Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der heutigen Debatte ist schon so viel zu den vorliegenden Gesetzesvorlagen gesagt und schon so viel auf Einzelheiten eingegangen worden, daß ich mich kurz fassen und mich auf die grundsätzliche Stellungnahme meiner Fraktion beschränken kann. Wir alle wissen, daß der Steuerzahler von den Reformgesetzen mehr erwartet, als uns hier mit den vorliegenden Gesetzentwürfen zur Neuordnung der Steuern und des Finanzwesens zur Beratung gegeben ist. Auch für meine Fraktion wäre es wünschenswerter gewesen, wenn das gesamte Steuersystem im Wege einer völligen von Grund auf vorgenommenen Umstellung hätte geändert werden können. Wir kennen aber ja alle zur Genüge die Gründe, die einem solchen Vorgehen entgegenstehen. Ich brauche deswegen nicht besonders auf diese Gründe einzugehen.
Wenn aber nun schon eine organische Steuerreform, als die sie ursprünglich ins Auge gefaßt war, nicht durchführbar ist, dann hätten wir dennoch begrüßt, wenn die Materie und die Kernprobleme der Gesetzesvorlage auf eine breitere Basis gestellt worden wären, die dem Charakter einer großen Reform nähergekommen wäre. Was geblieben ist und worüber wir uns hier nun zu unterhalten haben, ist mehr oder weniger doch nur eine einfache Steuersenkung, also eine Reform auf halbem Kurs oder im ganzen eine unzulängliche Veränderung im gesamten Steuerwesen.
Wir sind der Meinung, daß eine Steuer- und Finanzreform nicht allein vom Standpunkt des Fiskus aus betrachtet werden darf, sondern dabei muß, und zwar in weitem Maße, auch unsere gesamte Wirtschaft ins Auge gefaßt werden, und erst recht dann, wenn diese Wirtschaft dynamischen Charakter trägt. Jede sachliche Überlegung zur Steuerreform wird davon ausgehen müssen, daß diese gleichzeitig haushaltspolitischen und wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten gerecht werden muß. Reformvorschläge unter diesem Gesichtspunkt sind nur sinnvoll, wenn sie ebenso den Finanzbedarf des öffentlichen Haushalts wie auch die wirtschaftlichen Grenzen der Besteuerung in Rechnung stellen. Eine Steuerreform soll ja nicht nur den Steuerzahlern, die gegenwärtig bis an die Grenze des Möglichen zur Aufbringung der Staatsmittel beansprucht sind, eine fühlbare Entlastung bringen, sondern das Ziel der Steuerreform muß es andererseits sein, gleichzeitig unsere bestehende und immer noch in der Entwicklung befindliche Wirtschaft zu fördern, um so das Sozialprodukt ganz allgemein zu heben.
Wir sollten daher im Wege der zu beratenden Reform gleichsam einen Ausgleich zu finden suchen zwischen dem als notwendig anerkannten Finanzbedarf und der steuerlichen Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft. Wenn dies aber so ist, wird man vielleicht doch daraus folgern müssen, daß Steuerreform und Finanzreform miteinander verbunden sind und daß man die Fülle von Problemen, die diese Reformen in ihrer Auswirkung sozial- und wirtschaftspolitisch auslösen werden, bei den künftigen Beratungen der vorliegenden Gesetzentwürfe gebührend berücksichtigen muß.
Ein weiterer, nach meiner Meinung ebenso wichtiger Grundsatz sollte daher vordringlich angestrebt werden, nämlich der der Beseitigung der
Härten und Ungerechtigkeiten, die in unserem gegenwärtigen Besteuerungssystem liegen und die die Kleine Steuerreform nicht hat beseitigen können. Dieses Problem berührt in hohem Maße die gewerbliche Wirtschaft, den Einzelhandel, das Handwerk und das Landvolk. Ich brauche in diesem Rahmen auf Einzelheiten der bestehenden steuerlichen Ungerechtigkeiten nicht näher einzugehen. Wir werden bei den Beratungen bei einzelnen dieser Sektoren unsere Forderungen stellen, dies vor allem — was heute noch nicht zu übersehen ist —, wenn wir die Erfüllung unserer Hoffnungen bedroht sehen, daß die Gesetzentwürfe bei den parlamentarischen Beratungen eine Gestalt erhalten, die echter Mittelstandspolitik widerspricht.
Wir begrüßen es grundsätzlich, daß die Bundesregierung bei der Gestaltung des Einkommensteuertarifs auf dem mit der Kleinen Steuerreform eingeschlagenen Weg der Tarifermäßigung weiter fortschreiten will. Diese Vorschläge entsprechen aber dennoch im einzelnen nicht unseren Wünschen. Es wird zu prüfen und zu beraten sein, ob die vorgeschlagene Tarifsenkung als ausreichend bezeichnet werden kann. Bei einer ungenügenden Senkung würden wir im Hinblick auf die kleinen und mittleren Einkommen ganz allgemein, insbesondere aber auch für die mittelständische Wirtschaft unsere Forderungen als nicht genügend berücksichtigt ansehen müssen. Angesichts des Umstandes, daß die Abgabe Notopfer Berlin weiter erhoben wird und dazu eine ganz neue Steuer, nämlich die Ergänzungsteuer zur Einkommensteuer, eingeführt werden soll, sind wir der Überzeugung, daß dabei die kleinen Einkommen — abgesehen von den untersten Stufen — sogar noch mehr Steuern zu zahlen haben als nach dem bisherigen Tarif der Kleinen Steuerreform. Mit anderen Worten, wir erwarten eine günstigere Tarifgestaltung für diese Gruppen, insbesondere aber auch im Hinblick auf den Mittelstand, auf die Einkommen — wie schon mehrfach erwähnt worden ist — von rund 8000 bis 30- oder 40 000 DM, damit diese Betriebe — was ja eigentlich der Sinn der Reform sein soll — auch in die Lage versetzt werden, Betriebskapital anzusammeln. Wenn man dieser Forderung nicht gerecht werden wollte und die beabsichtigte Ergänzungsabgabe sowie andererseits den Fortfall von Steuervergünstigungen in Rechnung setzte, müßten wir darin eher eine Steuerbelastung als eine Steuersenkung erblicken. Dabei soll doch die Steuerreform die Fortsetzung der von der Bundesregierung verfolgten Politik der Steuersenkung darstellen. Wenn die Auswirkungen der Reform, wie wir sie heute sehen und wie ich sie eben darlegte, sich tatsächlich so entwickeln sollten, können wir uns nicht vorstellen, wie das Ziel des Reformwerks für den Steuerzahler ganz allgemein und insbesondere für die mittelständische Wirtschaft erreicht werden soll, welches auf Eigenkapitalbildung und Wirtschaftsförderung und damit auf Wirtschaftsexpansion gerichtet ist, also Bestrebungen, die letzten Endes auf Hebung des Lebensstandards für die Allgemeinheit gerichtet sind.
In diesem Zusammenhang aber ein ernstes Wort zur Ergänzungsabgabe! Die Deklarierung der Einkommen- und Körperschaftsteuer als eine Steuer, die Bund und Ländern gemeinsam in einem festen Verhältnis von 40 : 60 aufgeteilt zustehen soll, führt unseres Erachtens zu dem äußerst bedenklichen und, wie heute schon mehrfach betont worden ist, allgemein abgelehnten Vorschlag auf Einführung einer Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer als einer neuen Bundessteuer. Die Ergänzungsabgabe würde neben dem Notopfer Berlin und der Kirchensteuer in vollem Umfang an der Progression der Steuertarife teilnehmen. Hinzu käme, daß der für das Jahr 1955 zugrunde gelegte Satz für die Ergänzungsabgabe von 2,5 % jederzeit durch einfaches Gesetz erhöht werden könnte, ohne daß eine Grenze nach oben festgelegt ist. Unter diesen Umständen sehen wir uns außerstande, einer solchen neuen Steuer zuzustimmen.
Herr Kollege Wellhausen hat von einer Beerdigung der Erhöhung der Umsatzsteuer gesprochen. Ich will mich deswegen kurz fassen, muß mich aber an dieser Beerdigung beteiligen, weil wir auf gar keinen Fall der Erhöhung der Umsatzsteuer zustimmen können. Denn wir sind sicher, daß durch diese Erhöhung die Preise irgendwie ins Rutschen kommen würden, weil letzten Endes die kleinen Einzelhändler auf den Großhandel angewiesen sind und die durch die Umsatzsteuererhöhung verursachte Steigerung der Großhandelspreise unbedingt auf den Verbraucher abwälzen würden.
Hinsichtlich der Zusammenveranlagung von Ehegatten — auch davon ist heute schon sehr viel gesprochen worden; das Problem hat auch bei den Beratungen über die Kleine Steuerreform schon eine große Rolle gespielt — vertritt meine Fraktion nach wie vor den Standpunkt, daß das gegenwärtige Besteuerungssystem ungerecht ist und einer Änderung bedarf. Es ist bekannt, daß das gültige System die Ehefrauen der Besitzer gewerblicher Betriebe und insbesondere auch des Bauernstandes, die im eigenen Betrieb des Mannes in hohem Maße mitwirken, steuerlich fast unberücksichtigt läßt. Ohne mich heute schon für eine bestimmte Lösung dieses Problems bindend auszusprechen, möchte ich ganz allgemein die Ansicht meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß ganz gleichmäßig entweder eine Zusammenveranlagung oder aber eine Getrenntveranlagung der Ehegatten bei der Lösung dieses Problems in Betracht gezogen werden sollte, und zwar ohne Rücksicht auf die jetzt gültigen Ausnahmebestimmungen in den Durchführungsverordnungen. So wie die Dinge auf diesem Gebiete heute liegen, können sie auf gar keinen Fall bleiben. Wenn beide Ehegatten gemeinsam im Betrieb des einen Ehegatten arbeiten, wird nach den gültigen Vorschriften das Arbeitsergebnis des mitarbeitenden Ehegatten gewissermaßen dem Betriebsgewinn hinzugeschlagen und der gemeinsam erarbeitete Gewinn infolgedessen zu einem höheren Tarifsatz versteuert als bei getrennter Veranlagung. Nach unserer Auffassung dürfte es dem Grundsatz der gleichen steuerlichen Behandlung widersprechen, wenn man in anderen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen getrennt veranlagt oder aber, was sich finanziell noch ungerechter auswirkt, wenn man die Mitarbeit der Ehefrau im gewerblichen oder bäuerlichen Betrieb des Mannes steuerlich eigentlich gar nicht in Betracht zieht.
Da die Gesetzesvorlagen in ihren praktischen Auswirkungen auch tief in das kommunale Leben eingreifen, noch ein Wort über die nach unserer Meinung berechtigten Belange der Gemeinden auf diesem Gebiet, die zur Zeit nicht ausreichend berücksichtigt erscheinen. Andere Kollegen haben darauf hingewiesen: Die Selbstverwaltungsaufgaben in ihrer Vielzahl und zusätzlich übertragene Aufgaben der Gemeinden, die sich fortlaufend mehren, erheischen zwingend eine Sicherstellung des
Finanzbedarfs der Gemeinden bei der Neuordnung durch die Finanz- und Steuerreform. Das ist gegenwärtig nicht der Fall, im Gegenteil. Wir haben in dieser Hinsicht nach gemachten Erfahrungen und Beobachtungen den Eindruck einer gewissen Vernachlässigung der Gemeinden. Wir erwarten und fordern, daß die Länder in die Lage versetzt werden, den Gemeinden eine ausreichende finanzielle Ausstattung zur Durchführung ihrer Selbstverwaltungs- und der ihnen übertragenen Aufgaben zu gewähren. Wir treten auch für eine Personalsteuer der Gemeinden ein, die unseres Erachtens auf die Dauer nicht zu umgehen ist. Entstehen den Gemeinden aber durch Übertragung oder Erweiterung ihres Pflichtenkreises wesentlich neue finanzielle Lasten, dann soll man ihnen auch ,gleichzeitig die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen oder aber bei Einnahmeausfällen, die auf gesetzliche oder vertragliche Maßnahmen des Bundes zurückzuführen sind, für einen entsprechenden Ausgleich sorgen. Anders können wir uns jedenfalls ein ordentliches Finanzgebaren der Gemeinden nicht vorstellen. Wir halten es daher letztlich auch für unbedingt erforderlich, daß die gesamte finanzielle Regelung für unsere Gemeinden in dem dargelegten Sinne verfassungsrechtlich verankert wird.
Ich erwähnte bereits, daß die durch die beabsichtigte Steuersenkung entstehende Lücke im Steueraufkommen, soweit sie durch die Gesetzesvorlage in ihrem Endzustand und ihren Auswirkungen nicht geschlossen werden kann, durch andere Wege und Möglichkeiten wieder zu schließen versucht werden müßte. Wir vermissen in dieser Beziehung bei den Gesetzesvorschlägen z. B. die Möglichkeit von Einsparungen, die auf dem Gebiet der Verwaltung und der öffentlichen Ausgaben möglich sein sollten. Es gibt wohl kaum ein Gebiet, über das schon so viel geredet und auf dem schon ebensoviel versprochen worden ist wie die Verwaltungsreform. Das gilt gleichermaßen für den Bund wie für die Länder. In einigen Ländern, z. B. in Nordrhein-Westfalen und auch in Bayern, sind in dieser Beziehung bereits bemerkenswerte Versuche unternommen worden.
Auf diese Weise könnte meines Erachtens auch in anderen Ländern und ganz allgemein in den verschiedensten Zweigen der öffentlichen Verwaltung eine gewisse Entrümpelung vorgenommen werden, ganz abgesehen davon, daß im Wege der Vereinfachung des Verwaltungsablaufs und der Formularwirtschaft eine erhebliche Einsparung an Personal und Material und damit an öffentlichen Mitteln zu erreichen sein müßte.
Wir müssen vor allen Dingen zu einer Vereinfachung des Steuersystems kommen, wenn es nicht möglich ist, jetzt schon die grundlegende Umstellung des gesamten Steuerapparates durchzuführen. Man sollte wahrlich einmal darangehen — und das ist auch heute hier mehrfach angeklungen —, wenigstens die Bagatellsteuern aus den rund 50 verschiedenen Steuerarten herauszulösen, deren Erhebungskosten doch in keinem Verhältnis zu den Erträgnissen dieser Steuern stehen und die somit auch kaum für den Etat ins Gewicht fallen. Es würde selbstverständlich den Rahmen dieser Ausführungen überschreiten, all die Steuern aufzuführen, die unter diese Gruppe fallen und von denen keine mehr als 0,5 % des Gesamtaufkommens einbringt; eine ganze Reihe solcher Steuern ergeben nicht einmal zusammen 0,5% des Gesamtaufkommens.
Im Zusammenhang damit muß ich hier wie schon andere Vorredner die Erbschaftsteuer erwähnen, die unseres Erachtens zumindest auf den Stand von 1934 zurückgeführt werden sollte. Ich muß ferner auf die Zündwarensteuer hinweisen, die heute durch Kontrollratsgesetz von 1946 immerhin den zehnfachen Betrag der Steuer von 1946 ausmacht. Wenn wir allein bei dieser Steuer auf den Satz von 1946 zurückgehen könnten, würde der Preis für das Paketchen Streichhölzer — ich weiß nicht, ob es erwähnt ist — sicher auch von einer Mark auf 50 Pfennige herabgesetzt werden. Ich glaube, das käme einer breiten Schicht unserer Bevölkerung zugute. Dies sind, wie gesagt, nur einige Beispiele dafür, wie auf dem Sektor der Bagatellbesteuerung abgebaut und geändert werden sollte, auch im Rahmen dieser leider wieder nicht grundlegenden Steuerreform, um allmählich zu einer Vereinfachung unseres Steuersystems überhaupt zu gelangen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wünscht und hofft, daß die Beratungen im Ausschuß eine nicht zu lange Zeit in Anspruch nehmen, damit die Gesetze sehr bald in Kraft gesetzt werden können. Sie vertritt aber auch den Standpunkt, daß die Steuergesetze vor den Finanzgesetzen behandelt werden müssen.