, für bestimmte Bevölkerungsschichten zu entsprechend billigen Mieten Wohnungen hergestellt werden und daß jeder, der sich diesen Bedingungen unterwirft, die gleichen Vergünstigungen erhält.
Sie sollten weiterhin wissen, daß nicht die Wohnungsgenossenschaften und die „Neue Heimat" darüber bestimmen, wer in die Wohnungen einzuziehen hat, sondern daß es darüber genaue Auflagen und Weisungen des Wohnungsamtes gibt.
— Ja, Sie könnten sich eigentlich einmal erkundigen, wie das geht. Das mag in einigen Gebieten, in denen Sie die Mehrheit haben, anders sein.
Jedenfalls sollten Sie, meine Damen und Herren, aus den Bremer Ereignissen die Überzeugung gewonnen haben, daß die Bevölkerung es zu honorieren weiß, wenn gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften ausreichende Wohnungen mit niedrigen Kosten und billigen Mieten erstellen.
— Herr Illerhaus, ich bin sonst gern bereit, auf Zwischenfragen zu antworten, aber wir haben Absprachen über die Zeit, in der ich hier zu sprechen und mein Thema abzuhandeln habe.Meine Damen und Herren, das ist nicht das Problem, das wir hier zu behandeln haben. Die „Neue Heimat" in Hamburg mit 24 Tochtergesellschaften hat ein Eigenkapital — Aktienkapital und Rücklagen — in Höhe von 31 Millionen DM. Schöne Summe! Die Badische Anilin- und Sodafabrik aber hat 835 Millionen DM.
Das ist vielleicht doch eine andere Größenordnung für das Problem der wirtschaftlichen Macht! Die Siemens-Gruppe hat 780 Millionen DM, und die AEG hat 430 Millionen DM Eigenkapital.Meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf will ich hinaus. Ich möchte, daß das Thema der Beherrschung von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat durch diese riesigen Unternehmungen nicht dadurch abgewertet wird, daß Sie jetzt lächerlich kleine Konkurrenzinteressen ins Spiel bringen.
Daher möchte ich kurz etwas darüber sagen, was wirtschaftliche Macht bedeutet. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben am 1. Oktober des Jahres 1957 in Essen beim Kohlenbergbau erfahren müssen, was wirtschaftliche Macht bedeutet,
als der Kohlenbergbau auf der Woge der Bundestagswahl 1957, deren Erfolg er sich mit Recht zuschrieb im Hinblick auf seine finanzielle und sonstige Unterstützung, meinte, er könne auch gegen den Willen des Bundeswirtschaftsministers und gegen volkswirtschaftliche Erwägungen eine Preiserhöhung durchsetzen.
— Das will ich Ihnen sagen, Herr Bundeswirtschaftsminister. Der Kohlenbergbau erhöhte seine Preise in einem Augenblick, in dem bereits abzu-
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Dr. Deistsehen war, daß große Absatzschwierigkeiten auf ihn zukommen würden. Er erhöhte die Preise im Oktober 1957. Im Januar 1958 wurde in Ihrem Wirtschaftsministerium, Herr Professor Erhard, bereits festgestellt, mit welchem Überangebot an Kohle wir im Jahre 1958 zu rechnen haben würden. Der Kohlenbergbau nahm diese Preiserhöhung nicht nur ausgerechnet im falschen Augenblick vor, als sich die Schwierigkeiten für den Absatz bereits abzeichneten, sondern erhöhte ausgerechnet den Preis für die Hausbrandkohle besonders stark, obwohl die Hausbrandkohle bereits in einem schweren Konkurrenzkampf mit dem Heizöl stand.Hier hat die Kohle, als sie den Machtkampf gegen Sie gewann, einen Beitrag zur Verschärfung der Kohlenkrise geleistet. Einen Teil der Kosten soll die Bevölkerung jetzt mit der Heizölsteuer bezahlen. Das ist ein Beispiel! Das ist wirklich wirtschaftliche Macht, über die es sich zu reden lohnt.
Ich darf weiter an die Vorgänge auf den Gebieten erinnern, auf denen es gebundene Preise für Markenartikel gibt. Die wirtschaftliche Macht dieser marktbeherrschenden Unternehmungen wirkt sich manchmal sehr verschieden und sehr merkwürdig aus. In der Regel wirkt sie sich zunächst dahin aus, daß wider alle Vernunft das Preisniveau ungebührlich lange hochgehalten wird mit dem Effekt, daß zu große Gewinnspannen vorhanden sind, daß die Möglichkeit der Unterbietung und der Beziehungskäufe gegeben ist. Dann kommt einmal der Augenblick, in dem eines der wenigen marktbeherrschenden Unternehmungen plötzlich und willkürlich den Preis senkt und so einen Preiszusammenbruch herbeiführt. Das ist kein freier Wettbewerb, das ist keine vernünftige Entwicklung, das ist die Folge der Beherrschung des Marktes durch einige wenige Unternehmungen. Sie können diese Entwicklung an zwei Beispielen verfolgen, die für uns heute besonders interessant sind.Zunächst das leichte Heizöl. Im Februar 1956 stand der Preis für leichtes Heizöl auf 208 DM je Tonne, im Oktober 1956 vor Suez auf 185 DM. Das wird eine normale Entwicklung — auf Grund fortgeschrittener Rationalisierung usw. — gewesen sein. Die Suez-Krise erlaubte es den Konzernen, den Preis bis auf 292 DM hinaufzuschrauben und ihn bis in den Februar 1957 zu halten. Dann sank er über 158 DM auf 143 DM im Februar 1959 ab. Den augenblicklichen Preis habe ich nicht zur Hand. Niemand wird behaupten wollen, daß das freier Wettbewerb ist, sondern jedermann wird klar sehen, daß das Ausnutzung einer Machtposition ist. Wenn auf diese Weise im letzten Jahre ein ruinöser Preiskampf gegen die Kohle ausgefochten wurde, so ist das kein freier Wettbewerb, sondern Mißbrauch wirtschaftlicher Macht.
Diese selbe Mineralölwirtschaft verfuhr bei den Benzinpreisen ganz anders. Den Benzinmarkt beherrscht sie über die Tankstellen. Sie hat ihn trotz der wenigen freien Tankstellen, die sie im übrigen auch noch unter Preis beliefert und von sich abhängig macht, durchaus in der Hand. Dieselbe Mineralölwirtschaft, die im selben Produktionsgang als Kuppelprodukte sowohl Schweröl als auch Heizöl als auch Benzin herstellt, war in der Lage, weil sie diese Machtposition am Markt hat, den Benzinpreis von 1956 bis heute auf einem überhöhten Niveau von etwa 62 Pf je Liter zu halten. Das war auch Machtpolitik, und nicht etwa vernünftiger und sinnvoller freier Wettbewerb.Wir haben im Jahre 1955 darauf hingewiesen, daß dieses Preisniveau für Benzin überhöht ist und daß hier die Mineralölkonzerne von ihrer Marktmacht einen unerhörten Gebrauch machen. Wir haben eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Wir bekamen eine Antwort vom Herrn Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, die sehr merkwürdig war. Einer der ersten Sätze lautete: „Die Bundesregierung neigt zu der Annahme, daß der Preis für Benzin gesenkt werden könnte." Bei der vorsichtigen Ausdrucksweise des Herrn Staatssekretärs, die noch weiter geht als die Vorsicht seines Ministeriums, heißt das, daß der Preis zweifellos wesentlich überhöht war. Dann sagte der Staatssekretär: „Wir haben zwar Zahlen von den Gesellschaften bekommen, wir können aber die Zahlen nicht nachprüfen. Wir wollen ja auch nicht nachschnüffeln. Infolgedessen können wir uns leider kein Urteil bilden. Aber jetzt kommt das Kartellgesetz", sagt der Herr Staatssekretär, „das gibt uns die notwendigen Ermächtigungen".Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, das war im Jahre 1955. Die Mineralölwirtschaft ist in der Ausnutzung ihrer Machtstellung in diesen vier Jahren weiß Gott nicht sehr zurückhaltend gewesen. Sie selbst wissen, wie sie durch ihre Expansion, ihre Investitionspolitik, die jedes volkswirtschaftlich vernünftige Maß überschritten hat, mitschuldig an der Kohlenkrise ist. Warum haben Sie nicht wenigstens nach Erlaß des Kartellgesetzes die Kosten- und Ertragsverhältnisse und die Marktpolitik der Mineralölkonzerne unter die Lupe genommen? Was soll es denn bedeuten, wenn Ihre Fraktion hier gegen die Konzentration wirtschaftlicher Macht spricht und Sie an diesen Dingen einfach vorübergehen und nichts tun?Einige andere Beispiele. Trockenrasierer! Wir haben drei Werke, die 75 % des Marktes beherrschen. Remington hat bis vor kurzem den überhöhten Preis von 69 DM halten können. Plötzlich war es möglich, denselben Apparat für 45 DM zu verkaufen. Weiß Gott, ein Zeichen von Macht- ,und Marktpolitik und nicht von freiem Wettbewerb.
— Aha! Das sind normale Marktvorgänge auf einem oligopolistischen Markt! Es ist also ein normaler Vorgang, daß diese Machtstellung im oligopolen Markt, ohne daß irgend jemand etwas dagegen unternimmt, dazu benutzt wird, Preise so lange als möglich hochzuhalten, bis sie plötzlich zusammenbrechen, weil sie nicht mehr zu halten sind.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4465
Dr. Deist— Wenn Sie das für eine vernünftige Methode halten, — —
— Ich komme gleich darauf zurück. — Aber Sie scheinen mir zu konzedieren, daß diese Methode der Marktbeeinflussung und der Derutierung des Marktes in vielen Marktbereichen, nämlich praktisch in oligopolistischen Marktbereichen, geübt wird. Wir haben zahllose Beispiele dafür. Ein weiteres Beispiel:
— Sehen Sie, jetzt vereinfache ich wieder.Ich nenne Ihnen lein weiteres Beispiel: Kühlschränke! BBC und Bauknecht verkauften ihre Kühlschränke dm Jahre 1957 für 600 DM. Im Jahre 1958 konnten sie auf einmal auf 400 DM heruntergehen. Warum? Weil Herr Neckermann mit einem Kühlschrank für 385 DM auf den Markt kam.
— Ich komme sofort auf Ihren Wettbewerb.Wir haben ein drittel Beispiel für diese Folgen einer unsinnigen Marktbeherrschung, gegen die diese Bundesregierung nichts unternimmt. Das ist der Markt der Fernseh- und der Radiogeräte. Seit dem Januar 1959 sind die Preisbindungen dreimal neu festgesetzt worden. Dreimal ist die Preisbindung zusammengebrochen. Allmählich ist damit eine Herabsetzung des Preises erreicht worden.Warum ist das kein guter Vorgang, Herr Bundeswirtschaftsminister? Freier Wettbewerb mit normaler Entwicklung ist eine gute Sache. Hier aber werden die Preise so lange dirigiert, bis sie zusammenbrechen. Und wer zahlt eigentlich die Kosten eines solchen oligopolistischen Marktverhaltens? Die Kosten zahlt einmal der Verbraucher, dem übermäßig lange ein möglicher billiger Preis vorenthalten wird.
— Herr Bundeswirtschaftsminister, ich weiß, daß Sie dieselbe Methode auf politischem Gebiet üben.
Nun stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, wie der Verbraucher — —
— Herr Bundeswirtschaftsminister, als guter Demokrat sollten Sie nicht so stolz auf diese Wirkung sein.
Stellen Sie sich vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, was der arme Verbraucher tun soll, auf den eine solche Werbung — unterschwellige Werbung nennen das die Sachverständigen — zuläuft! Von unterschwelliger Werbung spricht man deswegen, weil der Verstand und das Wahlvermögen des Verbrauchers ausgeschaltet werden sollen und er vom Unterbewußtsein her ergriffen werden soll. Das ist dieselbe Methode, die Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, kennen und üben. Das gehört auch zum Problem der wirtschaftlichen Macht, sehr gehört das dazu.
— Sie sollten sich als Vertreter des EinzelhandelsKopfschmerzen darüber machen, wie man den Dingen beikommt, und nicht um die Dinge herumreden!
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Dr. Deist— Wir sprechen ja auch über Ihre Große Anfrage, Herr Schmücker.Nun zum Werbefernsehen. Das scheint mir das ernsteste Problem auf diesem Gebiet zu sein. Eine Minute Werbefernsehen über den Westdeutschen Rundfunk kostet 15 000 DM. Meine Damen und Herren, wer kann diese Werbung betreiben? Wir haben vor einiger Zeit einige Feststellungen darüber gelesen. Es waren fast nur Markenartikelfirmen. Wir kennen sie alle. Es waren nämlich: Arzneimittel, Kosmetika-, Körperpflege-, Wasch- und Reinigungsmittel und, meine Damen und Herren, Kaffee und Tee! Das sind jene Wirtschaftszweige, die über solche finanzielle Macht verfügen, daß sie sich dieses Werbemittel leisten können. — Nein, Herr Bundeswirtschaftsminister, darüber kann man nicht mit einem Kopfschütteln hinweggehen.
Das sind Dinge, die für die kleinen und mittleren Unternehmen bitterernst sind; denn von ihnen kann keiner die Fernsehwerbung mitmachen.
Deshalb sollte man sich überlegen, ob das Fernsehen überhaupt ein geeignetes Instrument für eine wirkliche Unterrichtung der Konsumenten ist, so daß sie vergleichen lernen und wählen können, oder ob es dazu nicht geeignet ist.In diesem Zusammenhang ist es sehr fraglich, ob es gut ist, eine Fernsehschiene völlig privater Hand zu überlassen, die ihre Sendungen aus Werbesendungen finanziert. Zu wessen Gunsten soll eigentlich eine solche Methode gehen? Zugunsten der Großunternehmen? Und sind die Benachteiligten nicht jene, die Sie für sich in Erbpacht nehmen möchten, nämlich die kleinen und mittleren Unternehmen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie schon einmal durch eine Große Anfrage das Problem der Konzentration wirtschaftlicher Macht anrühren und Sie selber nicht darüber sprechen, dann müssen Sie uns gestatten, daß wir das tun.
Wir haben dann in unserem Vorschlag, den mein Freund Kurlbaum vorgetragen hat, auf die personellen Verflechtungen zwischen den Unternehmungen hingewiesen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat hierzu einige sehr bemerkenswerte Worte über das Depotstimmrecht der Banken beigetragen. Ich will jetzt nicht das Beispiel des Vorstandsvorsitzers der Deutschen Bank, des Herrn Abs, bringen und seine Aufsichtsratsmandate aufzählen. Das hieße Eulen nach Athen tragen. Aber es müßte doch untersucht werden, so meine ich, ob hier nicht eine Person eine wichtige wirtschaftliche Machtposition hat und ob hier nicht eine bedenkliche personelle Verflechtung von Unternehmungen vorliegt.
— Das Ausmaß von Aufsichtsratssitzen
des Herrn Abs ist so groß, daß da niemand mitkommt, weder jemand von links noch von rechts.
Ich will ein ganz anderes Beispiel nehmen, und zwar das Beispiel von Unternehmungen, bei denen es eine große Zahl von mittleren und kleinen Aktionären gibt. Es handelt sich um die Nachfolgegesellschaften der IG Farben: Bayer-Leverkusen Badische Anilin- und Sodafabrik und Farbwerke Hoechst. Das ist geradezu ein Eldorado der Bankenvertreter, von mittleren und kleineren Aktionären überhaupt nicht zu reden. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Bayer, und außerdem sitzt ein Mitglied der Commerzbank im Aufsichtsrat von Bayer. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Badischen Anilin- und Sodafabrik ist Herr Abs — bei diesem Beispiel kann ich es nicht vermeiden, ihn zu erwähnen — als Vertreter der Deutschen Bank. In Hoechst sitzt Herr Dr. Richter von der Dresdner Bank als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, und ein Mitglied der Commerzbank ist Aufsichtsratsmitglied. Im übrigen ist eine beinahe paritätische Verteilung der Vertreter dieser drei Großbanken auf die verschiedenen Tochtergesellschaften der drei IG-Farben-Nachfolger festzustellen.Bei den Großbanken ist es gerade umgekehrt. In der Deutschen Bank sitzen der Vorstandsvorsitzer der Badischen Anilin- und Sodafabrik und der Vorstandsvorsitzer von Bayer. Dem Aufsichtsrat der Dresdner Bank gehört der Vorstandsvorsitzende von Hoechst an, und der Aufsichtsratsvorsitzende von Bayer ist Aufsichtsratsmitglied in der Commerzbank. Hier haben Sie ein Musterbeispiel personeller Verflechtung zwischen drei großen chemischen Gesellschaften und den drei Großbanken.Das alles auf Grund des Depotstimmrechts! Meine Damen und Herren, das alles ist möglich, ohne daß diese Herren eine eigene Aktie oder auch nur einen echten Auftrag von ihren Aktionären haben. Das ist jene Lage — einer meiner Freunde hat vorhin schon davon gesprochen —, die Herr Professor Nell-Breuning als ausgesprochen freischwebendes Management bezeichnet. Die Aktionäre haben nichts zu melden; irgendeine Kontrolle über diese Gruppe von Managern gibt es nicht. Das ist weiß Gott eine wirtschaftliche Machtposition.Der Bundeswirtschaftsminister sagte, man könne das Depotstimmrecht nicht abschaffen. Er meinte, dann blieben nur noch Minderheitsgruppen übrig, die entschieden. So lebendig also ist dieser Mittel- und Kleinaktionär — wahrscheinlich kann er gar nicht anders —, daß nicht genügend Leute in die Hauptversammlungen kämen, wenn man nicht die Banken hätte, die für ihn stimmen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4467
Dr. DeistDer Herr Bundeswirtschaftsminister hat gemeint, es sei zu schwierig, andere Vertretungen zu schaffen, etwa eine Vertretung durch Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte. Ich stimme dem zu. Es ist sehr schwierig, eine Interessen-Vertretung zu schaffen, die wirklich die Interessen der kleinen Aktionäre vertritt.Warum ist das eigentlich so schwierig? Man stelle sich vor, der Herr Hinterhuber in München hat eine Aktie der Farbwerke Hoechst und bekommt die Mitteilung: Wir müssen eine Kapitalerhöhung vornehmen, weil unsere Tochtergesellschaft Kalle & Co. ebenfalls eine Kapitalerhöhung braucht, die wir nicht aus eigenen Mitteln — bei Hoechst kommt das allerdings praktisch nicht vor —
durchführen können; denn wir müssen die Erzeugung von Folien auf synthetischer Basis wesentlich erweitern.Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Woher soll Herr Hinterhuber wissen, wie er in der Hauptversammlung abstimmen soll; dazu sind die Verhältnisse in unserer modernen Wirtschaft viel zu kompliziert. Das ist nicht möglich bei breitgestreutem Kapital, und je breiter die Streuung ist, desto schwieriger liegt der Fall; dieses Problem sollten gerade die sehen, die sich um eine breite Streuung des Aktienkapitals bemühen. Es ist nicht zu erreichen, daß Aktionäre wirklich in der Lage sind, die Verhältnisse des Unternehmens zu beurteilen und ihre Stimme auf Grund einer sachlichen BeUrteilung abzugeben. Die Banken geben ihre Stimme nach ihrer Beurteilung der Lage ab, ganz gleichgültig, ob sie eine Weisung des Aktionärs haben. Und was sollte schon der Herr Hinterhuber für eine andere Weisung geben; er kann sich doch nur an das halten, was ihm die Deutsche Bank empfiehlt. Diese Schwierigkeit schaffen Sie mit den von Ihnen vorgeschlagenen Methoden nicht aus der Welt.
— Warten Sie doch bitte! Nicht so begierig!Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn das also faktisch unmöglich ist, sollte man sich überlegen, ob man nicht für diese Großunternehmungen eine neue Unternehmensverfassung schaffen muß, die eine echte Kontrolle des Managements ermöglicht, die heute nicht möglich ist.
— Lassen Sie mich einmal weitersprechen. Sie fragen: Durch wen? Das ist tatsächlich die entscheidende Frage. Es ist die gleiche Frage wie die: Wer repräsentiert das Volk im modernen demokratischen Staat? — Da haben wir Parteien, da haben wir das Volk. Aber das Volk ist — von Ausnahmen abgesehen — nicht in der Lage, selbst unmittelbar einen politischen Willen zu bilden. Es gibt nur eine Möglichkeit, nämlich die, daß für die Willensbildung eine besondere Repräsentation geschaffen wird. Der einzelne kann dem Abgeordneten ja auch keinen Auftrag geben; der Abgeordnete ist auch nicht an einen etwaigen Auftrag eines Wählers gebunden.Aber es wird eine Repräsentation geschaffen, der Bundestag, er spricht für das Volk. Je nach der politischen Verfassung eines Staates gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine solche Repräsentation zu schaffen. Nach demokratischen Grundsätzen kann eine solche Repräsentation nur auf Grund freier demokratischer Wahlen zustande kommen. Da es bei Großunternehmungen — ich spreche nicht von kleinen Unternehmungen mit übersehbaren Verhältnissen — keine private Gruppe gibt, von der man sagen könnte, sie habe einen echten, legitimierten Anspruch und darüber hinaus die Möglichkeit, Verwaltungsorgane zu schaffen, sollte man sich überlegen, ob es in einer Demokratie für die Schaffung solcher Repräsentanz nur demokratische Methoden gibt. Das heißt, man muß durch Gesetz festlegen, welche repräsentativen gesellschaftlichen Gruppen in der Wirtschaft geeignet und berechtigt erscheinen, Verwaltungsorgane zu bestellen.
— Herr Kollege Erhard, es tut mir leid, aber Sie sollten einmal das Gutachten des Unterausschusses des Deutschen Juristentages über die Verfassungsprobleme der gemeinwichtigen Unternehmungen lesen, in dem etwa das gleiche gesagt ist, was ich hier vorgetragen habe, und in dem man sich ernsthafte Gedanken darüber gemacht hat, wie man eine solche legitime Repräsentation für Großunternehmungen schafft. Dabei denkt niemand von den Verfassern des Gutachtens — und in diesem Zusammenhang auch ich nicht — auch nur im entferntesten an Staatswirtschaft.Aber Sie sollten überlegen, ob Verfassungsformen — die sonst immer so beschimpft werden — wie die Mitbestimmung in den Unternehmungen nicht ein Ausgangspunkt für die Entwicklung einer solchen modernen demokratischen Unternehmensverfassung sind. Mit Ihren Methoden jedenfalls bekommen Sie überhaupt keine vernünftige Unternehmensverfassung, sondern dann bleibt es in den Großunternehmungen bei der oligarchischen Herrschaft einer kleinen Gruppe, die niemandem verantwortlich ist.
— Die Krise der Kohle liegt an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und an sonst nichts!
Seit wann könnten wir mit Verfassungen für Unternehmen eine Kohlenkrise beseitigen oder verhindern?
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4468 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. DeistDer Herr Bundeswirtschaftsminister hat dann gemeint — dazu muß ich noch einige Worte sagen —, wenn man schon die Konzentration der Unternehmungen nicht verhindern könne, solle man wenigstens eine Eigentumspolitik betreiben, die das Eigentum breit streue. Wir werden noch an anderer Stelle genügend Gelegenheit haben, über dieses Problem unter dem Gesichtspunkt der Eigentumspolitik und breiter Streuung des Eigentums zu reden. Davon spreche ich jetzt nicht. Es handelt sich darum: welche Bedeutung hat die Dekonzentration des Eigentums für die Machtstruktur unserer Wirtschaft?Nun, Herr Professor Erhard, wenn man ein Unternehmen im Besitz des Bundes, im Besitz des Landes oder auch im Besitz eines Großaktionärs hat, dann ist jemand da, der die Unternehmensleitung kontrollieren kann und auch die Macht dazu hat. Wenn Sie ein Unternehmen mit breit gestreutem Eigentum haben, dann geht es unweigerlich so wie bei den drei IG-Farben-Nachfolgern: dann ist niemand mehr da, der diese Machtstellung der Unternehmensleitungen kontrollieren und beaufsichtigen kann; diese Herren kontrollieren und ergänzen sich gegenseitig. Der Aktionär spielt keine Rolle. Ein bekannter amerikanischer Wirtschaftsschriftsteller, Herr Berle, hat in seinem Buch „Economic Power and the Free Society" über die Aktionärsversammlung ausgeführt: „Jeder weiß, daß eine Aktionärsversammlung eine Art alten sinnlosen Rituals ist."Berle weiß, daß die Aktionärsversammlung für das, was in der Gesellschaft geschieht, überhaupt keine Bedeutung hat. Bei der Preußag haben wir erlebt, wer bestimmt, wenn ein großer Teil des Kapitals sich breit gestreut in privater Hand befindet und der Bund sich durch eine Satzungsbestimmung seines ihm verbliebenen Stimmrechts selber beraubt. Die kleinen Aktionäre konnten sich anstrengen, soviel sie wollten. In der Hauptversammlung haben die Verwaltungen gemeinsam mit den Repräsentanten der großen Depotbanken bestimmt, was geschehen soll. Dahin führt unweigerlich und zwangsläufig die breite Streuung des Kapitals. Das ist noch kein Argument gegen die breite Streuung des Kapitals — dafür wird man andere bringen müssen —, aber es ist ein Zeichen dafür, daß die breite Streuung des Kapitals kein Mittel ist, der Machtstellung der Unternehmensleitungen entgegenzutreten.
— Meinen Sie nicht, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß es in jeder Demokratie selbstverständlich ist, daß jede Machtposition von irgend jemand kontrolliert wird, z. B. die Regierung durch das Parlament? Und meinen Sie, daß es hier ein richtiger Einwand wäre, zu sagen: Was bedeutet gegenüber der Macht der Kontrollierten die Macht der Kontrolleure, die Kontrolleure haben die Kontrolle auszuüben, und die Kontrollierten haben sich dieser Macht zu fügen?
Eine weitere Bemerkung. Es ist sehr die Frage und eingehend zu untersuchen, ob bei einer breiten Streuung des Aktienkapitals die Aktien von Unternehmungen, die wie im Falle der meisten Bundesunternehmungen eine beherrschende Stellung am Markt haben, überhaupt bei den Kleinaktionären bleiben werden und ob überhaupt ein Abwandern verhindert werden kann. Herr Professor Stützel hat sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit der Aktienrechtsreform befaßt dargelegt, es sei eines der eindrucksvollsten wirtschaftlichen Bewegungsgesetze, daß jedes verkäufliche Objekt, sofern es für verschiedene Marktbeteiligte einen unterschiedlichen Wert repräsentiere, unaufhaltsam früher oder später aus den Händen der Besitzer, für die es nur einen geringen Wert repräsentiere, in die Hand jener wandere, für die es wertvoller sei. Für jedes konkurrierende marktbeherrschende Unternehmen ist jede Aktie wesentlich wertvoller, als sie für den kleinen Aktionär sein kann. Infolgedessen — und das ist eben dieses wirtschaftliche Bewegungsgesetz — wandert das breit gestreute Kapital solch großer marktbeherrschender Unternehmungen zwangsläufig zu konkurrierenden Großunternehmungen, die am Aufkauf ein Interesse haben. Das durch Satzungsbestimmungen, die man wieder ändern kann, zu verhindern, ist wirklich eine sehr fragwürdige Methode. Bis heute kann niemand und können auch Sie nicht eine wirklich gültige und wirksame Methode nennen, mit der man diese Konzentrationstendenz verhindern kann.Unter diesen Umständen muß ich zu dem Ergebnis kommen, daß Sie zwar große und gute Reden über die breite Eigentumsstreuung halten, daß aber alle Methoden, die Sie dabei anwenden, der Stärkung der Großunternehmungen und der Förderung der Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft dienen.Wenn ich mich nun frage, woran es eigentlich liegt, daß hier eine große Partei wie die CDU eine solche Große Anfrage einbringt, daß zu dieser Anfrage in dieser Weise gesprochen wird und daß andererseits alle wirtschaftlichen, finanzpolitischen und kartellpolitischen Maßnahmen geradezu die umgekehrte Wirkung, nämlich die der Stärkung der Machtkonzentration haben, dann komme ich zu folgenden Überlegungen. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich habe zu Beginn eingehend dargelegt, wie bei der Erarbeitung des Kartellgesetzes eine vernünftige kartellpolitische Ordnung durch den Bundesverband der Deutschen Industrie und den Bundeskanzler torpediert worden eist. Vor einiger Zeit hat nun Herr Dr. Riffel, der Vorsitzende dies Ausschusses für Wettbewerbsordnung im BDI, zunächst sehr richtig festgestellt, daß nach Schätzungen etwa 75 % aller Leistungen der Wirtschaft durch Bedingungen und Reglementierungen in irgendeiner Form beschränkt werden. Die Konsequenz war dann sehr merkwürdig. Er erhob den Vorwurfgegen die Kartellbehörde, sie wende die Kartellbeistimmungen viel zu engherzig an. Das sind die Auffassungen jener Kreise, Herr Bundeswirtschaftsminister, mit denen Sie damals den Pakt über das Kartellgesetz abgeschlossen haben.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4469
Dr. DeistEin Zweites! Auf der Jahrestagung des Bundes katholischer Unternehmer in Bad Neuenahr — das scheint mir sehr bedenklich zu sein — hat Professor Föhl, Tübingen, im Oktober 1959 ein Referat gehalten und merkwürdigerweise ausgeführt, daß das Kartellgesetz mit den sittlichen Auffassungen nicht vereinbar sei, da man sich als Unternehmer mit seiner Konkurrenz unterhalten müsse. Wenn das Gesetz solche Gespräche verbiete, dann sei es eben unsittlich.Meine Damen und Herren, wenn das so weit geht, daß die Bekämpfung der Machtkonzentrationen in der Wirtschaft als mit dem Sittengesetz in Widerspruch betrachtet wird, dann ist mir erklärlich, warum von Ihrer Partei und von Ihrer Regierung auf dem Gebiete der Bekämpfung wirtschaftlicher Macht über Deklamationen hinaus nichts geschieht. Es muß daher bei der Feststellung bleiben, die ich hier am 12. Juni 1959 getroffen habe: Den Deklamationen über den Konzentrationsprozeß steht keine wirksame Maßnahme zur Seite, den Machtwillen der Großwirtschaft zu brechen.Wir haben heute einen Antrag eingebracht, mit dem wir nicht nur wünschen, daß Sie einen Beschluß über konkrete Maßnahmen fassen. Das hat der Bundestag in der Vergangenheit zur Genüge getan, ohne daß etwas geschehen ist. Wenn Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, den Kampf gegen die Machtkonzentration — nicht gegen die normale unternehmerische Konzentration dort, wo sie vernünftig ist —, aber gegen den Machtmißbrauch ernst meinen, dann müssen Sie über Ihre heutigen Erklärungen hinausgehen und müssen wirklich ernsthafte Maßnahmen ergreifen, so wie wir sie Ihnen vorgeschlagen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, auf der Rednerliste steht noch Herr Kollege Dr. Burgbacher mit einer Redezeit von 20 Minuten, Herr Dr. Preusker hat sich gemeldet, Herr Dr. Bucher hat einen Zusatzantrag zu dem Enqueteantrag eingereicht. Wir hatten verabredet, um 9 Uhr Schluß zu machen. Sie können weiterreden. Ich erkläre Ihnen hiermit, daß ich Punkt 9 Uhr krank bin.
— Dann müssen Sie für Ablösung sorgen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht zumutbar, daß Herr Professor Burgbacher bis 9 Uhr, also in sieben Minuten, die Antwort gibt. Wenn die Sitzung um 9 Uhr geschlossen werden soll, dann schlagen wir vor, daß wir jetzt schließen und die Diskussion morgen früh weiterführen. Das entspricht nicht den interfraktionellen Vereinbarungen. aber ich kann es nicht hindern, daß der Herr Präsident um 9 Uhr krank wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich habe nicht mein Interesse, ich habe das Interesse von uns allen wahrzunehmen. Gestern haben hier drei Blumensträuße für früh verstorbene Kollegen gelegen. Erinnern Sie sich bitte daran! Wenn Sie sagen: „Um 9 Uhr", dann sind Sie um 1/210 auch noch nicht zu Ende. — Bitte, Herr Kollege Deist, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Fraktionen vereinbart haben, daß der letzte Redner auf der zwischen den Fraktionen vereinbarten Rednerliste, Herr Kollege Burgbacher, vor 9 Uhr zum Wort kommen soll und daß wir ihn — er hat das Schlußwort zu der Großen Anfrage — auch heute noch anhören. Das ist eine Vereinbarung der Fraktionen.
Ich wäre dankbar, Herr Präsident, wenn Sie ungeachtet Ihrer sicher anerkennenswerten sonstigen Bedenken dieser Vereinbarung Rechnung tragen wollten. Ich habe mich jedenfalls auch in der Redezeit beschränkt, weil ich versprochen hatte, etwa fünf Minuten vor 9 Uhr zu enden, was ich auch getan habe. Ich glaube, es wäre im gemeinsamen Interesse, wenn diese Vereinbarung durchgeführt würde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe vorhin gesagt: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Burgbacher. Das war schon vor fünf Minuten gesagt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, etwas im Telegrammstil zu sprechen. Ich werde alles weglassen, was wegzulassen möglich ist, damit ich die Geduld des Herrn Präsidenten und des Hohen Hauses nicht mehr als unbedingt notwendig in Anspruch nehme. Ich werde auch als letzter Sprecher nicht neue Gesichtspunkte vorbringen, sondern nur, soweit es notwendig ist, auf das eingehen, was hier vorgetragen wurde.Unser Herr Kollege Kurlbaum machte über die Dauer von der Einbringung der Vorlage bis zur Beratung einige Bemerkungen. Nun, meine Herren von der SPD, zwei positive Seiten hatte aber diese Vertagung für Sie: Einmal hatten Sie Zeit, Ihren beachtenswerten Antrag auszuarbeiten; er hat jetzt auch so lange wie unsere Beratung gedauert, bis er fertig war.
Weiter hatten Sie die Chance, diese Debatte unter Ihrem neuen Parteiprogramm zu führen. Vielleicht hat dieses neue Programm einige Ungelegenheiten aus dem alten beseitigt.
Übrigens haben Sie darauf hingewiesen, daß Sie sich auch schon vor unserer Anfrage mit Mittelstandsfragen und dieser Konzentrationsproblematik befaßt haben. Das kann ich Ihnen bestätigen. Ich habe in den alten Schmollerschen Jahrbüchern nach-
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4470 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. Burgbachergelesen, daß Ihre Partei und auch, wenn Sie wollen, unsere Vorgängerin bereits 1897 auf dem 8. Evangelischen Kongreß Debatten geführt haben, die man heute wörtlich vorlesen könnte, und sie wären noch hochaktuell. Schon damals war der Mittelstand in tödlicher Gefahr. Auch heute soll er es sein. Aber er lebt noch,
denn sonst könnte man nicht einmal behaupten, daß er heute noch in tödlicher Gefahr sei.Damit möchte ich sagen, daß wir hier eigentlich unter dem Titel „Konzentration" eine Debatte über das Wachstum einer modernen Wirtschaft geführt haben. Wir haben uns über Entwicklungsprobleme der modernen Wirtschaft unterhalten und haben dabei die Vor- und Nachteile abgewogen.
Bei den Ausführungen über die Börsenwerte ist etwas Merkwürdiges festzustellen. Herr Kollege Kurlbaum nannte für 1953 20 Milliarden, für 1959 120 Milliarden Kurswerte. Ich habe mir die Angaben vom Statistischen Bundesamt geben lassen. Sie lauten: 1953 etwa 19 Milliarden. Da ist kaum ein Unterschied. Aber für 1959 nur 65 Milliarden! Herr Kollege Kurlbaum hat eine glaubwürdige Unterlage vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften, und ich glaube auch eine glaubwürdige Unterlage vom Statistischen Bundesamt zu haben. Die Gelehrten müssen sich nun darüber klarwerden, welche der Zahlen richtig ist.Zur Sache möchte ich folgendes bemerken: Erstens. Die Entwicklung an den Börsen ist ein Zeichen des Vertrauens zur Stabilität der von uns gesteuerten oder unter unserer Regierung entwickelten Wirtschaft.
Zweitens: An der Börse werden nicht alle in festen Händen befindlichen Aktien gehandelt. Sie werden notiert, aber nicht gehandelt. Da wir alle wissen, daß über 70 % von den notierten Werten in festen Händen sind — was wiederum im Sinne der Debatte Ansatz zu einer gewissen Kritik gibt —, dürfen wir nicht argumentieren: es ist ein Skandal, daß die 70 % in festen Händen sind!, und gleichzeitig den Eindruck erwecken, als wären sie an der Börse und dieser Reichtum wäre echt vorhanden. Nur das fluktuierende Material ist an der Börse, und den Börsengewinn hat nur der, der realisiert. Der Paketbesitzer kann und wird nicht realisieren. Wir müssen uns also darüber klar sein, was dahintersteckt.Im übrigen, meine Damen und Herren, finde ich für meine Person es auf jeden Fall erfreulicher, mich in diesem Hohen Hause über Probleme vielleicht auffallenden Reichtums zu unterhalten als über Probleme irgendwelcher- Armut.
Und noch etwas! Es ist gesagt worden, es sei ein kleiner Fisch, daß Wohnungen in den Händen großer Wohnungsbaugenossenschaften sind. Ich möchtezunächst feststellen, daß wir allen Grund haben, den Männern, die in der großen Wohnungsnot mit dem Wiederaufbau angefangen haben, dankbar zu sein. Aber das Wohnungseigentum in kollektiver Hand ist nicht unser politisches Endziel.
Wenn diese großen Wohnungsbaugenossenschaften Wohnungen für die Bürger gebaut und verkauft hätten, dann hätten sie nach unserer Vorstellung eine noch größere Aufgabe erfüllt.
Sie werden sagen, das gehe nicht. Warum geht es nicht? Es geht deshalb nicht, weil durch die Wohnungszwangswirtschaft,
durch die Verzerrung in der Wohnungswirtschaft zwischen der Miete und dem Marktpreis ein vorläufig unüberbrückbarer Unterschied besteht.
Wenn wir neben dem Wertpapiermarkt einen echten Wohnungseigentumsmarkt hätten, dann hätten wir über diese Börsenzahlen heute nicht zu sprechen brauchen. Denn dann würde das ersparte und zum Markt drängende Geld auf mehr Aufnahmefähigkeit, auf mehr Objekte stoßen, als es jetzt bei der Wohnungszwangswirtschaft stoßen kann.
Ich glaube, es war der Ire Shaw — der bekanntlich Sozialist war —, der einmal auf einem Sozialistenkongreß gesagt hat: Meine lieben Freunde, ich bin nicht Sozialist geworden, damit die Reichen ärmer, sondern damit die Armen reicher werden.
Das ist unsere Auffassung.
Legal erworbenes Eigentum steht für uns außer jeder Debatte.
Aber die Eigentumsbildungseit der Währungsreform, wie sie sich heute darstellt, entspricht nicht unserer Auffassung und ist nicht Endziel unserer Politik. Es handelt sich, um eine Etappe auf dem Weg, die unvermeidbar war,
weil die Wirtschaft kapitalarm war. Wir fangen nicht alles auf einmal an, wir gehen Schritt für Schritt.
Wir bauen erst die Wirtschaft auf — das haben wir getan —, wir schaffen die Vollbeschäftigung — das haben wir getan —,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4471
Dr. Burgbacherwir brachten die Rentenreform — das haben wir getan , und nunmehr werden wir Maßnahmen — keinen Zwang! — ergreifen, um die Eigentumsbildung in breiter Streuung zu fördern.
Herr Atzenroth hatte Bedenken, wir könnten bei den eigentumsfördernden Maßnahmen nur solche treffen, die allen zugute kommen. Ich habe schon einmal gesagt und wiederhole ,es: Ich habe von Kreisen der Wirtschaft nie einen Einwand gegen irgendeine Förderungsmaßnahme mit der Begründung gehört, sie komme nicht allen zugute. Wenn eine Förderungsmaßnahme gerecht ist, dann ist sie auch für die Gruppen gerecht, die es angeht, wobei selbstverständlich innerhalb der Gruppe die Gleichheit der Förderung entscheidend sein muß. Wir schenken auch kein Eigentum, wenn wir Steuerprivilegien und Prämien geben.Unser Herr Kollege Lange hat uns vorgeworfen, wir regierten seit 1949 — ja, Gott sei Dank stimmt das —, und wir hätten doch das Ahlener Programm gehabt. Nun, ich bin gar nicht so vermessen, zu behaupten, wir hätten das Ahlener Programm bereits durchgeführt.
Aber der hockgeschätzte Kollege Lange sollte doch mit Programmvorwürfen vorsichtig sein, solange man selber noch in Geburtswehen ist.
Was haben wir denn heute kritisiert? Mit ziemlicher Einigkeit haben wir gewisse Dinge kritisiert. Also gibt es Dinge, die zu kritisieren sind. Glauben Sie, wir hätten die Kühnheit, zu 'behaupten, daß es unter den gottgewollt unvollkommenen Menschen überhaupt ein System ohne Kritik gibt?
Es handelt sich nicht darum, daß es Kritik gibt. Es handelt sich darum, ob der Saldo positiv oder negativ ist.
Wir haben in zehn Jahren ein Haus, ein schönes Haus hingestellt,
in dem jeder seine Wohnung, jeder sein Brot hat
- in dem jeder seine Wohnung und jeder seinBrot hat
— ich habe es zweimal gesagt; wenn Sie Wert darauf legen, sage ich es noch ein drittes Mal:
— Sie können mir ja beweisen, daß es nicht wahr ist! — jeder seine Wohnung, seine Arbeit und sein Brot hat! — Dann haben wir darüber gesprochen, daß es einige Zimmer gibt, die vielleicht übergroß und vielleicht zu gut eingerichtet sind. Das ist ein Minimum an Kritik, was man an einem Wirtschaftssystem anbringen kann, und kein Maximum. Wir wollen diese Kritik mit dieser Feststellung gar nicht leichtnehmen, wir wollen sie aber auf das richtige Maß zurückführen.
Kollege Deist hat nach dem Sinn der Anfrage gefragt. Nun, ich möchte doch annehmen, daß von dieser Debatte, wenn wir alle sie nicht vergessen und wenn die Öffentlichkeit sie nicht vergißt, doch eine Reihe von positiven Impulsen ausgehen können. Ich muß aber dem Kollegen Deist sagen: Es gibt kein System in Freiheit ohne jede Möglichkeit der Kritik. Ich wiederhole — —
— Ja, wenn es eine Binsenwahrheit ist, warum regen Sie sich denn über die Kritik auf?
Warum machen Sie denn aus der Konzentration --
— Ach was; fühlen Sie mal meinen Puls!
Ich rege mich gar nicht auf.Daß in die Konzentrationsdebatte auch die Kohledebatte hineinkam, das hat mich etwas überrascht.
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Kohlepreiserhöhung von 1957 falsch war; das haben wir schon oftmals gesagt.
Aber vorher war diese Kohle unter einem öffentlichen Kontrollrecht und hat jahrelang unter dem öffentlichen Kontrollrecht des Preisstopps gestanden.
Und nun möchte ich Ihnen den Ball zurückgeben und möchte einmal fragen, ob die Lage der Kohle genauso wäre, wenn sie nicht unter öffentlicher Kontrolle gestanden hätte.
— Vielleicht; das wissen wir beide nicht so ganz genau. Wir wissen höchstens, daß alles anders wäre.
Aber was das Ernste an der Sache ist, Herr Deist:Wenn die Kohle, wie man so schön sagt, in derKrise ist — es ist vorwiegend ein strukturelles
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4472 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
Dr. BurgbacherProblem —, so beweist diese Tatsache, daß die Kohle den Markt nicht beherrscht; sonst wäre sie ja nicht in der Krise.
Der Vorwurf an die „beherrschende Macht" im Sinne der Wirtschaft kann doch nicht darin bestehen, daß diese herrschende Macht im Wind des Wettbewerbs in Not kommt.
Die Tatsache, daß die Kohle in Not ist, beweist, daß sie den Markt nicht beherrscht.
In der Beurteilung des Mineralöls — —
Ja, wegen der 20 Minuten; ich erkenne gern an, daß Sie, Herr Deist, die Vereinbarung eingehalten haben. In der Kritik am Mineralöl gehe ich in vielem mit Ihnen einig. Aber wenn Sie der Meinung sind, die Mineralölleute würden uns über das Benzin zuviel Geld abnehmen, um es mal populär auszudrücken — wofür manches spricht —, dann hoffe ich, daß Sie bei der Heizölsteuer die Konsequenz ziehen, diesen Leuten die 300 Millionen abzunehmen.
Herr Deist hat also von der unterschwelligen Werbepsychologie gesprochen. Ich anerkenne, daß er das Thema meisterlich beherrscht; denn er hat in seiner Rede auch einige unterschwellige Werbung angebracht.
Über die Preise des Fernsehens kann man streiten. Aber ich bitte eins zu beachten: Die Markenartikel werden ja nicht von den Fabriken, die sie herstellen, verkauft, sondern in der Regel von mittelständischen Unternehmen, so daß diese Werbung zwar mittelbar durch den Verkauf des Produkts selbstverständlich dem Produzenten zugute kommt, aber im Absatz des Produkts eben dem mittelständischen Handel und denen, die daran interessiert sind.
Das Beispiel der Preußag! Zweifellos ist die Sache mit den Kleinaktionären noch nicht ganz in Ordnung. Es handelt sich um die erste echte Privatisierung mit Kleinaktien. Wollen Sie nun neben dem Erfolg, daß 216 000 kleine Leute sie gekauft haben und bis heute maximal 10 % den Besitz gewechselt haben — trotz der Bewegung an den Börsen! —, gleich eine perfekte Lösung haben? Ich möchte Ihnen sagen, daß der demokratische Gedanke der Aktionärvertretung durch Schaffung von regionalen oder örtlichen Aktionärvereinigungen, die Vertreter wählen, durchaus diskutabel ist. Dazu bedarf es aber keines Gesetzes. Das ist ein legitimes Anliegen im Rahmen des Gesetzes für alle, die es angeht. Also bitte, rufen wir die Kleinaktionäre auf, das zu tun! Aber wenn sie es nicht tun, wollen Sie dann sagen: Das sind alles Dummköpfe, und nur meine Idee, daß das Depotstimmrecht grundfalsch ist, istrichtig!? Der Bürger ist doch frei darin, wie er seine Vermögen verwaltet. Wenn wir ihn darauf aufmerksam machen, daß es neben den Banken noch die und die und die Möglichkeiten gibt — und ich verrate Ihnen, daß wir das in einer Fibel tun wollen, in der alle über diese Dinge aufgeklärt werden —, er diese Möglichkeiten aber nicht wahrnimmt, wollen Sie oder will die sozialdemokratische Fraktion dann jedem sagen: Ihr seid ja ganz schlecht belehrt; ihr müßt das machen!? Wenn wir dem Menschen die Chance geben, sein Recht wahrzunehmen, dann ist es seine Pflicht, das zu tun, aber nicht unser Recht, ihn dazu zu zwingen.
Die Tatsache, daß wir vor etwa hundert Jahren — —
— Was hat der Herr Kollege gesagt? — Haben Sie „Märchenerzähler" gesagt?
Herr Kollege Baur, ich nehme an, daß der Ausdruck „Märchenerzähler" dieser vorgerückten Stunde zuzuschreiben ist.
Nun, es gibt so viele Märchenerzähler, von denen man noch lange sprechen wird, wenn man von Ihnen gar nicht mehr sprechen wird. Ich fühle mich nicht getroffen.Vor hundert Jahren wurde also die Energie, die wir hatten, zu 95 % von der menschlichen Arbeitskraft und zu 5 % von der Technik gestellt. Heute ist es, soweit man es berechnen kann, umgekehrt. In der Produktion wirken sich mit 95 % die technischen Kräfte und nur noch mit 5 % die physischen Kräfte des Menschen aus. Es scheint mir deshalb sehr wohl notwendig zu sein, daß wir alle in diesem Hause uns gründlich überlegen, ob Löhne und Gehälter noch die allein richtige Bemessungsgrundlage für alle Sozialaufgaben sind. Es handelt sich da um eine Umschaltung in wesentlichen Dingen. Ich glaube aber auch, daß man gerade an den zwei Zahlen, die ich nannte, nicht ohne weiteres vorbeigehen kann.Ich hätte noch sehr viel zu sagen, aber ich möchte mich auch an die Verabredungen halten. Ich habe die Pflicht, die Anträge meiner Freunde und der Fraktion einzubringen. Zunächst der Antrag auf Veranstaltung einer Enquete. Dabei haben wir gesagt, die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt sollten verwertet werden. Wir haben hierbei auch an die Gesetze in den Vereinigten Staaten gedacht. In den Vereinigten Staaten gibt es ein umfangreiches Bukett von small business acts, also von Gesetzen über das kleine Geschäft. Es gibt auch Erfahrungen. Nebenbei bemerkt beweist das, daß unser Problem ein Problem in allen industrialisierten Ländern der freien Welt ist. Wir bitten, über diesen Antrag heute zu entscheiden.Ein weiterer Antrag zum Thema Förderung der Eigentumsbildung und Einführung wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts liegt Ihnen gedruckt vor. Wir meinen, daß alle Steuergesetze
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4473
Dr. Burgbachermit dem Ziel überprüft werden sollten, daß — ich bitte, daß ich diesen Satz zur Sache noch sagen darf — steuerliche Vorteile nur für organisch gebotene Zusammenschlüsse bestehenbleiben, aber für rein organisatorische, d. h. nur auf Macht gerichtete Zusammenschlüsse nicht 'bestehenbleiben. Das bedeutet, daß man den organischen Zusammenhang z. B. zwischen Kohle und Eisen oder zwischen Öl und Chemie anerkennt, daß man aber keinen organischen Zusammenhang anerkennt z. B. zwischen einem Eisenwerk und etwa einer Baumaterialienhandlung, um zu vermeiden, daß die Gewinne des einen zur Subventionierung des anderen — mit steuerlichen Vorteilen — benutzt werden.Bei der Reform des Gesellschaftsrechts sind wir auch mit der Forderung nach einer viel weitergehenden Transparenz einverstanden. Wir sind auch damit einverstanden das heißt, ich hoffe, daß sich dafür bei uns auch eine Mehrheit findet —, daß diese Transparenz nicht nur für juristische Personen, sondern auch für Personengesellschaften und Personen — allerdings von einer ziemlich hohen Ebene an —
gefordert werden soll.Über die Überprüfung der Wettbewerbsbeschränkung ist gesprochen worden; zur betriebsnahen Mitbestimmung hat Kollege Mick einiges ausgeführt. Ich möchte an alle großen Unternehmen in der Wirtschaft von diesem Platz aus den Appell richten, aus ihren Unternehmen keine zentrale Kommandostelle zu machen, sondern nach dem Subsidiaritätsprinzip möglichst viele Zuständigkeiten von oben zur Mitte und bis nach unten zu geben. Es ist ein Irrtum, wenn man annimmt, daß in großen Unternehmen unternehmerisches Denken nicht auch auf der Mittel- und Unterstufe möglich wäre. Im übrigen möchte ich auf eine weitere Begründung verzichten.Wir beantragen, unseren Antrag und den Antrag der Fraktion der SPD an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.Ganz zum Schluß möchte ich sagen, wir sind nicht überzeugt, daß unsere stark auf die Person bezogene Wirtschaftsordnung dadurch von ihren Mängeln befreit werden kann, daß man die Verantwortung zentraler Kontrollinstanzen an die Stelle der Verantwortlichkeit der beteiligten Personen setzt. Wir wollen die Freiheit für jeden bewahren. Wir sind zu Uferregulierungen bereit, aber wir sind nicht bereit, die Kraft der Freiheit unter eine Kontrolle zu stellen, die sie hemmen muß.
Meine Damen und Herren! Nachdem ich mich unvorhergesehenermaßen hier oben statt auf der Rednertribüne befinde, liegen Wortmeldungen zur Großen Anfrage nicht
mehr vor. Die Aussprache über die Große Anfrage ist abgeschlossen.
Von Herrn Abgeordneten Burgbacher ist über den Antrag auf Umdruck 391 sofortige Entscheidung beantragt worden.
Dazu hat nun von der Fraktion der Freien Demokraten Herr Abgeordneter Bucher das Wort zur Begründung eines kurzen Änderungsantrages erbeten. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen vor, in diesem Antrag —Umdruck 391 — nach dem Wort „alsbald" die Worte einzusetzen: „spätestens bis zum 31. März 1960". Wir würden es begrüßen, wenn auf diese Weise ein Termin gesetzt würde in dem Sinne, wie es auch der Abgeordnete Lange vorgeschlagen hat. Nach den Erfahrungen, die man gemacht hat, entsteht sonst manchmal die Notwendigkeit für die Bundesregierung, ehrenwörtliche Verpflichtungen einzugehen, und der wollen wir sie entheben. Ich glaube, Sie verzichten darauf, daß der kleine Änderungsantrag umgedruckt wird.
Heißt das, daß Sie diesem Antrag zustimmen wollen?
— Gut. Ich will aber für jeden Fall noch einmal formal über den Änderungsantrag abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Der Änderungsantrag zu dem Antrag auf Umdruck 391 ist angenommen.
Wer dem so geänderten Antrag auf Umdruck 391
— in dem also nach dem Wort „alsbald" die Worte „spätestens bis zum 31. März 1960" eingefügt worden sind — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Dann ist beantragt worden — so hatte es der Altestenrat bereits vorgeschlagen —, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP auf Umdruck 392 und den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1279 an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Nun hätten wir heute noch den Punkt 37 erledigen sollen. Ich glaube aber, wir sollten ihn als Punkt 1 auf die Tagesordnung für morgen setzen. Notfalls kann noch interfraktionell vereinbart werden, womit morgen früh begonnen werden soll.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 16. Oktober 1959, 9 Uhr, ein. — Die Sitzung ist geschlossen.