Rede:
ID0308201400

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3082

  • date_rangeDatum: 15. Oktober 1959

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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bändigung der Macht" wäre wohl eine andere Formulierung des Themas der Konzentrationsdebatte. Bändigung der Macht ist nicht nur ein ökonomisches, sondern ein schlechthin gesellschaftliches, auch ein politisches Problem. Niemand anders als unser verehrter Herr Bundestagspräsident hat am 15. September in diesem Hohen Hause, als er über den freiheitlichen Rechtsstaat und über die Freiheit sprach, unter Zustimmung aller Fraktionen den Satz geprägt: Unsere Bahn der Freiheit ist etwas anderes als der Dschungel, in dem der Stärkere, der Bedenkenlose, der Brutale das Faustrecht ausübt.
    An diesem Punkt stehen wir jetzt in unserer Debatte. Wir stehen vor der Frage, ob wir im Rahmen unserer Vertragsfreiheit, unserer Koalitionsfreiheit, unserer Gewerbefreiheit, unserer Berufsfreiheit da angelangt sind, wo doch der Stärkere, der Bedenkenlose und der Brutale von der Freiheit einen unangemessenen Gebrauch macht.
    Die Erklärung der Bundesregierung zu der Anfrage der Koalition über die Konzentrationsvorgänge läßt meines Erachtens zur Genüge erkennen, daß es der Bundesregierung mit dem Grundsatz, den der Herr Bundestagspräsident über die Auswirkungen und Möglichkeiten der Benutzung unserer Freiheiten aufgestellt hat, ernst ist. Die Verhinderung der unerwünschten Konzentration hat der Herr Bundeswirtschaftsminister heute in aller Form, auch in konkreter Art, als Ziel genannt. Die Definition dessen, was an Konzentration unerwünscht ist, hat ein Mitglied der Bundesregierung heute in diesem Hause erstmals gegeben. Wir sind dem Herrn Bundeswirtschaftsminister für diese Definition dankbar.
    Daß die unerwünschte Konzentration nicht nur die betroffenen Konzernherren, Monopolherren, Kartellherren in ihrer zukünftigen Geschäftspraxis und Geschäftsgesinnung und in ihrem zukünftigen Machtstreben angeht, ist bereits gesagt worden. Die zweite Gesellschaftsschicht, die von dieser Frage ebenso betroffen wird, ist die ganze Schicht derer, die wir in unserer Zeit unter dem Begriff der Selbständigen zusammenfassen: der Gewerbetreibenden, der freien Berufe und der Landwirtschaft. Deshalb wird diese Debatte zum Teil auch als eine mittelstandspolitische Debatte angesehen. Letzten Endes sind von der Debatte die Verbraucher und damit die gesamte Schicht der unselbständigen Menschen unserer Zeit berührt.
    Ich möchte mich mit Rücksicht auf den ungeheuren Umfang der Möglichkeiten, die diese Debatte in sich birgt, auf die Auswirkungen beschränken, die von dieser Debatte für die Schicht der Seib-ständigen erhofft werden. Gewiß, man kann sich auf den Standpunkt stellen, die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung bedarf überhaupt keiner irgendwie gearteten Ordnungselemente. Aber diese Debatte soll ja auch dazu dienen, die in den letzten Jahren entstandenen Disparitäten zwischen der selbständigen Tätigkeit und der Tätigkeit der Großwirtschaft, zwischen den selbständigen und auch den unselbständigen Menschen unserer Zeit aufzuhellen. Wir haben die Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört, daß bestimmte wissenschaftliche Institute und Professoren dieser Institute aufgefordert sind, eine gewisse Aufklärung zu bringen und Material über die Zusammenhänge zwischen Konzernbildung, Kartellbildung und den übrigen Schichten der selbständigen Wirtschaft darzustellen. Solcher Aufforderungen kann es nach meiner Auffassung ganz bestimmt nicht genug geben.
    Wir wissen aber, daß die Wissenschaft an entscheidendes Material unserer Zeit nicht herankommt. Ich verweise — in Abwesenheit des Herrn Bundesarbeitsministers — auf das sogenannte Gutachten über die Disparitäten zwischen lohnintensiven und energieintensiven Betrieben von Professor Müller — Freiburg, das seit etwa 14 Tagen vorliegt. Wenn man dieses Gutachten auf sich wirken läßt, muß man sagen, daß die Wissenschaft hier in lapidaren Erklärungen und Feststellungen hängenbleibt, ohne in die Substanz eintreten zu können. Warum? Weil ihr entscheidendes Material für die Klarstellung der Verhältnisse einfach nicht zugänglich ist.
    4452 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
    Dr. Schild
    So wird es auch mit den wissenschaftlichen Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen der Konzernbestrebungen auf die selbständige mittelständische Wirtschaft sein. Auch hier sind bestimmte Daten einfach nicht vorhanden, die man aber haben muß. Wenn es nicht anders geht, wird man ein Gesetz schaffen müssen, um sie zu erlangen, damit es überhaupt erst einmal möglich wird, die Disparitäten und die Relationen festzustellen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in unserer Bundesrepublik beispielsweise nicht feststellbar ist, wieviel PS in der deutschen Wirtschaft insgesamt installiert sind, geschweige denn die branchenweise Verteilung dieser PS auf konzernierte Wirtschaft, auf Großwirtschaft, auf automatisierte Wirtschaft, auf mittelständische Wirtschaft usw. Solange diese statistischen Feststellungen über die installierten Energien nicht vorhanden sind, nützt uns die wissenschaftliche Forschung über Konzerne überhaupt nichts.
    Genauso ist es mit der verbrauchten künstlichen Energie. Auch die Kilowattstunden und sonstigen Einheitswerte für verbrauchte Energien sind statistisch bei uns nicht feststellbar. Diese Dinge werden bei uns nicht erfaßt. Daher ist auch die Diskussion über die Auswirkungen der Konzernierung auf lohnintensive und energieintensive Betriebe mit der Tatsache belastet, daß wir kein konkretes Material für die letzten Beurteilungen haben.
    Wir sind der SPD dafür dankbar, daß sie einen Antrag gestellt hat, wonach die Bundesregierung einen Jahresbericht über die Situation der gewerblichen Selbständigen und die Situation der freien Berufe veranlassen soll, der etwa dem Grünen Bericht oder dem Sozialbericht ähnlich ist. In diesem Jahresbericht sollen die Disparitäten und Relationen festgestellt und Vergleiche vorgenommen werden, die Erkenntnisse über die Auswirkungen der unerwünschten Konzentration objektiv bringen.
    Deshalb muß diese Debatte auch dazu dienen, das Material für diese wissenschaftlichen Untersuchungen herbeizuschaffen. Ich kann mir denken, daß die zukünftigen Umsatzsteuererklärungsformulare ganz andersaussehen als die augenblicklichen, daß man nämlich in ihnen auch Angaben über die installierten PS-Kräfte, Angaben über die verbrauchten Energien verlangen wird, damit man endlich einmal zu den Problemen Stellung nehmen kann, die mit der Konzernierung technischer Art, 'aber auch wirtschaftlicher Art zusammenhängen..
    Die Koalitionsparteien, die diese Debatte über die Wirtschaftskonzentrationdurch ihre Große Anfrage forciert haben, haben dem Hohen Hause heute einen Entschließungsantrag unterbreitet, mit dem erreicht werden soll, Entartungserscheinungen, die mit der unerwünschten Konzentration zusammenhängen durch gezielte Maßnahmen zu beseitigen und auch behärdliche Untersuchungen anzustellen, wie diese unerwünschte Konzentration eingeengt und beschränkt werden kann. Ich halte diese gezielten Einzelmaßnahmen für sehr wichtig. Ich bin der Ansicht, daß man in diesem Hohen Hause zu diesem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP noch ein kurzes Wort sagen muß.
    Diese Einzelmaßnahmen, beispielsweise Eigentumsbildung in Personenhand, sind, soweit es sich um die Schicht der Selbständigen handelt, hier bereits erörtert worden. Aber es ist ein der Praxis nichts dabei herausgekommen. Wir haben bei den Etatberatungen beispielsweise Zins verbilligungsmaßnahmen für die Finanzierung gewerblicher Räume und Läden, und zwar für die nachstellige Finanzierung, beschlossen. Ihre Durchführung scheiterte dann aber an den Verwendungsrichtlinien. Diese Verwendungsrichtlinien waren praktisch nicht realisierbar. Wir dürfen aber nicht nur an Eigentumsmaßnahmen für die Unselbständigen denken; für die selbständigen kleinen und mittleren Betriebe ist die Eigentumsfrage genauso wichtig. Denn wir haben in der Handwerksstatistik 1956 festgestellt, daß 50 % der 770 000 Handwerksbetriebe unserer Bundesrepublik ihre Werkstatt und ihren Laden nicht auf eigenem Grund und Boden haben.
    Diese Eigentumsbildung in den Kreisen des selbständigen gewerblichen Mittelstands läßt sich nicht einfach mit einer Erklärung fördern. Es ist vielmehr notwendig, eine effektive Kapitalzinspolitik zu betreiben und sonstige Maßnahmen zur Eigentumsbildung, zum Beispiel Baulandbeschaffung für diese Kreise, zu treffen, um diese Eigentumspolitik überhaupt glaubwürdig zu machen. Diese Eigentumspolitik für die Selbständigen, die noch kein Privateigentum an Grund und Boben für Fabriken, Werkstätten und Läden haben, ist augenblicklich bei der Baulandfrage, vor der wir stehen, ungeheuer schwierig gewarden.
    Darauf wollte ich im Hinblick auf das Problem, das in dem Gesamtantrag der Koalition angeschnitten ist, noch einmal hingewiesen haben.

    (Beifall bei der DP. — Abg. Schmitt [Vokkenhausen]: Achtung! Damit die DP nicht in der Koalition dem Konzentrationsprozeß zum Opfer fällt!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Wieninger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Wieninger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Absicht unserer Großen Anfrage liegt u. a. darin, auf breiter Grundlage aufzuzeigen, wie sehr die Startverhältnisse in der Wirtschaft auseinanderklaffen und in welcher Weise die Steuergesetze, aber auch die Soziallasten die einen begünstigen, die anderen aber benachteiligen. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis erwarten wir eine prinzipielle Förderung der selbständigen mittleren Existenzen.
    Ich darf zu Punkt 7 unserer Anfrage Stellung nehmen. Dieser Punkt lautte:
    Wird die Konzentration nach Ansicht der Bundesregierung durch den Unterschied in der Belastung begünstigt, wie sie sich zwischen lohn- und kapitalintensiven Wirtschaftszweigen durch die Bemessung der gesetzlichen Sozialabgaben auf der Grundlage der Beschäftigung und Lohnsumme ergibt?
    Es liegt auf der Hand, daß die Wettbewerbslage
    zwischen Betrieben, die rationalisiert sind, die also



    Wieninger
    infolge des Einsatzes von Maschinen weniger Arbeitskräfte benötigen, und solchen, die aus irgendwelchen Gründen diese Maßnahme nicht oder noch nicht durchgeführt haben, die also noch lohnintensiv sind, zugunsten der maschinisierten und mechanisierten Betriebe verschoben ist. Arbeitskräfte sind nun einmal kostspielig, und Betriebe mit arbeitsparenden Maschinen werden deshalb ihren Mitbewerbern, die nicht darüber verfügen, um ein gutes Stück voraus sein. An dieser Tatsache können weder Parlament noch Regierung etwas ändern. Wir verzeichnen hier also eine naturgegebene Startungleichheit.
    Zu diesem natürlichen Wettbewerbsnachteil kommt noch der Umstand, daß die lohnintensiven Betriebe nach dem Maß der von ihnen bezahlten Löhne auch noch Sozialabgaben zu leisten haben, Sozialabgaben, deren Höhe kalkulatorisch stark ins Gewicht fällt. Dies bewirkt, daß die naturgegebene Startungleichheit noch weiter, und zwar um ein gutes Stück, vergrößert wird.

    (Abg. Schmücker: Sehr richtig!)

    Die Investitionsvorleistungen lohnextensiver Betriebe machen diesen Nachteil der lohnintensiven Betriebe noch lange nicht wett. Es ist notwendig, die Tatsache solcher Wettbewerbsnachteile der lohnintensiven Wirtschaft im Rahmen dieser Debatte aufzuzeigen.
    Fragen wir uns nun, ob etwas unternommen werden kann, um diese Ungleichheit ganz oder wenigstens teilweise zu beseitigen. Exakte Vorschläge
    können und sollen im Rahmen dieser Aussprache nicht gemacht werden. Ich möchte nur zwei Feststellungen treffen.
    Erstens. Die Lohnbezogenheit von Soziallasten ist im Grundsatz gerechtfertigt, insbesondere wenn zwischen Lasten und Leistungen ein Aquivalenzprinzip herrscht. Professor Dr. Müller (Freiburg) hat zu diesem Thema im Auftrage des Bundeswirtschaftsministeriums ein aufschlußreiches Gutachten erstellt. Er kommt zu dem Schluß, daß die Soziallasten für die Rentenversicherung, die soziale Krankenversicherung und die Unfallversicherung lohnbezogen bleiben müssen, wenn vermieden werden soll, daß diese sozialen Einrichtungen ihres Versicherungscharakters verlustig gehen.
    Die zweite Feststellung richtet sich gegen die Auffassung, daß andere Soziallasten, wie z. B. Leistungen für die Arbeitslosenversicherung und das Kindergeld, unbedingt lohnbezogen bleiben müssen. Das Versicherungsprinzip in der Arbeitslosenversicherung ist nach Ansicht gewichtiger Sachverständiger bezweifelbar, und beim Kindergeld besteht überhaupt kein Kausalzusammenhang zwischen der Belastung nach der Lohnsumme und der Leistung, die sich ja nach der Kinderzahl bemißt. Ich will damit lediglich die Möglichkeit andeuten, daß unter Umständen andere Bemessungsgrundlagen gefunden werden müßten.
    In diesem Zusammenhang ist auch noch zu überlegen, ob es angezeigt, möglich und notwendig ist, lohnintensiven Betrieben in anderer Weise einen Belastungsausgleich, z. B. bei Kreditaktionen oder
    durch eine Investitionshilfe oder in steuerlicher Hinsicht, zu verschaffen. Wir können heute diese Fragen hier nicht zu Ende diskutieren und müssen uns damit begnügen, festzustellen, daß hier ein beachtenswertes Problem gestellt ist. Dieses Problem sollte einer Lösung zugeführt werden. Wir müssen den Mut haben, auf diesem Gebiete von einem überkommenen Denken abzugehen, um der veränderten strukturellen Entwicklung in der Wirtschaft Rechnung zu tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)