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ID0308203700

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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, etwas im Telegrammstil zu sprechen. Ich werde alles weglassen, was wegzulassen möglich ist, damit ich die Geduld des Herrn Präsidenten und des Hohen Hauses nicht mehr als unbedingt notwendig in Anspruch nehme. Ich werde auch als letzter Sprecher nicht neue Gesichtspunkte vorbringen, sondern nur, soweit es notwendig ist, auf das eingehen, was hier vorgetragen wurde.
    Unser Herr Kollege Kurlbaum machte über die Dauer von der Einbringung der Vorlage bis zur Beratung einige Bemerkungen. Nun, meine Herren von der SPD, zwei positive Seiten hatte aber diese Vertagung für Sie: Einmal hatten Sie Zeit, Ihren beachtenswerten Antrag auszuarbeiten; er hat jetzt auch so lange wie unsere Beratung gedauert, bis er fertig war.

    (Zurufe von der SPD.)

    Weiter hatten Sie die Chance, diese Debatte unter Ihrem neuen Parteiprogramm zu führen. Vielleicht hat dieses neue Programm einige Ungelegenheiten aus dem alten beseitigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Anhaltende Unruhe und Zurufe bei der SPD.)

    Übrigens haben Sie darauf hingewiesen, daß Sie sich auch schon vor unserer Anfrage mit Mittelstandsfragen und dieser Konzentrationsproblematik befaßt haben. Das kann ich Ihnen bestätigen. Ich habe in den alten Schmollerschen Jahrbüchern nach-



    Dr. Burgbacher
    gelesen, daß Ihre Partei und auch, wenn Sie wollen, unsere Vorgängerin bereits 1897 auf dem 8. Evangelischen Kongreß Debatten geführt haben, die man heute wörtlich vorlesen könnte, und sie wären noch hochaktuell. Schon damals war der Mittelstand in tödlicher Gefahr. Auch heute soll er es sein. Aber er lebt noch,

    (Beifall in der Mitte)

    denn sonst könnte man nicht einmal behaupten, daß er heute noch in tödlicher Gefahr sei.
    Damit möchte ich sagen, daß wir hier eigentlich unter dem Titel „Konzentration" eine Debatte über das Wachstum einer modernen Wirtschaft geführt haben. Wir haben uns über Entwicklungsprobleme der modernen Wirtschaft unterhalten und haben dabei die Vor- und Nachteile abgewogen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)

    Bei den Ausführungen über die Börsenwerte ist etwas Merkwürdiges festzustellen. Herr Kollege Kurlbaum nannte für 1953 20 Milliarden, für 1959 120 Milliarden Kurswerte. Ich habe mir die Angaben vom Statistischen Bundesamt geben lassen. Sie lauten: 1953 etwa 19 Milliarden. Da ist kaum ein Unterschied. Aber für 1959 nur 65 Milliarden! Herr Kollege Kurlbaum hat eine glaubwürdige Unterlage vom Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften, und ich glaube auch eine glaubwürdige Unterlage vom Statistischen Bundesamt zu haben. Die Gelehrten müssen sich nun darüber klarwerden, welche der Zahlen richtig ist.
    Zur Sache möchte ich folgendes bemerken: Erstens. Die Entwicklung an den Börsen ist ein Zeichen des Vertrauens zur Stabilität der von uns gesteuerten oder unter unserer Regierung entwickelten Wirtschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Deist: Dies Auf und Ab?)

    Zweitens: An der Börse werden nicht alle in festen Händen befindlichen Aktien gehandelt. Sie werden notiert, aber nicht gehandelt. Da wir alle wissen, daß über 70 % von den notierten Werten in festen Händen sind — was wiederum im Sinne der Debatte Ansatz zu einer gewissen Kritik gibt —, dürfen wir nicht argumentieren: es ist ein Skandal, daß die 70 % in festen Händen sind!, und gleichzeitig den Eindruck erwecken, als wären sie an der Börse und dieser Reichtum wäre echt vorhanden. Nur das fluktuierende Material ist an der Börse, und den Börsengewinn hat nur der, der realisiert. Der Paketbesitzer kann und wird nicht realisieren. Wir müssen uns also darüber klar sein, was dahintersteckt.
    Im übrigen, meine Damen und Herren, finde ich für meine Person es auf jeden Fall erfreulicher, mich in diesem Hohen Hause über Probleme vielleicht auffallenden Reichtums zu unterhalten als über Probleme irgendwelcher- Armut.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und noch etwas! Es ist gesagt worden, es sei ein kleiner Fisch, daß Wohnungen in den Händen großer Wohnungsbaugenossenschaften sind. Ich möchte
    zunächst feststellen, daß wir allen Grund haben, den Männern, die in der großen Wohnungsnot mit dem Wiederaufbau angefangen haben, dankbar zu sein. Aber das Wohnungseigentum in kollektiver Hand ist nicht unser politisches Endziel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

    Wenn diese großen Wohnungsbaugenossenschaften Wohnungen für die Bürger gebaut und verkauft hätten, dann hätten sie nach unserer Vorstellung eine noch größere Aufgabe erfüllt.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

    Sie werden sagen, das gehe nicht. Warum geht es nicht? Es geht deshalb nicht, weil durch die Wohnungszwangswirtschaft,

    (Abg. Dr. Deist: Buh!)

    durch die Verzerrung in der Wohnungswirtschaft zwischen der Miete und dem Marktpreis ein vorläufig unüberbrückbarer Unterschied besteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

    Wenn wir neben dem Wertpapiermarkt einen echten Wohnungseigentumsmarkt hätten, dann hätten wir über diese Börsenzahlen heute nicht zu sprechen brauchen. Denn dann würde das ersparte und zum Markt drängende Geld auf mehr Aufnahmefähigkeit, auf mehr Objekte stoßen, als es jetzt bei der Wohnungszwangswirtschaft stoßen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP.)

    Ich glaube, es war der Ire Shaw — der bekanntlich Sozialist war —, der einmal auf einem Sozialistenkongreß gesagt hat: Meine lieben Freunde, ich bin nicht Sozialist geworden, damit die Reichen ärmer, sondern damit die Armen reicher werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.) Das ist unsere Auffassung.


    (Abg. Baur [Augsburg] : Dann werden Sie Sozialist!)

    Legal erworbenes Eigentum steht für uns außer jeder Debatte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bravo!)

    Aber die Eigentumsbildungseit der Währungsreform, wie sie sich heute darstellt, entspricht nicht unserer Auffassung und ist nicht Endziel unserer Politik. Es handelt sich, um eine Etappe auf dem Weg, die unvermeidbar war,

    (Abg. Schmücker: Sehr richtig!)

    weil die Wirtschaft kapitalarm war. Wir fangen nicht alles auf einmal an, wir gehen Schritt für Schritt.

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Deist: Das haben wir gemerkt!)

    Wir bauen erst die Wirtschaft auf — das haben wir getan —, wir schaffen die Vollbeschäftigung — das haben wir getan —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ohne Planwirtschaft!)




    Dr. Burgbacher
    wir brachten die Rentenreform — das haben wir getan , und nunmehr werden wir Maßnahmen — keinen Zwang! — ergreifen, um die Eigentumsbildung in breiter Streuung zu fördern.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Herr Atzenroth hatte Bedenken, wir könnten bei den eigentumsfördernden Maßnahmen nur solche treffen, die allen zugute kommen. Ich habe schon einmal gesagt und wiederhole ,es: Ich habe von Kreisen der Wirtschaft nie einen Einwand gegen irgendeine Förderungsmaßnahme mit der Begründung gehört, sie komme nicht allen zugute. Wenn eine Förderungsmaßnahme gerecht ist, dann ist sie auch für die Gruppen gerecht, die es angeht, wobei selbstverständlich innerhalb der Gruppe die Gleichheit der Förderung entscheidend sein muß. Wir schenken auch kein Eigentum, wenn wir Steuerprivilegien und Prämien geben.
    Unser Herr Kollege Lange hat uns vorgeworfen, wir regierten seit 1949 — ja, Gott sei Dank stimmt das —, und wir hätten doch das Ahlener Programm gehabt. Nun, ich bin gar nicht so vermessen, zu behaupten, wir hätten das Ahlener Programm bereits durchgeführt.

    (Heiterkeit bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das geht doch gar nicht mehr! — Abg. Schmücker: Die SPD kriegt ja erst nächste Woche eins!)

    Aber der hockgeschätzte Kollege Lange sollte doch mit Programmvorwürfen vorsichtig sein, solange man selber noch in Geburtswehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Was haben wir denn heute kritisiert? Mit ziemlicher Einigkeit haben wir gewisse Dinge kritisiert. Also gibt es Dinge, die zu kritisieren sind. Glauben Sie, wir hätten die Kühnheit, zu 'behaupten, daß es unter den gottgewollt unvollkommenen Menschen überhaupt ein System ohne Kritik gibt?

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es handelt sich nicht darum, daß es Kritik gibt. Es handelt sich darum, ob der Saldo positiv oder negativ ist.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    Wir haben in zehn Jahren ein Haus, ein schönes Haus hingestellt,

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    in dem jeder seine Wohnung, jeder sein Brot hat

    (Abg. Baur [Augsburg] : Ist doch gar nicht wahr, Herr Kollege! — Abg. Schmücker: Na, na! — weitere Zurufe)

    - in dem jeder seine Wohnung und jeder sein
    Brot hat

    (Zuruf von der SPD: Nicht wahr, was Sie da sagen!)

    — ich habe es zweimal gesagt; wenn Sie Wert darauf legen, sage ich es noch ein drittes Mal:

    (Zuruf von der SPD: Es ist trotzdem nicht wahr!)

    — Sie können mir ja beweisen, daß es nicht wahr ist! — jeder seine Wohnung, seine Arbeit und sein Brot hat! — Dann haben wir darüber gesprochen, daß es einige Zimmer gibt, die vielleicht übergroß und vielleicht zu gut eingerichtet sind. Das ist ein Minimum an Kritik, was man an einem Wirtschaftssystem anbringen kann, und kein Maximum. Wir wollen diese Kritik mit dieser Feststellung gar nicht leichtnehmen, wir wollen sie aber auf das richtige Maß zurückführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Kollege Deist hat nach dem Sinn der Anfrage gefragt. Nun, ich möchte doch annehmen, daß von dieser Debatte, wenn wir alle sie nicht vergessen und wenn die Öffentlichkeit sie nicht vergißt, doch eine Reihe von positiven Impulsen ausgehen können. Ich muß aber dem Kollegen Deist sagen: Es gibt kein System in Freiheit ohne jede Möglichkeit der Kritik. Ich wiederhole — —

    (Abg. Baur [Augsburg] : Eine Binsenwahrheit ist das!)

    — Ja, wenn es eine Binsenwahrheit ist, warum regen Sie sich denn über die Kritik auf?

    (Abg. Baur [Augsburg] : S i e regen sich doch auf!)

    Warum machen Sie denn aus der Konzentration --

    (Abg. Baur [Augsburg] : S i e regen sich auf!)

    — Ach was; fühlen Sie mal meinen Puls!

    (Abg. Schmücker [zur SPD gewandt] : Wir waren doch akademisch ruhig! Wir waren doch langweilig für Sie!)

    Ich rege mich gar nicht auf.
    Daß in die Konzentrationsdebatte auch die Kohledebatte hineinkam, das hat mich etwas überrascht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Kohlepreiserhöhung von 1957 falsch war; das haben wir schon oftmals gesagt.

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    Aber vorher war diese Kohle unter einem öffentlichen Kontrollrecht und hat jahrelang unter dem öffentlichen Kontrollrecht des Preisstopps gestanden.

    (Abg. Dr. Deist: Seit 1891!)

    Und nun möchte ich Ihnen den Ball zurückgeben und möchte einmal fragen, ob die Lage der Kohle genauso wäre, wenn sie nicht unter öffentlicher Kontrolle gestanden hätte.

    (Abg. Dr. Deist: Sie wäre schlechter!)

    — Vielleicht; das wissen wir beide nicht so ganz genau. Wir wissen höchstens, daß alles anders wäre.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Aber was das Ernste an der Sache ist, Herr Deist:
    Wenn die Kohle, wie man so schön sagt, in der
    Krise ist — es ist vorwiegend ein strukturelles



    Dr. Burgbacher
    Problem —, so beweist diese Tatsache, daß die Kohle den Markt nicht beherrscht; sonst wäre sie ja nicht in der Krise.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Der Vorwurf an die „beherrschende Macht" im Sinne der Wirtschaft kann doch nicht darin bestehen, daß diese herrschende Macht im Wind des Wettbewerbs in Not kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Tatsache, daß die Kohle in Not ist, beweist, daß sie den Markt nicht beherrscht.

    (Erneute Zustimmung bei der CDU/CSU.) In der Beurteilung des Mineralöls — —


    (Zuruf von der SPD)

    Ja, wegen der 20 Minuten; ich erkenne gern an, daß Sie, Herr Deist, die Vereinbarung eingehalten haben. In der Kritik am Mineralöl gehe ich in vielem mit Ihnen einig. Aber wenn Sie der Meinung sind, die Mineralölleute würden uns über das Benzin zuviel Geld abnehmen, um es mal populär auszudrücken — wofür manches spricht —, dann hoffe ich, daß Sie bei der Heizölsteuer die Konsequenz ziehen, diesen Leuten die 300 Millionen abzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe und Lachen bei der SPD.)

    Herr Deist hat also von der unterschwelligen Werbepsychologie gesprochen. Ich anerkenne, daß er das Thema meisterlich beherrscht; denn er hat in seiner Rede auch einige unterschwellige Werbung angebracht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

    Über die Preise des Fernsehens kann man streiten. Aber ich bitte eins zu beachten: Die Markenartikel werden ja nicht von den Fabriken, die sie herstellen, verkauft, sondern in der Regel von mittelständischen Unternehmen, so daß diese Werbung zwar mittelbar durch den Verkauf des Produkts selbstverständlich dem Produzenten zugute kommt, aber im Absatz des Produkts eben dem mittelständischen Handel und denen, die daran interessiert sind.

    (Abg. Dr. Deist: Im Preis steckt sie aber drin!)

    Das Beispiel der Preußag! Zweifellos ist die Sache mit den Kleinaktionären noch nicht ganz in Ordnung. Es handelt sich um die erste echte Privatisierung mit Kleinaktien. Wollen Sie nun neben dem Erfolg, daß 216 000 kleine Leute sie gekauft haben und bis heute maximal 10 % den Besitz gewechselt haben — trotz der Bewegung an den Börsen! —, gleich eine perfekte Lösung haben? Ich möchte Ihnen sagen, daß der demokratische Gedanke der Aktionärvertretung durch Schaffung von regionalen oder örtlichen Aktionärvereinigungen, die Vertreter wählen, durchaus diskutabel ist. Dazu bedarf es aber keines Gesetzes. Das ist ein legitimes Anliegen im Rahmen des Gesetzes für alle, die es angeht. Also bitte, rufen wir die Kleinaktionäre auf, das zu tun! Aber wenn sie es nicht tun, wollen Sie dann sagen: Das sind alles Dummköpfe, und nur meine Idee, daß das Depotstimmrecht grundfalsch ist, ist
    richtig!? Der Bürger ist doch frei darin, wie er seine Vermögen verwaltet. Wenn wir ihn darauf aufmerksam machen, daß es neben den Banken noch die und die und die Möglichkeiten gibt — und ich verrate Ihnen, daß wir das in einer Fibel tun wollen, in der alle über diese Dinge aufgeklärt werden —, er diese Möglichkeiten aber nicht wahrnimmt, wollen Sie oder will die sozialdemokratische Fraktion dann jedem sagen: Ihr seid ja ganz schlecht belehrt; ihr müßt das machen!? Wenn wir dem Menschen die Chance geben, sein Recht wahrzunehmen, dann ist es seine Pflicht, das zu tun, aber nicht unser Recht, ihn dazu zu zwingen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Deist: Und wenn es keine Chance ist?!)

    Die Tatsache, daß wir vor etwa hundert Jahren — —

    (Zuruf von der SPD: Märchenerzähler!)

    — Was hat der Herr Kollege gesagt? — Haben Sie „Märchenerzähler" gesagt?


Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Baur, ich nehme an, daß der Ausdruck „Märchenerzähler" dieser vorgerückten Stunde zuzuschreiben ist.

(Zuruf von der SPD: Er war noch viel zu freundlich!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nun, es gibt so viele Märchenerzähler, von denen man noch lange sprechen wird, wenn man von Ihnen gar nicht mehr sprechen wird. Ich fühle mich nicht getroffen.
    Vor hundert Jahren wurde also die Energie, die wir hatten, zu 95 % von der menschlichen Arbeitskraft und zu 5 % von der Technik gestellt. Heute ist es, soweit man es berechnen kann, umgekehrt. In der Produktion wirken sich mit 95 % die technischen Kräfte und nur noch mit 5 % die physischen Kräfte des Menschen aus. Es scheint mir deshalb sehr wohl notwendig zu sein, daß wir alle in diesem Hause uns gründlich überlegen, ob Löhne und Gehälter noch die allein richtige Bemessungsgrundlage für alle Sozialaufgaben sind. Es handelt sich da um eine Umschaltung in wesentlichen Dingen. Ich glaube aber auch, daß man gerade an den zwei Zahlen, die ich nannte, nicht ohne weiteres vorbeigehen kann.
    Ich hätte noch sehr viel zu sagen, aber ich möchte mich auch an die Verabredungen halten. Ich habe die Pflicht, die Anträge meiner Freunde und der Fraktion einzubringen. Zunächst der Antrag auf Veranstaltung einer Enquete. Dabei haben wir gesagt, die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt sollten verwertet werden. Wir haben hierbei auch an die Gesetze in den Vereinigten Staaten gedacht. In den Vereinigten Staaten gibt es ein umfangreiches Bukett von small business acts, also von Gesetzen über das kleine Geschäft. Es gibt auch Erfahrungen. Nebenbei bemerkt beweist das, daß unser Problem ein Problem in allen industrialisierten Ländern der freien Welt ist. Wir bitten, über diesen Antrag heute zu entscheiden.
    Ein weiterer Antrag zum Thema Förderung der Eigentumsbildung und Einführung wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts liegt Ihnen gedruckt vor. Wir meinen, daß alle Steuergesetze



    Dr. Burgbacher
    mit dem Ziel überprüft werden sollten, daß — ich bitte, daß ich diesen Satz zur Sache noch sagen darf — steuerliche Vorteile nur für organisch gebotene Zusammenschlüsse bestehenbleiben, aber für rein organisatorische, d. h. nur auf Macht gerichtete Zusammenschlüsse nicht 'bestehenbleiben. Das bedeutet, daß man den organischen Zusammenhang z. B. zwischen Kohle und Eisen oder zwischen Öl und Chemie anerkennt, daß man aber keinen organischen Zusammenhang anerkennt z. B. zwischen einem Eisenwerk und etwa einer Baumaterialienhandlung, um zu vermeiden, daß die Gewinne des einen zur Subventionierung des anderen — mit steuerlichen Vorteilen — benutzt werden.
    Bei der Reform des Gesellschaftsrechts sind wir auch mit der Forderung nach einer viel weitergehenden Transparenz einverstanden. Wir sind auch damit einverstanden das heißt, ich hoffe, daß sich dafür bei uns auch eine Mehrheit findet —, daß diese Transparenz nicht nur für juristische Personen, sondern auch für Personengesellschaften und Personen — allerdings von einer ziemlich hohen Ebene an —

    (Abg. Dr. Deist: Sie brauchen nur einige Beispiele zu nennen!)

    gefordert werden soll.
    Über die Überprüfung der Wettbewerbsbeschränkung ist gesprochen worden; zur betriebsnahen Mitbestimmung hat Kollege Mick einiges ausgeführt. Ich möchte an alle großen Unternehmen in der Wirtschaft von diesem Platz aus den Appell richten, aus ihren Unternehmen keine zentrale Kommandostelle zu machen, sondern nach dem Subsidiaritätsprinzip möglichst viele Zuständigkeiten von oben zur Mitte und bis nach unten zu geben. Es ist ein Irrtum, wenn man annimmt, daß in großen Unternehmen unternehmerisches Denken nicht auch auf der Mittel- und Unterstufe möglich wäre. Im übrigen möchte ich auf eine weitere Begründung verzichten.
    Wir beantragen, unseren Antrag und den Antrag der Fraktion der SPD an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.
    Ganz zum Schluß möchte ich sagen, wir sind nicht überzeugt, daß unsere stark auf die Person bezogene Wirtschaftsordnung dadurch von ihren Mängeln befreit werden kann, daß man die Verantwortung zentraler Kontrollinstanzen an die Stelle der Verantwortlichkeit der beteiligten Personen setzt. Wir wollen die Freiheit für jeden bewahren. Wir sind zu Uferregulierungen bereit, aber wir sind nicht bereit, die Kraft der Freiheit unter eine Kontrolle zu stellen, die sie hemmen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)