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    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
    2. folderAnlagen
      Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von Dr. Ludwig Erhard


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


      (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)








      .








      (Beifall in der Mitte und rechts.)


    Rede von Dr. Richard Jaeger
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Georg Kurlbaum


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


      (Bravo! bei der CDU/CSU.)


      (Beifall bei der SPD.)


      (Zustimmung bei der SPD.)


      (Beifall bei der SPD.)

      Es bedarf auch meiner Ansicht nach im Augenblick zumindest nicht genauester qualitativer Analysen. Wer in der Wirtschaft steht, kennt den heftigen Druck, dem mittlere und kleine Unternehmen bereits heute unterliegen, und weiß, daß es praktisch überhaupt nicht mehr vorkommt, daß ein mittleres Industrieunternehmen ins Leben gerufen wird. Das ist eine sehr bemerkenswerte Tatsache.
      Ich erwähnte schon, daß seit der Einbringung der Anfrage der CDU/CSU zehn Monate vergangen sind.



      Kurlbaum
      Wir Sozialdemokraten haben zum Problem der Konzentration hier im Bundestag schon Wesentliches und Grundsätzliches gesagt. Wir haben uns mit dem Problem der Konzentration schon im Juni 1958 anläßlich der Debatte über den Etat des Bundeswirtschaftsministers befaßt, also fünf Monate, bevor Sie Ihre Anfrage eingereicht haben, und mein Freund Deist hat sich im Sommer dieses Jahres, wiederum gelegentlich der Diskussion des Etats des Bundeswirtschaftsministers, sehr eingehend mit dieser Frage befaßt.
      Ich glaube, unsere grundsätzliche Einstellung zu dem Problem ist klar, mindestens für alle diejenigen, die von unseren Ausführungen Kenntnis nehmen wollen. Wir haben auch Wert darauf gelegt, Konkretes zu verlangen, und ich habe es sehr bedauert, daß die erste konkrete Maßnahme, die wir verlangt haben — es war unser Antrag Drucksache 1151 vom Juni dieses Jahres zum Umwandlungsteuergesetz — von Ihnen abgelehnt worden ist. Dieser Antrag wäre die Gelegenheit gewesen, mindestens eine Reihe volkswirtschaftlich höchst fragwürdiger Fusionen zu stoppen.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ein großer Teil dieser Fusionen dient vornehmlich dem Ziel, neue Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Im Falle eines dieser Konzerne erreichen die zusätzlichen Abschreibungsmöglichkeiten eine dreistellige Millionenziffer. Es hätten also mehrere Gründe vorgelegen, unserem Antrag zu entsprechen. Ich hoffe daher, daß sich das Plenum noch einmal sehr genau überlegt, ob es dem Vorschlag des Finanzausschusses folgen soll, unseren Antrag abzulehnen.
      Die Begründung für den Vorschlag des Finanzausschusses ist in der Tat sehr seltsam. Man hat so argumentiert: Wenn ein schlechtes Gesetz — und das Umwandlungsteuergesetz ist zweifellos ein schlechtes Gesetz — einer Gesellschaft die Möglichkeit gibt, etwas vom Standpunkt der Allgemeinheit Schädliches zu tun, müssen die Wettbewerber dieses Unternehmens die gleiche Chance haben. Das scheint mir ein sehr bemerkenswerter Standpunkt zu sein. Selbst schlechte Gesetze sollen so etwas wie einen schutzwürdigen Besitzstand darstellen! Hier scheinen mir einzelne CDU-Abgeordnete ein übertriebenes Feingefühl für den Schutz der Interessen von Großkonzernen zu haben.

      (Beifall bei der SPD.)

      Lassen Sie mich nun zu unserem Antrag kommen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, hier auch ein paar Worte zur Frage der nützlichen Konzentration und zur Frage der nicht nützlichen Konzentration zu sagen. Nachdem aber Herr Schmücker das bereits eingehend behandelt hat und wir mit ihm auch in diesem Punkte übereinstimmen und nachdem auch der Bundeswirtschaftsminister eine geraume Zeit dazu verwendet hat, uns diesen Unterschied noch einmal klarzumachen, möchte ich den Bundeswirtschaftsminister nur auf einen Vorgang aufmerksam machen.
      In der „Süddeutschen Zeitung" vorn 10./11. Oktober war zu lesen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister vor dem Wirtschaftsbeirat der Union die Ansicht vertreten hat, für die Sozialdemokraten sei jede unternehmerische Großform schädlich. Mein Freund Deist hat sich in Gegenwart des Bundeswirtschaftsministers im Sommer dieses Jahres über dieses Thema schon sehr eingehend ausgelassen. Ich habe das hier ein Jahr vorher getan, ebenfalls in seiner Gegenwart, und ich kann Ihnen nur sagen: wir sind vollkommen Ihrer Meinung. Ich würde es daher begrüßen, wenn auch der Herr Bundeswirtschaftsminister — mindestens, nachdem er eine weitere Viertelstunde auf die Erklärung dieses Unterschieds verwendet hat — uns nunmehr glaubte, daß auch wir das verstanden haben.

      (Heiterkeit bei der SPD.)

      Mit der theoretischen Diskussion dieses Unterschieds ist es nun wirklich nicht getan, sondern wir sollten uns vor Augen halten, wie sich die Dinge entwickeln können, wenn es uns nicht gelingt, diesen Vorgang entscheidend zu bremsen. Es ist in der Tat so, wie es hier schon gesagt worden ist: wenn sich der Konzentrationsvorgang, von dem wir alle und vor allem die Praktiker der Wirtschaft wissen, so fortsetzt, müssen wir uns auch mit der Tatsache abfinden, daß die Zahl der selbständigen Unternehmer und die Zahl der Wettbewerber auf den verschiedenen Märkten abnimmt, zum mindesten der Einfluß der selbständigen mittleren Unternehmen laufend gegenüber dem Einfluß der Großunternehmen nachläßt. Daraus könnte sich dann eine sehr unerfreuliche Alternative für uns alle ergeben, die auch uns Sozialdemokraten unerwünscht wäre. Als eine Alternative könnte sich eine Wirtschaft entwickeln, die von unkontrollierten privaten Machtgruppen beherrscht wird. Sie werden Verständnis dafür haben, daß wir für eine solche Wirtschaft, die entscheidend von privaten Machtgruppen beherrscht wird, nicht zu haben sind, daß eine solche Wirtschaft für uns unakzeptabel ist, und wir glauben, sie sollte für jeden Demokraten unakzeptabel sein.

      (Beifall bei der SPD.)

      Es gibt noch eine zweite Alternative, die sich aus einem fortschreitenden Konzentrationsprozeß ergeben könnte. Diese Alternative sieht so aus, daß die Wirtschaft, weil sie von marktbeherrschenden Unternehmen beherrscht wird, weitgehend der Kontrolle öffentlicher Institutionen unterworfen werden müßte. Meine Damen und Herren, auch eine solche Alternative — bitte, glauben Sie uns das — ist uns im höchsten Grade unerwünscht. Wir sind der Meinung, daß es energischen Bemühungen gelingen muß, die Konzentration, wo sie volkswirtschaftlich unnötig oder schädlich wird, so weit einzudämmen, daß wesentliche Teile der Wirtschaft von unnötigem Dirigismus freigehalten werden.

      (Bravo! bei der CDU/CSU.)

      — Meine Damen und Herren, rufen Sie nicht zu früh „Bravo!". Solche Dinge haben wir schon früher sehr oft hier gesagt.

      (Zurufe von der CDU/CSU. — Gegenruf von der SPD.)

      Aber wir lassen uns nicht weismachen, daß das, was
      in Wirklichkeit privater, vor der Öffentlichkeit ge-



      Kurlbaum
      flissentlich verborgener Dirigismus ist, eitel Wettbewerb und Marktwirtschaft sei.

      (Abg. Lange [Essen]: Sehr richtig!)

      Damit komme ich zu den Einzelheiten unseres Antrages, und zwar zunächst zu Punkt I 1), der sich mit der Frage der Preisbindung der zweiten Hand beschäftigt. Dazu habe ich folgendes Allgemeine zu sagen. Die SPD interessiert sich lebhaft nicht nur für die konzentrierte Macht eines einzelnen Großunternehmens oder einer kleinen Gruppe marktbeherrschender Unternehmungen, sondern die SPD interessiert sich z. B. auch lebhaft für eine Mehrheit der Produzenten einer Branche, die zusammen mit dem Handel eine Macht gegenüber dem Verbraucher auszuüben in der Lage sind und die sich dabei der Preisbindung der zweiten Hand bedienen.
      In den letzten Monaten ist immer deutlicher geworden, daß dem Verbraucher in vielen Fällen durch Anwendung der Preisbindung der zweiten Hand zusammen mit einem überhöhten Preis auch ein genormter Service aufgezwungen wird. Nun, ich stehe auf dem Standpunkt, daß bei der Bedeutung, die der Service heute in der fortgeschrittenen Wirtschaft hat, dann von Konsumfreiheit nicht mehr die Rede sein kann.

      (Sehr richtig! bei der SPD.)

      Ich möchte noch weiter gehen.. Ich möchte ,sagen, daß das eigentlich schon eine zwangswirtschaftliche Form ist, gegen die wir gemeinsam vorgehen sollten.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ich glaube weiter, daß sich niemand darüber wundern kann, wenn der Verbraucher sich daher nach einem guten Freunde, nach einem nicht mehr ganz linientreuen Großhändler oder nach einem Versandhaus umsieht, das in der Lage und willens ist, ihm diesen Gegenstand billiger zu liefern. Um wieviel billiger, meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen ausführen.
      In den letzten Tagen war in der Presse zu lesen, daß der Inhaber eines großen Versandhauses bei einer Pressekonferenz erklärt habe, ein Filmgerät, das vom Fachhandel immer noch für 475 DM verkauft werde, sei nunmehr bei ihm für 290 DM zu erhalten.

      (Abg. Jahn [Marburg]: Hört! Hört!) Sie sehen also: ganz gewaltige Spannen!

      Ich rufe Ihnen ferner nur das in die Erinnerung zurück, was der Uhrenhändler Weiß erklärt hat. Er hat ,gesagt, es gebe drei verschiedene Ausführungen einer Uhr eines bekannten Uhren-Markenunternehmens, die genau das gleiche Uhrwerk enthielten, aber zu drei verschiedenen Preisen verkauft würden. Die Uhrwerke befänden sich in drei verschiedenen Gehäusen, deren Preise sich nur um wenige Mark unterschieden. Der Ladenpreis dieser drei Uhren mit genau demselben Uhrwerk betrage einmal 29,75 DM, einmal 47 DM und einmal 61 DM.
      Das sind tadelnswerte Zustände. Herr Schmücker, diese Zustände werden auch Sie tadelnswert finden. Es wäre interessant, einmal festzustellen, wieviele Mitglieder dieses Hauses sich auch schon einmal der Hilfe eines solchen Freundes bedient haben, um derartigen gewaltigen Handelsspannen aus dem Wege gehen zu können.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ich bin überzeugt, der Prozentsatz ist sehr hoch.
      Aber ernsthaft: der Handel sollte es sich auch überlegen, ob es ihm wirklich auf lange Sicht nützt, wenn er der Entwicklung neuer Betriebsformen künstliche Hemmnisse in den Weg legt und sich selbst in eine Zwangsjacke begibt. Wenn man den Handel in eine solche Zwangsjacke steckt, finden unausweichlich solche Ausbrüche statt, wie wir sie neulich in Nordrhein-Westfalen erlebt haben, wo große Teile des Einzelhandels plötzlich Rundfunkgeräte 20 % billiger verkauft haben. Handel und Industrie sollten sich darüber einig sein, daß solche Vorgänge mit einem schweren Verlust an Ansehen beim Verbraucher verbunden sein müssen.

      (Beifall bei der SPD.)

      Aus diesem Grunde haben wir in unserem .Antrag unter den konkreten Maßnahmen unseren Vorschlag wiederholt, die verbindlichen Preisbindungen der zweiten Hand in eine unverbindliche Form zu überführen. Wir glauben, daß das den Übergang zu einer wirklichen Marktwirtschaft auch auf diesem Gebiete erleichtern könnte.
      Unser nächster Vorschlag geht dahin, die Einwirkungsmöglichkeiten des Kartellamtes marktbeherrschenden Unternehmungen und auch Individualverträgen gegenüber auszudehnen. Das Bundeskartellamt hat in seinem Bericht bereits darauf hingewiesen, daß ,der § 22 des Kartellgesetzes unzureichend sei. — So scharf hat das Bundeskartellamt sich nicht ausgedrückt; aber man muß bedenken, daß der Präsident des Bundeskartellamtes mit seinen Ausführungen sehr vorsichtig sein muß.
      Wir wollen auch hier im wesentlichen Anträge wiederholen, die wir schon in der Debatte über das Kartellgesetz gestellt haben. Ich meine den, Antrag, erstens die Mißbrauchstatbestände für den Eingriff der Kartellbehörde marktbeherrschenden Unternehmungen gegenüber zu erweitern und zweitens die Möglichkeit zugeben, auch Individualverträge dann für unwirksam zu ,erklären, wenn sie „nur" vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus den Wettbewerb unangemessen einschränken.
      Meine Damen und Herren, das sind nicht theoretische Überlegungen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen aus der Mineralölwirtschaft exemplifizieren. Ich exemplifiziere im Hinblick auf die bayerischen Verhältnisse. Sie können z, B. in Bayern bei der Mehrzahl der normalen Tankstellen, die den großen Firmen gehören, das Benzin für 61'13f kaufen. Sie wissen aber auch, daß Sie bei den freien Tankstellen dasselbe Benzin, das sich nach der Auskunft von Fachleuten von dem anderen ausschließlich durch die Farbe, durch sonst gar nichts anderes unterscheidet, durchschnittlich für 54, ja sogar für 50 Pf erhalten können.
      Nun könnte man die Frage stellen: Warum vermehren sich denn diese Tankstellen nicht rapide?



      Kurlbaum
      Das ist die interessante Frage. Sie vermehren sich deshalb nicht rapide, weil erstens die Versorgung dieser Tankstellen mit freiem Benzin erhebliche Schwierigkeiten macht — man versucht natürlich, die Versorgung von seiten der großen Unternehmungen zu stören — und weil als entscheidend hinzukommt, daß die großen Mineralölgesellschaften durch die Tankstellenverträge, durch die sogenannten Knebelungsverträge es den Tankstelleninhabern unmöglich machen, anderes als ihr Markenbenzin zu verkaufen.

      (Abg. Lange [Essen] : Das ist der entscheidende Punkt) !

      — Das ist der entscheidende Punkt. Die Art und Weise, wie die großen Tankstellensysteme auf das Markenbenzin festgelegt sind, macht es praktisch überhaupt unmöglich, daß weitere Raffinerien von unabhängigen Herstellern mit einem zügigen Absatz ihrer Produkte rechnen können. Entsprechende Änderungen des Kartellgesetzes könnten also entscheidenden Einfluß auf diese unerwünschte Entwicklung haben.
      Lassen Sie mich nun zum nächsten Punkt übergehen, zur Frage der Publizität. Hier scheint weitgehende Einigkeit mindestens im Ziel, oder sagen wir besser: in der Tendenz — natürlich im Ausmaß leider wieder nicht — vorhanden zu sein. Wir haben uns zu unseren Vorstellungen über die Publizität hier schon im Juli 1958 und im Oktober 1958 ausgiebig geäußert, und ich möchte in unser aller Interesse diese Ausführungen nicht wiederholen. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß unsere alte Forderung, daß die besonderen Publizitätsvorschriften für Unternehmen von einer bestimmten Größe an, unabhängig von der Rechtsform, gelten sollen, inzwischen durch die Tatsachen wesentlich unterstützt wird.
      Ich weise nur auf all die Umwandlungen von der AG-Form in die GmbH- und OHG-Form hin. Damit Sie wissen, daß es sich hier nicht nur um uninteressante Objekte handelt, erwähne ich die Umwandlung der Margarine-Union und der SunlichtGesellschaft, also Tochtergesellschaften des Unilever-Konzerns. Ich erwähne hier die Umwandlung einiger Werke von Flick und Oetker. All diese Unternehmungen — das ist offensichtlich — wollen aus der mit einer, wenn auch bescheidenen Publizitätspflicht belasteten AG-Form in die Anonymität, mindestens was die Publizität betrifft, flüchten, in die GmbH-Form oder noch weitergehend in die OHG-Form.
      Meine Freunde und ich haben es deshalb sehr bedauert, daß der Entwurf, den die Bundesregierung für die Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt hat, der in so unglücklicher Weise mit dem GratisaktienProblem gekoppelt worden ist, bis heute noch nicht im Wirtschaftsausschuß beraten worden ist. Er hätte mindestens einen bescheidenen Fortschritt gebracht insofern, als die Unternehmen nunmehr verpflichtet würden, ihre Umsatzziffern zu veröffentlichen. Daß unsere Wünsche sehr viel weiter gehen, ist klar. Wir haben es in unserem Antrag deutlich gesagt. Wir wünschen, daß die Öffentlichkeit auch ein zutreffendes Bild der Vermögens- und Ertragsverhältnisse bekommt. Wir stellen uns vor, daß daneben die Art und Weise der Verflechtung zwischen den großen Firmen der Öffentlichkeit sichtbar gemacht wird.
      Wir stellen uns dabei z. B. vor — das geht über das hinaus, was in unserem Antrag gesagt wird —, daß von Unternehmen von einer gewissen Größe an bei der Aufzählung der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder gleichzeitig mitgeteilt wird, in welchen anderen Großunternehmen diese Herren Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder sind.

      (Beifall bei der SPD.)

      Ich glaube, meine Damen und Herren, das wird den Einblick der Öffentlichkeit in den Konzentrationsprozeß, in den Verflechtungsprozeß, ganz wesentlich erleichtern, und wir brauchen dann nicht mehr auf umfangreiche Erhebungen zu warten, bevor wir Entscheidungen treffen können.

      (Abg. Dr. Dr. Heinemann: Es gäbe interessante Angaben für das Handbuch des Bundestages!)

      Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen sehr interessanten Vorgang. Es wird hier immer gesagt, es bestehe die Gefahr, daß die deutsche Wirtschaft dann zu weit gehe. Ich möchte dieses Argument überhaupt nicht gelten lassen. Der Vorteil für uns selber hier und für unsere Demokratie ist erheblich größer als die Nachteile, die uns im Verhältnis zum Ausland daraus entstehen können. Außerdem mache ich darauf aufmerksam, daß kürzlich eine Verordnung der Französischen Republik — ich glaube, im Juni dieses Jahres — erschienen ist, wonach die Gesellschaften von einer bestimmten Größe an nicht nur ihre Umsätze, sondern auch ihre Wertpapierbestände nach Anzahl und Art veröffentlichen müssen. Das ist eine Vorschrift, von der wir in unserem geltenden Recht noch weit entfernt sind.
      Lassen Sie mich einiges zum Abschnitt III unseres Antrags sagen. Wir schlagen hier eine ähnliche Einrichtung vor, wie sie sich in Großbritannien seit Jahren bewährt hat. Es ist interessant, daß ein so liberaler Mann wie Professor Hayek anläßlich der ASU-Tagung auf die Institution der britischen Monopolkommission hingewiesen und sie außerordentlich gelobt hat. Wir möchten uns dem weitgehend anschließen und wünschen, daß die Monopolkommission nicht nur die Pflicht hat, gewisse Tatbestände zu untersuchen, sondern auch das Recht hat, das Ergebnis der Untersuchungen zu veröffentlichen, wenn sie der Meinung ist, daß das tunlich sei.
      Es ist darauf hingewiesen worden, daß die in Großbritannien bestehende Befugnis zur Veröffentlichung der Berichte der Monopolkommission bereits Wunder gewirkt habe; viele Dinge seien aus bloßer Furcht davor abgestellt worden, daß sie in einem Bericht veröffentlicht würden. Wir würden uns freuen, meine Damen und Herren, wenn Sie sich auch hier unseren Vorstellungen anschließen würden.



      Kurlbaum
      Nun zum Abschnitt IV unseres Antrags. Auch hier kann ich nur das Grundsätzliche sagen. Die Steuerpolitik muß zur Bekämpfung volkswirtschaftlich unerwünschter Konzentration aufs engste mit der Wirtschaftspolitik koordiniert werden. Deshalb hat sich die SPD bereits im Jahr 1956 mit einem Antrag dafür eingesetzt, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, einen umfassenden Bericht zur Frage der Umsatzsteuerreform vorzulegen. Dieser Antrag ist Ende 1956 angenommen worden, und Ende 1958 haben wir den Bericht erhalten.
      Inzwischen — das scheint mir erfreulich zu sein
      setzt sich auch in der Öffentlichkeit allgemein die Auffassung durch, daß eine grundlegende Umgestaltung der Umsatzsteuer unabweislich notwendig geworden ist. Die SPD weiß selbstverständlich auch, daß die kumulative Umsatzsteuer, wie wir sie jetzt haben, nicht die Hauptursache der vertikalen Konzentration ist. Aber die SPD ist der Auffassung, daß der kumulativen Umsatzsteuer eine erhebliche Bedeutung für die vertikale Konzentration zukommt. Deshalb verlangt sie eine grundlegende Umgestaltung der Umsatzsteuer mit dem Ziel, die konzentrationsfördernde Wirkung aufzuheben. Ich freue mich, daß nunmehr auch hierüber weitgehend Einigkeit zu bestehen scheint.
      Dabei muß aber nach unserer Auffassung gleichzeitig dafür Sorge getragen werden, daß die mit einer solchen Umsatzsteuerreform notwendigerweise verbundene Verschiebung in der Steuerlast nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus und damit zu Nachteilen für den Verbraucher führt. Das möchten wir ausgeschlossen wissen. Deshalb muß bei der Wahl des neuen Systems — darauf kommt es entscheidend an — darauf geachtet werden, daß die Verschiebungen in der Steuerbelastung, die zur Aufhebung der konzentrationsfördernden Wirkung nicht unbedingt notwendig sind, auf ein möglichst geringes Maß eingeschränkt werden.

      (Sehr richtig! bei der SPD.)

      Unter diesen Bedingungen verengt sich für die Mitglieder dieses Hauses, die sich mit der Frage der Umsatzsteuerreform beschäftigt haben, die Auswahl unter den möglichen Systemen außerordentlich stark. Infolgedessen stehen wir auf dem Standpunkt, daß das Problem in der Tat entscheidungsreif ist.
      Es besteht aber neben den wirtschaftspolitischen und den steuerpolitischen Notwendigkeiten auch eine rechtspolitische Notwendigkeit, in der Frage der Umgestaltung der Umsatzsteuer nunmehr zu einem Ergebnis zu kommen. Einige von Ihnen werden wissen — auch der Bundesfinanzminister weiß es natürlich —, daß vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verfahren mit dem Ziel läuft, die derzeitige Umsatzsteuer wegen der mit der kumulativen Wirkung zwangsläufig verbundenen ungleichen Belastung gleicher Waren für verfassungswidrig zu erklären. Ich frage daher die Bundesregierung, ob sie es nicht für nötig hält, für den Fall mindestens vorbereitet zu sein, daß diese Steuer für verfassungswidrig erklärt wird.
      Ich komme zum Abschnitt B unseres Antrags, der sich mit der Frage der Erhaltung von öffentlichen Unternehmen in solchen Märkten beschäftigt, in denen der Wettbewerb wesentlich eingeschränkt ist. Ich kann mich im Interesse des Fortgangs unserer Beratungen auch bei dieser Frage kurz fassen, weil wir gestern bei Gelegenheit der Beratung über das Volkswagenwerk eine Erklärung abgegeben haben, aus der deutlich geworden ist, welche entscheidende Bedeutung wir öffentlichen Unternehmungen in bestimmten Bereichen beilegen, in denen der Wettbewerb wesentlich eingeschränkt ist. Wir haben das gestern am Volkswagenwerk exemplifiziert. Wenn Sie wollen, können wir das am Beispiel des Aluminiummarktes noch weiter exemplifizieren. Wir können uns glücklich schätzen, die Vereinigten Aluminiumwerke in öffentlicher Hand zu haben. Bekanntlich bemüht sich die amerikanische Aluminiumindustrie seit einiger Zeit darum, diesen Markt auch in Europa für sich zu monopolisieren.
      Es gibt andere Beispiele. Auf dein Kohlemarkt könnten z. B. öffentliche Unternehmen wie die Preußag und Hibernia positiv einwirken, auf den Markt für Eisen und Stahl die Reichswerke Salzgitter. Ich will Sie nicht mit längeren Ausführungen aufhalten, möchte aber deutlich machen, daß es hier ganz konkrete Dinge gibt, mit denen wir uns befassen müssen, wenn wir die Probleme meistern wollen.
      Ich bin auch der Meinung — und mit mir meine Fraktion —, daß all die angesprochenen Probleme wesentlich besser gelöst werden können, wenn es uns gelingt, auf diesem Gebiet zu einer internationalen Zusammenarbeit zu kommen. Unser Kollege Dr. Kreyssig hat am 23. September diesels Jahres im Europäischen Parlament dargelegt, in welchem Umfang Kartelle, Konzerne und marktbeherrschende Gruppen heute bereits versuchen, entgegen dem Ziel der EWG durch Wettbewerbsbeschränkungen das zunichte zu machen, was wir dort eigentlich wollen. Das Ziel der EWG ist doch, durch Wettbewerb und Arbeitsteilung die Rationalisierung weiterzutreiben und dadurch ,einen Beitrag zur Steigerung des Lebensstandards zu liefern. Ich möchte damit nur andeuten, daß wir all die Probleme, die wir heute behandeln, im internationalen Zusammenhang sehen mass en.
      Die bisher von mir behandelte Konzentration von Unternehmungen und die Formen des Mißbrauchs der dadurch entstandenen Macht müssen aber auch — das ist von Ihnen schon angedeutet worden — im Lichte der starken Eigentumskonzentration gesehen werden, vor der wir in der Bundesrepublik stehen. Wir wissen natürlich, daß ein Mißbrauch der Macht, die in den Händen von Vorständen und Aufsichtsräten marktbeherrschender Unternehmungen liegt und eine ungünstige Wirkung auf die Volkswirtschaft haben kann, niemals durch Eigentumsstreuung verhindert werden kann. Sie kann nicht einmal wesentlich eingeschränkt wenden. Ebenso sicher ist aber auch, daß eine Vermögenskonzentration in einem derartigen Ausmaß, wie es jetzt bei Privatpersonen, insbesondere bei Großaktionären zu be-



      Kurlbaum
      obachten ist, zusätzliche Probleme der Machtkontrolle aufwirft.
      Hier muß ich etwas über den Kursstand der deutschen Aktien sagen; denn er zeigt sehr eindeutig eine Anhäufung von Eigentum und Vermögen, wie sie wohl niemand von uns in der Vergangenheit in so kurzer Zeit für möglich gehalten hat. Nehmen wir einmal das Jahr 1953 als Ausgangspunkt;, fünf Jahre nach der Währungsreform hatten sich die Dinge schon einigermaßen normalisiert. Damals betrug der Kurswert der gesamten deutschen Aktien rund 20 Milliarden DM. Er ist von 1953 bis heute um etwa 100 Milliarden DM auf 120 Milliarden DM gestiegen, hat sich also in sechs Jahren versechsfacht. Nun gibt es in der Bundesrepublik etwa ein ehalbe Million Aktiendepots. Der Anteil der 400 000 Klein- und Kleinstdepots an diesen 120 Milliarden DM ist aber so gering — er liegt vermutlich bei 1 oder 2 % —, daß er bei unserer summarischen Überlegung keine Rolle zu spielen brauchtt. Es bleibt also das Faktum bestehen, daß die 120 Milliarden DM, die der deutsche Aktienbesitz repräsentiert, zum größten Teil anderen Unternehmen oder Großaktionären gehören, zum kleineren Teil etwa 100 000 mittleren Aktionären.
      Dieser Vermögenszuwachs von 100 Milliarden DM hat sich praktisch — dank unserer trefflichen Steuergesetzgebung — steuerfrei vollzogen. Mit dieser Tatsachesollten auch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sich einmal beschäftigen. Hier hat ein kleiner begünstigter Kreis in sechs Jahren sein Vermögen einkommensteuerfrei versechsfachen können.
      Demgegenüber — meine Damen und Herren, diese Feststellung mögen Sie mir nicht übelnehmen — nehmen sich Ihre Vorschläge zur Eigentumsstreuung bis jetzt geradezu mikroskopisch aus.

      (Beifall bei der SPD.)

      Welches sind die Gründe gerade für diese Entwicklung? Ich weiß natürlich auch, daß die Zinssenkung bei der Entwicklung der Kurse eine entscheidende Rolle gespielt hat. Ich weiß auch, daß heute ein sehr viel stärkeres Interesse für Aktien besteht und daß Aufkäufe stattgefunden haben. Das wissen natürlich auch wir Sozialdemokraten. Aber ein großer Teil dieses ungeheuren Vermögenszuwachses in privater Hand ist auf zwei Ursachen zurückzuführen: erstens auf eine Wirtschaftspolitik, die eine Selbstfinanzierung der Unternehmungen in diesem Ausmaße gestattete, zweitens auf eine Steuerpolitik, infolge der bei der Körperschaftsteuer bei gleichem Bruttogewinn vor Steuerabzug der Nettogewinn nach Steuerabzug heute etwa 75 % höher liegt als im Jahre 1953. Sie werden mir zugeben, daß eine solche Steigerung — bei gleichem Ausgangsgewinn eine Erhöhung der Nettogewinne um 75 % — sich natürlich auch in den Aktienkursen ganz erheblich niedergeschlagen hat. Wir Sozialdemokraten haben bei jeder Gelegenheit, bei jeder Herabsetzung der verschiedenen Körperschaftsteuersätze in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, daß die Herabsetzung sehr unerfreuliche Wirkungen haben muß.
      Man kann sagen — nehmen Sie mir auch diese Feststellung bitte nicht übel —: Wenn in den letzten Jahren dünne Schichten großer und größter Aktionäre geradezu gemästet worden sind, dann ist es Ihr Verdienst, meine Damen und Herren.

      (Beifall bei der SPD.)

      Wirtschaftliche Konzentration und wirtschaftliche Macht sind für uns Sozialdemokraten selbstverständlich nicht nur Probleme der Abwägung der Vorteile technischen Fortschrittes, rationeller Herstellung, für die die Großunternehmen prädestiniert sind, gegenüber den Nachteilen derselben Unternehmen, die sich leicht zu marktstrategischen Manipulationen, die nicht im allgemeinen Interesse liegen, verführen lassen. Für uns Sozialdemokraten ist nach unserer Erfahrung wirtschaftliche Großmacht in der Regel auch Interessentenmacht im politischen Raum. Seien wir uns über eines klar! Unsere Demokratie wird von unseren Bürgern danach beurteilt werden, inwieweit sich Parlamente und Regierungen gegen Interessenwünsche durchsetzen können.

      (Beifall bei der SPD.)

      Je konzentrierter die Macht der Wirtschaft ist, je weniger das Gebaren dieser Großmächte von der Öffentlichkeit beobachtet werden kann, je mehr sie sich der notwendigen Überwachung durch die dafür nötigen öffentlichen Institutionen entziehen können, auf um so schwächeren Füßen wird unsere Demokratie stehen.
      Darum sollte die Stärkung der Demokratie auch von dieser Seite her unser gemeinsames Anliegen sein.

      (Beifall bei der SPD.)