Rede:
ID0308201800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3082

  • date_rangeDatum: 15. Oktober 1959

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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Mick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich einige Ausführungen zu Punkt 6 der Großen Anfrage mache. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer war für uns der richtige Weg, um über das Kontrollratsgesetz 22 hinaus einen eigenen geistigen und rechtlichen Beitrag zur Abkehr vom Führerprinzip nationalsozialistischer Prägung zu leisten. Wir leisteten diesen Beitrag nicht zuletzt auch, um dem Gedanken der Partnerschaft zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder, wenn Sie so wollen, zwischen Kapital und Arbeit zu dienen. Daß dies gleichzeitig eine restlose Ablehnung jedes Klassenkampfgedankens war, muß jedem einleuchten, der irgendwie einmal mit „christlich-sozial" auch nur flüchtig in Berührung kam. Der Gedanke, mit der Mitbestimmung natürlich vorhandene Ebenen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beseitigen zu wollen, ist uns dabei allerdings nicht gekommen. Wir waren allerdings der Auffassung, daß man eine Ebene schaffen müsse, auf der gemeinsam beraten, verhandelt, bestimmt werden und einer nichts gegen den anderen tun könnte.
    Bei aller Wichtigkeit, die der Frage der überbetrieblichen Mitbestimmung zukommt — und es kommt ihr eine große Bedeutung zu, etwa im vieldiskutierten Bundeswirtschaftsrat —, waren wir gewiß, zunächst die Fragen der betrieblichen Mitbestimmung angehen zu müssen, weil es nun einmal so ist, daß das, was oben werden soll, von unten wachsen muß, um auch von unten getragen werden zu können. Nicht zuletzt war das auch der Grund, warum wir eine mehr oder weniger repräsentative, in der Hauptsache durch außerbetriebliche Kräfte getragene Mitbestimmung abgelehnt haben. Das Sowohl-Als-auch aber immer in der Verantwortung der betrieblichen Kräfte scheint uns eine gute Lö-



    Mick
    sung zu sein. Von einigen Punkten abgesehen, die aber nicht in die Zuständigkeit des Gesetzgebers fallen, hat sich diese Lösung bewährt.
    Unter Außerachtlassung dieser zweifellos wichtigen Fragen außerbetrieblicher Mitbestimmung, aber auch wichtiger Fragen betrieblicher Mitbestimmung, scheint es mir notwendig zu sein, über etwas zu sprechen, was sich in konkreten Vorgängen ergeben hat. Man mag es de jure als richtig anerkennen, daß beim Aufgehen bisher mehr oder weniger selbständiger Unternehmen in einem Konzern die Mitbestimmung nicht gemindert wurde, weil sie in der Konzernspitze ihren Wirkungsbereich behält. De facto aber, vor allem mit Blick auf den Mann und die Frau im Betrieb, rückt sie in weite Ferne.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich möchte es mit den Worten eines Metallarbeiters aus einem bestimmten Unternehmen sagen, der anläßlich einer Diskussion über diese Vorgänge den Satz prägte: Für uns ist heute die Mitbestimmung genauso weit entfernt wie weiland für das russische Volk der Zar. Das mag überspitzt klingen; aber ich glaube, es ist durchaus plastisch ausgedrückt. Es erfüllt uns mit Genugtuung, daß auf Grund von Vereinbarungen zwischen Konzernen und Gewerkschaften bis auf einen Konzern zumindest vorläufige Regelungen getroffen werden konnten, die der Betriebsferne der Mitbestimmung entgegenwirken, indem so etwas wie eine Mittel- oder Zwischeninstanz der Mitbestimmung geschaffen wurde.
    Es wird zu überlegen sein, ob die dort getroffenen Regelungen auf sich beruhen oder als Modell für gesetzliche Regelungen dienen können. Jedenfalls bleibt festzuhalten, daß die CDU/CSU keinen Grund hat, von den Gedanken, die bei der Einführung der Mitbestimmung für sie maßgebend waren, irgend etwas preiszugeben. Das gilt insbesondere für die parteipolitische Unabhängigkeit der Betriebsräte und der von den Arbeitnehmern ,gestellten Aufsichtsräte. Wir werden uns überall da widersetzen, wo über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Versuch unternommen wird, parteipolitische Konzentration zu betreiben.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Solchem Tun widersprechen Geist und Buchstabe der Mitbestimmungsgesetze.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es bedeutet eine Diskriminierung der gesamten Mitbestimmung der Arbeitnehmer, wenn sie in parteipolitische Geschäfte einbezogen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Für uns heißt es nicht „Mitbestimmung einer oder mehrerer Parteien", sondern „Mitbestimmung der Arbeitnehmer, unbeschadet ihrer Rasse, Konfession oder Parteimitgliedschaft", so wie es im Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich proklamiert ist.
    Wenn wir dies sagen, meine Damen und Herren, so haben wir dazu Veranlassung, und sie soll hier offen ausgesprochen werden. Gestatten Sie, daß ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Auszüge aus zwei Briefen verlese, um Ihnen deutlich zu machen, was gemeint ist. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands schreibt unter „Bezirk Dortmund, Bezirksgruppenreferat", unter anderem:
    Liebe Genossen! für den gesamten Konzern „Rheinische Stahlwerke" finden in den nächsten Wochen Wahlen für den Aufsichtsrat statt. Um nunmehr zu erreichen, daß unsere Genossen aus den Betriebsräten der einzelnen Werke sich kennenlernen und gemeinsame Vorschläge erarbeiten, um vor allem aber auch zu sichern, daß nicht durch Zersplitterung unserer eigenen Leute KP- oder andere Kollegen
    — die Frage müßte beantwortet werden, wer die anderen Kollegen sind —

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    zum Zuge kommen, soll vor der Betriebsrätesitzung des Konzerns, die der gesamten Frage gilt, eine Zusammenkunft der parteigenössischen Betriebsräte aller Unternehmen des Rheinischen Stahlwerk-Konzerns im Lande stattfinden.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU; ironische Zurufe von der SPD: Unerhört!)

    Nun ein Auszug aus .einem weiteren Schreiben:
    Sozialdemokratische Partei Deutschlands, der Parteivorstand, soziale Arbeitsgemeinschaft, Industriegruppe Metall. „In den nächsten Tagen",
    — so heißt ,es in dem Schreiben —
    wird Dich der Genosse Rudi Leeb besuchen und Dir eine Liste vorlegen mit der Bitte, einen Beitrag ,als Spende einzuzeichnen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Schau! Schau! — Lachen bei der SPD.)

    — Nur die Ruhe, meine Herren, nur die Ruhe! Wir gehen dabei von der Erwartung aus, (Unruhe bei der SPD)

    — warum denn diese Nervosität? —
    daß Du Dich diesem selbstverständlichen Wunsche nicht verschließt, da Deine Nominierung
    — und nun hören Sie gut zu! —
    als Aufsichtsratsmitglied oder als Arbeitsdirektor nicht nur eine auf die Person bezogene Berufung, sondern eine Funktion ist, die auch im Interesse der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ausgeübt wird.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Mit besten Grüßen der
    — parteipolitisch unabhängig sein sollende —
    Vorsitzende der IG Metall
    Otto Brenner
    —und —
    gez. Erich Ollenhauer.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




    Mick
    Meine Damen und Herren, aus der Tatsache, daß diese Briefe in unsere Hand kamen — und sie sind gewiß nicht an christlich-soziale Adressaten gerichtet —, mögen Sie ersehen, daß die in Mitbestimmungsorganen tätigen Arbeitnehmer genau wie wir solche parteipolitischen Geschätfe ablehnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Lange [Essen:] Das war alles?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn (Marburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung oder besser eine Frage vorweg. Ich war der Meinung, daß wir uns heute über eine der Fragen unterhalten, die gerade unseren Bundeswirtschaftsminister besonders angehen und interessieren sollten. Ich stelle mit einiger Verwunderung fest, daß er seit einiger Zeit nicht mehr im Saale anwesend ist. Ich weiß nicht, ob es geboten — —

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ach, er braucht nicht dabei zu sein?! Na ja, darüber kann man jedenfalls streiten. Man kann diese Abwesenheit auch als mangelndes Interesse für die Sache ansehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist denn der Kollege Deist?)

    — Meine sehr verehrten Damen und Herren, der
    Kollege Deist ist ja, wenn ich recht unterrichtet bin, nicht Wirtschaftsminister, und er ist wohl auch nicht dafür verantwortlich, daß bestimmte Maßnahmen ergriffen und seitens der Regierung durchgeführt werden, wie es hier in einer Reihe von Anträgen gefordert wird. Ich glaube, mit diesem Vergleich kommen wir nicht sehr viel weiter.
    Aber nun zu dem, was der Herr Kollege Mick hier gesagt hat. Das war an sich ganz nett; nur versuche ich zu ergründen, was das eigentlich mit der Sache zu tun hat. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, worauf diese Salven, die da gegen die sogenannte parteipolitisch gefärbte Mitbestimmung abgeschossen wurden, eigentlich gezielt waren, wenn ich versuche, mir in Erinnerung zurückzurufen; was der Ausgangspunkt dieser Debatte ist.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    Die ganze Erregung des Kollegen Mick gewinnt etwas Peinliches, wenn man sich vorstellt, daß doch sicherlich auch die christliche Arbeitnehmerschaft, Herr Kollege Mick, nicht so ganz untätig und ganz uninteressiert ist.

    (Abg. Lange [Essen] : Sehr richtig!)

    Ich meine, man sollte mit diesen Dingen etwas vorsichtiger umgehen und sollte nicht versuchen, hier so ein bißchen parteipropagandistischen Trommelwirbel zu machen.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Wer im Glashaus sitzt — — !)

    Vielleicht, Kollege Mick, ist es der Sache dienlicher,
    wenn wir uns über die Fragen unterhalten, die im
    Zusammenhang mil der heutigen Debatte stehen, mit der entscheidenden Frage, ob und inwieweit das Institut der Mitbestimmung uns nützlich sein kann und uns noch nützlicher sein sollte, als es heute ist: als ein Instrument gegen die Machtkonzentration in der Wirtschaft. Ich wäre sehr froh darüber gewesen, wenn Sie dazu einiges mehr gesagt hätten als die allgemeine Vorbemerkung. So bin ich gezwungen, mich an das zu halten, was in Ihrem Antrag steht, in dem Sie erklären, daß die Erhaltung der betriebsnahen Mitbestimmung besonders vordringlich ist, und entsprechende Maßnahmen fordern. Zu dieser sachlichen, zum Thema gehörigen Äußerung kann man sehr freudig und dankbar ja sagen, obwohl man sich dabei allerdings auch einmal darüber unterhalten muß, wie Sie das genau meinen. Das heißt: was verstehen Sie genau unter dieser betriebsnahen Mitbestimmung?
    Wenn ich mir in Erinnerung rufe, was der Herr Minister vorhin in seinen Ausführungen gesagt hat, dann scheint es mir doch notwendig zu sein, daß Sie in Ihren eigenen Reihen noch einmal etwas klarere Vorstellungen entwickeln und sich einig werden darüber, was das eigentlich bedeuten soll. Der Herr Minister hat uns nämlich vorhin gesagt, daß in den großen Konzernen für alle Arbeitnehmer eine Mitbestimmung nicht notwendig sei. Ja, er ist sogar noch einen Schritt weitergegangen. Er hat erklärt, daß die Dinge, die im Zusammenhang mit der Umwandlung geschehen seien, eigentlich keine Konzentrationen seien und daß deshalb darin kein Problem der Mitbestimmung liege. Ich muß das doch wohl so auffassen, daß nach Meinung des Herrn Ministers mit dem Institut der Mitbestimmung bei den Fragen, über die wir uns hier unterhalten, nicht sehr viel anzufangen ist und daß sie hier nur eine untergeordnete Rolle spielt.
    Ist es so, wie es uns der Herr Minister hier gesagt hat? Ich glaube nicht. Daß bei den Arbeitnehmern immerhin ein sehr großes Interesse daran besteht, die Mitbestimmung und damit ihren Einfluß auf die Unternehmen zu erhalten, und daß sie als Folge der verschiedenen Umwandlungsmaßnahmen einen Rechtsverlust erlitten haben, beweist doch allein die Tatsache, daß es sehr großer Anstrengungen bedurft hat, wenigstens gewisse Rechtspositionen durch Verträge zu erhalten. Und das ist nicht einmal in allen Fällen gelungen.
    Wir müßten uns doch eigentlich darüber verständigen können, daß manche Erscheinungen in den Betrieben sowie manche Entwicklungen im Zusammenhang mit der Konzentration Ausdruck einer bestimmten Haltung vieler Unternehmensleitungen sind. Diese Haltung ist, wie ich glaube, recht treffend von jemandem charakterisiert worden, der sicherlich nicht in dem Geruch steht, Sozialdemokrat und deswegen einseitig festgelegt zu sein. Da ist nach der „Welt" vom 8. Oktober 1959 auf dem Fachkongreß für Werkzeugmacherei und Betriebswirtschaft von Herrn Professor Eisele einmal in sehr deutlicher Form etwas ausgesprochen worden, was wohl ausgesprochen werden muß, daß nämlich — so sagte er — in den Unternehmen teilweise ein tyrannischer Dirigismus herrsche, daß dahinter



    Jahn (Marburg)

    primär das Streben nach Macht und Geltung stehe und daß ein bis ans Diabolische grenzendes Machtverlangen sich in den Unternehmensleitungen durchgesetzt habe.
    Ich darf Ihnen einen anderen Hinweis geben. Herr Professor von Nell-Breuning sagt, daß die Situation des Vorstandes der Aktiengesellschaften praktisch als die eines ausgesprochen frei schwebenden Managements angesehen werden müsse.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier wird deutlich, weshalb bei den Fragen, mit denen wir uns zur Zeit auseinanderzusetzen haben, die Forderung nicht nur nach der Bewahrung, sondern auch der richtigen Einordnung der Mitbestimmung nicht unter den Tisch fallen darf. Dieses Machtstreben, von dem ich soeben gesprochen habe, bedarf der Kontrolle, und diese Kontrolle der Macht kann wenigstens zu einem guten Teil durch eine gute und auch gesetzlich gesicherte Mitbestimmung erreicht werden.
    Wenn Sie diese Kontrolle ernsthaft wollen, Herr Kollege Mick und ich meine, darüber sollten wir uns unterhalten —, müssen Sie dafür sorgen, daß auch in den umgewandelten Unternehmen für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, für ihre Beteiligung an der Willensbildung im Betrieb noch genügend Raum bleibt und daß ein Weg gefunden wird, gegenüber den reinen Unternehmerinteressen auch die allgemeinen Interessen noch in einer angemessenen Weise zu berücksichtigen. Es wäre gut und sicherlich ein wesentlicher und nützlicher Beitrag, den die Bundesregierung im Zusammenhang mit ihren Überlegungen, wie sie der Konzentration begegnen kann, leisten könnte, wenn die Bundesregierung einmal klare Vorstellungen darüber entwickelte, wie in Zukunft auch in den Großbetrieben, in den Konzernen eine genügende Mitbestimmung der Arbeitnehmer gesichert werden kann.

    (Beifall bei der SPD.)