Protokoll:
2029

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 29

  • date_rangeDatum: 20. Mai 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:07 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:38 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954 1313 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1314 A, 1372 C Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner, Schäffer, Frau Niggemeyer, Mühlenberg 1314 B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestags 1314 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953, des Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges, der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksache 525) 1314 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 53 betr. Verheizen von Zigarillos (Drucksachen 454, 521) 1314 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280) 1314 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1315 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1323 A Dr. Gülich (SPD) 1328 B Neuburger (CDU/CSU) 1334 A Seuffert (SPD) 1341 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 1352 B Dr. Wellhausen (FDP) 1358 C Höcherl (CDU/CSU) 1366 A Eickhoff (DP) 1368 C Tenhagen (SPD) 1370 D Überweisung der Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Vorlagen Drucksachen 481, 482, 483 und 484 außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und des Gesetzentwurfs Drucksache 482 außerdem an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 1371 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954 / 55) (Drucksache 524) 1372 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1372 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198) 1372 C Rücküberweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten . 1372 C Nächste Sitzung 1372 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 25. und der 28. Sitzung . 1372 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung ist zu lesen: Abstimmung 1. 2. Seite 1038 D Zeile 10 von unten: Frau Welter (Aachen) entschuld. entschuld. Seite 1039 B Zeile 8: Frenzel krank krank Seite 1040 B Zeile 7 von unten: Rademacher krank krank Seite 1041 C Zeile 4 von unten: Hübner Ja Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung Seite 1207 A Zeile 14 ist nach Krammig statt „(SPD)" zu lesen: (CDU/CSU).
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202900000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 29. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten zu verlesen.

Hugo Karpf (CSU):
Rede ID: ID0202900100
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Pferdmenges für drei Wochen wegen Krankheit, Sassnick für drei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Gedat für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Gengler für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Klötzer für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Siebel für zwei Wochen wegen Krankheit, Wagner (Deggenau) für zwei Wochen wegen Krankheit, Neumann für zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Frehsee, Dr. Bartram, Wehking, Dr. Orth, Dr. Gleissner (München), Wirths, D. Dr. Ehlers, Schoettle, Dr. Arndt, Dannemann und Dr. Götz.
Für die heutige Sitzung hat der Präsident Urlaub erteilt den Abgeordneten Stümer, Dr. Keller, Müller-Hermann, Voß, Frau Rudoll, Dr. Schild (Düsseldorf), Regling.
Außerdem sind entschuldigt für je zwei Wochen die deutschen Delegierten an der Vollsitzung der Beratenden Versammlung des Europarates und für je zwei Tage die deutschen Delegierten an der Vollsitzung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202900200
Ich danke dem Herrn Schriftführer. Wir haben weiter einigen Kollegen nachträglich zu ihren Geburtstagen Glück zu wünschen, zunächst dem Abgeordneten Dr. Brönner, der am 12. Mai 70 Jahre alt geworden ist,

(Beifall)

dem Herrn Bundesminister Schäffer, der am selben Tage 66 Jahre alt geworden ist,

(Heiterkeit und Beifall)

der Abgeordneten Frau Niggemeyer, deren Geburtstag am 18. Mai gewesen ist,

(Heiterkeit und Beifall)

dem Abgeordneten Mühlenberg, der am 19. Mai 60 Jahre alt geworden ist.

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Mai 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 nicht gestellt:
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom
21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan vom 8. Mai 1953 über den Schutz durch den zweiten Weltkrieg beeinträchtigter Rechte auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien vom 4. September 1953 über die Wiederherstellung der durch den zweiten Weltkrieg betroffenen gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 14. Mai 1954 gemäß § 6 Abs. 5 des Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker vom 3. Oktober 1951 (Bundesgesetzblatt I Seite 852) den Entwurf einer Verordnung Z Nr. 3/53 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953 nebst Begründung und Gutachten der Interministeriellen Kommission zur Kenntnisnahme übersandt. Der Verordnungsentwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 5. Mai 1954 gemäß § 19 Abs. 2 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 (Bundesgesetzblatt I Seite 811) den Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges nebst Begründung zur Kenntnisnahme übersandt. Der Verordnungsentwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat gemäß § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung die Ubersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 zur Kenntnisnahme
übersandt. Die Ubersicht wird als Drucksache 525 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Mai 1954 die Kleine Anfrage 53 der Fraktion der FDP betreffend Verheizen von Zigarillos — Drucksache 454 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 521 vervielfältigt.
Ich rufe die Punkte 1 bis 6 der Tagesordnung auf:
1. Erste Beratung des
a) Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz),
b) Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz),
c) Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480);
2. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481);
3. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482);
4. Erste Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483);
5. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484);
6. Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280).
Zur Tagesordnung hat Ihnen der Ältestenrat vorzuschlagen, daß die Punkte 1 bis 6 durchlaufend von dem Herrn Bundesfinanzminister begründet werden und daß sich erst nach der Begründung zu Punkt 6 die Aussprache anschließt. Die Aussprache soll sich auf alle sechs Punkte beziehen, so daß wir also nicht jeden Punkt für sich diskutieren werden, sondern daß jeder Redner die Möglichkeit hat, nach Belieben und nach Vermögen zu allen sechs Punkten gleichzeitig zu sprechen.
Ich erteile dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.


Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0202900300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Grundzüge und Grundsätze, die den sämtlichen Gesetzentwürfen die Unterlage geben, habe ich bereits am 11. März in diesem Hause gesprochen. Ich habe dort auch angekündigt, daß über Einzelfragen an dem Tage gesprochen werden müsse, an dem die Gesetzentwürfe dem Bundestag amtlich zugehen. In der Zwischenzeit haben sich die Öffentlichkeit und die beteiligten Kreise mit den Gesetzentwürfen beschäftigt. Ich darf zunächst einmal feststellen, daß ich auch heute noch ohne weiteres auf die Grundzüge und Grundsätze sowie meine Erläuterungen vom 11. März 1954 Bezug nehmen kann.
Ich möchte aber nun in erster Linie auf die Einwendungen eingehen, die in der Öffentlichkeit vorgebracht worden sind., Wir haben zwei große Gesetzgebungszwecke. Der eine ist das Gebiet der Finanzreform, der andere das Gebiet der Steuerreform. Es ist die Frage aufgeworfen worden, warum diese beiden Gesetzgebungswerke zeitlich miteinander verbunden sind. Ich darf dazu folgendes einmal grundsätzlich bemerken.
In den Einwendungen der Öffentlichkeit wurde auch davon gesprochen, daß diese Gesetzentwürfe bedauerlicherweise den Hinweis vermissen ließen, daß auch an eine Verwaltungsreform gedacht werden müsse. Der Einwand geht an sich schon grundsätzlich fehl, weil jedes Gesetzgebungswerk sich zunächst mit seinem Thema und seiner Aufgabe zu beschäftigen hat und weil die Verwaltungsreform auch ein Kapitel ist, das ja nicht allein innerhalb des Bundes, sondern in allen deutschen Gebietskörperschaften — Bund, Ländern und Gemeinden — geregelt werden muß. Richtig ist, daß das Ziel einer gesunden Finanzpolitik und Steuerpolitik auch sein muß, einen Anreiz und einen Wegweiser zu geben für eine Verwaltungsreform, die die Zweckmäßigkeit der Verwendung der vom Steuerzahler aufgebrachten Mittel auch sichert. Aber man versteht die Finanzreform falsch, wenn man nicht erkennt, daß in der Finanzreform gerade die Grundzüge dafür liegen, eine Verwaltungsreform in Bund, Ländern und Gemeinden vorzubereiten.
Die Finanzreform soll ja in erster Linie die Annäherung der Steuerkraft zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern erzielen. Wir können heute erleben, daß infolge der großen Unterschiede, die in der Steuerkraft der Länder bestehen, die einen Länder eine Ausgabenpolitik treiben, die die anderen Länder auf Grund ihrer Einnahmen und ihrer Steuerkraft nicht treiben könnten, zu der sie aber durch das Beispiel der anderen Länder gezwungen werden. Ich brauche nicht die Worte Weihnachtszuwendungen, Besoldungsreform, Schulpolitik, Landeskultur für Grund und Boden, Wasserverhältnisse etc. auszusprechen; jeder weiß, wie die Dinge in Deutschland liegen. Die Verschiedenheit in der Steuerkraft der einzelnen Länder ist gerade der Grund dafür, daß diejenigen mit der größeren Steuerkraft in Ausgaben vorausgehen, zu denen die anderen mit geringerer Steuerkraft dann getrieben werden, und auf der anderen Seite, da gewisse Ausgaben von steuerschwachen Ländern nicht in dem Maße geleistet werden können, wie die steuerkräftigeren sie leisten können, haben wir gleichzeitig den Zug, daß Aufgaben, die ihrer Natur nach in der Zuständigkeit der Länder liegen, sann vom Bund übernommen werden sollen, weil einzelne steuerschwache Länder nicht in der Lage
sind, die Aufgaben in gleichem Maße zu erfüllen. Das ist das Gegenteil von gesunden Voraussetzungen für eine gesunde Verwaltungsreform.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Annäherung der Steuerkraft bedeutet Annäherung in der Ausgabenpolitik, und zwar auch eine Gesundung der Ausgabenpolitik zwischen Bund und Ländern.
Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß das, was ich hier ausspreche, auch in den Bestimmungen des Art. 73 und des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes gedacht gewesen ist, in denen der Gesetzgeber des Grundgesetzes ausspricht, daß die Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen deutschen Bundesgebiet, in allen Ländern, das Ziel der Politik innerhalb des Bundes sein müsse und daß der Bund die Aufgabe habe, die Verhältnisse zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern mit dem Ziel einer Annäherung auszugleichen. So hat die Finanzreform auch für eine kommende Verwaltungsreform und Gesundung unserer Verwaltungsverhältnisse die größte Bedeutung.
Sie hat sie auch deswegen, weil sie auf dem Gedanken beruht, daß die Verantwortung für die Verwendung der Gelder des Steuerzahlers dadurch gestärkt werden soll, daß derjenige, der Geld verwaltet und Geld ausgibt, das grundsätzlich in eigener Verantwortung tun soll. Das ist der Gedanke, auf dem die Aufgabenteilung an sich beruht und der auch dem Finanzanpassungsgesetz zugrunde liegt, in dem entweder durch die sogenannten Interessenquoten oder durch das Pauschalierungssystem der Grundsatz zum Ausdruck kommen soll: Wer Geld verwaltet, soll mit eigenem Gelde wenigstens beteiligt sein. Wer Geld verwaltet, soll z. B. durch das Pauschalsystem den Lohn für zweckmäßige und sparsame Verwaltung dieser Gelder haben und soll im Falle unzweckmäßiger Verwendung der Gelder auch den Nachteil tragen. Es ist selbstverständlich — dem Grundsatz wird jeder zustimmen, der Erfahrung aus der Verwaltung hat —, je lebensnäher derjenige, der einer Aufgabe gegenübersteht, der Aufgabe ist, je mehr er die örtlichen einzelnen Verhältnisse wirklich würdigen und prüfen kann, um so besser ist für ihn die Möglichkeit, auch eine wirklich zweckmäßige Verwaltung durchzuführen. Das ist ja der Gegensatz gegenüber einer zentralen Verwaltung, die naturgemäß viel mehr schematisieren muß, als eine lebensnähere Verwaltung das tun müßte. Wenn also der Grundsatz an sich gesund ist, zu verwalten da, wo die Lebensnähe besteht, so muß das gleichzeitig mit dem Grundsatz verbunden werden, das auch aus eigener Kraft ganz oder mit zu tun, um durch die Sorgfalt, die man in Verwendung eigener Mittel anwendet, auch hier veranlaßt zu werden, dem Gedanken der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit Rechnung zu tragen.
Ziel der Finanzreform ist weiter eine gemeinsame Steuerpolitik. Die Finanzreform muß verhindern, daß bei der Teilung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden etwa der eine Teil mehr Einnahmen hat, als er an sich benötigt, und der andere Teil für die Erfüllung seiner lebensnotwendigen Aufgaben die notwendigen Mittel nicht hat und den Steuerzahler dann beanspruchen und heranziehen müßte, obwohl die gesamte Steuermasse im ganzen Bundesgebiet bei gerechter Verteilung zur Erfüllung aller Zwecke ausreichen würde. Das ist ja, was ich am 11. März


(Bundesfinanzminister Schäffer)

als besonderen Gesichtspunkt herausgestellt habe: Das System des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist — das steht dem Wortlaut nach im Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes — zur „Deckung der durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben des Bundes" gedacht. Der Bundesrat, in dem letzten Endes doch sämtliche deutschen Länder vertreten sind, genehmigt Jahr für Jahr den Haushalt des Bundes. Er weiß, welche Ausgaben der Bund macht, genehmigt und kontrolliert und kann sein Veto einlegen, wenn er der Überzeugung ist, der Bund mache unnötige Ausgaben oder er mache Ausgaben für Zwecke, die außerhalb seiner Zuständigkeit liegen. Der Bundesrat, die Vertretung der Länder, hat gleichzeitig den Überblick, welche Einnahmen dem Bund zur Verfügung stehen. Bei der Beratung des Bundeshaushalts hat er Gelegenheit, auch Einnahmevorschläge zu machen und die entsprechenden Initiativgesetze und Anträge einzureichen, wenn er glaubt, daß dazu Möglichkeiten bestehen. Tut er das nicht, dann hat er ja an sich anerkannt, welcher Teil von nicht gedeckten, durch andere Einnahmen nicht zu bewältigenden Ausgaben des Bundes vorliegt. Aber es ist menschlich, daß die Bestimmung, daß er seine Zustimmung zum Bundesanteil geben muß, ihn dazu führt, hieraus nicht die Folgerungen zu ziehen, sondern zu versuchen, den Bundesanteil möglichst gering zu halten. Das wird um so verständlicher, wenn man bedenkt, daß der Bundesanteil für steuerschwache und steuerstarke Länder nach gleichem Prozentsatz festgelegt werden muß und vielleicht das steuerschwache Land es wirklich nicht zumutbar empfindet, einen Bundesanteil in der Höhe zu tragen, bei der ein anderes Land in der Lage wäre, diesen Bundesanteil zu übernehmen.
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, diese Schwierigkeiten zu vermeiden und zu einer gemeinsamen Steuerpolitik zu kommen, um insbesondere den Bund nicht zu zwingen, Ausgaben auf dem Umweg über Umsatzsteuer und Verbrauchsteuer, die seine einzigen ihm unmittelbar und ohne Zustimmung der Länder zur Verfügung stehenden Steuerquellen sind, zu decken, Ausgaben, die ihrer Natur nach durch Mithilfe der Länder in Form des Bundesanteils gedeckt werden müssen. Diese Gefahr von dem Steuerzahler abzuwenden, ist das erste Ziel der Finanzreform.
Ein gesetzliches Junktim zwischen Finanzreformgesetz und Steuerreformgesetz besteht nicht; es besteht aber eine innere Verbindung. Die innere Verbindung ist insbesondere haushaltswirtschaftlich. Jeder, der die unschönen Auseinandersetzungen der letzten Jahre verfolgt hat, wenn Jahr für Jahr der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöht werden mußte, wird mir zugeben müssen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen höheren Anteil als die jetzt in Frage stehenden 40 °/o mit Zustimmung der Länder zu erhalten, politisch sehr beschränkt ist, insbesondere dann, wenn die Steuerkraft der Länder nicht ausgeglichen ist.
Ich habe schon in diesem Hause betont, daß der Bundesfinanzminister, wenn er auf Grund der jetzigen Gesetzeslage, also ohne die Gesetze der Finanzreform, im nächsten Jahre seinen Haushaltsplan nur nach seinem Bedarf aufstellen müßte, sicherlich gezwungen wäre, einen Bundesanteil zu verlangen, der voraussichtlich weit über 40 % liegen würde. Die Zustimmung dazu zu erhalten,
scheint mir sehr schwer möglich zu sein. Man muß damit rechnen, daß die Zustimmung der Länder nicht gegeben wird. Der jetzige Stand, den wir nach jahrelangen schweren Auseinandersetzungen erreicht haben, liegt bei 40 zu 60. Er ist vorläufig nur ein Vorschlag der Bundesregierung und könnte von dem Hohen Hause im Laufe der Beratungen noch zugunsten des Bundes geändert werden.

(Heiterkeit.)

Wenn dieser Vorschlag von 40 zu 60, der mir als die Grenze des augenblicklich politisch Möglichen erscheint, nicht durchginge oder wenn die Finanzreformgesetze nicht in Kraft träten und infolgedessen der Kampf im nächsten Jahre wieder begönne und wahrscheinlich mit einem Mißerfolg endete, wäre der Bund gezwungen, bei der dann gegebenen Rechtslage allein auf die indirekten Steuern zurückzugreifen. Der Gesetzgeber muß dem Bund eine Möglichkeit geben, auch die direkten Steuern als Einkommensquellen für sich heranzuziehen, und zwar ohne Zustimmung der Länder. Das ist der Sinn der Ergänzungsabgabe. Sie versetzt den Bund in die Lage, die Quellen der Einkommen- und Körperschaftsteuer in beschränktem Umfange noch für sich nutzbar zu machen, aber nicht in der Form, daß jeweils eine allgemeine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 100 °/o erfolgen müßte, sondern auf den Bedarf des Bundes beschränkt.
Wenn die Steuerreformgesetze beschlossen würden, jedoch die Ergänzungsabgabe nicht zustande käme, die verfassungsrechtlich ihre Grundlage und ihre Umschreibung nach Höhe und Umfang in den Steuerreformgesetzen hat, würde das nach den Berechnungen, die ich Ihnen vorgelegt habe, für den Bundeshaushalt einen Ausfall von etwa 270 Millionen DM bedeuten. Dieser käme zu dem Ausfall infolge der Steuerreform hinzu.
Ich werde noch Gelegenheit haben, zu betonen, welches — auch haushaltswirtschaftlich — die Grenzen jeder Steuersenkung sind. Ich darf mich hier darauf beschränken, zu sagen, daß diese Grenzen bestimmt überschritten würden, wenn eine Ergänzungsabgabe nicht zustande käme. Bereits in den nächsten Tagen werde ich ein Bild über die Anforderungen an den Haushalt 1955 geben können. Es wird mir dann sicherlich leicht möglich sein, nachzuweisen, daß die Grenze dort überschritten wird.
Ein zeitliches Moment kann nicht gefunden werden. Der Bundesrat ist nämlich nicht an eine Frist gebunden, innerhalb deren er seine Zustimmung zu den Steuerreformgesetzen zu geben hätte. Er hat in seiner Stellungnahme den größten Wert darauf gelegt, daß zur Klärung der Gesamtverhältnisse, in denen sich die Länder künftig befinden, Finanzreform und Steuerreform miteinander verabschiedet würden. Die Verabschiedung der Finanzreform würde, wenn im Parlament einmal die grundsätzliche Entscheidung gefallen ist, nicht viel Zeit beanspruchen. Die Steuerreform zu verabschieden, wird angesichts der großen Zahl von geäußerten Wünschen nach meiner Überzeugung wesentlich mehr Zeit erfordern. Eine Verschiebung der Steuerreform durch die gleichzeitige Verabschiedung der Finanzreform bräuchte bestimmt nicht einzutreten, aber haushaltswirtschaftlich ist der Zusammenhang untrennbar.
Gegen die Finanzreform ist außerdem ein Einwand vorgebracht worden, der auf einem Mißverständnis beruht. Es ist gesagt worden, daß die


(Bundesfinanzminister Schiffer)

Finanzreform eine Versteinerung der Gesetzgebung bedeute, daß sie gewisse Steuern, die den Ländern zufließen, für immer der Gesetzgebung des Bundes entzöge und daß die gemeinschaftliche Steuer für immer nach dem gleichen Maß geteilt würde. Das ist ein Mißverständnis. Ich verweise ausdrücklich auf die Begründung zu dem Gesetzentwurf über die Finanzreformgesetze Seite 105 und Seite 111.
Wenn der Art. 106 des Grundgesetzes die Steuern teilt in a) Steuern, deren Ertrag dem Bunde zufließt, b) Steuern, deren Ertrag dem Lande zufließt, und c) Steuern, die gemeinschaftlich Bund und Ländern zufließen, so wird ausgegangen von den jeweils erhobenen Steuern. Eine Bestandsgarantie für irgendeine Steuer ist damit in keiner Weise gegeben. Auch Art und Umfang der einzelnen Steuer sind damit nicht festgelegt. Rechtlich besteht die Möglichkeit, eine Steuer aufzuheben und dafür eine andere Steuer, gleichgültig ob sie demselben Steuerträger zufließt, zu erhöhen, wenn volks- und steuerwirtschaftliche Überlegungen das fordern. Darüber besteht auch Einigkeit. Und gerade weil Einigkeit darüber besteht, haben ja die Länder die Sicherheitsklausel vorgeschlagen, damit nicht durch eine illoyale Anwendung dieser im Art. 105 des Grundgesetzes — der nicht Gegenstand der Finanzreformgesetze ist, sondern völlig unberührt bleibt — dem Bund gegebenen Gesetzgebungshoheit die Lebensfähigkeit der Länder ausgehöhlt werden könnte. Also eine Versteinerung der Steuergesetzgebung findet in keiner Weise statt. Die Gesetzgebungshoheit und Gesetzgebungsfreiheit, die auf Grund Art. 105 des Grundgesetzes gegeben ist, bleibt dem Bunde nach wie vor in demselben Maß, wie das früher der Fall gewesen ist.
Damit verliert auch der andere Einwand an Gewicht, daß jetzt noch nicht die Zeit gegeben sei, um die Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden endgültig, wie es im Art. 107 des Grundgesetzes heißt, zu verteilen, da eine feste Grundlage für den Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden heute für Dauer noch nicht bestimmt werden könne. Eine Festlegung des Finanzbedarfs, die sich nicht ändert, wird zu keiner Zeit möglich sein. Unsere Generation wird es nicht mehr erleben, daß wir mit Sicherheit den Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden auf lange Zeit voraussagen können. Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß die ersten fünf Jahre eines Aufbaues in der deutschen Bundesrepublik nun vorübergegangen sind. Ich darf doch sagen, daß wir im großen ein Bild gewonnen haben und daß wir im großen sagen können, welches etwa das Verhältnis der Sozialleistungen zu den Verwaltungsausgaben der Länder und auch zu den Verteidigungsausgaben ist, von denen wir ja hoffen, daß wir erreichen können, daß sie das Maß, das wir bisher angeboten haben, nicht wesentlich übersteigen werden, daß wir also heute wenigstens einen Überblick über die grundsätzlichen Größenordnungen haben. Für ungeahnte Fälle, die immer eintreten können, sind ja die Bestimmungen einerseits der Revisionsklausel, andererseits der Sicherheitsklausel vorgesehen.
Der Bundesrat will nur die Sicherheitsklausel zugunsten der Länder behalten. Ich widerspreche an sich gewiß dem Grundsatz der Sicherheitsklausel nicht, weil diese Sicherheitsklausel eine Art Loyalitätsverpflichtung des Gesetzgebers festlegen will, die Lebensfähigkeit der Länder nicht auf Umwegen zu bedrohen. Aber ich finde es ungerecht und unbillig, wenn eine solche Sicherheit nur einseitig dem einen Teil und nicht gegenseitig, zwischen Bund und Ländern, gegeben werden soll. Es können Notfälle eintreten, in denen die Ausgabenbelastung des Bundes durch außenpolitische oder sonstige Verhältnisse unerwartet getroffen wird. Das darf nicht allein zu Lasten des Steuerzahlers abgewälzt werden. Das darf nicht allein auf die Steuerquellen abgewälzt werden, die für den Bund in den Umsatz- und Verbrauchsteuern bestehen. Wenn sich Aufgaben unerwartet verändern und der eine Teil dadurch eine große Mehrausgabe zu tragen hat, muß die Möglichkeit gegeben sein, das Verhältnis in den Steuerquellen zu ändern, damit eine Belastung des Steuerzahlers verhindert wird. Ich möchte aber feststellen, daß die Finanzreform trotz aller Einwendungen grundsätzlich bejaht wird. Es wird von dem einen oder anderen Teil von der Möglichkeit einer Verschiebung gesprochen. Ich halte die Möglichkeit einer Verschiebung praktisch für sehr bedroht. Als wir das letzte Mal die Verlängerung der Frist des Art. 107 beschlossen haben, waren die Auffassungen im Bundesrat absolut nicht einhellig. Die Zweidrittelmehrheit wurde zwar erreicht, aber sehr wichtige Länder haben ihre Stimme für die Verlängerung damals nicht gegeben. Nachdem heute vor den Ländern, auch vor den „gebenden" Ländern die volle Konsequenz der Finanzreform sichtbar ist, nachdem im Bundesrat bei den Abstimmungen bereits eine gewisse Zweiteilung zwischen den gebenden und den erhaltenden Ländern eingetreten ist, scheint es mir sehr fraglich, ob eine Verlängerung im Bundesrat und unter den Ländern nicht auf große Schwierigkeiten stoßen würde.
Ich möchte den ganzen Fragenkomplex in diesem Zusammenhang nur in einer einzigen Frage zusammenfassen. Gibt man mir zu, daß bei der jetzigen Gesetzgebung — wenn also der Art. 106 Abs. 3 mit seinem unschönen jährlichen Ringen um die Höhe des Bundesanteils in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr anwendbar sein wird —,

(Abg. Dr. Gülich: Wahrscheinlich nicht?!)

gibt man mir zu, daß mit diesen 40 % bei dem heutigen Verhältnis und den großen Unterschieden in der Leistungskraft der Länder das, was politisch erreicht werden kann, erreicht ist, und gibt man mir zu, daß die Zustimmung der Länder zu einer wesentlichen Überschreitung deswegen voraussichtlich nicht mehr zu erhalten ist, dann muß man mir auch zugeben, daß in diesem Augenblick die Gefahr besteht, daß sich zwischen Bund und Ländern ein Konflikt abzeichnet, ein Konflikt, der auf dem Gebiet des Verfassungsrechtes liegt. Will man dagegen einwenden: Wir haben ja ein Allheilmittel, wir führen die Bundesfinanzverwaltung ein, — dann muß ich wieder zur Antwort geben: Glauben die Herren, die die Bundesfinanzverwaltung hier als Allheilmittel empfehlen, daß eine Bundesfinanzverwaltung ohne verfassungsrechtlichen Konflikt heute in Deutschland einzuführen sei? Ist nicht allgemein bekannt, daß in allen Parteien das Thema „Bundesfinanzverwaltung" verschieden beantwortet wird,

(Sehr richtig! bei der CSU)

je nachdem, ob die Partei die Frage vom Gesichtspunkt der Landesregierung aus oder vom Gesichtspunkt des Bundespolitik aus

(Abg. Albers: Oder von Passau aus!)

beantwortet? Muß man mir nicht zugeben, daß die
Wahrscheinlichkeit, im Bundesrat eine Zweidrittel-


(Bundesfinanzminister Schiffer)

mehrheit der Länder für die Bundesfinanzverwaltung zu erhalten, praktisch Null ist? Und will man
mir nicht zugeben, daß das Aufwerfen eines verfassungsrechtlich nicht zu lösenden Problems doch
eigentlich außerhalb dessen liegt, was man Politik
heißt, da Politik in erster Linie doch eine Kunst
des Möglichen und eine Kunst des Erreichbaren ist?

(Abg. Ritzel: Wieso haben Sie dann den Haushalt auf 42 O/o Bundesanteil aufgebaut?)

Ich darf noch eine zweite Frage aufwerfen: Was soll überhaupt das Thema „Bundesfinanzverwaltung", bei dem es ja nur um eine einheitliche Verwaltung von bestehenden Steuern geht, mit dem Thema „Neuverteilung von Steuerquellen" zu tun haben? Ist einmal die Bundesfinanzverwaltung eingeführt, so werden die Steuerarten, die Steuerquellen und die Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern dadurch in gar keiner Weise berührt. Ich kann wirklich nicht einsehen, wie das Thema „Bundesfinanzverwaltung" überhaupt zur Lösung der Frage, vor der wir stehen, beitragen soll.
Aber eines möchte ich unterstreichen: ob wir nun in diesem Hause nach unserer inneren Überzeugung als Anhänger des föderativen Systems oder als Anhänger eines unitarischen Systems sitzen, wir müssen uns darin einig sein, daß das Grundgesetz das Gesetz eines föderativen Staates ist. Wir müssen uns weiter darin einig sein, daß wir alle, ungeachtet unserer persönlichen Einstellung, die Verfassungstreue zu wahren haben. Infolgedessen haben wir eine Lösung zu suchen, die uns das Problem zugunsten der Allgemeinheit und ohne Verfassungskonflikt meistern läßt. Die Konfliktstoffe um unser Volk im Innern und im Äußern sind so zahlreich, daß es die Aufgabe jedes verantwortungsbewußten Mannes in Deutschland sein müßte, jeden Konflikt, der vermeidbar ist, auch wirklich zu vermeiden. Das ist der Sinn der Gesetze über die Finanzreform.
Ich darf nun auf die Gesetze über die Steuerreform eingehen. Im Bundesrat und in der Öffentlichkeit sind Einwendungen erhoben worden; in der Öffentlichkeit nicht etwa deswegen, weil die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister eine Steuersenkung vorschlagen, sondern deswegen, weil die Steuersenkung von vielen Kreisen als nicht genügend empfunden wurde. Der innere Grund sämtlicher Einwendungen war, daß man mehr haben will.
Diese Einwendungen kleideten sich in verschiedene Formen. Die ersten gingen davon aus, daß ja die Steuervergünstigungen wegfielen. Schon das ist in dieser Form nicht richtig. Es war das Thema der ersten Steuerreform, die Steuervergünstigungen zu beseitigen und als Ersatz dafür eine Tarifsenkung zu geben, die sich aber in der Entlastung des Steuerzahlers höher auswirkt, als der Wegfall der Steuervergünstigungen eine Belastung des Steuerzahlers bedeutet. Im zweiten Gesetz über die Steuerreform ist der Wegfall von Steuervergünstigungen nur in relativ unwesentlichen Fällen angeordnet.
Der Wegfall von Steuervergünstigungen war Gegenstand des Gesetzes über die erste Steuerreform, das der Deutsche Bundestag ja mit großer Mehrheit beschlossen hat und das inzwischen in Kraft getreten ist.
Die zweite Steuerreform erfolgte auf Grund einer Überprüfung unseres gesamten Steuersystems. Ich habe immer darauf hingewiesen, daß der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung bei dieser Überprüfung anderen Stellen zeitlich den Vortritt gelassen haben, daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums, daß die Länder mit ihren Sachverständigen in den sogenannten „Diskussionsbeiträgen", daß Wirtschaftsverbände wie z. B. das „Institut für Finanzen und 'Steuern" Gelegenheit gehabt haben, sich an der Überprüfung des gesamten Steuersystems zu beteiligen und ihre Vorschläge zu machen, und daß alle gemeinsam v o r der Bundesregierung zu der Überzeugung gekommen sind, daß eine grundsätzliche Änderung unseres Steuersystems nicht zu empfehlen ist, daß insbesondere auch bei der Umsatzsteuer der an sich beachtliche Gedanke der Mehrwertsteuer wenigstens in diesem Zeitpunkt noch nicht durchführbar ist, daß man es bei dem Steuersystem als solchem belassen müsse, daß die Schmerzen und die Verzerrtheiten in dem Steuersystem ihre innere Begründung in den allzu hohen Tarifen haben und daß das Schwergewicht infolgedessen auf Änderung und Senkung der Tarife gelegt werden müsse.
Im großen und ganzen ist die Bundesregierung mit ihrem Vorschlag dem gefolgt, was all diese Gremien ausgesprochen haben, so daß eine Überraschung über den Gesetzentwurf nach dieser Richtung in der Öffentlichkeit eigentlich nicht hätte eintreten sollen.
Das Schwergewicht liegt auf der Tarifsenkung, und ich betone: diese Tarifsenkung wird gegeben, ohne daß ihr ein wesentlicher Wegfall von Steuervergünstigungen gegenübersteht.
Der Wegfall der Steuervergünstigungen ist Voraussetzung der Steuerreform im ersten Abschnitt gewesen und bleibt selbstverständlich Ziel der ganzen Steuerreform. Wir haben Ihnen ja den Wegfall der Steuervergünstigungen seinerzeit nicht nur vorgeschlagen, weil sie eine Erschwernis der Steuerverwaltung, der Steuererhebung, der Steuererklärung bedeuten, sondern vor allem deshalb, weil sie ihrer Natur nach zeitbedingt waren und andererseits unbestrittenerweise Gegenstand großer Mißbräuche geworden sind und die Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit unseres Steuersystems bedroht haben. Deswegen mußten die Steuervergünstigungen abgebaut werden; deswegen die erste Steuerreform mit einer über den Abbau der Vergünstigungen in der Wirkung hinausgehenden Tarifsenkung, und nunmehr eine Tarifsenkung, die in dem Zeitpunkt, da der Wegfall der Steuervergünstigungen voll wirksam ist, neu hinzukommt, und zwar in einem weit höheren Ausmaß, als es die Tarifsenkung der ersten Steuerreform hatte.
In dieser Überlegung darf ich einen Grundsatz aussprechen, an dem die Bundesregierung festhalten muß. Es wäre der Sinn der beiden Gesetzgebungswerke von 1953 und 1954 verfälscht und würde verloren, wenn etwa den Wünschen auf Beibehaltung der bereits gesetzlich weggefallenen oder sogar auf Neueinführung von Steuervergünstigungen entsprochen werden würde. Der Grundsatz des Wegfalls der Steuervergünstigungen, einer möglichst einfachen und gerechten Steuergesetzgebung muß beibehalten bleiben. Es kann aber auch keine Kritik an den Steuerreformgesetzen unter dem Gesichtspunkt erfolgen, daß in einzelnen Fällen vorgerechnet wird: „Ich habe früher auf Grund des § 7 c oder 7 d einen großen Teil


(Bundesfinanzminister Schiffer)

meines Gewinns" — bei manchen Personen war es ihr gesamter nicht unbeträchtlicher Gewinn —,,steuerfrei gestellt; infolgedessen ist es eine Mehrbelastung für mich, wenn ich jetzt zwar eine Tarifsenkung erhalte, aber doch Steuern bezahle, die vielleicht höher sind als während der Geltung der Steuervergünstigungen in den früheren Jahren." Abgesehen davon, daß ein großer Teil der Steuervergünstigungen ja nur eine zeitliche Verschiebung sein sollte, wie auch 7 c- und 7 d-Gelder im Moment des Rückflusses steuerpflichtig werden, kann ich nicht deshalb, weil einzelne Steuerzahler von den Steuervergünstigungen einen nach meiner Überzeugung vielfach übermäßigen Gebrauch gemacht haben, ein Steuersystem erfinden, das diese übermäßige Vergünstigung für alle Steuerzahler einführen würde.
Zweitens. Es muß Grundsatz jeder Steuerreform und jeder Steuersenkung sein, daß die finanzielle Ordnung trotzdem aufrechterhalten bleibt. Die finanzielle Ordnung ist letzten Endes die Grundlage unseres ganzen Geld- und Währungssystems, und sie muß unter allen Umständen bewahrt bleiben. Gegen diesen Grundsatz wird öffentlich nicht gesprochen. Wenn man den Grundsatz aber anerkennt und wenn man damit dann auch anerkennt, daß haushaltswirtschaftlich die Grenze da liegt, wo der Bund und die öffentliche Hand überhaupt durch die Steuersenkung in eine Politik der Verschuldung getrieben würden, bleibt, weil man die Schlußfolgerung grundsätzlich anerkennen muß, trotzdem aber weiter gehen will, nichts anderes übrig, als die Berechnungsgrundlagen zu bestreiten und zu sagen, daß sie nicht richtig seien.
Ich darf nun einmal zu den Berechnungsgrundlagen, die wir jetzt auch in der Methode und in Einzelheiten der Öffentlichkeit unterbreitet haben — ich verweise auf Bulletin Nr. 60 vom 30. März und Nr. 67 vom 8. April 1954 —, folgendes feststellen. Wenn ich vom Jahre 1955 ausgehe — womit sich also andere Zahlen ergeben, als ich bei Vorlage der Kleinen Steuerreform für das Jahr 1954 bekommen habe —, dann ist der Ausfall, der durch die Tarifsenkung der ersten Steuerreform eingetreten ist, 1655 Millionen. Der Ausfall, der durch die jetzige Tarifreform nach der Vorlage eintreten wird, beträgt 2300 Millionen. Der Gesamtausfall im nächsten Jahr durch die beiden Reformgesetze zusammen ist 3900 Millionen. Ich glaube nicht, daß in früheren Jahren irgend jemand daran gedacht hätte, daß ein besiegtes Volk acht Jahre nach dem Zusammenbruch den Wagemut aufbringt, eine Steuersenkung in diesem Umfange vorzunehmen.

(Abg. Albers: Sehr richtig!)

Diesem Ausfall von 3900 Millionen steht ein Wegfall von Steuervergünstigungen mit einer Erhöhung der Einnahmen um 1000 Millionen für 1955 gegenüber, so daß eine reine Entlastung von 2900 Millionen bleibt. Die Entlastung des Steuerzahlers auf Grund der ersten Steuerreform beträgt dabei 600 Millionen, diejenige auf Grund der zweiten Steuerreform 2300 Millionen. Die Nettoentlastung der zweiten Steuerreform beträgt also ungefähr das Vierfache der Entlastung des Steuerzahlers auf Grund der ersten Steuerreform!
Ich habe schon gesagt, daß wir die Berechnungsgrundlagen im einzelnen im Bulletin veröffentlicht haben, so daß ich hier nicht darauf einzugehen brauche. Ich habe gesagt, daß es Kreise gibt, die natürlich eine höhere Steuersenkung wollen
und die die Berechnungsgrundlagen bezweifelt haben. Ich möchte feststellen: das Bundesfinanzministerium ist bereit, jedem Kreis nicht nur die Berechnungsmethode und das Berechnungsergebnis, sondern auch alle vorhandenen Berechnungsgrundlagen zur Kritik und Nachprüfung zur Verfügung zu stellen. Ich habe mich mit den Kreisen, um die es sich handelt, auch bereits ins Benehmen gesetzt. Praktisch gibt es heute nur noch zwei Fragen, über die gesprochen wird. Das eine ist die Frage der Auswirkung des § 10 des Einkommensteuergesetzes in der neuen Fassung. Wir haben uns dahin geeinigt, daß wir noch Mustererhebungen vornehmen. Diese werden spätestens im Laufe einer Woche abgeschlossen sein. Nach den Grundlagen, die heute zur Verfügung stehen, muß ich sagen: aller menschlichen Voraussicht nach dürfte sich ergeben, daß die Berechnung des Bundesfinanzministeriums nicht anzuzweifeln ist.
Die zweite große Frage, die sich ergibt, ist die: Kann das Ist-Aufkommen 1953/54 der kommenden Entwicklung der Einkommen- und der Körperschaftsteueraufkommen in den nächsten Jahren zugrunde gelegt werden? Ich habe seinerzeit am 11. März schon dargelegt, daß wir versucht haben, bei Beginn der Kleinen Steuerreform den Ausfall für das nächste Jahr zu schätzen. Ich habe damals bereits darauf hingewiesen, daß als Maßstab zunächst nur die Lohnsteuer genommen werden kann, da wir mit Inkrafttreten der' Kleinen Steuerreform das Aufkommen an Lohnsteuer, das im Haushalt mit 4200 Millionen vorgesehen war, in Auswirkung der Kleinen Steuerreform auf 3650 Millionen ermäßigt haben. Wir gingen damals von einem Bruttosozialproduktzuwachs von 5 % aus. Erfreulicherweise hat das vergangene Jahr einen etwas höheren Zuwachs an Bruttosozialprodukt gebracht. Trotzdem stimmt das Ist-Ergebnis mit der Schätzung fast völlig überein. Wir haben 3650 Millionen an Lohnsteueraufkommen geschätzt; 3700 Millionen — ganz genau 50 Millionen mehr — sind eingegangen. Auf dem Gebiet, wo eine Stichprobe möglich war, hat sich die Schätzung des Bundesfinanzministeriums also bewahrheitet. Die veranlagte Einkommensteuer ist deshalb kein Maßstab, weil sie durch die Nachzahlungen der früheren Jahre überdeckt wird. Es handelt sich insbesondere um Nachzahlungen aus dem Jahr 1951, Nachzahlungen nicht nur zu hohen Steuersätzen, sondern Nachzahlungen aus der Zeit des Korea-Booms, aus der Zeit, in der die Gewinne mit der Aufblähung der Preise und Löhne ziffernmäßig unerwartet gestiegen sind.
Diese Nachzahlungen nehmen ein Ende. Ich verweise auf den Monatsbericht der Bank deutscher Länder, in dem schon nachgewiesen ist, daß im ersten Vierteljahr 1954 das Steueraufkommen bei der veranlagten Einkommensteuer 1300 Millionen und im letzten Vierteljahr nur mehr knapp 1000 Millionen betragen hat, weil die Nachzahlungen vom ersten und zweiten Vierteljahr ab sinken und im dritten und vierten Vierteljahr ganz gering werden. Wir müssen die Zukunft aber mit der bleibenden Größe des Durchschnittsaufkommens schätzen, also ohne Berechnung dieser Nachzahlungen. Wenn ich die Zahl des letzten Monats nehme, dann muß ich feststellen, daß im April 1954 die veranlagte Einkommensteuer mit 27 % unter dem Aufkommen des Jahres 1953 liegt. Die Auswirkung der Steuersenkungen zeichnet sich also erst jetzt deutlich ab, wo der Schleier der Nachzahlungen zerreißt.


(Bundesfinanzminister Schäffer)

Das dürfte der Hauptpunkt sein. Die Unterlagen, die wir bisher haben — im Lauf der nächsten Woche werden sie vollständig sein —, geben diesen Berechnungen nach meiner Überzeugung vollkommen recht. Ich glaube also, daß wir diese Frage, über die wir uns im Ausschuß wahrscheinlich noch ausführlich unterhalten werden, heute doch von dem Gesichtspunkt aus betrachten müssen, wie es auch das Institut für Wirtschaftsforschung in einem letzten Schnellbrief getan hat, daß man die Berechnungen des Bundesfinanzministers nicht grundsätzlich bestreiten kann.
Eine dritte Frage, die eine Rolle spielt, ist die Frage des Tarifs. Wir haben das Prinzip der Beseitigung der Steuervergünstigungen um der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuersystems willen eingeführt. Wir haben aus demselben Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuersystems den neuen Steuertarif in Vorschlag gebracht. Ein Tarif, der je nach Einkommenschichten schwankt, hier zugunsten, dort zuungunsten einer Schicht eine Ausbuchtung oder Einbuchtung enthält, steht vielleicht unter wirtschaftspolitischen oder sonstigen Gesichtspunkten, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit und der Gerechtigkeit. Ich habe mich darüber auch gestern bei den sogenannten Kölner Mittwoch-Sprechabenden unterhalten müssen, weil Vertreter einzelner Berufe sagten: Für unseren Beruf eine Ausbuchtung! Ich habe dort mit Zustimmung aller — es waren alle Volkskreise vertreten — den Grundsatz aufgestellt: für den Gesetzgeber kann es sich beim Steuerrecht nicht darum handeln, welchem Beruf der einzelne Steuerzahler angehört, sondern nur darum, wie hoch das Einkommen ist, das der Steuer unterliegt. Ein geringes Einkommen — ein geringer Steuersatz; ein hohes Einkommen — ein hoher Steuersatz, gleichgültig, aus welcher Quelle das Einkommen stammt. Ich glaube, daß dieser Grundsatz in allen Volkschichten Anklang und Verständnis findet. Dieses Prinzip der Gleichmäßigkeit ist also das Prinzip des Steuertarifs, den wir zum Vorschlag gebracht haben.
Bezüglich der Auswirkungen darf ich auf die Tarifskala hinweisen, die in Nr. 52 des Bulletins enthalten ist. Ich stelle nur fest: wir haben, wenn wir einen Vergleich mit früheren Jahren, z. B. 1934, anstellen, bei den Einkommen unter 8000 DM heute geringere Steuersätze als vor dem Kriege. Ich darf feststellen, daß die Senkung der Steuersätze bei den geringeren Einkommen gegenüber dem Jahre 1950 bis zu 61 % beträgt — eine Senkung wie sie höher wohl kaum vertreten werden kann. Wir haben den sogenannten Proportionaltarif — er heißt fälschlich Troegertarif — gerade deswegen abgelehnt, weil er seiner Natur nach eine Mehrbelastung der kleinen Einkommen unter 8000 DM gebracht hätte. Ich möchte aber auch feststellen, daß die Senkung in den Mittelschichten — wenn Bezieher von 10-, 25-, 30 000 DM Einkommen noch als Mittelschicht betrachtet werden können — insgesamt gegenüber dem Jahre 1950 auch 30 % beträgt und daß sie etwa mit 17 oder 18 % auf die zweite Steuerreform, mit dem anderen Teil auf die erste Steuerreform trifft. Wenn man Vergleiche mit dem Jahre 1934 anstellt, dann darf man nicht vergessen, daß das steuerbare Einkommen jetzt bei einem höheren Bruttoeinkommen beginnt, weil ja in der Zwischenzeit die Freibeträge und die Pauschalbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben erhöht worden sind.
Bei jeder Änderung des Tarifs bitte ich aber daran zu denken, daß die Änderung des Tarifs im Rahmen des haushaltswirtschaftlich Möglichen bleiben muß. Ich habe in der letzten Zeit Tarifvorschläge gelesen, die in der Öffentlichkeit gemacht worden sind, und ich darf dazu bemerken, daß nach meiner überschläglichen Berechnung alle Tarifvorschläge, die ich bisher gelesen habe, über die Grenze des haushaltswirtschaftlich Möglichen weit hinausgehen.
Ich möchte noch eines sagen. Ich glaube nicht, als ein Mann verschrieen zu sein, der — man verzeihe mir das Wort — dem Geldsack dient. Trotzdem muß ich aus rein volkswirtschaftlichen 'Überlegungen sagen: ich kann den Einwand, daß die Bezieher höherer Einkommen übermäßig begünstigt worden seien, nicht als berechtigt anerkennen. Es war vielleicht ein Fehler des jetzigen Systems der Steuervergünstigungen, daß diese Vergünstigungen gerade den Beziehern großer Einkommen zugeflossen sind. Ich bitte aber daran zu denken, daß diese Steuervergünstigungen in einer Zeit festgelegt wurden, in der es sich um den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft handelte und wo nicht der Gesichtspunkt eine Rolle spielte, was der einzelne verdient, sondern wo der Gesichtspunkt eine Rolle spielte: Werden wieder deutsche Betriebsstätten und deutsche Werkstätten und deutsche Arbeitsplätze geschaffen werden!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In dieser Zeit sind die Steuervergünstigungen entstanden.
Aber es ist alles zeitbedingt, und wir schaffen infolgedessen die Steuervergünstigungen ab, weil sich die zeitbedingten Ursachen geändert haben. Wir treffen aber damit natürlich gerade den Kreis der Bezieher großer Einkommen, die ja ihr Einkommen nicht veressen und vertrinken können, sondern die es letzten Endes schon aus eigenem Erwerbstrieb heraus ganz überwiegend zum Ausbau ihrer Betriebe benützen. Infolgedessen muß man das gegenüberstellen.
Ich darf aber auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen, der uns leitet, nämlich einen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt: Ich will das steuerpolitische Denken in der deutschen Volkswirtschaft möglichst durch ein gesundes betriebswirtschaftliches Denken ersetzt haben. Bei entstehenden Unkosten soll nicht der Gesichtspunkt ausschlaggebend sein, was ich beim Finanzamt spare oder wieviel ich dem Finanzamt entziehe, sondern der Gesichtspunkt soll ausschlaggebend werden: Dient das meinem Betrieb? Infolgedessen wollten wir möglichst nahe an die Grenze des psychologischen Punktes von 50 % heran.
Ich darf nun auf Einzelfragen eingehen, die insbesondere auch im Bundesrat aufgeworfen worden sind, und darf dazu als Grundsatz folgendes einmal feststellen: Der Bundesrat hat bei allen Steuerarten, wo das Erträgnis der Steuer den Ländern zufließt, eine sehr vernünftige Zurückhaltung in der Genehmigung neuer Steuersenkungen bewiesen.

(Heiterkeit.)

Bei all den Steuern, deren Ertrag dem Bund zufließt, war er dem Steuerzahler gegenüber von einer bewundernswerten Großzügigkeit.

(Erneute Heiterkeit.)

Ich beginne mit der Erbschaftsteuer. Die Erbschaftsteuer fließt den Ländern zu. Der Bundesrat hat sich gegen die bei dieser Steuer vorgesehene


(Bundesfinanzminister Schiffer)

Tarifsenkung gewandt. Die Bundesregierung hält an ihrem Vorschlag fest. Das Erträgnis der Erbschaftsteuer ist auch nicht so, daß aus der vorgesehenen Senkung eine Gefährdung der Finanzen der Länder erwachsen könnte.
Der Bundesrat hat sich aber dann auch im Gegensatz dazu bei der Umsatzsteuer, die dem Bund zufließt, gegen jede Erhöhung ausgesprochen. Bekanntlich schlägt die Regierung vor, den Satz der Umsatzsteuer beim Großhandel von 1 % auf 1 1/2 % zu erhöhen. Die Bundesregierung hat nicht etwa deswegen diese Erhöhung vorgeschlagen, weil sie den Großhandel nicht so liebt wie alle anderen Wirtschaftszweige, auch nicht deshalb, weil sie etwa geglaubt habe, daß der Großhandel übermäßige Gewinne machte. Sie hat diese Erhöhung infolge einer Notüberlegung vorgeschlagen. Die Notüberlegung war die: Die Steuersenkung bringt allein für den Bundeshaushalt einen Ausfall von 650 Millionen DM. Wenn ich den durch die Steuerfreiheit der Kinderbeihilfe zu erwartenden Ausfall dazurechne, komme ich auf einen Betrag, der haushaltswirtschaftlich zumindest sehr gefährlich, wahrscheinlich aber überhaupt nicht zu tragen wäre. Infolgedessen mußte man neben der Ergänzungsabgabe, die schon eingerechnet ist, noch versuchen, das haushaltswirtschaftliche Risiko zu ermäßigen. Dem Bund steht praktisch, wenn die Verbrauchsteuern ausscheiden, nur die Umsatzsteuer zur Verfügung. Daher ging man an das Gebiet der Umsatzsteuer. Ich habe damals mit verschiedenen Wirtschaftskreisen gesprochen, ihnen die Sache dargelegt und sie um Vorschläge gebeten. Ich habe auch verschiedenartige Vorschläge erhalten. Von den Vorschlägen, die ich erhalten habe, habe ich allerdings immer den Eindruck gehabt, sie betreffen in der Belastung nicht den Wirtschaftszweig, den der Sprecher vertritt, sondern einen anderen Wirtschaftszweig. Ich war infolgedessen von einer kühlen Objektivität gegenüber diesen Vorschlägen. Mir schien dann als Ergebnis dieser Vorschlag noch als der erträglichere, obwohl ich zugeben muß, daß man andere Wege auch gehen kann.
Ich möchte feststellen, der Bundesregierung liegt sehr viel daran und muß daran liegen, daß das haltswirtschaftliche Risiko nicht übermäßig gesteigert wird und daß infolgedessen die haushaltswirtschaftliche Grenze der Steuersenkung im großen eingehalten wird. Auf den Weg, mit dem dieses Ziel erreicht wird, legt sie keinen entscheidenden Wert; wenn nur das Ziel erreicht wird. Wenn ich im Laufe der Debatte Vorschläge aus diesem Hause erhalte, die durchführbar sind und dieses Ziel erreichen oder ihm näherkommen, so wird der Bundesfinanzminister und wird wohl auch die gesamte Bundesregierung sich solchen vernünftigen Vorschlägen nicht entgegensetzen.

(Sehr gut! rechts.)

Nun zu den anderen Einwendungen. Der Bundesrat hat bei der Körperschaftsteuer, die ja den Ländern zufließt, etwas hemmend gewirkt und hat vorgeschlagen, diese Vergünstigung der ausgeschütteten Gewinne bei der Körperschaftsteuer wieder zu streichen. Ich habe meine Meinung dazu bereits am 11. März 1954 ausgesprochen und darf auf meine Rede von damals verweisen. Ich habe betont, auch die Bundesregierung wünsche, daß die Steuergesetze nicht in die Wettbewerbsverhältnisse der Wirtschaft eingreifen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des GB/BHE.)

Ich habe betont, die Bundesregierung lege Wert darauf, daß der Inhaber eines persönlichen Unternehmens nicht unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten veranlaßt wird, eine Umwandlung in eine anonyme Körperschaft vorzunehmen. Wenn diese Frage aus diesem Anlaß geprüft wird, wird die Bundesregierung sicherlich dem sehr objektiv gegenüberstehen.
Nun zu den weiteren Vorschlägen des Bundesrats! Den Vorschlag, den Freibetrag von 1000 DM bei der Landwirtschaft wegfallen zu lassen, hat die Bundesregierung nicht angenommen. Es folgen weitere Vorschläge, über die man sich im einzelnen wird unterhalten können, wenn sie in der Form und im Ausmaß das haushaltswirtschaftliche Risiko nicht allzu sehr verschlechtern. Da ist z. B. das Gebiet der Sonderausgaben, wo der Bundesrat will, daß alle Freibeträge, die zur Hälfte abzugsfähig sind, gestrichen werden, was im großen und ganzen wahrscheinlich eine Verschlechterung bedeuten würde. Die Bundesregierung konnte sich ebenfalls bisher nicht mit dem Vorschlag der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer einverstanden erklären. Über die Einzelheiten wird man im Ausschuß sprechen müssen.
Eine Frage, die das Hohe Haus und den Ausschuß besonders beschäftigen wird, ist die Frage der Ehegattenbesteuerung. Ich werde einmal kurz sagen, was ich gestern in Köln bei den MitwochabendGesprächen erklärt habe. Diese MittwochabendGespräche haben einen Vorteil, nämlich den, daß man hier wirklich einmal das Volk beieinander findet.

(Abg. Albers: Sie machen ja Reklame für Köln!)

— Warum soll ich für Köln, eine Stadt, die zwei Jahrhunderte lang Wittelsbacher als Erzbischöfe hatte, keine Reklame machen?

(Große Heiterkeit. — Abg. Albers: Aber die Kölner haben ihn ja ausgewiesen!)

Da hat sich folgendes ergeben. Ein Mann trat auf und sprach für die getrennte Besteuerung der Ehegatten. Er konnte seine kurze Rede nicht zu Ende führen, weil alle Anwesenden hiergegen protestierten. Ich mußte dann in diesem Zusammenhang meine Gedanken erklären und darf sie wiederholen. Ich habe gesagt: Wir haben den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit, der für mich ein unerschütterlicher Grundsatz im Steuerrecht ist. Ich halte die Ausnahmeregelung, die in der Kriegszeit unter der Hitlerregierung aus kriegswirtschaftlichen Gründen getroffen worden ist, daß man, um die Frauen in die Betriebe zu führen, diejenige, die in einem fremden, also nicht dem Manne gehörigen Betrieb nicht selbständig arbeitet, steuerlich begünstigt, für einen Widerspruch mit diesem Grundsatz.

(Abg. Frau Dr. Ilk: Gehen Sie doch wenigstens zunächst auf die Steuerreform von 1925 zurück!)

Ich gebe nur folgendes Beispiel. Diese Frau, die also lohnsteuerpflichtig geworden ist, hat bei der Lohnsteuer zwei Freibeträge. Als verheiratete Frau bekommt sie einen Freibetrag für sich und einen für den Ehemann, und der Ehemann, der auch lohnsteuerpflichtig ist, erhält ebenfalls zwei Freibeträge,

(Abg. Heiland: Das läßt sich nicht anders regeln, Herr Minister?)



(Bundesfinanzminister Schäffer)

so daß ein Ehepaar vier Freibeträge erhält, was doch sinnwidrig ist.

(Abg. Heiland: Ich habe gar nicht begriffen, daß der Finanzminister so ungeschickt wäre, mit solchen Problemen nicht fertig zu werden! — Weitere Zurufe von der SPD.)

- Lassen Sie mich nur fortfahren. Die Folge davon ist, daß, wenn ich ein Einkommen von 12 000 DM nehme, von dem jeder Ehegatte 6000 DM hat, und dem einen Familienvater gegenüberstelle, der 12 000 DM hat und Frau und Kinder damit ernähren muß, dieses Ehepaar, das nicht selbständig in zwei verschiedenen Betrieben arbeitet, eine Einkommensteuer zahlt, die nicht einmal die Hälfte dessen beträgt, was der Familienvater für sich und seine Familie zu zahlen hat.

(Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Nennen Sie doch die Zahlen!)

Dieses System halte ich für nicht gerecht und für einen Widerspruch zum Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Im übrigen freue ich mich, feststellen zu können, daß auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, der aus Anlaß der ersten, kleinen Steuerreform seine Meinung zu der Ehegattenbesteuerung gesagt hat — ich bitte, die Lektüre im Hohen Hause vorzunehmen —, sie ebenfalls für ungerecht erklärt hat. Er hat weiter erklärt, sie sei reformbedürftig, und der Schritt, alle Ehegatten getrennt zu besteuern, wobei die Folge wäre, daß ich ein Splitting wie in Amerika einführe, sei in Deutschland haushaltswirtschaftlich unmöglich. Den Weg könnten wir nicht gehen. Infolgedessen müßten wir das jetzige System reformieren und im Sinne der Gerechtigkeit bessern.
Die Bundesregierung schlägt vor, daß die getrennte Besteuerung in der Lohnsteuer bis 9000 DM Einkommen bleibt. Zu den 9000 DM ist sich gekommen, weil sich statistisch, wenn ich den Durchschnittslohn einer Frau und den Durchschnittslohn eines Mannes in der großen deutschen Industrie zusammenzähle, ungefähr als oberste Grenze ein Monatslohn für beide von 750 DM, also jährlich 9000 DM errechnet. Die große Masse derjenigen, die wirklich in der Industrie und in ähnlichen Betrieben arbeiten, würde deswegen nicht berührt. Aber diejenigen, die ein höheres Einkommen haben, die infolgedessen über dem Durchschnitt des deutschen Industriearbeiters stehen, haben nach meinem Dafürhalten keinen Anspruch darauf, daß diese Ungleichmäßigkeit und Ungerechtigkeit erhalten bleibt. Wenn im kommenden System vorgesehen ist, daß in der Auswirkung in solchen Fällen immer noch drei Freibeträge gegeben werden und falls beide in nicht selbständiger Arbeit stehen, bei beiden eine Pauschale für Werbungskosten und Sonderausgaben, weil sie im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit stehen, anerkannt wird, ist das nach meinem Dafürhalten immer noch eine sehr weitgehende Berücksichtigung, und eine Ausdehnung scheint mir nicht erforderlich zu sein. Deswegen ist die Regierungsvorlage gemacht, und als ich diese Gedanken gestern abend vor dem Durchschnitt des Volkes an einem dieser Mittwochabende darlegte, fand ich den stärksten Beifall dieses Abends.

(Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Heiland.)

Nun zu dem Thema Berliner Notopfer. Das Hohe Haus hat seinerzeit bei der Beratung des Haushalts
in dritter Lesung eine Entschließung gefaßt, in der zwei Gedanken zum Ausdruck kamen: Einmal die Freistellung der Berliner Bevölkerung vom Berliner Notopfer ab 1. Juli 1954. Dem Gedanken wird die Bundesregierung Rechnung tragen. Es wird Sache der Initiative dieses Hauses sein, den entsprechenden Antrag zu stellen. Die Bundesregierung stellt technisch ihre Hilfe zur Verfügung.
Der zweite Gedanke ist, daß diejenigen Kreise, die in Berlin wohnen und dort Einkünfte beziehen, neben der Tarifsenkung etc. Steuerpräferenz erhalten. In der Entschließung ist aber ausgesprochen, daß für diese Ausgabe eine Deckung gefunden werden muß. Die Bundesregierung ist auch bereit, eine Deckung vorzuschlagen. Die Deckung wird sich auf dem Gebiet bewegen müssen, das ich schon seinerzeit in Beantwortung der Entschließung angedeutet habe. Es muß eine Besteuerung sein, die zu 1000/0 dem Bund zufließt. Da Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer nicht in Frage kommen, bleibt tatsächlich nur das Berliner Notopfer übrig. Die Bundesregierung ist gewillt, den Gesetzgebungsvorschlag zu machen. Ich darf aber auf einen Satz hinweisen, den ich damals in diesem Hohen Hause in Beantwortung der Entschließung gesprochen habe. Ich habe damals gesagt: „Ob der Geist der Hilfsbereitschaft, in dem diese Entschließung beantragt ist und angenommen wird, wirklich echt ist, wird sich zeigen, wenn die Verantwortung für die Deckung dieser Vorlage übernommen wird." Ich möchte diesen Satz hier nicht bloß mit Bezug auf das Berliner Notopfer wiederholen, sondern ihn auf das ganze Gebiet der Steuerreformgesetze ausdehnen.
Meine Damen und Herren, eine Steuersenkung zu vertreten, ist nicht schwer, aber es besteht auch dem Steuerzahler gegenüber die Pflicht, gleichzeitig auf die Grenzen jeder Steuersenkung hinzuweisen. Wir sind ein besiegtes Volk und haben immer eine Grenze zu beachten. Heißen wir sie einmal die internationale Grenze oder die Grenze der Katastrophe des Jahres 1945.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Insbesondere derjenige, der in denselben Wochen mit dem Ausland über den Verteidigungsbeitrag zu verhandeln hat, empfindet, daß wir dem Ausland keine Angriffswaffen bieten sollen und im Ausland nicht den Verdacht erwecken dürfen, daß wir uns bereits wieder übernehmen und nicht die Grenzen einsehen, die die ganze Weltlage allen Nationen der Erde aufzwingt. Darauf möchte ich hinweisen.
Der zweite Punkt ist eine soziale Grenze. Wir dürfen keine Steuersenkung betreiben, die es uns unmöglich machen würde, nach wie vor die notwendigen sozialen Aufwendungen zu leisten.

(Zustimmung.)

Das ist die Grenze, die wir denen gegenüber einzuhalten haben, die nur deswegen nicht einkommensteuerpflichtig sind, weil sie zu arm sind.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die dritte Grenze ist die: Es nützt uns alles nichts, wenn Steuersenkung in einem Ausmaß betrieben wird, daß sie die finanzielle Ordnung des Staates stört und damit das Vertrauen des Sparers in die Finanz- und Währungspolitik gefährdet.

(Erneute Zustimmung in der Mitte.)

Das sind die Grenzen, die wir einhalten müssen. Wir erkennen sie nur, wenn wir an die Aufgabe


(Bundesfinanzminister Schäffer)

mit nüchternem Sinn und vollem Pflichtbewußtsein ohne Rücksicht auf irgendwelche propagandistischen Momente herangehen.
Ich weiß, daß im deutschen Volk viele Sorgen darüber zum Ausdruck gekommen sind: Ist die Steuersenkung groß und weit genug? Ich möchte mit dem Satz schließen: Möge Gott geben, daß das deutsche Volk nie schwerere Sorgen hat als die, ob eine Steuersenkung weit genug geht!

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202900400
Die Vorlagen sind begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0202900500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei der Sozialdemokratischen Partei recht schön dafür bedanken, daß sie mich im Hinblick auf meinen Gesundheitszustand zuerst sprechen läßt, damit ich es hinter mich kriege.

(Heiterkeit.)

Ich habe die Ehre, zu Drucksache 480, also zu dem Bereich Finanzreform, zu sprechen. Eingangs möchte ich sagen, daß ich in dieser Drucksache, insbesondere in der Begründung, ein ausgezeichnetes, literarisch wie wissenschaftlich bedeutungsvolles Werk sehe. Ich habe mir die Sache einbinden lassen, wie Sie sehen können.

(Heiterkeit.)

Dieser Band wird in meiner Bibliothek einen Ehrenplatz neben dem Popitz`schen Finanzausgleichsgutachten finden. Sogar der hohe Bundesrat hat eine Anerkennung dafür gefunden, der Bundesrat, der doch seit jenem schwarzen Freitag vom Herrn Bundesfinanzminister als Feind der gerechten Sache angesehen wird, wenn ich mich mal altburschenschaftlich ausdrücken darf.

(Heiterkeit.)

An jenem schwarzen Freitag hat der Berichterstatter des Finanzausschusses des Bundesrats, der
bremische Senator Dr. Nolting-Hauff, ausgeführt:
Der Beifall des Finanzausschusses gilt ebenfalls der Brillanz der sehr ausführlichen und tiefangelegten Begründung der Gesetzesvorlage und seine Zustimmung auch der in dieser Begründung umrissenen Aufgabenstellung.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Nun zu der Frage: Steuerreform und Finanzreform in einem oder getrennt? Ich darf darauf hinweisen, daß wir durch Art. 107 des Grundgesetzes in einem Zeitdruck sind. Daran kommen wir nicht vorbei. Die Bundesregierung spricht zwar in der Drucksache 480 auf Seite 16 eine recht maßvolle Sprache: Es möge doch möglichst gleichzeitig verabschiedet werden. Der Bundesrat führt eine entschieden energischere Sprache. Ich verweise auf Seite 210 der Drucksache. Dort kommt zum Ausdruck, daß nach Auffassung des Bundesrats nichts verschoben werden dürfe, wenn auch die zukünftigen Finanzbelastungen noch nicht gänzlich feststünden. Es heißt dann wörtlich:
Mit derartigen ungewissen Einwirkungen auf die öffentliche Finanzwirtschaft wird in absehbarer Zeit aber stets gerechnet werden müssen. Sie dürfen, zumal eine weitere Einengung des Finanzbedarfs der Länder zugunsten des Bundes ausgeschlossen erscheint, nicht zum Anlaß genommen werden, die
Lösung eines so wesentlichen Zentralproblems der bundesstaatlichen Ordnung, wie es die endgültige Gestaltung der Finanzverfassung darstellt, erneut zurückzustellen oder gar auf sie zu verzichten. Der Auftrag des Verfassungsgesetzgebers zwingt zudem zu einer fristgerechten Regelung.
Ja, meine Damen und Herren, diesen markanten Worten des Bundesrats muß ich doch Glauben schenken nach dem Wort: Ein Mann, ein Wort. Ich weiß ja sicherlich — und ich versuche jetzt, etwas schwäbisch zu reden —, daß bei all diesen Redensarten a bissel Liebe und a bissel Treue und a bissel Falschheit immer dabei ist.

(Heiterkeit.)

Aber immerhin darf ich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß auch der hohe Bundesrat unbedingt die Dynamik anerkennt, die in der Finanzgestaltung des Bundes liegt, und daß er sich doch — vom Standpunkt der Länder aus gesehen — mehr oder weniger in eine stationäre Abwehrstellung eingegraben hat.
Und nun, meine Damen und Herren: Wer will es in diesem Hohen Hause verantworten, daß der alljährliche Streit um den Art. 106 Abs. 3 weitergeht, dieser Viehhandel, wie ich mich neulich mal bei der ersten Lesung des Inanspruchnahmegesetzes ausgedrückt habe? Ich habe feststellen können, daß der Herr Bundesfinanzminister dieses Wort im Wahlkampf oder anderswo aufgegriffen hat. Ich betrachte mich jedenfalls als Originalsaatgutzüchter.

(Große Heiterkeit. — Abg. Lücke: Gut, gut!)

Nun, dieser Streit hat bisher eine ekelhafte Form angenommen und faktisch dazu geführt, daß der Vermittlungsausschuß ein Überparlament, das wahrhafte Parlament geworden ist. Ich habe so die Befürchtung: wenn wir es jetzt nicht in einem Aufwaschen schaffen, dann schaffen wir es im Jahre 1954 überhaupt nicht. Denn nach einer isolierten Steuerreform, habe ich so die Befürchtung, tritt eine gewisse Müdigkeit in diesem Hohen Hause ein, die Sommerferien kommen dazwischen, und dann stehen wir am Ende des Jahres vor vollendeten Tatsachen.

(Abg. Dr. Gülich: Die Viehhandelsgeschäfte werden das Haus wieder beleben!)

— Ich könnte es mir vorstellen. Aber sie spielen
sich, ja meistens im Vermittlungsausschuß ab,
Herr Kollege Gülich, also in einer camera obscura.

(Heiterkeit.)

Die Frage ist dann aber: Wird der Bundesrat noch einmal eine Hinausschiebung des im Art. 107 enthaltenen Termins bewilligen? Wir haben seinerzeit im 1. Bundestag schon einmal den Termin vom 31. Dezember 1952 auf den 31. Dezember 1954 in Form eines verfassungsändernden Gesetzes hinausgeschoben, und es ist damals schon im Vermittlungsausschuß zu einem Kompromiß gekommen. Wenn uns aber am Schluß des Jahres der Bundesrat die Verschiebung nicht zubilligt, dann ist der offene Verfassungskonflikt da; und ich glaube, an dem können wir nicht vorbeigehen, auch wenn wir uns manchmal draußen im Lande mit Worten einlullen zu lassen drohen, daß diese Finanzreformsache eigentlich doch nur eine Sache für die Finanzminister und die Gemeindekämmerer sei und die Steuerzahler gar nichts angehe. Sie geht die Steuerzahler sehr wohl an, wie der Herr


(Dr. Dresbach)

Bundesfinanzminister mit Recht ausgeführt hat, nämlich aus haushaltswirtschaftlichen Gründen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Nun darf man aber auch feststellen, daß Finanzreform und Steuerreform miteinander verflochten sind, insbesondere durch die von der Bundesregierung verlangte Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wer die bewilligen will — ich weiß nicht, ob das Hohe Haus dazu bereit ist —, der muß auch ja sagen zu der gleichzeitigen Behandlung der Finanzreformgesetze.
Und dann darf ich darauf hinweisen, daß die feste Quotenzuteilung an Bund und Länder doch auch ein weittragendes finanzpolitisches Ziel hat, nämlich: die Gemeinden, Gemeindeverbände und insbesondere die Länder bei ihren Investitionen auf den Kapitalmarkt zu verweisen und sie davon abzubringen, diese Investitionen wie bisher vornehmlich aus ordentlichen Einnahmen, Steuereinnahmen, zu bestreiten. Da sind nun in der Begründung der Bundesregierung Begriffe aufgetaucht wie vermögenswirksame und vermögensunwirksame Ausgaben. Als ich vor 40 Jahren ein der Cameralia beflissener Student in Göttingen und Bonn war, waren diese Ausdrücke noch nicht erfunden. Es handelt sich im wesentlichen darum, daß vermögenswirksame Ausgaben gleich Investitionen sind und vermögensunwirksame Ausgaben eben Personalausgaben und andere.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich schließe mich dieser Unterscheidung weitgehend an.
Der Bundesrat hat nun allerdings darauf hingewiesen, man könne in der Unterscheidung nicht so scharf sein. Straßen, Schulen, Kanalisation usw. seien unrentierliche Vermögenswerte, und die müßten doch nach wie vor weitgehend aus ordentlichen Einnahmen gespeist werden.
Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung zur Stellungnahme des Bundesrats auf Seite 226 der Drucksache ein gutes Entgegenkommen gezeigt. Aber primär bleibt doch folgendes bestehen: nur das unbedingt Notwendige soll aus Steuern finanziert werden. Damit ergibt sich auch hier wiederum die Notwendigkeit, Steuer- und Finanzreform in einem zu erledigen.
Als Kernstück des neuen Finanzverfassungsgesetzes möchte ich den Art. 106 c ansehen, der die Beteiligung des Bundes und der Länder festlegt: für den Bund 40 %, für die Länder 60 %. Der Gesetzgeber des Grundgesetzes konnte nicht voraussehen, wie die Entwicklung verlaufen würde, denn er konnte die Finanzbelastung nicht voraussehen. Aber es ist erfreulich, daß der Bundesrat — auch der Bundesrat — und die Bundesregierung zu der Auffassung gekommen sind, daß nunmehr eine gewisse Klarheit dasei, daß man daraus die Folgerung ziehen müsse, daß es zu einer festen Quotenaufteilung kommen müsse, damit diese ekelhafte Streiterei „alle Jahre wieder" beseitigt wird. Der Bund kann eben ohne einen ständigen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht mehr auskommen. Deshalb können diese Steuern auch nicht mehr alleinige Landessteuern sein, sondern sie müssen gemeinschaftliche Steuern werden. Es ist wirklich nicht folgerichtig, wenn der Bundesrat eine feste Quote für den Bund zubilligt — nur 35 % statt der verlangten 40 % —, aber gleichzeitig diese Steuerarten als alleinige Landessteuern behalten will. Er hat dabei eine Begründung, die ungefähr folgendes besagt: bei den Ländern decken die beiden Steuerarten 70 % der Steuereinnahmen, beim Bund nur 20 %. Meines Erachtens verfängt diese Begründung nicht.
Sehr bemerkenswert ist in dem Finanzverfassungsgesetz der neue Art. 106 Abs. 2 mit dem Versuch einer Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. Ich halte diesen Art. 106 Abs. 2 — meine Freunde aus Bayern, horchen Sie bitte bei dem Zusammenhang bei dieser langweiligen Rede doch einmal auf! —

(Sehr gut! rechts)

für entschieden moderner als den Art. 30 des Grundgesetzes, der doch noch von der Auffassung ausgeht, als ob der Bund ein Kommunalverband höherer Ordnung sei. Nun ist es mir aber unverständlich, daß der Bundesrat erklärt, dem Gesetzgeber zu Art. 107 sei ja gar nicht die Aufgabe gestellt, eine Lastenverteilung vorzunehmen. Dazu ist zu sagen, daß der Art. 107 ausdrücklich bestimmt, daß jeder Teil „entsprechend seinen Aufgaben" beteiligt sein soll. Das setzt doch eine ungefähre Klärung der Aufgaben- und Lastenverteilung voraus, wie sie die Bundesregierung mit ihrem Entwurf unternommen hat.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Als schwaches Stück möchte ich die Revisionsklausel des neuen Art. 106 e ansehen, auch wenn sie in der Begründung und der Erwiderung der Bundesregierung als Ultima ratio bezeichnet worden ist. Es besteht doch die Gefahr, daß mit dieser Revisionsklausel jedes Jahr der Streit, den wir begraben wollen, wieder neu aufbricht und neue Wunden bringt. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß auch der alte Reichsfinanzausgleich feste Quoten gehabt hat, im wesentlichen immer eine Beteiligung des Reichs mit 25 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, jedenfalls zuletzt in der Fassung des Reichsfinanzausgleichsgesetzes von 1926. Ich bin der Meinung, diese festen Quoten sollten dafür sprechen, auch jetzt die gleiche Prozedur anzuwenden,

(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

auch wenn wir jetzt noch nicht volle Klarheit über die Finanzstruktur haben. Die haben wir auch im Reich niemals gehabt.

(Abg. Dr. Gülich: Das stand aber nicht in der Reichsverfassung!)

— Nein, es stand nicht in der Reichsverfassung; aber es läßt sich ja schließlich darüber streiten, ob derartige Dinge in ein Verfassungsgesetz oder in ein Spezialgesetz hineinkommen sollen. Ich halte diese Frage bei meiner gegenwärtigen Betrachtung nicht für so relevant, Herr Kollege Gülich.
Nun ist es aber vollkommen folgeunrichtig, wenn der Bundesrat die von der Regierung verlangte Revisionsklausel ablehnt, gleichzeitig aber eine Sicherungsklausel für die Länder fordert. Diese Sicherungsklausel soll besagen, daß der Bund, wenn er durch seine neue Gesetzgebung den Ländern und auch den von den Ländern geführten und patronisierten Gemeinden neue Aufgaben auferlegt, dann auch für die notwendigen Mittel sorgen muß. Dabei ist in der Sprache des Bundesrates, soweit ich es im Augenblick aus seiner Stellungnahme in Erinnerung habe, von „nicht zumutbaren Lasten" die Rede. Ich darf darauf hinweisen, daß faktisch das Verlangen der Länder und auch der kommunalen Spitzenverbände nach Mitteln des Bundes, wenn der Bund neue Aufgaben und


(Dr. Dresbach)

Lasten auferlegt, in dem neuen Art. 106 e Abs. 2 realisiert ist. Dort sind faktisch die Bestimmungen der §§ 54 und 55 des alten Reichsfinanzausgleichs verwirklicht worden. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch die Bemerkung, daß diese §§ 54 und 55 auch in früheren Zeiten nie automatisch in Wirksamkeit getreten sind.
Der Bundesrat will mit seiner Sicherungsklausel sogar so weit gehen, daß er das Quotenverhältnis zwischen Bund und Ländern ändern will — er, der die Revisionsklausel der Bundesregierung "wegen der alljährlich zu erwartenden Streitigkeit ablehnt! Obschon ich den Bundesrat als ein hochstehendes Parlament anspreche — es ist ein Parlament der gelehrten Priester, und ich weiß bestimmt, daß sie uns als Laienbrüder betrachten —,

(große Heiterkeit)

muß ich hier bei diesem geistig hochstehenden
Parlament doch eine gewisse Folgeunrichtigkeit
feststellen. (Erneute Heiterkeit.)

Die Bundesregierung hat nun hier einen berechtigten Argwohn, nämlich den, daß der Bundesrat versuchen wird, über den Begriff der „zumutbaren Belastungen" seine Zuständigkeit zu erweitern, nämlich ungefähr jedes Bundesgesetz zu einem Zustimmungsgesetz zu erklären.
Meine Damen und Herren, ist der Herr Minister Kaiser noch da?

(Abg. Kaiser: Ja, er ist hier!)

— Herr Kollege Kaiser — Sie sitzen ja jetzt unten —,

(Heiterkeit)

Sie haben neulich den Schrei nach dem Bundeswirtschaftsrat ausgestoßen. Wissen Sie: der Bundesrat allzuständig mit der Zustimmung, dazu noch der Bundeswirtschaftsrat — dann singen Sie in Zukunft bei der Bonner Gesetzgebung das Lied: „Immer langsam voran, damit der Bonner Landsturm nachkommen kann!"

(Große Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.)

Nun hätte ich es gerne gesehen — ich glaube, auch der Herr Bundesfinanzminister —, wenn die Umsatzsteuer wie ehedem in der Weimarer Republik eine gemeinschaftliche Steuer, eine Beteiligungssteuer geworden wäre. Die Länder haben sich dagegen erklärt, und zwar mit ,der sehr trockenen Begründung, die sei ja genau so krisenanfällig wie die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch. Die Bundesregierung ist meines Erachtens mit ihren Motiven auf dem richtigeren Wege. Sie sagt sich nämlich: die Länder befürchten, daß, wenn die Umsatzsteuer auch eine gemeinschaftliche Steuer wird, dann der moralische Hosenboden für die eigene Landessteuerverwaltung endgültig durchgeschlissen sei.

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Sehr gut!)

Auch bei der Ergänzungsabgabe des Bundes ist es sehr interessant, den Gedankengängen des Bundesrates nachzugehen: zunächst Ablehnung, aber dann Zustimmung, wenn gleichzeitig auch den Ländern ein Zuschlagsrecht zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zugebilligt wird. Es ist nun richtig, daß die Länder eine gesetzgeberische Einwirkung auf ihre Steuereinnahmen eigentlich schon nicht mehr seit 1920, seit dem Inkrafttreten des Landessteuergesetzes, haben; sie üben diesen Einfluß heute nur noch über den Bundesrat aus. Verwaltungsmäßig haben sie jedoch mit den Länderfinanzämtern eine recht beträchtliche Einflußnahme, was ich hier noch in Parenthese bemerken darf.
Mir war es aber vom steuersystematischen Gesichtspunkt aus sehr interessant, und ich bin hier bereit, dem hohen Bundesrat absolut zu folgen, wenn er den erzieherischen Wert allgemeiner direkter Steuern anerkennt. Deshalb tritt er auch so warmherzig für eine kommunale Personalsteuer ein und will sie sogar durch Landesgesetzgebung eingeführt wissen in der Form, daß er sie als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis deklariert. Wir waren bisher der Meinung, daß diese kommunale Personalsteuer, die ja einmal als Nachfolger des Notopfers Berlin gedacht war, nur durch Bundesgesetzgebung eingeführt werden könne. Daß diese kommunale Personalsteuer nicht unbedingt in allen kommunalen Kreisen beliebt ist, ist mir bekannt. Die armen Gemeinden schätzen sie nicht, die wohlhabenden Gemeinden aber durchaus.
Nur darf ich aber darauf hinweisen, daß der erzieherische Wert von allgemeinen direkten Steuern in heutiger Zeit doch sehr stark durch die hohen Freibeträge gemindert worden ist. In der Massenwirkung geht meines Erachtens diese erzieherische Wirkung vorbei; oder man müßte für diese Zuschläge wieder so etwas einführen wie seinerzeit den fingierten preußischen Talerzensiten, der auch den kommunalen Zuschlag tragen mußte. Es würde zu weit führen, wenn ich mich auf diese Finanzhistorie zu sehr einließe; aber ich habe gesehen, Herr Kollege Eckhardt, der diese Dinge ja nun kennt, weil er aus der Branche stammt, hat mir zugenickt, und damit bin ich zufrieden, wenn ein so hoher Fachmann meine laienhaften Plaudereien akzeptiert.

(Abg. Dr. Eckhardt: Vielen Dank! — Heiterkeit.)

Ich darf historisch aber noch darauf hinweisen, daß solche Zuschläge der Länder auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer schon einmal geplant gewesen sind, und zwar im Jahr 1925 im Zuge der Schliebenschen Finanzreform für das Jahr 1927. Aber dann sagte man, als dieses Jahr gekommen war: „Es ist noch nicht genügend Klarheit da; lassen wir es!" Der Ergänzungszuschlag des Bundes aber hat einen tatsächlichen Vorgänger; das sind die Zuschläge des Reiches, die vom Jahre 1930 bis, glaube ich, zur Steuerreform von 1934 für Ledige und für die Einkommen über 8 000 Mark erhoben wurden. Diese Zuschläge nahm das Reich vorweg, bevor die übrige Masse in die Überweisung, also in die Beteiligung von Ländern und Gemeinden ging. Ich weiß aber nicht, ob man diese Dinge heute wieder so anwenden kann. Jedenfalls setzen jegliche Zuschläge der Länder meines Erachtens eine ganz scharfe Tarifsenkung bei den Prinzipalsätzen, bei dem eigentlichen Einkommensteuertarif voraus. Ich habe aber auch, wie die Bundesregierung, noch andere Bedenken gegen Zuschläge der Länder. Denn dadurch würde die Differenzierung dieser so sehr in das Geschäftsleben einschneidenden Steuerarten zu hoch werden, und die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Art. 72 des Grundgesetzes könnte gefährdet sein.
Meine Damen und Herren, ich habe mich etwas mit meinem Lieblingskind, den Gemeinden, befaßt und darf es auch hier noch tun.
Das Finanzverfassungsgesetz ist bei dem Grundgedanken geblieben, daß Länder und Gemeinden eine Einheit darstellen, daß die Gemeinden also nicht als „dritte Kraft" neben Bund und Ländern in Erscheinung treten dürfen. Sie bleiben unter den schützenden — nun, sagen wir einmal: mehr oder


(Dr. Dresbach)

weniger -schützenden Fittichen der Länder. Aber ich darf doch sagen: der neue Art. 106 Abs. 3 des Finanzverfassungsgesetzes bringt einen sehr bemerkenswerten Hinweis auf die Möglichkeiten eines innerstaatlichen Verbundes, d. h. einer Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an bestimmten Steuerarten, insbesondere also der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Hier handelt — ich darf einen Vorgriff auf den Länderfinanzausgleich, den horizontalen Finanzausgleich tun — der Bundesrat wiederum folgerichtig, wenn er für den horizontalen Finanzausgleich in seinem Gegenvorschlag die Realsteuern nicht zu den Bemessungsgrundlagen für die Steuerkraft rechnen will, obschon er sonst die Einheit von Land und Gemeinde proklamiert.

(Abg. Dr. Willeke: Hört! Hört!)

Ich weiß, daß die Wünsche der Gemeinden weiter gehen. Sie wollen eine Realsteuergarantie durch Bundesgesetz haben.

(Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

Das würde an dem gegenwärtigen Zustand nichts ändern; denn die Realsteuern sind seit der Realsteuergesetzgebung von 1936 ausschließlich Gemeindesteuern. Aber es handelt sich um eine bundesverfassungsrechtliche Sicherung. Die Gemeinden wollen weiterhin einen Bundeszwang für den innerstaatlichen Steuerverbund, d. h. fort von den Finanzzuweisungen von Land zu Gemeinden und Beteiligung der Gesamtheit der Gemeinden an bestimmten Steuerarten in einem bestimmten Prozentsatz.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber klar sein, daß das nur durch Verfassungsänderung zu erreichen ist. Die Aufgabe, die dem Gesetzgeber mit Art. 107 gestellt ist, kann das nicht betreffen. In Art. 107 sind die Realsteuern ausgenommen. Die kommunalen Spitzenverbände stellen ihre Forderungen, damit die institutionelle Garantie des Art. 28 des Grundgesetzes für die Gemeinden finanziell gesichert wird. Die Bundesregierung sagt: Nein, erst dann, wenn diese Garantie gefährdet ist, ist für mich die Möglichkeit gegeben, in den innerstaatlichen Finanzausgleich einzugreifen. Aber ich könnte mir vorstellen, daß in diesem Hohen Hause ein Antrag auf entsprechende Änderung des Grundgesetzes zugunsten der Gemeinden eine Mehrheit fände.

(Beifall in der Mitte, links und rechts.)

— Danke! Ich stelle überall Händeklatschen, nur nicht bei meinen bayerischen Freunden, fest.

(Heiterkeit.)

Aber das soll nun nicht besagen, daß meinen bayerischen Freunden die Sorgen der Gemeinden nicht ans Herz gewachsen seien. Damit habe ich doch wieder die Verbindungsbrücke geschlagen.

(Beifall und Heiterkeit.)

Nun zum Finanzanpassungsgesetz. Hier handelt es sich um eine Summe von Einzelbestimmungen. Ich will versuchen, einige Leitgedanken herauszuarbeiten. Der Leitgedanke ist sicherlich § 106 Abs. 2 des Finanzverfassungsgesetzes in der neuen Fassung. Wer eine Sachkompetenz hat, muß primär seine Kosten selber aufbringen, und die Länder wollen ja die Ländersteuerverwaltungen und wollen auch sonst keine Bundessonderbehörden, wie etwa eine Versorgungsverwaltung. Dann müssen sie aber primär auch für diese Lasten aufkommen. Erst in zweiter Linie kann der Ausgleich durch den oberen Verband, d. h. den Bund, kommen. Dieser Ausgleich — so sagt die Bundesregierung — soll sich nicht in Form von Inkassoprämien bei der Steuerverwaltung vollziehen, sondern in Form des allgemeinen Finanzausgleichs. Da hat nun allerdings der Hohe Bundesrat eine sehr klassische Folgerung gezogen: „Jawohl, im Namen des allgemeinen Finanzausgleichs, dann setze ich dem Bund die Quote von 40 auf 35 % herunter."
Zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über die Pauschalierungen der Bundeszuweisungen bzw. der Interessenquoten der Länder noch einiges. Wir haben, worauf mein Freund Arndgen in der dritten Beratung des Haushalts hingewiesen hat, in Ausführung des Art. 120, dieses Kriegsfolgelastenartikels, ein starkes Auseinanderklaffen von Finanzträgerschaft — der Bund muß es bezahlen! — und Verwaltungsträgerschaft; das sind die Länderbehörden einschließlich der Gemeindebehörden. Das ist auf die Dauer, glaube ich, nicht möglich. Der Bund muß in diesen Dingen doch zumindest ein Weisungsrecht bekommen.
Nun scheint es mir durchaus richtig zu sein, wenn der Bund bei der öffentlichen Fürsorge, soweit der Bund Lastenträger ist, zur Pauschalabgeltung schreitet. Wo eine solche Pauschalabgeltung wegen der Unübersichtlichkeit noch nicht möglich ist, da scheint mir das System der Interessenquote richtig zu sein, das auch schon gehandhabt worden ist, und zwar — darauf lege ich Wert — mit einem Prozentsatz von 25 v. H. Die Länder sagen: 25 % Interessenquote ist eine Drückebergerei des Bundes gegenüber den Verpflichtungen des Art. 120. 15 % wollen sie zubilligen. Ich bin der Meinung, daß die Verhältnisse zu einer spürbaren Interessenquote drängen; denn es ist nun einmal eine Tatsache gerade bei den öffentlichen Finanzen, daß man Gelder, die man nicht unter eigener Verantwortung aufzubringen hat, opulenter ausgibt als unter eigener Verantwortung aufgebrachte.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Damit komme ich zum letzten Kapitel, nämlich zum Länderfinanzausgleich und zu der Fragestellung: Was ist Föderalismus? Stehen wir noch auf dem Standpunkt der Bismarckschen Verfassung, der Eigenstaatlichkeit der Länder? Ich darf darauf hinweisen, daß damals Eigenstaatlichkeit auch als Finanzautonomie ausgelegt wurde, ebenso wie der alte Begriff der kommunalen Selbstverwaltung als kommunale Finanzautonomie ausgelegt worden ist.
Ich darf dazu ein Beispiel bringen. Im Jahre 1913 waren bei uns oben in meiner bergischen Heimat noch die Petroleumfunzeln Brauch. Der kommunale Zuschlag zur Einkommensteuer betrug 320 %, zur gleichen Zeit, als in Godesberg, im Eldorado der rheinischen Oberbürgermeisterpensionisten,

(Heiterkeit)

90 % Einkommensteuer erhoben wurden. In jener Zeit wurden aber bei uns nur Wege für das Ochsengefährt gebaut. Jetzt will man oben bei uns auch Wege haben, auf denen der Bauernjunge mit dem Motorrad fährt. Die Anforderungen in bezug auf Verwaltungsleistungen sind also nach oben gedrängt worden. Auf der andern Seite haben wir es eben zwei Kriegen zu verdanken, daß die gesamten Aufgaben der Staatsvorsorge größer geworden sind. Im Zusammenhang mit dem Verlangen der Bevölkerung nach möglichst gleichmäßigen Leistungen ist der Trend zum oberen Verband, der die


(Dr. Dresbach)

Gleichmäßigkeit herstellen muß, viel stärker geworden. An diesen Dingen kann man nicht vorbeigehen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Gewiß, ich weiß, die Länder in ihrem Streit untereinander sind ja nicht eitel Brüder. SchleswigHolstein, dieses besondere Land, schert ja meistens aus und zieht mit dem Bund; es hat ja wohl auch seine Gründe dafür.

(Heiterkeit.)

Wir haben auch erlebt, daß zwischen RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen eine gewisse Mißstimmung aufkam. Man hat gesagt, es hat doch früher einen Ausgleich zwischen armen und reichen Gebieten gegeben. Jawohl, aber gerade in diesen Gebieten über die gemeinsame preußische Staatskasse

(Sehr richtig! bei der SPD)

und über den Weg der Dotationen an die Provinzen.
Meine Damen und Herren, unter dem Einfluß der starken Länder hat sich der Bundesrat für eine Minderung des Ausgleichs eingesetzt, die geringer ist, als die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Daraufhin ist eine sehr energische, fast grobe Entgegnung der Bundesregierung gefolgt, die ich Sie auf Seite 230 nachlesen zu wollen. bitte. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: wir können doch die Länder nicht aushungern lassen. Dann kann man sagen, daß diese Länder von heuzutage nun wirklich keine Gottesgeschöpfe sind.

(Heiterkeit und Beifall. — Abg. Stücklen: Nicht alle!)

— Nein, Bayern nehme ich aus, Herr Gott noch mal! Fünfhundertjährige Wittelsbacher Tradition und staatliche Tradition, südlich der Donau sogar noch länger!

(Erneute Heiterkeit. — Abg. Arnholz: Könige von Napoleons Gnaden!)

Wir hatten einmal einen Euler-Ausschuß; wir haben eine Studienkommission, die durchs Land reist und in München kühl empfangen worden ist, in der Pfalz auch, auf Münchens Wunsch.

(Heiterkeit.)

Bitte, mögen die Herrschaften Länder vorschlagen,
die man, wenn auch nicht als Gottesgeschöpfe, so
doch als ungefähr rationale Gebilde ansehen kann.

(Beifall links, in der Mitte und rechts.)

Ich habe eben versucht, in mehr dialektischer Form darzustellen, wie ehedem die Staatlichkeit der Länder in der Bismarckchen Verfassung gleich Finanzautonomie war. Die Frankensteinsche Klausel, also die Abzweigung von Zollerträgen, die dem Reich zustanden, an die Länder, hat mit diesen Dingen nichts zu tun. Sie kam aus der damals noch kleinen bayerischen Nörgelsucht

(große Heiterkeit)

— ich finde gleich wieder einen versöhnenden Ausdruck —, das Reich möglichst klein zu halten.
Der Bund regelt den horizontalen Finanzausgleich durch Bundesgesetz, und natürlich wirkt der Bundesrat als Organ des Bundes mit. Es hätte meines Erachtens jedenfalls auch nahegelegen — so wie ich den Art. 30 interpretiere —, diesen horizontalen Finanzausgleich durch Staatsverträge zwischen den Ländern zustande zu bringen. Aber dazu reicht doch wohl die Brüderschaft nun gar nicht aus.

(Heiterkeit.)

Jedenfalls darf ich hier feststellen: mit dem Voranschreiten des Ausgleichsgedankens verlieren die alten Begriffe der Staatlichkeit und auch der Selbstverwaltung ihren alten Inhalt,

(Zustimmung in der Mitte)

und durch die Brüderlichkeit des Ausgleichs kommen die Länder auf den Status von Provinzen — bitte, nicht im Sinne von Staatsbezirken, sondern im Sinne von Kommunalverbänden höherer Ordnung —,

(erneute Heiterkeit)

und die Finanzierung bekommt zu starken Teilen den Charakter von Dotationen, wie sie charakteristisch für die Finanzierung der preußischen Provinzen waren. Es handelt sich nicht nur um die brüderlichen Dotationen der reichen Länder an die armen, sondern es sind auch — ich weiß nicht, ob die Formulierung ganz mit dem Art. 30 vereinbar ist — väterliche Dotationen vorgesehen, d. h. solche, die direkt vom Bund aus eigenen Mitteln des Bundes kommen.
In diesem neuen Art. 106 e Abs. 2 findet sich zum erstenmal auch in der Gesetzessprache des Bundes der Begriff „Finanzzuweisungen". Ich möchte hier zum Detail des Länderfinanzausgleichs noch folgendes sagen. Es ist sehr gut — darin stimmen Bundesregierung und Bundesrat überein —, daß das Empfangsbedürfnis lediglich auf die Steuerkraft und nicht auf sogenannte Bedürfnisträger, wie Flüchtlingszahlen usw., abgestellt ist. Mit der Steuerkraft läßt sich am wenigsten manipulieren, und erst gar nicht dann, wenn wir eine Bundesfinanzverwaltung haben.

(Beifall rechts.)

Aber ich möchte hier ausdrücklich betonen: zur Frage des Art. 108 gibt der Art. 107 keinen Auftrag. Wir können in diesem Zusammenhang das Verwaltungsthema nicht anschneiden.
Nun haben wir tatsächlich für diese Ausgleichsfunktion, die der Herr Bundesfinanzminister so stark herausstellt, im Verhältnis Bund zu Ländern und Länder zueinander, eine Funktion, die sich auch im interkommunalen Lastenausgleich zeigt — bitte, Herr Kunze, das ist nicht Ihre moderne Erfindung, das sind ältere Begriffe —,

(Heiterkeit)

Vorgänger. In diesen Tagen wurde uns eine sehr nette Broschüre des Instituts „Finanzen und Steuern" — „Der Finanzminister" — zugeleitet. Ich habe mit sicherem Auge das entdeckt, was ich in meiner heutigen Rede verwerten konnte, und zwar eine Rede Bismarcks im Reichstag vom 2. Mai 1879. Er wendet sich darin gegen die Matrikularbeiträge. Er dämpft allerdings auch den nationalliberalen Abgeordneten Miguel, der damals noch nicht preußischer Finanzminister war, etwas, weil dieser die Matrikularbeiträge als Grund für die finanzielle Anarchie im Reiche dargestellt hatte. Bismarck führt hier aus:
Das möchte ich nicht in diesem Wortlaut unterschreiben, aber gewiß ist, daß es für das Reich unerwünscht ist, ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein, ein mahnender Gläubiger, während es der freigebige Versorger der Einzelstaaten sein könnte bei richtiger Benutzung der Quellen, zu welchen die Schlüssel durch die Verfassung in die Hände des Reichs gelegt, bisher aber nicht benutzt worden sind.


(Dr. Dresbach)

Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Abgeordneten von Passau gefällt, wenn ich zu seiner Unterstützung Worte eines preußischen Junkers zitiert habe.

(Heiterkeit.)

Aber ich darf doch feststellen: vom Freiherrn von Franckenstein mit seiner Klausel bis zu Fritz Schäffer — beides Männer aus Bayern — hat sich eine wachsende Tendenz Bayerns zur Bundestreue, zur Integration vollzogen.

(Heiterkeit und Beifall.)

Ich habe schon einmal gesagt: an dem ganzen Spiel ist der Steuerzahler verhältnismäßig wenig interessiert. Er sieht die Summe seiner Steuern, und es ist ihm verhältnismäßig gleichgültig, ob diese die Gemeinde, das Land oder der Bund bekommen. Trotzdem sollten wir als Gesetzgeber diese Dinge sehr, sehr ernst nehmen. Nun haben wir allerdings den Eindruck, daß gerade im Bundesrat eine gewisse L'art-pour-l'art-Politik getrieben worden ist, auch eine gewisse Rechthaberei, ein Spiel um die Machtpositionen der Bürokratie.

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Vom damaligen Präsidenten des Parlamentarischen Rats stammt die Bezeichnung — der Bundesrat lag damals im Gebären —, es werde ein Oberregierungsratsparlament werden.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist doch schon eine höhere Garnitur, die dort das wirkliche Wort spricht, ich glaube, die Herren Ministerialdirigenten aus den Landeshauptstädten. Ich kenne einen, den ich gerne nach Bonn gezogen hätte, der auf eine höhere Stufe sollte, zu höheren Aufgaben.

(Große Heiterkeit.)

Jedenfalls hat uns diese Politik bisher immer auf das Knie des Vermittlungsausschusses gebracht, der ein Überparlament geworden ist. Alles Tun und Treiben von der einen wie von der andern Seite geht von der Auffassung aus: die Sache kommt vor den Vermittlungsausschuß, und da muß ich eine Spanne haben, da muß ich etwas zum Nachgeben haben. Meine Damen und Herren, das ist keine nette Politik.

(Heiterkeit.)

Aber nun habe ich doch eine Hoffnung. Wir haben aus den Gazetten vernommen, daß es in Düsseldorf zu einem Staatsbesuch gekommen ist.

(Heiterkeit.)

Es hat einen Empfang gegeben auf Schloß Benrath, diesem Juwel des Rokoko. Ich könnte mir vorstellen, daß sich der Herr Bundeskanzler und der Herr Ministerpräsident meines engeren Vaterlandes

(Heiterkeit)

wie echte Rokokokavaliere benommen haben, daß sie die Degen gesenkt haben und beim Finanzausgleich gelobt haben: Die Waffen nieder!

(Große Heiterkeit und Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202900600
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0202900700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Regierungserklärung vom 11. März gesagt, daß es sich bei den uns vorliegenden Drucksachen um „Gesetzgebungswerke von wahrhaft großer, ja vielleicht geschichtlicher Bedeutung" handle. Das waren stolze Worte; heute war er in der Wahl seiner Worte schon ein wenig vorsichtiger.
Der Herr Kollege Dresbach hat ja eben die Verhältnisse unserer Finanzverfassungsart charakterisiert, und ich kann auf manches, was ich sagen wollte, verzichten, weil ich eine so schöne Einigkeit feststelle, die hoffentlich ein gutes Vorzeichen für die Verhandlungen im Finanz- und Steuerausschuß sein wird.
Was gibt denn nun Anlaß zu dieser Reform? Seit Jahren gibt es heftige Auseinandersetzungen unter den Ländern der Bundesrepublik um einen horizontalen Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes und einen heftigen Streit der Ländergesamtheit — in diesen Momenten, Herr Dresbach, bilden die Länder ja eine wahre Brüderschaft — gegen einen horizontalen Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 3. Am 9. April dieses Jahres kam es im Bundesrat zu einem offenen Konflikt zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundesrat. Es fielen dann Worte von Verfassungskrise und von Staatskrise.
Worin bestehen nun eigentlich die Schwierigkeiten, die weiteste Kreise der deutschen Bevölkerung an der Richtigkeit unserer demokratischen Staatsordnung verzweifeln lassen? Die Länder sind mit Ausnahme Bayerns keine historisch gewordenen Staatsgebilde und haben deshalb auch mit Ausnahme von Bayern kein historisch gewachsenes Staatsgefühl. Die Länder sind 1946 von den Besatzungsmächten ad hoc nach Militärverwaltungsgesichtspunkten gegründet und abgegrenzt worden.

(Abg. Arnholz: Schon durch Napoleon!)

Ziel der alliierten Politik war — und wir müssen uns dessen heute erinnern, wenn wir an ein großes Reformwerk herangehen wollen —, Deutschland für immer zu schwächen, die Deutschen untereinander auf Grund des deutschen Erbübels partikularistischer Bestrebungen zu entzweien und insbesondere jegliche Zentralgewalt zu beseitigen. Als eine der stärksten Kraftquellen des Reiches sah man seine wohlfunktionierende Reichsfinanzverwaltung an, die 1919 nach einem verlorenen Krieg zur Stärkung dieses armen, darniederliegenden deutschen Volkes von Erzberger erdacht und von der Weimarer Nationalversammlung eingeführt wurde. Die Weimarer Nationalversammlung wußte, was zur Zusammenfassung der Kräfte not tat. Die Alliierten wußten 1946 infolgedessen auch, was zur Zerschlagung der deutschen Kraft notwendig war. 1949 wurde — auch das wollen wir nicht vergessen — als Ergebnis des inzwischen ausgebrochenen amerikanisch-russischen Konflikts in den westlichen drei Besatzungszonen die Bundesrepublik gegründet. Und nun kommen wir her und machen aus dieser Not der Besatzungsjahre eine Tugend,

(Richtig! beim GB/BHE)

nun erklären wir, diese Länder, die da ad hoc und
zufällig nach Autobahngesichtspunkten und was
weiß ich geschaffen worden sind, seien echte Länder, welche Glieder einer Föderation sein könnten!

(Sehr gut! beim GB/BHE.)

Das ist der politische Ausgangspunkt, den wir bei der kritischen Betrachtung des vorliegenden Reformwerks nicht außer acht lassen dürfen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Das Reformwerk enthält mit den ausführlichen Begründungen, Berechnungen, Tabellen, der Stellungnahme des Bundesrats und der Antwort der


(Dr. Gülich)

Bundesregierung 422 eng bedruckte DIN A 4-Seiten. Rechnen Sie für die Lektüre — sie liest sich ja nur an einigen Stellen wie ein Roman, aber teilweise liest sie sich tatsächlich wie ein Roman, wie ein guter Roman — zehn Minuten pro Seite, dann brauchen Sie volle 70 Stunden, um dieses Werk durchzuarbeiten. Sind Sie vorzüglich in der Materie zu Hause und außerdem mit der Korfschen Brille ausgestattet, können Sie also diagonal lesen, dann brauchen Sie doch 35 bis 40 Stunden als Minimum für die Lektüre dieses Werkes.
Die historischen Darlegungen — ich gebe Kollegen Dresbach in allem, was er hierzu gesagt hat, vollkommen recht — sind ausgezeichnet, die Berechnungen sind gut, die Überlegungen sind scharfsinnig. Aber eines habe ich bei Ihnen vermißt, Herr Dresbach. In der Begründung zu den Reformwerken sieht man, wieviel klare Erkenntnis von der Fehlerhaftigkeit unserer Finanzverfassung vorhanden ist, die implizite bei der gesamten Begründung, explizite an manchen Stellen zum Ausdruck kommt, so daß ich also doch sagen muß: das Bundesfinanzministerium ist ein bißchen besser als sein Ruf in bezug auf die Erkenntnis vom Übel unserer Finanzverfassung. Es ist sehr interessant: wenn man in diesen Begründungen scharfe und klare Darlegungen liest, die so gehalten sind, daß man glaubt, jetzt kommt „also müssen wir die Sache ändern", dann folgt der schöne Satz:,, Dennoch hat sich die Bundesregierung entschlossen, das so oder so beizubehalten", nämlich den alten Schlendrian weiterzumachen,

(Heiterkeit und Beifall links und bei der FDP)

ja um Gottes willen nichts zu ändern, weil die Bundesregierung glaubt, dem föderalistischen Gedanken zu dienen. Sie dient ihm nicht — ich werde das noch ausführen —, sie schadet ihm.
Wir wollen zunächst einmal betrachten, was im Reformwerk geregelt ist, und dann überlegen, was im Reformwerk nicht geregelt ist. Ich kann mich in diesem Punkt ziemlich kurz fassen, weil ich nichts von dem wiederholen möchte, was Kollege Dresbach gesagt hat.

(Abg. Dr. Dresbach: Es war gut, daß Sie mich vorließen! — Heiterkeit.)

— Ich habe Sie gerne vorgelassen, da Sie mich darum gebeten hatten. Ich bin nun in der unglücklichen Lage, Ihnen eigentlich nur zustimmen zu können.

(Heiterkeit.)

Es wäre ja viel netter gewesen, wir wären in ein ordentliches Gespräch gekommen, welches von verschiedenen Gesichtspunkten ausgeht.

(Erneute Heiterkeit.)

Daß die größte Oppositionspartei und die größte Regierungspartei sich in dieser Grundfrage einig sind, ist frappierend. Das heißt, wenn wir uns nachher im genauen die Sache ansehen, Herr Dresbach, dann wird die Einigkeit ja nicht so groß sein; denn der Herr Bundesfinanzminister gehört ja schließlich auch zu dieser größten Regierungspartei, wenn auch zu ihrem königlich-bayerischen Flügel.

(Große Heiterkeit.)

Ich will also die Artikel 106 a und b im einzelnen nicht erörtern. Nur, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie da einfach den Begriff der Finanzmonopole in Art. 106 eingeschmuggelt haben, damit sollen Sie nicht durchkommen. Im alten Art. 106 stand: „der Ertrag der Monopole"; in den Art. 105 und
108 steht „Finanzmonopole" in ganz anderem Zusammenhang. Nein, damit lassen wir Sie nicht
durch! Ich werde das im Ausschuß näher ausführen.
Neu ist der Begriff der gemeinschaftlichen Steuern, die Erklärung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einer gemeinschaftlichen Steuer in Art. 106 c. Allerdings geht der Entwurf auch hier nicht bis zum Ende. Er hat den Begriff nicht zu Ende gedacht und hat die Konsequenzen, die man aus der gemeinschaftlichen Steuer ziehen müßte, nicht gezogen. Er hat sich damit begnügt, den Begriff zu statuieren, das Verhältnis 40 zu 60 festzulegen und eine Ergänzungsabgabe einzuführen. Ich frage Sie: Wo in aller Welt wird über die Verteilung einer Steuer ein Prozentsatz in der Verfassung festgelegt?
Was haben Sie überhaupt alles hineingebracht! Der Art. 106 hatte bisher vier ordentliche Absätze. Der erste regelte die Bundeszuständigkeit, die Steuerertragshoheit des Bundes für Zölle, Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer. Der Abs. 2 regelte die Landessteuern, und der Abs. 3 gab die Möglichkeit zu einem vertikalen Finanzausgleich, von der unter gewaltsamer Interpretation dieses Abs. 3 in den letzten Jahren Gebrauch gemacht worden ist. Abs. 4 regelte den horizontalen Finanzausgleich. Aber die Festlegung des Bundesanteils mit 40 zu 60 und die Einführung der Ergänzungsabgabe sind des Pudels Kern des gesamten Reformwerkes. Ein großer Aufwand wird vertan, um zu verdecken, daß die gesamte Finanzverfassungsreform, so wie sie dem Herrn Bundesfinanzminister vorschwebt, nichts anderes als die unzulängliche Regelung des Finanzausgleichsproblemes darstellt. Das ist für eine Finanzverfassungsreform, die mit so großen Worten angekündigt worden ist, ein bißchen mager.
Das Ziel einer solchen Reform, und zwar hier einer Reform der Steuerertragshoheit, müßte doch sein, die Steuern dahin zu geben, wohin sie steuerwirtschaftlich tendieren. Demnach dürfen Landessteuern nur solche Steuern sein, die an das Land gebunden sind. Steuern, die überlandlichen Charakter haben, müssen Bundessteuern sein. Hier fehlt im Gesetzestext — nicht in den Begründungen — des Reformwerkes jede Überlegung, obgleich auf dem Gebiet fast aller Steuern, die als Landessteuern deklariert sind, trübe Erfahrungen der letzten Jahre vorliegen, seitdem die einheitliche Reichsfinanzverwaltung zerschlagen ist. Steuersystematisch müssen z. B. die kleinen Verkehrsteuern, etwa die Versicherungsteuer und die Kapitalverkehrsteuern, ihres überregionalen Charakters wegen ebenso behandelt werden wie die Umsatzsteuer. Sie müssen also dem Bund zufließen. Dasselbe gilt in gewissem Grade für die Erbschaftsteuer. Hier tauchen zahlreiche Probleme auf, wenn der Erblasser in dem einen, der Erbe in dem anderen Lande lebt oder wenn der Erbe eine Körperschaft ist. Bei der Vermögensteuer z. B., die Landessteuer ist, fallen Steuerobjekt und Steuergläubiger auseinander. Steuerobjekt ist das Vermögen, Steuergläubiger aber nicht das Land, in dem sich das Vermögen befindet, sondern das, in dem der Eigentümer seinen gesetzlichen Wohnsitz hat. Die bisherige Regelung — ich will deren Kompliziertheit nicht weiter ausführen — war aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung innerhalb der alten Reichsfinanzverwaltung richtig. Jetzt behält man diese Regelung aus Gründen der Verwaltungskomplizierung bei.


(Dr. Gülich)

Nota bene: Die Vermögensteuer wird auch im Katalog des Art. 106 b als Landessteuer bestätigt. Im Finanzanpassungsgesetz wird dann ganz schlicht gesagt, daß die Vermögensteuer für 25 Jahre dem Lastenausgleichsfonds zufließen soll, wenigstens bis zum Aufkommen von 1785 Millionen DM, was ja bisher noch nicht erreicht worden ist.
Also wohin man schaut, findet man Unklarheiten und stellt fest, daß das Reformwerk im Gesetzgebungstext nicht zu Ende gedacht ist. Ich habe das eben nur angedeutet; der Finanz- und Steuerausschuß wird sich damit noch eingehender zu befassen haben. Gibt man Steuern von überregionaler Bedeutung dem Bund, dann sollte man, solange wir Bund und Länder haben, den Ländern einen angemessenen Teil der Umsatzsteuer geben. Die Gründe, warum die Länder, zum mindesten gewisse Länder, dies nicht wollen, hat der Kollege Dresbach zutreffend angedeutet.
Noch ein Wort zur Ergänzungsabgabe. Die Wirkungen der Steuerreform — Drucksache 481 — werden ja zum Teil durch die Einführung der Ergänzungsabgabe wieder aufgehoben, die in Wirklichkeit ein Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ist, steuersystematisch aber eine neue Steuer darstellt, und zwar einseitig für den Bund. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: ich begrüße es selbstverständlich, daß nicht auch die Möglichkeit einer Ergänzungsabgabe für die Länder vorgesehen ist, obgleich sie systematisch und logisch hier hineingehörte. Würden wir aber eine Ergänzungsabgabe für die Länder schaffen, dann wären die reichen Länder in der Lage, auf die Erhebung einer solchen Ergänzungsabgabe zu verzichten, könnten aber einen Druck auf die armen Länder ausüben, ihre ohnehin schon kleine Steuerkraft noch stärker zu strapazieren. Insofern begrüßen wir den Entwurf.
Das Komische bei der ganzen Geschichte aber ist doch, daß der Bundesfinanzminister die Inanspruchnahme verfassungsrechtlich festlegen und dann noch eine Ergänzungsabgabe einführen will. Ist das nicht ein gewisser Widerspruch in sich? Man kann entweder das eine oder das andere tun.
Ach, der Herr Bundesfinanzminister sprach so nett von den „unschönen Verhandlungen" zwischen dem Bund und den Ländern. Der Herr Kollege Dresbach sprach ein bißchen realistischer von Viehhandelsgeschäften, um die Art der unschönen Verhandlungen etwas genauer zu charakterisieren. Ich möchte Sie doch mal fragen, Herr Kollege Dresbach: Glauben Sie denn wirklich, daß bei der Verabschiedung dieser Gesetze die unschönen Verhandlungen aufhören oder daß nicht vielmehr sofort im nächsten Jahre über die Revisionsklausel wieder „unschön" verhandelt werden wird? Glauben Sie nicht, daß im nächsten Jahre diese oder jene Bundesaufgabe kommen und neue Verhandlungen mit den Ländern nötig machen wird? Ich möchte fragen: Glaubt der Herr Bundesfinanzminister denn wirklich daran, daß das aufhören wird, oder hofft er es nur? Ich glaube, er hofft nur. Ich prophezeie nicht gern; in diesem Falle kann ich es: Die Hoffnung wird zuschanden werden.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, ich habe die Revisionsklausel als einen schwachen Punkt bezeichnet!)

— Sie ist ein schwacher Punkt!
Die Ergänzungsabgabe bedeutet eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf eine direkte Steuer.
Damit lebt ein alter Kampf wieder auf. Die Ergänzungsabgabe hindert aber den Bund auch, was wir nicht übersehen wollen, daran, leichtfertig eine Erhöhung der indirekten Steuern vorzuschlagen. Das ist ein Vorteil.
Nun ein Wort zu Art. 106 f, der die neue Form des horizontalen Finanzausgleichs statuiert. Wenn wir uns über Finanzausgleichsprobleme unter den Ländern unterhalten, müssen wir uns daran erinnern, wie diese Länder 1946 aussahen. Damals wirkten sich noch krasse Unterschiede in der Agrarproduktion aus, so daß beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder in Hamburg Hungersnot herrschte, während in gewissen anderen Ländern, z. B. in Bayern, relativ gute Ernährungsmöglichkeiten waren. Auch die verschiedenen Ausstattungen mit Industriekapazität wirkten sich zu jener Zeit noch krasser für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung aus.
Wir haben nach wie vor eine krasse Unterschiedlichkeit zwischen Bevölkerungszahl und Wirtschaftskapazität und damit zwischen der Wirtschaftskraft und der Steuerkraft der einzelnen Länder. Das Steueraufkommen pro Kopf der Bevölkerung ist im reichsten Land der Bundesrepublik etwa fünfmal so groß als im ärmsten. Das ärmste Land Schleswig-Holstein liegt mit seinem Steueraufkommen pro Kopf etwa bei 50 % des Bundesdurchschnitts. Die wohlhabenden Länder liegen bei 140 %. Das sind wirklich ganz unmögliche Zustände. Die Wirtschaft in den Ländern wird immer unterschiedlicher. Die Entwicklung geht dahin, daß die westdeutschen Industrieländer mit ihrer gewaltigen Industriekraft Menschen, Kapital und Betriebe aus den armen Ländern anziehen. So werden also — hier ist der Ausspruch am Platze — infolge der gegenwärtigen Finanzverfassung die armen Länder immer ärmer und die reichen Länder immer reicher. Das ist durch keinen Finanzausgleich aus der Welt zu schaffen.
Vorgestern bekam ich eine neue Denkschrift des Instituts für Raumforschung in Bad Godesberg mit ausgezeichneten, instruktiven Wirtschafts- und Bevölkerungskarten. Auf jeder Karte können Sie das West-Ost-Gefälle der deutschen Wirtschaft erkennen. Von diesem West-Ost-Gefälle droht unserem Staatswesen Gefahr. Wir werden darüber in der nächsten Woche bei der Behandlung der Anträge bezüglich der Zonenrandgebiete erneut zu sprechen haben.
Wir kommen zu einem echten Finanzausgleich nur dann, wenn die Länder in sich besser ausgewogen sind. Und das läßt sich beim gegenwärtigen Zustand nicht erreichen. Infolgedessen müssen wir mit Ernst darangehen, den Auftrag des Art. 29 des Grundgesetzes, nämlich die territoriale Neugliederung des Bundes, in Angriff zu nehmen. Das ist eine Bundesaufgabe. Indem ich die Forderung ausspreche, weiß ich, wie schwer die Lösung zu finden sein wird. Aber soll man vor den Schwierigkeiten von vornherein kapitulieren? Soll man wie der Herr Bundesfinanzminister von vornherein sagen: Ich weiß ja, daß ich die Zustimmung der Länder nicht kriege, ich weiß ja, daß ich die Zustimmung der Besatzungsmächte zu einer Herabsetzung der Besatzungskosten nicht kriege; infolgedessen versuche ich es gar nicht. Nun, man hat solche Dinge zu versuchen, und wenn man versucht, hat ein solcher Versuch, wohlbegründet und -fundiert vorgetragen, auch den Keim zum Erfolge in sich. Bis dahin aber muß man sich mit einem


(Dr. Gülich)

notdürftigen System des Finanzausgleichs begnügen. Und da scheint mir Troegers Vorschlag sehr bemerkenswert, der meint, daß die Länder bis zu 75 % Steuerkraft des Bundesdurchschnitts vom Bund auf diese 75 % gehoben werden sollten und daß dann erst zwischen 75 und 95 % — es wird sich ja über die Prozentsätze noch reden lassen — ein horizontaler Länderfinanzausgleich eintreten sollte. Mir scheint der Gedanke gut. Das bisherige Finanzausgleichssystem und das künftige Finanzausgleichssystem nach den jetzt vorliegenden Reformwerken werden keine Abhilfe schaffen. Jeder Finanzausgleich, den wir in den letzten Jahren vorgenommen haben, war nichts als ein Pflaster auf eine nie heilende Wunde. Es kommt aber darauf an, die Wunde nun endlich mal richtig zu behandeln.
Dem Finanzverfassungsgesetz folgt das Finanzanpassungsgesetz — ein großer Name für eine weniger große Sache. Sie hat aber ein paar ganz interessante Inhalte. Das Finanzanpassungsgesetz
— Herr Dresbach hat es ja auch schon gesagt, aber ich will es mit ein bißchen anderen Worten sagen — bestimmt ja — Sie bekannten sich positiv zu dem Grundsatz —, daß auf dem Gebiete der Steuer- und Zollverwaltung eine Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der Länder und Gemeinden entfällt und umgekehrt — Gerechtigkeit muß ja sein
— auch eine Beteiligung der Länder und Gemeinden an den Ausgaben des Bundes. Ein schöner Grundsatz! Wer wollte dazu nicht ja sagen? Hätten wir einen wirklichen Föderalismus, würde ich sagen: Ja, ausgezeichneter Grundsatz! Wie sieht es aber in der Wirklichkeit aus? Die Länder verwalten rund 10 000 Millionen DM Umsatzsteuer für den Bund und sie verwalten runde 5000 Millionen DM Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, also runde 15 000 Millionen oder 15 Milliarden DM. Dafür bekämen sie nach altem Väterbrauch und Sitte 2 % Inkassoprovision, wären 300 Millionen DM: werden gestrichen. Der Bund aber, der hier als völlig gleichwertig dargestellt wird, verwaltet für die Länder die Biersteuer. Aus! Die Biersteuer hat ein Aufkommen von rund 300 Millionen DM, und da wären 2 % 6 Millionen DM. Es stünden sich also 300 Millionen DM Kostenersatz für die Länder und 6 Millionen DM Kostenersatz für den Bund gegenüber.
Ich habe das deshalb einmal gesagt, weil man bei allen diesen Dingen — ich könnte Ihnen noch Dutzende von Beispielen bringen —, wo man hineingreift in dieses groß angekündigte Reformwerk, auf solche „Unschönheiten" stößt, um mich einmal zurückhaltend und freundlich auszudrücken. Vielleicht meint der Bundesfinanzminister in seinem tiefsten Herzen — ich will ihn jetzt nicht ansehen —,

(Heiterkeit)

vielleicht meint der Bundesfinanzminister im allertiefsten Herzen: Nun ja, wenn die Länder Föderalismus haben wollen, dann sollen sie auch bezahlen.

(Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Mellies: Er nickt sogar!)

— Ich muß doch mal vorsichtig hinübergucken!

(Große Heiterkeit.)

Bei den Kriegsfolgeleistungen sieht das Finanzanpassungsgesetz etwas Gutes vor. Es führt für gewisse Kriegsfolgeleistungen, bei denen der Bund die Mittel aufbringt, die Länder und Gemeinden die Mittel aber verwalten, eine Interessenquote ein. Ich habe die Einführung der Interessenquote — sie ist ja etwas Neues in der finanzwirtschaftlichen Praxis — sehr begrüßt. Sie ist im Ersten Überleitungsgesetz eingeführt worden. Ich habe sie damals begrüßt, und ich begrüße sie auch jetzt, weil damit eine sinnvollere Verwaltung der Bundesmittel ermöglicht wird. Ich meine, man soll auch für den großen Teil der Kriegsfolgeleistungen, den die Länder für den Bund verwalten, es bejahen, daß jetzt an die Stelle des bisherigen, ungeheuer komplizierten Abrechnungsverfahrens eine Pauschalierung treten soll. Das ist eine Verwaltungsvereinfachung, und es ist ein Erziehungsmoment für die Länder darin. Das ist zu begrüßen.
Ich wünsche überhaupt, daß der Bund eine stärkere Stellung bekommt; denn nach dem Grundgesetz — Art. 120, Art. 131 — und nach zahlreichen Gesetzen, die wir hier beschlossen haben — bis zu der Regelung der Auslandsschulden —, hat der Bund immer stärkere Aufwendungen zu leisten, und er muß infolgedessen finanziell so gesichert werden, daß er seinen Aufgaben nachkommen kann. Dem Grundsatz stimmen wir vorbehaltlos zu; nur den Mitteln, mit denen die Bundesregierung das Ziel zu erreichen sucht, kann man nicht zustimmen. Wir wollen dem Bunde geben, was des Bundes ist:
Dem Bunde — auch das muß einmal gesagt werden — sind ja in vielen Dingen einfach die Hände gebunden: Die Länder verwalten gute 5 Milliarden an Bundesmitteln für den Bund, ohne daß der Bund — Herr Dresbach hat schon darauf hingewiesen — ein Weisungsrecht oder gar ein Kontrollrecht hätte. Manche Länder sind nicht einmal geneigt, dem Bunde überhaupt einen Einblick zu geben, einen Einblick, der unter Privaten, die so wichtige Treuhändergeschäfte füreinander ausüben würden, auch ohne eine gesetzliche Regelung selbstverständlich wäre. Aber man beruft sich immer auf den Buchstaben des Gesetzes. Man ist überhaupt in der ganzen Frage unserer Finanzverfassung und ihrer Auslegung so gräßlich engherzig und formal. Man sieht nicht das Wesen der Sache, sondern man klebt am Wort.
Die Wirklichkeit unserer Staatspraxis sieht so aus — und diese Wirklichkeit ist fürchterlich —: als Auswirkung unserer Finanzverfassung gibt es Konferenzen der Länder untereinander, Konferenzen der Referenten aller Ministerien der Länder untereinander, Konferenzen aller Referenten der Länderministerien mit den entsprechenden Referenten der Bundesministerien, Konferenzen der Minister —, alles das liegt v o r dem Bundesrat! Und das bedeutet: Briefe, Telegramme, Fernschreiben, Konferenzen, — Leerlauf, Leerlauf, Leerlauf, den der Steuerzahler erdulden muß, und Kosten, Kosten, Kosten, die der Steuerzahler bezahlen muß.

(Beifall bei der SPD.)

Interessanterweise interessiert sich aber der Steuerzahler für dieses System überhaupt nicht.
Ich habe gesagt: wir wollen zunächst untersuchen, ob das Reformwerk die Möglichkeiten zur Neuordnung, die Art. 107 des Grundgesetzes gibt, genutzt hat. Ergebnis: es hat sie nicht genutzt! Jedenfalls hat der Regierungsentwurf den Art. 107 verfassungstheoretisch, und zwar sehr eng und sehr formal ausgelegt.
Man erinnere sich, wie dieses Grundgesetz zustande gekommen ist. Die Alliierten erhoben gegen die vom Parlamentarischen Rat sinnvoll gestaltete


(Dr. Gülich)

Ordnung unserer Finanzverfassung Einspruch. Das brachte neue Verhandlungen mit sich, die Verhandlungen brachten Zeitverlust mit sich, und schließlich mußte das Grundgesetz verabschiedet werden, ohne daß überhaupt eine Generalredaktion stattgefunden hatte. So ist der Art. 107, der die Reform der Steuerverteilung ausdrücklich von den Aufgaben her einleiten will, hinter dem Art. 106 stehengeblieben und nicht hinter den Art. 108 gesetzt worden, wo er hingehört und wo er, des bin ich überzeugt, zweifellos hingekommen wäre, wenn nicht das Grundgesetz unter solchem Zeitdruck verabschiedet worden wäre. Stünde er hinter Art. 108, wo er hingehört, dann könnten die Verfassungstheoretiker es sich ein bißchen bequemer machen. So aber richten sie sich, vom Bundesfinanzminister angefangen bis zu den Finanzreferenten der Länder, nach dem Buchstaben des Gesetzes, so, wie sie ihn auslegen. Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig!
Deshalb ist es meines Erachtens unumgänglich, über die verfassungstheoretischen Spekulationen hinaus eine kurze verfassungspolitische Überlegung anzustellen.
Der Grundgesetzgeber hatte seine Aufgabe in bezug auf die Finanzverfassung richtig erkannt, sie aber wegen des Einspruchs der Alliierten nicht durchführen können. Der Grundgesetzgeber hat also in bezug auf die Finanzverfassung objektiv versagt. Der Bundesgesetzgeber hätte, auf den traurigen Erfahrungen der letzten Jahre fußend, nunmehr die Verpflichtung, das Verfehlte in unserer Finanzverfassung in Ordnung zu bringen.

(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

Warum klammert sich die Regierung jammernd an ihre verfassungstheoretischen Überlegungen nach Art. 107, sie könne ja nur ein Gesetz mit einfacher Mehrheit machen? Warum zieht die Bundesregierung aus den unerträglichen Verhältnissen zwischen Bund und Ländern nicht die Konsequenz, dem Bundestag ein Gesetz vorzulegen, welches verfassungsändernden Charakter hat? Hier könnten Sie, meine verehrten Kollegen, einmal etwas tun mit Ihrer schönen Mehrheit, die Ihnen das Wahlergebnis vom 6. September vorigen Jahres gebracht hat. Falls die Koalition sich auch in diesem Punkte nicht ganz einig sein sollte,

(Abg. Albers: Dann sind Sie dabei! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann leisten Sie Hilfestellung!)

so darf ich erklären, daß die Opposition 160 gewichtige Stimmen für eine sinnvolle Ordnung unseres öffentlichen Lebens in die Waagschale zu werfen hat.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Machen Sie Gebrauch von dieser Möglichkeit, die die Opposition Ihnen bietet!
Ich greife noch kurz zwei Gesichtspunkte heraus. Die Gemeinden und die Gemeindeverbände hatten in der Weimarer Republik die Stellung, die ihnen gebührt. Im Parlamentarischen Rat haben sich die zu wenigen Männer mit kommunalpolitischer Erfahrung nicht durchsetzen können. Sie brauchen sich nur einmal die Zusammensetzung des Parlamentarischen Rats anzusehen, um zu sehen, daß die Männer des Parlamentarischen Rates den Sinn, die Verpflichtung, die Aufgabe, die die Gemeinden in unserem öffentlichen Leben haben, nicht erkannt haben. In der Weimarer Republik waren die Gemeinden gesichert; im Grundgesetz sind sie die
Stiefkinder des Bundes. Das große Reformwerk bringt es ja nicht einmal fertig, im Katalog bei Art. 107 b die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, also die Getränkesteuer, die Vergnügungsteuer, die Hundesteuer, zu Gemeindesteuern zu erklären. Sie sollen nach wie vor Ländersteuern bleiben, weil angeblich Art. 107 den Auftrag nicht zuläßt, die Gemeinden zu echten Partnern des Finanzausgleichs zu machen. Das Reformwerk bringt es noch viel weniger fertig, die von den Gemeinden und Kreisen und ihren kommunalen Spitzenverbänden so dringend geforderte steuerliche Verbundwirtschaft einzuführen. Jede Änderung unserer Finanzverfassung aber muß darauf ausgehen, den Dualismus zwischen Bund und Ländern durch eine gute und gerechte Regelung der Zuständigkeiten beider zu beseitigen.
Zu diesem Problem hat wohl Popitz das wissenschaftlich Fundierteste und praktisch Klügste gesagt. Ich möchte immer wieder sagen: bei Popitz — nicht nur in seinem Buch „Der Finanzausgleich", sondern auch in einer Reihe von anderen Beiträgen — sind die Grundgedanken eines echten Finanzausgleichs auch in einem föderativen Staat großartig und bis heute noch nicht überholt dargestellt. Popitz kommt zu dem Ergebnis, daß die wahren Partner im Finanzausgleich der Staat, vorgestellt durch das Reich und die Länder, auf der einen Seite und die Gemeinden und Gemeindeverbände auf der anderen Seite seien. Auf heute übertragen, heißt das: Bund und Länder als eine Einheit bilden zusammen den Staat. Meine Damen und Herren! Wer von den Verantwortlichen im Bund und den Verantwortlichen in den Ländern hat heute eine Vorstellung von dieser Einheit, gemeinsam Staat bilden zu wollen! Wer hat bei dem Länderegoismus und Ressortpatriotismus überhaupt noch ein Bedürfnis nach einer solchen Einheit!
Die Weimarer Verfassung hat ein blühendes Leben der Gemeinden ermöglicht; das Grundgesetz ermordet sie. Das Grundgesetz weint in seinem Reformwerk den Gemeinden keine Träne nach; aber es trocknet auch keine Träne der Gemeinden. Wir müssen deshalb uns der Gemeinden annehmen.
Nun noch ein Wort zur Bundesfinanzverwaltung. Der Bundesfinanzminister sagt: „Die können wir eben nicht machen; das Grundgesetz gibt uns keine Möglichkeit." Er tut so, als ob dieses Grundgesetz eine gottgewollte Ordnung wäre und eine gottgewollte Ordnung geschaffen hätte. Dieses Grundgesetz ist nicht von Gott, sondern von Menschen, und es ist abänderlich wie alles, was von Menschen gemacht ist.
Die Regelung der Steuerverwaltungshoheit im Grundgesetz ist so mangelhaft, daß immer wieder während des ersten Deutschen Bundestages auf die Notwendigkeit einer Änderung hingewiesen worden ist. Die FDP und die SPD haben die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung zu ihrem Anliegen gemacht. Aber der Bundesfinanzminister hat es immer wieder fertig bekommen, die Zweidrittelmehrheit für eine solche vernünftige Regelung zu verhindern. Ich will die Diskussion darüber nicht fortführen,

(Zuruf des Abg. Heiland)

obwohl die Debatte heute sehr schönen Anlaß gegeben hätte, zu diesem Thema mehr zu sagen. — Kollege Heiland, ich habe Sie nicht verstanden.

(Abg. Heiland: Der CSU war es doch noch zu gut im Parlamentarischen Rat! Deswegen hat sie gegen das Grundgesetz gestimmt!)



(Dr. Gülich)

— Ja, die CSU hat im Parlamentarischen Rat ja manches durchgesetzt — einiges darf ich nicht sagen —,

(Abg. Mellies: Hört! Hört!)

hat ja manches durchgesetzt, damit sie für das Grundgesetz stimmen wollte, und nachher hat sie gegen das Grundgesetz gestimmt, und es ist dann doch so geblieben.

(Zuruf von der CSU: Gegenpart: die SPD in Bayern!)

— Die Sozialdemokraten in Bayern sind auch Bayern; das interessiert hier nicht.

(Heiterkeit.)

— Die SPD in Bayern mag tun, was sie in Bayern für notwendig hält. Aber seien Sie davon überzeugt: wir tun, was nach unserer Auffassung im Bund nötig ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch! — Abg. Dr. Menzel: Die SPD in Bayern hat dem Grundgesetz doch zugestimmt!)

Ich will nur einen Sachverständigen zitieren, den wir im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen gehört haben, den Mann, der am stärksten als Mitarbeiter Erzbergers an der Einführung der Bundesfinanzverwaltung beteiligt war, den Oberfinanzpräsidenten a. D. Dr. Carl. Er sagte : Ein privates Wirtschaftsunternehmen, das sich eine solche Organisation leisten würde wie die Finanzverwaltung vor 1919 und nach 1945, wäre schon in Normalzeiten, geschweige denn in Krisenzeiten, nicht lebensfähig gewesen. Nur der Bund leistet sich das. Ich möchte fragen: Warum interessieren sich die Steuerzahler denn immer nur für das, was sie unmittelbar aus ihrem Portemonnaie zu zahlen haben? Warum interessieren sie sich nicht für das, was von ihren Steuergroschen in dem übersetzten Verwaltungsapparat, der durch diesen Föderalismus notwendig ist, durch diese Konferenzen, die ich gekennzeichnet habe, durch diesen ganzen Leerlauf und die Reibungsverluste vergeudet wird? Das sind doch genau so gut Steuermittel!

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Warum interessieren sich die Politiker auch ganz überwiegend nur für eine Steuerreform und nicht für eine wirkliche Finanzreform? Die Politiker haben sich daran gewöhnt, in Prozentsätzen zu denken. Ich habe das neulich schon einmal zum Haushalt gesagt. Deshalb meinen sie, was unter 10 % liege — und mehr käme ja nie dabei heraus —, sei nicht mehr interessant. Wer so denkt, wer die Million überhaupt nicht mehr einzuschätzen weiß, der kann Finanzreform nicht betreiben wollen,

(Sehr gut! bei der SPD)

und wer die Million nicht ehrt, ist der Milliarde nicht wert.

(Beifall bei der .SPD. — Abg. Dr. Eckhardt: Richtig! — Abg. Kunze [Bethel] : Ach!)

Nun sagt der Bundesfinanzminister, wir müßten Föderalisten sein, und er legt ein neues Bekenntnis zum Föderalismus ab. Ich möchte ihm antworten, daß die Unhaltbarkeit unserer Finanzverfassung ja nicht darauf beruht, daß wir einen Föderalismus haben, sondern darauf, daß wir keinen echt en Föderalismus haben. Die Unhaltbarkeit unserer Bundesfinanzverfassung ist heute durch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers doch wieder bewiesen worden.
Nach der Meinung des Herrn Bundesfinanzministers sind die Bayern die einzigen Föderalisten. Ich habe schon vorhin gesagt, daß ich anerkenne, daß in den Bayern ein echtes Staatsgefühl lebt, und insofern nehmen die Bayern und nimmt das Land Bayern eine Sonderstellung unter den deutschen Ländern ein. Wenn aber der Föderalismus das richtige Prinzip für unsere staatliche Ordnung ist und wenn die Bayern den Föderalismus in Reinkultur entwickelt haben, dann hätten die Bayern einschließlich ihres Abgeordneten aus Passau die Verpflichtung, uns einen anständigen Föderalismus vorzuleben.

(Abg. Arnholz: Auch in Bayern selbst!)

Man dient dem Föderalismus nicht, wenn man immer nur Forderungen stellt, wenn man besondere Vorteile, besondere Belange für sich in Anspruch nimmt. Föderalist sein heißt, sich als dienendes Glied dem Ganzen einzufügen. Im Begriff des Föderalismus liegt do h, daß die Föderation, das höhere Ganze von Einzelgliedern, organisch aufeinander abgestimmt sein soll. Die Länder — ich spreche jetzt nicht von Bayern, sondern von der Gesamtheit unserer Länder — sind keine Föderalisten. Sie sind Ressortpatrioten, sie sind Partikularisten. Im wahren Föderalismus liegt immer ein zentripetales Element, das dem Ganzen dienen will; im Partikularismus wirken sich zentrifugale Kräfte aus.
Die Bundesregierung hat in ihrem Reformwerk die Diskrepanz zwischen Steuerertragshoheit und Steuerverwaltungshoheit vermeiden wollen. Sie hat nicht gewünscht, daß man es merkt, denn sie hat mit Recht nicht geglaubt, daß die eingehenden Begründungen studiert werden, in denen zwar alles steht.
Die Bundesregierung hätte sich zu einem großen Reformwerk durchringen müssen, und sie hätte die Reibungen in Kauf nehmen sollen, um die Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Systems noch deutlicher werden zu lassen. Aber die Bundesregierung unternimmt den Versuch, auf Grund des Unhaltbaren ein System zu errichten, um das Unhaltbare zu erhalten. Die Bundesregierung kuriert an Symptomen, ohne überhaupt den Versuch zu machen, dem Übel an die Wurzel zu gehen. Sie treibt mit diesem Reformwerk keine echte Finanzpolitik, sondern eine finanzpolitische Bastelei.
Der Bundesfinanzminister hat heute die Länder geradezu zum Widerspruch aufgefordert. Er sagte: Na, Sie machen ja doch nicht mit! Versuchen wir's doch! Weiter sagt er, die Politik sei die Kunst des Möglichen. Jawohl, sie ist die Kunst des Möglichen, aber ich füge hinzu: im Hinblick auf das Notwendige, und wenn wir nicht versuchen, das Notwendige zu gestalten und auch unmöglich Scheinendes in Angriff zu nehmen, dann sind wir nicht wert, daß wir hier sitzen und die Belange des deutschen Volkes vertreten.

(Beifall bei der SPD.)

Wo ist nun das Gesetzgebungswerk von wahrhaft großer, ja vielleicht geschichtlicher Bedeutung? Ich habe von Größe nichts entdeckt. Was ich positiv zu sagen hatte zum Inhalt und zur Form der Erläuterungen, habe ich gesagt. Ich möchte gern, daß die Dinge nicht nur in Dresbachschen und einigen anderen Bücherschränken sind, sondern daß ein solches Werk als ein wissenschaftlich wertvolles Werk auch im Buchhandel erscheint, vielleicht in der Form eines Kommentars oder wie man es sich sonst vorstellt.


(Dr. Gülich)

Das Wort hat nun der Bundestag, und die Aufgabe des Bundestags ist es, eine befriedigende Lösung zu finden, nachdem die Bundesregierung keine befriedigende Lösung vorschlagen konnte. Der Bundestag sollte bei seinen Überlegungen nicht zunächst auf das schauen, was vielleicht die Länder dazu sagen, sondern auf das, was das deutsche Volk vom Deutschen Bundestag erwartet. Natürlich wissen wir alle, daß eine wirklich durchgreifende Ordnung unseres staatlichen Lebens und somit auch eine wirklich durchgreifende Ordnung unserer Finanzverfassung in einem Fragmentstaatswesen nicht möglich ist, in einem Deutschland, dessen Ostgrenze an der Oder-Neiße liegt, in einem Staatswesen, dessen Ostgrenze faktisch bei Lübeck und Helmstedt verläuft. Um so größer aber ist unsere Aufgabe, in unserem Teile Deutschlands unsere öffentlichen Aufgaben so zu regeln, daß wir vor dem deutschen Volke und vor der Geschichte damit bestehen können.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202900800
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0202900900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, nunmehr vom Thema Finanzreform auf das Thema Steuerreform umzuschalten. Der Herr Präsident hat heute früh gesagt, die einzelnen Redner möchten nach Belieben, aber auch nach Vermögen zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung sprechen. Ich glaube, die Bemerkung, nach Vermögen zu den einzelnen Punkten zu sprechen, hat heute beim Thema „Steuerreform" ihre besondere Berechtigung, und zwar deswegen, weil uns dieses Thema in doppelter Weise angeht: einmal als verantwortliche Parlamentarier — und als solcher spreche ich nun namens der größten Partei der Regierungskoalition —; es geht uns aber auch an in unserer Eigenschaft als Steuerzahler. Bei der Vorbereitung dieser Debatte wurde vielen klar—für mich wurde es sehr frühzeitig klar —, daß insoweit der Satz gilt: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. Die Seele des Steuerzahlers hat viele Wünsche und ist zweifellos gern dazu bereit, Kritik und' weitgehende Kritik zu üben. Als verantwortlicher Parlamentarier muß man aber sowohl die Wünsche wie die Kritik zwangsläufig zurückstellen, zumindest zurücksetzen bzw. einschränken.
Nun, wie war es? Als im März dieses Jahres der Bundesfinanzminister die beiden Gesetzentwürfe hier verkündete, da erlebten wir die Überraschung, daß die öffentliche Meinung zumindest im unmittelbaren Anschluß daran eigentlich sauer reagierte. Die Kritik war im wesentlichen negativ, und erst allmählich ist eine gewisse Wandlung eingetreten. Der Finanzminister war darüber enttäuscht, die Öffentlichkeit war enttäuscht, der Steuerzahler war enttäuscht. Man hat daher wohl Grund, nach der Ursache zu fragen. Wenn man über etwas enttäuscht ist, dann ist normalerweise anzunehmen, daß man mehr erwartet hat. Der Finanzminister hat allgemeine Zustimmung erwartet, die Öffentlichkeit eine große Steuerreform, der Steuerzahler eine erhebliche Steuersenkung. Die Enttäuschung hat sich also in zwei Richtungen ausgebreitet: einmal dahin, daß das vorgelegte Gesetzgebungswerk — das wollen wir ganz offen zugeben — nicht den Namen „große" oder „organische Steuerreform" in Anspruch nehmen kann und darf.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Die Enttäuschung darüber halte ich für berechtigt,
und zwar deswegen, weil sowohl im ersten Bundestag wie auch vom Herrn Bundesfinanzminister nicht nur einmal, sondern wiederholt gesagt wurde: wir wollen uns zu Beginn der Sitzungsperiode des zweiten Deutschen Bundestages mit der großen, organischen Steuerreform befassen. Wir haben alle erwartet, daß eben dieses Gesetzgebungswerk die große oder organische Steuerreform beinhalte.

(Abg. Heiland: Vor allen Dingen haben Sie es vor dem 6. September sehr laut versprochen!)

— Ich sage es ja; Sie brauchen es nicht noch extra zu betonen!

(Abg. Heiland: Doch, das muß manchmal unterstrichen werden!)

Nun, damit ist es also nichts. Wie begründet aber der Herr Bundesfinanzminister diese Entwicklung? Es ist richtig, daß sich die beauftragten Gremien — die teilweise auf völlig selbständiger, zum Teil auf halbstaatlicher Basis arbeiteten — und auch die Ministerien selbst zweifellos sehr eingehend mit unserem Steuersystem beschäftigt haben. Die Mehrheit dieser Gremien ist nun zu der Überzeugung gekommen, die Aufteilung unseres gegenwärtigen Steuersystems in direkte und indirekte Steuern und die Art der Verteilung der einzelnen Steuern sei im allgemeinen gut, und es bestehe kein wesentlicher Grund, dieses System zu ändern.
Ich persönlich bin über dieses Ergebnis sehr enttäuscht; denn ich — ich spreche jetzt nur in meinem eigenen Namen — teile diese Auffassung nicht, daß unser derzeitiges Steuersystem wirklich gut sei.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich habe darüber schon im März 1953, als ich zur Haushaltsdebatte sprach, die gleichen Gedankengänge geäußert, treffe diese Feststellung also nicht zum erstenmal. Ich hätte zumindest erwartet, daß sich der Herr Bundesfinanzminister nicht mit der lakonischen Feststellung begnügt hätte: Unser Steuersystem ist gut, und auch die einzelnen Stellen, die sich damit befaßt haben, haben mir das bestätigt. — Ich hätte dann mindestens eine eingehende Begründung dafür erwartet, und zwar im Hinblick darauf, daß wir ja jahrelang von einer anderen Vorstellung ausgegangen sind, daß nämlich unser Steuersystem von Grund auf durchgeackert, durchgekämmt, umgeändert und organisch neu aufgebaut werden müsse.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

Ich meine, so billig hätte man es nicht machen dürfen.
Wie steht es nun mit der Enttäuschung des Steuerzahlers selbst über die Steuersenkung? Als ich die Presseberichte am Tage nach der Verkündung dieses Reformgesetzes las, habe ich mich allen Ernstes gefragt, ob denn nun der Herr Bundesfinanzminister eine Gesetzesvorlage mit einer Steuersenkung oder einer Steuererhöhung vorgeschlagen habe.

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Das ist noch nicht raus!)

Die negative Kritik hätte eigentlich nicht stärker sein können, wenn er einen Gesetzentwurf mit Steuererhöhungen eingebracht hätte.
Böse Zungen haben ja behauptet, er würde mit dieser Reform sogar mehr nehmen, als er gebe, und zwar einschließlich der beiden vorgeschlagenen Zusatzsteuern, Ergänzungsabgabe und Erhöhung der


(Neuburger)

Großhandelsumsatzsteuer. Dieser Auffassung bin ich nicht.

(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

Es handelt sich vielmehr bei der vorliegenden Reformvorlage um eine echte Steuersenkung, und diese Steuersenkung erfolgt in einem Ausmaß, das meines Erachtens auch von der Öffentlichkeit anerkannt werden müßte.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Zweifellos hätte sich jeder Steuerzahler noch eine weitere Senkung gewünscht. Aber, Hand aufs Herz, können wir heute schon normale Steuersätze fordern? Das würde doch voraussetzen, daß wir bereits normale Verhältnisse haben, daß wir also den Krieg mit seinen Folgen überwunden haben und daß das alles der Vergangenheit angehört. Das ist aber doch nicht der Fall; Sie wissen doch alle und jeder Steuerzahler weiß es, daß wir die Kriegsfolgen noch nicht überwunden haben und demgemäß auch noch keine normalen Steuersätze haben können. Unsere Steuersätze, auch wie sie jetzt in der neuen Reformvorlage enthalten sind, sind also zwangsläufig auf Grund dieser Tatbestände noch überhöht, d. h. wir stehen noch alle, ob wir wollen oder nicht, unter einem Steuerdruck. Wir leiden darunter, wir müssen darunter leiden, und wir können uns auch darüber beklagen, aber wir können es nicht ändern.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das ist ein Faktum, über das wir in keiner Weise hinweggehen dürfen.
Wie steht es nun mit dem Weg, den diese Steuerreform genommen hat? Die Reformvorlage geht einen Weg weiter, den wir im 1. Deutschen Bundestag bereits mit Erfolg gegangen sind. Wir dürfen daher auch die Zuversicht haben, daß dieser Weg, der bisher richtig war, auch weiterhin richtig ist. Das bedeutet aber auch — und da setze ich mich mit der Auffassung, die ich nun namens meiner Parteifreunde vortrage, vielleicht etwas in Gegensatz zum Herrn Bundesfinanzminister, jedenfalls zu der gegebenen Begründung —, daß wir in dieser Reformvorlage nur einen weiteren Schritt in Richtung der Konsolidierung unserer steuerlichen Verhältnisse sehen. Das heißt, es ist nichts Endgültiges, und wir werden uns wahrscheinlich auch im kommenden oder übernächsten Jahr damit beschäftigen müssen. Das ergibt sich schon zwangsläufig aus dem, was ich vorhin herausgestellt habe: wir wollen wieder zu normalen Verhältnissen kommen. Wie wir auch sonst auf wirtschaftlichem Gebiet uns stetig Schritt für Schritt in dieser Richtung vorwärtsarbeiten, so wollen wir auch steuerlich zu normalen Verhältnissen kommen. Daher müssen wir uns wohl oder übel immer wieder mit Steuerreformgesetzen beschäftigen. Wir wollen, wenn weitere Senkungen möglich sind, uns gern damit beschäftigen, auch wenn die Senkungen vielleicht nur ganz wenige Prozente ausmachen.
In der Vergangenheit, in unseren ersten beiden Steuersenkungsnovellen von 1950 und 1951 haben wir die Senkungen im wesentlichen durch die Einführung der Sondervergünstigungen herbeigeführt. Wir waren uns damals darüber im klaren, daß die Einführung von Sondervergünstigungen praktisch im Widerspruch steht zum Grundsatz der Steuergleichheit; denn jede Sondervergünstigung, die man einräumt, bedeutet in sich eine Verletzung dieses Grundsatzes der gleichmäßigen steuerlichen
Behandlung der Steuerzahler. Wir haben den Weg beschritten, teilweise, weil wir noch nicht die notwendige staatliche Selbständigkeit hatten, teilweise aus — wie man so schön sagt — optischen Gründen im Verhältnis zum Ausland. Bei der Kleinen Steuerreform im Jahre 1953 haben wir dann gesagt: nun müssen wir aber den Weg frei machen zu einer echten Reform, d. h. zu einer Reform, die den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verwirklicht. Aus diesem Grunde haben wir in der Kleinen Steuerreform neben einer Tarifsenkung so gut wie alle Steuervergünstigungen aufgehoben. Wir taten das nicht sofort, weil wir den Tarif noch nicht entsprechend senken konnten und die damit verbundenen nachteiligen, wirtschaftsschädigenden Folgen nicht in Kauf nehmen wollten, sondern erst mit Wirkung vom 31. 12. 1954, also dem Ende dieses Jahres. Wir waren uns aber darüber im klaren, daß bis zum Wegfall dieser Steuervergünstigungen eben eine neue Steuersenkung durch ein auf dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufgebautes Gesetz erfolgen müsse. Es ist deshalb nur logisch, daß die heutige Reformvorlage als Eck- und Kernpunkt einerseits die Senkung des Tarifs hat und daß dieser Tarif andererseits auf dem Prinzip der linearen Progression aufgebaut ist, ohne alle Ausbuchtungen nach oben oder unten; denn jede Ausbuchtung dieses Tarifs der linearen Progression bedeutet für die Betroffenen entweder eine Steuererhöhung oder eine Steuervergünstigung, mit anderen Worten, Wiedereinführung des Steuervergünstigungsprinzips über die Art der Tarifgestaltung. Es ist also insoweit absolut folgerichtig, wenn sich der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Tarif entschlossen hat, der auf dem Prinzip der linearen Progression aufgebaut ist.
Nun, zum Tarif hat der Steuerzahler selbstverständlich viele Wünsche. Sie können aber, wie bereits betont, noch nicht so verwirklicht werden, weil wir noch nicht normale Ausgabenverhältnisse geschaffen haben. Bei einer Tarifgestaltung muß man zwei Grenzen berücksichtigen, zunächst eine Grenze nach unten — wo muß oder wo darf ein solcher Tarif anfangen? — und dann eine Grenze nach oben: wo muß ein solcher Tarif aufhören? Die Grenze nach unten bildet zweifellos das Existenzminimum. Wenn nun dieses Existenzminimum rein zahlenmäßig feststünde, wenn man darüber so ganz einer Auffassung wäre, so wäre das ja sehr schön. Aber die Vorstellungen über das Existenzminimum gehen ja sehr weit auseinander.

(Abg. Seuffert: Sehr richtig!)

— Wir haben auch in diesem Hause, lieber Herr Kollege Seuffert, ja schon mehr als einmal darüber debattiert.

(Abg. Seuffert: Wir werden es noch tun!)

— Vielleicht bringen Sie es sogar nachher; ich weiß es nicht genau. Wieweit ist denn nun der Herr Bundesfinanzminister nach unten gegangen, was hat er als Existenzminimum, das nicht mehr belastet werden darf, steuerlich angesehen? Ohne Berücksichtigung der möglichen Sonderausgaben, wobei ich allerdings gerechterweise sagen will, daß, man, je weniger man verdient, um so weniger auch von den Sonderausgaben Gebrauch machen kann — § 10; wir wollen die Dinge ganz sachlich und unvoreingenommen sehen —, beginnt die steuerliche Verpflichtung für einen Ledigen bei einem Monatsgehalt von etwa 150 DM, für. Verheiratete ohne Kinder bei monatlich 225 DM, dann geht es


(Neuburger)

mit einem Kind gleich auf 300, weiter auf 350, 450, 550 bis zu 700 DM mit fünf Kindern und darüber. Ich persönlich habe das Gefühl — und meine Parteifreunde sind insoweit einer Meinung —, daß diese untere Grenze als Sozialgrenze anzusprechen und durchaus tragbar ist. Sie wissen, daß die Freigrenze, um den Sozialfaktor beim Aufbau des neuen Tarifs zu berücksichtigen, von 800 auf 900 und vom dritten Kind an bis auf 1440 DM erhöht wurde, eine Erhöhung für die Ehefrau, eine Erhöhung für jedes Kind, es sind also bei allen Gruppen Erhöhungen vorgenommen worden.
Selbstverständlich sind Wünsche laut geworden, diese Erhöhungen der Freigrenzen noch zu steigern, und zwar auf mindestens 1000 DM pro Person.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Solange wir das jetzige Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern haben

(Abg. Seuffert: „Solange"!)

- ja! —, sind wir der Auffassung, daß möglichst jeder im Erwerbsleben stehende Staatsbürger einen direkten und für ihn sichtbaren Obolus für das Staatswesen geben soll, an das er sich einmal wenden und mit Recht wenden kann, wenn er hilfsbedürftig oder nicht mehr arbeitsfähig ist. Mit anderen Worten: Aus der politischen Erwägung heraus, daß derjenige, der vom Staat etwas will, schon in seinen Arbeitstagen, auch wenn er wenig verdient, einen kleinen Obolus geben muß, glauben wir, bei Beginn die Sozialgrenze bei diesem gestaffelten Tarif gewahrt zu haben. Wenn wir die Möglichkeit haben — und darauf komme ich noch später zurück —, eine Erhöhung der Freigrenzen vorzunehmen, so werden wir das ohne weiteres tun.
Die Grenze nach oben lag ursprünglich bei 90 %, dann beim Plafond 80 %, heute liegt sie beim Plafond 70 %. Wir wissen alle, daß diese überhöhten Steuern weder für den Staat noch für unsere Wirtschaft noch für jeden einzelnen von uns, und zwar nicht so sehr in seiner Eigenschaft als Steuerzahler, sondern noch mehr in seiner Eigenschaft als Konsument, von Nutzen waren; denn diese überhöhten Steuern halten unser Kostensystem in der Wirtschaft künstlich hoch. Es wäre eine Illussion, anzunehmen, daß die direkten Steuern keine Kostenelemente seien. Auch die direkten Steuern sind wie die Bruttolöhne, in denen ja sowieso schon die direkten Steuern aller Lohnempfänger stecken, echte Kostenelemente, und je mehr wir die Stufen nach oben erhöhen, desto mehr verteuern wir unseren ganzen Konsumentenapparat. Hinzu kommt, daß durch diese direkten Kosten die Wirtschaft zu einem unrationellen Denken und Handeln verführt wird. Sie kennen ja die Frage, die seit Jahren immer wieder herumgeistert, wenn eine Entscheidung darüber getroffen werden muß, ob diese oder jene Ausgabe gemacht werden soll: Wieviel davon zahlt die Steuer, wieviel zahlt Schäffer? Und dann heißt es: Ach, der zahlt 60, 70 % oder mehr.
Mit diesem Steuertarif, der nunmehr an der oberen Grenze von rund 55 % enden soll, will man mit diesem unrationellen Denken endgültig Schluß machen; denn das sind wirtschaftsschädliche Tendenzen in unserer Steuergesetzgebung. Praktisch müßte die Grenze bei 50 % sein. Alles, was darüber ist, wirkt sich nicht nur kostensteigernd, sondern auch leistunghemmend aus und fördert nur unökonomisches Denken.
Wir bejahen also den Tarif, und zwar auch insoweit, als er nicht über 55 % hinausgeht. Wir verlangen sogar, mindestens auf den kritischen Punkt von 50 % herabzugehen. Das muß zu gegebener Zeit geschehen. Im Rahmen dieser Beratung wird es wahrscheinlich nicht möglich sein.
Nun zu den einzelnen Wünschen. Wie Sie wissen, haben wir im Jahre 1934 einen Steuertarif gehabt, der während des Krieges geändert worden ist. Er ist dann von den Besatzungsmächten, danach 1950, 1951 und 1953 geändert worden. Nun hat der Bundesfinanzminister auf einem völlig neuen Prinzip, nämlich dem Prinzip der linearen Progression, dem Prinzip der steuerlichen Gleichheit, einen neuen Tarif aufgebaut. Zwangsläufig ergibt sich daraus, daß nicht alle Gruppen der Steuerzahler die Steuersenkung gleichmäßig genießen.
Zur Verwirklichung des Grundsatzes des Abbaus der Vergünstigungen und der Hinkehr zum Prinzip steuerlicher Gleichheit mußten wir tariflich sozusagen eine große Flurbereinigung vornehmen. Diese Flurbereinigung hat zwangsläufig zur Folge, daß nicht völlig gleichmäßig alle Steuerpflichtigen sagen können: die Steuern sind um 20 % oder um 19 % gesenkt. Für manche Gruppen ist die Steuersenkung gering. Einige kommen sogar in die unangenehme Lage, daß sie praktisch etwas mehr Steuern zahlen müssen als vorher. Man muß das offen aussprechen. Es ergibt sich aus der Flurbereinigung auf dem gesamten Tarifgebiet.
Man kann aber generell sagen, daß etwa bis zu einer Grenze von 4500 Mark sämtliche Einkommensbezieher weniger direkte Steuern zahlen als vor dem Krieg. Ein sehr, sehr großer Teil der Steuerzahler nimmt also, obwohl wir noch unter überhöhtem Steuerdruck stehen und weiter stehen müssen, in bezug auf die direkten Steuern nicht daran teil. Damit kann man uns zweifellos in bezug auf diese Tarifgestaltung nicht den Vorwurf unsozialen Verhaltens machen.

(Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

Die höheren Einkommen bezahlen mehr als früher. Auf ihnen liegt also auf dem Sektor direkter Steuern die Last des Krieges, die Last der Kriegsfolgen. Aber auch hier ist die Steigerung so, daß wir immer noch von einer Progression von unten nach oben sprechen können, daß also immer noch das Prinzip gilt, daß je mehr einer verdient, desto höher seine Steuerprogression ist.

(Abg. Seuffert: Noch! Noch! — Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig! — Abg. Raestrup: Leider!)

Welche Wünsche kann man nun berücksichtigen? Die beste Steuersenkung ist immer noch die Ausgabensenkung. Bei der Verwirklichung dieses Grundsatzes sind wir hier in diesem Hohen Hause bisher nicht als Beispiel vorangegangen. Das wissen wir j a alle. Andererseits haben nun mal eben die Steuern den verdammten Zweck, diese Ausgaben zu decken. Daher sind schon von der Ausgabeseite her die Beweglichkeit und die Möglichkeit der Steuersenkung entsprechend eingeschränkt. Wir hören, der Bundesfinanzminister will uns schon die Rechnung für die Ausgaben im Jahre 1955 aufmachen, um unseren Elan bei den Steuersenkungen entsprechend zu dämpfen. — Er guckt ganz böse.
Was steht nun zur Verfügung? Selbstverständlich vertreten auch meine Parteifreunde den Grund-


(Neuburger)

satz: Bei dieser Steuerreform muß die Senkungsmöglichkeit aufs äußerste ausgenutzt werden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir müssen die Steuern senken, soweit es irgend möglich ist,

(Sehr richtig! in der Mitte)

im Rahmen des Grundsatzes, daß der Haushalt gedeckt bleiben und unsere soziale Leistungsfähigkeit erhalten bleiben muß.
Darüber, was nun auf Grund der neuen Tarife an Steuern eingehen wird, gehen die Meinungen etwas auseinander. Ich will Sie nicht aufhalten und hier mit Zahlen herumwerfen. Sie haben gehört, daß der Bundesfinanzminister sich entschlossen hat, diesen Schätzungen so weit wie nur möglich auf den Grund zu gehen, und daß er seinerseits alles dazu beitragen will, um auch uns als verantwortlichen Parlamentariern die Möglichkeit zu geben, diese Schätzungen bis in die letzten Ecken und Winkel zu durchleuchten. Soviel steht fest: wenn sich eine zusätzliche Möglichkeit der Steuersenkung ergibt, müssen wir die weitere Erhöhung der Freigrenzen auf dem sozialen Sektor ins Auge fassen, ihre weitere Erhöhung auf dem Sektor der Familienförderung. Im Interesse der Erhaltung und Förderung des Mittelstandes, damit im Interesse unserer freiberuflich Schaffenden, wollen wir eine, nun muß ich allerdings sagen, Steuervergünstigung, die in der Form gegeben wird, daß der Tarif etwa für die Steuergruppen von 10 000 bis 30 000 DM, um nur einmal zwei Zahlen zu nennen, entgegen der jetzigen linearen Progression etwas nach unten ausgebuchtet wird, also in Abweichung vom Tarifprinzip.
In diesem Zusammenhang — darauf will ich nachher noch besonders eingehen — möchte ich auf die Freibeträge für die mitarbeitende Ehefrau hinweisen. Da es sich bei den hiermit angesprochenen Steuerzahlern im Rahmen der gesamten Direkt-Steuerpflichtigen immer um eine sehr große Zahl handelt — sie geht in die Millionen —, sind natürlich auch die Beträge in der Ausfallrechnung zwangsläufig sehr hoch. Wir haben z. B. rund 10 Millionen Lohnsteuerpflichtige. Eine Mark Steuersenkung pro Monat sind im Jahr 12 Mark für den einzelnen, aber für das Budget 120 Millionen.

(Abg. Seuffert: Nicht alle haben dasselbe Einkommen, Herr Neuburger!)

— Ich rede ja jetzt nur von der rechnerischen Auswirkung bei einer D-Mark.

(Abg. Seuffert: Das macht auch nicht für alle eine Mark!)

— Richtig. Aber ich wollte nur andeuten, daß wir uns in bezug auf die Steuersenkungsmöglichkeiten trotz eingehender Nachschätzungen nicht zu große Hoffnungen machen können, weil es sich, wie gesagt, bei den Forderungen, die wir zu berücksichtigen haben — Sozialforderungen, Erhöhung der Freigrenze, steuerliche Vergünstigung über den Tarif der mittelständischen und freiberuflich schaffenden Steuerzahler —, jeweils um eine sehr, sehr große Zahl von Steuerpflichtigen handelt.
Nun noch zu den Einzelbestimmungen des Reformgesetzes. Wir haben die Vergünstigungen sowohl hinsichtlich des § 7 als auch des § 10 aufgehoben. Als wir den § 7 c mit Wirkung per 31. Dezember 1954 aufhoben, waren wir uns darüber im klaren, daß das Problem des sozialen Wohnungsbaus zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöst sei. Wir waren uns daher auch darüber
klar, daß wir in irgendeiner Form einen Ersatz für den Ausfall der bisher über § '7 c geflossenen Gelder schaffen müßten. Das Volumen betrug zumindest in den letzten zwei Jahren durchschnittlich ungefähr 700 Millionen DM, die in den sogenannten unrentierlichen Teil des sozialen Wohnungsbaus flossen. Wir müssen also irgendeinen Ersatz bieten. In der Reformnovelle selber ist ein solcher Ersatz nicht vorgesehen. Im Kapitalmarktförderungsgesetz

(Abg. Seuffert: Wo ist es denn?)

soll als Ersatz

(Abg. Seuffert: Soll?!)

der Sozialpfandbrief vorgesehen sein.

(Abg. Seuffert: Oder nicht sein! — Abg. Samwer: Das ist hier die Frage!)

— Weil eine entsprechende Gesetzesvorlage noch fehlt,

(Abg. Seuffert: Aha!)

bin ich auch nicht ermächtigt, namens meiner Parteifreunde hierzu eine Erklärung abzugeben. Aber die Überlegungen, inwieweit der Sozialpfandbrief einen Ersatz darstellen kann, werden doch sehr eingeschränkt und zwangsläufig in eine ganz bestimmte Richtung gedrängt, wenn man die Zweckbestimmung berücksichtigt. Der zu erreichende Zweck soll sein, Gelder für einen unrentierlichen Teil im Rahmen der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu bekommen. Das hinzugebende Geld ist also unrentierlich. Dieser Tatbestand ist unbestritten und leider auch unbestreitbar. Der Sozialpfandbrief verlangt eine 5%ige Verzinsung. Das Geld, das über den Sozialpfandbrief kommt, muß also rentierlich sein, oder es muß ein anderer kommen, der die 5 % bezahlt. Mit anderen Worten, ich sehe in dem Sozialpfandbrief keinen Ersatz

(Abg. Samwer: Richtig!)

für die Finanzierungslücke des unrentierlichen Teiles.

(Abg. Dr. Eckhardt: Kein Zweifel!)

Darüber hinaus sehe ich in dem Sozialpfandbrief einen absoluten Störenfried auf dem Kapitalmarkt,

(Abg. Seuffert: Sehr richtig!)

einen Störenfried, der nur Schaden bringt ohne jeden Nutzen.

(Sehr richtig! bei der SPD und dem GB/BHE.)

Es wäre meines Erachtens an der Zeit, ihn möglichst bald zu kassieren.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das war aber eine schwere Geburt!)

Ich habe mich noch gar nicht so sehr umgehört, ob alle meine Parteifreunde dieser Auffassung sind.

(Abg. Seuffert: Nachher freuen Sie sich über uns!)

Aber ich habe ja eingangs schon erwähnt: wir haben uns noch nicht damit zu befassen, weil eine entsprechende Vorlage fehlt. Ich wollte und mußte aber im Zusammenhang mit der Frage, wo der Ersatz für § 7 c liegt,

(Abg. Samwer: Also doch § 7 c!)

darauf hinweisen, daß aus Zinsgründen der Sozialpfandbrief, auch wenn er noch so viel Geld und
Kapital bringen würde, das Ersatzmittel nicht sein


(Neuburger)

kann, weil er eben kraft seiner Bestimmungen nicht unrentierlich, sondern rentierlich sein muß.
Wie steht es nun mit der Wiedereinführung des § 7 c?

(Abg. Samwer: Also doch 7 c!)

Wie Sie wissen, hat sich der Bundesfinanzminister heute morgen nochmals dagegen ausgesprochen und hat gesagt: „Wir haben feierlich die Vergünstigungen aufgehoben. Es ist doch völlig unmöglich, daß wir sie wieder einführen".
Es steht allerdings wohl fest, daß die Wiedereinführung des § 7 c nicht mehr so viel bringen würde, wie er bisher gebracht hat, und zwar mit Rücksicht darauf, daß eben die Tarifsätze doch eine entscheidende Senkung erfahren und damit der Anreiz für die Hingabe von 7 c-Geldern wegfällt. Viele 7 c-Gelder wurden doch unter dem Aspekt gegeben: Na, bald kommt ja eine mächtige Steuersenkung; die große organische Steuerreform ist ja schon feierlich angekündigt und kann nicht mehr lange auf sich warten lassen!
Wenn ich unsere Leistungen und unsere Ausgaben betrachte, die wir heute haben und die vielleicht noch auf uns zukommen, dann muß ich sagen: wir haben unsere Steuern gesenkt und wollen sie noch weiter senken — von dem ursprünglichen Plafond von 90 % auf jetzt 55 %. Damit haben wir meines Erachtens die Steuern schon mehr gesenkt, als wir sie jeweils später noch senken können.

(Abg. Seuffert: Hört! Hört!)

Finden wir ein Mittel, um die Ausgaben zu senken, dann senken wir gern die Steuern weiter!

(Zuruf von der SPD: Welche?)

Ich glaube also, daß wir auch mit der Wiedereinführung des § 7 c die Mittel nicht bekommen. Daher wäre zu untersuchen, ob nicht völlig neue Wege beschritten werden können; etwa der Weg, die unrentierliche Lücke durch Staatsbürgschaften oder Zinssubventionen auszufüllen oder dadurch, daß die Gelder, die gegeben werden, dann, rein steuerlich gesehen, eine Teilwertabschreibung erfahren, weil sie unrentierlich sind; denn jedes Kapital, das unrentierlich, unverzinslich gegeben wird, steht ja nicht mehr zu pari. Man müßte also, teilwertmäßig gesehen, eine Abschreibung zulassen. Man könnte auch sagen, daß zwar die Hingabe der Gelder nicht steuerbegünstigt ist, daß aber im Zeitpunkt der Rückzahlung ein gewisser Prozentsatz der rückzuzahlenden Beträge steuerlich als Unkosten absetzbar ist. Wir wissen nur eines: wir müssen, da wir weiterhin den sozialen Wohnungsbau vorwärtstreiben müssen, so oder so eine Finanzierungsquelle für diesen unrentierlichen Teil finden. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, in Zusammenarbeit mit dem Wohnungsbauausschuß und mit den beteiligten Ministerien den Weg zu finden. Er muß auf jeden Fall gefunden werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die Steuervergünstigungen, die der § 10 gebracht hat, sind wesentlich beschnitten. Wir haben zwar als Ausgleich die Sonderausgaben etwas erhöht. Trotzdem sind die Steuerzahler, die bisher im Genuß dieser Möglichkeiten waren, darin sehr beschränkt. Insbesondere ist die Möglichkeit der Altersversorgung für die selbständigen und unselbständigen Schaffenden eingeschränkt, und gar keine Möglichkeit der Altersversorgung besteht praktisch für den Mittelstand. Wir sind der Auffassung, daß hier im Rahmen der Beratung dieser Novelle etwas geschehen muß, vielleicht, indem man in beschränktem Umfang den Kapitalansammlungsvertrag wieder einführt, aber mit absolut verlängerten Laufzeiten und selbstverständlich mit der Höchstbegrenzung, wie sie jetzt vorgesehen ist. An eine Erhöhung dieser Sätze denkt niemand; man muß nur an die Erweiterung des Personenkreises denken. Denn von den erhöhten Sonderausgaben können nach der gesetzlichen Regelung bisher nur die unselbständig Arbeitenden und die in selbständiger Arbeit Stehenden Gebrauch machen. Sie sollen nunmehr im Hinblick auf die Verdoppelung der Beiträge für Lebensversicherungen und Bausparkassen beschränkt werden. Wenn nun z. B. ein freischaffender Mann über 50 Jahre alt ist und der Versicherungsarzt ihm sagt: „Es tut mir leid, Ihr Gesundheitszustand ist so, daß ich das Risiko, mit Ihnen einen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen, nicht mehr eingehe" — mit einem Bausparvertrag ist es auch so eine Sache —, dann hat er zwar gesetzlich die Freibeträge, die gerade deswegen geschaffen sind, um eben hier eine Altersversorgung zu ermöglichen, aber er kann davon keinen Gebrauch machen. Es erhebt sich daher die Frage, ob nicht doch in beschränktem Umfang die steuerliche Begünstigung der Kapitalansammlungsverträge wieder eingeführt werden soll. Ich sage, es erhebt sich die Frage; man wird das im Rahmen der Möglichkeiten erörtern.
Dasselbe gilt für die berechtigte Forderung des Mittelstandes, daß von dieser Altersversorgungsmöglichkeit nicht nur die in unselbständiger Arbeit und in selbständiger Arbeit Stehenden, sondern auch der gewerbliche Mittelstand. Gebrauch machen könne.
In § 10 a soll durch die Novelle die Frist verkürzt werden. Dies ist die Steuervergünstigung, die wir seinerzeit für Flüchtlinge, Vertriebene usw. eingeführt hatten. Wir haben damals den Wegfall jener Vergünstigungen auf den 31. Dezember 1956 festgesetzt. Diese Frist soll also auch verkürzt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind unglücklich darüber, daß eine solche Bestimmung in diesem Entwurf steht. Wir haben aus ganz bestimmten Gründen und mit viel Überlegung und viel Berechtigung — ich selbst unmittelbar als Initiator mit Ihnen zusammen, Herr Seuffert — seinerzeit dahin gewirkt, daß diese Bestimmungen im Interesse dieses Personenkreises hineinkamen, und wir sind der Auffassung: wenn Rechte mit Frist, nicht unbefristet, gegeben werden, dann soll man, sofern man sich schon zum Prinzip des Rechtsstaates bekennt — und unser ganzes demokratisches Leben basiert ja auf diesem Prinzip —, die Fristen, die man selbst gesetzt hat, respektieren.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Wir können also dieser Fristverkürzung, auch wenn sie natürlich dem Interesse der völligen Bereinigung und dem Abbau aller Sondervergünstigungen dient, nicht zustimmen.
Eine andere Fristverkürzung liegt bei § 33 a. Diese Bestimmungen sind im Interesse eines bestimmten Personenkreises für eine bestimmte Dauer eingeführt worden. Alle, die die Vergünstigung von Anfang an über die ganze Dauer hinweg in Anspruch nehmen konnten, sind gut dran. Wenn nun einer erst im zweiten oder letzten Drittel der Gesetzesdauer Anwärter wird, sagt er sich: Ich bin als Spätheimkehrer schon sehr viel mehr benach-


(Neuburger)

teiligt als die anderen, und trotzdem kriege ich jetzt dafür noch die Quittung, daß ich die Vergünstigung nur noch ein halbes Jahr oder ein Jahr beanspruchen darf. Insofern liegt in diesen Fristbestimmungen eine Härte, und es wäre vielleicht zu überlegen — vielleicht hätte man es früher schon überlegen sollen —, ob man die Frist nicht für jeden einzelnen, sagen wir einmal, auf drei Jahre begrenzt, nach deren Ablauf die Vergünstigung entfällt. Allerdings stünde das in Widerspruch zu dem Grundsatz der Steuervereinfachung, dem wir mit unseren Gesetzen ja auch näher kommen wollen.
Nun das Problem der Ehegattenbesteuerung. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja zum Ausdruck gebracht, daß die derzeitige steuerliche Regelung einen glatten Widerspruch zum Prinzip der Gleichheit der Besteuerung darstellt.

(Abg. Dr. Eckhardt: Richtig!)

Die derzeitige Regelung stellt unbestreitbar die stärkste Verletzung dieses Grundsatzes dar. Der Herr Bundesfinanzminister will diesen ungesunden Zustand dadurch beseitigen, daß er allmählich zu der für ihn allein möglichen gemeinschaftlichen Besteuerung zurückkehrt. Deshalb hat er sich entschlossen, in der Vorlage einen weiteren Schritt in der Richtung auf dieses Ziel, die gemeinschaftliche Besteuerung, zu gehen, indem er nunmehr die Grenze für die getrennte Besteuerung auf 9000 DM angesetzt hat. Ob man zu diesem Grundsatz der gemeinschaftlichen Besteuerung angesichts der Tatsache, daß immer mehr Ehefrauen berufstätig sind, zurückkehren kann und ob wir nicht eventuell doch auf eine andere Lösung abgedrängt werden, etwa die Lösung der getrennten oder der halbierten Veranlagung, des Halbierens der Verdienste ohne Rücksicht darauf, wer von den einzelnen Ehegatten und wieviel der einzelne Ehegatte verdient, das können wir im Rahmen dieser Reform wahrscheinlich nicht lösen; denn eine solche Schwenkung wäre, wie feststeht, im Rahmen dieser Tarifgestaltung nicht möglich. Wenn wir uns ,also grundsätzlich von dem Vorschlag des Bundesfinanzministers abwenden sollten, so hätte das zwangsläufig zur Folge, daß wir auch den Tarif, so wie er vorliegt, nicht gebrauchen könnten. Es würde also eine völlige Umgestaltung des Tarifs bedeuten.
Die vom Bundesfinanzminister jetzt vertretene Regelung ist unter sozialen Gesichtspunkten zu bejahen. Man müßte dann allerdings folgerichtig auch die übrigen mitarbeitenden oder mitverdienenden Ehefrauen im Rahmen eines solchen Einkommens bis zu 9000 DM gleich behandeln. Das würde bedeuten, daß wir die mittelständische Forderung auf Einräumung eines Freibetrags für die mitarbeitende Ehefrau und die gleichlautende Forderung der Landwirtschaft in entsprechender Form berücksichtigen müssen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Denn nach wie vor haben wir den wirklich mehr als unleidlichen Zustand, daß sich das Sichverheiraten steuerlich im Rahmen der Gesamtveranlagung nachteilig auswirkt. Diese Auswirkung wäre nur über eine andere Veranlagungsmethode oder über eine andere Tarifgestaltung mit völlig anderen Freigrenzen zu beseitigen. Steuerlich müßten wir auf diesem Sektor mindestens die Neutralität anstreben, von der Förderung der Familie ganz zu schweigen, die zusätzlich eingebaut werden
müßte und heute in Form der Freigrenzen für Kinder zweifellos schon ganz erheblich eingebaut ist. Ich möchte dieses Streitthema nicht weiter erörtern. Ich wollte hier nur den heutigen Tatbestand aufzeigen, Möglichkeiten und Grenzen der Lösung, aber auch die Schwierigkeiten dieser Lösung und die Forderungen, die gegebenenfalls auch von meinen Parteifreunden im Interesse der Gleichheit der Besteuerung angemeldet werden müßten.
Damit wären die Einzelthemen zur Einkommensteuernovelle, die ich mir vorgenommen habe, erschöpft. Ich muß nur noch folgendes ansprechen. Durch den 'Wegfall der Steuervergünstigungen, insbesondere den Wegfall des § 10, Kapitalansammlungsverträge, haben wir zweifellos ein außerordentliches Risiko auf dem Gebiet des Kapitalmarkts übernommen. Diese Kapitalansammlungsverträge hatten zwangsläufig zur Folge, daß sich hier echtes Kapital, langfristiges Kapital, bildete. Nun wird niemand mehr angehalten, Kapital zu bilden, um Steuern zu sparen. Dazu kommt noch die allgemeine Tarifsenkung. Wir werden also zwangsläufig einen Hang erleben — einen Trend, wie man heute zu sagen pflegt — vom Kapitalmarkt zum Konsum, soweit durch die Tarifsenkung Steuern eingespart werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist dies wirklich ein sehr großes Risiko, das wir hier eingehen. Ich bitte das nicht zu unterschätzeu. Denn auf dem Sektor Investitionen in unserer Wirtschaft sind wir noch nicht so weit, daß wir schon à jour wären. Wir können unseren Lebensstandard und den Wettbewerb im Rahmen der Weltwirtschaft nicht durchhalten, wenn wir auf diesem Sektor nicht noch viel mehr tun als heute. Die Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze von morgen. Das ist heute für niemanden ein Geheimnis mehr. Trotz dieses Risikos wollen wir die Kapitalansammlungsverträge mit den bisherigen Vergünstigungen nicht mehr haben, sondern höchstens noch in Form der Altersversorgung. Um die Gefahr des Investitionsrückgangs etwas einzudämmen, soll zusammen mit der Einkommensteuer auch die Körperschaftsteuer gesenkt werden, und zwar von 60 auf 45%, unter Beibehaltung der Vergünstigungen bei der Dividendenausschüttung. Diese Maßnahme soll also in erster Linie dazu dienen, den Investitionsmarkt zu fördern bzw. die möglichen Ausfälle aus dem Wegfall der Kapitalansammlungsverträge wieder auszugleichen.

(Abg. Seuffert: Wieso fördert eigentlich Steuervergünstigung für Dividenden die Investitionen, Herr Neuburger?)

— Das ist sehr einfach. Sie wissen genau, Herr Kollege Seuffert, daß man auch investieren kann, indem man Teile des eigenen Gewinns, statt sie an die Steuer abzuführen, wieder in das eigene Unternehmen reinsteckt. Wenn dann vom eigenen Gewinn 15 % mehr als bisher verbleiben, dann hat man 15 % mehr Mittel, um den Betrieb zu erneuern, zu modernisieren, wettbewerbs- und konkurrenzfähiger zu machen.

(Abg. Albers: Das sollte so sein!)

— Das ist auch so. Das Geld wird nicht genommen und irgendwie nach auswärts verfrachtet.

(Abg. Raestrup: Und die Personengesellschaften?)

— Das kommt noch, lieber Herr Raestrup!


(Neuburger)

Des weiteren stellen wir leider eine steigende Verschuldung unserer Gesellschaften fest. Die Versorgung mit Eigenkapital und die Versorgung mit Schuldkapital klaffen immer weiter auseinander. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, meinen, das sei eine erstrebenswerte Entwicklung, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich persönlich völlig anderer Auffassung bin. Wir müssen, wenn wir uns wirklich in echter Weise zur sozialen Marktwirtschaft bekennen, das Prinzip der Stärkung des haftenden Kapitals ständig betonen und alles tun, damit dieses haftende Kapital sich verstärken kann und damit das Schuldkapital sinkt.

(Beifall in der Mitte.)

Die Entwicklung ist leider umgekehrt. Das haftende Kapital kann, wie gesagt, dadurch verstärkt werden, daß beim Gewinn etwas verbleibt, aber auch dadurch, daß der einzelne, statt sein Geld zu konsumieren, es der Industrie, der gewerblichen Wirtschaft in Form der Aktie als haftendes Kapital anbietet.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Denn wo soll denn die Aktienvermehrung herkommen? Sie fällt doch nicht vom Himmel, sie kann doch nur dadurch kommen, daß der einzelne sich bereit findet, zu sagen: ich vertraue unserer Wirtschaft und lege mein Geld in haftendem Kapital an.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

So gesehen ist es doch nicht mehr als vernünftig, wenn wir die Doppelbesteuerung wenigstens zum Teil abbauen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir haben das im Jahre 1953 genau überlegt und die dort vorgenommene Regelung mehr als begrüßt. Wir vertreten die Auffassung: die Dividende muß steuerbegünstigt bleiben. Den Keil, den wir in die Doppelbesteuerung reingeschlagen haben, müssen wir drinlassen und ihn allmählich noch- so ausweiten, daß die Doppelbesteuerung endgültig fällt. Dann, lieber Herr Raestrup, sind wir auch so weit, daß wir keinen Unterschied mehr zwischen Kapitalgesellschaften und Personalgesellschaften zu machen brauchen.

(Abg. Seuffert: Heißt das Beseitigung der Körperschaftsteuer? Sagen Sie doch gleich, was das heißt!)

Wie gesagt, dann sind wir auf dem Wege; das ist dann das Ergebnis.

(Abg. Seuffert: Das sagen Sie aber dem Herrn Finanzminister!)

— Ich habe ja mein Bedauern ausgesprochen!
Das sind die Themen, die in der großen, der organischen Steuerreform einmal angesprochen und bewältigt werden müssen. Wir können das heute nun nicht. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, daß wir dann auf dem richtigen Wege sind, um dieses Ziel: Einheitlichkeit in der Besteuerung von Personalgesellschaften und Kapitalgesellschaften, zu erreichen.

(Abg. Raestrup: Aber ab 1. Oktober, bitte schön! — Heiterkeit.)

— Herr Raestrup wird sich wahrscheinlich hier ganz besonders noch dafür einsetzen, weil er der Auffassung ist, daß die heutige Differenz zwischen den 45 % bei den Kapitalgesellschaften und dem Stoppauslauf mit 55 % bei den Personalgesellschaften noch nicht das richtige Verhältnis darstellt
und daß die Personalgesellschaften nach wie vor noch etwas benachteiligt sind.

(Abg. Dr. Eckhardt: Da hat er auch recht!)

Ich wollte nicht verfehlen, auch dieser Meinung Ausdruck zu verleihen.
Die Dividendenbegünstigung liegt, wie gesagt, bei 30 %. Nach der bisherigen Regelung müßte die Vergünstigung bei der Hälfte liegen. Bisher hatten wir 60 zu 30. Dieses Verhältnis müßte angestrebt werden. Vielleicht läßt es sich auch in dem Verhältnis 45 zu 221/2 verwirklichen.
In diesem Zusammenhang muß auch das Problem des Schachtelprivilegs gelöst werden, das meines Erachtens lösbar ist. Das ist aber eine Spezialfrage, womit ich Sie, meine Damen und Herren, hier nicht belästigen möchte.
Ich komme zum Schluß. Ich konnte unmöglich alle Probleme ansprechen. Wie ich bereits sagte, bedaure ich, daß diese Reformvorlage nicht die große oder organische Steuerreform beinhaltet. Die im Rahmen dieser Vorlage vorgesehene Erhöhung der Umsatzsteuer — diese Sondersteuer — wird namens meiner Parteifreunde nicht befürwortet. Ich kann es sogar hoch stärker ausdrücken: sie wird abgelehnt.

(Sehr gut! rechts.)

Diese Ablehnung wird aber auch jede Sondersteuer betreffen, die man sich vielleicht als Ersatz dafür ausdenken sollte. Diese Steuer ist eine Sondersteuer, und jede Sondersteuer, die einen Wirtschaftszweig belastet, wird im Rahmen des Wirtschaftsprozesses immer auf den schwächsten Teilnehmer in der Kette dieses Wirtschaftsprozesses abgewälzt, ob Sie wollen oder nicht.

(Sehr richtig! rechts.)

Das gilt für diese Sondersteuer, wird aber auch für jede andere Sondersteuer zutreffen, die Sie einführen wollen. Wenn Sie irgendwie einmal dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ganz eklatant widersprechen wollen, dann müssen Sie eine Sondersteuer einführen, die einen einzelnen Wirtschaftszweig belastet. Sie wird, wie gesagt, im Rahmen dieses Wirtschaftsprozesses kraft der Konkurrenz und der dynamischen Kraft immer auf den Schwächsten abgewälzt, ob vor- oder rückgewälzt, ist gleichgültig.

(Abg. Seuffert: Sagen Sie das Herrn Stücklen! — Abg. Stücklen: Ja, ja, der weiß schon Bescheid!)

Auf jeden Fall wird jede Sondersteuer auf den Schwächsten abgewälzt. Daher spreche ich mich im Namen des Großteils meiner Parteifreunde gegen jede Sondersteuer aus.
Die Frage der Ergänzungsabgabe will ich nicht besonders behandeln. Sie ist ja im Rahmen der Besprechung des Finanzreformgesetzes mit behandelt worden und wird mehr oder weniger das Schicksal des Finanzreformgesetzes teilen bzw. teilen müssen.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Die Grundsätze dieser Steuerreform sind gut. Sie verwirklichen das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie tragen dazu bei, unsere Kosten zu senken, weil wir von überhöhten Steuern herunterkommen. Sie tragen dazu bei, die Kosten zu senken, weil wir vom unökonomischen Denken abgehen. Sie tragen dazu bei, unser Sozialprodukt zu steigern, weil sie die Leistungsfähigkeit des einzelnen steigern. Denn der einzelne — d. h. 99 %


(Neuburger)

aller Einkommensteuerpflichtigen — weiß, daß er nun wenigstens, was ihn betrifft, bis zu 50 % seines Arbeitsertrags behält. Damit steigern wir unser Sozialprodukt, und damit senken wir zwangsläufig im Rahmen unserer Konkurrenz- und Wettbewerbswirtschaft die Kosten. Damit heben wir die reale Kaufkraft, und diese Hebung der realen Kaufkraft kommt allen zugute, den Schwächsten der Armen zuerst. Sie kommt also auch all denen zugute, die keine Einkommensteuer zahlen und die vielleicht annehmen könnten: Was kümmert uns das Gezänk dieser Leute, die Einkommensteuer zahlen, ob die Tarife so oder so sind? Ich muß ja so oder so keine bezahlen! Jawohl, durch die Art und Weise, wie wir jetzt unsere Einkommensteuertarife und Körperschaftsteuertarife gestalten, heben wir unmittelbar die reale Kaufkraft und tragen damit zur Erhöhung des Lebensstandards eines jeden einzelnen bei. Wenn einzelne Gruppen kommen und sagen, sie hätten das oder das zu wenig: nun, jeder einzelne nimmt in einem gewissen Ausmaß an dieser Steuersenkung teil, und dies soll und muß man sehen.
Auch für den Mittelstand ist zu beachten, daß seinen Interessen im Rahmen des Verlustvortrags, im Rahmen der vereinfachten Buchführung und im Rahmen von anderen Vereinfachungsvorschriften in zusätzlicher Weise Rechnung getragen worden ist. Auch bei der Landwirtschaft ist das geschehen durch die Erhöhung von Freibeträgen für die Grünlandwirtschaften. Ich erinnere in dem Zusammenhang an die bereits durchgeführte Einführung der Degressivabschreibung. Ich erkläre es allerdings als eine sehr berechtigte und überaus durchgreifende Hilfe für die Landwirtschaft und den Mittelstand, wenn es möglich wäre, die degressive Abschreibung, die sich bisher auf Wirtschaftsgüter mit einer Lebensdauer von zehn und mehr Jahren erstreckt, auf die Wirtschaftsgüter mit einer Lebensdauer von fünf Jahren auszudehnen. Damit könnten wir über die Tarifsenkung und sonstigen Reformvorschläge hinaus dem Mittelstand und auch der Landwirtschaft entscheidend steuerlich helfen.
Abschließend lassen Sie mich sagen, was Bundeskanzler Adenauer vorgestern abend in dem Interview gesagt hat: Diese Steuerreform ist eine große Tat, wenn auch unvollkommen. Zu dem bekenne auch ich mich, zu dem bekennen sich auch meine Parteifreunde. Unsere Aufgabe wird es nun sein, diese große Tat im Interesse unserer Wirtschaft, im Interesse unserer Steuerzahler, im Interesse unseres gesamten Volkes möglichst rasch zu verwirklichen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202901000
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0202901100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der erste Redner an diesem Tage und ich werde vermutlich nicht der letzte sein, der seine Ausführungen mit der Feststellung beginnt oder schließt, daß das keine Steuerreform sei, daß das nicht die große Steuerreform sei, die man seit Jahren versprochen hat, und der seiner Enttäuschung darüber Ausdruck gibt.
Von „historischem Entschluß" und von „geschichtlicher Stunde" spricht man eigentlich schon nicht mehr, eher, wie soeben gehört, von einer großen Tat, - über die man aber eigentlich doch sehr
enttäuscht sein muß, nicht wahr, Herr Kollege Neuburger? Aber auch als das Ergebnis einer Überprüfung des ganzen Systems, wovon der Herr Bundesfinanzminister heute noch gesprochen hat, ist das doch recht mager.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das kann man wohl sagen!)

Nun, was die ganze Öffentlichkeit sagt, was jedermann sagt, was sogar der Kollege Neuburger sagt, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Aber das Schlimme daran ist, daß uns der Herr Bundesfinanzminister einmal versprochen hat, diese Steuerreform werde die Grundlage zur notwendigen Sozialreform abgeben.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das war vor den Wahlen!)

Von dieser Grundlage und von dieser Möglichkeit sehen wir gar nichts. Diese Steuervorlagen lassen jeden Willen vermissen, auf die Gesamtsteuerlast, ihre Verteilung und die Auswirkung ihrer Verteilung auf die sozialen Spannungen entscheidend Einfluß zu nehmen.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Sehr richtig!)

Man behilft sich mit Nebenlösungen, Zwischenlösungen und Notlösungen. Von reformatorischem Charakter, von Dingen, über die man sich einmal sachlich in großem Rahmen auseinandersetzen könnte, ist in dieser Steuervorlage leider nicht die Rede.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wir werden, wie schon so oft bei Steuervorlagen in diesem Hause, doch wieder dieses üble Spiel der Auseinandersetzung zwischen Fiskalismus und Interessentenforderungen spielen müssen,

(Beifall bei der SPD)

das wahrscheinlich wieder anheben wird, selbstverständlich gewürzt mit den notwendigen Beigaben an Sentimentalität und jovialen Bemerkungen seitens des Herrn Bundesfinanzministers, die wir ja auch heute schon vernommen haben. Ich werde deswegen das Wort Steuerreform möglichst vermeiden, wenigstens im Zusammenhang mit dieser Regierungsvorlage.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Und nur in Anführungsstrichen!)

Aber da wir doch irgendwie über Steuerreform sprechen müßten, bin ich in der Tat genötigt, über eine ganze Reihe von Dingen zu sprechen, die nicht in der Steuervorlage stehen und die nicht in ihr behandelt worden sind, die aber in ihr behandelt werden müßten. Um gleich den Zusammenhang herzustellen: Eine Steuerreform, die irgend etwas mit Sozialreform zu tun hätte, könnte doch nicht an dem großen Block der Verbrauch- und indirekten Steuerbelastung vorbeigehen,

(Beifall bei der SPD)

der der größte Teil der gesamten Steuerbelastung ist. Dieser Block beträgt heute 60 % der Gesamtbelastung.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Bei Antritt der derzeitigen Bundesregierung oder vielmehr ihrer mit ihr identischen Vorgängerin im Jahre 1949 betrug dieser Anteil 33 %.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese Steigerung von 33 auf 60 % ist das Ergebnis einer bewußten und gewollten Politik des Bundesfinanzministers und der Regierung.

(Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)



(Seuffert)

Denn es war der Bundesfinanzminister, der bei Antritt seines Amtes im Jahre 1949 erklärt hat, daß dieser Anteil von 33 % ihm als zu wenig erscheine und erhöht werden müsse. Es war der Herr Bundesfinanzminister, der damals erklärt hat, er lehne es ab, die Steuerlast auf die starken Schultern zu legen, er sei dafür, die Last auf die vielen, wenn auch schwachen Schultern zu verteilen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Um anschaulich zu machen, was das für den einzelnen bedeutet, nur einige Zahlen. Ich verweise Sie auf die Berechnungen, die das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften über die Belastung eines Normalhaushalts durch die Verbrauchsteuerlast angestellt hat. Diese Berechnungen werden durch Untersuchungen anderer Institute wie des Ifo-Instituts in München gestützt. Ich bemerke, daß ich Grund habe, zu sagen, daß die errechneten Zahlen meiner Ansicht nach zu niedrig sind und daß insbesondere die Umsatzsteuerbelastung hier zu niedrig angesetzt ist. Aber ich gehe von den wenn auch zu niedrigen Zahlen dieser veröffentlichten Berechnungen aus, die Sie nachprüfen können. Es handelt sich um einen Haushalt, der vier Köpfe von einem Bruttoeinkommen von 440 DM im Monat ernähren muß, dessen Verbrauchsausgaben nach den angestellten Untersuchungen also 380 DM betragen. In Zahlen von 1952 beträgt die Belastung dieses Einkommens und dieses Verbrauchs genau 56,78 DM, rund 60 DM im Monat. Das sind 13 bis 14 % des Bruttoeinkommens und über 15 % des Verbrauchs eines solchen Haushalts, rund 15 DM pro Kopf. Das ist die Belastung, die vor Zugriff der Tarifsteuern hier eingreift. Und da man ja nicht sehr viel weniger verbrauchen kann in einem Haushalt, der von rund 400 DM monatlich vier Köpfe ernähren muß, ist es praktisch genau dieselbe Belastung, die auf den Rentnern und auf den Fürsorgeempfängern liegt. Das Existenzminimum, das Sie mit 900 DM ansetzen wollen, ist auf diese Art bereits mit 180 DM jährlich, d. h. mit 20 °/o des Existenzminimums, vor Zugriff aller anderen Steuern vorbelastet, nur auf Grund der Tatsache, daß der Mann existiert und das Existenzminimum ausgeben muß.
In diesem Lichte, meine Damen und Herren, muß die gesamte Steuerbelastung und müssen auch die Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger über den steuerlichen Obolus, den jeder beitragen soll, und über das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern gesehen werden. Das ist der größte Teil der Belastung, die auf den breiten und besonders auf den schwachen Schichten bereits ruht, bevor man überhaupt von Tarifsteuern spricht. Das bedeutet bereits eine Vorbelastung dieser Schichten mit 20 °/o des Existenzminimums, — diese auszugleichen sind ja die Tarifsteuern erst da, von deren Senkung man hier ausschließlich spricht. Eine soziale Steuerreform müßte in erster Linie im Auge haben, diese Belastung zu verringern.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will jedoch gar nicht allgemein bleiben. Wir haben sehr konkrete Dinge anzumelden. Da ist die Zuckersteuer. Sie ist in diesem Haushaltsjahr mit 375 Millionen DM angesetzt, obwohl sie 1953 nur 340 Millionen DM erbrachte. Über die Bedeutung, die der Zucker in der Ernährung der modernen Industrieländer, insbesondere auch für die Kinder gewonnen hat, brauche ich mich gar nicht zu verbreiten. Der Zuckerverbrauch in Deutschland ist gegenüber allen irgendwie vergleichbaren Ländern
am niedrigsten, und wenn die Dinge so weitergehen, werden wir so weit kommen, daß unsere Landwirtschaft beim Absatz ihrer Zuckerrübenproduktion, die für den gesamtwirtschaftlichen Ablauf so eminent wichtig ist, Schwierigkeiten haben wird. Es ist schlechterdings absurd, daß aus rein fiskalischen Gründen auf ein Volksnahrungsmittel eine derartig hohe Steuer gelegt wird. Sie beträgt einschließlich der Umsatzsteuer — die Umsatzsteuer auf Zucker sollte auch verschwinden — 27 % des Zuckereinzelhandelspreises. Man hat berechnet, daß ein vierköpfiger Arbeiterhaushalt allein an Zuckersteuer 17 Mark im Jahr zahlt. Lesen Sie die Diskussionsbeiträge des Bundesrats! Es gibt für die Aufrechterhaltung dieser Steuer keine sachlichen Gründe, nur fiskalische. Die Lage hat sich bezüglich des Zuckerabsatzes und des Zuckerverbrauchs sowie der Volksernährung in dem Maße zugespitzt, daß die Zuckersteuer fallen muß. Wir werden Ihnen einen entsprechenden Antrag in Form eines Initiativgesetzes vorlegen. Dieser Antrag gehört unserer Ansicht nach zur Steuerreform.

(Zustimmung bei der SPD.)

Nun zur Zündwarensteuer. Nach dem Haushaltsansatz sollte sie im Jahre 1953 63 Millionen DM einbringen, effektiv hat sie 58 Millionen DM ohne den Monopolgewinn eingebracht. Der Preis von 10 Pfennig für eine Schachtel schlechter Streichhölzer ist vom Kontrollrat eingeführt worden. In diesem Preis sind mindestens 6 Pfennig Steuern einschließlich der Umsatzsteuer enthalten. Bis 1946 hat eine Schachtel Streichhölzer 3 Pfennig gekostet. Das ist gegenüber dem sonstigen Kostenindex alles in allem eine Erhöhung von 317 %. Im Jahre 1949 hat der Wirtschaftsrat in Frankfurt bereits einstimmig die Senkung der Zündwarensteuer beschlossen. Das Gesetz ist von den alliierten Militärbehörden an den neuen Bundestag zur Erledigung hinübergeschoben worden. Die Bundesregierung und ihre Mehrheit, die heute wieder dieselbe ist, ist dieser ihr überkommenen Verpflichtung nicht nachgekommen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es kommt hinzu, daß, wenn die Zündholzherstellung gegenüber modernen Zündmitteln weiterhin durch die Steuer so außerordentlich belastet wird, geradezu arbeitsmarktpolitische Schwierigkeiten eintreten können. Sie lesen auch hier in den Diskussionsbeiträgen des Bundesrats, daß mindestens eine Senkung der Zündwarensteuer dringend erforderlich wäre. Wir werden Ihnen auch dazu die entsprechenden Anträge vorlegen, die zu einer Senkung des Schachtelpreises auf mindestens 5 Pfennig führen müssen, ohne daß das für den Haushalt irgendwie untragbar wäre. Vielleicht werden bei dieser Gelegenheit noch einige kleinere Reformen in bezug auf diese Steuer anzubringen sein.

(Zuruf rechts: Hoffentlich auch der Einnahmeausfall!)

In einem anderen Sinne muß ich auf das Branntweinmonopol zu sprechen kommen, d. h. nicht im Sinne einer Belastung des Haushalts zugunsten des Verbrauchers, sondern im Gegenteil im Sinne einer Überprüfung zur Entlastung des Haushalts. Das Branntweinmonopol ist eine Sache, zu der ein ernstliches historisches Studium gehört, um es einigermaßen zu verstehen oder vielmehr, um es nicht zu verstehen. In seiner heutigen Form begünstigt es wirtschaftlich rückständige Herstellungsmethoden, hält also rationelle und wirtschaft-


(Seuffert)

liche Herstellungsmethoden hintan, verteilt Subventionen, die einmal einem bestimmten Teil der Landwirtschaft zugute kommen sollten. Sie kommen aber heute weder diesem Teil, noch, im großen und ganzen gesehen, überhaupt der Landwirtschaft oder irgendeinem Zweig der Landwirtschaft zugute, der sie benötigt. Dazu kommt eine höchst undurchsichtige, offenbar recht anfechtbare Verwaltungspraxis. Die Verluste, die dadurch entstehen, sind nicht genau zu schätzen. Ich glaube aber, man ist nicht unvorsichtig, wenn man schätzt, daß mit der Verbesserung der Wirtschaftsmethoden und mit der Beseitigung von unnötigen Subventionen eine Viertelmilliarde DM herausgeholt werden könnte. Wir werden einen Antrag vorlegen, der die Überprüfung des ganzen Komplexes verlangt. Sie .kann entweder durch Sachverständige mit gesetzlichem Enqueterecht unter Mitwirkung und Kontrolle des Parlaments oder durch einen Parlamentsausschuß selbst geschehen. Darüber wird noch zu reden sein.
Der Bundesrat hat, wie Sie wissen, der Bundesregierung bereits einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet. Diese hat ihn mit dem Hinweis darauf abgelehnt, es sei unerwünscht, daß durch eine solche Enquete eine Beunruhigung der beteiligten Wirtschaftskreise entstehe,

(Hört! Hört! bei der SPD)

und hat versprochen, im Rahmen ihrer eigenen Verwaltung eine Überprüfung vorzunehmen. Nun, was diese Beunruhigung betrifft, so erschiene sie uns für den Fall nicht unerwünscht, daß etwas faul ist.

(Beifall bei der SPD.)

Von einer Überprüfung im Rahmen der Verwaltung versprechen wir uns nichts.
Ich muß natürlich in diesem Zusammenhang auf die Umsatzsteuer zu sprechen kommen. Bei aller Hochachtung vor den Qualitäten des Herrn Popitz muß ich doch sagen: Sie ist dringend reformbedürftig. Darüber ist man sich, glaube ich, in allen Kreisen einig. Die Umsatzsteuer ist der Hauptteil der indirekten Steuerbelastung, der Hauptteil des Blocks der Verbrauchsteuerbelastung, der so sehr nach unten drückt. Die Steuer war von Anfang an fiskalisch. Daß sie heute eine Säule unserer Staatseinnahmen ist, ist eine Tatsache, mit der wir rechnen müssen, aber es ist eine bedauerliche Tatsache.
Die Reform der Umsatzsteuer ist zurückgestellt. Das tut uns leid. Wir möchten dringend bitten, daß hier aufgeschoben keineswegs aufgehoben ist. Die Reform ist sehr dringlich.
In den Regierungsvorlagen wird die Umsatzsteuer nur mit dem Vorschlag von Erhöhungen erwähnt. Ich brauche Ihnen wohl kaum besonders zu sagen, daß wir Umsatzsteuererhöhungen dieser Art ablehnen. Das ist für uns geradezu selbstverständlich, einerlei, ob sie sich auf den Großhandel beziehen oder auf sonst etwas. Erst recht gilt das natürlich für Umsatzsteuererhöhungen, die die kommunalen Versorgungsbetriebe, insbesondere der kleinen Gemeinden, die keine eigenen Kraftwerke haben, zusätzlich belasten sollen, die sich also unmittelbar auf die Versorgungstarife der Gemeinden und die Gemeindehaushalte auswirken sollen. Ich finde diesen Vorschlag geradezu unglaublich.

(Beifall bei der SPD.)

Aber damit ist es bei der Umsatzsteuer wirklich nicht getan. Unsere Vorstellungen von dem Weg,
der bei der Reform der Umsatzsteuer einzuschlagen wäre, haben wir Ihnen schon öfter vorgetragen und in Programmen der Öffentlichkeit dargelegt. Der Weg geht in der Richtung der Konzentrierung der Umsatzsteuer auf ganz bestimmte Umsätze oder Phasen oder meinetwegen Nettoumsätze, wenn sich irgendein brauchbares System zu einer derartigen Definition finden läßt, weiter ihrer Differenzierung nach bestimmten Warenarten und der Freistellung des lebensnotwendigen Bedarfs. Damit könnte diese Steuer einen wirtschaftlichen Sinn bekommen.
Ein erster Schritt auf diesem Wege — und das wäre ein Schritt, der ohne die schwierigen Überlegungen über Systeme der Warenumsatzbesteuerung sehr bald getan werden könnte — sollte vor allem die Überprüfung der Umsatzsteuer auf dem Gebiete der sogenannten sonstigen Leistungen außerhalb des Warengebietes sein,

(Sehr gut! bei der SPD)

also der Umsatzsteuer der freien Berufe, der
freien Vertreter, und was sonst hierhin gehört.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Hier ist die Steuer immer besonders fragwürdig gewesen. Hier hat sie immer nur einen fiskalischen oder allenfalls einen systematischen Sinn gehabt, um mit den Steuern auf den übrigen Gebieten gleichzuziehen und schwierige Unterscheidungen zu vermeiden. Aber sie hat niemals einen wirtschaftlichen Sinn gehabt. Ganz bestimmte Härten auf ganz bestimmten Gebieten hat man immer durch das Einsetzen von Freigrenzen anerkennen müssen. Ich erinnere an die Freigrenzen auf dem Gebiet der freien Handlungsvertreter, an die Freigrenzen auf dem Gebiete der Künstler, Journalisten usw., wobei im übrigen die Abgrenzung dieser Berufe in besonders ungereimter und unklarer Weise erfolgt. Da hat man immer Freigrenzen einsetzen müssen, weil man anerkennen mußte, daß das ohne Härten überhaupt nicht bis zum letzten durchführbar war. Diese Freigrenzen müssen mindestens erhöht werden, wenn man nicht, was unserer Ansicht nach das viel Bessere wäre, an die Beseitigung der Steuer auf diesen Gebieten überhaupt sehr bald herangehen kann.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Allermindestens sollte eine Senkung der Steuersätze, wie sie ja auch die Diskussionsbeiträge des Bundesrats vorsehen, für diese sogenannten nicht wirklichen Umsätze eintreten.
Zu erwähnen ist auch die Umsatzbelastung, die immer noch auf der Tätigkeit der Jugendpflege und der Wohlfahrtsverbände ruht. Auch das sind Vorgänge, die außerhalb des eigentlichen Wirtschaftslebens liegen, die ihm nicht angehören und die deswegen eine solche Steuerbelastung weder vertragen noch verdienen.
Zu beiden Steuern wäre vielleicht noch einiges zu sagen, aber besser nicht heute. Es gibt da eine Reihe von Steuern wie die Gesellschaftsteuer, die Versicherungsteuer und eine ganze Reihe von Dingen mehr, die langsam der Schauplatz einer Geheimwissenschaft von Spezialfinanzämtern geworden sind, der Tummelplatz sehr überraschender wirtschaftsfremder Entscheidungen und Maßnahmen und neuerdings in zunehmendem Maße auch der Schauplatz eines fiskalischen Expansionsdrangs nach der Erfindung immer neuer Steuerquellen.

(Sehr gut! bei der SPD.)



(Seuffert)

Ich glaube, hier sollte einmal einiges vereinfacht und überprüft werden. Ich möchte z. B. die Aufmerksamkeit des Hauses darauf lenken, daß nach der neuesten Entscheidung auf ERP-Darlehen, die an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegeben und von den Gesellschaftern, wie das bankmäßig geradezu selbstverständlich ist, verbürgt werden, eine Gesellschaftsteuer von 3 % erhoben werden soll,

(Hört! Hört! bei der SPD)

eine Erfindung, die jedenfalls nicht im Sinne der
Geldgeber dieses ERP-Programms liegen dürfte

(Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

und bei ihnen einiges Kopfschütteln hervorrufen sollte, und ein Zustand, der so schnell wie möglich beseitigt werden muß.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es ist selbstverständlich, daß wir bei einer Steuerreform auch nicht die Einführung neuer Steuern wünschen. Damit ist das, was in diesem Zusammenhang zur Ergänzungsabgabe zu sagen ware — im Zusammenhang mit der Frage des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, also im Zusammenhang mit der Finanzverfassung, hat es ja schon mein Freund Gülich ausgeführt —, gesagt.
Meine verehrten Damen und Herren, wenn Sie etwa gegenüber solchen Vorschlägen die Deckungsfrage stellen sollten, so möchte ich zunächst immerhin sagen, daß, wenn man schon von Steuerreform spricht, es sich nicht in erster Linie um Deckungsfragen, sondern um die Rangfolge der Ansprüche auf Entlastung und auch um die Forderungen auf Vereinfachung der Steuerverwaltung handelt, die zu befriedigen sind,

(lebhafter Beifall bei der SPD)

wenn man schon von Steuerreform oder gar von sozialer Steuerreform spricht. Immerhin haben Sie außerdem heute morgen aus dem Mund des Bundesfinanzministers, der leider noch nicht wieder da ist, gehört, daß es sich insgesamt um ein Volumen von 3900 Millionen oder rund 4 Milliarden DM Steuermasse handelt, das hier zu reformatorischen oder nichtreformatorischen Zwecken mit einem Nettorisiko von 2900 Millionen oder rund 3 Milliarden DM für den Steuerhaushalt hin- und herbewegt werden soll. Bei einem derartigen Volumen kann doch wohl einiges anders gemacht werden, als es sich der Herr Bundesfinanzminister vorstellt;

(Beifall bei der SPD)

und da sind Deckungsvorschläge durch Änderung der Verteilung gar nicht einmal so schwer zu machen.

(Zuruf von der SPD: Faule Ausreden!) Denn innerhalb eines solchen Zusammenhangs kann, wenn man in bezug auf 10, 50 oder auch 100 Millionen von den Vorstellungen des Herrn Bundesfinanzministers und seinen Vorschlägen abweicht, wie diese vier Milliarden anders bewegt und anders verteilt werden sollten, doch wohl nicht alles falsch und alles untragbar sein und alles den Haushalt gefährden.


(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir haben ja heute morgen schon wieder eine solche Probe gehört. Der Herr Bundesfinanzminister ist nur bereit, die durch einstimmige Beschlüsse des Bundestags geforderten Steuerpräferenzen für Berlin einzuführen, wenn das Notopfer
erhöht wird. Anderswo ist in den vier Milliarden oder in den 27 Milliarden des Haushalts gar nichts zu finden. Alles andere ist unpatriotisch, haushalts-
und währungsgefährdend! Herr Bundesfinanzminister — man möge es ihm sagen —, darüber sprechen wir uns noch!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wenn man aber schon einzelne Deckungsvorschläge haben will, — ich habe ja bereits darauf hingewiesen, daß eine Überprüfung des Branntweinmonopols vermutlich schon Beträge in einer Größenordnung ergeben würde, die hier durchaus hinpaßte. Ich möchte Sie auf die Möglichkeit, ja, auf die Notwendigkeit des Abbaus der Exportförderungsmaßnahmen hinweisen, die uns auch etwa eme halbe Milliarde jährlich kosten dürften und die nicht nur keine Förderung der Exporterlöse, sondern bei der heutigen Lage geradezu einer Schmälerung der Exporterlöse, also keine Förderung des Exports, bewirken. Außerdem entsprechen derartige Maßnahmen nicht den langsam sich Geltung verschaffenden Vorstellungen von der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Wir haben gar nichts dagegen, wenn die Bundesregierung in dieser Beziehung Herrn Butler vor einigen Tagen etwas versprochen haben sollte. Sie werden also ohnehin sehr bald wohl wegfallen müssen. Es gibt andere und bessere Mittel, dem Export zu helfen, z. B. vielleicht wirkliche, aktive Auslandskredite für den Export, wenn wir unsere Schulden nunmehr konsolidiert haben und bezahlen wollen und wenn wir uns wirklich dem Zustand einer hundertprozentigen Volldeckung unseres Geldumlaufs durch Gold und Devisen nähern sollten, ein Zustand, den der Herr Bundeskanzler in seiner unerforschlichen Güte und Weisheit vor einigen Tagen überraschenderweise als erstrebenswert bezeichnet hat.

(Heiterkeit und Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich muß noch zu Dingen sprechen, die nicht in der Gesetzesvorlage stehen. Wo steht denn die Regierung in der Frage des Kapitalmarktes und des Wohnungsbaus? Herr Kollege Neuburger hat diese Lücke bereits feststellen müssen. Ich kann sie allerdings nicht mit so viel Liebenswürdigkeit und ich muß sie nicht mit so viel Verlegenheit behandeln, wie er es tat.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Wir hatten einmal eine Regierungsvorlage beim Bundesrat, derzufolge die Sozialpfandbriefe und die Kuponsteuer wegfallen sollten. Diese Vorlage ist vom Herrn Bundesfinanzminister in seiner Einführungsrede zu den Steuervorlagen hier mündlich widerrufen worden. Aber eine weitere Folge hat das nicht gehabt, und wir haben keine Regierungsvorlage zum Kapitalmarktförderungsgesetz. Jetzt, in diesen Steuervorlagen, nimmt man gar keinen Bezug darauf; da bleiben die Sozialpfandbriefe drin, da bleibt die Kuponsteuer drin. Ja, bleiben nun nach den mündlichen Erklärungen die Sozialpfandbriefe, oder bleiben sie nach der Regierungsvorlage nicht? Fällt der § 7 c weg? Fällt er nicht weg? Fallen sie beide weg?
Meine Damen und Herren! Bevor ich mich auf ein solches Ratespiel einlasse, muß ich doch einmal fragen: Was denkt sich eigentlich die Regierung bei diesem Verhalten? Stellt sie sich eigentlich vor, daß man die Steuerreform einer Lösung näherbringen könnte, ohne für diese wichtigen Fragen eine klare Linie zu haben und ohne eine Stellungnahme der Regierung als Grundlage der Dis-


(Seuffert)

kussion vorzulegen? Ist ein solches Verhalten eine Beschleunigung der Steuerreform, zu der sich doch die Bundesregierung bekennt oder mindestens vom Herrn Bundeskanzler feierlich in der Öffentlichkeit verpflichtet worden ist?

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Spiel mit dem Parlament!)

Oder stellt man sich etwa hier wieder vor, daß schnell herbeizuführende einsame Kabinettsbeschlüsse genügen werden, auf die die Mehrheit von vornherein verpflichtet ist, ohne daß man die Parlamentsarbeit einzuschalten braucht?

(Zurufe von der SPD: Wahrscheinlich! Sehr wahrscheinlich!)

Meine Damen und Herren! Diese Dinge müssen besprochen werden — mit und ohne Vorlage —, und Herr Kollege Neuburger mußte sie ja auch besprechen. Unsere Einwände gegen die Politik der Regierung auf diesem Gebiet, die wir mit Nachdruck bei Gelegenheit des Kapitalmarktförderungsgesetzes vorgetragen haben, sind vollauf bestätigt worden. Auch dort, wo damals Übergangsmaßnahmen toleriert werden mußten und wo auch wir bereit waren, sie zu tolerieren, wäre die Fortsetzung dieser Maßnahmen jetzt mehr als schädlich. Die Maßnahmen der Regierung haben sich als ungeeignet erwiesen zur Stärkung des Kapitalmarktes und auch zur Kapitallenkung, wo diese erforderlich gewesen wäre. Sie haben zu steuerlich unerträglichen Ergebnissen geführt, und vor allen Dingen haben sie der wichtigsten Tendenz entgegengewirkt, die auf diesem Gebiet mit allen Mitteln gestützt und verstärkt werden muß, der Tendenz zur Senkung des Kapitalzinses. Die Wichtigkeit dieser Dinge haben wir schon im Jahre 1950 durch unsere Anträge betont. Diese Steuerbegünstigungen halten den Kapitalzins hoch.
Der Fehler der ganzen Sache liegt neben der Unmöglichkeit, aus Steuergesetzgebung und Kapitalzins Renditebegriffe zusammenzukleistern, und neben der Unmöglichkeit, die verschiedenen Formen der Kapitalanlage und ihre Erträge steuerlich so unterschiedlich zu behandeln — der Kapitalmarkt ist ein Ganzes in allen seinen Formen —, vor allen Dingen in der falschen Einschätzung der Rolle, die die legitimen Kapitalsammelstellen am Markt spielen. Diese legitimen Kapitalsammelstellen sind an den Steuerbegünstigungen uninteressiert, und durch die Kuponsteuer werden sie vom Markt ferngehalten. Auf diese Art und Weise haben die Begünstigungen genügt, daß damit Geschäfte gemacht wurden, und was für Geschäfte! Ich will mich darüber gar nicht näher verbreiten, um nicht vielleicht einige Leute auf noch neue Ideen zu bringen. Aber sie haben nicht genügt, einen ausreichenden Absatz auch der steuerbegünstigten Papiere zu gesunden Bedingungen zu sichern; denn bei den miserablen Auszahlungs-
und Emissionskursen, die wir heute sehen, ist die effektive Verzinsung auch der steuerbegünstigten Papiere ein Beweis dafür, daß dieser Weg, billiges Geld herzubringen, nicht der richtige war, jedenfalls jetzt nicht mehr der richtige ist.
Es muß aber auch aufhören lassen Sie mich das bei dieser Gelegenheit bemerken —, daß Banken oder andere kapitalkräftige Unternehmen Termingelder in abnormer Höhe hereinnehmen, die sehr wohl bereits auf den Kapitalmarkt gehören würden — eine derartige Tatsache ist in Denkschriften des Bankenverbandes als unabänderlich und sogar geradezu als Begründung für steuerliche Forderungen vermerkt worden —, und es muß aufhören, daß diese Banken das Geld in steuerfreien Papieren anlegen, statt sich die Mühe zu geben, Kredite an die Wirtschaft auszugeben.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Die Banken sind dazu da, Kredite auszugeben; aber sie sind nicht dazu da, ihr eigenes Geld in Papieren anzulegen, und sogar noch in steuerfreien, und hierzu außerdem noch Gelder ihrer Kunden hereinzunehmen, die auf den Kapitalmarkt gehören. Auch die Wirtschaft ist dazu da, mit den Krediten zu bauen und zu wirtschaften und nicht das Geld auf die Bank zu legen.
Wir haben, meine Damen und Herren, dies alles damals vorausgesagt. Es ist hervorzuheben und sehr anzuerkennen, daß angesehene und verantwortungsbewußte Männer aus dem Bankwesen selbst sich von allen bequemen Interessenstandpunkten frei gemacht und deutlich und unmißverständlich auf diese Mißstände und Mißbräuche hingewiesen haben. Vielleicht werden sie Ohren erreichen, die mit unseren Vorstellungen zu erreichen und zu überzeugen uns nicht möglich war.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang, daß die Bankenverbände und die Bankaufsichtsstellen sich nunmehr zu einer Aktion vereinigt haben, um die Habenzinsen unter wirklich wirksame Kontrolle zu bringen. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Aktion in der Praxis auch zu den notwendigen Auswirkungen führt.
Ich glaube, ich sollte noch eine Bemerkung über die wirkliche Grundlage des Kapitalmarkts machen; denn man kann in der heutigen Situation an diesem Problem, gerade wenn man über Steuerreform und über die Ziele spricht, die damit zu verfolgen wären, nicht vorbeigehen. In Denkschriften des privaten Bankgewerbes sind wörtlich Sätze zu finden wie:
Die Spitzenbelastungssätze des Steuertarifs
sind für Zinsen und Dividenden entscheidend.
Wenn da weiter steht, daß die mittleren Einkommensgruppen für die Kapitalbildung wichtig sind, so wäre das schön und gut, wenn es nicht dahin erläutert wäre, daß unter solchen mittleren Gruppen die Einkommensgruppen von 20 000 bis 150 000 DM im Jahr gemeint seien.

(Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Schöne „mittlere Einkommen"!)

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das ist der
neue Mittelstand! — Weiterer Zuruf von der
SPD: Pferdmenges!)
Die Grundlage des Kapitalmarktes sind, wie die Grundlage der Wirtschaft überhaupt, der Normalbürger und das Durchschnittseinkommen. Auch der Normalbürger hat das Recht auf Zinsen und Dividende und auf Zugang zum Kapitalmarkt, und wehe dem Kapitalmarkt, wenn er von ihm abgesperrt wird. Bisher ist ihm der Zugang verkümmert worden. Um die Frage, was eigentlich „Normalbürger", „mittlere Gruppe" und „Durchschnittseinkommen" sind, einmal klarzustellen, lassen wir


(Seuffert)

einige Zahlen sprechen. Nach den Angaben des IfoInstituts — das Bundesfinanzministerium versorgt die Öffentlichkeit ja immer noch unzureichend mit solchen Statistiken —

(Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Mit gutem Grund!)

hatten wir im Jahr 1952 20 Millionen Leute, die von der Einkommen- und Lohnsteuer erfaßt wurden, davon 15,5 Millionen effektiv besteuert und die übrigen steuerbefreit. Sie hatten insgesamt 66,7 Milliarden DM steuerpflichtiges Einkommen. Davon lagen rund 58 Milliarden DM in den Einkommensgruppen bis 12 000 DM.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Von den 15,5 Millionen effektiv Besteuerten der Lohn- und Einkommensteuer waren 12,4 Millionen oder vier Fünftel Arbeitnehmer, und von diesen Arbeitnehmern waren nur 132 000 oder 1 % Leute, die ein Einkommen über 12 000 DM bezogen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich glaube, diese Zahlen stellen klar, was wirklich Durchschnittseinkommen ist und was man meinen muß, wenn man von Durchschnittseinkommen und mittleren Einkommen spricht; und das, was aus diesen Zahlen sich ergibt, meine auch ich, wenn ich in der Folge von diesen Begriffen spreche.
Nun noch ein Wort zum Wohnungsbau, ein sehr wichtiges Wort; denn es wird Sie nicht überraschen, wenn ich noch einmal betone, daß gerade auch in diesen Fragen des Kapitalmarkts und allem, was damit zusammenhängt, die Sicherstellung der Finanzierung des Wohnungsbaues, vor allem natürlich des sozialen Wohnungsbaues, unsere Hauptsorge und unser Hauptanliegen ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Was ist nun eigentlich? Will man die Sozialpfandbriefe dem Wohnungsbau nehmen? Will man sie ihm belassen? Über die außerordentlich schädlichen Auswirkungen der Existenz solcher steuerbegünstigten Papiere habe ich mich soeben ausgelassen. Ich stimme auch den Ausführungen des Kollegen Neuburger hier vollständig zu. Es wäre wirklich begrüßenswert, wenn man sich entschlösse, auf diese Papiere zu verzichten, zumal ihre miserablen Emissions- und Auszahlungskurse, die sich trotz oder meiner Ansicht nach wegen der Steuerbegünstigungen ergeben, durchaus nicht den Beweis geliefert haben, daß auf diese Weise billiges Geld in den Wohnungsbau zu bringen ist — oder wenigstens billigeres als auf anderem Wege —, geschweige denn in der Zukunft zu bringen sein würde.
§ 7 c. Nach der Regierungsvorlage soll er wohl Ende des Jahres auslaufen. Die Wohnungswirtschaft macht aber geltend, sie könne ihn nicht entbehren. Die schlimmen Auswirkungen des § 7 c, der ja auch einer der größten, vielleicht jetzt der größte Topf der Sondervergünstigungen ist, in die hinein unser Steuergeld verschwunden ist, brauche ich hier auch nicht zu betonen. Wir haben uns über diese Sondervergünstigungen oft genug ausgesprochen, und was sich hier abgespielt hat, ist zu bekannt, als daß ich es zu wiederholen brauchte.
Wenn die Wohnungswirtschaft behauptet, sie könne ohne § 7 c nicht auskommen, so wird auf das schärfste, aber auch auf das ernsthafteste zu prüfen sein, ob er wirklich noch nötig ist. Wenn überhaupt — darüber ist man sich doch wohl vollständig einig —, könnte er nur in einer sehr abgeschwächten und beschränkten Form aufrechterhalten werden: Verlängerung der Laufzeit, um einer gesunden Finanzierung näherzukommen, Verweisung in das zweite Geld, Beschränkung bzw. allermindestens ganz vorzugsweise Hinlenkung auf den wirklich sozialen Wohnungsbau. Darüber werden, wie gesagt, noch sehr ernsthafte Prüfungen anzustellen sein. Aber ich wiederhole: die Finanzierung des Wohnungsbaues, des sozialen Wohnungsbaues muß sichergestellt werden, d. h. des Wohnungsbaues für diejenigen Leute, die keine Zuschüsse aufbringen können. Es handelt sich um ein Gebiet — das hat der Kollege Neuburger zwar nicht mit eigenen Worten, aber dem Sinn nach ausdrücklich bestätigt —, wo es keine freie Wettbewerbswirtschaft und keine Kostenmiete geben kann, wo eben immer der unrentierliche Teil da sein muß.
Wenn wir auf die sich nunmehr außerordentlich schädlich auswirkenden bisherigen Finanzierungsmittel ' oder einen Teil dieser Finanzierungsmittel verzichten können und verzichten müssen, so müßten in der Tat sicher neue Wege zur Finanzierung des Wohnungsbaues beschritten werden, denn dessen Finanzierung darf nicht leiden. Natürlich müßten für den unrentierlichen Teil letzten Endes immer irgendwie öffentliche Mittel eingesetzt werden. Aber wir glauben auch, daß es andere, neue Wege geben könnte. In der Ausdehnung des Geschäftes der Direkthypotheken liegen durchaus noch Möglichkeiten und Reserven. Die Ausdehnung des Bereichs der ersten Hypothek durch Revidierung recht überholter Deckungsvorschriften hätte eine sehr heilsame Auswirkung. Darüber hinaus sollte man zur weiteren Ausdehnung von ersten oder I b-Hypotheken, die entsprechend billig sein könnten, zur Verbürgung von Hypotheken oder zur Versicherung von Hypotheken nach amerikanischem Muster schreiten. Ich glaube, das wäre ein billiger und risikoloser Weg. In diesem Zusammenhang kann ich es nur begrüßen, daß in der Wohnungsbaunovelle, die das Wohnungsbauministerium vorgelegt hat, ein Schritt auf diesem Wege getan worden ist. Das ist ein erfreulicher Zug in der Novelle. Ich fürchte allerdings, sie hat auch unerfreuliche Züge.
Meine Damen und Herren, nachdem nun mit gutem Grund über vieles gesprochen werden mußte. was nicht in den Steuervorlagen enthalten und nicht in ihnen berührt war, komme ich endlich zur Regierungsvorlage selbst, und zwar zunächst zur Einkommensteuer. Daß eine Reform der Einkommensteuer, eine Tarifreform, eine Reform des Systems notwendig war und ist, das ist eigentlich bekannt. Nur das Bundesfinanzministerium hat davon keine Kenntnis genommen. Mit wirklichen Tariffragen hat es sich überhaupt nicht beschäftigt. Schließlich hat es auch in all den Jahren bisher im ganzen Verband des Bundesfinanzministeriums keinen einzigen Menschen gegeben, der sich von Berufs und Amts wegen mit der Steuerreform beschäftigt hätte.
Unsere Forderungen zur Reform des Tarifsystems bei der Einkommensteuer sind seit langem bekannt. Ich werde sie noch einmal wiederholen. Sie beginnen mit dem steuerfreien Existenzminium von 1500 DM jährlich für jedermann und dem doppelten Betrag für das Ehepaar.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Das ist unserer Ansicht nach eine moralische Forderung, weil ein ausreichendes Existenzminimum die
notwendigste moralische Grundlage eines Steuer-


(Seuffert)

systems ist und weil diese moralische Forderung unter diesem Betrag einfach nicht als erfüllt angesehen werden kann. Das ist außerdem die dringendste Forderung zur Vereinfachung der ganzen Steuerverwaltung und zur Ausschaltung der lächerlichen Bagatellen.

(Beifall bei der SPD.)

Unsere weitere Forderung, die wir auch immer wieder vorgetragen haben, ist die Ausschaltung der Progression oder wenigstens eine möglichst große Annäherung an die Proportionalbesteuerung für das kleine und mittlere Durchschnittseinkommen des Normalbürgers. Ich habe gesagt, was ich unter einem solchen Durchschnittseinkommen verstehe. Warum wir hier die Annäherung an die Proportionalbesteuerung oder im Idealfall — im meines Erachtens durchaus erreichbaren Idealfall — diese selbst fordern, ist schon oft gesagt und begründet worden. Damit würden in diesem Bereich alle diejenigen Härten und ewigen Streitfälle wegfallen, die die Progression in bezug auf den Lohnsteuerjahresausgleich, mehrere Arbeitsverhältnisse, Überstunden, Nebenverdienst der Pensionäre und vor allem in dem Fall der mitverdienenden Ehefrau ständig verursacht. Eine solche Annäherung würde diese Fälle reduzieren, bedeutungslos machen und im, wie gesagt, erreichbaren Idealfall schlechterdings beseitigen. Die Härten, die Reibungen liegen doch in diesem Bereich des Durchschnittseinkommens, und zwar vor allem dort. Die Progression soll unserer Vorstellung nach erst außerhalb dieses Bereiches einsetzen

(Sehr gut! bei der SPD)

und dann durch eine besondere Zusatzsteuer durchgeführt werden. Damit wäre gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, diejenigen Ermäßigungen, die jedermann zukommen, auch jedermann gleichmäßig zu geben;

(Sehr richtig! bei der SPD)

insbesondere die Familienermäßigungen, und den absurden Zustand zu beseitigen, daß man sehr zum Nachteil des Steuersäckels um so mehr — ein Vielfaches — an Kinderermäßigung bekommt, je mehr Einkommen man zur Verfügung hat.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Damit wäre gleichzeitig wenigstens ein erster Schritt zur Beseitigung des ganzen Steuerklassensystems, das wir schon immer kritisiert und angefochten haben, und des Übergangs zum System der Kinderbeihilfen getan, von dem ja nun, ich glaube, nachgerade nicht nur wir die Meinung vertreten, daß es das richtigere System ist. Das alles zusammengenommen soll dazu dienen, eine angemessene Steuerform und eine angemessene Entlastung für die kleinen und mittleren Einkommen herbeizuführen. Darunter verstehen wir diejenigen Einkommen, die durch die Verbrauchsteuern so stark vorbelastet sind, wie ich Ihnen eingangs meiner Ausführungen anschaulich dargestellt habe. Sie tragen diejenigen Vorbelastungen, welche auszugleichen der Sinn der Einkommensteuer ist. Das heißt also, die Einkommensteuer sollte sich in dem Bereich, in dem sich die Verbrauchsteuerbelastung so stark auswirkt, so niedrig wie möglich halten, wenn nicht möglichst ganz verschwinden. Außerdem wird eine derartige Entlastung des Durchschnittseinkommens gerade im gegenwärtigen Augenblick auch von der wirtschaftlichen Vernunft eindeutig verlangt. Ich höre immer so viel Schlachtrufe über Konsumförderung und Kapital-
und Sparbildung, meistens aus der Gegend des Bundeswirtschaftsministeriums, manchmal auch aus anderen Gegenden, auch über Wohnungs- und Eigenheimbau und Eigentumsbildung, was ja in dieser Art auch nichts anderes darstellt. Wer soll denn konsumieren, wer soll denn Eigentum bilden, wem soll dazu geholfen werden? Ich meine doch, die breite Masse der Normalbürger; denn die anderen bilden ja sowieso Eigentum.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Die haben schon Eigentum!)

— Die haben ja schon Eigentum, und konsumieren tun sie auch!

(Abg. Baur [Augsburg] : Zuviel haben sie!) Man hat wirklich sehr oft das Gefühl, es herrsche bei der Regierung und bei dem, was sich so um sie schart, die Auffassung, daß der Gebrauch von mehr oder weniger wohlklingenden Schlagworten hauptsächlich dazu dasei, um sich der Verpflichtung zu entheben, diese Worte auch in die Tat umzusetzen und ihnen zu genügen.


(Beifall bei der SPD.)

Man hört so viel von mittelständlerischen Forderungen. Wer ist denn der Mittelstand, und was sind denn mittelständlerische Forderungen anders als die, von denen ich hier spreche und die wir vertreten!

(Sehr wahr! bei der SPD. — Lachen in der Mitte. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Ja, meine Herren, so ist es! — Erneutes Lachen in der Mitte.)

— Ich danke für die Unterstützung.

(Heiterkeit. — Abg. Stücklen: War bestellt, was?!)

Zur Diskussion stehen nun der Tarif des Regierungsvorschlages, der Tarif des Sachverständigenausschusses des Bundesrates in den Diskussionsbeiträgen und die Stellungnahme des Bundesrates zur Tariffrage in diesem Gesetzentwurf. Der Tarif dieses Sachverständigenausschusses, des sogenannten Troegerausschusses, ist kein Idealtarif; das spricht er selber aus und das muß man ihm zugeben. Er bezeichnet sich ausdrücklich als ein Kompromiß zwischen den von den Sachverständigen so eingeschätzten haushaltsmäßigen Möglichkeiten und den weitergehenden wirklich sachlich begründeten Forderungen, die restlos eben dann in einer zweiten Stufe verwirklicht werden müßten. Dieser Tarifvorschlag läuft in derselben Linie wie unsere grundsätzlichen Vorstellungen — ich will nicht sagen: er hat sie übernommen —; insbesondere enthält er die Tendenz zur proportionalen Besteuerung bei den unteren Durchschnittseinkommen, die wir für so außerordentlich wichtig halten. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Tariffrage diese Tendenz und diese Forderung einstimmig übernommen. Das ist sehr zu begrüßen und festzuhalten. Sowohl der Sachverständigenausschuß des Bundesrates wie der Bundesrat selbst haben auch an der Tendenz zur Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums festgehalten. Sie haben 1000 DM vorgeschlagen, immerhin mehr als die Regierungsvorlage. Sie sind allerdings unserer Auffassung nach entschieden nicht weit genug gegangen. Die, wie gesagt, moralisch begründete Forderung nach dem Mindestbetrag von 1500 DM, die wir vertreten, bleibt bestehen. Es ist richtig, daß der Tarif des Troeger-Ausschusses aus Systemgründen eine Mehrbelastung — nicht nur eine Mehr entlastung, sondern eine Mehr be -


(Seuffert)

lastung — in Einkommensstufen von ungefähr 8000 DM jährlich bei gewissen Steuerpflichtigen — Stufen, die durchaus auch für Arbeitnehmereinkommen in Frage kommen — vorgesehen hätte. Das wäre und ist für uns eine unannehmbare Folge. Aber sie ließe sich durch gewisse Umgestaltungen beseitigen. Übrigens — Herr Kollege Neuburger hat das auch schon zugegeben und angemerkt — finden sich gleiche Mehrbelastungen auch im Schäfferschen Regierungstarif. Dafür ist sicherlich auch dieser Tarif in den Einkommensstufen über 50 000 DM zu entgegenkommend.

(Zustimmung bei der SPD.)

Denn so ist es ja nun doch nicht, wie der Herr Bundesfinanzminister heute morgen gesagt hat, daß, wenn jemand die ganze Zeit infolge der ihm zugänglichen Sondervergünstigungen unter Tarif versteuert hat und nun, wenn dieser Tarif für andere Leute in Ordnung gebracht wird, an den Tarif herangeführt wird, er dann außerdem Anspruch darauf hat, durch diesen Tarif noch besondere Steuervorteile zu bekommen.
Ich möchte aber vollständig klarstellen — ich habe es hier schon einmal ausgesprochen —: Die Sozialdemokratie ist nicht an hohen Steuersätzen interessiert. Sie ist vor allem nicht an hohen Steuersätzen interessiert, die nur auf dem Papier stehen. Wir begrüßen es und halten es auch für richtig, daß, wenn man die notwendigsten Steuersenkungen von unten hervornimmt, sie sich im Anschluß daran auch nach oben und in die Anschlußbereiche auswirken müssen und sollen. Aber man muß doch dabei maßhalten. Und wenn man — Herr Raestrup ist momentan auch nicht im Saal — dann wieder die Unternehmungen in Personalform anführt, so kann ich ja nur immer wieder das eine Wort „Betriebsteuer" sagen, damit Sie nicht vergessen, daß das immer noch unsere Forderung und unsere Lösung ist und bleibt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Empfehlungen des Bundesrats bringen also zwar einige gute Vorschläge, aber sie gehen nicht weit genug und haben einige unannehmbare Seiten. Der Regierungsvorschlag des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer dagegen enthält leider überhaupt nichts an Reformgedanken, nichts, was irgendwie die Probleme der Durchschnittseinkommen — und neben der Verbrauchsteuerbelastung habe ich ja gerade diese ärgerlichen Probleme wie Zusatzverdienst, mitverdienende Ehefrauen usw. angeführt — einer Lösung nahebrächte. Der Vorschlag enthält nichts an sozialen Erwägungen, ganz im Gegenteil. Wenn der Herr Bundesfinanzminister heute morgen wieder eine Zahl von 61% spazierenführen wollte, die eine Steuerentlastung infolge der Politik seiner Regierung für gewisse niedere Einkommen gegenüber den Vorkriegszahlen darstellen soll, kann ich nur sagen: Er soll doch einmal seine eigenen Kaufkrafttabellen aus der Begründung der letzten Steuerreform ansehen

(Beifall bei der SPD)

und nicht immer wieder mit solchen Zahlen operieren, die die Kaufkraftentwicklung, die das Lohnniveau und die den Lebensstandard, der sich in der Zwischenzeit ja weiß Gott etwas verändert hat, so gänzlich außer acht lassen! Denn aus den Kaufkrafttabellen ergibt sich ja, daß noch heute — in Kaufkraftzahlen gerechnet — die Besteuerung
dieser Einkommen zum Teil über der Vorkriegsstufe liegt.

(Abg. Dr. Atzenroth: Sind Prozentzahlen!)

— Ja eben, und deswegen soll man die Prozentzahlen richtig anwenden, Herr Dr. Atzenroth. Mit Prozentzahlen läßt sich sehr viel machen, besonders wenn man sie falsch anwendet.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Aus gutem Grund, macht er sie so rund!)

Im Gegenteil: von sozialen Erwägungen ist da nichts zu spüren. Dafür hat man sich nun die Mühe gemacht, auf Grund eines ganz neuen Prinzips der steuerlichen Gerechtigkeit eine logarithmische Formel auszuarbeiten, durch die sichergestellt werden soll, daß die Progression in gleichmäßiger Steilheit, in majestätischem Zug von Null, vom Existenzminimum bis zum Millionär aufsteigt. Ein interessantes Stück Mathematik! Aber da muß man doch mit dem alten Kaiser Franz Joseph fragen: Wer hat's ihn g'schafft?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Ich spreche gar nicht weiter davon, daß diese imposante steuerliche Gerechtigkeit natürlich oben aufhört nach einer netten Verbeugung vor den hohen Herrschaften; denn der Plafond schaltet die Progression natürlich oben aus statt unten, und da hat sich's mit der steuerlich gerechten, gleichmäßigen Progression.
Aber kann man überhaupt ernsthaft behaupten, es sei angemessen, für Arbeitereinkommen und ihre Verhältnisse dieselbe Steilheit der Progression anzuwenden wie für Millionärseinkommen?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar heute morgen noch einmal ausdrücklich gesagt, es sei nach seiner Ansicht sogar falsch, die Progressionsverhältnisse einer Steuerkurve nach wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten abzuknicken; nun, ich will mich über „wirtschaftspolitisch" und „sozialpolitisch" hier nicht weiter streiten, aber um eine Unterscheidung zwischen Berufen, Herr Bundesfinanzminister — der wieder nicht da ist —,

(Zurufe von der SPD)

handelt es sich hier ja doch wohl nicht. Das können Sie im Kölner Bahnhof erzählen, aber nicht im Parlament.

(Beifall bei der SPD.)

Um Unterscheidung von Berufen handelt es sich hier ganz und gar nicht, sondern um Unterscheidung von Einkommensgruppen und von Lebenslagen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Mir scheint überhaupt, daß der Herr Bundesfinanzminister heute den Unterschied der Anforderungen, die man an eine Plauderei im Kölner Bahnhof und an einen verantwortlichen Regierungsvortrag vor dem Parlament stellen muß, etwas verwischt hat.

(Beifall bei der SPD.)

Den Durchschnittsbürger in allen Ehren, aber nicht alles, was geeignet ist, im Kölner Bahnhof den Beifall der Durchschnittsbürger zu finden, ist geeignet, vor einem Parlament vorgetragen zu werden, in dem schließlich Leute sitzen, die die Zusammenhänge besser kennen oder besser kennen müßten.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)



(Seuffert)

Kann man denn wirklich ernsthaft behaupten, daß diese gleichmäßig steile, logarithmisch ausgerechnete Progression irgendeinen inneren Sinn habe? Der Herr Kollege Neuburger hat sie zunächst auch gelobt, hat dann aber doch einen kleinen Bauch in dem Logarithmus für bestimmte Zwecke empfohlen. Das war wenigstens eine sachliche Überlegung. Kann man denn wirklich auf den Gedanken kommen, daß man auf die 20 Mark, die ein Angestellter im Monat durch eine kleine Gehaltszulage oder ein Gewerbetreibender durch Mehranstrengung oder durch mehr Unkostenersparnis zusätzlich einnimmt, genau dieselbe Progression anwenden soll wie auf den Zuwachs von ein paar tausend Mark, die ein Millionär zu seinem Einkommen aus dem einen oder anderen Grund mehr bekommt?! Das Ziel einer Steuerpolitik und einer Tarifpolitik sind doch nicht mathematische Erfindungen, sondern das Ziel ist, daß die Besteuerung und die Progression der jeweiligen Einkommenstufe angemessen angepaßt sind. Nicht gleichmäßige Progression, sondern ungleichmäßige Progression ist zu fordern,

(Sehr richtig! bei der SPD)

flache oder gar keine Progression unten, mäßig steile im Anschluß und steile oben, wo andere Verhältnisse vorliegen.

(Beifall bei der SPD.)

Gerade die Progressionsspitzensätze der einzelnen Steuerstufen, von denen die Begründung angelegentlich empfiehlt, man möge doch in Zukunft nicht mehr von ihnen sprechen, empfehlen wir immer wieder der allgemeinen Beachtung; denn sie sind, viel mehr als die Steuersätze der Spitzengruppen des Tarifs, ein wirklicher Maßstab für die Steuerbelastung gerade des Durchschnittseinkommens, für die Auswirkungen dieser Steuerbelastung auf die Initiative und auf die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Normalbürgers und für die Güte der Anpassung des Steuertarifs an die Forderungen des Lebens und der Lebenslage. Das sind Dinge, über die man sich einmal grundsätzlich unterhalten müßte. Da handelt es sich nicht immer um Mehr oder Weniger zwischen Fiskalismus und Interessenten — das sind doch sachliche Dinge, die man in einer Reform einmal erörtern müßte.
Meine Damen und Herren, wir können keinen der Tarife empfehlen. An den Bundesratsvorschlägen ist einiges zu loben. Sie haben aber auch Schattenseiten und Unzulänglichkeiten. Der Entwurf der Regierung und gerade ihre Vorstellung von einem Tarifsystem sind aber für uns, weil sie in einem diametralen Gegensatz zu unseren grundsätzlichen Auffassungen stehen, durchaus unannehmbar. Wir müssen demgegenüber auf unseren eigenen Forderungen bestehen. Ich hatte sie ja eben wiederholt. Es muß aber noch gesagt werden, daß sich selbst innerhalb der Grenzen des Kompromisses, die sich der Bundesrat gezogen hat, selbst innerhalb der Grenzen der haushaltsmäßigen Vorstellungen, die uns der Herr Bundesfinanzminister als bindend vortragen wollte, noch bessere Lösungen, insbesondere für die kleinen und die mittleren Einkommen, finden ließen. Die Schattenseiten ließen sich mildern, und von den grundsätzlichen Forderungen würde sich mehr verwirklichen lassen. Auch für die Einkommen über 12 000 DM ließe sich mehr tun, wenn man sich nur entschlösse, dem immer wieder auffälligen Lieblingskind, den Einkommen über 50 000 DM, etwas weniger zu geben. Das ließe sich sogar tun, wie gesagt, ohne die haushaltsmäßigen Grenzen selbst des Regierungsvorschlages zu überschreiten. Das Material dazu liegt Ihnen vor, es ist der Öffentlichkeit übergeben. Sie können es prüfen und werden sich mit ihm auseinanderzusetzen haben.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Hoffentlich tun sie das!)

Ich bleibe bei der Behauptung, daß diese haushaltsmäßigen Grenzen nicht überschritten werden, trotz der gegenteiligen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers heute morgen.
Ich will im übrigen ebensowenig wie der Herr Bundesfinanzminister auf den Hin- und Herstreit darüber eingehen, wie der Ausfall nun eigentlich richtig anzusetzen wäre, welche Möglichkeiten noch beständen und wie die einzelnen Posten einzusetzen wären. Dazu wird im Ausschuß Notwendigkeit, aber auch Zeit genug sein. Hier möchte ich das gar nicht anfangen, schon wegen der Erfahrungen, die wir mit der Empfindlichkeit des Herrn Bundesfinanzministers, wenn man wagt, eine von ihm gebrachte Zahl zu bezweifeln, und mit der Schnelligkeit gemacht haben, mit der er dann imstande und bereit ist, diese Zahl durch eine andere zu ersetzen. Das sind immer sehr zeitraubende Dinge, und man muß zugeben, so einfach sind die Sachen ja nicht. Es ist zuzugeben: die Tatsache, daß eine Zahl aus dem Bundesfinanzministerium stammt, ist an und für sich noch kein ausreichender Beweis dafür, daß sie falsch ist.

(Heiterkeit.)

Das wäre uns, wie gesagt, zu zeitraubend und gehört in den Ausschuß. Wir werden im Ausschuß im übrigen darauf sehen, daß wir von den Forderungen, die ich vorgetragen habe, so viel wie möglich verwirklichen können. Wir werden im Endeffekt nicht ruhen, bis wir sie eines Tages gänzlich durchgesetzt haben. Das zur Tariffrage.
Wir haben aber noch eine sehr wichtige Forderung anzumelden. Der zusätzliche Freibetrag für die Arbeitnehmereinkommen muß endlich wieder verwirklicht werden. Sie wissen, daß dieser Freibetrag selbst im strengsten Steuergesetz, das wir hatten, in den Kontrollratsgesetzen, eingeführt war. Wegen der Begründung brauche ich heute auch nicht weiter auszuholen. Sie ist schon oft gegeben worden. Dieser Freibetrag ist ein Ausgleich für unbestreitbare Tatsachen. Der Arbeitnehmer hat nicht die Möglichkeit wie der selbständig Tätige, seinen Lebensstandard im Wege der Verbindung mit seinen Geschäftsaufwendungen zu verbessern. Er hat im Gegenteil selbst innerhalb der ihm gegebenen Möglichkeiten sehr viele und oft aussichtslose Mühe, seine effektiven Auslagen und Werbungskosten steuerlich irgendwie zur Geltung zu bringen. Eine weitere Begründung ist, daß derjenige, dessen Erwerb nicht mit dem Besitz von Kapital verbunden ist, natürlich aus seiner Arbeit selbst für seine Altersversorgung und auch für die Sicherstellung und das Erbe seiner Kinder das herauswirtschaften muß, was bei anderen Leuten durch den Besitz von vererblichem und verwertbarem Kapital und durch Vermehrung und Erhaltung desselben ohne weiteres gegeben ist. Der Arbeitnehmer, der diese zusätzlichen Möglichkeiten nicht hat, fällt dem Substanzverlust seiner Arbeitskraft, dem Verlust des Ergebnisses seiner Lebensarbeit anheim, den wir hier so oft schon beklagt haben. Das weitere können Sie auch in den Diskussionsbeiträgen des Bundesrats nachlesen. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß der zweite Gesichtspunkt, den ich angeführt habe, ebenso für


(Seuffert)

diejenigen gilt, die in selbständiger Arbeit ohne den Besitz eines vererbbaren und veräußerbaren Kapitals tätig sind, insbesondere für die freien Berufe. Es wäre deshalb richtig und logisch und unserer Ansicht nach unausweichlich, diesen Freibetrag .auf alles Arbeitseinkommen, also auf den angelsächsischen Begriff des earned income auszudehnen.
Das weitere zur Höhe können Sie, wie gesagt, auch in den Diskussionsbeiträgen nachlesen. Ich will dazu nur soviel sagen: In den Kontrollratsgesetzen war der Betrag von 1000 Mark jährlich vorgesehen. Dieser sollte mindestens als Höchstsatz erreicht werden. Ob daneben eine prozentuale Beschränkung zu treten hat, wäre zu untersuchen. In diesem Zusammenhang darf ich übrigens nochmals an das Unkostenpauschale der freien Berufe erinnern, über das dieses Haus doch schon mehrmals einstimmige Beschlüsse gefaßt hat, ohne daß sich etwas im Blätterwald gerührt hätte. Da wir gerade bei Fragen sind, die vor allem den Arbeitnehmer interessieren: Wir begrüßen den Anstoß des Bundesrats, nun endlich in das außerordentlich unzureichend geregelte Gebiet der steuerlichen Behandlung der Fahrtkosten des Arbeitnehmers auf seinem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte Ordnung zu bringen, um den Arbeitnehmer wenigstens einigermaßen den selbständig Tätigen gleichzustellen. Die Regierungsvorlage schlägt die Beseitigung der steuerlichen Vergünstigungen für Überstunden vor. Das müßte zur Voraussetzung haben, daß man sich in diesem Bereich dem Proportionaltarif nach unseren Vorschlägen anschließt oder annähert; denn durch diesen Proportionaltarif werden die schädlichen Auswirkungen bei notwendigen Überstunden ja gerade vermieden. Der Veranlagungsfreibetrag für die Nebeneinkünfte der Arbeitnehmer aus Zinsen oder Mieteinkommen aus einem kleinen Häuschen usw., der immer noch auf 600 DM jährlich steht, soll nach der Regierungsvorlage unverändert bleiben. Wir sind der Ansicht, daß in Anpassung an die Lebensverhältnisse und zur Vermeidung der immer wieder ärgerlichen Bagatellfälle auch dieser Freibetrag erhöht werden müßte; denn er ist überholt.
Was die Rentenbesteuerung anlangt, so soll ein neues System der Besteuerung aller Renten eingeführt werden, durch das, wie die Begründung sagt, der bisherige Freibetrag für die Sozialversicherungsrenten überflüssig würde, weil sich die Steuerfreiheit in gleicher Höhe auswirken soll. Der Freibetrag von 600 DM ist aber ebenfalls längst überholt. Er hätte, denke ich, auf 800 bis 1000 DM im Jahr erhöht werden müssen. Wenn das neue Besteuerungssystem die Steuerfreiheit der Sozialrenten nur in Höhe des bisherigen Freibetrags sicherstellen sollte, nicht aber bis zur Höhe, auf die der Freibetrag ohnehin hätte erhöht werden müssen, so wäre das, wie ich jetzt schon sagen möchte, für uns unannehmbar.
Einige Worte zu den vorgeschlagenen Neuerungen auf dem Gebiet der Sonderausgaben. Man will die Steuerbegünstigung für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen streichen. Das nimmt sich angesichts der ständigen Kampfrufe nach Eigentumsbildung, Stärkung des Kapitalmarkts und des haftenden Kapitals usw. sonderbar aus. Diese Genossenschaftsanteile sind ja schließlich die Aktien des kleinen Mannes.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das ist ja der Zweck der Übung!)

Diese Steuerbegünstigung sollte man bestehenlassen.
Es ist begrüßenswert, daß der Bundesrat die Frage der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer angeschnitten hat und diese Abzugsfähigkeit beseitigen will. Das entspricht einer Forderung der Steuergerechtigkeit, die wir immer vertreten haben. Es macht auch Möglichkeiten frei, an anderen Stellen soziale Ermäßigungen zu gewähren oder zu verstärken. Wir werden der Stellungnahme des Bundesrates beitreten.
Zur Abzugsfähigkeit der Versicherungsprämien sind dagegen wieder Einschränkungen geplant, denen wir nicht beistimmen können, insbesondere nicht der Beseitigung der halben Abzugsfähigkeit für die die Freibeträge überschießenden Beträge. Ich brauche — notgedrungen muß ich heute sowieso sehr lange sprechen — keine großen Worte über die eminente Bedeutung zu machen, die diese Beträge und die Begünstigungen für die Altersversorgung der freien Berufe haben. Selbst bei den bisherigen beschränkten Möglichkeiten einschließlich der halben Abzugsfähigkeit waren ja doch, wenn man nachrechnet, damit nur Altersrenten steuerbegünstigt anzusparen, die in gar keinem Verhältnis zu dem standen, was etwa ein vergleichbarer Beamter durch die ihm gegebene Pensionszusage ohne weiteres steuerfrei erhält. Derartige Differenzen sind nicht erträglich. Wir können ja schließlich die allgemein fortschreitende Verbeamtung nicht auch noch auf diesem Wege fördern. Nach unserer Ansicht ist das Kompromiß auf diesem Gebiete vom Jahre 1953 das Äußerste des Erträglichen. Dieses Kompromiß sollte möglichst noch verbessert werden.
Auch die vorgeschlagene abrupte Beseitigung des Altersprivilegs wird von uns abgelehnt. Dafür ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen.
Daß wir den merkwürdigen fiskalischen Einfall hinsichtlich der Begünstigung des nichtentnommenen Gewinns der Flüchtlingsbetriebe, die Schonfrist für die Kapitalanreicherung dieser Betriebe um ein Jahr abzukürzen — der Herr Kollege Neuburger hat das ja schon zur Genüge gekennzeichnet —, schärfstens ablehnen, ist selbstverständlich.
Die Verlängerung der Gewährung, der Freibeträge für die Hausratsbeschaffung der Vertriebenen und Totalgeschädigten — § 33 a — ist von der Regierung nicht vorgesehen. Wir sind sicherlich auch nicht für eine Abtrennung verschiedener Bevölkerungskreise in die Ewigkeit, auch nicht für eine Absonderung durch Privilegien, glauben aber doch, daß die Frage der Verlängerung sehr ernsthaft zu prüfen ist. An und für sich sollte dieser Paragraph eine Übergangslösung bis zur Regelung der Hausratsentschädigung im Lastenausgleich darstellen. Aber die Hausratsentschädigung aus dem Lastenausgleich steht gerade für die hier Betroffenen noch in weiter Ferne. Außerdem muß man gerade Spätheimkehrer, Sowjetzonenflüchtlinge usw. im Auge haben, die bisher die Begünstigung überhaupt noch nicht in Anspruch nehmen konnten. Man muß die Frage der Verlängerung deswegen ernsthaft prüfen, und ich war von meiner Fraktion beauftragt, denselben Vorschlag zu machen, den Herr Kollege Neuburger eben bereits gebracht hat, nämlich den einer individuellen Befristung dieser Freibeträge in der Weise, daß der einzelne Steuerpflichtige sie jeweils nur für eine gewisse Zahl von Jahren in Anspruch nehmen kann.


(Seuffert)

Ich komme nun zur Frage der Haushaltsbesteuerung, insbesondere zur Besteuerung der mitverdienenden Ehefrau. Das Prinzip der Haushaltsbesteuerung — das ging ja auch letzten Endes aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger hervor — ist fragwürdig geworden und muß überprüft werden. Es haben sich einfach die soziologischen Tatbestände gewandelt. Es ist einfach nicht mehr der Normalfall, der fast ausschließliche Normalfall, daß nur ein Eheteil im Erwerbsleben tätig ist, und der Aufbau eines jungen Hausstandes läßt sich heute ohne Tätigkeit beider Teile kaum denken. Davon müßte man Kenntnis nehmen. Die Regierung allerdings macht überhaupt keinen Versuch, sich mit diesem Tatbestand auseinanderzusetzen. Statt daß die bisherige Teillösung auf diesem Gebiet ausgebaut, vervollkommnet und auf die gleichgelagerten Fälle ausgedehnt wird, soll sie eingeschränkt und abgebaut werden, und das mit dem Ziele einer Mehrbesteuerung, nebenbei gesagt in einer unerträglich komplizierten Weise, so daß man sich die einschlägigen Bestimmungen aus ungefähr zwölf Gesetzesstellen und außerdem noch aus der Durchführungsverordnung, also aus einer anderen Ebene — das scheint mir überhaupt nicht zulässig zu sein — zusammensuchen und sich mühsam klarmachen muß, was nun eigentlich gemeint ist. Es wird überhaupt nicht der Versuch gemacht, auch der selbständig arbeitenden Ehefrau sowie der im eigenen Betrieb mitarbeitenden Ehefrau gerecht zu werden. Die Fragen der Gleichberechtigung werden überhaupt nicht erwähnt. Es soll also immer weiter dabei bleiben, daß es einen eminenten Unterschied macht, ob die junge Ärztin, die geheiratet hat, im Angestelltenverhältnis oder als freie Ärztin arbeitet. Es wird einfach kein Versuch gemacht, sich damit auseinanderzusetzen. Die Zahl der Fälle, in denen zwei Leute, die verdienen und verdienen müssen und verdienen wollen, nur deswegen mehr Steuern zahlen, weil sie heiraten, die Zahl dieser Fälle, die so unerträglich sind, wird nicht etwa reduziert, sondern es werden zahlreiche neue Fälle dieser Art geschaffen. Herr Bundesfinanzminister, wenn der DGB einmal gefordert hat, daß man an eine Lösung dieser Fragen herantreten müsse, so können Sie sich doch nicht auf den DGB berufen, wenn Sie jeden Versuch einer Lösung vermeiden und die bisherige Notlösung sogar noch einschränken. Auch das gehört zu den Dingen, die Sie besser am Kölner Bahnhof erzählen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir lehnen, um darüber gar keinen Zweifel zu lassen, diese Vorschläge der Regierung rundweg ab. Wir verlangen, daß man endlich, statt die Teillösungen auch noch abzubauen und dabei immer noch darauf auszugehen, mehr Steuern hereinzubekommen, eine wirkliche Lösung schafft, die nicht in erster Linie vom Steuerergebnis bestimmt sein darf. Eine solche Lösung für die große Mehrzahl dieser Fälle wäre eben die Verwirklichung unserer Forderung, für den großen Bereich der Durchschnittseinkommen die Progression auszuschalten oder fast auszuschalten. Denn die Härten, die hier durch die Zusammenrechnung entstehen, entstehen ja durch die Progression und lassen sich durch Ausschaltung der Progression beseitigen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Die Lösung läßt sich natürlich ausbauen. Ich nehme an, daß im Laufe der Debatte auch die Frage des Splitting angesprochen werden wird. Ich wiederhole, daß unsere Vorschläge im Bereich der Durchschnittseinkommen das Splitting praktisch durchführen; denn Splitting heißt Ausschaltung der Progression, und das wollen wir. Wenn man, wie gesagt, das Prinzip ausbauen kann, ohne daß ein übermäßiger Steuerausfall entsteht, der dann für noch dringendere Forderungen fehlen könnte, wo man ihn brauchte, so sind wir dabei. Die Frage des Ausfalls darf hier nicht die entscheidende Rolle spielen, wenn er sich in einigermaßen erträglichen Grenzen halten läßt. Aber eine richtige Lösung muß gefunden werden, weil die Haushaltsbesteuerung als Besteuerungsprinzip — wovon denn nun auch das Bundesfinanzministerium einmal Kenntnis nehmen möge — durch die gesellschaftliche Entwicklung recht fragwürdig geworden ist und neu überdacht werden muß.
Nun darf ich zur Körperschaftsteuer kommen. Zu dem vorgeschlagenen Satz der Körperschaftsteuer will ich mich jetzt nicht speziell äußern. Wir haben immer zum Ausdruck gebracht, daß der Satz von 60 %, d. h. die Erhöhung, die im Jahre 1951 als fiskalische Kompensation für die unüberlegten Steuersenkungen nach den 1949er Wahlen vorgenommen wurde, zu hoch gewesen ist. Es muß aber betont werden, daß die bei der Einkommensteuer zu fordernden sozialen Reformen vor einer Senkung der Körperschaftsteuer den Vorrang haben müssen und daß, wenn wirklich Reserven benötigt werden sollten, diese eher hier als anderswo zu holen sind. Gänzlich abzulehnen ist im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Neuburger — die Beibehaltung der Spaltung des Körperschaftsteuersatzes. Wir folgen auch in dieser Beziehung der Kritik des Bundesrats. Diese Spaltung hat zu höchst unerfreulichen Erfahrungen geführt. Sie stand mit den unglücklichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktförderungsgesetz in Verbindung, und sie sollte mit diesen Maßnahmen verschwinden. Ein weiterer Grund dafür ist, daß die Betriebe im öffentlichen Eigentum, insbesondere die Betriebe der Gemeinden, bei denen natürlich immer das Schachtelprivileg in Frage kommt, und auch diejenigen Unternehmungen, die mit gutem Recht ermäßigte Steuersätze genießen, nicht in den Genuß des Spaltungssatzes kommen sollen. Sie würden teilweise auch tatsächlich in eine merkwürdige Lage geraten, wenn sie Überlegungen auf Grund eines solchen Spaltungssatzes anzustellen hätten. Damit würden diese Unternehmungen einen erheblichen Teil der Steuervorteile verlieren, die sie im Verhältnis zu den Normalsätzen mit gutem Grund haben.
Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Ermächtigung für eine Sonderbehandlung der Kapitalverwaltungsgesellschaften, die bisher im Körperschaftsteuergesetz stand, zu streichen. Die Begründung dafür — weil die Ermächtigung zu unbestimmt ist — läßt sich hören. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit anmerken, daß wir eine Sonderbehandlung für gewisse Kapitalverwaltungsgesellschaften, insbesondere für die Investment-Gesellschaften, die für die breite Spartätigkeit und für ein Angebot von Aktienwerten an die breite Masse so wichtig sind, demnächst wohl wieder schaffen müssen.
Die Bestimmungen über die Genossenschaften sollen einer Neufassung unterzogen werden. Wir werden das im einzelnen überprüfen müssen. Bei der Wertschätzung der Idee der genossenschaftlichen Wirtschaftsform, die wir hier mehrfach ausgesprochen haben und die ich hier nur zu wieder-


(Seuffert)

holen habe, ist es selbstverständlich, daß wir dabei Wert darauf legen, daß eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Zustand nicht eintritt. Gerade auch auf dem Gebiet der Warenverteilung müssen wir immer das Prinzip des gleichen Starts für alle fordern, so wie es zum Beispiel durch die Regierungsvorlage zum Genossenschaftsgesetz festgelegt ist. Wir halten daran fest. Dieses Prinzip heißt gleichzeitig, daß wir gerade auf diesem Gebiet wie auf allen anderen Gebieten alle Vorschläge von Sondersteuern, die sich auf die Art oder die Form oder den Umfang von Unternehmen beziehen wollen, ablehnen werden.
Es bleibt noch die Erbschaftsteuer. Der Erhöhung der Freibeträge stimmen wir zu. Sie liegt im Interesse der Mittelstandsvermögen und schaltet urilohnende Steuerfälle aus. Die Ermäßigung des Tarifs lehnen wir ebenso wie der Bundesrat als völlig unnötig ab.
Zum Schluß noch ein Wort zum Termin der Inkraftsetzung. Wir möchten, daß diese, nun schon so lange versprochene, wenn schon nicht Steuerreform, so doch vielleicht teilweise Steuerentlastung dem Steuerzahler so schnell wie möglich zugute kommt. Wir wissen sehr wohl, daß das Spiel mit den frühen Terminen von einigen Leuten aus sehr egoistischen Gründen getrieben wird und daß uns das eventuell auch viel Steuergeld zugunsten einiger weniger Steuerzahler kosten wird. Wir glauben trotzdem, daß das kein Grund sein sollte, der großen Masse der Steuerzahler die Entlastung weiter vorzuenthalten. Wir haben eine Fülle von Arbeit vor uns, und die Regierung hat es uns mit ihrer vollständig unzulänglichen und lückenhaften Vorlage wirklich nicht leicht gemacht. Trotzdem soll es an uns, was die Opposition anlangt, nicht liegen. Sie können ebenso sicher sein, daß wir wie immer überall mitarbeiten werden, wie Sie sicher sein können, daß wir unsere Forderungen, die wir noch einmal dargelegt haben, hartnäckig und mit Nachdruck vertreten werden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202901200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.

(Zurufe von der SPD zur Regierungsbank: Herr Schäffer kommt jetzt, wo Seuffert zu Ende ist! — Er hat es doch nicht notwendig! — Abg. Dr. Menzel: Das war das schlechte Gewissen! — Unruhe.)


Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0202901300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der jetzt vergangenen mehrstündigen Debatte ist viel davon die Rede gewesen, daß wir mit diesem Gesetzgebungswerk nicht den Versuch einer großen oder organischen Finanz- und Steuerreform vor uns hätten. Man stellt vielleicht von vornherein aus Gründen der Ordnung und Richtigkeit fest, daß es sich tatsächlich weder um eine Finanz- noch um eine Steuerreform im allgemeinen Sinn dieses Wortes handeln kann, sondern nur um Reformen von Teilgebieten, um eine Teilfinanzreform, um eine Teilsteuerreform.

(Abg. Dr. Gülich: Gar keine Finanzreform!)

Diese Reformmaßnahmen der Regierung sind uns in Gesetzentwürfen vorgelegt worden, die zum mindesten einen gewissen inneren Zusammenhang haben. Es ist auch davon gesprochen worden, es solle ein Junktim zwischen dem Entwurf einer Teilfinanzreform und dem Entwurf einer Teilsteuerreform, nämlich einer Reform des Tarifs der direkten Steuern, bestehen.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202901400
Meine Damen und Herren! Ich darf um etwas mehr Ruhe im Saal bitten.
Dr. Eckhardt: (GB/BHE): Man wird dazu sagen müssen, daß ein notwendiger innerer Zusammenhang, ein organischer Zusammenhang zwischen den beiden Gebieten für uns im Bundestag nicht gegeben ist. Die beiden Teilreformen berühren zwar das Gebiet der Finanzpolitik im allgemeinen, und sie sind beide finanzpolitischer Natur; aber sie sind, gerade auch vom Gesichtspunkt des Staatsbürgers aus betrachtet, doch wesentlich verschiedener Art.
Die Reform des Finanzausgleichs, die wir vor uns haben, betrifft die Konstruktion des Verhältnisses von Bund und Ländern und läßt dabei die ebenso notwendige Mitkonstrkution des Verhältnisses von Bund, Ländern und Gemeinden vermissen. Diese Teilreform ist sozusagen — Herr Kollege Dr. Lindrath hat es kürzlich in einem Aufsatz ausgeführt — statischer Natur; das heißt, sie beschäftigt sich mit der Herstellung einer Ordnung, der Finanzordnung, auf einem bestimmten Gebiet, und sie beschäftigt sich mit Verhältnissen, die zunächst den Staatsbürger nicht unmittelbar zu berühren scheinen; ich sage ausdrücklich: scheinen. Die Steuerreform dagegen hat als Hauptzwecke, wie uns gesagt wird und wie es wohl auch richtig ist, die Förderung und Pflege des Kapitalmarktes, von der hier ja auch schon wiederholt die Rede gewesen ist — wir sagen vielleicht besser: des Wertpapierhandels —, auf der einen Seite, die Förderung der Rationalisierung der Betriebe auf der anderen Seite und drittens auch eine Hebung des Verbrauchseinkommens und eine Verstärkung der Möglichkeiten für die Masse der Verbraucher, sich am Kapitalmarkt im Wege des Sparens zu beteiligen, also eine Erhöhung der Sparrate innerhalb der Volkswirtschaft.
Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gesetzgebungswerken ergeben sich schon deutlich, wenn wir das verschiedene äußere Gewicht der Begründungen betrachten und sehen, daß die Reform oder die Teilreform der Finanzverfassung, die hier versucht wird, außerordentlich eingehend begründet ist und daß in ihr auf alle Einzelheiten eingegangen wird, während die Begründungen zu der Steuerreform sich sehr kurz fassen.
Tatsächlich verdient das Werk, das uns zur Reform des Finanzausgleichs vorgelegt ist, das Lob, das ihm heute von Herrn Kollegen Dr. Dresbach und auch, wenigstens unter gewissen Bedingungen, von Herrn Professor Gülich gezollt worden ist. Man kann bei der Lektüre dieses dicken Bandes überall feststellen, daß die Verfasser dieses Reformwerkes die Situation, die Verhältnisse, in denen wir stehen, und auch die Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben, sehr deutlich erkannt haben, daß sie dann allerdings auch immer wieder zu der resignierenden Feststellung kommen: Nun, es ist nicht mehr zu erreichen. — Das steht noch nicht einmal expressis verbis darin, sondern es heißt dann einfach: aber man hat sich entschlossen, doch nur diesen Vorschlag vorzulegen oder bei der Situation zu verbleiben, die bereits gegeben ist.


(Dr. Eckhardt)

Ich gebe ohne weiteres zu, daß es heute unendlich schwierig sein muß, eine ideale Form der Finanzverfassung herzustellen. Die Verhältnisse, die zwischen Bund und Ländern bestehen, die Anordnungen unseres Grundgesetzes sind derart, daß man doch wohl von sehr viel Sand im Getriebe und Leerlauf in der Maschine sprechen muß, von so viel Sand und Leerlauf, daß man sich auch unmittelbare politische Gefahren aus dieser Tatsache sehr wohl vorstellen könnte.
Der Finanzausgleich, wie er bisher durchgeführt worden ist, ist heute morgen als ein unwürdiger Handel bezeichnet worden; und man kann wirklich bei dem Feilschen um die Prozente für den Bund und die Länder beim Ertrag der Einkommensteuer sagen: diese Verurteilung des bisherigen Finanzausgleichs trifft zu. Es ist ein außerordentliches Verdienst des vorliegenden Reformwerks, daß wenigstens der Versuch gemacht wird, dieses Handeln und Feilschen künftig auszuschalten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die Festlegung also des Bundes .und der Länder auf einen ganz bestimmten und doch wohl auch für eine gewisse Dauer geltenden Prozentsatz des Ertrages der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist gut, und wir können ihr nur zustimmen. Der Bund soll danach 40 % vom Ertrag der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, die Länder 60 %.
Die Revisionsklausel, die diesem Verhältnis angefügt worden ist, ist vielleicht schon weniger zu begrüßen. Aber es ist durchaus verständlich, daß ein vorsichtiger Finanzpolitiker diese Möglichkeiten der Revision von vornherein berücksichtigt. Es kann nicht vorausgesehen werden, wie der Herr Bundesfinanzminister heute morgen mit Recht dargelegt hat, welche außerordentlichen Schwierigkeiten sich in Zukunft ergeben werden.

(Abg. Heiland: Aus dem Staatsrecht!)

— Sie haben natürlich recht, Herr Kollege Heiland, wenn Sie meinen, daß man alle diese Dinge nicht von vornherein berücksichtigen könne. Gewiß, es wird immer wieder unvorhergesehene Lagen und Situationen geben; aber das Staatsrecht muß doch einen gewissen Bestand haben und muß, insbesondere auch das Finanzstaatsrecht, von dem wir hier sprechen, mindestens jene Art von relativem Ewigkeitswert besitzen, von der der heute schon so oft zitierte Staatssekretär Popitz gesprochen hat.
Nun, diese Revisionsklausel mag nicht allzu glücklich sein. Sie ist aber staatsrechtlich in Zusammenhang zu sehen mit der Sicherungsklausel, die in diesem Finanzreformwerk für die Länder eingefügt ist, und der Ergänzungsabgabe, die der Bundesfinanzminister erheben oder doch vorsehen will. Ob man die Ergänzungsabgabe wirklich jetzt schon mit einem Satz von 2,5 % zur Erhebung gelangen lassen soll, das lasse ich an dieser Stelle noch dahingestellt. Ich gebe durchaus zu, daß vom technischen Gesichtspunkt des Aufbaues eines Finanzausgleichs diese Ergänzungsabgabe, überhaupt dieses Ineinander von Festlegung des Verhältnisses am Ertrag von Einkommen- und Körperschaftsteuer, Revision- und Sicherungsklausel in Verbindung mit der Ergänzungsabgabe zumindest sehr fein durchdacht ist. Im ganzen wird man das Reformwerk als einen wesentlichen Fortschritt zu bezeichnen haben.
Damit sage ich zugleich, daß hier keineswegs schon das Ziel erreicht ist, um das es uns letzten
Endes gehen muß. Daher entsteht die Frage, ob dieses Reformwerk jetzt schon in Kraft gesetzt werden soll oder ob man, wie das in der Presse angedeutet worden ist und insbesondere Herr Kollege Wellhausen es wohl auch der Presse gegenüber als seinen Standpunkt vertreten hat, das Reformwerk für eine Weile aufschieben soll, weil die Zeit dazu im Augenblick noch nicht reif ist. Das eine wird man sagen dürfen: eine notwendige organische Kopplung zwischen der Finanzreform und der Steuerreform besteht nicht. Wir können die Probleme der Finanzreform durchaus gesondert behandeln. Trotzdem muß wenigstens jetzt erreicht werden, daß die bisherige Situation mit dem Feilschen zwischen Bund und Ländern endgültig beseitigt wird, jedenfalls in dem Rahmen, in dem das in einem Bundesstaat überhaupt möglich ist, in dem verschiedene Kräfte miteinander und wohl leider auch gegeneinander wirken.
Wir sind der Meinung, daß sich die Reform einer Finanzverfassung sehr viel idealer vorstellen lassen würde. Wir sind insbesondere auch der Ansicht, daß es im Rahmen einer solchen Reform durchaus möglich sein müßte, mit dem sachlichen Einsatz aller Kräfte auch dieses Bundestags zu umfassenderen Maßnahmen zu gelangen und dabei auch das Thema anzuschneiden, das nicht unmittelbar in den Zusammenhang des Art. 107 des Grundgesetzes gehört, das aber doch in einer sehr nahen Verbindung zu diesen Fragen steht, nämlich das Thema einer Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern. Unter diesen Begriff der Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, d. h. der Kostenersparung, fällt eben auch die Frage, ob eine Bundesfinanzverwaltung zweckmäßig ist oder nicht.

(Beifall beim GB/BHE.)

Ich will diese Frage noch nicht einmal endgültig beantworten; aber ich möchte doch auf eines hinweisen. Es ist unerträglich, wenn in einem Lande ein Finanzgericht mit 5 Finanzämtern zu tun hat, während das Finanzgericht des Nachbarlandes mit 70 Finanzämtern zu tun hat, und es ist auch unerträglich, wenn bei schwerwiegenden Fragen der Stundung, des Erlasses und der Handhabung von Gesetzen bei so nahe zusammenhängenden Steuern wie der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer von vornherein ganz verschiedene Wege gegangen werden müssen, wobei der eine Weg normalerweise beim Landesfinanzminister, der andere beim Bundesfinanzminister endet. Das sind alles Dinge, die sehr sorgfältig überlegt werden müssen. Wir haben schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß wir grundsätzlich eine Bundesfinanzverwaltung für das richtige halten. Wir meinen, daß eine solche Bundesfinanzverwaltung auch keineswegs gegen das Interesse der Länder gerichtet sein müßte. Denn nach dem ersten Weltkrieg sind es ja vielfach gerade die Länder gewesen, die selber die Übertragung der Verwaltung ihrer Landessteuern an die damalige Reichsfinanzverwaltung verlangt haben. Die Landesverwaltung im alten Bismarckschen Reich vor 1914 hat sicherlich viele Schwierigkeiten herbeigeführt. Wenn wir aber heute daran denken, daß unter Umständen in bestimmten Ländern sich ganz verschiedene Wirtschaftsstrukturen herausbilden können, dann wird man sagen müssen, daß bei der Bedeutung der steuerlichen Seite dieses Problem der Bundesfinanzverwaltung sehr bald und sehr ernsthaft im Rahmen der Reform einer Finanzverfassung wieder gestellt werden muß.


(Dr. Eckhardt)

Wir sind weiter der Meinung, die heute morgen schon von verschiedenen Seiten geäußert worden ist, daß es zwar verfassungsrechtlich nicht im Rahmen der Ermächtigung des Art. 107 des Grundgesetzes liegen mag, das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden in einer entsprechenden Form zu regeln, daß aber trotzdem wahrscheinlich auf allen Seiten des Hauses sehr viel Sinn dafür vorhanden sein wird, eine sachlich so eminent wichtige Frage auch sachlich zu regeln. Ich bin überzeugt, daß finanzpolitische Fragen nicht immer unbedingt unter dem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Koalition und Opposition gesehen werden müssen, sondern daß sich hier gewisse gemeinsame Interessen geradezu aufdrängen. Diese gemeinsamen Interessen sind die Interessen des steuerzahlenden Staatsbürgers.

(Abg. Dr. Gülich: Sehr gut!)

Es kommt ja auch nicht von ungefähr, daß in der finanz- und steuerpolitischen Literatur der letzten Monate und Jahre gewisse Reformideen keineswegs nur von irgendeinem bestimmten Kreis vertreten werden, der mit einer Partei zu identifizieren wäre,

(Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

sondern Sie können umfassende Reformvorschläge ebenso gut etwa in Organen vertreten finden, die die Unternehmerseite unterstützen, wie auf der anderen Seite in den Veröffentlichungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften.

(Abg. Dr. Gülich: Das zeigt eben die Reformbedürftigkeit des gesamten Systems!)

— Richtig, und das zeigt auch, daß sehr viele durch die Sache selbst begründete Probleme vorhanden sind, in denen man zu einer einheitlichen und auf die Dauer auch für die Gesamtheit befriedigende Lösung gelangen könnte.
Die Ergänzungsabgabe, von der ich eben gesprochen habe, ist zwar sozusagen der steuerliche Teil der Finanzreform; betrachtet man aber die Ergänzungsabgabe, die sicherlich vom Gesichtspunkt des Haushalts und des Finanzausgleichs her eine glückliche Erfindung darstellt, vom Gesichtspunkt des Steuerzahlers, dann wirkt sie wesentlich weniger schön und befriedigend, insbesondere weil gewisse ausländische Systeme, nämlich alljährlich Steuern neu festzusetzen und alljährlich andere Zuschläge zu erheben, für unsere Volkswirtschaft und auch die Art unserer Staatsbürger und Unternehmer überhaupt, sich an der Wirtschaft zu beteiligen und auf lange Sicht zu denken, sicherlich sehr wenig erfreulich wären. Vom steuerpolitischen Gesichtspunkt wird man diese Ergänzungsabgabe kaum befürworten können. Der Steuerzahler betrachtet das Reformwerk, um das es hier geht, ganz sicher zunächst einmal von diesem Gesichtspunkt. Man sollte ihn zwar dazu anleiten, auch die Bedeutung finanzpolitischer Entscheidungen allgemeiner Art, die Bedeutung etwa der Regelung des Finanzausgleichs verstehen und begreifen zu lernen und sich darum zu kümmern; denn letzten Endes geht es bei dem Geld, das hier ausgegeben wird, immer wieder gerade auch um sein Geld. Es geht um die Frage, wie teuer oder wie billig der Verwaltungsapparat im ganzen gestaltet sein muß. Es hat einmal jemand gesagt: Föderalismus sei notwendig teuer. Ich glaube das nicht. Das muß nicht sein. Man muß nur den Begriff „Föderalismus" — so wie das auch heute morgen mit Recht gefordert worden ist — in der richtigen Weise auffassen. Wenn man ihn einmal vom Standpunkt der misera
contribuens plebs aus betrachtet, dann sieht er so aus, daß der Staatsbürger eine dezentralisierte Verwaltung wünscht, d. h. eine gewisse Nähe der Verwaltung. Er will jemanden haben, mit dem er wirklich sprechen kann und der wirklich entscheidet. Leider ist das heute weithin nicht mehr so. Diese Art von echtem Föderalismus gibt es heute noch nicht einmal in den Ländern, die besonders viel vom Föderalismus reden. Auch hier wird man leider immer wieder feststellen können, daß sich die Mittelbehörden, die Ministerien, man darf vielleicht einmal sagen: in jeden Quark, in jede Kleinigkeit und in jede Bagatelle einschalten, daß Verwaltungsentscheidungen des Einzelfalles immer wieder vom Ministerium ausgehen. Daß dadurch die Verantwortlichkeit der Behördenleiter der unteren Stufe in keiner Weise gestärkt wird, ist vollkommen klar. Aber darauf kommt es für eine dem Bürger nahe, für eine einfache und kostensparende Verwaltung wirklich an.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Die steuerpolitischen Vorschläge, die hier gemacht sind, bringen, wie in diesem Hause wohl einmütig festgestellt worden ist, keine große und keine organische Steuerreform. Man hat seitens des Herrn Bundesfinanzministers einmal festgestellt, unser Steuersystem sei im großen und ganzen gut. Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich auf diese Feststellung des Herrn Bundesfinanzministers doch mit einem einfachen Satze antworte: Das System ist nicht gut, weil das gegenwärtig vorhandene Konglomerat von 50 Steuern, die Höhe der Tarife, das Ineinandergreifen oder Nichtineinandergreifen der Tarife und die Doppelbelastung verschiedenster Art die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr sicherstellen. Das ist ja ein Fehler, der sofort entsteht, sobald die Tarife höher werden. Sobald man mit einer Einkommensteuer mit Tarifen von 30, 40, 50, 60 und mehr Prozent zu rechnen hat, entstehen eben diese Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten einfach von selbst, und zwar deswegen, weil nach dem Einkommensteuergesetz Einkommen gleich Einkommen ist und jedes dieser Einkommen dann der gleichen Progression unterliegt. Die Verhältnisse, die soziologische Lage der verschiedenen Berufsstände sind aber nun einmal voneinander verschieden. Man kann tatsächlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit die Angestellten, die Arbeiter, die Unternehmer und die Angehörigen eines freien Berufes kaum miteinander vergleichen. Wenn ich mir einmal vorstellen wollte, wer bei der Art unserer heutigen Einkommenbesteuerung besonders schlecht wegkommt, dann würde ich sagen: in erster Linie sind es der angestellte Lohnsteuerpflichtige, der Angehörige eines freien Berufes und dann noch aus bestimmten Gründen, auf die ich gleich komme, der selbständige Unternehmer, also insbesondere auch der Unternehmer des Mittelstandes. Diese drei Gruppen kommen bei unserer Art der Einkommenbesteuerung besonders schlecht weg.
Wie steht es nun mit dem Reformwerk, das uns hier vorgelegt ist? Aus der Erwägung heraus, daß das System gut sei, ist eigentlich nur der Tarif grundlegend neu gestaltet worden. Man hat im übrigen die .Vergünstigungen gestrichen. Ich gebe zu, daß man die Streichung der Vergünstigungen sehr ernsthaft überlegen muß, weil diese Vergünstigungen auch entscheidende haushaltswirtschaftliche Auswirkungen haben und weil man natürlich eine Steuerreform ohne Rücksicht auf den Haushalt nicht machen kann. Aber wenn ich mir z. B.


(Dr. Eckhardt)

das Gesetz zur Neuordnung der Einkommensteuer im einzelnen ansehe, dann fällt mir doch sehr auf, daß sich neben manchen technischen Verbesserungen eine ganze Reihe von Vorschlägen eingeschlichen haben, die nichts weiter bedeuten, als daß die Verwaltung gewisse ihr unbequeme Entscheidungen der Finanzgerichte zu beseitigen wünscht, z. B. bei der Behandlung der Pensionsrückstellungen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die Rücksichtnahme auf die bereits abgelaufene Dienstzeit, auf das bereits erdiente Ruhegehalt. Auch bei der Neufassung der Besteuerung von Einkünften aus der Forstwirtschaft scheinen mir ähnliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt zu haben.
Nun zu einer anderen Frage, die hier auch bereits in extenso behandelt worden ist, nämlich die der Besteuerung der Ehegatten. Da ist es doch wohl so, daß hier das fiskalische Herz des Herrn Bundesfinanzministers den Sieg davongetragen hat. Es handelt sich wirklich um ein sehr schwieriges Problem; die meisten Lösungsversuche, die bisher vorgetragen worden sind, sind nicht ausreichend. Insbesondere die Frauenverbände haben eine völlig getrennte Besteuerung der Ehegatten verlangt. Mit einem gewissen Recht wird dann von anderer Seite geltend gemacht: Wie steht es aber dann mit der Hausfrau und Mutter, die selbst ja über kein unmittelbares Einkommen verfügt und bei der man höchstens fiktive Einkünfte würde berücksichtigen können? Daß hier etwas reformbedürftig ist, und zwar auch im Verhältnis zu den Vorschlägen, die von der Bundesregierung gemacht worden sind, ist doch klar. Stellen Sie sich zwei Kollegen in einem Büro vor, die beide zusammen 6000,— DM verdienen. Beide — ich rechne der Einfachheit halber gleich wieder beide zusammen — müssen eine Einkommensteuer von ungefähr 330 DM zahlen. Wenn diese beiden Kollegen verschiedenen Geschlechts nun heiraten, dann müssen sie — bei denselben Einkommen! — eine Einkommensteuer von 760 DM zahlen. Das ist eine völlig unmögliche Situation. Sie ist deswegen vollständig unmöglich, weil hier wirklich — die Frau Kollegin Lüders hat es neulich einmal so ausgedrückt, wie ich der Presse entnehme — eine Ehestrafsteuer vorliegt. Dazu darf die Einkommensteuer nicht ausarten. Ich bin der letzte, der die moralischen und sittlichen Fundamente der Ehe nicht über die materiellen stellt; aber dieses materielle Fundament einer Ehe ist ungeheuer wichtig. Es darf nicht von der steuerlichen Seite her beeinträchtigt werden.
Es darf auch nicht so sein, daß nur die lohnsteuerpflichtigen Eheleute begünstigt werden. Auch das ist eine Verletzung der Gleichmäßigkeit, z. B. im Verhältnis zu dem Ehemann oder zu der Ehefrau, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen. Denn die Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind ja doch im Regelfall die Einkünfte der Schriftsteller, der Künstler, der freien Berufe überhaupt, und diese Einkünfte sind noch weitaus ungesicherter als die Einkünfte von Angestellten.
Es geht also nicht an, das bisher bestehende Privileg nun einfach für die Lohnsteuerpflichtigen bestehenzulassen, es aber nicht auf die freien Berufe, nicht überhaupt auf die Einkünfte aus Arbeit im ganzen auszudehnen. Hier muß eine Lösung gefunden werden, und ich glaube, daß ein echter Ansatzpunkt zu einer solchen Lösung darin liegt, den Tarif in seinen Anfangsstufen vom progressiven zu einem proportionalen Tarif zu machen. Diese vom Troeger-Ausschuß und vorhin
auch vom Kollegen Seuffert vorgeschlagene Lösung birgt Möglichkeiten in sich, die im Finanzausschuß sehr genau diskutiert werden sollten.
Ich komme anläßlich der Besprechung dieses Einkommensteuerentwurfs noch auf einen anderen Punkt, der auch schon berührt worden ist, nämlich auf die Herabsetzung der Geltungsdauer des § 10 a und auf die Streichung des § 33 a mit seinem Freibetrag für Vertriebene, Totalgeschädigte, politisch Verfolgte und Spätheimkehrer, eine Bestimmung, die allerdings im Rahmen der Kleinen Steuerreform aufgehoben worden ist, d. h. danach auf den 31. Dezember 1954 auslaufen sollte. Hier gilt es nun, die Dinge unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu betrachten. Das ist der einzige Gesichtspunkt, unter dem wir eine steuerliche Gerechtigkeit finden können.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Dieser Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedeutet, daß ich — nicht etwa, um damit irgendwelche wirtschaftspolitischen Ziele zu verfolgen — steuerpolitisch versuchen muß, soweit es möglich ist, die Gleichheit der Chancen herzustellen.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Diese Gleichheit der Chancen ist aber bei den Totalgeschädigten und bei den Heimatvertriebenen — den Unternehmern unter ihnen wie den Heimatvertriebenen überhaupt —, bei den Ausgebombten und bei den Spätheimkehrern nicht vorhanden. Es muß ein Weg gesucht werden, hier zu helfen. Die Stimmen, die hier laut geworden sind, sind so zahlreich, daß schon allein ihre Zahl darauf hinweist, daß hier nicht einfach ein Interesse eines einzelnen oder einer Gruppe verfochten wird. Vielmehr ist die Herstellung der Gleichheit der Chancen ein Interesse des ganzen Volkes.

(Beifall beim GB/BHE.)

Der Einkommensteuertarif ist nach mathematischen Grundsätzen aufgebaut. Aber die mathematischen Grundsätze besagen ja noch gar nichts darüber, ob der Tarif den sozialen Gegebenheiten angepaßt ist. Es ist hier dargestellt worden, daß nach dem neuen Tarif manche Steuerpflichtigen, z. B. die ledigen Arbeiter, mehr Steuer werden bezahlen müssen als bisher. Beseitigen Sie den Freibetrag des § 33 a, dann werden eine ganze Reihe von Heimkehrern, Flüchtlingen, Totalgeschädigten, politisch Verfolgten usw. ebenfalls mehr Einkommensteuer zu zahlen haben als bisher. Das wäre eine sehr ungünstige Folge. Herr Kollege Neuburger hat in Übereinstimmung mit dem Kollegen Seuffert auch bereits deutlich darauf hingewiesen, daß die mittleren Einkommensstufen, zwischen 8000 und 40 000 DM etwa, in diesem Tarif im Verhältnis zu ihrer bisherigen Belastung durchaus nicht günstig wegkommen.
Es gibt eine ganze Reihe von Tarifvorschlägen, nicht nur den des Bundesfinanzministeriums. Es gibt den Vorschlag des Troeger-Ausschusses, es gibt einen Tarifvorschlag des Ifo-Instituts, einen Tarifvorschlag der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer. Alle diese Tarifvorschläge werden sorgfältig zu prüfen sein. Jeder einzelne enthält Anregungen, die man vielleicht zu einem neuen einheitlichen und dann eben wirtschaftlich vernünftigen und sozial gerechtfertigten guten Tarif wird verarbeiten können. Das zu prüfen, wird in den nächsten Wochen die Aufgabe des Finanzausschusses sein.


(Dr. Eckhardt)

Nun aber doch noch ein Wort zum Spitzensatz des Tarifs. Der Plafond liegt nach den Vorschlägen der Bundesregierung bei 55 %. Dieser Plafond kann nur in Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuertarif gesehen werden. Der Körperschaftsteuertarif soll 45 % betragen. Man hat von verschiedenen Seiten behauptet — die Behauptung ist vollständig unbewiesen —, das Verhältnis von 45 : 55, 80 : 100 oder wie Sie es ausdrücken wollen, sei verhältnismäßig günstig, d. h. es sei gerecht, die Lasten zwischen Körperschaften, also Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Personenfirmen und selbständigen Steuerpflichtigen auf der anderen so zu verteilen. Wenn man das behauptet, dann ist im Rahmen einer solchen Überlegung die 30%ige Vergünstigung der Dividenden kaum aufrechtzuerhalten, ganz abgesehen davon, daß diese Vergünstigung zu einer ganzen Reihe von technisch sehr intrikaten Problemen und Schwierigkeiten führt, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Schachtelprivileg, mit der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung, mit der Frage der Mindestbesteuerung. Ich selbst habe schon seit längerer Zeit vorgeschlagen, die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer und auch Herr Professor Flume aus Göttingen, der sich mit diesen Problemen besonders befaßt hat, haben vorgeschlagen, im Verhältnis von Körperschaften und Personenfirmen doch endlich einmal von dem Nebeneinander abzugehen und die sogenannte Doppelbesteuerung, von der immer wieder gesprochen wird, radikal zu beseitigen. Die Doppelbesteuerung, die nach dem bisherigen System darin liegt, daß z. B. Dividenden einer AG. beim Empfänger nochmals der Einkommensteuer unterworfen werden, ist geeignet, die wirklichen Gewinn- und Gewinnverteilungsverhältnisse zu vertuschen und mit einem Schleier zu überziehen. Es wäre eine wirtschaftlich vernünftige und auch gar nicht so schwer durchzuführende Lösung, wenn man z. B. sagte: Die Kapitalgesellschaft und die Personenfirma haben beide normalerweise — es handelt sich ja hier in der Regel um höhere Gewinne — denselben Satz zu zahlen, d. h. die Körperschaften haben einen Steuersatz von 55 % zu tragen,

(Abg. Raestrup: Sehr gut!)

und dafür fällt die Doppelbesteuerung der Dividende restlos weg, die Einkünfte aus Dividenden werden dann lediglich der Einkommensteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen unterworfen. Das ist eine wesentlich gerechtere Lösung, und nach der Ansicht mancher Experten stellt selbst diese Lösung einen nicht unbeachtlichen Vorteil für die Kapitalgesellschaften insofern dar, als diese durch die Haftungsvorschriften des Handelsrechts und durch die Verhältnisse des Kapitalmarkts ja, wenigstens meist, eine stärkere Stellung als die Personenunternehmungen haben.
Was ist heute? Meine Damen und Herren, nehmen Sie eine Personenfirma, einen Einzelunternehmer, einen größeren Betrieb mit 1 Million DM Gewinn, und nehmen Sie eine GmbH. mit ebenfalls 1 Million DM Gewinn. Diese GmbH. ist eine Ein-Mann-Gesellschaft. Dieser Fall ist bekanntlich nicht selten, und ich trage ihn Ihnen so vor, weil er natürlich besonders einfach ist. Wenn diese GmbH. ihren Gewinn versteuert, so wird sie künftig nur 45 % zu zahlen haben. Der Einzelunternehmer aber muß 55 %, d. h. 550 000 DM zahlen; warum, das weiß ich nicht.

(Abg. Raestrup: Wir auch nicht!)

Ob die Interessen des Einzelunternehmers hier geringer wiegen oder ob man sich sagt, daß er weniger investiere oder daß seine Arbeit volkswirtschaftlich weniger nützlich sei? Das kann ich mir nicht vorstellen. Nun nehmen Sie einmal den Fall, daß diese Kapitalgesellschaft, die nach dem Reformvorschlag 450 000 DM Steuern zu zahlen hat, 100 000 DM ausschüttet. Dann wären 900 000 DM mit 45 % und 100 000 DM mit 30 % versteuert, und Sie kommen dann bei der Kapitalgesellschaft trotz dieser doch nicht unbeträchtlichen Ausschüttung von 100 000 DM und trotz der Doppelbesteuerung auf eine Steuer von insgesamt 474 000 DM. Der Einzelunternehmer hat immer noch runde 80 000 DM mehr zu zahlen. Das ist keine glückliche und vor allen Dingen keine gleichmäßige Lösung. Ich sehe auch nicht recht ein, warum man die Herstellung der Gleichmäßigkeit auf diesem Gebiet unbedingt auf eine spätere, sogenannte organische Reform verschieben soll.
Das vorliegende Teilreformwerk beschäftigt sich im wesentlichen mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Umsatzsteuer widmet es nur einen ganz bescheidenen Raum. Ich meine, das wird der finanziellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuer nicht ganz gerecht und auch nicht den vielfachen Vorschlägen, die gerade zur Reform der Umsatzsteuer gemacht worden sind. Ich vertrete nicht die Auffassung, die sich vielleicht manche in diesem Hause zu eigen gemacht haben, daß bereits jetzt der Zeitpunkt gegeben sei, die seinerzeit von Wilhelm von Siemens vorgeschlagene veredelte Umsatzsteuer durchzuführen. Ich glaube, die Durchführung im gegenwärtigen Zeitpunkt würde so viele technische Schwierigkeiten und unvorhergesehene wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen, daß man mit dieser Reform noch zuwarten sollte, insbesondere so lange, als nicht exaktere Vorschläge und gesetzgebungsreife Projekte vorliegen und nicht genügendes wirtschaftsstatistisches Material auf diesem Gebiet vorhanden ist. Wir werden uns also mit der deutschen kumulativen Allphasensteuer zunächst noch eine Zeitlang abfinden müssen. Popitz, der in diesem Zusammenhang vorhin als Vater der Umsatzsteuer erwähnt worden ist, hat sein Kind keineswegs sehr geliebt. Er hat es sogar vom finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus als die schlechteste Steuerart bezeichnet, die man sich vorstellen könne. Ich will den Streit darüber dahingestellt sein lassen; denn es ist völlig klar, daß weder wir noch Frankreich noch 'Belgien noch die Schweiz noch viele andere Länder jemals in die Lage kommen, finanzwirtschaftlich auf eine solche Umsatzbesteuerung verzichten zu können. Aber sich bei der Reform der Umsatzsteuer darauf zu beschränken, daß gewisse Lieferungen von Stromunternehmen anders behandelt werden und daß dann weiter der Großhandelssatz von 1 auf 1,5 erhöht werden soll, das scheint mir doch sehr dürftig.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Mir scheint sogar der Vorschlag der Erhöhung
nicht sehr durchdacht gewesen zu sein. In den
Diskussionsbeiträgen des Troeger-Ausschusses —
und an der Troeger-Arbeit war ja eine ganze
Reihe von Verwaltungsexperten beteiligt — steht
zu lesen: Vielleicht könnte in Erwägung gezogen
werden, daß der Großhandelssatz eine Erhöhung
verträgt, aber das muß noch von der Beistellung
von Material abhängig gemacht werden. Der
Troeger-Ausschuß hat sich also sehr vorsichtig


(Dr. Eckhardt)

ausgedrückt. Nach Bekanntwerden des Gesetzgebungsvorschlages der Bundesregierung ist inzwischen von den verschiedenen Großhandelsverbänden eine ganze Menge Material gekommen, an Hand dessen sich deutlich zeigt, daß dieser Vorschlag — es handelt sich ja keineswegs um eine geringfügige, sondern um eine 50%ige Erhöhung — wahrscheinlich sehr viel tiefer in die Verhältnisse des Großhandels überhaupt eingreift. Ich selbst schätze nicht 200, sondern 300 bis 400 Millionen DM Mehraufkommen, wenn man nach diesem Vorschlag vorgehen würde. Das können Sie den Zahlen entnehmen, die das Ifo-Institut und auch die Diskussionsbeiträge des Troeger-Ausschusses bereitgestellt haben. Doch davon abgesehen.
Was den Unternehmer und den Großhändler selbst betrifft, so sind sicherlich eine ganze Reihe von Großhändlern bestimmt nicht in der Lage, dann noch die Umsatzsteuer, wie es dem Sinn der Umsatzsteuer entspricht, zu überwälzen. Die soziale Seite des Ganzen wird übersehen. Es werden auch die besonderen Marktverhältnisse der Großhandelsunternehmen außer Acht gelassen, die Markenartikel vertreiben oder mit sozial-kalkulierten Wirtschaftsgütern zu tun haben. Ich glaube, die Ablehnung des Vorschlags einer Steuererhöhung wird in diesem Bundestag, wenn ich meine Herren Vorredner recht verstanden habe, diesmal ziemlich einmütig sein.
Nun besteht kein Zweifel darüber — und das ist vielleicht ein gewisser Trost für den Herrn Bundesfinanzminister ,, daß gerade die Umsatzsteuer unzweifelhaft eine Reihe von finanziellen Reserven enthält. Diese Reserven sind, wie ich positiv weiß, in vielen Berichten der Oberfinanzdirektionen an das Bundesfinanzministerium dargelegt worden. So etwas bleibt ja nicht ganz verborgen.

(Heiterkeit.)

Mir sind die Verhältnisse auf dem Gebiet der Umsatzsteuer auch nicht ganz unbekannt.
Die gesamten Befreiungen, die Freilisten, die zahllosen Zulassungen von Be- und Verarbeitungen auf dem Gebiet der Umsatzsteuer geben eine wirtschaftspolitische Situation wieder, wie sie allenfalls im Jahre 1934 bei der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes bestanden haben mag. Warum ist man nicht darangegangen, diese alten Befreiungen, die Freilisten, die zugelassenen Bearbeitungen nachzuprüfen? Wenn man bei der Umsatzsteuer einige verwaltungstechnisch besonders lästige Anhängsel streichen würde, käme nach meiner Überzeugung mehr an Umsatzsteuer heraus als bei dem gegenwärtigen System. Wie denken Sie beispielsweise über jene Zusatzsteuern, die in der Verwaltung selbst eine Kritik gefunden haben, die man fast mit Gespött bezeichnen kann. Die Zusatzsteuer im Herstellereinzelhandel ist doch zu einem Konglomerat von unverständlichen Zusammenfügungen von Einzelvorschriften geworden, die selbst in der Denkschrift der Troegerschen Experten als Musterbeispiel schlechter Steuertechnik bezeichnet werden. Hier gibt es eine ganze Menge zu tun. Weiter bin ich der Überzeugung, daß nicht weniger, sondern mehr aufkommen würde bei einer großzügigeren Handhabung der Dinge auf dem so viel behandelten und in der Praxis so unleidlichen Gebiet der Be- und Verarbeitung, d. h. der Herstellung
einer anderen Wesensart eines Gegenstandes, der Änderung seiner Nämlichkeit. Alle diese Streitigkeiten führen zu immer neuen Berufungen, zu immer neuen Auseinandersetzungen der Verbände. Es wird ein Heer von Beamten, ein Heer von Beratern, in Bewegung gesetzt, um zu einer einigermaßen passenden Lösung zu kommen, und dann gibt es nachher doch einen allgemeinen Erlaß. Wenn man sich aber vorher fragt, ob etwas eine steuerschädliche Bearbeitung ist oder nicht, dann ist das genau so, als ob man mit einem Geldstück probierte, ob der Adler oder das Wertzeichen oben liegt. Das ist ein Zustand, der auch bei dem gegenwärtigen System der Umsatzsteuer keinesfalls erträglich ist. Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben, noch allerlei zur Umsatzsteuer zu sagen.
Was nun die übrigen Steuerarten unseres sogenannten Steuersystems betrifft, so sind sie in der Steuerreform so gut wie nicht behandelt. Es findet sich eine Andeutung, daß man später auf die Verbrauchsteuern zurückkommen würde. Ich teile nicht die Auffassung, daß etwa die alte Unterscheidung von direkten und indirekten Steuern, von der Sie, Herr Kollege Seuffert, gesprochen haben, heute noch ganz gerechtfertigt ist. Das wird man bei jeder einzelnen Steuer prüfen müssen. Man kann von keiner einzigen Steuer — abgesehen vielleicht von Substanzsteuern — sagen, ob sie nicht in irgendeiner Form überwälzt werden kann. Hierin liegt ja gerade die Gefahr der hohen Steuersätze, gegen die sich jeder wenden muß, einerlei, auf welcher Seite des Hauses er sich befindet. Sie besteht darin, daß bei einer Marktwirtschaft immer wieder die Überwälzung versucht wird. Hohe Steuersätze bergen also preispolitische Gefahren in sich und vermögen gerade die Zustände zu fördern, die der Herr Bundesfinanzminister mit seiner Auffassung vom Haushaltsgleichgewicht in den letzten Jahren so energisch bekämpft hat. Gerade deswegen muß man in einer Marktwirtschaft eine andere Art von Steuerpolitik treiben, als wir sie bei den totalitären Staaten im Osten sehen.
Ich komme dabei noch auf einen anderen Punkt, über den man heute noch nicht diskutiert hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß es als Grenze für Steuerermäßigungen, für Tarifsenkungen auch eine internationale Grenze gebe. Ich weiß das natürlich sehr genau. Aber man darf bei dieser internationalen Grenze zwei Dinge nicht übersehen. Einmal das Wirtschaftssystem. Es ist natürlich etwas ganz anderes, ob Sie in einem Staat wie England ständig Subventionen ausführen, oder ob Sie diese Politik der Subventionen in einer Wirtschaft wie der unseren grundsätzlich ablehnen. Das führt zu ganz andersartigen Belastungen. Also einmal muß das Wirtschaftssystem beachtet werden. Es muß aber auch die Gesamtheit der Steuern zum Vergleich gebracht werden. Ich glaube, wenn wir uns die Gesamtheit der deutschen Steuer- und Abgabenbelastung einschließlich der Sozialabgaben ansehen, dann werden wir feststellen, daß wir immer noch mit einem ganz hübschen Vorsprung im Rennen liegen.
Daß alle Steuern die Möglichkeit in sich tragen, überwälzt zu werden, bedeutet nicht, daß nicht doch einige Steuern diese Fähigkeit in einem besonderen Grade haben und daß sie Eigenschaften haben, die man nicht mehr als sozial bezeichnen kann. Steuerrecht muß auch sozial sein. Es soll nach meiner Überzeugung — im Gegensatz zu dem Troeger-Gutachten — nicht den Zweck der Nivel-


(Dr. Eckhardt)

lierung haben, .aber es soll sozial gestaltet sein. Das ist etwas ganz anderes.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Bei dem weiten Gebiet der Verbrauchsteuern sind einige Abgaben ohne weiteres zu erkennen, bei denen es auf diesen sozialen Charakter ankommt. Es ist die schon von Herrn Seuffert erwähnte Zuckersteuer, es ist weiter die Salzsteuer, es ist die Leuchtmittelsteuer und es ist die Zündwarensteuer. Durch diese kleinen Verbrauchsabgaben, die zum Teil, wie die Zündwarensteuer oder die Leuchtmittelsteuer, noch nicht einmal wesentlich ins Gewicht fallen, wird aber der Haushalt, und zwar auch der mittelständische Haushalt, von dem hier soviel die Rede gewesen ist, sehr erheblich belastet. Fragen Sie einmal die Hausfrau, was sie dazu sagt, daß sie seit Jahren für die Schachtel Streichhölzer nicht mehr drei oder fünf Pfennig, sondern zehn Pfennig, für das Paket Streichhölzer also eine Mark hinlegen muß! Das merken sich alle Hausfrauen. Und hier kommt noch eine Folge hinzu, die sehr interessant ist. Die Tatsache, daß die Hausfrauen sich das gemerkt haben, hat nämlich dazu geführt, daß wir auf diesem Gebiet, von dem ich gerade spreche, als dem einzigen Wirtschaftszweig im Bundesgebiet keinerlei Produktionssteigerung haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir bei der Zündwarensteuer immer noch die Kontrollratssteuer vor uns haben, die nun endlich beseitigt werden sollte. Hinsichtlich der Beseitigung einer solchen Kontrollratssteuer und der Herstellung eines vernünftigen Preises für ein solches Wirtschaftsgut sollte man nicht auf später vertrösten, sondern das sollte und könnte man auch jetzt tun.
Ich darf nun das letzte Gebiet berühren, auf das es mir ankommt und das nach meiner Überzeugung wirklich auch wesentlicher ist, als viele Steuerzahler anzunehmen scheinen. Das ist das Gebiet des allgemeinen Abgabenrechts. Auch hier hat man gesagt, daß die Reichsabgabenordnung von 1919, die Enno Becker damals aus dem Nichts heraus geschaffen hat, eine mustergültige Leistung gewesen sei, eine mustergültige Leistung vielleicht für ihre Zeit und für den Stand der Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts, der für das Jahr 1919 festzustellen ist. Damals gab es nämlich noch gar keine allgemeinen Verwaltungsgesetze, sondern nur Sonderregelungen. Das allgemeine Verwaltungsrecht ist, wie Ihnen bekannt sein wird, erst in eben diesen Jahren von Mayer, Kormann, Jellinek und anderen geschaffen worden. In diese Zeit fällt auch die Reichsabgabenordnung. Die Reichsabgabenordnung genügt aber heutigen rechtsstaatlichen Begriffen deshalb nicht, weil es undenkbar ist, daß Ankläger und Untersuchungsführer, Richter und Vollstrecker sich uns in einer Person, nämlich in der Person des Finanzbeamten vorstellen. Das geht nicht, und diesen Zustand wird man beseitigen müssen. Man wird auch endlich dazu kommen müssen, die so lange versprochene Finanzgerichtsordnung vorzulegen und sie in die Reichsabgabenordnung einzuarbeiten. Die Notwendigkeit und die Dringlichkeit dieser Arbeiten ergeben sich nicht zuletzt auch daraus, daß draußen im Lande das Verhältnis zwischen Finanzbeamten, Betriebsprüfer, Steuerfahnder auf der einen Seite und Steuerpflichtigen auf der anderen Seite leider schlechter ist, als es sein sollte, zum Teil auch deshalb, weil die Vorschriften, an die Finanzbeamte, Betriebsprüfer und Fahndungsbeamte gebunden sind, den rechtsstaatlichen Überzeugungen von heute nicht mehr entsprechen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wenn wir uns also heute — unter dem Vorbehalt der Vorschläge, der Anregungen, der Änderungen, von denen ich gesprochen habe — grundsätzlich zu diesem Schritt einer Finanz- und Steuerreform oder einer Teilreform auf diesen Gebieten bekennen, dann darf das keineswegs heißen, daß dieser Schritt in irgendeiner Form endgültig sein dürfe. Er kann und darf nur eine Etappe auf dem Wege zu einer einheitlichen, geschlossenen und rationellen Finanzverfassung und auf dem Wege zu einem Steuersystem sein, das sowohl den sozialen Schutz wie aber auch die rechtliche Sicherheit für den Staatsbürger gewährleistet.

(Beifall beim GB/BHE und bei der CDU/CSU)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0202901500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0202901600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich im Laufe des Tages mehrfach an einen Artikel erinnert — dessen Verfasser mir keineswegs irgendwie nahesteht —, nämlich an den Artikel des Herrn Chefredakteurs Sänger. Sie werden sich vielleicht erinnern, daß dieser Artikel von dem Herrn Bundeskanzler, und zwar wohl auch wegen des darin enthaltenen Angriffes gegen die Provinzstadt Bonn, sehr schlecht kommentiert worden ist. Aber davon sage ich kein Wort, es ist mir viel zu gefährlich.

(Heiterkeit.)

Herr Sänger hat in diesem Zusammenhang gesagt: Politiker sollten nach Möglichkeit nicht als Experten sprechen, jedenfalls nicht bei Dingen, die eine allgemeine Bedeutung haben, sondern eben als Politiker. Ich zweifle ein wenig, ob alle meine Vorredner — von mir können Sie es ja nachher beurteilen —

(Abg. Dr. Köhler: Da sind wir aber gespannt! — Heiterkeit)

dieser meines Erachtens richtigen Ermahnung gefolgt sind.
Ich glaube, man muß doch ein paar Worte — das ist aus Liebenswürdigkeit oder wegen unserer Schnellebigkeit nicht geschehen - darüber verlieren, was in der Zeit zwischen dem 13. März, dem „geschichtlichen Tage", und heute geschehen ist. Wir wollen uns nicht so ohne weiteres darüber trösten, daß das Klima anscheinend etwas besser geworden ist, das Klima, meine ich, der Erörterungen und der Diskussionen, und daß wir jetzt also liebenswürdigerweise bei „Bahnhofsgesprächen" angekommen sind, die mir ja schon aus anderen Gründen nur sympathisch sein können. Sie wissen aber, daß dazwischen doch mancher schlechte Stil passiert ist. Fürchten Sie nicht, daß ich Sie mit den Reden aus Passau und aus Essen langweile. Ich habe sie aber nicht vergessen, und ich will, ohne nachtragend erscheinen zu müssen, zum Ausdruck bringen, daß ich diesen schlechten Stil doch sehr bedauert habe.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, von „Schamlosigkeit" sprechen, das sollte man erst kurz vor seinem Sieg oder vor seiner Niederlage tun.

(Beifall bei der FDP.)



(Dr. Wellhausen)

Auch der andere Ausdruck, der bei dieser Gelegenheit über die „Geldsäcke ohne Herz" gefallen ist, hat mir, zumal ich nicht auf einem Geldsack sitze, nicht gefallen, Herr Bundesfinanzminister. Ich könnte ja nun sagen „betrifft mir nicht", denn ich bin nicht bei der CDU, wie Sie alle wissen, geschweige denn bei der CSU.

(Heiterkeit und Oho-Rufe.)

— Nein, haben Sie keine Angst, ich komme nicht zu Ihnen!

(Erneute Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.) Man sollte das aber doch gelegentlich einmal betonen.

Grund für diese Zuspitzung — so sagen wir einmal höflicherweise — war natürlich der Theaterdonner, mit dem hier mit gehöriger Vorbereitung die Dinge am 13. März vor sich gegangen sind. Lieber Herr Bundesfinanzminister, ich finde eigentlich, Sie hätten sich sagen können, daß es zu einer Enttäuschung kommen würde. Ihre Erklärung, daß die Wirtschaft dann besonders die Trommel gerührt habe, stimmt ja auch nicht, sondern die Reaktion war, bedauerlicherweise, bei der gesamten Presse „spontan", um einen überholten Ausdruck zu gebrauchen.
Nun haben wir heute vieles gehört, und wenn auch unser Ressortminister für klassische Zitate nicht da ist ich meine den Herrn Familienminister —,

(Heiterkeit)

so bin ich doch versucht zu sagen: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen! — Vielleicht haben Sie mir ja auch, nachdem ich so weit hinten heruntergerutscht bin — auf der Liste, meine ich natürlich —, die Chance gegeben, nun ein wenig zu changieren, nämlich von der Opposition zur Regierung und wieder zurück. Weitere Möglichkeiten haben wir ja leider nicht.

(Rufe in der Mitte: Na, na! — Abg. Seuffert: Die dritte Kraft!)

— Die dritte Kraft! Ich komme noch von selbst darauf.
Lassen Sie mich anfangen mit der Finanzreform. Herr Kollege Eckhardt hat bereits das zitiert, was ich in der Presse verlautbart habe, und ich will versuchen, es etwas anders zu begründen — ich meine jetzt die Trennung von Finanz- und Steuerreform —, als es bisher hier begründet worden ist. Am meisten befinde ich mich, glaube ich, mit den Gedankengängen des Herrn Gülich in Übereinstimmung.
Man muß sich einmal die Mühe machen, sich die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes — unserer Väter, ist nicht richtig, sagen wir: unserer Brüder, speziell Sie, lieber Bruder Dehler —

(Heiterkeit)

zu vergegenwärtigen. Diese Entstehungsgeschichte beginnt mit dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, also in unserm lieben Bayern. Dort wurde die These aufgestellt: Die Länder sollen nicht Kostgänger des Bundes, und der Bund soll nicht Kostgänger der Länder sein; jeder Teil muß über das verfügen können, was er für seine Lebenshaltung benötigt.
In der sicherlich richtigen Erkenntnis, daß es für eine solche Regelung im Jahre 1949 zu früh sei, ist man den ungewöhnlichen Weg gegangen, in einem Grundgesetz, sprich Verfassung, für das doch immerhin sehr zentrale Finanzwesen eine vorläufige Regelung vorzusehen. Man hat aber entsprechend der Schnellebigkeit, von der ich in anderem Zusammenhang schon sprach, einen zu frühen Termin eingesetzt, und die Weisheit beider Gremien, also des Bundesrats und von uns, hat auch rechtzeitig erkennen lassen, daß diese Frist nicht eingehalten werden konnte. Man hat sich dann zunächst den Wahlkampf geleistet, in dem wir uns ja alle getummelt haben, mit mehr oder weniger Erfolg, und dann ist also doch die Zeit des 31. Dezember 1954 sehr schnell herangekommen; nunmehr steht sie ja bereits unmittelbar vor uns.
Nun hat inzwischen der Bund gemäß Art. 106 Abs. 3 einen Teil des Ertrages der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch genommen, und dadurch sind alljährlich Auseinandersetzungen entstanden, über die hier vorhin schon viele nicht Krokodils-, sondern echte Tränen geweint worden sind. Ich neige auf Grund gewisser Erfahrungen im Leben ein wenig zu dem Satz: „Nur keinen Krach vermeiden!" Ich bin also nicht der Meinung, daß es so furchtbar lästig und so furchtbar häßlich und so furchtbar unsachlich ist, wenn man sich alle Jahre über dieses Inanspruchnahmegesetz streitet. Vielleicht führt das doch auch zu neuen Erkenntnissen. Ich habe jedenfalls, zumal ich eigentlich immer im Vermittlungsausschuß daran beteiligt war, schon eine ganze Menge dabei gelernt. Aber ich erwähne das, weil ja dieser Gesichtspunkt einer der Hauptgründe für die Bundesregierung ist, nunmehr die endgültige Regelung des Art. 107 vorzulegen.
Aus der Begründung, meine Damen und Herren, geht hervor, daß sich auch die Bundesregierung recht ernst die Frage vorgelegt hat, ob die sachlichen Voraussetzungen, die seinerzeit gefehlt haben, jetzt vorliegen. Sie bezeichnet das selbst als zweifelhaft hinsichtlich mancher sehr gewichtiger Punkte: hinsichtlich der von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung abhängigen Ergiebigkeit der Steuerquellen, hinsichtlich der ausreichenden Übersehbarkeit des künftigen öffentlichen Finanzbedarfs insbesondere wegen Belastungen, deren Höhe von der weltpolitischen Entwicklung und von deren Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft usw. abhängt; sie bezeichnet es schließlich als zweifelhaft hinsichtlich der noch nicht durchgeführten Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Art. 29 des Grundgesetzes. Sie wissen, daß sich damit ein Sachverständigengremium beschäftigt, dem anzugehören ich die Ehre habe und das neulich in Nürnberg getagt hat. Ich müßte geradezu lügen, wenn ich sagen wollte, ich sei der Ansicht, daß sich daraus sehr schnell und sehr bald etwas Reales konkretisieren werde. Das wird wohl noch ein bißchen lange dauern. Das liegt 'keineswegs an Herrn Reichskanzler Luther.
Man wird also schon diese Einwendungen, die die Bundesregierung in ihrer Begründung selbst aufführt, sehr ernst zu prüfen haben. Aber ich wiederhole: die lästigen Auseinandersetzungen und dann der Umstand, daß man den Termin schon einmal verschoben hat, sollen dazu zwingen, nun zum Schluß zu kommen. Ich behaupte keineswegs, daß man sich für die Zukunft die Arbeit leicht machen will, sondern erkenne an, daß man Verständnis für die Einstellung der Bundesregierung haben muß. Ich glaube aber doch, daß übergeordneten politischen Gesichtspunkten, die diese wichtige Frage des Finanzwesens letzten Endes


(Dr. Wellhausen)

ausschlaggebend beeinflussen müssen, nicht Rechnung getragen wird, wenn man sich zu einer überstürzten Verabschiedung entschließt. Ich wiederhole, daß nur noch sechs Monate zur Verfügung stehen. Rechnen Sie die Ferien ab, auf die ja keiner verzichtet — das haben wir im ersten Bundestag ein paarmal exerziert —, ferner die Feiertage, und wer weiß, was alles, dann werden Sie zu einem Nettobetrag an sitzungsbereiten Tagen kommen, der sehr gering ist.
Ich meine — das sage ich noch einmal —, daß der Entschluß des Parlamentarischen Rates schwerwiegend ist. Eine solche Regelung ist ja eigentümlich, daß man nämlich in einer Verfassung nichts Endgültiges, sondern ausdrücklich etwas Vorläufiges bestimmt. Das sollte uns zu einer besonders eingehenden und sachlich fundierten Prüfung der Frage veranlassen, ob die Dinge, wie meine Freunde in Nürnberg zu sagen pflegen, bereift sind. Ich glaube, daß in den sachlichen Ausgangsunterlagen noch vieles fehlt und auch fehlen muß. Ich erwähne, um es etwas plastisch zu gestalten, das Kriegsfolgenschlußgesetz und die Lasten, die dem Bund daraus erwachsen werden. Ich erwähne die Maßnahmen für die nationale Sicherheit, wenn ich mich ganz neutral ausdrücken darf. Es ist jetzt modern geworden, in dieser Beziehung nicht sehr konkret, sondern von nationaler Sicherheit zu sprechen. Das habe ich nicht etwa von meinem Freund Pfleiderer gelernt, sondern das habe ich selbst erfunden.

(Heiterkeit.)

Ich erwähne das Flüchtlings- und das Vertriebenenproblem. Ich denke an manche finanzielle Sorgen, und da bin ich so unbescheiden — erlauben Sie mir das —, auch die Bundesbahn zu erwähnen. Ich denke an die landwirtschaftlichen Meliorationen und an die Wasserwirtschaft. Ich hoffe, das genügt Ihnen als Begründung.
Die Bundesregierung treibt nun eine Resignation, wenn sie erklärt, diese Dinge oder jedenfalls ein großer Teil dieser Dinge würden sich auch als Unsicherheitsfaktor in absehbarer Zeit überhaupt nicht ausräumen lassen. Das ist mir zu bescheiden, Herr Minister Schäffer, und das sind Sie doch eigentlich sonst nicht, wenigstens nicht, wenn es sich um die Arbeit, die Sie bewältigen sollen, handelt. Es ist eine staatspolitische Aufgabe gerade dieser Sessionsperiode des Bundestages, für die von mir nicht erschöpfend aufgezählten Dinge Klarheit zu schaffen, die sich für die Voraussetzungen der endgültigen Lösung der Finanzreform wieder günstig auswirken würde.
Ich glaube, daß eine zweite Resignation in dem Entwurf selbst vorliegt. Ich glaube, daß sich Art. 107, der die schwierige Aufgabe stellt, die man lösen soll, nicht so eng auslegen läßt, wie Sie, Herr Minister Schäffer, das in Ihrer Begründung getan haben. Ich weiß, das ist strittig, und Herr Eckhardt stimmt mir vielleicht in dem Punkt auch nicht zu. Ich glaube, das Gesetz nach Art. 107 bezieht sich nicht nur auf die Neuregelung der Steuerertragshoheit, sondern auch auf die Steuergesetzgebungshoheit und auf die Steuerverwaltungshoheit. Ich könnte mir nun denken — da brauche ich nicht sehr weit zu gucken —, daß Sie politische Gründe haben, Fragen der Steuerverwaltungshoheit nicht gerade anzuschneiden. Ich widerstehe aber der Verlockung, der schon manche Vorredner erlegen sind — immer in einem Sinne, der
mir sehr sympathisch war —, über die Bundesfinanzverwaltung zu sprechen. Das hebe ich mir für ein vielleicht besseres Klima, Herr Minister Schäffer, auf. Denn ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß jemandem, der so intensiv und mit so großem Erfolg wie Sie dieses Amt eines Bundesfinanzministers bekleidet, nicht eines Tages wie eine reife Frucht die Bundesfinanzverwaltung in den Schoß oder vielmehr in das Gehirn fällt.

(Beifall und Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Glauben Sie, daß aus diesem Saulus noch ein Paulus wird?)

— Ja, da hat es schon einmal ganz tolle Sachen gegeben, lieber Herr Gülich. Sie sind ein Wissenschaftler, Sie müßten das eigentlich wissen.
Aber, meine Herren, die Dinge der Steuerreform
— und das ist eigentlich von allen Rednern anerkannt worden — liegen auf einem völlig anderen Gebiet. Niemand von Ihnen hat behauptet, daß ein organischer, notwendiger und unlöslicher Zusammenhang mit der Finanzreform besteht. Ich verkenne nicht, daß es natürlich schade ist, daß wir in Deutschland es nicht fertigbringen, über diese Dinge im Vermittlungsausschuß sachlich zu diskutieren, daß wir sehr leicht der Gefahr verfallen, die Sachlichkeit zu verlassen, und vielleicht sogar manchmal demagogische Auseinandersetzungen herbeiführen. Aber dieser Umstand gefährdet — und das ist nun des Pudels Kern, um den ich vielleicht lange genug herumgeredet habe, Herr Mellies, wenn Sie so wollen — die rechtzeitige Verabschiedung der Steuerreform, auf die es mir und meinen Freunden entscheidend ankommt. Ich glaube nicht, daß diese notwendigen sachlichen Voraussetzungen gegeben sind. Falls Sie mir das zugeben, werden Sie vielleicht geneigt sein, mit mir den Zeitpunkt der endgültigen Regelung nach Art. 107 als noch nicht gekommen anzusehen. Wenn man warten muß — ich bin von Hause aus durchaus kein Attentist —, dann muß man natürlich das Notwendige tun und sich entschließen, durch ein verfassungänderndes Gesetz — da brauchen Sie nicht gleich blaß zu werden; an so etwas sind wir j a in letzter Zeit schon ein wenig mehr gewöhnt;

(Hört! Hört! bei der SPD)

ich gehe aber nicht auf die Gründe und auf die
Gelegenheiten ein, das ist mir viel zu gefährlich,
und ich brauche es auch gar nicht — die am
31. Dezember 1954 ablaufende Frist um zwei Jahre
zu verlängern. Die Weisheit des Bundesrats, die
heute schon mehrfach anerkannt worden ist — Sie
werden sagen: ich werfe mit der Wurst nach dem
Schinken; das gebe ich vielleicht sogar zu —, wird
sich auch dieser verfassungändernden Maßnahme
der Verlängerung des Gesetzes nicht verschließen.
Meine Damen und Herren, ich gehe über zur Steuerreform. Ich glaube, daß so viel über „organisch", über „groß", über „neu" gesprochen worden ist, daß es nicht nötig ist, in diesem Augenblick noch etwas dazu zu sagen. Wir haben uns alle aus verschiedenen Gründen mehr oder weniger damit abgefunden. Bei mir ist es vor allen Dingen der Grund der Schnelligkeit, daß wir diese organische Steuerreform, deren Notwendigkeit ich in bereinstimmung mit vielen Rednern absolut bejahe, jetzt nicht zustande bringen können.
Nun kommt der Termin, um dessen Erörterung viele Kollegen eigentlich wie um einen heißen Brei herumgegangen sind. Meine Freunde haben mit dem Antrag Drucksache 280 vom 28. Februar 1954 die


(Dr. Wellhausen)

Steuerreform für den 1. Juli verlangt. Wenn Sie mir jetzt sagen: Darüber ist die Zeit mit ihrer heilenden oder zerstörenden Wirkung — das stelle ich anheim — hinweggegangen, dann sage ich Ihnen: dieser Ansicht bin ich nicht. Ich bin vielmehr der Meinung, daß alle Argumente, die sonst gegen rückwirkende Gesetze angeführt werden, hier fehl am Platze sind. Ich meine also, daß bei dieser Steuerreform die Bedenken der Finanzbeamten — die ich hoch schätze und natürlich schon aus Egoismus verehren muß —

(Heiterkeit)

für mich nicht maßgebend sind. Ich glaube vielmehr, daß es nötig ist, sich mit diesem Termin als endgültigem Zeitpunkt des Wirkungsbeginns der Steuerreform zu beschäftigen. Vielleicht überrascht es Sie, wenn ich Ihnen sage, daß ich eigentlich nicht recht weiß, warum wir in unserer laufenden Reihe von Steuerreformen — deswegen spreche ich auch nachher in einem anderen Zusammenhang von der auf enden Steuerreform
— das Jahr 1954 schlappern sollen, d. h. zu deutsch, warum wir dem Steuerpflichtigen nicht den Vorteil, der ihm an sich aus der Zuwachsrate des Jahres 1954 erwächst, zugute kommen lassen sollen.

(Abg. Seuffert: Er hat aber noch die Vergünstigungen!)

— Die Vergünstigungen entgehen ihm ja schon früh genug. Darüber spreche ich gleich. Dafür bin ich auch absolut.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß, wenn man logisch denkt — und das soll man in Finanz- und Steuerdingen —, man sagen müßte, das Jahr 1955 müßte dieses Geschlapper — entschuldigen Sie diesen Slangausdruck — wieder einbringen. Das würde, wenn Sie ganz logisch weiterdenken, dann dazu führen, daß das Jahr 1956 im Rahmen der laufenden Steuerreform nicht herunter-, sondern herauflaufen müßte. Solch komplizierte Dinge wollen wir uns nun mit Gewalt zuziehen, obwohl es doch sehr viel einfacher geht, nämlich dann, wenn wir uns erstens in den Beratungen beeilen
— ein Appell, den ich natürlich in erster Linie an den von mir geführten Ausschuß richten werde — und wenn man zweitens die Rückwirkung schluckt. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß sie meines Erachtens berechtigt ist. Wir brauchen den Fehler, den ich Ihnen entwickelt habe, nach den Zahlen für 1954 nicht aufkommen zu lassen, wenn wir so vorgehen. Der Mischtarif, Herr Bundesfinanzminister, stört mich nicht. Wir haben ihn gerade 1953 exerziert, und er hat die Finanzverwaltung und auch die Länderfinanzverwaltung nicht an den Rand des Abgrunds gebracht. Schwieriger ist natürlich schon die Geschichte mit den Begünstigungen, denn die können wohl nach der ganzen Situation nicht vor dem 1. Januar 1955 auslaufen. Aber bei Nachdenken und Anstrengen des Gehirns wird man vielleicht auch da zu einer Lösung kommen.
Ich komme zur Ergänzungsabgabe. Hier möchte ich mir nach den vielen Argumenten, die vorgetragen worden sind, die Sache sehr leicht machen. Ich möchte nämlich von dem Begriff des Durchschnittsbürgers, der so viel zitiert wird, oder von dem Begriff der Masse des Volkes, das sich, wie ich neuerdings gehört habe, in Köln besonders konzentriert findet,

(Heiterkeit)

Gebrauch machen.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: der Durchschnitt des Volkes!)

— Ja, der Durchschnitt. Viel mehr als Durchschnitt kann ja Köln auch schließlich nicht sein.

(Erneute Heiterkeit.)

Wir wollen es doch nicht übertreiben!

(Fortgesetzte Heiterkeit.)

Ich möchte Ihnen sagen, daß wir diese Ergänzungsabgabe wohl einfach deswegen ablehnen müssen, weil sie eine neue Steuer ist. Nichts paßt in diesem Augenblick so schlecht in die Landschaft, als eine neue Steuer zu verordnen.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Eine Steuer, die in die Welt gesetzt wird — quod non est in actis, non est in mundo —, reizt doch dazu, und zwar jeden Finanzminister, von ihr Gebrauch zu machen.
Nun ist von einem Argument noch gar nicht gesprochen worden, das aber doch, wenn ich recht orientiert bin, in der Angelegenheit der Ergänzungsabgabe eine große Rolle gespielt hat, daß man nämlich meint, man wolle durch diese Ergänzungsabgabe auch eine vielleicht etwas einfache Antwort auf die Frage geben: Wie kann man auch in Zeiten vor Wahlen das Parlament an der Verabschiedung von unverständigen und Geld kostenden neuen Gesetzen verhindern? Schon unsere Väter, nein, schon unsere Brüder im Parlamentarischen Rat haben sich diese Frage vorgelegt und den Art. 113 erfunden. Es fällt mir auf und ich suche immer nach Gründen, warum dieser Artikel so vollständig totgeschwiegen wird. Ich weiß, daß er noch nie exerziert worden ist, und man soll eigentlich — das ist nicht philologisch gedacht, sondern vernünftig, was kein Gegensatz ist — schlechtes Wasser erst ausgießen, wenn man besseres hat. Wir sollten also schon einmal mit dem Art. 113 operieren.
Nun haben mir meine Agenten berichtet — die arbeiten aber natürlich nicht immer sehr genau—, es bestehe die Idee, daß die Berechtigung des Art. 113 in Zukunft nicht der Bundesregierung — wie es im Grundgesetz steht —, sondern dem Herrn Bundesfinanzminister zustehen solle.

(Abg. Seuffert: Hört! Hört!)

Das allerdings würde zu weit gehen, Herr Schäffer, und das verlangen Sie wahrscheinlich ja auch nicht. Deswegen glaube ich, daß mich meine Agenten falsch unterrichtet haben.

(Heiterkeit.)

Ich möchte Ihnen also vorschlagen: Machen Sie von dem Art. 113 einmal Gebrauch! Ich habe vorhin gesagt: Ich verstehe nicht recht, warum davon kein Gebrauch gemacht wird. Beim Nachdenken ist mir folgendes eingefallen — mit dem Einmaleins gerechnet —: Es kann sich nämlich bei jedem Gesetz, das im 1. oder 2. Bundestag mit Mehrheit beschlossen worden ist, immer nur um mindestens eine beteiligte Koalitionspartei handeln, und der vor den Bauch zu treten oder die vor den Kopf zu stoßen — nehmen wir einen anderen, wertvolleren Körperteil —,

(Heiterkeit)

geniert sich natürlich die Bundesregierung. Sie sollte aber ihre Zurückhaltung oder ihre Feinfühligkeit da ein wenig zügeln. Fangen wir also ich wiederhole es — mit dem Art. 113 an, und erst, wenn dieses Schwert sich als stumpf erwiesen hat, kann man einen anderen Ausweg wählen.


(Dr. Wellhausen)

Aber auch dann, meine Damen und Herren, sind wir noch nicht bei der Ergänzungsabgabe als Ultima ratio, sondern dann erinnern wir uns — was ich den ganzen Tag schon tue — an meinen Freund Höpker-Aschoff und denken wir daran, wie er die Geschäftsordnung des Bundestags durch die Bestimmung ändern wollte, daß Gesetze nur mit Deckungsvorschlägen eingebracht werden können. Er hat sich dann in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesverfassungsgerichts leider selbst korrigieren müssen und hat eine Entscheidung gefällt, in der stand, daß dieses Verfahren deswegen unrichtig oder unzulänglich sei, weil es nicht in der Form einer Änderung des Grundgesetzes, sondern nur in der Form einer Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages vorgeschlagen worden sei. Aber bitte, ändern wir dann aus diesem Anlaß das Grundgesetz und verlangen wir — was vielleicht auch sonst gute Wirkungen hätte — diese Fundamentierung durch natürlich verständige oder, besser gesagt, konkrete und einer Nachprüfung standhaltende Vorschläge! Dann brauchen wir uns ebenfalls nicht in die großen Kosten — bildlich gesprochen — der Ergänzungsabgabe zu stürzen, über die ich ja schon verschiedenes gesagt habe.
Vielleicht ist es nicht ganz unrichtig, wenn ich erwähne, daß mir — die Bemerkung mache ich jetzt für mich persönlich — der Vorschlag aus Bayern einen gewissen Eindruck gemacht hat, in dem nämlich die Ergänzungsabgabe auf 5 % —andere Leute sagen auf 10 % — beschränkt worden ist und nicht in der largen Form, wie Sie es vorschlagen, Herr Minister Schäffer, eine unbeschränkte Möglichkeit für die Abgabe in Prozenten der jeweiligen Steuerschuld vorgesehen ist.
Ob die Ergänzungsabgabe auf diejenigen Damen und Herren dieses Hauses, die sich in Expansionen besonders gefallen — ich nenne weder Roß noch Reiter —, einen besonderen Eindruck machen wird, das möchten meine Freunde bezweifeln. Denn wenn man einmal auf Steckenpferden reitet, kommt man nur ungern oder schwer wieder herunter.
Aber ich habe mir natürlich nun überlegt, was denn eigentlich der Grund des Herrn Bundesfinanzministers ist, warum er diese Ergänzungsabgabeentwürfe so sehr protegiert oder forciert. Ich kann doch nicht auf den Gedanken kommen — das habe ich mir ja für die Zukunft vorbehalten und hoffe, es mir versprechen zu dürfen —, daß er inzwischen zentralistisch denkt. Das wäre furchtbar!

(Heiterkeit.)

Außerdem müßte ich doch, selbst wenn ich annähme, daß das richtig ist, den schönen lateinischen Satz brauchen — der Sie diesmal hoffentlich nicht beleidigen wird, lieber Herr Schäffer —: „Quid-quid id est, timeo Danaos et dona ferentes." Das muß ich Ihnen übersetzen: „Was auch immer geschehen mag, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen."
Ich will die Ergänzungsabgabe verlassen, aber nicht ohne eine Wort darüber zu sagen — das lenkt mich zum neuen Thema über —, daß wir uns doch nichts Besseres, sprich Schlechteres für eine Verwaltungsreform wünschen können als eine Ergänzungsabgabe. Sie verstehen mich; ich glaube, das schiebt eine Verwaltungsreform auf den Nimmerleinstag hinaus.
Verwaltungsreform generell! Es hat mir einen gewissen Eindruck gemacht, daß eine der Organisationen, die hier ja sonst nicht so sehr beliebt sind — ich meine den Industrie- und Handelstag —, auf ihrer diesjährigen Tagung in Frankfurt mit sehr deutlichen, aber höflichen Worten beklagt hat, daß das ganze Gesetzgebungswerk des Herrn Schäffer nichts von der Notwendigkeit einer Verwaltungsreform enthält. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin gesagt: Wir müssen die Verwaltungsreform ja nicht nur beim Bund durchführen, sondern auch bei den Ländern. Aber ich finde immer, einer muß mal anfangen, damit überhaupt etwas geschieht.
Ich glaube, wir machen uns im Bundestag die Sache etwas leicht, wenn wir gelegentlich der Erörterungen zu sagen pflegen: Es gibt einige Blöcke, Sie können auch sagen: Eisblöcke, an denen nichts zu deuteln ist. Ich meine die Besatzungskosten und die sozialen Leistungen. Diese Blöcke sind schon irgendwie zu erschüttern. Denken Sie in Abwesenheit des Herrn Bundesarbeitsministers — da kann man noch kühler darüber denken — vielleicht einen Augenblick an die Sozialreform, die uns ja, wenn ich mich so ausdrücken darf und recht erinnere, für diese Sessionsperiode überhaupt nicht mehr serviert werden soll. Vielleicht wären doch im Rahmen der Sozialreform, von der ich schon weiß, daß sie im Grunde genommen andere Ziele hat, auch Möglichkeiten einer Verwaltungsreform gegeben. Ich glaube, meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister ist der geborene Ressortminister für Verwaltungsvereinfachungen. Er betätigt sich ja auch auf diesem Gebiete. Aber ich will der Verlockung widerstehen, schon wieder auf die Bundesbahn zu sprechen zu kommen. Ich will nicht ablenken, aber ich möchte ihn bitten, sich doch mit der Verwaltungsreform im Bunde etwas mehr zu beschäftigen.
Ehe ich auf den Tarif zu sprechen komme, erlauben Sie mir, daß ich einige wenige Sätze über die negative Seite des Tarifs sage, ich meine, über den Fortfall der Begünstigungen. Ich habe seit 1949 mitgemacht, und da ist man ja in dieser Bundesrepublik schon beinahe ein Veteran. Ich entsinne mich sehr genau der verständigen Gründe, die den Wirtschaftsrat damals 2u diesen Begünstigungen veranlaßt haben. Ich will hier keinen Nekrolog sprechen, aber ich halte es doch für richtig, zu erwähnen, daß sie, wenigstens ein großer Teil von ihnen, eine sehr wertvolle, nützliche Arbeit im Interesse des Wiederaufbaues unserer Wirtschaft geleistet haben, von 7 a angefangen. Sie sind aber, zum größten Teil jedenfalls, inzwischen überflüssig geworden und sind nicht geeignet, dem Volke das Prinzip der Steuergerechtigkeit als vorhanden erscheinen zu lassen. Ich spreche also für meine Fraktion aus, daß der Grundsatz , die Begünstigungen zum Verschwinden zu bringen, ein auch von uns gebilligter ist.
Ich darf dabei einen Seitenblick auf den Bundesrat werfen. Ich finde, der Bundesrat hat manchmal einen Vereinfachungskomplex. Er begründet auch diese Dinge in einem großen Umfang mit Vereinfachungen. Das ist natürlich etwas schnell und etwas oberflächlich gedacht, aber ich nehme ja jetzt auch einen anderen Anlaß zu ihrer Beseitigung.
Fraglich sind natürlich — denken Sie nicht, daß ich jetzt einen Rückzieher mache — das Tempo und die Ausnahmslosigkeit der Begünstigungen. Hier sind natürlich auch wir ein wenig an 7 c hängengeblieben. Das hängt nicht, zum mindesten


(Dr. Wellhausen)

nicht vorwiegend, damit zusammen, daß unser Freund Preusker und vorher unser Freund Neumayer und davor unser Freund Wildermuth das Bundeswohnungsbauministerium geführt haben, sondern das hängt damit zusammen, daß der Wohnungsbau meines Erachtens nach wie vor die Aufgabe Nr. 1 der Bundesregierung ist, das ja auch mit Zustimmung des ganzen Hauses, die nur vorübergehend einmal etwas getrübt war und hoffentlich nicht wieder getrübt wird, Herr Mellies. Das ganze Haus war in dieser Zielsetzung und durchweg auch sogar in den gewählten Mitteln einig. Der Bundeswohnungsbauminister Preusker hat in einem sehr kurzen — und schon deswegen lesenswerten — Artikel im Bulletin — die Nummer habe ich nicht — auseinandergesetzt, inwiefern sich die Vergünstigung des § 7 e angenehm und nicht vergleichbar von anderen Vergünstigungen unterscheidet. Das ist bis zu einem gewissen Grade auch jetzt noch richtig. Unser Kollege Neuburger hat vorhin gesagt, man müsse neue Wege beschreiten, es sei vielleicht nicht ausreichend, mit dem Sozialpfandbrief zu arbeiten und auf 7 c ganz zu verzichten. Das sind Fragen, die meine Freunde nicht bejahen, die sie sich aber stellen und über die wir uns ausführlich unterhalten müssen.
Meine Damen und Herren, das führt gewissermaßen zwangsläufig zu Gedanken, die mit dem Kapitalmarktförderungsgesetz zusammenhängen. Ich gehöre auch zu denen, Herr Minister Schäffer, die es beklagen, daß die Novelle zum Kapitalmarktförderungsgesetz den Gang der 'Gesetzgebung so langsam durchläuft, aber ich habe zu meiner Freude gehört, daß das Kabinett am vorigen Mittwoch die Dinge anscheinend bundestagsreif gemacht hat. Wir hoffen also, daß wir sie bald erhalten. Ich habe natürlich — das wird Sie nicht überraschen — zu dem Sozialpfandbrief nicht die radikal ablehnende Haltung, die Herr Seuffert hier vorgetragen hat. Doch wir wollen nicht auf eine Erörterung des Kapitalmarktförderungsgesetzes abgleiten; das würde meiner Zielsetzung nicht entsprechen.
Wenn wir uns nun über den § 7 c Gedanken machen, dann werden Sie unter Umständen bei dem Ergebnis sagen — ich kenne dieses Ergebnis nicht —: Das ist der Fluch der bösen Tat; und da hätten Sie sogar etwas recht. Aber das sind nun mal Dinge, die etwas zwangsläufig sind, und wir treiben ja keine Politik um des Prinzips willen, sondern um auf einem Wege, den wir als notwendig und nützlich erkannt haben, weiterzukommen. Um Mißverständnisse auszuräumen: ich meine jetzt nicht auf dem Wege der Begünstigung, sondern auf dem Wege des Wohnungsbaus.
Herr Neuburger hat sich ausführlich mit dem § 10 beschäftigt, und zwar in einer Form, der ich zustimme. Auch neulich auf dem Sparkassentag ist von klugen Männern — viel klügeren, lieber Herr Neuburger, als wir beide uns einbilden, es auch nur von weitem werden zu können — über den Wert des Sparens sehr deutlich gesprochen worden. Unser verehrter Bundeswirtschaftsminister Erhard hat nicht widersprochen. Es war überhaupt ein Tag, an dem er Sie, Herr Schäffer, besonders gelobt hat; das wissen Sie ja.

(Heiterkeit.)

Aber das ist halt verschieden, und ich will es in
Abwesenheit von Herrn Erhard nicht ausspinnen.
Er hat jedenfalls gesagt, daß diese Unterstützung
und dieser Zwang zum Sparen in mancher Beziehung noch nützlich und notwendig wäre. „Noch" hat er gesagt; er glaubt anscheinend an die Aufwärtsentwicklung der Menschheit. Sie, Herr Neuburger, haben hinzugefügt, man wolle den Investitionsrückgang behindern oder verhindern. Das ist ein wichtiges Moment. Jedenfalls gehört auch der § 10 in seiner jetzigen Form — damit meine ich immer das, was ab 1. Januar 1955 gilt — zu den Dingen, die wir uns überlegen müssen.
Ich fand es sehr schön, daß Sie ein Wort über die degressiven Abschreibungen gesagt haben, Herr Neuburger. Auch ich glaube, daß wir uns darüber freuen, vielleicht sogar Hoffnungen daran knüpfen sollen, daß dieses Prinzip — das meines Erachtens entgegen der Ansicht des Bundesrats nicht gesetzlich verankert zu werden braucht — nur ein Ausfluß des gelegentlich doch auch in Regierungskreisen anzutreffenden gesunden Menschenverstandes ist.

(Heiterkeit.)

— Soll ich es noch liebenswürdiger ausdrücken? Ich finde es doch sehr liebenswürdig.
Im Zusammenhang hiermit muß ich noch ein Wort über die individuelle Befristung für einige Vergünstigungen für die Flüchtlinge sagen. Ich glaube, daß damit ein gutes Thema angeschnitten ist, zumal wir ja im § 7 a in der Form, in der er aufrechterhalten ist, schon eine solche Befristung auf 1956 haben. Dann sollte man sich überlegen, ob man diese Befristung nicht auch bei den sonst verbliebenen Vergünstigungen für Heimkehrer, Spätheimkehrer usw. festlegen sollte. Ich persönlich bin bei den Begünstigungen fern von jeder Forderung oder Bitte.
Ehe ich das Thema Kapitalmarktförderung verlasse und dann sehr schnell zum Schluß komme, möchte ich noch an eine Bemerkung, ich glaube, von Herrn Seuffert, über die kostspielige Kapitalmarktförderung anknüpfen. Mit begeisterter Zustimmung habe ich darüber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aus der wir ja bis heute — jetzt sind wir in Köln — unsere tägliche politische Bildung bezogen haben, eine Glosse gelesen. In diesen Äußerungen eines sehr bekannten, in Bonn beheimateten Bankdirektors über die Tendenz, nicht in erster Linie Kredite an die Wirtschaft zu geben, sondern als Bank langfristig Geld in Wertpapieren anzulegen, habe ich sehr Beherzigenswertes gefunden.
Jetzt muß ich noch Einzelheiten bringen. Ich tue es nicht, weil meine Vorredner es getan haben, sondern weil ich es für notwendig halte. Ich. meine die Haushaltsbesteuerung. Da kommt natürlich dieser arme Mann, der sich gestern im Bahnhof von Köln bei Ihnen nicht hat verständlich machen können — übrigens ein schlechtes Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter —,

(Heiterkeit)

schlecht weg. Der hätte sich halt nicht niederschreien lassen sollen. Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, das breite Volk oder, wie Sie gesagt haben, der Durchschnitt des Volkes war doch recht unangenehm überrascht, daß Sie und mit Ihnen die Bundesregierung — zumindest in ihrer Mehrheit — den Mut gehabt haben, in der vielumstrittenen Frage der Haushaltsbesteuerung nun nicht etwa einen beachtlichen Schritt zur getrennten Veranlagung zu machen, sondern das schlechte Prinzip der Gesamtveranlagung noch weiter auszubauen.

(Sehr richtig! bei der FDP und SPD.)



(Dr. Wellhausen)

Denn anders kann man die Vorschläge nicht verstehen. Sie wissen j a auch, meine Damen und Herren, daß aus diesem Vorschlag des Bundesfinanzministers ein Mehrertrag von 80 Millionen DM — andere Leute sagen: 100 Millionen DM — erwartet wird.
Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn in diesen Dingen immer noch ein gewisser Nazischreck herrschte. Man meint, die Dinge wären von den Nazis eingeführt worden. Von solchen sentimentalen oder horriblen Erinnerungen wollen wir uns frei machen. Wir — jedenfalls wir Freien Demokraten — sagen, daß das Ziel, auf das wir lossteuern müssen, das Splitting ist.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Wenn das nach Untersuchungen, denen zu glauben ich geneigt bin — es kommt auf 100 Millionen beinahe gar nicht an —, eine Milliarde kostet, dann steht es natürlich nicht zur Diskussion; aber, aber — nur langsam! —, aber die Marschrichtung müßte eben nicht in Richtung auf eine weitere Vervollständigung der Zusammenveranlagung, sondern umgekehrt gehen.

(Abg. Seuffert: Sehr richtig!)


(Abg. Dr. Gülich: Das war doch die lex Hagge!)

— Ja, aber warum sind Sie so persönlich? Das war doch auch ein ganz netter Mann! Wer weiß denn, was Sie noch in der Nachwelt für einen Ruf bekommen!

(Heiterkeit.)

Das kann man gar nicht wissen. Da würde ich furchtbar vorsichtig sein.

(Erneute Heiterkeit.)

Also Sie bejahen das. —
In der Post, die wir alltäglich bekommen —jetzt kommt ein recht ernstes Wort —, und auch in mancherlei Beobachtungen, die ich so mache, fällt mir auf, daß, vielleicht gerade mit zunehmender Verbesserung unserer Verhältnisse, die Klagen von Leuten, von alten und verarmten Leuten, eine Rolle spielen, die es wegen Verlustes einer Altersversorgung — ganz einerlei, aus welchem Grunde sie sie hatten und aus welchem sie sie verloren haben — doch recht schwer haben und in ihrem Alter — jetzt spreche ich vom hohen Alter — noch arbeiten müssen. Mir schweben einige Beispiele, sagen wir, um nicht bloß einen Stand herauszuholen: sowohl von alten Handwerkern als auch von alten Ärzten und Rechtsanwälten vor,

(Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

die nun wirklich keine andere Möglichkeit haben, als in den Sielen zu sterben, was zwar schön ist, was aber doch manchen Menschen wegen Altersbeschwerden ungeheure Opfer auferlegt.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Ich finde, wir sollten uns überlegen, ob es nicht der richtige Weg wäre, diese Menschen, wenn man ihnen auf steuerlichem Gebiet — nur von dem spreche ich; ich spreche nicht von Fürsorge, ich spreche nicht vom Altsparergesetz usw. — helfen will, automatisch mit Vollendung des 65. Lebensjahres, aber unter der Voraussetzung der, verlorenen Altersversorgung in die Steuerklasse III einzureihen. Ich meine, es gehört zu unseren Pflichten, uns bei zunehmender Besserung unserer Verhältnisse solcher Personenkreise — nennen Sie sie meinetwegen die verschämten Armen — ein wenig zu erinnern.

(Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, jetzt kommt etwas Schwieriges: die Ausfuhrförderung. Sie wissen, und Sie erwarten es von mir sicherlich auch nicht anders, daß ich ein Anhänger der Ausfuhrförderung bin. Auch da muß ich sagen: der Weg über die Steuern ist ein im Prinzip schlechter Weg, ein Fehlweg, wenn Sie wollen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Aber solange uns das uns umgebende Ausland mit anderen Mitteln, die uns nicht zur Verfügung stehen, den Export schwierig macht, müssen wir halt Wege beschreiten und auch auf ihnen bleiben, die uns zur Verfügung stehen. Ich glaube, wir müssen es anerkennen, daß der Bundesfinanzminister nicht in das allgemeine, etwas unüberlegte Geschrei vom Abbau der Exportförderungsmaßnahmen eingestimmt hat, wenigstens nicht in dem Sinne, daß er gesagt hätte, die Frist bis 31. Dezember 1955, bis zu welchem Zeitpunkt die Vergünstigungen laufen, müsse verkürzt werden. Im übrigen kann dieses Kapitel hier von mir natürlich nur gestreift werden. Es muß einer längeren Diskussion vorbehalten bleiben, schon weil es ja jetzt in Zusammenhang mit EZU und OEEC usw. gekommen ist und wir vielleicht Veranlassung haben, uns das noch sehr genau zu überlegen.
Ganz kurz, meine Damen und Herren, streife ich die Umsatzsteuer. Ich bin der Meinung, wenn etwas tot ist — ich meine die Großhandels-Umsatzsteuererhöhung —, dann sollte man es nicht, wie wir es heute getan haben, mehrfach beerdigen und dazu auch noch Grabreden halten, bei denen ja mehr gelogen wird als in allen anderen Fällen. Ich glaube zwar, Herr Bundesfinanzminister — das nehme ich Ihnen gar nicht übel —, rein fiskalische Momente, weil Ihnen irgendwo 200 Millionen fehlten, haben Sie veranlaßt, mit dem Bleistift etwas in der Gegend herumzufahren, und da sind. Sie dann zufällig auf der Großhandels-Umsatzsteuer gelandet. Das glaube ich deswegen, weil Sie ja sonst nicht so sind, daß Sie solche Dinge so schnell fallenlassen. Heute morgen haben Sie sie allerdings gegen zu erörternden Ersatz fallengelassen, und das ist natürlich ein schlechtes Kapitel. Auf den Ersatz komme ich noch nachher bei den Tarifen, denen ich mich jetzt sehr schnell nähere, zurück.
Es ist modern, in diesem Zusammenhang — und deswegen ist es auch von vielen Seiten geschehen — über die dritte Kraft zu sprechen, ich meine die Gemeinden. Ich glaube, die Bundesregierung war nicht gut beraten, als sie diese Dinge in dem ganzen großen Gesetzgebungswerk überhaupt nicht erwähnt hat.

(Beifall bei der FDP.)

In der Begründung ist sie darauf eingegangen,
aber in dem Gesetz selber hat sie nichts daran ge-


(Dr. Wellhausen)

tan. Ich meine, die Wünsche nach Verbundwirtschaft und nach gesetzlicher Verankerung dieser Wünsche, und zwar grundgesetzlicher Verankerung — also mit verfassungsändernder Mehrheit zu beschließen —, und die Wünsche nach einer Verankerung des Rechtes auf die Realsteueraufkommen sind berechtigt. Es gibt auch Bundesressorts — ich will sie nicht nennen —, die diese Ansichten teilen. Ich habe den Eindruck, daß, wenn die Parteien Initiativanträge in dieser Richtung einbringen — wozu Neigung zu bestehen scheint —, diese dann hier die Mehrheit und sogar die verfassungsändernde Mehrheit finden werden.
Hinsichtlich der Fragen des Tarifs betone ich die Verantwortung, der man sich bewußt sein muß, wenn man von diesen Dingen spricht. Der Tarifvorschlag der Bundesregierung ist zweifellos durch die im Bulletin 60 und im Bulletin 67 erschienenen, sehr sachkundigen Artikel aufgehellt worden. Das erkennen wir dankbar an. Es steht in einem angenehmen Gegensatz zu dem Niederbügeln, Herr Finanzminister, das Ihnen sonst ja leider etwas liegt. Aber hier haben Sie ein Reisebügeleisen genommen, und das tut längst nicht so weh, erzielt aber denselben Erfolg.

(Heiterkeit.)

Sie wissen ja immer sehr genau, ob dieser Erfolg auch eintritt, wenn Sie so etwas unternehmen.
Ich begrüße es darüber hinaus, daß in den letzten Tagen Gespräche mit dem Institut für Finanzen und Steuern, das sich nur beratend und in keiner Weise mit irgendwelchen Ansprüchen einschaltet, in Gang gekommen sind, die nun doch wohl die Hoffnung berechtigt erscheinen lassen, daß über Ihre Ausfallrechnung, kurz ausgedrückt, eine restlose Klarheit geschaffen wird, wenn auch nicht sofort vielleicht eine Übereinstimmung. Unter diesem Vorbehalt stelle ich für meine Fraktion den Satz auf, daß es das Gebot der Stunde ist — von mir aus nur der Stunde —, die Tarife so sehr zu senken, wie überhaupt nur möglich. Ich hoffe, daß Sie mit diesem Grundsatz einverstanden sind. Dabei kann man natürlich die Möglichkeiten stundenlang diskutieren. Ich verkenne auch nicht, daß, wenn wir aus Ihrem Kuchen einige Stücke herausschneiden — das haben wir ja soeben bei der Großhandels-Umsatzsteuer getan und das werden wir vielleicht auch bei der Haushaltsbesteuerung tun müssen —, natürlich dann der Kuchen oder, besser gesagt, die Erkenntnis aus Ihrer Ausfallrechnung entsprechend eingeschränkt wird. Daß das dann abgezogen werden muß, ist selbstverständlich; das hat schon Adam Riese gewußt.
Ich glaube aber, Herr Bundesfinanzminister, daß doch auch dann noch ein Posten von einer ganzen Reihe von hundert Millionen zum Verteilen übrigbleibt. Das sage ich deswegen, weil bisher die dynamische Wirkung, die nicht nur der Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern die das ganze deutsche Volk von der Steuersenkung erwartet, in keiner Weise berücksichtigt ist.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Das sagen Sie ja auch selbst. t ber die Konkretisierung und Bewertung dieser dynamischen Wirkung müßten wir uns also schon noch etwas unterhalten. Auf Grund Ihrer letzten Äußerung bin ich aber in bezug auf die Möglichkeiten einer Einigung optimistischer geworden. Vielleicht ist es ganz falsch, daß ich Ihnen das sage; aber ich sage es halt, wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Für die Verwertung dieser Hunderte von Millionen DM, wie ich mich jetzt etwas global ausgedrückt habe, sind, glaube ich, schon eine ganze Reihe von Möglichkeiten gegeben. Von den Dingen, die ich schon erwähnte, abgesehen, denke ich in erster Linie an die Tarifgruppen von 8000 bis 40 000 DM. Sie können das auch etwas variieren. Aber unter 8000 DM soll man, glaube ich — da werde ich natürlich Herrn Seufferts Beifall keineswegs finden —, nicht heruntergehen, und zwar aus Gründen, die Sie selbst heute morgen schon beim Vergleich dieser Steuergruppen mit den Sätzen der Vorkriegszeit genannt haben.
Zur Körperschaftsteuer nur zwei Sätze. Sie zusätzlich zu senken, ist eigentlich selbstverständlich, wenn man die Einkommensteuer senkt. Wenn wir also bei der Einkommensteuer zu niedrigeren Sätzen als denen des Gesetzentwurfs Drucksache 481 kommen, dann ist die selbstverständliche Folge, daß man sich auch darüber Gedanken machen muß, wie weit die Körperschaftsteuer zusätzlich zu senken ist.
Mit, ich möchte beinahe sagen: Leidenschaft trete ich dafür ein, daß der Einbruch, der dem Bundestag gelegentlich der Kleinen Steuerreform in das Prinzip der Doppelbesteuerung gelungen ist, aufrechterhalten wird. Herr Bundesfinanzminister, der Einbruch wird nicht aufrechterhalten, wenn Sie von 45 auf 30 v. H. heruntergehen. Sie waren von 60 auf 30 v. H. heruntergegangen und müssen deshalb jetzt auch von 45 auf 22,5 und nicht auf 30 v. H. heruntergehen. Auch das rechnet sich nach Adam Riese.
Aus Ihren Worten in der Begründung geht nicht gerade hervor, daß Sie diese Leidenschaft für die Begünstigung in der Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns teilen. Man könnte sogar sagen: Nach der berühmten Kabinettssitzung, in der man Ihnen das abgerungen hat, haben Sie Ihrer schon vorhandenen Begründung nur einen Satz angefügt. Ich glaube, das stimmt. Ich war zwar nicht dabei; aber wenn man ein bißchen darüber nachdenkt, kann man auf so schlechte Gedanken kommen.
Die Grundgedanken, die bei der Kleinen Steuerreform als richtig erkannt worden sind, müssen also beibehalten werden, und ich habe mich sehr gefreut, daß auch die Opposition, jedenfalls in der Tendenz, diesen Dingen zustimmt.
Zum Schluß! Im großen und ganzen ist es und bleibt es, glaube ich, das Gebot der Stunde, deren geschichtlichen Charakter ich nicht heraufbeschwören, aber auch nicht verneinen möchte, daß wir zu einer laufenden Steuerreform kommen. Vielleicht ist es für jemanden, der geneigt ist, die Dinge zu überschätzen oder zu unterschätzen — beides ist falsch —, ein Widerpruch in sich selbst, wenn ich von einer laufenden Steuerreform spreche. Denn es könnten ja auch einmal, das leugne ich gar nicht, die Dinge wieder herauflaufen. Sie brauchen — das wiederhole ich, das ist nicht mit meinem Ausdruck gemeint — selbstverständlich dicht immer herunterzulaufen. Dazu gehört erstens der liebe Gott, der uns beschützen muß, und zweitens die Entwicklung der Wirtschaftspolitik, die das gestattet, und natürlich auch die Folgerichtigkeit Ihrer Politik.
Aber, meine Damen und Herren, eines wollen wir ganz bestimmt, bei einer laufenden oder bei einer nicht laufenden Steuerreform: daß in Deutschland endlich einmal wieder die Möglichkeit kommt, steuerehrlich zu sein, und daß — wenn


(Dr. Wellhausen)

ich einen Ausdruck von Ihnen gebrauchen darf — die Möglichkeit besteht, einen fröhlichen Steuerzahler zu schaffen; etwas nüchterner ausgedrückt: daß es sich wieder lohnt, Steuern zu bezahlen. Denn das hat sich in den Jahren seit 1948 bisher nicht gelohnt; und es ist gar kein Zweifel, meine Damen und Herren — entschuldigen Sie, wenn ich jetzt auch auf den Altvater Popitz übergehe —, daß ein solches Lohnen einer Steuerzahlung ja eigentlich erst in Frage kommt, wenn die 50 %-Grenze auch in den hohen Stufen unterschritten wird und unterschritten bleibt.

(Sehr richtig! rechts.)

Unsere Väter — diesmal sind es sogar unsere Vorväter — würden natürlich sagen: „Das ist für uns durch Jahrzehnte" — oder ein Jahrhundert; Herr Eckhardt weiß da besser Bescheid — „eine Selbstverständlichkeit gewesen." Ich möchte zwar nicht der Hoffnung Ausdruck geben, daß es wieder eine Selbstverständlichkeit würde; das wäre utopisch. Aber ich möchte doch der Hoffnung Ausdruck geben, daß uns wieder die Möglichkeit gegeben würde, in solchen Zahlengrößen zu denken.

(Beifall bei der FDP, dem GB/BHE und bei Abgeordneten der CDU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202901700
Das Wort hat der Abgeordnete Höcherl.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0202901800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich Ihre Aufmerksamkeit zunächst noch einmal ganz kurz auf die Finanzreform und auf das Finanzreformwerk selbst lenke.
Als ich in diesen zweiten Bundestag eintrat, wurde ich sehr bald auf die Person meines verehrten Kollegen August Dresbach aufmerksam gemacht, und zwar in erster Linie auf seine Qualitäten und auf seine Rednergabe, nicht zuletzt aber auch darauf, daß es sich bei ihm um einen enragierten Zentralisten handle.

(Heiterkeit.)

Ich muß sagen, daß dieser Verdacht durch seine heutigen Ausführungen in etwa bestätigt worden ist. Es haben sich darin tatsächlich einige böse zentralistische Mißtöne gefunden,

(Lachen bei der FDP und in der Mitte)

die fast an unseren Arbeitsvertrag rühren. Man würde juristisch, zivilrechtlich vielleicht davon sprechen, daß es sich um eine positive Vertragsverletzung handelt,.

(erneutes Lachen)

also um eine Zuwiderhandlung gegen den Geist unserer Zusammenarbeit.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Welches Gericht ist da zuständig?)

Ich halte aber unseren Kollegen Dr. Dresbach nicht für unverbesserlich, im Gegensatz zu einigen anderen Zentralisten,

(Lachen)

die sich hier ganz unschamhaft, muß ich sagen — unschamhaft; ein stärkeres Wort darf ich nicht gebrauchen, es ist heute schon einmal gegen die Person des Herrn Bundesfinanzministers gerügt worden —, zum Zentralismus, also zu einer Irrlehre, bekennen.

(Lachen und Zurufe.)

Ich halte unseren Kollegen deswegen nicht für
unverbesserlich, weil er sich zum Schluß doch für
die Vorlage ausgesprochen und damit in etwa auch ihren föderalistischen Teil bejaht hat.
Außerdem hat er die Bundestreue Bayerns an- gesprochen. Das ist etwas, das wirklich einer Erwähnung wert ist.

(Beifall in der Mitte.)

Denken Sie doch bitte an die Gründung des Bismarckschen Reiches! Welchen hervorragenden Anteil hat damals Bayern am Zustandekommen dieses Bundes gehabt! Oder nehmen Sie ein praktisches Beispiel aus der jüngsten Gegenwart, das an den praktischen Teil der ganzen Geschichte, nämlich den Geldbeutel, rührt. Wir haben nach dem Zusammenbruch 1945 als armes Land einen sehr großen Teil von Heimatvertriebenen und Evakuierten aufgenommen und behalten, während es Zentralisten gegeben hat, die sich ganz vornehm, ich möchte fast sagen: separatistisch vornehm in dieser Ausgleichsfrage zurückgehalten haben.

(Beifall in der Mitte, rechts und beim GB/BHE.)

Das nur nebenbei.
Zu dem Auftrag, der uns durch die Verfassung gegeben ist, stehen wir auf dem Standpunkt, daß jetzt unbedingt gehandelt werden muß, daß wir das Werk in Angriff nehmen und in der vorgeschriebenen Zeit auch zu Ende führen müssen. Ich habe durchaus Verständnis dafür — man muß das auch von der Gegenwart aus in die Vergangenheit hinein sagen —, daß der Beschluß des ersten Deutschen Bundestages, die Frist zu verschieben, richtig war. Damals waren die Grundlagen noch nicht erarbeitet, um die Aufgabe in ihren Grenzen und in ihrer ganzen Bedeutung übersehen zu können. Heute dürfen wir uns dieser Aufgabe nicht mehr versagen. Das Volk als Ganzes, der Bund und die Länder, alle zusammen möchten und müssen eine finanzielle Ordnung haben, und es ist unsere Pflicht und unsere Aufgabe, es ist nicht nur verfassungsmäßig geboten, sondern es ist auch praktisch so weit, daß wir diese Aufgabe erledigen können.
Dabei handelt es sich keineswegs darum, etwas Endgültiges zu schaffen. Dieser Begriff „endgültig", der sich auch in der Verfassung findet, meiner Ansicht nach zu Unrecht, ist schon wiederholt angesprochen worden. Auf dem Gebiet des Finanzwesens gibt es überhaupt nichts Endgültiges. Wir werden immer in der Entwicklung bleiben. Aber wir sind heute so weit, daß wir eine praktische Zwischenlösung schaffen können, und auf diese sollen wir nicht verzichten. Wir sollen sie nicht neuerdings hinausschieben, sondern sie jetzt erledigen.
Wir sind der Meinung, daß das Gesetzeswerk, das der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, ein großer Wurf, eine bedeutende Arbeit ist, die meiner Ansicht nach überhaupt mit zum Besten in unserer deutschen Finanzgeschichte gehört. Sie eignet sich auch durchaus zur praktischen Durchführung. Von der Brillanz der Begründung, die schon wiederholt hervorgehoben worden ist, möchte ich gar nicht sprechen. Genau die gleichen brillanten Züge zeigen sich auch in den politischen und finanztechnischen Lösungsversuchen, die uns vorgelegt werden.
Ich teile durchaus nicht die Meinung, daß man diese beiden Gesetzesvorlagen trennen könnte. Es ist schon eine ganze Reihe von ausgezeichneten sachlichen Gründen vorgetragen worden, die für


(Höcherl)

die Gemeinsamkeit dieser beiden Vorlagen sprechen. Ich schließe mich ihnen an. Wer will denn die Verantwortung auf sich nehmen, eine Steuerreform von diesem erheblichen Ausmaß mit ihren ungeheuren Auswirkungen auf den Haushalt des Bundes, der Länder und mittelbar auch der Gemeinden auf sich zu nehmen, ohne gleichzeitig die Neuordnung des gegenseitigen Verhältnisses durchzuführen? Das wäre eine Halbheit, die wir uns nicht zuschulden kommen lassen dürfen.
Nun hat sich heute bei der ganzen Debatte herausgestellt, daß jedes Gespräch über eine Finanzreform in erster Linie ein Gespräch über den Föderalismus ist. Dieser Föderalismus wurde hier sehr eifrig erwähnt. Vor allem wurden wir Bayern angesprochen. Es freut mich sehr, daß in unseren Reihen wir die echtesten, unverdorbensten Föderalisten sind.

(Heiterkeit.)

Ich bin aber der Meinung, daß es durch alle Fraktionen hindurch noch einige solcher unverdorbener Gemüter geben muß.

(Erneute Heiterkeit.)

Es gibt noch etwas Interessantes. Es gibt auf diesem Gebiet einen Wechselbalg. Wir haben hier Unitaristen, die zu Hause in der gleichen Person oder in ihren Genossen Föderalisten sind.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Was unter gar keinen Umständen möglich ist, ist, daß man die Frage des Föderalismus mit Mark und Pfennig und mit dem Rechenschieber behandelt. Das sind Dinge, die weit darüber hinausgehen und viel tiefer liegen. Ich muß sogar sagen: selbst wenn der Föderalismus teurer wäre — aber das ist noch niemals bewiesen worden —, müßten wir absolut zu ihm stehen, weil wir auch auf anderen Gebieten bedeutende staatspolitische Werte und Leistungen vielfach bezahlen müssen.

(Abg. Dr. Gülich: Wir haben doch gar keinen Föderalismus!)

Das ist ja schließlich die Aufgabe der Politiker. Aber er ist ja gar nicht teurer, und Sie haben das bis heute noch nicht nachweisen können, Herr Gülich.
Wir haben auch verschiedene Kollegs über uns ergehen lassen müssen. Ausgesprochene Zentralisten haben sich hier als Lehrer des Föderalismus aufgeworfen. Ich glaube, man müßte die Lehrbefähigung dieser Herren einmal nachprüfen. Sie haben ja gar kein inneres Verhältnis — —

(Abg. Dr. Gülich: Sie machen es sich viel zu bequem! So einfach sind die Dinge nicht!)

— Sie haben kein inneres Verhältnis dazu, Herr Gülich, und können deshalb hier kein Dogma aussprechen, wie es geschehen ist.

(Abg. Dr. Horlacher: Herr Zietsch in Bayern kann ihm Auskunft geben!)

Weil — ich wiederhole es — der Finanzausgleich und die Finanzreform in erster Linie ein föderalistisches Thema sind, sind wir darauf bedacht, jede Vorschrift in diesem großen Gesetzeswerk auf ihre föderalistische Tragbarkeit und Gründlichkeit hin zu prüfen. Es ist ganz klar, daß in einem so umfangreichen Gesetzeswerk sich die eine oder andere Vorschrift befindet, die dem Schmarotzer Zentralismus, der sehr zählebig ist und der in den kleinsten Lücken sich entwickeln kann, Anhaltspunkte gibt. Die wollen wir beseitigt haben. Eine derartige Gefahr finden wir z. B. in der Vorschrift des neuen Art. 106 d, wie er uns vorgetragen worden ist. Wir
haben in den vorausgegangenen Art. 106 a bis c eine strenge Dreiteilung zwischen bundeseigenen, landeseigenen und gemischten Steuerquellen. In Art. 106 d findet sich nun die Vorschrift, daß bei Änderung einer derartigen Steuer sie nur dann wieder in die gleiche Schublade zurückfällt, wenn sie einen gleichwertigen Ersatz darstellt. Das ist nun eine außerordentlich gefährliche Geschichte. Es könnte auf einmal — wir haben solche Dinge schon im engeren Kreise besprochen — durch eine andere Steuertechnik eine Schublade zugunsten der anderen ausgeleert werden. Ich glaube, in den Ausschußberatungen muß man Möglichkeiten einbauen, um es dem Bundesgesetzgeber in dieser Hinsicht nicht allzu leicht zu machen.
Mit der Revisionsklausel sind wir im Prinzip einverstanden. Wir halten sie sogar für das föderalistische Kernstück, und wenn sie sich nur auf die Revision beschränkt hätte, hätten wir gar nichts dagegen einzuwenden. Aber sie hat noch einen Appendix, einen Blinddarm, der meiner Ansicht nach wegoperiert werden muß. Schon im Text werden Einschränkungen gemacht. Es werden Gummiparagraphen eingeführt, die erhebliche Gefahren vom föderalistischen Standpunkt aus begründen. Vor allem die Begründung selbst zu dieser Gesetzesbestimmung beweist, daß man Unterschiede macht zwischen vermögenswirksamen und vermögensunwirksamen Ausgaben. Selbstverständlich ist der Unterschied berechtigt.

(Zurufe von der SPD.)

— Passen Sie nur auf, lassen Sie mich ausreden! Es ist ein Unterschied, der vor allem zu Lasten der Länder gehen muß. So, wie die Situation jetzt ist, ist es klar, und zwar weil es schon mit der Aufgabenverteilung zusammenhängt, daß die Länder im Sinne der Begründung mehr vermögenswirksame Ausgaben haben als der Bund, obwohl wir da auch eine andere Rechnung aufmachen könnten.

(Abg. Heiland: Sie haben Bonn vergessen!)

Nun werden aber diese vermögenswirksamen Ausgaben, Ausgaben ohne Ertrag oder, ich möchte sagen, wirtschaftlich oder erwerbsmäßig gesehen unrentable Ausgaben wie Ausgaben und Anschaffungen für Straßen, Schulen usw. mit eingerechnet. Nun sagt man: Wenn da einmal ein Revisionsantrag gestellt werden soll von einem Lande, dann müßten zunächst die Budgets verglichen werden, und es müßte eine Reinigung der Budgets stattfinden. Die Länderbudgets müßten von all diesen vermögenswirksamen, aber auch von diesen verwaltungsmäßigen vermögenswirksamen Ausgaben gereinigt werden; dann erst hätten sie einen wirksamen Revisionsanspruch. Darin liegt eine Gefahr, und zwar eine außerordentliche. Wir werden uns mit Nachdruck bemühen, sie im Ausschuß zu beseitigen.
Nicht anders ist es bei der Sicherungsklausel, an und für sich eine ganz selbstverständliche Angelegenheit, weil sie nur der Ausdruck für den föderativen Aufbau unseres Staatswesens ist.
In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht folgendes sagen. Ich finde es merkwürdig, daß man von diesem Platze aus ein Bekenntnis zum Zentralismus ablegen kann. Ich bin der Meinung, daß der Föderalismus nicht nur eine einfache Verfassungsbestimmung, sondern überverfassungsmäßiges Recht ist, das wir selbst mit Zweidrittelmehrheit nicht beseitigen könnten.

(Sehr gut! bei der CSU.)



(Höcherl)

Wir haben eine ganze Menge von solchen Bestimmungen.
Aber jetzt zurück zum eigentlichen Thema. Auch in der Sicherungsklausel finden sich einige Einschränkungen, die meiner Ansicht nach in der Ausschußberatung fallen müssen.

(Sehr gut! bei der CSU.)

Was nun das Finanzanpassungsgesetz betrifft, so sind wir der Meinung, daß wir diesen Teil der Vorlage auch sehr gründlich prüfen müssen, weil sich darin ein erheblicher materieller Teil des Finanzausgleichs, und zwar in vertikaler Richtung, befindet. Es müssen die finanziellen Auswirkungen bis zum letzten zu Ende gedacht werden; wir dürfen hier nicht etwas versäumen, was sich am Schluß dann zu Lasten der gleichberechtigten Gliedstaaten auswirken müßte.
Was den horizontalen Finanzausgleich anlangt, so bin ich der Meinung, daß wir ihn absolut bejahen müssen. Da habe ich mir den Vorwurf — nicht persönlich, sondern ganz allgemein wegen der Theorie — des verehrten Kollegen Dr. Dresbach zugezogen, der ja auch ein Kolleg über den Föderalismus gehalten hat, obwohl er Zentralist ist bzw. sich vielleicht jetzt schon in einem Mittelstadium befindet.

(Heiterkeit.)

Er hat vorgetragen, daß es eine Sünde gegen den echten Föderalismus wäre, wenn man einen horizontalen Finanzausgleich zu Lasten der wohlhabenderen Länder durchführen würde. Das wäre eine Nivellierung, und man müßte die Armut stolz tragen. Das wäre echter Föderalismus. Ich habe den schweren Verdacht, daß hier nicht nur eine Theorie spricht, sondern der Umstand, daß unser Kollege Dresbach einem sehr wohlhabenden Vaterland angehört, das abgeben muß. Vielleicht spielt das in seinem Unterbewußtsein eine gewisse Rolle.

(Zuruf von der Mitte: Stimmt nicht!)

Ich bin der Meinung, der Föderalismus bleibt in seinen Prinzipien ständig derselbe; aber er wandelt sich in seinen Methoden. Ich glaube, daß es eine Art geläuterten Föderalismus gibt. Früher hat man in einem Bundesstaat den Föderalismus wegen der Gliedstaaten in erster Linie auf die Gliedstaaten als Ganzes, auf ihre staatsrechtliche Ausstattung bezogen. Heute muß man den Föderalismus weiter erstrecken. Man muß — und so ist die Entwicklung gegangen, und der Föderalismus muß das in seiner praktischen Ausgestaltung mitmachen — das Schicksal, die Lebensumstände und den Lebensstandard des einzelnen Bürgers mit berücksichtigen. Aus dieser Fortentwicklung des Föderalismus, aus dem geläuterten Föderalismus heraus, und nicht aus Vorteilssucht — vom bayerischen Standpunkt aus gesehen werden wir nicht allzu viele Vorteile daraus ziehen — bejahen wir dieses Prinzip.
Ich darf zum Schluß kommen und erklären, daß wir die ganze Gesetzesvorlage in allen ihren Teilen als eine ausgezeichnete Diskussions- und Arbeitsgrundlage betrachten, die wir, was uns betrifft, mit allem Nachdruck innerhalb der gesetzlichen Frist zur Verabschiedung bringen wollen, damit unsere junge Bundesrepublik von dieser Seite von Sorgen befreit wird und sich den vielen andrängenden anderen Aufgaben mit einer finanziell besseren Ausstattung, mit einem finanziell und finanzpolitisch besseren Ertrag zuwenden kann.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Gülich: In einem Jahr sprechen wir uns wieder!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202901900
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.

Rudolf Eickhoff (DP):
Rede ID: ID0202902000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der heutigen Debatte ist schon so viel zu den vorliegenden Gesetzesvorlagen gesagt und schon so viel auf Einzelheiten eingegangen worden, daß ich mich kurz fassen und mich auf die grundsätzliche Stellungnahme meiner Fraktion beschränken kann. Wir alle wissen, daß der Steuerzahler von den Reformgesetzen mehr erwartet, als uns hier mit den vorliegenden Gesetzentwürfen zur Neuordnung der Steuern und des Finanzwesens zur Beratung gegeben ist. Auch für meine Fraktion wäre es wünschenswerter gewesen, wenn das gesamte Steuersystem im Wege einer völligen von Grund auf vorgenommenen Umstellung hätte geändert werden können. Wir kennen aber ja alle zur Genüge die Gründe, die einem solchen Vorgehen entgegenstehen. Ich brauche deswegen nicht besonders auf diese Gründe einzugehen.
Wenn aber nun schon eine organische Steuerreform, als die sie ursprünglich ins Auge gefaßt war, nicht durchführbar ist, dann hätten wir dennoch begrüßt, wenn die Materie und die Kernprobleme der Gesetzesvorlage auf eine breitere Basis gestellt worden wären, die dem Charakter einer großen Reform nähergekommen wäre. Was geblieben ist und worüber wir uns hier nun zu unterhalten haben, ist mehr oder weniger doch nur eine einfache Steuersenkung, also eine Reform auf halbem Kurs oder im ganzen eine unzulängliche Veränderung im gesamten Steuerwesen.
Wir sind der Meinung, daß eine Steuer- und Finanzreform nicht allein vom Standpunkt des Fiskus aus betrachtet werden darf, sondern dabei muß, und zwar in weitem Maße, auch unsere gesamte Wirtschaft ins Auge gefaßt werden, und erst recht dann, wenn diese Wirtschaft dynamischen Charakter trägt. Jede sachliche Überlegung zur Steuerreform wird davon ausgehen müssen, daß diese gleichzeitig haushaltspolitischen und wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten gerecht werden muß. Reformvorschläge unter diesem Gesichtspunkt sind nur sinnvoll, wenn sie ebenso den Finanzbedarf des öffentlichen Haushalts wie auch die wirtschaftlichen Grenzen der Besteuerung in Rechnung stellen. Eine Steuerreform soll ja nicht nur den Steuerzahlern, die gegenwärtig bis an die Grenze des Möglichen zur Aufbringung der Staatsmittel beansprucht sind, eine fühlbare Entlastung bringen, sondern das Ziel der Steuerreform muß es andererseits sein, gleichzeitig unsere bestehende und immer noch in der Entwicklung befindliche Wirtschaft zu fördern, um so das Sozialprodukt ganz allgemein zu heben.
Wir sollten daher im Wege der zu beratenden Reform gleichsam einen Ausgleich zu finden suchen zwischen dem als notwendig anerkannten Finanzbedarf und der steuerlichen Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft. Wenn dies aber so ist, wird man vielleicht doch daraus folgern müssen, daß Steuerreform und Finanzreform miteinander verbunden sind und daß man die Fülle von Problemen, die diese Reformen in ihrer Auswirkung sozial- und wirtschaftspolitisch auslösen werden, bei den künftigen Beratungen der vorliegenden Gesetzentwürfe gebührend berücksichtigen muß.
Ein weiterer, nach meiner Meinung ebenso wichtiger Grundsatz sollte daher vordringlich angestrebt werden, nämlich der der Beseitigung der


(Eickhoff)

Härten und Ungerechtigkeiten, die in unserem gegenwärtigen Besteuerungssystem liegen und die die Kleine Steuerreform nicht hat beseitigen können. Dieses Problem berührt in hohem Maße die gewerbliche Wirtschaft, den Einzelhandel, das Handwerk und das Landvolk. Ich brauche in diesem Rahmen auf Einzelheiten der bestehenden steuerlichen Ungerechtigkeiten nicht näher einzugehen. Wir werden bei den Beratungen bei einzelnen dieser Sektoren unsere Forderungen stellen, dies vor allem — was heute noch nicht zu übersehen ist —, wenn wir die Erfüllung unserer Hoffnungen bedroht sehen, daß die Gesetzentwürfe bei den parlamentarischen Beratungen eine Gestalt erhalten, die echter Mittelstandspolitik widerspricht.
Wir begrüßen es grundsätzlich, daß die Bundesregierung bei der Gestaltung des Einkommensteuertarifs auf dem mit der Kleinen Steuerreform eingeschlagenen Weg der Tarifermäßigung weiter fortschreiten will. Diese Vorschläge entsprechen aber dennoch im einzelnen nicht unseren Wünschen. Es wird zu prüfen und zu beraten sein, ob die vorgeschlagene Tarifsenkung als ausreichend bezeichnet werden kann. Bei einer ungenügenden Senkung würden wir im Hinblick auf die kleinen und mittleren Einkommen ganz allgemein, insbesondere aber auch für die mittelständische Wirtschaft unsere Forderungen als nicht genügend berücksichtigt ansehen müssen. Angesichts des Umstandes, daß die Abgabe Notopfer Berlin weiter erhoben wird und dazu eine ganz neue Steuer, nämlich die Ergänzungsteuer zur Einkommensteuer, eingeführt werden soll, sind wir der Überzeugung, daß dabei die kleinen Einkommen — abgesehen von den untersten Stufen — sogar noch mehr Steuern zu zahlen haben als nach dem bisherigen Tarif der Kleinen Steuerreform. Mit anderen Worten, wir erwarten eine günstigere Tarifgestaltung für diese Gruppen, insbesondere aber auch im Hinblick auf den Mittelstand, auf die Einkommen — wie schon mehrfach erwähnt worden ist — von rund 8000 bis 30- oder 40 000 DM, damit diese Betriebe — was ja eigentlich der Sinn der Reform sein soll — auch in die Lage versetzt werden, Betriebskapital anzusammeln. Wenn man dieser Forderung nicht gerecht werden wollte und die beabsichtigte Ergänzungsabgabe sowie andererseits den Fortfall von Steuervergünstigungen in Rechnung setzte, müßten wir darin eher eine Steuerbelastung als eine Steuersenkung erblicken. Dabei soll doch die Steuerreform die Fortsetzung der von der Bundesregierung verfolgten Politik der Steuersenkung darstellen. Wenn die Auswirkungen der Reform, wie wir sie heute sehen und wie ich sie eben darlegte, sich tatsächlich so entwickeln sollten, können wir uns nicht vorstellen, wie das Ziel des Reformwerks für den Steuerzahler ganz allgemein und insbesondere für die mittelständische Wirtschaft erreicht werden soll, welches auf Eigenkapitalbildung und Wirtschaftsförderung und damit auf Wirtschaftsexpansion gerichtet ist, also Bestrebungen, die letzten Endes auf Hebung des Lebensstandards für die Allgemeinheit gerichtet sind.
In diesem Zusammenhang aber ein ernstes Wort zur Ergänzungsabgabe! Die Deklarierung der Einkommen- und Körperschaftsteuer als eine Steuer, die Bund und Ländern gemeinsam in einem festen Verhältnis von 40 : 60 aufgeteilt zustehen soll, führt unseres Erachtens zu dem äußerst bedenklichen und, wie heute schon mehrfach betont worden ist, allgemein abgelehnten Vorschlag auf Einführung einer Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer als einer neuen Bundessteuer. Die Ergänzungsabgabe würde neben dem Notopfer Berlin und der Kirchensteuer in vollem Umfang an der Progression der Steuertarife teilnehmen. Hinzu käme, daß der für das Jahr 1955 zugrunde gelegte Satz für die Ergänzungsabgabe von 2,5 % jederzeit durch einfaches Gesetz erhöht werden könnte, ohne daß eine Grenze nach oben festgelegt ist. Unter diesen Umständen sehen wir uns außerstande, einer solchen neuen Steuer zuzustimmen.
Herr Kollege Wellhausen hat von einer Beerdigung der Erhöhung der Umsatzsteuer gesprochen. Ich will mich deswegen kurz fassen, muß mich aber an dieser Beerdigung beteiligen, weil wir auf gar keinen Fall der Erhöhung der Umsatzsteuer zustimmen können. Denn wir sind sicher, daß durch diese Erhöhung die Preise irgendwie ins Rutschen kommen würden, weil letzten Endes die kleinen Einzelhändler auf den Großhandel angewiesen sind und die durch die Umsatzsteuererhöhung verursachte Steigerung der Großhandelspreise unbedingt auf den Verbraucher abwälzen würden.
Hinsichtlich der Zusammenveranlagung von Ehegatten — auch davon ist heute schon sehr viel gesprochen worden; das Problem hat auch bei den Beratungen über die Kleine Steuerreform schon eine große Rolle gespielt — vertritt meine Fraktion nach wie vor den Standpunkt, daß das gegenwärtige Besteuerungssystem ungerecht ist und einer Änderung bedarf. Es ist bekannt, daß das gültige System die Ehefrauen der Besitzer gewerblicher Betriebe und insbesondere auch des Bauernstandes, die im eigenen Betrieb des Mannes in hohem Maße mitwirken, steuerlich fast unberücksichtigt läßt. Ohne mich heute schon für eine bestimmte Lösung dieses Problems bindend auszusprechen, möchte ich ganz allgemein die Ansicht meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß ganz gleichmäßig entweder eine Zusammenveranlagung oder aber eine Getrenntveranlagung der Ehegatten bei der Lösung dieses Problems in Betracht gezogen werden sollte, und zwar ohne Rücksicht auf die jetzt gültigen Ausnahmebestimmungen in den Durchführungsverordnungen. So wie die Dinge auf diesem Gebiete heute liegen, können sie auf gar keinen Fall bleiben. Wenn beide Ehegatten gemeinsam im Betrieb des einen Ehegatten arbeiten, wird nach den gültigen Vorschriften das Arbeitsergebnis des mitarbeitenden Ehegatten gewissermaßen dem Betriebsgewinn hinzugeschlagen und der gemeinsam erarbeitete Gewinn infolgedessen zu einem höheren Tarifsatz versteuert als bei getrennter Veranlagung. Nach unserer Auffassung dürfte es dem Grundsatz der gleichen steuerlichen Behandlung widersprechen, wenn man in anderen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen getrennt veranlagt oder aber, was sich finanziell noch ungerechter auswirkt, wenn man die Mitarbeit der Ehefrau im gewerblichen oder bäuerlichen Betrieb des Mannes steuerlich eigentlich gar nicht in Betracht zieht.
Da die Gesetzesvorlagen in ihren praktischen Auswirkungen auch tief in das kommunale Leben eingreifen, noch ein Wort über die nach unserer Meinung berechtigten Belange der Gemeinden auf diesem Gebiet, die zur Zeit nicht ausreichend berücksichtigt erscheinen. Andere Kollegen haben darauf hingewiesen: Die Selbstverwaltungsaufgaben in ihrer Vielzahl und zusätzlich übertragene Aufgaben der Gemeinden, die sich fortlaufend mehren, erheischen zwingend eine Sicherstellung des


(Eickhoff)

Finanzbedarfs der Gemeinden bei der Neuordnung durch die Finanz- und Steuerreform. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, im Gegenteil. Wir haben in dieser Hinsicht nach gemachten Erfahrungen und Beobachtungen den Eindruck einer gewissen Vernachlässigung der Gemeinden. Wir erwarten und fordern, daß die Länder in die Lage versetzt werden, den Gemeinden eine ausreichende finanzielle Ausstattung zur Durchführung ihrer Selbstverwaltungs- und der ihnen übertragenen Aufgaben zu gewähren. Wir treten auch für eine Personalsteuer der Gemeinden ein, die unseres Erachtens auf die Dauer nicht zu umgehen ist. Entstehen den Gemeinden aber durch Übertragung oder Erweiterung ihres Pflichtenkreises wesentlich neue finanzielle Lasten, dann soll man ihnen auch ,gleichzeitig die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen oder aber bei Einnahmeausfällen, die auf gesetzliche oder vertragliche Maßnahmen des Bundes zurückzuführen sind, für einen entsprechenden Ausgleich sorgen. Anders können wir uns jedenfalls ein ordentliches Finanzgebaren der Gemeinden nicht vorstellen. Wir halten es daher letztlich auch für unbedingt erforderlich, daß die gesamte finanzielle Regelung für unsere Gemeinden in dem dargelegten Sinne verfassungsrechtlich verankert wird.
Ich erwähnte bereits, daß die durch die beabsichtigte Steuersenkung entstehende Lücke im Steueraufkommen, soweit sie durch die Gesetzesvorlage in ihrem Endzustand und ihren Auswirkungen nicht geschlossen werden kann, durch andere Wege und Möglichkeiten wieder zu schließen versucht werden müßte. Wir vermissen in dieser Beziehung bei den Gesetzesvorschlägen z. B. die Möglichkeit von Einsparungen, die auf dem Gebiet der Verwaltung und der öffentlichen Ausgaben möglich sein sollten. Es gibt wohl kaum ein Gebiet, über das schon so viel geredet und auf dem schon ebensoviel versprochen worden ist wie die Verwaltungsreform. Das gilt gleichermaßen für den Bund wie für die Länder. In einigen Ländern, z. B. in Nordrhein-Westfalen und auch in Bayern, sind in dieser Beziehung bereits bemerkenswerte Versuche unternommen worden.

(Abg. Heiland: Davon haben wir bis jetzt nichts gemerkt!)

Auf diese Weise könnte meines Erachtens auch in anderen Ländern und ganz allgemein in den verschiedensten Zweigen der öffentlichen Verwaltung eine gewisse Entrümpelung vorgenommen werden, ganz abgesehen davon, daß im Wege der Vereinfachung des Verwaltungsablaufs und der Formularwirtschaft eine erhebliche Einsparung an Personal und Material und damit an öffentlichen Mitteln zu erreichen sein müßte.
Wir müssen vor allen Dingen zu einer Vereinfachung des Steuersystems kommen, wenn es nicht möglich ist, jetzt schon die grundlegende Umstellung des gesamten Steuerapparates durchzuführen. Man sollte wahrlich einmal darangehen — und das ist auch heute hier mehrfach angeklungen —, wenigstens die Bagatellsteuern aus den rund 50 verschiedenen Steuerarten herauszulösen, deren Erhebungskosten doch in keinem Verhältnis zu den Erträgnissen dieser Steuern stehen und die somit auch kaum für den Etat ins Gewicht fallen. Es würde selbstverständlich den Rahmen dieser Ausführungen überschreiten, all die Steuern aufzuführen, die unter diese Gruppe fallen und von denen keine mehr als 0,5 % des Gesamtaufkommens einbringt; eine ganze Reihe solcher Steuern ergeben nicht einmal zusammen 0,5% des Gesamtaufkommens.
Im Zusammenhang damit muß ich hier wie schon andere Vorredner die Erbschaftsteuer erwähnen, die unseres Erachtens zumindest auf den Stand von 1934 zurückgeführt werden sollte. Ich muß ferner auf die Zündwarensteuer hinweisen, die heute durch Kontrollratsgesetz von 1946 immerhin den zehnfachen Betrag der Steuer von 1946 ausmacht. Wenn wir allein bei dieser Steuer auf den Satz von 1946 zurückgehen könnten, würde der Preis für das Paketchen Streichhölzer — ich weiß nicht, ob es erwähnt ist — sicher auch von einer Mark auf 50 Pfennige herabgesetzt werden. Ich glaube, das käme einer breiten Schicht unserer Bevölkerung zugute. Dies sind, wie gesagt, nur einige Beispiele dafür, wie auf dem Sektor der Bagatellbesteuerung abgebaut und geändert werden sollte, auch im Rahmen dieser leider wieder nicht grundlegenden Steuerreform, um allmählich zu einer Vereinfachung unseres Steuersystems überhaupt zu gelangen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wünscht und hofft, daß die Beratungen im Ausschuß eine nicht zu lange Zeit in Anspruch nehmen, damit die Gesetze sehr bald in Kraft gesetzt werden können. Sie vertritt aber auch den Standpunkt, daß die Steuergesetze vor den Finanzgesetzen behandelt werden müssen.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202902100
Das Wort hat der Abgeordete Tenhagen.

Wilhelm Tenhagen (SPD):
Rede ID: ID0202902200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem hier anstehenden Fragenkomplex möchte ich vom Standpunkt der kommunalen Selbstverwaltung aus nur einige kurze Bemerkungen machen. Wir haben schon zu verschiedenen Malen bedauert — auch mein Kollege Gülich in seinen Ausführungen von heute morgen —, daß die kommunale Selbstverwaltung im Rahmen des Grundgesetzes so außerordentlich schlecht weggekommen ist. Die Behandlung im Grundgesetz beschränkt sich bekanntlich auf den Art. 28, der lediglich die institutionelle Garantie für die kommunale Selbstverwaltung beinhaltet, ohne aber, was meines Erachtens notwendig wäre, daraus nun auch die Konsequenzen für die weitere Gesetzgebung und damit für die Sicherstellung der kommunalen Selbstverwaltung in ihrer Funktionsfähigkeit zu ziehen. Wir haben im Gegenteil festzustellen, daß die bisherige Praxis bei der Behandlung dieser Materie durch Bundesregierung und Bundestag leider die Folge hatte, daß eine ganze Anzahl von Gesetzen verabschiedet wurde, die die Gemeinden in ihrer finanziellen Grundlage sehr erheblich eingeschränkt und ihnen Verpflichtungen und Belastungen auferlegt haben, ohne — was hier ja eigentlich selbstverständlich sein müßte — zugleich auch die finanziellen Mittel für die Durchführung der Aufgaben zu gewähren. Ich brauche nur auf einige Gesetze hinzuweisen, auf das Gesetz nach Art. 131, das Lastenausgleichsgesetz, das Investitionshilfegesetz mit sehr starken Auswirkungen gerade in den Finanzsektor der Gemeinden hinein. Dahin gehört auch das Problem der Umsatzsteuererhöhung für die Gemeinden, das heute schon angesprochen worden ist.
Wir sind der Meinung, daß es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, dafür zu sorgen, daß den Ge-


(Tenhagen)

meinden die finanzielle Voraussetzung für die Durchführung ihrer Aufgaben geschaffen wird.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Das scheint mir Aufgabe des Bundes zu sein. Die gerade jetzt anstehenden Beratungen zur Finanzverfassung bieten eine willkommene Gelegenheit dazu, ja sie bieten sich geradezu an, dieses Problem mit zu lösen.
Ich möchte deswegen noch einmal ganz kurz die besonderen Anliegen der kommunalen Selbstverwaltung aufzeigen. Da ist zunächst einmal die Sicherstellung, daß die Realsteuern den Gemeinden kraft Gesetzes verbleiben. Sie werden nun sagen, daß das bisherige Übung ist und sich daran kaum etwas ändern wird. Wir sind jedoch nicht ganz der Meinung, daß hier keine Gefahren für die kommunale Selbstverwaltung drohen, insbesondere nicht, nachdem bei den Beratungen im Bundesrat der Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann von der Möglichkeit gesprochen hat, die Realsteuern auch für den Bedarf der Länder mit in Anspruch zu nehmen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das ist ein Alarmzeichen für die kommunale Selbstverwaltung und für uns jedenfalls Anlaß, unsere Forderung hier noch .einmal mit allem Nachdruck zu unterstreichen.
Da ist zum zweiten und zweifellos am wichtigsten die Sicherstellung bei den Beratungen über Art. 106 des Grundgesetzes, daß Aufgaben, die den Gemeinden durch gesetzgeberische oder verwaltungsmäßige Maßnahmen der Bundesregierung auferlegt werden, auch von denen finanziert werden, die diese Auflagen machen. Es ist unmöglich, den Gemeinden weiterhin zuzumuten, daß sie von ihrer schmalen Finanzdecke auch noch die Aufgaben des Bundes oder der Länder mit finanzieren.
Dann ist ein Weiteres zu nennen: eine echte Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände am Aufkommen der gemeinschaftlichen Steuern, und zwar mit einem bestimmten Prozentsatz.
Es ist in diesem Zusammenhang sehr oft davon gesprochen worden, daß die kommunale Personalsteuer wieder eingeführt werden sollte. Das ist natürlich ein etwas heißes Eisen, wenn man von vornherein den Gemeinden die Verantwortung dafür zuschiebt, in welcher Höhe sie ihre Bürger mit einer zusätzlichen Steuer belastet. Wir haben ja alle noch die Erfahrungen aus der Zeit der Bürgersteuer in Erinnerung.
Aber weil ich gerade von der Bürgersteuer spreche, meine Damen und Herren, möchte ich folgendes sagen. Mir scheint, das wäre eine Lösung, daß man die Bürgersteuer, die jetzt in die Einkommensteuer eingebaut ist, wieder ausklammert und den Gemeinden zuweist. Zweifellos wäre damit dieses Problem gelöst. Wir stünden dann nicht vor der Notwendigkeit, eine neue Steuer einzuführen. Im Prinzip werden wir trotz aller Notwendigkeiten, die von uns in der Frage der Sicherstellung des Finanzbedarfs vom kommunalen Standpunkt aus anerkannt werden, niemals bereit sein, zu diesem Zwecke eine erneute Steuer, die gleichzeitig eine neue Steuerbelastung für den einzelnen ausmacht, anzuerkennen oder ihr zuzustimmen.
Es ist nicht Aufgabe der ersten Lesung von Gesetzentwürfen, auf die Einzelheiten, die hier als Lösungsmöglichkeiten anstehen oder erarbeitet werden sollten, einzugehen. Im übrigen ist dieses
Problem ja heute auch schon dankenswerterweise von einigen Vorrednern mit angesprochen worden. Ich habe mich besonders über die Ausführungen gefreut, die Herr Kollege Dresbach hier zu diesem Thema gemacht hat. Sie waren nicht nur von einer sehr gründlichen Kenntnis der Materie getragen, sondern zweifellos auch von der gebotenen Ehrlichkeit und der notwendigen Bereitschaft, das Problem zu lösen. Nun, so sehr ich die Ehrlichkeit des Kollegen Dresbach anerkenne, so viel lieber wäre es mir aber gewesen, er hätte diese Ausführungen mit der Vorbemerkung machen können, daß er hier die Auffassung seiner Fraktion verträte. Dann hätten sie zweifellos etwas mehr Nachdruck gehabt.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht auch an die Ausführungen erinnern, die der Herr Bundesinnenminister in der Sitzung des Kommunalpolitischen Ausschusses am 9. Februar dieses Jahres zu diesem Thema gemacht hat. Wenn wir trotzdem skeptisch sind, dann ist das aus der bisherigen Praxis zu erklären, die sich doch dadurch auswies, daß alles das, was von der Mehrheit dieses Hauses zu diesen Belangen der kommunalen Selbstverwaltung gesagt wurde, eben nur Worte geblieben sind,

(Sehr gut! bei der SPD)

denen man die Taten nicht hat folgen lassen. Mir scheint es dringend notwendig zu sein, über den Status leerer Deklamationen endlich einmal hinauszukommen und in den Status der Verwirklichung einzutreten. Ich hoffe, daß die neue Zusammensetzung des Bundestages und insbesondere der Mehrheit dieses Bundestags hier etwas kommunalfreundlicher eingestellt ist, als es in der Vergangenheit der Fall war, und wir vielleicht auch endlich einmal dazu kommen, die Probleme zu lösen.
Es ist selbstverständlich, daß hier Verfassungsänderungen notwendig sind. Aber ich glaube, man kann doch wohl mit Recht die Auffassung vertreten, daß, wenn man die Notwendigkeit anerkannte, auf außenpolitischem Gebiet Verfassungsänderungen vorzunehmen, und auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat, man auch den Mut haben sollte, zur innerstaatlichen Befriedung die Verfassungsänderungen durchzuführen, die nun einmal notwendig sind.
Ich will mich mit diesen kurzen Ausführungen begnügen. Ich möchte nur noch einmal an das Kernproblem erinnern, das sich ja letztlich dadurch ausweist, daß wir, wenn wir die kommunale Selbstverwaltung in dieser Bundesrepublik nicht in Ordnung bringen und nicht in Ordnung halten, uns sehr sehr schwer damit tun werden, die Demokratie in Deutschland überhaupt zu festigen.

(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202902300
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich kann damit die Aussprache schließen.
Es ist beantragt, die Gesetzentwürfe der Tagesordnungspunkte 1 bis 6 sämtlich an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß sowie sämtlich an den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung zu überweisen. Außerdem soll der Gesetzentwurf zu Punkt 3 über das Notopfer Berlin zur Mitberatung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen überwiesen werden sowie die Ge-


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

setzentwürfe zu den Punkten 2 bis 6, also die Steuerreform, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.

(Abg. Scharnberg: Geld und Kredit bitte auch!)

— Welche Punkte bitte? Es ist bisher nicht beantragt worden!

(Abg. Scharnberg: Die Punkte 2 bis 6 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Geld und Kredit!)

— Es ist beantragt worden, die Beratungsgegenstände der Punkte 2 bis 6 auch an den Ausschuß für Geld und Kredit zur Mitberatung zu überweisen. Erhebt sich Widerspruch? — Herr Dr. Wellhausen!

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0202902400
Meine Damen und Herren! Es erhebt sich kein Widerspruch, aber ich möchte Ihnen von einer Absprache Kenntnis geben, die ich mit Herrn Scharnberg getroffen habe, dahingehend, daß ich mir vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen aus erlauben werde, nicht bloß den Ausschuß für Geld und Kredit, sondern, um ein Beispiel zu nennen, auch den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu den Beratungen hinzuzuziehen. Herr Scharnberg war so freundlich, sein Vertrauen darauf dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß er auf einer Zuweisung an seinen Ausschuß nicht bestand.

(Zuruf von der Mitte: Ausschuß für Wirtschaftspolitik?)

— Das wissen Sie wahrscheinlich nicht! Über den Ausschuß für Wirtschaftspolitik haben wir nicht gesprochen; deswegen habe ich vorhin auch nichts darüber gesagt. Das hat mich auch überrascht, — aber ich stelle anheim.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0202902500
Herr Abgeordneter Scharnberg, halten Sie Ihren Antrag aufrecht oder verzichten Sie? — Sie verzichten.
Damit kann ich die Beratung der Punkte 1 bis 6 der Tagesordnung beenden.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954/55) (Drucksache 524).
Auf die Begründung wird verzichtet; eine Aussprache ist nicht gewünscht. Beantragt ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (8. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198).
Berichterstatter ist Abgeordneter Maier (Freiburg).
Die Fraktion der CDU/CSU stellt den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und zur Mitberatung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. Soll der Antrag begründet werden, oder ist es nicht notwendig? — Es ist nicht notwendig. Widerspruch erfolgt nicht; dann ist die Rückverweisung beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen läßt seine Sitzung heute ausfallen, ebenso der Ausschuß für Kulturpolitik. Auch die für morgen um 16 Uhr vorgesehene Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung fällt aus; der neue Termin wird rechtzeitig bekanntgegeben. Die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik fällt heute ebenfalls aus.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 30. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 21. Mai, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung des Deutschen Bundestages.