Rede:
ID0308201200

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 3082

  • date_rangeDatum: 15. Oktober 1959

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    Deutscher Bundestag 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und der Mitglieder der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl . . . 4432 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betr. Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702); in Verbindung mit dem Antrag betr. Maßnahmen zur Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht (SPD) (Drucksache 1279) Schmücker (CDU/CSU) 4419 B Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 4425 A Kurlbaum (SPD) 4438 C Dr. Atzenroth (FDP) 4443 D Deringer (CDU/CSU) 4447 C Dr. Schild (DP) 4451 B Wieninger (CDU/CSU) . . . . 4452 D Mick (CDU/CSU) . . . . . . . 4453 C Jahn (Marburg) (SPD) 4455 A Diebäcker (CDU/CSU) 4456 B Gewandt (CDU/CSU) 4457 B Lange (Essen) (SPD) 4458 B Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) 4459 D Dr. Dollinger (CDU/CSU) 4461 A Dr. Deist (SPD) 4461 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) . . . 4469 C Dr. Bucher (FDP) 4473 C Nächste Sitzung 4473 D Anlagen 4475 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 4419 82. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 81. Sitzung Seite 4393 C Zeile 10 statt „Rückerstattungsentschädigten": Rückerstattungsgeschädigten. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 15. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Bergmann 16. 10. Birkelbach 16. 10. Dr. Birrenbach 16. 10. Fürst von Bismarck 7. 11. Blöcker 16. 10. Dr. Brecht 16. 10. Dr. Bucerius 16. 10. Demmelmeier 16. 10. Frau Dr. Diemèr-Nicolaus 16. 10. Dopatka 17. 10. Döring (Düsseldorf) 15. 10. Eisenmann 15. 10. Engelbrecht-Greve 16. 10. Even (Köln) 17. 10. Dr. Franz 18. 10. Dr. Frey 16. 10. Dr. Friedensburg 16. 10. Fritz (Welzheim) 17. 10. Gedat 24. 10. Geiger (München) 16. 10. Geritzmann 15. 10. Glahn 16.10. Dr. Greve 15. 11. Dr. Gülich 31. 10. Dr. Hellwig 16. 10. Hermsdorf 16. 10. Hilbert 1. 12. Dr. Jordan 16. 10. Keller 16. 10. Kemmer 16. 10. Könen (Düsseldorf) 18. 10. Dr. Kopf 16. 10. Dr. Krone 15. 10. Krüger (Olpe) 7. 11. Dr. Leiske 17. 10. Logemann 16. 10. Lücker (München) 16. 10. Metzger 16. 10. Freiherr von Mühlen 16. 10. Neuburger 16. 10. Frau Niggemeyer 17. 10. Ollenhauer 16. 10. Pelster 30. 10. Rasner 16. 10. Recktenwald 16. 10. Rehs 19. 10. Frau Renger 16. 10. Dr. Rüdel (Kiel) 16. 10. Scharnowski 29. 10. Scheel 16. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 10. Frau Seppi 15. 10. Dr. Serres 23. 10. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 16.10. Stahl 16. 10. Dr. Starke 16. 10. Dr. Stecker 15. 10. Dr. Steinmetz 16. 10. Stenger 16. 10. Storch 17. 10. Sträter 17. 10. Teriete 15. 10. Theis 31. 10. Dr. Wahl 21. 10. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) 18. 10. Wehner 16. 10. Wieninger 16. 10. Frau Wolff (Berlin) 16. 10. b) Urlaubsanträge Josten 23. 10. Dr. Schwörer 24. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs des Bundesministeriums der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Fragestunde der 70. Sitzung vom 3. 6. 1959, Drucksache 1026, Frage 12) : Ist es richtig, daß im Fahndungsdienst der Finanzverwaltung für die Beurteilung der persönlichen Leistungen der Beamten Punktzahlen angewandt werden, die sich nach den auf Grund der Fahndungsberichte beigetriebenen Steuerbeträgen bemessen? Was soll zur Rechtfertigung eines solchen Verfahrens angeführt werden? In Ergänzung meiner Antwort auf Ihre Frage in der 70. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 3. Juni 1959 darf ich Ihnen mitteilen, daß die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder die Frage nach der Handhabung eines Punktzahlverfahrens bei der Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten übereinstimmend verneint haben. Die beigetriebenen Steuerbeträge auf Grund der Fahndungsberichte sind kein Zahlenmaßstab für die Beurteilung der Steuerfahndungsbeamten. Hettlage Anlage 3 Umdruck 391 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksuche 702). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes für eine Enquete über den Grad der Konzentration in der Wirtschaft vorzulegen. 4476 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959 Dabei sind die Erfahrungen anderer Länder der freien Welt zu verwerten. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 392 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, DP betreffend Wirtschaftskonzentration (Drucksache 702) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, zur Vermeidung unerwünschter Konzentration in der Wirtschaft und zur Schaffung gleicher Start- und Wettbewerbsbedingungen für Groß- und Kleinbetriebe Vorschläge zu machen, 1. welche Bestimmungen der geltenden Gesetze und welche Maßnahmen die Konzentration besonders begünstigen und daher geändert werden müssen, 2. welche gesetzlichen Bestimmungen und welche Maßnahmen zusätzlich notwendig sind. Besonders vordringlich sind dabei a) die Förderung einer breitgestreuten Eigentumsbildung in Personenhand, b) die alsbaldige Einführung eines wettbewerbsneutralen Umsatz- und Gewerbesteuerrechts, c) die Reform des Gesellschaftsrechts, vor allem des Aktienrechts, insbesondere im Sinne einer erheblichen Verstärkung der Publizität, d) die Überprüfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf, ob eine Erweiterung der Bestimmungen gegen Zusammenschlüsse und den Mißbrauch marktbeherrschender Macht notwendig ist, e) die Erhaltung einer betriebsnahen Mitbestimmung, f) die Überprüfung des Rechts der Firmenbezeichnung darauf, ob eine Stärkung des Grundsatzes der Firmenwahrheit der Offenlegung und damit der Verhinderung unerwünschter Konzentration dienen kann, g) die Förderung mittelständischer Industrieansiedlung außerhalb der Ballungsräume, h) die Sicherung des Zugangs zum Kapitalmarkt für Klein- und Mittelbetriebe. Bonn, den 15. Oktober 1959 Schmücker Wieninger Mick Dr. Dollinger Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) Dr. Burgbacher Burgemeister Deringer Diebäcker Dr. Fritz (Ludwigshafen) Gewandt Katzer Dr. Lindenberg Scharnberg Höcherl und Fraktion Dr. Schild Dr. Steinmetz Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Arved Deringer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir bisher einige umfassende „Großunternehmen der Rede" erlebt haben, wollen sich die folgenden Redner mit hoffentlich sehr erwünschter Konzentration jeweils nur mit einigen Spezialfragen befassen. In diesem Sinne darf ich mich auf die wichtigsten Gebiete des Wirtschaftsrechts beschränken.
    Vorweg allerdings ein paar Bemerkungen zur Definition: Es ist schon wiederholt gesagt worden, daß es selbstverständlich eine ganze Reihe guter technischer, wirtschaftlicher und anderer Gründe für die Konzentration gibt. In diesem Sinne war es gemeint, wenn Herr Schmücker vorhin sagte, daß Konzentration an sich kein tadelnswerter Zustand ist. Damit war keine Aussage über den Zustand gemacht, den unsere Wirtschaft heute erreicht haben mag. Unerwünscht ist in meinen Augen jede Konzentration, die das Funktionieren des Marktes wesentlich beeinträchtigt oder verfälscht und dadurch die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der selbständigen Unternehmen beeinträchtigt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)

    Nun sprechen wir allerdings allzuviel von der Konzentration im allgemeinen, ohne uns dabei zu überlegen, daß es eine ganze Reihe verschiedener Formen von Konzentrationen gibt. Wenn wir aber die richtigen Mittel gegen unerwünschte Konzentrationen finden wollen, dann bedarf es dazu der richtigen Diagnose. Ich darf deshalb ein paar Bemerkungen zu den verschiedenen Formen der Konzentration machen, die nach meiner Auffassung gerade auch für die rechtlichen Überlegungen wichtig sind.
    Die Wissenschaft hat sich bisher im wesentlichen, auch in den Vereinigten Staaten, nur mit dem Monopol bzw. — nach unserer Terminologie — mit dem Marktbeherrscher befaßt, d, h. mit dem Unternehmen, das, sei es durch Ausdehnung, sei es durch Zusammenschluß, sich auf einen Markt, auf eine Ware bezieht, einen hohen Marktanteil erreicht. Daneben aber sind nach meiner Auffassung in der Praxis viel wichtiger und gefährlicher die zwei anderen Formen der Konzentration, nämlich die vertikale und die horizontale Konzentration über mehrere Wirtschaftszweige hinweg oder, wie man in Amerika zu sagen pflegt, das conglomerate enterprise.
    Sicher gibt es auch bei der vertikalen Konzentration, d. h. bei dem Hineingehen in andere Wirtschaftsstufen, durchaus positive Gründe: Sicherung des Rohmaterials oder der Absatzwege. Aber damit sind doch eine Reihe von Gefahren verbunden, die der Herr Bundeswirtschaftsminister in seine



    Deringer
    Antwort schon aufgezeigt hat und die ich deshalb hier nur noch einmal kurz skizzieren möchte.
    Zum Beispiel besteht die Möglichkeit unterschiedlicher Preise einmal für das abhängige Unternehmen, für die eigene Tochter, und zweitens für das selbständige Unternehmen, das im Wettbewerb mit dieser Tochter steht. Weiter besteht die Möglichkeit der bevorzugten Belieferung der Töchter in Mangelzeiten oder gar einer völligen Sperre der Rohstoffquelle bzw. der Absatzwege. Schließlich gibt es die Möglichkeit von Koppelgeschäften, insbesondere dann, wenn es sich um eine Mangelware handelt.
    Ein Beispiel für die letztere Möglichkeit: ein großer Konzern im Rheinland erklärt allen Bauunternehmern, die von ihm Bauaufträge erhalten, sie erhielten nur dann Aufträge, wenn sie sich verpflichteten, nicht nur die Rohstoffe für diese Aufträge, sondern auch die Rohstoffe für alle übrigen Aufträge, die sie hätten, von seiner Baustoffhandlung, seiner Tochter, zu beziehen. Ein anderes Beispiel ist etwa, daß auf dem Gebiet der Düngemittel ein knapper Stoff nur in Koppelung mit Stickstoff oder reichlich vorhandenen Düngemitteln abgegeben wird.
    Ebenso wichtig erscheint mir bei der Betrachtung der Konzentration der Ausdehnung eines Unternehmens auf verschiedene nebeneinanderstehende Wirtschaftszweige. Auch dafür gibt es sicher positive Gründe: Das Risiko ist natürlich geringer, Ausweichen auf Ersatzware, auf Ersatzproduktionen, etwa von Eisen zu Kunststoffen, von Kohle zu Öl, Rationalisierung durch gemeinsame Dienste, bessere Kreditunterlagen usw.
    Trotzdem gibt es auch hier manche Gefahren, die wir, wenn wir die Dinge richtig behandeln wollen, beachten müssen: die Möglichkeit, die Verluste aus dem einen Bereich in den anderen, gewinnbringenderen Bereich zu verschieben, insbesondere — da, wo man anfängt, mit gezieltem Unterbieten selbständige Wettbewerber aus dem Spiel zu bringen — das Eindringen in fremde Gebiete durch Finanzkraft, ein Kapital- und nicht ein Leistungswettbewerb, ebenfalls Koppel- und Gegengeschäfte, geballte Einkaufsmacht für irgendwelche Waren, für die ein gemeinsamer Bedarf vorliegt, etwa Energie, Transportmittel und Kredit.
    Nun mögen vertikale und horizontale Konzentration über verschiedene Bereiche hinweg an sich ungefährlich sein, soweit damit nicht an irgendeinem Punkte eine Marktmacht verbunden ist. Wenn der Waldbesitzer eine Sägemühle und eine Möbelfabrik hat, mag er vielleicht alle Wettbewerbsvorteile der vertikalen Konzentration bei der Umsatzsteuer ausnutzen. Er bedeutet jedoch keine Gefahr für seinen Wettbewerber. Anders ist es, wenn auf irgendeiner Stufe Marktmacht besteht, weil diese Marktmacht benutzt wird, um auf andere Stufen hinüberzugreifen. Hier liegt nach meiner Auffassung für Wissenschaft und Gesetzgebung das entscheidende Problem, das bisher selbst in den Vereinigten Staaten noch gar nicht ausreichend behandelt worden ist: zu erkennen, wann und wo hier vertikale oder horizontale Konzentration gefährlich und unerwünscht wird.
    Lassen Sie mich zur Veranschaulichung unerwünschter vertikaler Konzentrationen nur ein paar Beispiele für das Eindringen der Grundstoffindustrie in das Gebiet des Handels, insbesondere des Düngemittel-, Baustoff-, Eisen- und Kohlehandels bringen. Im Baustoffhandel ist der Anteil des Werkshandels in Nordrhein-Westfalen von 7,2 % im Jahre 1950 auf 13,7 % im Jahre 1957 gestiegen, in Bayern in der gleichen Zeit von 4 auf 10,6 % und in der gesamten Bundesrepublik von 4,8 auf 11 %.
    Ein weiteres Beispiel. In einer Großstadt in Norddeutschland mit 17 freien Baustoffhändlern und früher 3, jetzt 5 Handelsgesellschaften betrug der Anteil des Werkshandels am Zementumsatz im Jahre 1950 praktisch 0 %, im Jahre 1957 32,5 %.
    Ein drittes Beispiel: Im Düngemittelhandel zählt man heute 128 Großhandelsfirmen, davon 37, also 29 %, freie Großhändler, dagegen 77 Konzernfirmen, 11 Einkaufsgemeinschaften und 3 Handelsabteilungen von Herstellern.
    Ein letztes Beispiel, der Einzelfall einer Konzernhandelsgesellschaft, die in der ganzen Bundesrepublik insgesamt 13 Firmen mit 16 zusätzlichem. Niederlassungen, also zusammen 29 Betriebsstätten hat. Davon laufen — und damit kommt ein weiteres Problem hinzu — 8 unter dem Namen des Konzerns, 10 unter dem Namen eines an sich bekanten Tochterunternehmens und weitere 11 unter dem Namen anderer Firmen, denen man von außen nicht ansieht, daß sie zu diesem Konzern gehören.
    In unseren Überlegungen, welche Maßnahmen gegen etwa unerwünschte Erscheinungen dieser Art möglich sind, ist schon wiederholt gesagt worden, daß es eine ganze Reihe von verschiedenen indirekten und direkten, positiven und negativen Maßnahmen, vor allem im Steuerrecht, gibt. Meine Aufgabe beschränkt sich, wie gesagt, darauf, ein paar Gebiete des Wirtschaftsrechts zu behandeln.
    Vorweg das Patentrecht! Ich weiß, daß ich hier ein für die Betroffenen recht heißes Eisen anrühre. Das Patent ist ein vom Staat verliehenes Monopol für die Erfinderleistung. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß das Patent auch als Mittel zum Ausbau oder zum Schutz einer wirtschaftlichen Machtstellung mißbraucht werden kann. Die amerikanische Literatur spricht deshalb von dem Patent-Antitrust-Dilemma.
    Besonders interessant ist in diesem Punkt der § 15 des Patentgesetzes, der bekanntlich vorsieht, daß Zwangslizenzen unter gewissen Voraussetzungen erteilt werden können, wenn das im öffentlichen Interesse geboten ist. Bisher sind recht wenige Zwangslizenzen erteilt worden. Die Rechtsprechung hat zwar eine Reihe von Beispielen dafür angeführt, was im öffentlichen Interesse geboten ist. Bisher hieß es aber immer, Förderung des Wettbewerbes, der Konkurrenz, um damit niedrigere Preise zu erreichen, liege nicht im öffentlichen Interesse. Wir sollten, meine ich, deshalb bei der weiteren Prüfung dieses Rechtsgebietes erwägen — ich weiß, daß das sehr problematisch ist —, ob nicht mindestens dann, wenn neben



    Deringer
    der patentrechtlichen auch eine wirtschaftliche Machtstellung besteht, die Erteilung einer Zwangslizenz im öffentlichen Interesse geboten ist.
    Ein weiteres Gebiet ist das Recht der Firmenbezeichnung, von dem der Herr Bundeswirtschaftsminister schon sprach. Das Handelsrecht geht von dem Grundsatz der Firmenwahrheit und Firmenklarheit aus; denn der Geschäftspartner soll wissen, mit wem er es zu tun hat. Dieser Grundsatz ist allerdings weitgehend durchbrochen bei der „abgeleiteten Firma" : bei der Übernahme einer Personalgesellschaft durch eine juristische Person ist lediglich ein Zusatz hinzuzufügen, der die Tatsache erkennen läßt, daß es sich um eine juristische Person handelte aus dem man aber nicht entnimmt, welches der Name der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist.
    Ich möchte deshalb dem Gedanken der Bundesregierung zustimmen, daß geprüft werden sollte, ob nicht in Zukunft Konzernfirmen bei Übernahme einer Personalgesellschaft deren Firma eine Bezeichnung hinzufügen sollten, aus der die Zugehörigkeit dieser Personalgesellschaft zum Konzern zu erkennen ist. Das mag auch seine Nachteile haben, weil der Name des Konzerns unter Umständen eine erhebliche Werbekraft besitzt. Aber der Vorteil, daß die Zusammenhänge klarer werden, scheint mir doch zu überwiegen.
    Auf das Genossenschaftsrecht, das in der Antwort der Bundesregierung erwähnt wurde, einzugehen, möchte ich mir der Kürze der Zeit halber ersparen. Wir wissen, daß eine Reform des Genossenschaftsrechts in Vorbereitung ist. Wir hoffen, daß dabei berücksichtigt wird, daß Genossenschaften überschaubare Kreise von Personen sein sollen, die sich um der Selbsthilfe willen zusammenschließen, nicht aber große Kapitalgesellschaften. Daß sie Kapitalgesellschaften sind, kann heute von manchen Genossenschaften gesagt werden.
    Besonders wesentlich ist das Gesellschafts-, insbesondere das Aktienrecht. Der Deutsche Juristentag hat im Jahre 1957 in Düsseldorf in einer besonderen Arbeitsgruppe, der im wesentlichen Wirtschaftsjuristen angehörten, die Frage bejaht, daß auf dem Gebiet des Konzernrechts gesetzgeberische Maßnahmen gesellschaftsrechtlicher Art notwendig sind. Das Institut der Wirtschaftsprüfer, von dem man annehmen darf, daß es von diesen Fragen auch etwas versteht, hat bald danach oder sogar gleichzeitig vorgeschlagen, daß man bei einer Neuordnung des Aktienrechts einen Konzernabschluß mit konsolidierter Bilanz und einen Konzernbericht einführen sollte, in dem der rechtliche und wirtschaftliche Aufbau des Konzerns dargelegt wird.
    Wir begrüßen es, daß der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums diese und andere Anregungen aufgegriffen und zum erstenmal den Versuch gemacht hat, ein eigenes Konzernrecht zu kodifizieren. Da wir, wenn der Entwurf in dieses Haus kommt, im einzelnen darüber werden diskutieren müssen, möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen, sondern nur die mir wichtig erscheinenden Neuerungen kurz andeuten. Das sind u. a. die Neuregelung des Depotstimmrechts, der verstärkte
    Minderheitenschutz, besonders in Konzernen, die stärkere Publizität etwa durch die Vorschriften über den Unternehmensvertrag, also den Konzernvertrag, die Sicherung außenstehender Aktionäre bei einem Konzern, der Ausbau der Haftung der Weisungsberechtigten und die Aufstellung von Konzernabschlüssen und -geschäftsberichten. Ich glaube, daß alle diese im Entwurf enthaltenen Gedanken zu begrüßen sind und daß wir, wenn wir den Entwurf hier im Hause beraten, diese Gedanken noch weiter ausbauen sollten.
    Sie werden es deshalb verstehen, wenn ich zu dem Vorschlag unter A II in dem Antrag der Fraktion der SPD nur sagen kann, daß ich seine Tendenz und auch weitgehend seinen Inhalt bejahe. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, daß für Personalgesellschaften mindestens dann Publizität verlangt werden sollte, wenn es sich um wirklich wichtige, große Unternehmen handelt. Ob allerdings die Festlegung einer Meldepflicht schon bei einer Beteiligung von 10 % nicht ein wenig über das Ziel hinausschießt, möchte ich hier offenlassen.
    Meine Frage an die Bundesregierung ist: Wann können wir mit dem Regierungsentwurf des neuen Aktienrechts rechnen? Wir sollten ihn so rechtzeitig erhalten, daß erhebliche Vorarbeiten für seine Verabschiedung geleistet werden können, falls es nicht gelingt, ihn noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.
    Als letztes erwähne ich das wichtigste und vielleicht heikelste Gebiet, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Bei den Debatten beim Zustandekommen dieses Gesetzes, an denen ich noch nicht teilgenommen habe, ist von bestimmter Seite immer wieder die These vertreten worden, das Kartellverbot fördere die Konzentration. Nun, für die Vereinigten Staaten läßt sich das statistisch weder beweisen noch widerlegen. Aber eines scheint mir sicher: daß ein scharfes Kartellverbot die Konzentration dann fördert, wenn nicht zugleich Bestimmungen gegen die Konzentration vorhanden sind, — einfach deswegen, weil sonst die Betroffenen natürlich gezwungen sind, auf die Konzentration auszuweichen.
    Nun muß ich allerdings generell sagen, daß sich unser jetziges Gesetz auch nur mit dem Marktbeherrscher, d. h. mit dem Monopol auf einem einzigen Markt, beschäftigt, während die beiden anderen, in meinen Augen wichtigeren Formen der Konzentration, die vertikale und die horizontale über mehrere Bereiche hinweggehende im Grunde genommen darin kaum behandelt sind.
    Im einzelnen zu diesem Gesetz! Gegen den Mißbrauch der Marktmacht haben wir die berühmten §§ 22 und 26 Abs. 2, Verbot der Diskriminierung bzw. der Behinderung. Die Fraktion der SPD hat beantragt, die Befugnisse im § 22 zu erweitern, also vermutlich die in den Vorarbeiten zu diesem Gesetz diskutierte Generalklausel wieder einzuführen. Nach meinen Erfahrungen in der Praxis meine ich, daß man mit der ziemlich scharfen Formulierung des § 26 Abs. 2 — Diskriminierungs- und Behinderungsverbot — gerade gegen die Behinderung der Wettbewerber doch verhältnismäßig viel



    Deringer
    machen kann. Ich halte deshalb, wenn sich die bisherigen Bestimmungen als unzulänglich erweisen, die aufgeworfene Frage durchaus für diskutabel, ohne daß ich jedoch damit zur Frage der Generalklausel hier endgültig Stellung nehmen möchte. Aber zunächst einmal sollten wir abwarten, bis das Bundeskartellamt eine Reihe von Entscheidungen getroffen hat, in denen es klipp und klar sagt: Hier reichen für meine Arbeit die §§ 22 und 26 Abs. 2 nicht aus. Ich habe eine Reihe von Fällen erlebt, in denen man das zunächst annahm, nachher aber feststellte, daß man bei richtiger Auslegung und Anwendung durchaus auch mit diesem Mittel vorgehen kann. Die Engländer haben mit einem wesentlich milderen Gesetz, wie Herr Kollege Kurlbaum vorhin schon andeutete, bei richtiger Handhabung durchaus positive Erfolge erzielt.
    Für Zusammenschlüsse haben wir in diesem Gesetz bekanntlich nur die Meldepflicht des § 23. Das Bundeskartellamt sagt in seinem Bericht, diese Vorschrift sei unzureichend, weil der Marktbegriff schwer abzugrenzen sei und die Befugnisse nicht sehr weit reichten. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Antwort durchblicken lassen, daß die Befugnisse wohl nicht zur Bekämpfung von Zusammenschlüssen ausreichen. Die Fraktion der SPD schlägt deshalb vor, über die Meldepflicht hinaus eine Erlaubnispflicht und sogar die Möglichkeit der Entflechtung einzuführen.
    Nun, ich gebe dem Bundeskartellamt durchaus darin Recht, daß die Bestimmung über die Meldepflicht, die allein auf einem Marktanteil aufbaut, wahrscheinlich problematisch ist, einfach deshalb, weil man in vielen Fällen gar nicht feststellen kann, ob dieser Marktanteil nun erreicht ist oder nicht — Substitutionskonkurrenz und alle diese Dinge. Ob man aber deshalb schon heute eine Erlaubnispflicht einführen soll, möchte ich doch in Frage stellen; denn Merkmale dafür, wann ein Zusammenschluß eines Verbotes bedürftig oder einer Erlaubnis würdig ist, haben wir im Grunde genommen noch gar nicht. Das Bundeskartellamt selber sagt in seinem Bericht zu diesem Thema — den ich mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren darf —:
    Eine sichere Grundlage für die Beurteilung ist aber notwendig, weil die nicht zu vermeidende Rechtsunsicherheit einer schwebenden Unwirksamkeit im Anmelde- bzw. Erlaubnisverfahren nicht noch dadurch erhöht werden darf, daß die in Betracht kommenden Unternehmen nur schwer feststellen können, ob die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen unter die Konzentrationsbestimmungen fallen.
    Wir müssen darüber hinaus bedenken, daß wir jetzt in den größeren Markt der EWG hineingehen und sowieso mit größeren Unternehmenseinheiten rechnen müssen, ganz abgesehen davon, daß wir dann auch die Koordinierung unserer deutschen und der Vorschriften des Gemeinsamen Marktes erreichen müssen, bei denen, wie die Beteiligten wissen, im Augenblick ein erheblicher Rechtswirrwarr besteht. Mir scheinen allerdings Rechtsunsicherheit und Rechtswirrwarr gerade auf dem gebiet des Wirtschaftsrechts auf die Dauer genauso
    unerwünscht zu sein wie gewisse wirtschaftspolitisch abzulehnende Erscheinungen, die man im Augenblick vielleicht mangels ausreichender Befugnisse und Bestimmungen noch nicht bekämpfen kann.
    Abgesehen davon ist der Vorschlag der SPD, eine Erlaubnispflicht einzuführen und eine Entflechtung zu ermöglichen, in meinen Augen deshalb sachlich unzulänglich, weil er im Grunde genommen nur die Monopole, also diejenigen Unternehmen erfaßt, die einen großen Marktanteil auf einem Markte haben. Die Frage der vertikalen und horizontalen Konzentration wird damit eben auch nicht gelöst.
    Ich möchte Ihnen selbst einen Vorschlag unterbreiten. Man könnte wenigstens eine bessere Befolgung der Vorschrift über die Meldepflicht durch eine Bestimmung erreichen, wonach Zusammenschlüsse erst dann zivilrechtlich gültig sind, wenn sie dem Bundeskartellamt angemeldet werden. Das bedeutet nicht, daß eine Prüfung erfolgt, das bedeutet nicht, daß eine Erlaubnis nötig ist. Eine solche Bestimmung sichert aber, daß die Unternehmenszusammenschlüsse, durch die ein Marktanteil von 20 % oder mehr erreicht wird, auch tatsächlich angemeldet werden.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wesentlich wichtiger erscheint mir auch auf dem Gebiet des Kartellrechts die Publizität. Zum Thema der Firmenbezeichnungen sowie zum Konzernrecht
    habe ich schon einiges gesagt. Ob man darüber hinaus ein Konzernregister einführen sollte, in das alle Konzerne einzutragen wären, möchte ich so lange offenlassen, solange wir noch keine Erfahrungen mit der im Entwurf des neuen Aktiengesetzes vorgesehenen Eintragung der Unternehmensverträge in das Handelsregister gesammelt haben. An sich ist damit ja Publizität über die Konzernzusammenhänge genug vorhanden.
    Die Fraktion der SPD schlägt darüber hinaus noch die Abschaffung der Preisbindung der zweiten Hand und eine schärfere Handhabung der Befugnisse des Kartellamts gegen Ausschließlichkeitsverträge des § 18 vor. Die Meinungen über den Wert der vertikalen Preisbindungen und auch der Ausschließlichkeitsklausel sind zweifellos nicht nur in diesem Hause, nicht nur in der Wirtschaft und Wissenschaft, sondern, wie Herr Kollege Atzenroth vorhin schon sagte, auch unter den Verbrauchern sehr geteilt. Im übrigen handelt es sich in beiden Fällen zwar um wichtige Probleme des Wettbewerbs- oder Kartellrechts, aber in meinen Augen eigentlich nur um indirekte Fragen der Konzentration.
    Ich bin auch hier wieder der Meinung, daß die Möglichkeiten, die das Bundeskartellamt durch den § 17 für die Preisbindung und den § 18 für die Ausschließlichkeitsverträge hat, zunächst ausreichen. Solange das Bundeskartellamt nur zwei Verfahren nach § 18 und noch keines nach § 17 eingeleitet hat, kann man eigentlich nicht sagen, daß diese Bestimmungen nicht ausreichen. Wir sollten also auf diesem Gebiet die Entwicklung abwarten.

    Deringer
    Schließlich noch ein Wort zu dem Vorschlag, eine Monopolkommission zu bilden. Zunächst darf ich den Herrn Kollegen Kurlbaum — wenn er die Güte hat, zuzuhören — sachlich dahin berichtigen, daß sich gerade die englische Monopolkommission als unzulänglich erwiesen hat. Sie wurde nämlich durch das Gesetz von 1956 abgeschafft, und es wurde eine andere Regelung eingeführt. Gewiß hat die Kommission auch in ihrer unzulänglichen Form drüben eine ganze Reihe sehr positiver Ergebnisse erzielt. Aber ich möchte diese Frage gar nicht endgültig entscheiden, weil nach meiner Auffassung die vorgeschlagene Kommission im wesentlichen eine Aufgabe hätte, deren Lösung wir mit unserer Forderung nach einer Enquete vorläufig anstreben.
    Abschließend darf ich unterstreichen: Kernproblem ist nach meiner Auffassung gar nicht so sehr der Mißbrauch auf dem beherrschten Markt, sondern vielmehr auf den vorgelagerten und gleichgelagerten Stufen. Dafür fehlen uns aber noch die wissenschaftlichen Erkenntnisse. Deshalb eine Enquete und deshalb eine wissenschaftliche Durcharbeitung. Wir können eis uns nicht leisten, auf einem so wichtigen Gebiet mit der Stange im Nebel herumzufahren.

    (Abg. Dr. Fritz: Sehr richtig!)

    Mancher mag meine Haltung zu den Fragen als sehr vorsichtig bezeichnen. Es mag sein, daß ich als Jurist die Fragen immer etwas behutsamer anpacke. Im Grundsatz sind wir uns durchaus darin einig, daß unerwünschte Konzentration bekämpft werden sollte. Da es ,aber dafür, wie auch Sie sagen, kein Patentrezept, sondern nur ein Bündel von Maßnahmen gibt, scheint mir, daß man die einzelnen Rezepte sehr sorgfältig prüfen und auf ihre Wirksamkeit abwägen sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinrich Schild


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bändigung der Macht" wäre wohl eine andere Formulierung des Themas der Konzentrationsdebatte. Bändigung der Macht ist nicht nur ein ökonomisches, sondern ein schlechthin gesellschaftliches, auch ein politisches Problem. Niemand anders als unser verehrter Herr Bundestagspräsident hat am 15. September in diesem Hohen Hause, als er über den freiheitlichen Rechtsstaat und über die Freiheit sprach, unter Zustimmung aller Fraktionen den Satz geprägt: Unsere Bahn der Freiheit ist etwas anderes als der Dschungel, in dem der Stärkere, der Bedenkenlose, der Brutale das Faustrecht ausübt.
    An diesem Punkt stehen wir jetzt in unserer Debatte. Wir stehen vor der Frage, ob wir im Rahmen unserer Vertragsfreiheit, unserer Koalitionsfreiheit, unserer Gewerbefreiheit, unserer Berufsfreiheit da angelangt sind, wo doch der Stärkere, der Bedenkenlose und der Brutale von der Freiheit einen unangemessenen Gebrauch macht.
    Die Erklärung der Bundesregierung zu der Anfrage der Koalition über die Konzentrationsvorgänge läßt meines Erachtens zur Genüge erkennen, daß es der Bundesregierung mit dem Grundsatz, den der Herr Bundestagspräsident über die Auswirkungen und Möglichkeiten der Benutzung unserer Freiheiten aufgestellt hat, ernst ist. Die Verhinderung der unerwünschten Konzentration hat der Herr Bundeswirtschaftsminister heute in aller Form, auch in konkreter Art, als Ziel genannt. Die Definition dessen, was an Konzentration unerwünscht ist, hat ein Mitglied der Bundesregierung heute in diesem Hause erstmals gegeben. Wir sind dem Herrn Bundeswirtschaftsminister für diese Definition dankbar.
    Daß die unerwünschte Konzentration nicht nur die betroffenen Konzernherren, Monopolherren, Kartellherren in ihrer zukünftigen Geschäftspraxis und Geschäftsgesinnung und in ihrem zukünftigen Machtstreben angeht, ist bereits gesagt worden. Die zweite Gesellschaftsschicht, die von dieser Frage ebenso betroffen wird, ist die ganze Schicht derer, die wir in unserer Zeit unter dem Begriff der Selbständigen zusammenfassen: der Gewerbetreibenden, der freien Berufe und der Landwirtschaft. Deshalb wird diese Debatte zum Teil auch als eine mittelstandspolitische Debatte angesehen. Letzten Endes sind von der Debatte die Verbraucher und damit die gesamte Schicht der unselbständigen Menschen unserer Zeit berührt.
    Ich möchte mich mit Rücksicht auf den ungeheuren Umfang der Möglichkeiten, die diese Debatte in sich birgt, auf die Auswirkungen beschränken, die von dieser Debatte für die Schicht der Seib-ständigen erhofft werden. Gewiß, man kann sich auf den Standpunkt stellen, die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung bedarf überhaupt keiner irgendwie gearteten Ordnungselemente. Aber diese Debatte soll ja auch dazu dienen, die in den letzten Jahren entstandenen Disparitäten zwischen der selbständigen Tätigkeit und der Tätigkeit der Großwirtschaft, zwischen den selbständigen und auch den unselbständigen Menschen unserer Zeit aufzuhellen. Wir haben die Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört, daß bestimmte wissenschaftliche Institute und Professoren dieser Institute aufgefordert sind, eine gewisse Aufklärung zu bringen und Material über die Zusammenhänge zwischen Konzernbildung, Kartellbildung und den übrigen Schichten der selbständigen Wirtschaft darzustellen. Solcher Aufforderungen kann es nach meiner Auffassung ganz bestimmt nicht genug geben.
    Wir wissen aber, daß die Wissenschaft an entscheidendes Material unserer Zeit nicht herankommt. Ich verweise — in Abwesenheit des Herrn Bundesarbeitsministers — auf das sogenannte Gutachten über die Disparitäten zwischen lohnintensiven und energieintensiven Betrieben von Professor Müller — Freiburg, das seit etwa 14 Tagen vorliegt. Wenn man dieses Gutachten auf sich wirken läßt, muß man sagen, daß die Wissenschaft hier in lapidaren Erklärungen und Feststellungen hängenbleibt, ohne in die Substanz eintreten zu können. Warum? Weil ihr entscheidendes Material für die Klarstellung der Verhältnisse einfach nicht zugänglich ist.
    4452 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 82. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1959
    Dr. Schild
    So wird es auch mit den wissenschaftlichen Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen der Konzernbestrebungen auf die selbständige mittelständische Wirtschaft sein. Auch hier sind bestimmte Daten einfach nicht vorhanden, die man aber haben muß. Wenn es nicht anders geht, wird man ein Gesetz schaffen müssen, um sie zu erlangen, damit es überhaupt erst einmal möglich wird, die Disparitäten und die Relationen festzustellen.
    Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in unserer Bundesrepublik beispielsweise nicht feststellbar ist, wieviel PS in der deutschen Wirtschaft insgesamt installiert sind, geschweige denn die branchenweise Verteilung dieser PS auf konzernierte Wirtschaft, auf Großwirtschaft, auf automatisierte Wirtschaft, auf mittelständische Wirtschaft usw. Solange diese statistischen Feststellungen über die installierten Energien nicht vorhanden sind, nützt uns die wissenschaftliche Forschung über Konzerne überhaupt nichts.
    Genauso ist es mit der verbrauchten künstlichen Energie. Auch die Kilowattstunden und sonstigen Einheitswerte für verbrauchte Energien sind statistisch bei uns nicht feststellbar. Diese Dinge werden bei uns nicht erfaßt. Daher ist auch die Diskussion über die Auswirkungen der Konzernierung auf lohnintensive und energieintensive Betriebe mit der Tatsache belastet, daß wir kein konkretes Material für die letzten Beurteilungen haben.
    Wir sind der SPD dafür dankbar, daß sie einen Antrag gestellt hat, wonach die Bundesregierung einen Jahresbericht über die Situation der gewerblichen Selbständigen und die Situation der freien Berufe veranlassen soll, der etwa dem Grünen Bericht oder dem Sozialbericht ähnlich ist. In diesem Jahresbericht sollen die Disparitäten und Relationen festgestellt und Vergleiche vorgenommen werden, die Erkenntnisse über die Auswirkungen der unerwünschten Konzentration objektiv bringen.
    Deshalb muß diese Debatte auch dazu dienen, das Material für diese wissenschaftlichen Untersuchungen herbeizuschaffen. Ich kann mir denken, daß die zukünftigen Umsatzsteuererklärungsformulare ganz andersaussehen als die augenblicklichen, daß man nämlich in ihnen auch Angaben über die installierten PS-Kräfte, Angaben über die verbrauchten Energien verlangen wird, damit man endlich einmal zu den Problemen Stellung nehmen kann, die mit der Konzernierung technischer Art, 'aber auch wirtschaftlicher Art zusammenhängen..
    Die Koalitionsparteien, die diese Debatte über die Wirtschaftskonzentrationdurch ihre Große Anfrage forciert haben, haben dem Hohen Hause heute einen Entschließungsantrag unterbreitet, mit dem erreicht werden soll, Entartungserscheinungen, die mit der unerwünschten Konzentration zusammenhängen durch gezielte Maßnahmen zu beseitigen und auch behärdliche Untersuchungen anzustellen, wie diese unerwünschte Konzentration eingeengt und beschränkt werden kann. Ich halte diese gezielten Einzelmaßnahmen für sehr wichtig. Ich bin der Ansicht, daß man in diesem Hohen Hause zu diesem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP noch ein kurzes Wort sagen muß.
    Diese Einzelmaßnahmen, beispielsweise Eigentumsbildung in Personenhand, sind, soweit es sich um die Schicht der Selbständigen handelt, hier bereits erörtert worden. Aber es ist ein der Praxis nichts dabei herausgekommen. Wir haben bei den Etatberatungen beispielsweise Zins verbilligungsmaßnahmen für die Finanzierung gewerblicher Räume und Läden, und zwar für die nachstellige Finanzierung, beschlossen. Ihre Durchführung scheiterte dann aber an den Verwendungsrichtlinien. Diese Verwendungsrichtlinien waren praktisch nicht realisierbar. Wir dürfen aber nicht nur an Eigentumsmaßnahmen für die Unselbständigen denken; für die selbständigen kleinen und mittleren Betriebe ist die Eigentumsfrage genauso wichtig. Denn wir haben in der Handwerksstatistik 1956 festgestellt, daß 50 % der 770 000 Handwerksbetriebe unserer Bundesrepublik ihre Werkstatt und ihren Laden nicht auf eigenem Grund und Boden haben.
    Diese Eigentumsbildung in den Kreisen des selbständigen gewerblichen Mittelstands läßt sich nicht einfach mit einer Erklärung fördern. Es ist vielmehr notwendig, eine effektive Kapitalzinspolitik zu betreiben und sonstige Maßnahmen zur Eigentumsbildung, zum Beispiel Baulandbeschaffung für diese Kreise, zu treffen, um diese Eigentumspolitik überhaupt glaubwürdig zu machen. Diese Eigentumspolitik für die Selbständigen, die noch kein Privateigentum an Grund und Boben für Fabriken, Werkstätten und Läden haben, ist augenblicklich bei der Baulandfrage, vor der wir stehen, ungeheuer schwierig gewarden.
    Darauf wollte ich im Hinblick auf das Problem, das in dem Gesamtantrag der Koalition angeschnitten ist, noch einmal hingewiesen haben.

    (Beifall bei der DP. — Abg. Schmitt [Vokkenhausen]: Achtung! Damit die DP nicht in der Koalition dem Konzentrationsprozeß zum Opfer fällt!)