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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zehn Monaten haben die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei eine Große Anfrage zur Wirtschaftskonzentration eingebracht. Aus mancherlei Gründen hat sich die parlamentarische Behandlung dieser Anfrage bis heute hinausgezögert. Um die erste Hinausschiebung hatte ich selber aus Krankheitsgründen gebeten. Der nächste Termin mußte verschoben werden, da sich Kollegen, die unbedingt an der Debatte teilnehmen wollten und nach meiner Meinung auch sollten, auf Auslandsreise befanden. Vor der Sommerpause ließ die durch die Etatverabschiedung angespannte Geschäftslage des Hauses eine Beratung nicht mehr zu.
    Ich erwähne diese Gründe so ausführlich, weil die Verzögerung von einigen Seiten als Verschleppung gedeutet worden ist. An sich sollten solche Unterstellungen gar nicht aufkommen können, da eine Verschleppung nie den Zweck hätte erreichen können, der ihr nachgesagt wird.
    Ich nehme aus der Verzögerung viel lieber das positive Ergebnis. Dieses positive Ergebnis ist, daß sich die deutsche Öffentlichkeit seit zehn Jahren in einer solchen Ausführlichkeit und Intensität mit der Frage der Konzentration befaßt, daß die Bedeutung dieses Problems jedem politisch interessierten Bürger bewußt geworden ist. Von vielen Seiten ist umfangreiches Material zusammengetragen worden, das wertvolle Hinweise lieferte. Presse, Gewerkschaften und die Organisationen der Wirtschaft haben sich
    intensiv mit dem Konzentrationsproblem befaßt, und vor allem die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer hat instruktive Beiträge erarbeitet.
    Wer allerdings geglaubt hat, diese Debatte müsse ,ein fertiges Rezept für den sofortigen Abbau jeglicher Konzentration bringen, der hat sich nach meiner Meinung im Frühjahr ,geirrt, und der wird sich wohl auch heute irren. Die Bekämpfung unnötiger wirtschaftlicher Konzentration und die Einschränkung derjenigen Macht, die auch von jeder unvermeidbaren Konzentration ausgeht, wird eine Aufgabe für eine lange Zukunft sein. Wir sollten hier und heute prüfen, wie die gegenwärtige Situation ist und welche Mittel wir anwenden müssen, um den Gefahren zu begegnen.
    Bei der Analyse unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur sollten wir bei allen Parteien wenigstens annähernd zu den gleichen Ergebnissen kommen können. Warum sollte ich beispielsweise nicht zugeben, daß ich der Analyse, die in dem Entwurf des Grundsatzprogramms der SPD aufgezeichnet worden ist, weithin zustimme? Ich füge dieser Feststellung noch nicht einmal das in der politischen Auseinandersetzung fast unvermeidbare Aber hinzu, das sonst sofort wieder dein Unterschied zwischen den Methoden herauskehren soll. Ich bitte vielmehr auch Sie, die Darstellung der Gegebenheiten von der Frage nach der Schuld an diesen Zuständen wenigstens eine Zeitlang frei zu halten.
    Ich trage diese Bitte nicht deshalb vor, weil ich Angst haben könnte vor dieser Frage nach der Schuld. Denn erstens bin ich selber viel zu jung, um persönlich Schuld tragen zu können, und zweitens bin ich der Meinung, daß eine Schuld im Sinne eines Versäumnisses oder gar der bewußten intriganten Lenkung hier gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang in Frage kommen kann. Ich weiß aber sehr wohl, daß Analysen, wenn man sie unter den Druck der Schuldfrage stellt, sehr oft verzerrt werden; am Ende sucht man dann nicht mehr nach Erkenntnissen, sondern nur noch nach Ausreden.
    Noch eine weitere Vorbemerkung möchte ich mir gerade anläßlich dieser Debatte erlauben. Man kann Untersuchungen von verschiedenen Standpunkten aus führen. Aber einen Ausgangspunkt muß man haben, und den sollte weder der Sprecher noch der Kritiker außer acht lassen. Wir streiten doch hier im Hause so häufig in Detailfragen und tun dann so, als wenn in ihnen die Differenzpunkte lägen. In Wirklichkeit liegen sie viel tiefer, und weil man es nicht wagt, sie offen zu nennen, ficht man dann in Scheingefechten und endet in nutz-



    Schmücker
    loser Polemik; man redet aneinander vorbei, anstatt im offenen Wort zu bekennen, daß man bei d e n Unterschieden angelangt ist, welche die Verschiedenheit der politischen Richtungen begründen, ich möchte sogar sagen, bei den Unterschieden, welche den politischen Richtungen erst ihre ,eigenständige Daseinsberechtigung geben. Gerade in dieser Debatte, meine ich, sollte diese Feststellung vorausgeschickt werden. Denn was hier zur Gro-Ben Anfrage gestellt ist, ist nicht nur ein nüchternes Zahlenspiel der Wirtschaft, sondern ist die Struktur unserer Gesellschaft, sind also die Lebensmöglichkeiten unserer Menschen.
    Meine Damen und Herren! Wir haben den Wohlstand für alle zur Parole gewählt; aber nicht — wie uns häufig unterstellt wird —, um jedem ein unbekümmertes Leben zu ermöglichen und den interessenlosere Spießbürger zum Idol zu erheben, sondern um möglichst allen, die danach verlangen, eine Basis der freien Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu verschaffen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    In der Not mit den Problemen fertig zu werden, ist uns Deutschen sehr häufig gelungen. Die hier angesprochene Frage müssen wir meistern, obwohl es uns gut geht.
    Das große Interesse der deutschen Öffentlichkeit an der Frage der Gestaltung unserer Wirtschaft beweist, daß wir uns nicht in der Gefahr der Verkümmerung des politischen Willens befinden. Ich bin sogar davon überzeugt, daß in der öffentlichen Meinung die Strukturpolitik inzwischen einen Vorrang gegenüber der bis vor kurzem notwendigerweise überbetonten Konjunkturpolitik erhalten hat; und das werte ich als einen Erfolg.
    Das Gesagte gilt nicht nur für den eigenen nationalen oder europäischen Wirtschaftsraum, sondern weit darüber hinaus. Es wäre wohl sonst kaum möglich, daß die Hilfe für die Entwicklungsländer von einer so breiten Mehrheit unseres Volkes getragen ist.
    Natürlich ist nicht alles reiner Edelmut; es sind auch andere Gefühle dabei. Wieder auf Deutschland bezogen: es haben — Gott sei Dank, möchte ich sagen — viele Menschen Sorge, vor allem im selbständigen Unternehmertum der Industrie, des Handwerks und des Handels und den freien Berufen, die Wirtschaft würde ihnen nach dem Wohlstand eines Tages eine bedrückende Abhängigkeit bringen. Das spricht für unsere Menschen und widerlegt die häufige Behauptung von einer politischen Gleichgültigkeit. Wir sollten nun untersuchen, ob und inwieweit die Sorgen berechtigt sind.
    In der Regierungserklärung zu Beginn des 3. Deutschen Bundestages hieß es:
    Wir wollen nicht, daß schließlich bei immer größerer Konzentration der Wirtschaft zu Großbetrieben das Volk aus einer kleinen Schicht von Herrschern über die Wirtschaft und einer großen Klasse von Abhängigen besteht.
    Bundeskanzler Dr. Adenauer und Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Erhard haben wiederholt in eindrucksvollen Worten diese Erklärung unterstrichen. Wir meinen nun, daß es an der Zeit ist, im Sinne dieser Erklärung die Situation unserer Wirtschaft zu diskutieren.
    Wir fragen daher die Bundesregierung erstens:
    Was versteht die Bundesregierung unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration?
    Wir stellen diese Frage, um die auch hier im Hause unzweifelhaft mögliche Einigung darüber zu erzielen, daß die wirtschaftliche Konzentration an sich noch nicht tadelnswert ist. Eine moderne Wirtschaft kann auf Konzentration nicht generell verzichten. Die Massenproduktion von Gebrauchsgütern und die sehr kapitalintensive Herstellung von Grundstoffen und mancherlei Investitionsgütern läßt sich in vielen Fällen ohne eine Konzentration von Produktionsmitteln nicht verwirklichen. Der wachsende Wohlstand unseres Volkes beruht nicht zuletzt auf der Massenproduktion. Die fortschreitende Automation ist zudem ohne größere Betriebsformen kaum vorstellbar, womit allerdings nicht gesagt sein soll, daß diese Automation den Großbetrieben vorbehalten sei. Wir haben bereits heute eine große Anzahl von Klein- und Mittelbetrieben, die sich gerade unter Ausnutzung der technischen Entwicklung erfolgreich im Wettbewerb behauptet haben. Es ist daher durchaus möglich, und ich halte es sogar für wahrscheinlich, daß die kommende Entwicklung den kleineren und mittleren Betrieben neue Chancen gibt. Die Aufgabe des Gesetzgebers wird es sein, dafür zu sorgen, daß die kleineren und mittleren Betriebe diese Chancen wahrnehmen können.
    Es gibt also wirtschaftliche Konzentration, die nicht nur unvermeidbar, sondern sogar erforderlich sind. Natürlich können derartige Unternehmen aus ihrer Vorzugsstellung heraus sehr leicht ungerechtfertigte Vorteile ziehen. Darum wird es unsere Aufgabe sein, solche Möglichkeiten weitestgehend einzuschränken. Wirtschaftliche Macht kann auch zu politischer Macht werden. Sie kann es aber nur bleiben, wenn Parlament und Regierung es zulassen, und das darf auf keinen Fall geschehen.
    Neben den aus ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung heraus gerechtfertigten Konzentrationen gibt es aber auch eine Reihe von Betriebs- und vor allen Dingen Unternehmenskonzentrationen, die gegen jede wirtschaftliche Vernunft verstoßen. Sie leisten nichts, was die Konzentration rechtfertigen könnte, und bestehen nur, weil sie auf Grund veralteter, wettbewerbsfeindlicher Gesetze ein bequemes Leben haben. Sie nutzen mehr oder weniger geschickt vor allem das Steuer- und Gesellschaftsrecht aus. Hätten sie von Anfang an die ganze Härte des Wettbewerbs zu spüren bekommen, wären sie wohl kaum entstanden.
    Erwähnen möchten wir auch, daß die nach unserer Meinung mangelhafte marktwirtschaftliche Regelung unserer Werbung auf einigen Gebieten zu Konzentrationen geführt hat, die allein nach den



    Schmücker
    preislichen und qualitativen Leistungen dieser Firmen nicht zu rechtfertigen sind. Am leichtesten hat es die vertikale Konzentration bei der Ausnutzung veralteter Gesetze. Man kann den Unternehmen, welche die gesetzlichen Möglichkeiten ausnutzen, hieraus keinen Vorwurf machen, so sehr es wünschenswert wäre, daß sie von sich aus maßgehalten hätten. Leider aber war es den gesetzgebenden Organen infolge der dringlicheren Arbeiten der letzten Jahre nicht möglich, eine durchgreifende Reform der Gesetze vorzunehmen. Inzwischen aber dürfte diese Reform zu einer der wichtigsten Aufgaben geworden sein.
    Von jeder Konzentration gehen unter dem geltenden Gesellschafts- und Steuerrecht gesellschaftspolitische Nachteile aus. Bei den vermeidbaren Konzentrationen sind diese Nachteile erheblich größer als bei jenen Konzentrationen, auf die wir, wenigstens zur Zeit, noch nicht verzichten können. Sie führen zur Gefährdung oder gar zur Vernichtung selbständiger Existenzen, die sonst durchaus lebensfähig wären. Dabei nimmt diese Vernichtung selbständiger Existenzen nur selten die Form harter Fehden an. Wir hören immer häufiger, daß Unternehmer ihre Betriebe größeren Unternehmen anbieten und sich selber mit einer Angestelltenposition begnügen. Wir nehmen an, daß der Bundesregierung derartige Vorgänge, die sich gern einen sozialen, um nicht zu sagen karitativen Anstrich geben, nicht unbekannt sind. Sie dürften wohl mit ein Anlaß zu dem eingangs zitierten Satz der Bundesregierung gewesen sein.

    Ich meine, man darf hier feststellen: Jede durch eine vermeidbare Konzentration verursachte Ausschaltung eines selbständigen Unternehmers ist ein Schlag gegen die Marktwirtschaft. Eine Wettbewerbswirtschaft ist ohne unternehmerisches Denken nicht möglich. Natürlich darf man nicht behaupten, daß lediglich der selbständige Unternehmer unternehmerisch tätig werden könne; aber er allein ist in jedem Fall gezwungen, unternehmerisch zu handeln. Eine Marktwirtschaft ohne selbständige Unternehmer ist nicht denkbar.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir sollten uns deshalb im Interesse der Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft bemühen, alle vermeidbaren Konzentrationen abzubauen. Dieser Abbau braucht nicht durch eine dirigistische Politik zu erfolgen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, daß die Wettbewerbsbedingungen, soweit sie durch staatliche Normen beeinflußbar sind, so gestaltet werden, daß es sich nicht mehr lohnt, vermeidbare Konzentrationen vorzunehmen oder aufrechtzuerhalten.
    Um das tun zu können, meine Damen und Herren, möchten wir einen allgemeinen Überblick über die Verhältnisse haben, um auf Grund dieser Unterlagen prüfen zu können, ob etwas und was getan werden muß. In diesem Sinne bitten wir Sie auch, unsere zweite Frage aufzufassen:
    Kann die Bundesregierung einen Überblick
    über den Umfang solcher Konzentrationen in
    der Wirtschaft geben, oder was gedenkt sie zu tun, um sich einen solchen Überblick zu verschaffen?
    Ich wiederhole dazu die Bitte, nicht jahrelang an überperfektionistischen Definitionen und statistischen Zahlen herumzuarbeiten, wenn es auch schwer sein dürfte, einen einmal entfachten Eifer in dieser Branche zu bremsen.
    Unsere dritte Frage lautet:
    Inwieweit sind die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien mit der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden?
    Diese Frage, meine Damen und Herren, geht von der geschichtlichen Vorstellung einer gegliederten Wirtschaft aus. Wir wissen, daß die Einteilung der Wirtschaft in Funktionen weder von unserer Verfassung noch von unserer Wirtschaftskonzeption her tragbar ist. Wir mögen uns heute noch die Bequemlichkeit leisten können, die Wirtschaft in Grundstoffindustrie, Verarbeitung, Weiterverarbeitung, Großhandel, Einzelhandel, Handwerk usw. einzuteilen und daraus Funktionen abzuleiten. Aber das, davon bin ich fest überzeugt, wird bald vorbei sein.
    Das Handwerk ist übrigens ein Beweis dafür, daß es nicht möglich ist, Funktionen aufrechtzuerhalten. Im Handwerk fallen durchweg mehrere Verarbeitungsstufen und der Handel in einem Unternehmen zusammen. Wenn wir dennoch unsere dritte Frage so formuliert haben, dann deshalb, weil die verwendeten Begriffe eben nach wie vor geläufig sind. Wir empfinden es aber als eine gute Gelegenheit, gerade aus diesem Anlaß auf Widersprüche hinzuweisen. Es wird, wie ich sagte, nach unserer Meinung auf die Dauer nicht tragbar sein, bei der Vorstellung zu verharren, es gebe abgrenzbare Funktionen oder Stufen.
    Es wäre nun Faber verhängnisvoll, durch Umkehrschluß aus der Einheitlichkeit der Wirtschaft folgern zu wollen, die Märkte müßten sowohl auf der anbietenden wie auf der nachfragenden Seite vereinheitlicht werden. Die Einheit der Wirtschaft muß vielmehr ihr Gleichgewicht haben in einer möglichst mannigfaltigen Unternehmensstruktur. Ohne diese Mannigfaltigkeit würde der Verbraucher das Recht der freien Konsumwahl, der Arbeiter sein Recht der freien Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes verlieren.
    Die unternehmerischen Möglichkeiten waren in früherer Zeit auf bestimmte Funktionen ausgerichtet, und ich sagte, daß diese Vorstellung auch heute noch besteht. Viele selbständige Großhändler wehren sich beispielsweise gegen ein Vordringen der Grundstoff- und Investitionsgüter- oder Verarbeitungsindustrie in den Handel aus dem Gefühl heraus, daß dieser Handel nur ihnen, den Großhändlern, zustehe. Diese Auffassung scheint mir zu eng zu sein. Wir wehren uns gegen das Vordringen jener Unternehmen in den Handel, weil sie meistens nicht laus unternehmerischen Gründen expandieren, sondern weil sie veraltete Gesetze ausnutzen und ihre Marktmacht erweitern wollen. Der Allgemeinheit entsteht dabei kein Vorteil, im Gegenteil, sie wird häufig benachteiligt. Einer zu einem Konzern



    Schmücker
    gehörigen Eisenhandlung ist es möglich, durch innerbetriebliche Verrechnungspreise unlauter am Markt aufzutreten. Sie benachteiligen dadurch bis zum letzten Kunden alle diejenigen, die das nicht können.
    Wir möchten daher wissen, in welchem Umfang ,die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrie mit ,der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden ist. Wir möchten es wissen, um das tatsächliche Ausmaß der Gefahren für unseren Wettbewerb kennenzulernen.
    Meine Damen und Herren, wir haben absichtlich nicht nur von einem Vordringen der Industrie in den Handel gesprochen, weil wir auch Auskünfte über das Vordringen des Handels in die Industrie haben möchten. Man kann durch eine Konzentration der Nachfrage die Produktionsunternehmen in die gleiche Verlegenheit bringen, wie das durch die Produktion gegenüber dem Handel geschehen kann. Die gesellschaftspolitische Bedeutung unserer Frage nach den unternehmensmäßigen Verbindungen zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen ist offenkundig. Unsere Vorstellung von einer Wirtschaftsstruktur mit einer Vielzahl von Anbietern und einer Vielzahl von Nachfragern soll dem einzelnen die Freiheit bewahren. Allerdings hat die Freiheit nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch ein Risiko. Die Freiheit, die ohne Risiko ist, ist bisher noch nicht entdeckt worden, weder in der Innenpolitik noch in der Außenpolitik.

    (Abg. Dr. Deist: Ganz richtig!)

    Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist also nicht die ängstliche Sorge um die Erhaltung einzelner oder gar bestimmter Unternehmen, sondern Ausgangspunkt ist der Wunsch nach der Sicherung unserer Marktwirtschaft, um mit der Marktwirtschaft unseren Bürgern das Recht zur freien Gestaltung ihres Lebens zu garantieren. Zur freien Konsumwahl, meine Damen und Herren, gehört Initiative. Ich meine, nur der Faule findet sich mit Zuteilungen ab. Beruf und Arbeitsplatzwahl sind eine echte Entscheidung, erst recht aber gehört Initiative dazu, Unternehmer zu sein.
    Wer aus der Marktwirtschaft das Recht auf Rendite aus jeglicher Tätigkeit herleitet, hat uns gründlich mißverstanden. Wer allerdings diese Feststellung mißbraucht, um den notwendigen Reformen veralteter Gesetze auszuweichen, welche zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen dringend erforderlich sind, der hat nach meiner Meinung ebensowenig begriffen, worum es uns geht. Ich richte mich mit dieser Feststellung nicht nur an die Wirtschaft, sondern auch an die Verwaltung, von deren innerer Überzeugung es ebenso abhängt, ob wir die notwendigen Reformen auch durchführen können.
    Meine Damen und Herren, es bestehen heute nicht nur Konzentrationen in der produzierenden und verteilenden Wirtschaft und zwischen beiden. Die Kreditwirtschaft nimmt ebenfalls einen großen Einfluß auf die Gesamtstruktur unserer Wirtschaft. Wir fragen daher die Bundesregierung — das ist unsere
    Frage 4 —: welche Einflüsse gehen von der Kreditwirtschaft auf die Konzentration aus?
    Die Kreditwirtschaft selbst hat einen bemerkenswerten Strukturwandel erfahren. Anfang 1900 gab es noch weit über 1000 Privatbanken in Deutschland. Heute ist die Zahl auf ,etwas über 200 zurückgegangen. Der Einfluß der Privatbankiers ist also erheblich geschmälert worden. Es mag nun nicht populär sein, die Bedeutung der Privatbanken für unsere Wirtschaft zu unterstreichen; jedenfalls haben sie in der Vergangenheit sehr viel geleistet, und ich frage mich häufig, ob diese ihre Aufgaben vom heutigen Kreditwesen, von den heutigen Kreditsystemen in gleicher Weise erfüllt werden.
    Aber eine zweite Frage. Wir wissen aus Gesprächen mit Vertretern aus allen Sparten des Kreditwesens, daß von ihnen einheitlich die Entwicklung zum Vollbankensystem bejaht wird. In den angelsächsischen Ländern ist die Entwicklung anders verlaufen. Dort hat man die Trennung der Aufgaben beibehalten, und es scheint uns, daß man dabei nicht schlecht fährt. Es wird nicht oder kaum möglich sein, in Deutschland die Entwicklung zurückzuschrauben. Aber die Nachteile, die eingetreten sind, müßten dennoch untersucht werden, und man sollte sich, wenn man solche Nachteile feststellt, bemühen, sie abzuändern.
    Ich meine, daß hierzu die Berücksichtigung der englischen und amerikanischen Erfahrungen gehört. Sie können uns wertvolle Hinweise geben. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren, wie es wohl um die Unabhängigkeit eines Unternehmens bestellt ist, das von ein und derselben Bank oder Bankengruppe etwa in folgenden Punkten betreut wird: 1. Depotstimmrecht — das es übrigens in England und Amerika nicht gibt —, 2. Eigenbeteiligung, 3. Kreditgeschäft, 4. Emissionen und Kurspflege und 5. Außenhandelsgeschäft.
    Eine weitere Frage: Wie will eine solche Bank den übrigen Kunden gerecht werden, wenn die Bundesbank beispielsweise restriktive Maßnahmen anordnet? Sehr viele haben das drastische Wort des Bundeskanzlers von dem Fallbeil, das dann immer zuerst die Kleinen trifft, scharf gerügt. Aber ich meine, die meisten haben den Herrn Bundeskanzler sehr genau verstanden. Es würde ja geradezu der Charakter eines Übermenschen dazu gehören, in einer länger anhaltenden schwierigen Situation zum eigenen Nachteil den anderen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
    Aber auch in Zeiten der Hochkonjunktur bestehen gewisse Besorgnisse. Auf jeden Fall ist es wohl besser, wir sorgen durch unsere Gesetzgebung dafür, daß die Bankiers erst gar nicht in diese Gewissenskonflikte hineingeraten.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir werden beim Kreditwesengesetz eine gute Gelegenheit haben, unsere marktwirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Auffassungen fester zu verankern. Wir werden jedenfalls mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eine der wichtigsten



    Schmücker
    wirtschaftspolitischen Entscheidungen dieser Legislaturperiode treffen.
    In unserer fünften Frage wünschen wir von der Bundesregierung Auskunft darüber, ob und in welchem Ausmaß nach ihrer Meinung die Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Konzentration begünstigen. Wir stellen diese Frage, weil es bisher, soweit ich unterrichtet bin, keiner Landesregierung in nennenswertem Ausmaß gelungen ist, in der industriellen Erschließung industriearmer Gebiete Erfolge zu erzielen. Trotz erheblicher Zinsverbilligungen und Zuschüsse sind nur wenige Unternehmer in der Lage, Betriebe in diese Gebiete zu legen, und das, obwohl dort Arbeitskräfte in einem für die heutige Arbeitsmarktlage geradezu erstaunlichen Umfang zur Verfügung stehen.
    Ich glaube nicht, daß man dies einfach auf den Mangel an unternehmerischer Initiative zurückführen darf. Jeder Unternehmer muß seine Kalkulation nach den Realitäten ausrichten. Er muß auf die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens achten. Er muß das nicht nur zum Vorteil seines eigenen Betriebes, sondern auch zum Vorteil der Gesamtheit tun. Er stellt jedoch immer wieder fest, daß alle Zinsvergünstigungen nicht dazu ausreichen, die Standortnachteile auszugleichen. Es kommt also darauf an, in den Industrialisierungsprogrammen viel stärker auf eine Verbesserung der Standortbedingungen zu achten.
    Wir begrüßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich alle Bemühungen der Bundesregierung, strukturschwachen Gebieten Hilfe zu gewähren, und wir freuen uns, daß jetzt auch der Haushaltsausschuß dem Entwicklungsprogramm für zentrale Orte in wirtschaftlich schwachen Gebieten zugestimmt hat.
    Nun zu den kommunalen Bemühungen der Industriewerbung! Die Gemeinden wissen, daß sie von der Gewerbesteuer leben müssen. Folglich versuchen sie, besonders steuerkräftige, also große Gewerbebetriebe in ihren Bereich zu ziehen. In dem Wettlauf um neue Betriebe gewinnen meistens die bereits heute gewerbesteuerstarken Gemeinden, weil sie mehr bieten können. Wir halten diese Entwicklung für bedenklich und fordern die Verantwortlichen auf, für eine Abhilfe zu sorgen.
    Unsere sechste Frage lautet:
    Wie beurteilt die Bundesregierung die Konzentrationsvorgänge in ihrer Wirkung auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer?
    Es ist wichtig, bei allen Konzentrationen darauf zu sehen, ob sie vermeidbar oder unvermeidbar sind. Die vermeidbaren sollte man abbauen. Dafür müssen wir die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Die unvermeidbaren Konzentrationen sollten wir nicht als lästiges Übel hinnehmen, sondern als für die Wohlstandsmehrung unentbehrlich betrachten. Die Nachteile, die sie für die Freiheit bringen können, müssen in anderer Weise gemildert werden. So haben wir auch die Mitbestimmung als ein Mittel der Machtverteilung angesehen. Die Mitbestimmung gehört den Arbeitnehmern als Betriebsangehörigen. Die Mitbestimmung auf Bereiche auszudehnen, die über den Unternehmen stehen, scheint uns die Konzentration eher zu verstärken als abzubauen.
    In der 7. Einzelfrage sprechen wir von dem seit einiger Zeit stark in den Vordergrund gerückten Problem der lohnbezogenen Abgaben. Wir fragen die Bundesregierung, ob nach ihrer Ansicht durch den Unterschied in der Belastung, wie sie sich zwischen den lohn- und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen ergibt, eine Konzentration begünstigt wird.
    Es ist offenbar, daß der rationalisierte, von Arbeitskräften entblößte Betrieb an den Sozialabgaben in geringerem Umfang beteiligt wird als der lohnintensive. Wir haben das gerade anläßlich der Kindergelddebatte ausführlich besprochen. Dabei haben wir allerdings auch die Meinung gehört, daß eine Wettbewerbsbeeinflussung nicht eintrete. Das halte ich für falsch; denn es gibt nicht nur einen Wettbewerb innerhalb der gleichen Branchen, sondern einen allgemeinen Wettbewerb, an dem sich alle Betriebe beteiligen. Das gilt besonders für den Arbeitsmarkt und für den Geld- und Kapitalmarkt. Hier geht die Konkurrenz quer durch alle Bereiche der Wirtschaft.
    Wir müssen also erneut die Frage stellen, ob die Sozialabgaben bei diesen Verhältnissen tatsächlich ausschließlich Lohnbestandteil sind. Wenn die Lohnsumme die ausschließliche Bemessungsgrundlage eines steigenden Sozialaufwandes bleibt, dann muß doch zwangsläufig der Preis für alle Arbeit, die nicht maschinell ersetzbar ist, steigen. Der Umfang der nicht maschinell ersetzbaren Arbeit wird immer sehr groß bleiben. Was aber, wenn diese Arbeit, die vornehmlich von den freien Berufen und dem Handwerk geleistet wird, so hohe Preise fordern muß, daß sie der Durchschnittsbürger nicht bezahlen kann? Sollen wir dann zu Subventionen greifen oder an die Verstaatlichung beispielsweise des Gesundheitsdienstes oder der Rechtsberatung oder ähnlicher Dinge herangehen?
    Ich halte es geradezu für schaurig, diese Konsequenz bis zum Ende durchzudenken. Danach bestünde am Ende die Möglichkeit, daß in der Großwirtschaft marktwirtschaftlich einstweilen alles intakt bleibt, aber die Sozialisierung plötzlich am anderen Ende anfängt. Das darf nach der Auffassung meiner politischen Freunde auf keinen Fall geschehen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hoffen, deutlich gemacht zu haben, daß unsere Abneigung gegen Wirtschaftskonzentrationen weder aus Neidkomplexen herrührt, noch aus der Verteidigung bloßer Besitzinteressen entstanden ist. Das werden uns noch nicht alle Kritiker glauben. Aber ich darf einmal daran erinnern, daß die soziale Marktwirtschaft in den ersten Jahren als reine Besitzbürgerwirtschaft diffamiert worden ist. Inzwischen wird diese Marktwirtschaft selbst von demjenigen Verbraucher, dem am persönlichen Besitz gar nichts gelegen ist, verteidigt und als die beste Wirtschaftsform anerkannt, die ihm den höchstmöglichen Vorteil bietet. Auf die Sicherung dieser Marktwirtschaft kommt es uns an,
    4424 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
    Schmücker
    Ich denke auch mit einiger heiterer Genugtuung an die Jahre, in denen man unserer Mittelstandsarbeit den Vorwurf egoistischer Interessenvertretung gemacht und in denen man diese Arbeit für engstirnige Kästchenpolitik gehalten hat. In Wirklichkeit ging es uns damals und geht es uns heute um die Durchsetzung der Marktwirtschaft bis in jene Kreise hinein, die gewollt oder ungewollt über Privilegien und gesetzliche Unzulänglichkeiten einen Vorteil nach dem anderen erlangen können. Ich wiederhole auch hier: die Benachteiligungen der kleinen und mittleren Unternehmen beruhen auf den Vorteilen der größeren Unternehmen, insbesondere auf steuerlichem Gebiet, die den kleineren und mittleren nicht zugänglich sind. Wir haben manche Äußerungen bedeutender Großunternehmer, die das bestätigen. Ich habe eine Meinungsäußerung in Erinnerung, in der uns sogar der Vorwurf gemacht wurde, daß man ihnen so lange diese Vorteile gewährt hat. Ich kann nur hoffen, daß man, wenn es an die Beseitigung der in Frage kommenden gesetzlichen Bestimmung geht, im konkreten Fall also, gleiches Verständnis zeigt. Daß es sehr schwer werden wird, von Privilegien, die man jahrzehntelang genossen und lieb gewonnen hat, herunterzugehen, ist nur natürlich.
    Wir wissen — und das betonen wir ausdrücklich —, daß die notwendige Reform Rücksicht auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu nehmen hat. Wir wollen den Wettbewerb im Innern stärken und der Vermachtung in der Wirtschaft begegnen. Wir sind davon überzeugt, daß dabei unsere gesamte Wirtschaft — groß und klein — neue Kräfte gewinnen wird. Die Auseinandersetzung wird sehr schwierig sein, nicht nur im praktischen Bereich, wo es um die Brieftasche geht, sondern auch im Grundsätzlichen und im Theoretischen. Aber es geht darum, die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft in unserer gesamten Gesetzgebung zu verwirklichen. Wir sollten es uns zumindest vornehmen, bei allen kommenden Gesetzen darauf zu achten. Wir müssen in vielen Punkten liebgewordene Vorstellungen aufgeben. Das ist nicht leicht, auch nicht für die Verwaltungen, die ja ebenfalls unter einer Einteilung leiden, die praktisch nach jenen Funktionen ausgerichtet ist, von denen ich vorhin sagte, daß wir uns nicht mehr an sie halten können.
    Wir bitten die Bundesregierung in der Frage 8, uns die gesetzlichen Bestimmungen zu nennen, welche nach ihrer Ansicht die Konzentration begünstigen. Diese Frage beinhaltet keine Kritik; denn wohl kein Gesetz ist in der Absicht geschaffen worden, irgendwen zu benachteiligen. Die Gesetze sind nach den Erkenntnissen geformt, die man zur Zeit ihrer Schaffung hatte. Gesetze, die praktische Dinge regeln, müssen aber laufend an die tatsächlichen Verhältnisse angepaßt werden. Was von Dauer und unantastbar sein muß, sind die Grundsätze. Die praktische Verwirklichung müßte dagegen etwas mehr mit der Zeit gehen.
    An dem Beispiel der Umsatzsteuer wird klar, wie unerhört kompliziert die Reform veralteter Gesetze ist. Als die Umsatzsteuer geschaffen wurde, fand man nichts Unnatürliches darin, die einzelnen Unternehmen zu Steuerschuldnern zu machen. Man gab sich der trügerischen Annahme hin, daß es allen Unternehmen in gleicher Weise gelingen werde, die Steuer abzuwälzen. Man nahm also an, alle Waren würden — wenigstens annähernd — gleich belastet werden. Das ist aber falsch; darüber herrscht inzwischen in diesem Hause Übereinstimmung. Eine gleichmäßige Abwälzung ist nur möglich, wenn die Waren ohne Rücksicht auf die Art ihrer Herstellung und Verteilung gleichmäßig belastet sind. Dieser Anforderung würde nach der Meinung vieler Experten eine Mehrwertsteuer gerecht. Sie brächte strukturpolitisch viele Vorteile. Ihre konjunkturpolitischen Auswirkungen sind jedoch noch umstritten. Weiter würden bei diesem System alle Selbständigen mit einer hohen Wertschöpfung, die aus der persönlichen Arbeitsleistung entspringt, sehr stark benachteiligt.
    Aus diesen Hinweisen wird deutlich, daß Reformen, die unerwünschte Wirkungen von Gesetzen beseitigen sollen, sehr leicht andere Nachteile bringen können. Darum ist es auch selten möglich, ein System chemisch rein durchzuhalten.
    Es wird auch diesmal nicht ohne erhebliche Kompromisse abgehen. Wenn sich herausstellen sollte, daß, was ich befürchte, ein Mehrwertsteuersystem mehr Nachteile als Vorteile bringt, so müßten wir bereit sein, auch durch — ich sage das im vollen Bewußtsein der Bedeutung dessen, was ich ausführe — systemwidrige Eingriffe in das jetzige System oder in das Mehrwertsystem einer gerechten Besteuerung näherzukommen. Wichtiger als die Rettung des Steuersystems ist die Wettbewerbsneutralität, ohne die unsere Marktwirtschaft zum Erliegen kommt. Wir hoffen, daß die Vorarbeiten der Bundesregierung uns noch in diesem Jahr vor die Grundsatzentscheidung über die kommende Gestaltung der Umsatzsteuer stellen werden.
    Wir fragen die Bundesregierung in unserer letzten Frage, welche weiteren Maßnahmen sie für notwendig hält, um eine gesunde Struktur der deutschen Wirtschaft im Sinne der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zu gewährleisten. Wir glauben dabei nicht, daß es sinnvoll ist, spezielle Antikonzentrationsgesetze zu schaffen. Voraussetzung ist aber, daß es uns gelingt, durch eine wettbewerbs- und konzentrationsneutrale Gestaltung aller Maßnahmen eine gesunde Gesellschaftsstruktur zu erhalten.
    Wir wollen hier in aller Deutlichkeit feststellen, daß die Fraktionen der CDU/CSU und der Deutschen Partei die Durcharbeitung der Gesetze und ihre laufende Verbesserung für eine der wichtigsten innenpolitischen Aufgaben unserer Zeit halten. Wir freuen uns, daß die bisherige Wirtschaftspolitik die Ausgangsstellung für diese Arbeit gegeben hat. Wir sind froh darüber, daß unsere Außenpolitik es ermöglicht, daß wir uns dieser innenpolitischen Aufgabe widmen können.
    Diese Möglichkeiten, so meinen wir, sind zugleich eine Verpflichtung. Denn wenn wir jetzt die Chance verspielen, kann eines guten Tages alles umsonst gewesen sein. Die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft, vor allen Dingen ihres Struktur- und ge-



    Schmücker
    sellschaftspolitischen Gehalts, ist ein Teil unseres Ringens um die Erhaltung unserer Freiheit. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur dem Parlament und der Regierung, sondern auch den Sozialpartnern und der gesamten Öffentlichkeit. Wir sollten daher alles tun, um möglichst vielen Menschen klarzumachen, daß es im Interesse aller liegt, eine möglichst vielgliedrige Struktur unserer Wirtschaft und damit auch unserer Gesellschaft zu erhalten.
    Meine Damen und Herren, die Wirtschaft ist es gewöhnt, ihre Probleme nüchtern und sachlich zu erörtern. Das sollten auch wir tun. Aber wir dürfen keinen Augenblick vergessen, daß es hei diesem Bemühen um eine freiheitliche Gesellschaftsordnung um unsere Existenz geht. Darum ist diese Sorge es wert, daß wir nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit ganzem Herzen dabei sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage —.Drucksache 702 — gehört.
Zur Beantwortung gebe ich das Wort dem Herrn Bundeswirtschaftsminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung beantworte ich die Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP des Bundestages betreffend Wirtschaftskonzentration wie folgt.
    Ich werde die Fragen im einzelnen wiederholen, um die Antwort deutlicher zu gestalten.
    Frage 1 lautet:
    Was versteht die Bundesregierung unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration?
    Im Mittelpunkt der Diskussion, die allenthalben über die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Beurteilung der Konzentration in Fluß gekommen ist, steht die Befürchtung, daß sich ein immer größerer Teil der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und damit zugleich der wirtschaftlichen Macht auf einen sich ständig verkleinernden Kreis von Unternehmen beschränkt. Dabei spielt es für die Verwendung des Begriffes Konzentration keine Rolle, ob es sich um das betriebliche Wachstum einzelner Unternehmen, um die Verschmelzung mehrerer Unternehmen oder um ihre Zusammenfassung in einem Konzern handelt. Ebenso ist es belanglos, ob sich der Konzentrationsprozeß in der Form abspielt, daß bisher selbständige Unternehmen vom Markt verdrängt oder aufgesaugt oder ob Neugründungen erschwert oder verhindert werden. Befürchtet wird vielmehr eine Entwicklung, mit der die wirtschaftliche Verfügungsgewalt — sei es durch rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten oder durch persönliche Verbindungen — in zunehmendem Maße in die Hände einiger Weniger übergeht. Auch bei der Behandlung der vorliegenden Großen Anfrage soll unter Konzentration jede Zusammenballung wirtschaftlicher Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten hei einem immer kleiner werdenden Kreis von Unternehmen verstanden werden.
    Was nun die Frage anlangt, was unter wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünschter Konzentration zu verstehen ist, so werde ich mir erlauben, die Stellungnahme der Bundesregierung und ihre Beurteilung des Problems erst vorzutragen, wenn durch die Ausführungen zu den folgenden Fragen die vielgestaltigen Erscheinungsformen der Konzentration eingehender dargelegt worden sind.
    Ich komme zur Frage 2. Sie lautet:
    Kann die Bundesregierung einen Überblick über den Umfang solcher Konzentrationen in der Wirtschaft geben, oder was gedenkt sie zu tun, um sich einen solchen Überblick zu verschaffen?
    Ich antworte: Die vorhandenen statistischen Unterlagen reichen für einen zahlenmäßigen Nachweis der bestehenden Konzentration nicht aus. Sie können vielmehr nur, wie es z. B. auch der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Bericht über die wirtschaftliche Lage in den Ländern des Gemeinsamen Marktes vom September 1958 tut, gewisse Aspekte des Konzentrationsproblems beleuchten.
    Drei statistische Tabellen zur Industrieberichterstattung, zur Umsatzsteuerstatistik und zur Statistik der Eigentumsanteile am Kapital der Aktiengesellschaften sind den Herren Abgeordneten zugeleitet worden.
    Eine vergleichende Betrachtung der Industrieberichterstattung der Jahre 1952 bis 1957 erweist, daß sich die Zahl der kleinen und mittleren Industriebetriebe — bis zu 200 Beschäftigten — gehalten hat, daß aber die Zahl der größeren Betriebe um fast ein Drittel angewachsen ist. Hierin zeigt sich ein allgemeiner Zug zum größeren Betrieb, der auch im Handwerk und im Handel festgestellt worden ist.
    Auch aus der Umsatzsteuerstatistik geht hervor, daß der Anteil der Unternehmungen mit Umsätzen von mehr als 25 Millionen DM im Laufe der letzten Jahre zugenommen hat. Allerdings hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Steuerpflichtigen in dieser Größenklasse ebenfalls erhöht, auch dadurch, daß zahlreiche Betriebe in höhere Umsatzsteuerklassen aufgerückt sind. Daher kann aus der Ausweitung des Umsatzanteiles dieser Unternehmungen nicht mit Sicherheit auf eine Konzentrationsbewegung geschlossen werden. Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß in einer großen Anzahl von Wirtschaftsbereichen, z. B. Kraftfahrzeughandwerk, Baugewerbe, Produktion und Reparatur von und Handel mit Gütern des gehobenen Bedarfs, zahlreiche Betriebe durch den Zugang und das Wachstum wirtschaftlich selbständiger Existenzen sich in kurzem zu ansehnlichen Betriebsgrößen entwickeln konnten.
    Eine Arbeitsstättenzählung, die sämtliche gewerbliche Betriebe, unter Ausschluß also der landwirtschaftlichen Arbeitsstätten, erfaßt, wurde zuletzt im Jahre 1950 durchgeführt. Die damals ermittelten



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Zahlen können die gegenwärtigen Verhältnisse
    aber nicht mehr hinreichend kennzeichnen. Die
    nächste Arbeitsstättenzählung ist für 1961 geplant.
    Die Ergebnisse der Vermögensteuerstatistik 1953 ließen sich zur Feststellung eines Konzentrationsprozesses allenfalls mit der letzten Vorkriegserhebung aus dem Jahre 1935 vergleichen. Es erscheint jedoch ratsamer, für Vergleichszwecke die in der Auswertung befindliche Vermögensteuerstatistik 1957 abzuwarten, um die Vermögensverhältnisse mit Hilfe eines zeitnäheren Vergleichs analysieren zu können.
    Bietet die amtliche Statistik schon hinsichtlich der Unternehmenskonzentration nur sehr spärliche Unterlagen, so gilt dies noch mehr für die Eigentumskonzentration. Die für die Jahre 1956 und 1958 durchgeführte Untersuchung über die Streuung des Eigentums am Kapital der deutschen Aktiengesellschaften, die nach Dauer-, Schachtel- und Publikumsbesitz trennt, gibt zwar gewisse Anhaltspunkte für die Entwicklung der Konzernverflechtungen, doch weist das Statistische Bundesamt darauf hin, daß die Ergebnisse aus erhebungstechnischen Gründen nicht exakt vergleichbar seien. Der relativ steigende Betrag derjenigen Aktien, die dauernde Beteiligungen — Dauerbesitz und Schachtelbesitz — darstellen, läßt aber zumindest die Tendenz einer wachsenden Konzentration des Eigentums an den Aktiengesellschaften erkennen.
    Weitere Anhaltspunkte für den Umfang von Konzentrationen ergeben sich aus den Vorschriften des Kartellgesetzes vom 27. Juli 1957, das in § 23 die Meldung von Unternehmenszusammenschlüssen vorschreibt. Die Prüfung der seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstatteten Meldungen durch das Kartellamt hat ergeben, daß in 22 von insgesamt 30 gemeldeten Fällen der Marktanteil der zusammengeschlossenen Unternehmen größer als 20 v. H. ist. Aus dieser Feststellung allein läßt sich allerdings noch kein zutreffendes Bild darüber gewinnen, in welchem Grad die betreffenden Unternehmen auf ihren Tätigkeitsgebieten marktbeherrschend sind.
    Um einen genauen Überblick über die laufenden Konzentrationsvorgänge und den bereits erreichten Konzentrationsgrad in der Wirtschaft zu gewinnen, müßten Sonderuntersuchungen für einzelne Wirtschaftsbereiche oder für Großbetriebe und Konzerne von einer bestimmten Umsatz-, Kapital- und Beschäftigungsgrenze an durchgeführt werden. Diese Untersuchungen würden zweckmäßigerweise in Form einer Enquete stattfinden. Die Bundesregierung befürwortet die Durchführung einer solchen Erhebung. Sie wird prüfen, welche Voraussetzungen dafür zu schaffen sind.
    Ferner dürften die künftigen statistischen Erhebungen — Arbeitsstättenzählung, Handelszählung, Umsatzsteuerstatistik, Gewerbesteuerstatistik, Vermögensteuerstatistik — sowie die bei der Aktienrechtsreform vorgesehene erweiterte Publizitätspflicht der Aktiengesellschaften dazu beitragen, daß wir einen besseren Einblick in den Stand und die Entwicklung der Konzentration erhalten.
    Ich komme damit zur Frage 3, die lautet:
    Inwieweit sind die Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien mit der nachgeordneten Verarbeitung und dem Handel verbunden?
    Die Antwort: Der Prozeß der Wirtschaftskonzentration spielt sich nicht nur in der Richtung Vorproduktion—Verarbeitung—Handel ab. Vielmehr hat sich die Konzentration vor allem in den Grundstoffindustrien auch in umgekehrter Richtung, d. h. zu den vorgelagerten Stufen hin, entwickelt. In diesen Fällen wird das Motiv zur Konzentration in der Regel die Sicherung der Versorgung sein, während im umgekehrten Falle einer Konzentration in Richtung zu den nachgeordneten Stufen das Interesse an einer Sicherung des Absatzes ausschlaggebend ist.
    Wie ich in der Antwort auf Frage 2 bereits ausgeführt habe, stehen der Bundesregierung ausreichende Unterlagen für eine quantitative Beurteilung der Konzentration nicht zur Verfügung. Sie war jedoch bemüht, sich ein Strukturbild der vertikalen Verbindungen in den Grundstoff- und Investitionsgüterindustrien zu verschaffen.
    Um die Beantwortung der Anfrage nicht mit einer Aufzählung von Einzelheiten zu belasten, habe ich mir erlaubt, den Mitgliedern des Hohen Hauses eine Zusammenstellung zuzuleiten, welche die vertikalen Verbindungen im Bergbau, in der Energieversorgung, der chemischen Industrie, der Mineralölwirtschaft, in sonstigen Grundstoffindustrien und in wichtigen Zweigen der Investitionsgüterindustrien behandelt.
    Nun zur Frage 4:
    Welche Einflüsse gehen von der Kreditwirtschaft auf die Konzentration aus?
    Durch das Kreditgeschäft der Banken können Konzentrationsbestrebungen der Wirtschaft gefördert werden, sei es — was seltener vorkommt —, daß unmittelbar zur Durchführung von Konzentrationsabsichten Bankkredite gewährt werden, sei es, daß durch die Kreditaufnahme eigene Mittel des Unternehmens für den Erwerb von Beteiligungen frei werden. In beiden Fällen bürgt das Bankinteresse in der Regel dafür, daß es sich um eine betriebswirtschaftlich gesunde Erweiterung des Unternehmens handelt. Falls nicht der Ausbau oder der Erwerb einer marktbeherrschenden Position angestrebt wird, dürfte eine derartige Erweiterung auch volkswirtschaftlich zu dem Kreis der unbedenklichen Konzentrationserscheinungen gehören.
    Eine besondere Prüfung verdient allerdings die Frage, ob die allgemeine Geschäftspolitik der Kreditinstitute Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft indirekt dadurch fördert, daß kleine und mittlere Unternehmen infolge ungenügender Befriedigung ihres Kreditbedarfs oder wegen hoher Kreditkosten konzentrationsanfälliger werden. Hierzu ist folgendes festzustellen:
    Die Struktur des deutschen Kreditgewerbes ist vielgestaltig genug, um allen Unternehmensgruppen die ihren Bedürfnissen angepaßte Kreditversorgung zu gewährleisten. Die Hauptgruppen des Kreditgewerbes können geradezu nach ihrem Kunden-
    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4427
    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    kreis klassifiziert werden. Dabei ist erfreulicherweise ein Anwachsen des Marktanteils derjenigen Gruppen zu konstatieren, die vorwiegend der Kreditversorgung mittlerer und kleiner Unternehmen dienen. Auf diese Gruppen entfällt ein Anteil von über zwei Drittel an der Gesamtbilanzsumme aller Kreditinstitute. Aber auch die Großbanken haben stets und mit Erfolg Wert darauf gelegt, viele kleinere Unternehmer als Kunden zu haben.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Klage, daß Kreditinstitute die kleineren Unternehmer bei der Gewährung von Krediten im Vergleich zu Großkunden gleicher Bonität benachtetiligen, ist in dieser Verallgemeinerung kaum berechtigt. Wie die Zinsentwicklung des letzten Jahres gezeigt hat, wird bei hoher Liquidität der Wettbewerb stärker und die Spanne zwischen Kosten von Groß- und Kleinkrediten so eng, daß heute für Kleinbetriebe eine Kreditaufnahme nicht wesentlich teurer ist als für Großunternehmen. Ganz wenden sich freilich die Unterschiede in den Kreditkosten zwischen Groß- und Kleinbetrieben nie beseitigen lassen, da sich hier wie beim Warenbezug der marktwirtschaftlich bedingte Rabatt für Großabnehmer stets bis zu einem gewissen Grade auswirken wird.
    Bei Unternehmenszusammenschlüssen wirken Kreditinstitute üblicherweise mit, wenn zu solchen Zwecken Kapitalerhöhungen durchgeführt oder Anleihen aufgenommen werden. Das Emissions- und Placierungsgeschäft ist jedoch eine legitime Betätigung der Kreditinstitute und kann deshalb grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn damit zuweilen auch eine gewisse Hilfestellung bei Konzentrationsvorgängen verbunden sein kann.
    Bedenklich im Sinne der Konzentration wäre dagegen ein spekulatives Zusammenkaufen einer Beteiligung durch ein Kreditinstitut in der Absicht, die Beteiligung einem Großaktionär oder einem Konzern anzubieten, der durch sie beherrschenden Einfluß auf das Unternehmen gewinnt und daher zur Zahlung eines Paketzuschlages bereit ist.
    Häufiger dürfte es allerdings vorkommen, daß Kreditinstitute einem Interessenten ihre Dienste als Einkaufskommissionär — nicht selten in Verbindung mit der Erteilung von Unterkommissionen — beim planmäßigen Aufkauf von Aktien eines Unternehmens zur Verfügung stellen. Falls das Kreditinstitut Einblick in stille Reserven oder verborgene Geschäftschancen des Unternehmens hat, die aus dessen Geschäftsberichten und Dividendenpolitik weder für die breite Öffentlichkeit noch für die Börse erkennbar waren, so kann es bei derartigen Aufkäufen zu billigen Preisen unter Umständen in eine erhebliche Kollision mit den Interessen anderer Kunden, insbesondere seiner Depotkunden geraten, die sich bei ihrer Entscheidung über den An- und Verkauf von Aktien von dem Kreditinstitut beraten lassen. Bis zu einem gewissen Grad wird hier die für die Neuregelung des Aktienrechts vorgesehene wesentlich größere Transparenz der Bilanzen Abhilfe schaffen können.
    Mit Hilfe der Stimmen, die auf die Aktien ihrer Depotkunden entfallen, beeinflussen die Kreditinstitute wesentlich das Ergebnis der Hauptversammlungen zahlreicher Gesellschaften. Verstärkt wird diese Einflußmäglichkeit noch, wenn Depotstimmrechte — ich möchte hier nicht darauf eingehen, wieweit dies rechtlich zulässig ist — durch Übertragung bei einem Kreditinstitut zusammengefaßt werden, das an dem betreffenden Unternehmen geschäftsmäßig besonders interessiert ist. Wollte man aber den Versuch unternehmen, das Depotstimmrecht der Kreditinstitute labzuschaffen, so wäre zu befürchten, daß in den Hauptversammlungen Minderheitsgruppen einen entscheidenden Einfluß erlangen, was ebenfalls nicht gebilligt werden könnte. Auf die heute schon mögliche Übertragung des Stimmrechts auf andere Bevollmächtigte — z. B. Wirtschaftsprüfer — kann der Aktionär nicht gut verwiesen werden, da hierbei, abgesehen von der Gefahr neuer Machtkonzentration, vor rallem den Kleinaktionären nicht zumutbare Kosten entstehen. Aus dem gleichen Grunde bietet ein stärkeres Hinwirken auf Teilnahme des einzelnen Aktionärs an der Hauptversammlung keine praktikable Lösung dieses Problems.
    Die dem Depotstimmrecht innewohnende Gefahr einer Machtausübung mittels fremder Stimmen kann nur dadurch gebannt werden, daß bei der Stimmrechtausübung mehr als bisher der Wille des Aktionärs zur Geltung kommt. Diesem Anliegen wird bei der Reform des Aktienrechts Rechnung getragen werden. Der im Herbst 1958 vom Bundesjustizministerium veröffentlichte Referentenentwurf eines Aktiengesetzes sieht dieser Richtung vor, daß das Depotinstitut künftig vor jeder Hauptversammlung von dem Aktionär eine Vollmacht zur Stimmrechtausübung einholen und zu jedem Punkt der Tagesordnung seine Weisung erbitten muß. Zu diesem Zweck wird das Depotinstitut dein Aktionär über die einzelnen Punkte der Tagesordnung so hinreichend unterrichten müssen, daß er sich eine eigene Meinung bilden kann; eine bloße Aufzählung der Tagesordnungspunkte wie bisher genügt also nicht mehr. Im übrigen wird man daran denken müssen, im Aktiengesetz ausdrücklich festzulegen, daß die Kreditinstitute das Depotstimmrecht 'ausschließlich im Interesse der Aktionäre auszuüben haben. Auf diese Weise wird das Interesse des Aktionärs an den Angelegenheiten seiner Gesellschaft gestärkt werden. Darüber hinaus ist es wünschenswert, in dem Aktionär das Bewußtsein seiner Rechte und Pflichten durch publizistische Maßnahmen zu wekken.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wichtig!)

    Schließlich läßt sich die Möglichkeit der Übertragung des Stimmrechts auf ein anderes Kreditinstitut — wie es der Referentenentwurf vorsieht — in der Weise begrenzen, daß die Übertragung nur zulässig ist, wenn das Depotkreditinstitut am Ort der Hauptversammlung keine Niederlassung hat.
    Daß den Aufsichtsräten bei fast allen Unternehmen ein oder mehrere Vertreter von Kreditinstituten angehören, hat seine Ursache nicht allein im Depotstimmrecht; der sachverständige Rat erfahrener Bankiers in den Aufsichtsorganen ist für die Gesellschaften allgemein von Nutzen. Mandatshäufungen allerdings erscheinen bedenklich. Daher sieht der



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    Entwurf der Aktienrechtsreform eine Neuregelung der zulässigen Höchstzahl von Mandaten einer Person vor.
    Zu der häufig vertretenen Meinung, die Kreditinstitute hätten in einem wesentlichen Umfang beherrschende Beteiligungen an Unternehmen erlangt, die nicht Kreditinstitute sind, ist festzustellen, daß größere Dauerbeteiligungen dieser Art selten und für ,die deutsche Wirtschaft jedenfalls nicht typisch sind. Die Kreditinstitute üben im allgemeinen einen konzernmäßigen Einfluß auf andere Unternehmen nicht aus. Kennzeichnend ist, daß das Wertpapierportefeuille der Kreditinstitute überwiegend aus festverzinslichen Wertpapieren besteht.
    Bei der Gründung von Investmentgesellschaften durch die Kreditinstitute verhindert die gesetzliche Höchstgrenze für ,die Anlage der Mittel einer Kapitalanlagegesellschaft in Aktien einer Gesellschaft, daß die Kreditinstitute über Kapitalanlagegesellschaften einen wesentlichen Einfluß auf eine Gesellschaft ausüben.
    Ich komme damit zu Frage 5:
    In welchem Ausmaß beeinflussen die Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung die Konzentration?
    Die Bundesregierung geht bei der Beantwortung der Großen Anfrage grundsätzlich von den Problemen der wirtschaftlichen und nicht von denen der räumlichen Konzentration aus. Bei der vorliegenden Teilfrage scheint jedoch der Begriff der Konzentration auch in räumlichem Sinne gemeint zu sein. Ich darf mich auf einige kurze Bemerkungen zu beiden Problemen beschränken.
    Was die betriebliche Konzentration angeht, so kann wohl nicht allgemein unterstellt werden, sie werde durch die kommunale Förderung bewußt begünstigt, indem die Gemeinden sich etwa ausschließlich um die Ansiedlung von Großbetrieben bemühten. Ein solches Verhalten würde häufig ihren Interessen widersprechen, weil es zu einer einseitigen, Entwicklung und damit auch zu einer Krisenanfälligkeit führen würde. Vielmehr beabsichtigen die Gemeinden im allgemein in erster Linie, durch die Ansiedlung von Betrieben auf lange Sicht neue Einnahmequellen, wie z. B. ein höheres Gewerbesteueraufkommen, zu erschließen.
    Zur räumlichen Konzentration ist zu bemerken, daß die Gemeinden zum Teil durch direkte, zum Teil durch indirekte wirtschaftsfördernde Maßnahmen die Ansiedlung von Gewerbebetrieben auf ihrem Gebiet begünstigen. Zu den direkten Maßnahmen zählen u. a. die Bereitstellung von Bauland, die unterschiedliche Gestaltung von Gewerbesteuerhebesätzen der verschiedenen Gemeinden und die Gewährung von Krediten. Zu der indirekten Förderung gehören u. a. Straßen- und Wegebau, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Anlagen zur Energieversorgung sowie Schul- und Krankenhausbau.
    Durch derartige Maßnahmen der kommunalen Wirtschaftsförderung können die Tendenzen zur räumlichen Konzentration, die sich schon aus den
    natürlichen Umständen ergeben, noch verstärkt werden. Erfahrungsgemäß verfügen zahlreiche Gemeinden gerade in solchen Gebieten, in denen die Wirtschaft ohnehin schon stark räumlich konzentriert ist, über größere finanzielle Möglichkeiten, die sie zur direkten und indirekten Förderung der Industrieansiedlung verwenden können. Mittels des Finanzausgleichs werden jedoch die größten Unterschiede ausgeglichen. Um noch bestehende Diskrepanzen zu mildern, fördern Bund und Länder zusätzlich die Ansiedlung industrieller Betriebe in den zurückgebliebenen Gebieten. Im Rahmen solcher Förderungen, z. B. des regionalen Förderungsprogramms des Bundes für die Zonenrand- und Sanierungsgebiete, werden Mittel für die Ansiedlung von Industriebetrieben in finanzschwachen Gebieten bereitgestellt.
    Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Ansiedlung von Industrie in ländlichen Gebieten zu. Die Bundesregierung widmet dieser Frage — wie bereits in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zum Ausdruck kommt — aus politischen und sozialen Gründen ihre besondere Aufmerksamkeit. Sie ist bemüht, die Ansiedlung von Industriebetrieben in Klein- und Mittelstädten, die Mittelpunkte ländlicher, insbesondere kleinbäuerlich strukturierter Gebiete sind, zu fördern, indem sie Unternehmern, die bereit sind, in diesen Städten Betriebe zu errichten, zinsgünstige langfristige Kredite zur Verfügung stellt. Sofern die Voraussetzungen zur Ansiedlung von Industrie — Wasserversorgung, Energieversorgung usw. — zum Teil erst noch geschaffen werden müssen, ist die Bundesregierung bereit, die Gemeinden bei den ihnen zufallenden Erschließungsmaßnahmen zu unterstützen. Die Bemühungen um die Durchsetzung ländlicher Gebiete mit kleinen Industriezentren in den hierfür geeigneten Klein- und Mittelstädten stehen noch im Anfangsstadium. Sie werden jedoch in nächster Zeit mit Nachdruck weiter verfolgt werden. Die Bundesregierung hofft, daß diese Bemühungen dazu beitragen, die neu entstehenden industriellen Kapazitäten von den bisherigen Ballungsräumen abzulenken.
    Auf die Frage 6:
    Wie beurteilt die Bundesregierung die Konzentrationsvorgänge in ihrer Wirkung auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer?
    antworte ich wie folgt:
    Auf die betriebliche Mitbestimmung im engeren Sinne — also auf die eigentliche Betriebsverfassung — haben Konzentrationsvorgänge grundsätzlich keinen Einfluß. Sie wird weder davon berührt, daß ein Unternehmen wächst, also seine Betriebe vergrößert oder deren Anzahl vermehrt, noch dadurch, daß es als wirtschaftlich abhängiges Unternehmen einem Konzern eingegliedert wird oder unter Verlust auch seiner rechtlichen Selbständigkeit vollständig in einem anderen Unternehmen aufgeht. Die gesetzlich garantierten Rechte der Betriebsräte werden durch einen Wechsel in der Person des Arbeitgebers oder dadurch, daß der Arbeitgeber Weisungen einer Konzernspitze unterworfen wird, jedenfalls



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    nicht unmittelbar berührt. Bei Betriebsänderungen — wie Stillegungen oder Betriebsverlagerungen — hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, auch wenn solche Änderungen im Zuge einer Konzentration durchgeführt werden sollen. Führt die Konzentration dazu, daß zu einem Unternehmen mehrere Betriebe gehören, so ist zur einheitlichen Repräsentation seiner Arbeitnehmer ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, wenn dies von denjenigen Betriebsräten beschlossen wird, die drei Viertel der Arbeitnehmerschaft des Unternehmens repräsentieren. Ein entsprechendes Organ zur Repräsentation sämtlicher Arbeitgeber eines Konzerns ist allerdings gesetzlich nicht vorgesehen. Dafür besteht aber auch kein Bedürfnis, da die Geschäftsführer und Vorstände der einzelnen Unternehmen trotz deren wirtschaftlicher Eingliederung in den Konzern die Arbeitgebereigenschaft behalten und damit weiterhin die Partner der Betriebsräte bzw. des Gesamtbetriebsrates des von ihnen vertretenen Unternehmens bleiben. Überdies besteht die Möglichkeit, auf der Konzernebene freiwillig Ausschüsse oder ähnliche Gremien zu bilden, wie sie sich in der Praxis gelegentlich schon als nützlich erwiesen haben.
    Von größerer Bedeutung als für die Betriebsverfassung sind Konzentrationsvorgänge für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Verwaltungsorganen juristischer Personen. Nach den hierfür geltenden Rechtsvorschriften kommen drei Formen dieser Art von Mitbestimmung in Betracht: die Mitbestimmung für Montanbetriebsunternehmen nach dem Gesetz von 1951, die sogenannte Holding-Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz von 1956 und in den übrigen Fällen die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach §§ 76 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes.
    Ein Konzentrationsvorgang, bei dem sich ein mitbestimmtes Unternehmen lediglich vergrößert, ohne andere Unternehmen in sich aufzunehmen oder wirtschaftlich von sich abhängig zu machen, hat auf die Beteiligung der Arbeitnehmer in den Gesellschaftsorganen in der Regel keinen Einfluß. Allerdings ist bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Versicherungsvereinen sowie allgemein bei Familiengesellschaften im Sinne des § 76 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes das Anwachsen des Unternehmens auf mehr als 500 Arbeitnehmer überhaupt erst die Voraussetzung für eine Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat. Ähnlich unterliegt ein Unternehmen des Kohlen- oder Eisenerzbergbaus erst dann der Montan-Mitbestimmung nach dem Gesetz von 1951, wenn seine Arbeitnehmerzahl mehr als 1000 beträgt.
    Wird der Aufsichtsrat eines Mitbestimmungsunternehmens mit Rücksicht aus das Wachstum des Unternehmens erweitert, so steigt proportional auch die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat.
    Tritt im Zuge eines Konzentrationsvorganges ein Wandel in der Rechtsform des Unternehmens ein, so kommt dies im Regelfalle der Mitbestimmung der Arbeitnehmer zugute. Es liegt jedenfalls im
    normalen Trend der Konzentration, daß bei ihr die Unternehmen von Personalgesellschaften in solchen juristischen Personen aufgehen statt umgekehrt. Damit treten aber erst die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Arbeitnehmer in den Gesellschaftsorganen ein.
    Die Mitbestimmungsgesetze tragen sodann dem Umstand Rechnung, daß bei Eingliederung eines Unternehmens in einen Konzern die unternehmerischen Entscheidungen den Verwaltungen der abhängigen Unternehmen mehr oder weniger entzogen werden. Als Ausgleich für die damit automatisch verbundene Minderung des Mitbestimmungseinflusses sehen sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz von 1956 eine Mitbestimmung in den entsprechenden Verwaltungsorganen der an der Spitze des Konzerns stehenden juristischen Person vor. Sie kommt allen Arbeitnehmern von Konzernunternehmen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform zugute; daneben bleibt die etwaige Mitbestimmung bestehen, die der Rechtsform, der Größe und dem Gegenstand der abhängigen Unternehmen entspricht. Form und Intensität der Mitbestimmung in der Konzernspitze sind der Stärke der Konzernbindung und in der Regel dem Gesamtcharakter des Konzerns angepaßt. Gehört zu dem Konzern mindestens ein Unternehmen, in dessen Organen die Arbeitnehmer das Montan-Mitbestimmungsrecht nach dem Gesetz von 1951 haben, und steht es in einem Organschaftsverhältnis zu der Obergesellschaft, so gilt für letztere die sogenannte Holding-Novelle von 1956, die den Auswirkungen der Wiederherstellung des Verbundes von Kohle, Eisen und Verarbeitung in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Die Mitbestimmungsform entspricht dann dem wirtschaftlichen Gewicht der Montangesellschaften innerhalb des Konzerns. Nur wenn ein Montanbetriebsunternehmen selbst die Konzernspitze bildet, behält es in jedem Falle die qualifizierte Mitbestimmung nach dem Gesetz von 1951.
    Da die Mitbestimmung in den Unternehmungsorganen die rechtliche Selbständigkeit des Unternehmens in der Form einer juristischen Person begrifflich voraussetzt, entfällt sie zwangsläufig zusammen mit der eigenen Rechtspersönlichkeit des Unternehmens. Das betrifft die Fälle der Fusion mehrerer juristischer Personen und die der sogenannten Umwandlung einer juristischen Person auf den Allein-
    oder Mehrheitsgesellschafter. Beide Fallgruppen wirken sich infolgedessen mitbestimmungsrechtlich gleich aus. Bei der Fusion und der Umwandlung von Kapitalgesellschaften fallen die Gesellschaftsorgane der aufgenommenen oder umgewandelten Unternehmen weg. Damit entfallen auch insoweit die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und gegebenenfalls die Arbeitsdirektoren dieser juristisch untergegangenen Gesellschaften. Eine Beteiligung der Arbeitnehmer besteht nur noch in den Verwaltungsorganen der aufnehmenden Gesellschaft bzw. der bisherigen Obergesellschaft, die ihre Tochtergesellschaften auf sich umgewandelt hat.
    Es wird die Ansicht vertreten, daß dies zu einer Minderung des Einflusses der Arbeitnehmer führe. Durch den Zusammenschluß mehrerer Unternehmen

    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    zu einem Großunternehmen werde in der Regel die Eigenständigkeit der vorher rechtlich selbständigen Betriebsabteilungen nicht aufgehoben; deren Leiter behielten vielmehr fast immer nahezu die gleichen Aufgaben wie vor der Verschmelzung oder Umwandlung, insbesondere wenn sich entsprechend den Erkenntnissen der modernen Betriebswirtschaft die Gedanken der Dezentralisation und der Delegation durchsetzen. Daraus könne sich eine verhältnismäßig große Distanz des Vorstandes des Großunternehmens — und damit auch des seine Tätigkeit überwachenden Aufsichtsrats — zu den einzelnen Betrieben, zu deren Leitern und zu den dort beschäftigten Arbeitnehmern ergeben. Die Arbeitnehmer hätten dann aber durch Beteiligung im Aufsichtsrat und gegebenenfalls über den Arbeitsdirektor nur noch Einfluß auf den Vorstand des Großunternehmens und nicht mehr, wie früher, auch auf die Leiter der einzelnen damals noch rechtlich selbständigen Betriebsabteilungen.
    Diese Problematik wird deshalb so ausführlich dargelegt, weil in letzter Zeit Umwandlungen vorgenommen wurden, die zu heftigen Diskussionen geführt haben. Allerdings sind solche Umwandlungen nicht eigentlich Konzentrationsvorgänge. Sie stellen allenfalls die letzte organisatorische Phase eines bereits vorher durchgeführten Verbindungsvorganges dar, der sich durch Erwerb der absoluten Konzernherrschaft über die nun umgewandelten Unternehmen abzeichnete; die Umwandlung stellt also keinen Machtzuwachs, sondern nur eine Konzentrierung im organisatorischen Sinne dar. Hinsichtlich der mit ihr verbundenen, soeben geschilderten Mitbestimmungsprobleme bemühten sich die Beteiligten, wie der Bundesregierung bekannt ist, durch unmittelbare Verhandlungen tragbare Lösungen zu finden.
    Die Verschmelzung oder Umwandlung von Unternehmen kann im übrigen zu einer stärkeren Form der Mitbestimmung in den verbliebenen Gesellschaftsorganen führen, z. B. wenn bei dem Großunternehmen infolge der Verschmelzung oder Umwandlung die Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1951 eintreten. Bei der Verschmelzung bedeutet dies, daß mindestens ein Teil der Arbeitnehmer überhaupt erst in den Genuß der paritätischen Mitbestimmung kommt. Im Falle der Umwandlung verstärkt sich der gewerkschaftliche Anteil im Aufsichtsrat, und der Arbeitnehmerflügel erhält auch rechtlich stärkeren Einfluß auf die Bestellung und Abberufung des Arbeitsdirektors.
    Zu einer schwächeren Form der Mitbestimmung würde dagegen eine Verschmelzung führen, bei der ein Unternehmen des Kohlenbergbaus mit Unternehmen anderer Wirtschaftszweige so vereinigt würde, daß in dem neuen Großunternehmen der Kohlenbergbau nicht mehr überwiegender Betriebszweck wäre und deshalb die Voraussetzungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1951 entfielen. In diesem Falle würde an die Stelle der bisherigen paritätischen Beteiligung im Aufsichtsrat des aufgenommenen Bergbauunternehmens eine Arbeitnehmervertretung zu einem Drittel der Aufsichtsratssitze des Großunternehmens nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes treten und dem Vorstand des Großunternehmens dementsprechend auch kein Arbeitsdirektor angehören.
    Frage 7 lautet:
    Wird die Konzentration nach Ansicht der Bundesregierung durch den Unterschied in der Belastung begünstigt, wie sie sich zwischen lohn-und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen durch die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben auf der Grundlage der Beschäftigung und Lohnsumme ergibt?
    Ich antworte: Die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben nach Beschäftigung und Lohnsumme bildet in sämtlichen Versicherungszweigen der Sozialversicherung die Grundlage für .das geltende Beitragssystem und auch für die Leistungen. Infolgedessen werden durch diese Art einer Bemessung der Sozialabgaben lohnintensive Unternehmen stärker als kapitalintensive belastet. Eine Erhöhung der gesetzlichen Sozialabgaben, die als Lohnnebenkosten zu betrachten sind, hat also die gleiche Wirkung wie eine Erhöhung der Löhne und Gehälter. Es handelt sich hier allein um eine Frage der wirtschaftlich richtigen Zurechnung von Kosten. Der wirtschaftliche Fortschritt würde gehemmt werden, wollte man die Teile der Produktionskosten, die der sozialen Sicherung dienen, durch die Wahl einer wesensfremden Bemessungsgrundlage anderen anlasten als denjenigen, die diese Kosten verursacht haben.
    Die lohnintensiven Unternehmen können dem Ansteigen der gesamten Arbeitskosten durch vermehrten Einsatz von Sachkapital begegnen und dadurch den Anteil der Arbeitskosten an Iden Gesamtkosten herabsetzen. Ein solcher Zug zu verstärkter Kapitalintensität ist in vielen Wirtschaftszweigen seit langer Zeit zu beobachten. Diese Entwicklung liegt im Zuge des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts und führt zu Produktivitätssteigerungen.
    Es gibt allerdings eine Reihe von Wirtschaftszweigen, deren Produktionsstruktur nur eine beschränkte Kapitalintensivierung zuläßt. Dort, wo dies der Fall ist — und dies gilt z. B. für große Bereiche des Dienstleistungsgewerbes —, können Unternehmen, gleich welcher Größe, den steigenden Arbeitskosten nicht ausweichen. Hier werden sich, soweit sich nicht die Nachfrage anderen Gütern zuwendet und mithin der Markt es zuläßt, Preiserhöhungen durchsetzen, ohne daß ein solcher Vorgang Anlaß für eine Konzentrationsbewegung wäre.
    Dort jedoch, wo die technischen Voraussetzungen für eine weitere Umwandlung von einer lohnintensiven in eine kapitalintensive Produktion gegeben sind, erzwingen Rentabilitätserwägungen den Übergang zur kapitalintensiven Fertigung. Da große Unternehmen meist kapitalkräftiger sind als mittlere und kleinere, gelingt es ihnen leichter, den Anteil der Lohnkosteneinschließlich der lohnbezogenen Sozialabgaben an den Gesamtkosten in Grenzen zu halten. Der Umfang der sich daraus ergebenden Konzentrationsbewegung darf jedoch nicht überschätzt werden. Der Konzentrationsprozeß wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die zum Teil auch die konzentrationsfördernden Einflüsse kompensie-



    Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
    ren und auf diese Weise eine Konzentration in den wirtschafts- und gesellschaftspolitisch notwendigen Grenzen halten. Der in diesem Zusammenhang entscheidende Beitrag, um die in dieser Entwicklung für mittlere und kleinere Betriebe liegenden Nachteile zu beseitigen, besteht darin, diesen kapitalschwächeren Betrieben in ausreichendem Umfang Kapitalquellen zu erschließen. Allerdings sind damit die Wettbewerbsvorteile nicht ausgeglichen, die eine zu großzügig bemessene steuerliche Abschreibungsmöglichkeit für den kapitalintensiven Betrieb bedeutet. Dementsprechend bemüht sich die Steuergesetzgebung ständig um kostengerechte Abschreibungssätze.
    Bei der Beurteilung dieser Vorgänge darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß in unserem gesamten Rentenversicherungsrecht — und nicht nur dort — Beschäftigung und Lohn nicht nur die Grundlage der Beitragsbemessung, sondern auch der Leistungen sind. Dies erschwert naturgemäß eine Änderung des Systems, falls sich eine solche bei näherer Prüfung aller Umstände als empfehlenswert erweisen sollte. Die Rentenhöhe soll den Konsumverzicht des Versicherten während der zurückgelegten Beitragszeit widerspiegeln.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Sollte!)

    Dies geschieht, indem nicht nur die Arbeitnehmer durch ihre Beiträge, sondern auch die Arbeitgeber mit Beiträgen, die wirtschaftlich nichts anderes als Lohnteile sind, das aufbringen, was nachher als Rente gezahlt wird. Will man nicht den Versicherungscharakter aufgeben, so darf der Sachzusammenhang zwischen Beschäftigung, Lohn, Beitrag und Rente nicht übersehen werden. Sollten sich, wie nähere Untersuchungen noch beweisen müßten, tatsächlich wirtschaftliche und gesellschaftliche Schwierigkeiten aus dem bestehenden System der Beitragsbemessung ergeben, so müßte noch sehr genau überlegt werden, was an die Stelle der jetzt lohnbezogenen Sozialabgaben gesetzt werden kann. Nur wenn andere brauchbare Maßstäbe für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge gefunden sind, würde hier eine Reform im Bereich des Möglichen liegen. Alle diese Überlegungen und Schwierigkeiten haben die Bundesregierung veranlaßt, ein wissenschaftliches Gutachten mit dem Thema „Die wirtschaftlichen Auswirkungen der gesetzlichen Sozialabgaben auf die lohnintensiven Mittel- und Kleinbetriebe" in Auftrag zu geben. Die Ergebnisse dieser — inzwischen vorliegenden — Untersuchung werden von einem interministeriellen Ausschuß beraten und ausgewertet.
    Frage 8 lautet:
    Welche gesetzlichen Bestimmungen begünstigen nach Ansicht der Bundesregierung die Konzentration? Wird die Bundesregierung Änderungen von Gesetzen vorschlagen? Welche Änderungen hält sie für vordringlich?
    Ich beantworte diese Frage wie folgt: Die Anreize zur wirtschaftlichen Konzentration sind, wie schon erwähnt, vielfältiger Natur. Sie liegen jedoch primär regelmäßig im rein ökonomischen Bereich und hängen gewöhnlich mit dem Streben eines

    (die niemand ernstlich verzichten will, und die in weiten Bereichen des Zivilrechts herrschende Vetragsfreiheit müßten grundsätzlich in Frage gestellt werden, wenn man solche Gestaltungsmöglichkeiten ausschalten wollte. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Rechtsvorschriften oder Rechtsinstitute dieser Art elastisch beschaffen sein müssen, um den zahlreichen Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs dienen zu können. Damit hängt (es zusammen, daß sie auch zur Schaffung von Rechtsgebilden benützt werden können, in deren Gewand uns die Ergebnisse wirtschaftlicher Konzentrationen gegenübertreten. Dies gilt zunächst für das Gesellschaftsrecht und namentlich für das Aktienrecht. Die tragenden Grundsätze unseres Aktienrechts — die Beschränkung der Haftung des Aktionärs auf seine Einlage, die Herrschaft der Kapitalmehrheit, die freie Übertragbarkeit der bei uns vorherrschenden Inhaberaktie und die Erleichterungen des Aktienhandels durch die Börse — haben sich in einer mehr als hundertjährigen Entwicklung herausgebildet und sind heute wirtschaftlich unentbehrlich. Sie haben aber andererseits die Entstehung von Großunternehmen und namentlich von Konzernverbindungen wesentlich erleichtert und durch die im Rahmen des Gesellschaftsrechts bestehenden Möglichkeiten, unerkannt Einfluß auszuüben und Sonderinteressen zu Lasten von Minderheitsaktionären und unter Umständen auch von Gläubigern zu verfolgen, zusätzliche Konzentrationsanreize geboten. Die Bundesregierung bereitet eine Reform des Aktienrechts vor. Aufgabe dieser Reform ist es, einen sachgemäßen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten herbeizuführen, wobei die Reform auch dem Grundsatz unserer Eigentumsordnung Geltung zu verschaffen hat. Sie kann ferner auf gesellschaftsrechtlichem Gebiet liegende zusätzliche Anreize zur Konzentration beseitigen, indem sie Mißbräuche bei der Erlangung und Ausübung von Konzernmacht durch Schutzvorschriften für die Aktionäre und Gläubiger zu verhindern sucht. Allerdings wird das Aktienrecht nicht zwischen wirtschaftsund gesellschaftspolitisch erwünschten und unerwünschten Konzentrationen unterscheiden können, weil hierfür außerhalb des Gesellschaftsrechts liegende Maßstäbe gelten. Die Bundesregierung wird daher in der geplanten Reform des Aktienrechts vorschlagen, daß die Aktionäre, die Gläubiger und die Öffentlichkeit über geplante und bestehende Konzernverbindungen besser unterrichtet werden. Hierzu soll namentlich vorgesehen werden, daß der Erwerb und die Veräußerung eines Anteilsbesitzes bestimmter Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard Höhe mitzuteilen ist. Ferner soll die Pflicht des Vorstandes, über konzernverbundene Unternehmen Bericht zu erstatten und in der Hauptversammlung Auskunft zu erteilen, intensiviert werden. Konzerne sollen zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzerngeschäftsberichtes verpflichtet werden. Ferner soll der Schutz der Aktionäre und der Gläubiger gegen die Gefahren einer Konzernbildung verbessert werden. Ebenso wie schon nach geltendem Recht zur Gewinnabführung soll sich eine Aktiengesellschaft künftig zur Befolgung von Weisungen einer Konzernspitze nur mit Zustimmung ihrer Hauptversammlung verpflichten können. In Zukunft soll eine Bindung nur auf Grund eines Vertrages, der der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, zulässig sein. Dabei sollen die Gläubiger und die Aktionäre der Gesellschaft gegen eine Aushöhlung der Vermögenssubstanz und eine Beeinträchtigung der Gewinnchancen gesichert werden. Die Bundesregierung wird prüfen, welche Änderungen in diesem Zusammenhang auch für das Recht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung notwendig sind, um ein Ausweichen der Aktiengesellschaften in diese Rechtsform zu verhindern. Außer den rein konzernrechtlichen Vorschriften wird die Bundesregierung eine Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen über das Depotstimmrecht vorschlagen, um sicherzustellen, daß in der Beschlußfassung der Hauptversammlungen mehr als bisher der Wille der Depotkunden zur Geltung kommt. Im Rahmen der Aktienrechtsreform wird sich die Bundesregierung auch bemühen, Auswüchsen der Selbstfinanzierung entgegenzutreten. Dies soll durch eine Neuordnung der Verfassung der Aktiengesellschaft, insbesondere der Rechte der einzelnen Gesellschaftsorgane sowie durch Änderung bilanzrechtlicher Vorschriften und durch eine Verstärkung der Publizität geschehen. Durch diese Maßnahmen wird zugleich verhindert, daß aus einer übermäßigen Selbstfinanzierung stammende Mittel zu einer unerwünschten Konzentration verwendet werden können. Aus anderen Gründen wird zur Zeit auch eine Reform des Genossenschaftsrechts vorbereitet. Dabei wird auch geprüft werden, ob unter dem Gesichtspunkt der Konzentration wirtschaftlicher Macht etwa Änderungen des geltenden Rechts erforderlich sein sollten. Unter dem Gesichtspunkt einer Konzentrationsbekämpfung erscheint noch das Firmenrecht einer Erwähnung wert. Die Bundesregierung wird prüfen, ob durch eine Änderung der firmenrechtlichen Vorschriften Konzernbindungen bereits in der Firmenbezeichnung ersichtlich gemacht werden können. Im Anschluß an die bisher behandelten gesetzlichen Vorschriften ist zu prüfen, ob und von welchen Vorschriften im Steuerrecht ein Anreiz zur wirtschaftlichen Konzentration ausgeht. Über das Ausmaß, in dem steuerrechtliche Bestimmungen den Konzentrationsprozeß begünstigen, werden aber eindeutige Feststellungen von allgemeiner Bedeutung kaum getroffen werden können, weil die mögliche Konzentrationswirkung der Steuer ganz von den gegebenen wirtschaftlichen und steuerlichen Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Hierbei spielt auch die jeweilige Gesamtsteuerbelastung eine Rolle. Die Frage, ob das Steuerrecht die Konzentration fördert oder nicht, kann überdies nicht aus dem Blickwinkel einer einzelnen Steuerart, sondern nur unter Berücksichtigung der Wirkungen des gesamten Steuersystems beurteilt werden. Zur Frage der Bedeutung der gegenwärtigen Umsatzbesteuerung für die Konzentration hat das Eundesministerium der Finanzen in seiner dem Bundestag am 20. Dezember 1958 vorgelegten „Denkschrift über die Möglichkeiten einer Verbesserung der Umsatzbesteuerung" bereits Stellung genommen. Hiernach geht vom geltenden Umsatzsteuerrecht eine die Konzentration in der Wirtschaft begünstigende Wirkung aus. Der Effekt hat seine Ursache in dem Bruttoprinzip der gegenwärtig auf allen Phasen erhobenen Umsatzsteuer, das die Unternehmen naturgemäß anreizt, steuerbare Umsätze möglichst zu vermeiden. Es ergibt sich die Tendenz, zu fusionieren oder dem Unternehmen neue Betriebsabteilungen anzugliedern. Dazu kommt, daß mit Wirkung vom 1. April 1958 das Rechtsinstitut der umsatzsteuerlichen Organschaft wieder vollständig eingeführt ist. Hiernach sind Umsätze zwischen einem „Unternehmer" im Sinne des Umsatzsteuerrechts und den von ihm finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch beherrschten Gesellschaften, den sogenannten Organgesellschaften, sowie zwischen den Organgesellschaften desselben „Unternehmers" keine steuerbaren Umsätze mehr. Der gesamte Organkreis stellt ein Unternehmen dar. Zur Erlangung der umsatzsteuerlichen Kostenvorteile brauchen die Unternehmen nicht mehr den Preis der völligen Aufgabe der Selbständigkeit durch Fusion zu zahlen. Es genügt schon der Verzicht auf ihre wirtschaftliche Selbständigkeit in der loseren Konzentrationsform des organschaftlich verbundenen Konzerns. Herr Bundesminister, erlauben Sie, daß ich Sie kurz unterbreche, um den Präsidenten und die Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu begrüßen. Wir freuen uns, die Herren in unserer Mitte zu haben. Ich heiße Sie herzlich willkommen. Das Rechtsinstitut der Organschaft kommt aber auch bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zur Anwendung. Die ertragsteuerliche Folge der Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses ist zunächst die Vermeidung der Mehrfachbelastung. Die von der abhängigen Gesellschaft, dem sogenannten Organ, an die beherrschende Gesellschaft, den Organträger, abgeführten Gewinne unterliegen nicht der Besteuerung durch Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer beim Organ. Sie werden erst beim Ausweis des Gewinns des OrganDeutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4433 Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard trägers steuerlich erfaßt. Dies kann zu einer ertragsteuerlichen Schonung der konzernmäßigen Verflechtung von Unternehmen führen. Daneben bietet die ertragsteuerliche Organschaft den Vorteil, in bestimmtem Umfang Verluste und Gewinne innerhalb der Organfamilie gegeneinander zu verrechnen. Es wird insoweit ein Ausgleich zwischen Gewinnund Verlustgesellschaften desselben Konzerns ermöglicht. Es liegt auf der Hand, daß dieser Ausgleich steuerliche Vorteile verschaffen kann. Insgesamt gesehen ergibt sich aus der Organschaft insoweit eine gewisse Begünstigung der Konzentration, als die steuerliche Behandlung den Zusammenschluß von Unternehmen in der loseren Konzentrationsform des Konzerns durchaus interessant machen kann. Zu erwähnen wäre auch noch die sogenannte Schachtelvergünstigung. Hiernach bleiben Gewinne, die eine Untergesellschaft an die Obergesellschaft ausschüttet, bei der Obergesellschaft steuerlich dann außer Ansatz, wenn die Obergesellschaft mit mindestens 25 % am Kapital der Untergesellschaft beteiligt ist. Das steuerliche Ergebnis der Inanspruchnahme dieser „Schachtelvergünstigung" ist wie bei der ertragsteuerlichen Organschaft die Vermeidung der Mehrfachbelastung der Gewinne von verschachtelten Kapitalgesellschaften mit der Möglichkeit einer Konzentrationsförderung. Was kann nun zur Abschwächung dieser konzentrationsfördernden Wirkung getan werden? Die Frage einer wesentlichen Abschwächung der konzentrationsfördernden Wirkungen des geltenden Umsatzsteuersystems gehört zu den Problemen der Umsatzsteuerreform. Die Bundesregierung bejaht die Notwendigkeit, zur Erreichung dieses Zieles geeignete Maßnahmen zu treffen. In der erwähnten Denkschrift — Drucksache Nr. 730 — wird gezeigt, daß hierzu zwei Wege gangbar sind: Entweder der Übergang zu einem anderen Umsatzsteuersystem oder die Durchführung geeigneter Maßnahmen im geltenden System. Im Auftrag des Bundesministers der Finanzen prüfen zur Zeit technische und fachliche Ausschüsse von Sachverständigen die Gangbarkeit dieser beiden Wege zur Verbesserung der Umsatzbesteuerung. Die Gutachten dieser Ausschüsse werden voraussichtlich im Dezember dieses Jahres vorliegen. Dann wird die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften ihre Vorschläge darüber unterbreiten, welcher der beiden oben genannten Wege zur Verbesserung der Umsatzbesteuerung eingeschlagen werden soll und welche Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode zu treffen sind. Die Bundesregierung stimmt dem Grundgedanken des Initiativantrages der CDU/CSU-Fraktion zu, da mit seiner Verwirklichung die Wettbewerbsneutralität bereits im Rahmen des gegenwärtig geltenden Umsatzsteuerrechtes verstärkt wird. Mit der Verabschiedung dieses Antrages werden weite Bereiche des Lebensmittelgroßhandels von der Umsatzsteuer freigestellt. Die Bundesregierung hält die heutige Regelung der steuerlichen Organschaft in dem dargestellten Umfang für konzentrationsfördernd. Bei einer etwaigen Beibehaltung des gegenwärtigen Umsatzsteuersystems sollte nach ihrer Auffassung auch die Organschaft als eine der Ursachen der Machtkonzentration alsbald in einer Weise geregelt werden, die die konzentrationsfördernden Wirkungen dieses Rechtsinstituts aufhebt. Wenn die Bestimmungen über die Organschaft abgeschafft werden, dann wird in gewissem Umfange eine Tendenz zur Fusion zu erwarten sein. Allerdings würde eine Fusion nicht in allen Fällen durchgeführt werden können, weil in der Regel größere Schwierigkeiten entstehen als bei der Schaffung einer organschaftlichen Bindung. Möglicherweise wären daher in diesem Fall Konzentrierungen durch Fusion weniger zahlreich als durch Konzernierung. Bezüglich der Schachtelvergünstigung erwartet die Bundesregierung, daß diese Steuerbestimmung infolge der Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes für den ausgeschütteten Gewinn auf 15 % im Rahmen des Steueränderungsgesetzes von 1958 an Bedeutung verliert. Überdies ist darauf hinzuweisen, daß sich auf Grund der Bestimmungen des Steueränderungsgesetzes 1958 ein weiterer Abbau der Selbstfinanzierung, ein Umschwung in der Thesaurierungspolitik der Unternehmen sowie eine Verbreiterung des Aktienbesitzes ergeben dürften, sobald die ergänzenden Bestimmungen der sogenannten „Kleinen Aktienrechtsreform" vom Deutschen Bundestag verabschiedet sein werden. Ferner wird die Bundesregierung in ihrem Bestreben, eine breitere Streuung des Eigentums zu erreichen, auch die Frage prüfen, ob diesem Ziel nicht auch durch eine entsprechende Ausgestaltung des Erbschaftund Schenkungsteuertarifs Rechnung getragen werden kann. Schließlich wird die Bundesregierung darauf achten, daß Zielsetzungen, die sie mit Änderungen des Gesellschaftsrechts verfolgt, ihr Korrelat im Steuerrecht erhalten werden. Es bleibt zu prüfen, ob die Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausreichen, um der in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 als unerwünscht bezeichneten Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration entgegenzuwirken. Die §§ 23 und 24 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. Juli 1957 sollen dem Bundeskartellamt eine Übersicht über die wichtigsten Konzentrationsvorgänge verschaffen. Danach ist der Zusammenschluß von Unternehmen dem Bundeskartellamt unverzüglich anzuzeigen, wenn die beteiligten Unternehmen durch den Zusammenschluß für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen einen Marktanteil von 20 v. H. oder mehr erreichen oder ein beteiligtes Unternehmen einen Marktanteil dieser Höhe bereits ohne den Zusammenschluß hat. Das Bundeskartellamt kann nach Eingang der Anzeige die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung oder zu einer schriftlichen Äußerung Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard über den Zusammenschluß auffordern, wenn zu erwarten ist, daß die beteiligten Unternehmen durch den Zusammenschluß die Stellung eines marktbeherrschenden Unternehmens erlangen oder wenn durch den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung verstärkt wird. Das Bundeskartellamt kann den Zusammenschluß jedoch nicht verhindern. Gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen, die ihre Marktstellung beim Fordern oder Anbieten von Preisen, bei der Gestaltung von Geschäftsbedingungen oder beim Abschluß von Koppelungsverträgen mißbräuchlich ausnutzen, gibt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen den Kartellbehörden die Befugnis, ein solches mißbräuchliches Verhalten zu untersagen und Verträge für unwirksam zu erklären. Die Bundesregierung hatte im Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dem Deutschen Bundestag sowohl in der ersten wie in der zweiten Legislaturperiode hinsichtlich der Konzentration und der Behandlung marktbeherrschender Unternehmen Bestimmungen vorgeschlagen, die über das, was in den §§ 22 bis 24 GWB geltendes Recht geworden ist, hinausgehen. Nach § 18 der Regierungsvorlage war der Zusammenschluß von zwei oder mehr Unternehmen, sofern die zusammengeschlossenen Unternehmen für eine bestimmte Art von Waren die Stellung eines marktbeherrschenden Unternehmens erlangen würden, nicht nachträglich beim Bundeskartellamt anzumelden; vielmehr war eine ausdrückliche, vorher einzuholende Erlaubnis zu dem beabsichtigten Zusammenschluß erforderlich. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages ist dem Vorschlag der Bundesregierung nicht gefolgt. Unternehmenszusammenschlüsse der in § 23 GWB genannten Art sind mithin dem Bundeskartellamt nur nachträglich anzuzeigen. Der Bundesminister für Wirtschaft, zu dessen Geschäftsbereich das die Vorschriften der §§ 23, 24 GWB handhabende Bundeskartellamt gehört, bezweifelt, ob die Bestimmungen ausreichen, um der fortschreitenden Tendenz zur Konzentration entgegenzuwirken. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Unternehmenszusammenschlüsse hat ihn veranlaßt, in seinem Ressort eingehend zu erörtern, welche Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgeschlagen werden sollen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik war der Auffassung, es komme zunächst darauf an, auf dem schwierigen Gebiet der Konzentration volle Ubersicht zu gewinnen. Die Bundesregierung wird ihre und die Bemühungen der beteiligten Ämter, die Vorgänge der Unternehmenskonzentration statistisch zu erfassen und zu durchleuchten, vorantreiben, um sich und der Öffentlichkeit ein objektives Bild der Konzentrationsvorgänge zu verschaffen, wie zur Teilfrage 1 noch ausgeführt werden wird. Nur auf Grund einwandfreier Unterlagen lassen sich die Ursachen der Konzentration erkennen und ihre Auswirkungen beurteilen. Sollten die darüber anzustellenden Untersuchungen Veränderungen der Marktstruktur ergeben, die den Wettbewerb auf bestimmten Märkten ausschalten oder wesentlich beeinträchtigen, wird die Bundesregierung nicht zögern, dem Deutschen Bundestag eine Änderung der die Konzentration behandelnden Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzuschlagen. Dieser Vorschlag dürfte dann darauf abzielen, die Befugnisse des Bundeskartellamtes in Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen zu erweitern. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, wie vielschichtig die Probleme sind, die durch die Frage, welche Gesetze die Konzentration begünstigen, aufgeworfen werden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß ihre Bemühungen, diese Frage zu klären, durch eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung in umfassender Weise unterstützt werden müssen. Sie hat daher fünf Professoren der Universitäten Bonn und Köln in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Vorstandes des Instituts für Mittelstandsforschung gebeten, die sich aus der Teilfrage 8 dieser Anfrage ergebenden Probleme im Rahmen ihrer Forschungsprogramme zu untersuchen und ihr die Ergebnisse zugänglich zu machen. Die Bundesregierung wird den Bundestag sodann davon in Kenntnis setzen. Ich komme zu Frage 9: Welche weiteren Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um eine gesunde Struktur der deutschen Wirtschaft im Sinne ihrer Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 zu gewährleisten? Die Erhaltung und Förderung einer gesunden Struktur unserer Wirtschaft ist eine umfassende wirtschaftsund gesellschaftspolitische Aufgabe. Die Strukturpolitik der Bundesregierung kann sich daher nicht auf wirtschaftspolitische Mittel beschränken; sie wird auch Maßnahmen auf den Gebieten der Finanzpolitik, der Sozialpolitik, der Agrarpolitik und der Verkehrspolitik einbeziehen müssen. Die Struktur unserer Wirtschaft kann auch nicht nur aus der nationalen Perspektive betrachtet, sie muß vielmehr ebenso unter dem Gesichtspunkt der Integration der Bundesrepublik in den gemeinsamen europäischen Markt und in den Weltmarkt gesehen werden. In diesem Zusammenhang sind zwei Gruppen von Maßnahmen, welche die wirtschaftliche Unabhängigkeit des einzelnen stärken, der Kapitalkonzentration in den Händen weniger entgegenwirken und damit eine gesunde Struktur der deutschen Wirtschaft fördern sollen, als erklärte Politik der Bundesregierung besonders hervorzuheben, nämlich die Förderung der Selbsthilfe für die kleinen und mittleren selbständigen Existenzen in der gewerblichen Wirtschaft und die Förderung der Eigentumsbildung und der breiten Eigentumsstreuung. Bereits in den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung diesen wichtigen Aufgaben ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zur Förderung der Selbsthilfe sind bis Ende 1957 für die mittelständische gewerbliche Wirtschaft rd. Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard 3,1 Milliarden DM für mittelund langfristige Kredite zur Finanzierung von Rationalisierungsund Modernisierungsmaßnahmen bereitgestellt worden; bis Ende 1958 dürfte sich dieser Betrag auf rd. 31/2 Milliarden DM erhöht haben. Die Bundesregierung stellt ferner im Rahmen eines langfristigen Gewerbeförderungsprogramms für Handwerk, Handel und Hotelund Gaststättengewerbe jährlich 8 Millionen DM zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Mittel wurden insbesondere Fachschulen und sonstige Schulungseinrichtungen neu errichtet und ausgebaut, zahlreiche Betriebsberatungsstellen eingerichtet sowie Forschungsund Entwicklungsarbeiten auf vielen Gebieten gefördert. Zur Rationalisierung und Erhöhung der Produktivität in Kleinund Mittelbetrieben sind im Rahmen des Produktivitätsprogramms Kredite in Höhe von rund 100 Millionen DM und Zuschüsse von rund 22 Millionen DM gewährt worden. Um der mittelständischen Wirtschaft die Kapitalbildung zu erleichtern, wurden durch die Steueränderungsgesetze der Jahre 1954 bis 1958 neben weiteren, für den Mittelstand bedeutsamen Erleichterungen u. a. rund 40 % aller Handwerksbetriebe völlig von der Umsatzsteuer befreit. Die jährliche Entlastung für die noch umsatzsteuerpflichtigen Handwerksbetriebe beträgt etwa 180 Millionen DM, für den Handel etwa 100 Millionen DM. Durch die Umgestaltung der Gewerbesteuer konnte die mittelständische Wirtschaft Steuerersparnisse von etwa 400 Millionen DM erzielen, wovon auf das Handwerk etwa 180, auf den Handel etwa 70 Millionen DM entfielen. Über diese Maßnahmen hat der Bundesminister für Wirtschaft in der Bundestagsdrucksache 698 — Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung der kleinen und mittleren Betriebe der gewerblichen Wirtschaft. — berichtet. Auf Grund der bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen wird die Bundesregierung diesen Weg weiterverfolgen und dabei folgende Schwerpunkte besonders berücksichtigen. Aus einer sorgfältigen Beobachtung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt werden Folgerungen für die Ausgestaltung und Vereinfachung der öffentlichen Kreditprogramme zu ziehen sein. Die bisher noch unvollständigen Erkenntnisse über die Kreditlage des Mittelstandes werden im Auftrage des Bundesministeriums für Wirtschaft durch Untersuchungen von wissenschaftlichen Instituten erweitert und vertieft werden. Durch diese Untersuchungen sollen die Besonderheiten der Kreditlage kleiner und mittlerer Betriebe gegenüber derjenigen größerer Unternehmungen festgestellt werden. Die berufliche Ausbildung und Fortbildung ist eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung einer gesunden Wirtschaftsstruktur. Daher wird sich die Bundesregierung in Zukunft dem weiteren Ausbau der Fachschulen, insbesondere aber der Schulungsheime als Bildungsstätten für den Handel und das Handwerk, sowie dem Ausbau der Ingenieurschulen zuwenden. Das gleiche gilt für Schulungsveranstaltungen, Vorträge, Kurse und Seminare, die den selbständig Tätigen die neuesten Erkenntnisse der technischen und betriebswirtschaftlichen Betriebsführung vermitteln. Der Schaffung und Bereitstellung von geeigneten modernen Lehrmitteln kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Die Steigerung der Rationalisierung ist eine wichtige Voraussetzung für die Expansion der Wirtschaft und damit für eine weitere Erhöhung des Lebensstandards. Die Bundesregierung wird daher die Kleinund Mittelbetriebe auf diesem Gebiet finanziell und ideell unterstützen und Einrichtungen, die der Verbreitung von Rationalisierungserkenntnissen dienen, auch weiterhin fördern. Spezialuntersuchungen zur Verbesserung der Organisation mittelständischer Betriebe, des Beschaffungsund Absatzwesens, des innerbetrieblichen Materialflusses und der Lagerhaltung sollen gefördert werden. Auch die bereits mit gutem Erfolg angelaufenen Branchenuntersuchungen und Betriebsvergleiche werden weitergeführt werden. Sie regen die Betriebe zur Rationalisierung an und zeigen ihnen durch den Vergleich mit anderen die eigenen Schwächen auf. Die Arbeit der technischen und betriebswirtschaftlichen Erfahrungsaustauschgruppen wird ebenfalls weiterhin unterstützt und intensiviert. Das Rechnungswesen in den Kleinund Mittelbetrieben ist zu verbessern, um brauchbare Unterlagen für unternehmerische Dispositionen und Betriebsvergleiche zu schaffen. In Handwerk und Handel wurde mit Unterstützung der Bundesregierung ein weitverzweigtes Netz von betriebswirtschaftlichen Beratungsstellen errichtet, das die Rationalisierung in den Kleinund Mittelbetrieben wesentlich gefördert hat und daher künftig noch weiter ausgebaut werden soll. Für die Ausbildung von Beratern werden weiterhin öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Eine wirtschaftliche Produktion bedingt einen laufenden Absatz. Auch Kleinund Mittelbetriebe müssen daher ihre Absatzmöglichkeiten überprüfen und entsprechende Marktforschung betreiben. Da hierfür Fachleute noch nicht in genügender Zahl zur Verfügung stehen, soll die Ausbildung von Marktforschern gefördert werden, zumal die Marktforschung im Hinblick auf den Gemeinsamen Markt besondere Bedeutung hat. Die kleine und mittlere Industrie kann wegen der damit verbundenen hohen Kosten häufig nicht in demselben Umfange wie die Großindustrie Forschung betreiben. Fortschrittliche Firmen haben sich deshalb zu Forschungsvereinigungen zusammengeschlossen, die seit 1950 von der Bundesregierung mit namhaften Beträgen unterstützt werden und dazu beigetragen haben, die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Industrie zu stärken. Die Grundlagenforschung und die Zweckforschung wissenschaftlicher Institute im Bereich der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft soll weiterhin unterstützt werden. Um einen größtmöglichen Nutzeffekt der laufenden Arbeiten zu erzielen, werden die Forschungsvorhaben der verschiedenen Hochschulinstitute und Institutionen koordiniert werden. Im landwirtschaftlichen und ernährungswirtschaftlichen Bereich werden Mittel für Forschungsarbeiten zur Verfügung gestellt, deren Ergebnisse ausschließBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard lich mittelständischen Betrieben zugute kommen. Die Bundesregierung fördert die landwirtschaftliche Produktion und den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse durch Gewährung von Zuschüssen und Zinsverbilligungsmitteln. Empfänger dieser Finanzierungshilfen sind in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen und Gemeinschaftseinrichtungen der Landund Ernährungswirtschaft. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Betriebe sind gewisse Funktionen, die der Kleinbetrieb nicht mit der gleichen wirtschaftlichen Wirkung wie der Großbetrieb erfüllen kann, Gemeinschaftseinrichtungen zu übertragen. Insbesondere bewährten sich u. a. die gemeinsame Beschaffung und der gemeinsame Vertrieb, die Wahrnehmung buchhalterischer Aufgaben an einer Stelle und die Bildung von Kreditgarantiegemeinschaften zur Erleichterung der Kapitalbeschaffung. Alle dahin gehenden Bestrebungen werden weiterhin unterstützt. Soweit Messen und Ausstellungen der Absatzförderung der deutschen Wirtschaft mit Einschluß der Kleinund Mittelbetriebe dienen, sollen sie auch künftig gefördert werden. Die Arbeit der Exportberatungsstellen, insbesondere des Handwerks, hat sich bewährt und wird weitergeführt. Die Bundesregierung ist bestrebt, die Beschaffung von Krediten und Bürgschaften für Betriebserrichtungen zu erleichtern. In diesem Zusammenhang wird auch eine weitere Förderung des Junghandwerkerund Jungkaufleutesparens erwogen. Maßnahmen zur zweckmäßigen Einplanung von Betriebsstätten in neuen Wohnsiedlungen sollen ebenfalls unterstützt werden. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden kleine und mittlere Betriebe weitgehend berücksichtigt. Die Bundesregierung wird laufend prüfen, ob eine noch stärkere Einbeziehung dieser Betriebe in öffentliche Aufträge notwendig und möglich ist. Die Bundesregierung wird auch weiterhin den Erfahrungsaustausch der deutschen Wirtschaft mit dein europäischen und amerikanischen Ausland fördern und dabei künftig im Rahmen des sogenannten technischen Austauschprogramms besonders auf die Berücksichtigung von Rationalisierungsproblemen der Kleinund Mittelbetriebe hinwirken. Ferner hat sie angeregt, im Aktionsprogramm der Europäischen Produktivitätszentrale bevorzugte Probleme der Mittelund Kleinbetriebe zu behandeln. Die Bundesregierung wird ihr Augenmerk auf alle diese, insbesondere die Selbsthilfe fördernden Maßnahmen richten. Sie wird aber nicht minder einer zweiten Gruppe von Aufgaben, nämlich der Förderung der Eigentumsbildung und der breiten Eigentumsstreuung mit dem Ziele, der Kapitalkonzentration entgegenzuwirken, ihre Aufmerksamkeit widmen. Dazu ist folgendes zu bemerken: In dem Maße, in dem es gelingt, den heute noch vermögenslosen Schichten zur Eigentumsbildung zu verhelfen, wird unsere auf Privateigentum beruhende Gesellschaftsordnung weiter gefestigt und von gemeinsamen Interessen getragen werden. Die Bundesregierung ist daher bemüht, eine möglichst breite Streuung des Eigentums zu erreichen, Hierzu hat siel im Frühjahr 1958 eine Anzahl von Gesetzesvorschlägen unterbreitet. Soweit diese Vorschläge das Ziel hatten, die Sparfähigkeit und den Sparwillen der Bevölkerung zu heben, sind sie inzwischen durch Erleichterungen in der Besteuerung und zuletzt durch Verabschiedung des Sparprämiengesetzes verwirklicht worden. Weitere Regierungsvorschläge hatten eine Reihe von Maßnahmen für eine breitere Streuung des Produktionsvermögens zum Gegenstand. Infolge der hohen Selbstfinanzierungsquote in den Aufbaujahren war der Substanzwert der Unternehmen erheblich gestiegen. Demgegenüber blieben die Ausschüttungen an die Aktionäre verhältnismäßig gering. Die dementsprechend niedrigen Kurswerte der Aktien erleichterten es den Großaktionären, ihre Beteiligungen zu erweitern, weil die Kleinaktionäre nicht sonderlich daran interessiert waren, ihre Aktien zu halten, da diese immer weniger Rendite abwarfen. Dies führte zu einer wachsenden Konzentration des Aktienbesitzes. Die zur Änderung dieser Entwicklung vorgeschlagenen Maßnahmen auf dem Gebiete des Steuerrechts und des Aktienrechts sind zum Teil durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf auszuschüttende Erträge verwirklicht worden. Die angestrebten Ziele, höhere Gewinne auszuschütten und das Angebot an Aktien zu verbreitern, können jedoch erst völlig erreicht werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür geschaffen sind. Bei dem derzeit relativ niedrigen Nennkapital der Aktiengesellschaften müßten größere Ausschüttungen irreführend hohe Dividendensätze zur Folge haben. Es ist daher dringend erwünscht, daß die Gesetzentwürfe über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinnund Verlustrechnung im Interesse einer Auflockerung der Eigentumskonzentration alsbald verabschiedet werden. Durch Gesetz wurde breiten Schichten das Investmentsparen ermöglicht. Die ständig wachsende Nachfrage nach Investmentzertifikaten aus allen Kreisen der Bevölkerung zeigt ein zunehmendes Interesse des Publikums, sich über die Aktien an Substanz und Ertrag der großen Industrieunternehmen zu beteiligen. Die Bundesregierung hat auch ihren Willen bekundet, große Teile des industriellen Vermögens des Bundes zu privatisieren, und bereits mit der Privatisierung von Bundesunternehmen begonnen, wobei in erster Linie die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen berücksichtigt werden. In der Wohnungswirtschaft wird durch die Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes eine Eigentumsstreuung durch eine bevorzugte Förderung von Familienheimen zugunsten privater Bauherren oder Bewerber angestrebt. Darüber hinaus können die für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Länder die Bewilligung öffentlicher Mittel für ,den Bau von Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern mit der Auflage verbinden, daß eine angemessene Anzahl von Kaufeigentumswohnungen zu schaffen ist oder Wohnungen des Wohnungsbestandes als Eigenheime oder Eigentumswohnungen natürlichen Personen zu übertragen sind. Auch bei Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard dem Entwurf eines Wohnungswirtschaftgesetzes wird die ,Bundesregierung bestrebt sein, eine übermäßige Zusammenballung des Wohnungsbestandes bei einzelnen großen Wohnungsunternehmen zu verhindern. Damit soll gewissen Konzentrationserscheinungen entgegengewirkt werden, die sich in den Nachkriegsjahren namentlich in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft abzeichnen. Bei verkehrsund tarifpolitischen Entscheidungen wird die Bundesregierung auch weiterhin darauf bedacht sein, daß der Mittelstand nicht benachteiligt und die Dekonzentration der Siedlung begünstigt wird. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch eine kurze Schlußbetrachtung. Mit meinen Ausführungen sind die Probleme, die sich aus den vielfältigen Formen und Auswirkungen der Wirtschaftskonzentration ergeben können, im wesentlichen dargestellt. Ich wende mich daher jetzt der eingangs gestellten Frage zu, welche Konzentrationserscheinungen die Bundesregierung für nützlich, welche sie für unschädlich und welche ,sie für unerwünscht hält. Dazu ist folgendes zu bemerken: Nicht jede Konzentration kann 'schlechthin als wirtschaftsund gesellschaftspolitisch unerwünscht bezeichnet werden. Das Wachstum des einzelnen Betriebes wie auch der Zusammenschluß mehrerer Betriebe ist sogar zu begrüßen, wenn dadurch ein Unternehmen erst die Grundlage für eine dauerhafte Leistungsfähigkeit erlangt. Aus diesem Grunde hält die Bundesregierung z. B. den Rationalisierungsprozeß im Bereich der Kleinindustrie, des Handels und des Handwerks, der mit dem Zug zu optimalen Betriebsgrößen oder mit der Anlehnung an neue Bezugsund Absatzorganisationen zusammenhängt, für notwendig und förderungswürdig. Auch die Verbesserung der Lebenshaltung, die erst durch die technische Entwicklung ermöglicht wird, läßt sich oft nur durch die Mengenproduktion in großen Unternehmungen erreichen. Ebenso setzt die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz im gemeinsamen europäischen Markt und auf dem Weltmarkt das Bestehen leistungsfähiger Unternehmen voraus. Schließlich wird man solche Konzentrationsvorgänge hinnehmen können, die zu einer Verbilligung oder größeren Stabilität der Produktion und des Absatzes führen, solange dadurch kein Monopol oder Oligopol entsteht. Dagegen betrachtet 'die Bundesregierung Konzentrationsvorgänge, die sich aus den oben genannten Gründen nicht rechtfertigen, als wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch unerwünscht. Sie lehnt insbesondere Konzentrationen ab, die Unternehmensgrößen oder Unternehmensverbindungen entstehen lassen, deren Gewicht eine Gefahr für die Gesamtwirtschaft oder einzelne Märkte darstellt. Diese Gefahr ist dann gegeben, wenn die Konzentration einen Grad erreicht, der das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Prozesses beeinträchtigt. Das ist vornehmlich der Fall, wenn Marktpartner in ihren Liefer-, Bezugsoder sonstigen Wettbewerbsbeziehungen eine beherrschende Stellung erlangen, wobei es unerheblich ist, ob sich Großunternehmen oder verflochtene Unternehmen in dieser Stellung befinden. Als ein typisches Symptom für dieEntstehung einer solchen Gefahr, das deshalb Anlaß zu ernster Besorgnis gibt, ist jede Verstärkung der Tendenz zum Eindringen der Grundstoffund Investitionsgüterindustrie in nachgeordnete Wirtschaftsstufen und ebenso von Verarbeitung und Handel in vorgelagerte Fertigungen anzusehen. Es kann faber auch schon unerwünscht sein, wenn Betriebsabteilungen oder angegliederte Unternehmen, die sich auf einen internen Gewinnund Verlustausgleich stützen können, Fertigungen ohne Rücksicht auf Rentabilität aufnehmen oder auf die Dauer beibehalten, soweit dadurch selbständige Unternehmen vom Markt verdrängt oder in Abhängigkeit von Großunternehmen oder Konzernen gebracht werden. In diesem Bereich liegen besondere Gefahr wirtschaftlicher Konzentration. Eng mit der wirtschaftlichen Beurteilung der Konzentrationsvorgänge hängt ihre gesellschaftspolitische Bewertung zusammen. Unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung will dem einzelnen einen möglichst großen Spielraum zur Eigeninitiative und zur Eigenverantwortung und damit zur Entfaltung der Persönlichkeit gewähren. Dieser Ordnung entspricht es am besten, wenn wirtschaftliche Verfügungsgewalt auf viele verteilt ist. Das kann allerdings nicht bedeuten, daß die einmal gegebene Zahl von selbständig Tätigen um jeden Preis gewahrt werden müßte. Scheinexistenzen und Kümmerbetriebe aufrechtzuerhalten, kann weder das Ziel einer vernünftigen Wirtschaftspolitik noch dasjenige gesunder sozialpolitischer Bestrebungen sein. Auch gesellschaftspolitisch ist vielmehr ein Ausleseprozeß zu bejahen. Ein gesellschaftspolitisches Ideal, das diesen Grundsatz verleugnen wollte, müßte mit den Gesetzen des ökonomischen Kräftespiels in Konflikt geraten, auf dem die marktwirtschaftliche Ordnung beruht. Gerade der Unternehmer hat sich ständig dem Wettbewerb zu stellen und muß sich in diesem Ausleseprozeß bewähren. Die Bundesregierung versteht durchaus, daß weite Kreise der mittelständischen Wirtschaft das Wachstum der Großunternehmen und die Zunahme von Unternehmensverflechtungen mit Besorgnis betrachten, weil sie befürchten, daß diese Großunternehmen und Konzerne ihre Stellung dazu mißbrauchen, selbständige Unternehmen vom Markte zu verdrängen. Man kann jedoch, wie ich vorher schon ausgeführt habe, die Konzentrationsvorgänge nicht nur unter dem Gesichtspunkt ihres möglichen Mißbrauchs beurteilen. Eine solche einseitige Betrachtungsweise würde der tatsächlichen Entwicklung, welche die mittleren und kleinen Betriebe in den letzten Jahrzehnten genommen haben, nicht gerecht werden. Die pessimistische Beurteilung der Lebensfähigkeit des Mittelstandes, die sich unter dem Eindruck der Industrialisierung ausgebreitet und bei Karl Marx zum „Akkumulationsgesetz" verdichtet hatte, ist in ihrer populären wie in ihrer wissenschaftlichen Ausprägung längst durch die EntwickBundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard lung überholt. Im Gegenteil ist festzustellen, daß sehr viele mittelständisch strukturierte Wirtschaftszweige, darunter nicht wenige, die überhaupt erst der technischen Entwicklung ihre Entstehung verdanken, eine wachsende Bedeutung gewonnen und einen wichtigen Platz in der volkswirtschaftlichen Produktion, ganz besonders im aufblühenden Bereich der Dienstleistungen, eingenommen haben. Die frühere These, daß der Mittelstand zwischen der kapitalistischen und der Proletarierklasse aufgerieben werde, ist durch die tatsächliche Entwicklung offenkundig widerlegt. Die Position eben dieser mittelständischen Gruppen ist gerade dadurch erfreulich ,gefestigt worden, daß die Bundesregierung unter Erhaltung des Wettbewerbs schon in der Vergangenheit auf vielen Gebieten den kleinen und mittleren Betrieben wirksame Hilfe geleistet hat. Die Bundesregierung will bei aller positiven Einschätzung des Wettbewerbs ,als eines unentbehrlichen Leistungantriebs unter keinen Umständen zulassen, daß den kleinen und mittleren Existenzen aus dem wirtschaftspolitischen Handeln des Staates ohne volkswirtschaftliche Notwendigkeit Nachteile entstehen, die zu einer Erschütterung unserer gesellschaftlichen Struktur führen könnten. Sie sieht es als eine der Grundforderungen ihrer Politik an, Entfaltungsmöglichkeiten für eine große Zahl wirtschaftlich selbständiger Existenzen zu schaffen, weil sie der Ansicht ist, daß nur auf diesem Wege eine gesunde soziologische Struktur erreicht und ein festes Bollwerk gegen den Kollektivismus errichtet werden kann. Sie wird daher insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen gegen existenzbedrohende Einflüsse und Gefahren schützen, die nicht auf einen Mangel an eigener Leistungskraft, sondern auf andere Ursachen, etwa Verfälschungen des Wettbewerbs, zurückgehen. Aus diesem Grunde betrachtet es die Bundesregierung als ernstes Anliegen, allen bedenklichen Konzentrationsvorgängen im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten entgegenzutreten. Privatwirtschaftliche Vorteile einzelner müssen dort zurücktreten, wo gesellschaftspolitische oder gesamtwirtschaftliche Ziele dies erfordern. Sie wird daher bestrebt sein, Anreize zu bedenklichen Konzentrationen, soweit solche im geltenden Recht enthalten sind, zu beseitigen und bei allen künftigen gesetzgeberischen Maßnahmen Gefahren unerwünschter Konzentration mit Entschiedenheit entgegenwirken.. Die Entschlossenheit der Bundesregierung, unerwünschte Konzentrationen zu bekämpfen, gibt ihr das Recht, alle jene Empfehlungen zu verwerfen, denen der trügerische Gedanke zugrunde liegt, man könne unbedenklich riesige Unternehmenskomplexe entstehen lassen, um sie dann einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen. Statt veralteten Thesen Glauben zu schenken und den Fähigkeiten staatlicher Kontrollinstanzen zu vertrauen, wird die Bundesregierung den Weg weiter verfolgen, den sie in den vergangenen Jahren zur Sicherung der Wettbewerbsordnung — nicht zuletzt im Interesse der mittelständischen Wirtschaft — beschritten hat. Ihre Politik wird auch in der Zukunft zu einer breiten Streuung des Eigentums und zur Erhaltung und Förderung wirtschaftlicher Selbständigkeit in breiten Schichten unseres Volkes beitragen. Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schmücker hat uns am Anfang seiner Ausführungen angesprochen, und ich möchte ihm zugestehen, daß er eine Reihe allerdings sehr allgemeiner Feststellungen getroffen hat, zu denen auch wir ja sagen können. Aber, meine Damen und Herren, Sie werden nun nicht von mir verlangen, daß ich Ihnen heute eine akademische Vorlesung, einen allgemeinen Vortrag halte; denn das Problem, über das wir heute sprechen, brennt uns wirklich auf den Nägeln. Die Zeit ist vorbei, wo man darüber nur zu diskutieren brauchte. Wir müssen den Weg zu konkreten Maßnahmen finden. Ich möchte Ihnen, Herr Schmücker, nicht darin zustimmen, daß der gegenwärtige Zustand keineswegs tadelnswert sei. Ich möchte Ihnen sagen, daß ich die Zustände., gerade was die Konzentration betrifft, in großem Umfange sehr tadelnswert finde. Dies ist auch der Grund, warum wir es für dringend erforderlich halten, daß nunmehr etwas geschieht. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns die bedauerliche Mitteilung gemacht, daß die statistischen Unterlagen für eine quantitative Erfassung des Vorgangs der Konzentration nicht ausreichen. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich sage, daß diese Feststellung zu einem so entscheidenden Punkt, nämlich zu der Analyse des Vorgangs, eigentlich ein sehr mageres Ergebnis ist. Es ist zu bedenken, daß zehn Monate vergangen sind, seit die Große Anfrage hier eingereicht wurde. Der Herr Bundeswirtschaftsminister möge es mir auch nicht übelnehmen, wenn ich ihm sage, daß ich in den zehn Jahren, die ich nunmehr hier im Bundestag bin, ihn noch niemals mit so geringem persönlichem Interesse für den Gegenstand habe sprechen hören wie heute. (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Hören Sie doch mal zu, Herr Minister!)