Rede:
ID0202900600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Gülich.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954 1313 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1314 A, 1372 C Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner, Schäffer, Frau Niggemeyer, Mühlenberg 1314 B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestags 1314 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953, des Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges, der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksache 525) 1314 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 53 betr. Verheizen von Zigarillos (Drucksachen 454, 521) 1314 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280) 1314 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1315 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1323 A Dr. Gülich (SPD) 1328 B Neuburger (CDU/CSU) 1334 A Seuffert (SPD) 1341 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 1352 B Dr. Wellhausen (FDP) 1358 C Höcherl (CDU/CSU) 1366 A Eickhoff (DP) 1368 C Tenhagen (SPD) 1370 D Überweisung der Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Vorlagen Drucksachen 481, 482, 483 und 484 außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und des Gesetzentwurfs Drucksache 482 außerdem an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 1371 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954 / 55) (Drucksache 524) 1372 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1372 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198) 1372 C Rücküberweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten . 1372 C Nächste Sitzung 1372 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 25. und der 28. Sitzung . 1372 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
  • folderAnlagen
    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung ist zu lesen: Abstimmung 1. 2. Seite 1038 D Zeile 10 von unten: Frau Welter (Aachen) entschuld. entschuld. Seite 1039 B Zeile 8: Frenzel krank krank Seite 1040 B Zeile 7 von unten: Rademacher krank krank Seite 1041 C Zeile 4 von unten: Hübner Ja Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung Seite 1207 A Zeile 14 ist nach Krammig statt „(SPD)" zu lesen: (CDU/CSU).
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. August Dresbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei der Sozialdemokratischen Partei recht schön dafür bedanken, daß sie mich im Hinblick auf meinen Gesundheitszustand zuerst sprechen läßt, damit ich es hinter mich kriege.

    (Heiterkeit.)

    Ich habe die Ehre, zu Drucksache 480, also zu dem Bereich Finanzreform, zu sprechen. Eingangs möchte ich sagen, daß ich in dieser Drucksache, insbesondere in der Begründung, ein ausgezeichnetes, literarisch wie wissenschaftlich bedeutungsvolles Werk sehe. Ich habe mir die Sache einbinden lassen, wie Sie sehen können.

    (Heiterkeit.)

    Dieser Band wird in meiner Bibliothek einen Ehrenplatz neben dem Popitz`schen Finanzausgleichsgutachten finden. Sogar der hohe Bundesrat hat eine Anerkennung dafür gefunden, der Bundesrat, der doch seit jenem schwarzen Freitag vom Herrn Bundesfinanzminister als Feind der gerechten Sache angesehen wird, wenn ich mich mal altburschenschaftlich ausdrücken darf.

    (Heiterkeit.)

    An jenem schwarzen Freitag hat der Berichterstatter des Finanzausschusses des Bundesrats, der
    bremische Senator Dr. Nolting-Hauff, ausgeführt:
    Der Beifall des Finanzausschusses gilt ebenfalls der Brillanz der sehr ausführlichen und tiefangelegten Begründung der Gesetzesvorlage und seine Zustimmung auch der in dieser Begründung umrissenen Aufgabenstellung.
    Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
    Nun zu der Frage: Steuerreform und Finanzreform in einem oder getrennt? Ich darf darauf hinweisen, daß wir durch Art. 107 des Grundgesetzes in einem Zeitdruck sind. Daran kommen wir nicht vorbei. Die Bundesregierung spricht zwar in der Drucksache 480 auf Seite 16 eine recht maßvolle Sprache: Es möge doch möglichst gleichzeitig verabschiedet werden. Der Bundesrat führt eine entschieden energischere Sprache. Ich verweise auf Seite 210 der Drucksache. Dort kommt zum Ausdruck, daß nach Auffassung des Bundesrats nichts verschoben werden dürfe, wenn auch die zukünftigen Finanzbelastungen noch nicht gänzlich feststünden. Es heißt dann wörtlich:
    Mit derartigen ungewissen Einwirkungen auf die öffentliche Finanzwirtschaft wird in absehbarer Zeit aber stets gerechnet werden müssen. Sie dürfen, zumal eine weitere Einengung des Finanzbedarfs der Länder zugunsten des Bundes ausgeschlossen erscheint, nicht zum Anlaß genommen werden, die
    Lösung eines so wesentlichen Zentralproblems der bundesstaatlichen Ordnung, wie es die endgültige Gestaltung der Finanzverfassung darstellt, erneut zurückzustellen oder gar auf sie zu verzichten. Der Auftrag des Verfassungsgesetzgebers zwingt zudem zu einer fristgerechten Regelung.
    Ja, meine Damen und Herren, diesen markanten Worten des Bundesrats muß ich doch Glauben schenken nach dem Wort: Ein Mann, ein Wort. Ich weiß ja sicherlich — und ich versuche jetzt, etwas schwäbisch zu reden —, daß bei all diesen Redensarten a bissel Liebe und a bissel Treue und a bissel Falschheit immer dabei ist.

    (Heiterkeit.)

    Aber immerhin darf ich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß auch der hohe Bundesrat unbedingt die Dynamik anerkennt, die in der Finanzgestaltung des Bundes liegt, und daß er sich doch — vom Standpunkt der Länder aus gesehen — mehr oder weniger in eine stationäre Abwehrstellung eingegraben hat.
    Und nun, meine Damen und Herren: Wer will es in diesem Hohen Hause verantworten, daß der alljährliche Streit um den Art. 106 Abs. 3 weitergeht, dieser Viehhandel, wie ich mich neulich mal bei der ersten Lesung des Inanspruchnahmegesetzes ausgedrückt habe? Ich habe feststellen können, daß der Herr Bundesfinanzminister dieses Wort im Wahlkampf oder anderswo aufgegriffen hat. Ich betrachte mich jedenfalls als Originalsaatgutzüchter.

    (Große Heiterkeit. — Abg. Lücke: Gut, gut!)

    Nun, dieser Streit hat bisher eine ekelhafte Form angenommen und faktisch dazu geführt, daß der Vermittlungsausschuß ein Überparlament, das wahrhafte Parlament geworden ist. Ich habe so die Befürchtung: wenn wir es jetzt nicht in einem Aufwaschen schaffen, dann schaffen wir es im Jahre 1954 überhaupt nicht. Denn nach einer isolierten Steuerreform, habe ich so die Befürchtung, tritt eine gewisse Müdigkeit in diesem Hohen Hause ein, die Sommerferien kommen dazwischen, und dann stehen wir am Ende des Jahres vor vollendeten Tatsachen.

    (Abg. Dr. Gülich: Die Viehhandelsgeschäfte werden das Haus wieder beleben!)

    — Ich könnte es mir vorstellen. Aber sie spielen
    sich, ja meistens im Vermittlungsausschuß ab,
    Herr Kollege Gülich, also in einer camera obscura.

    (Heiterkeit.)

    Die Frage ist dann aber: Wird der Bundesrat noch einmal eine Hinausschiebung des im Art. 107 enthaltenen Termins bewilligen? Wir haben seinerzeit im 1. Bundestag schon einmal den Termin vom 31. Dezember 1952 auf den 31. Dezember 1954 in Form eines verfassungsändernden Gesetzes hinausgeschoben, und es ist damals schon im Vermittlungsausschuß zu einem Kompromiß gekommen. Wenn uns aber am Schluß des Jahres der Bundesrat die Verschiebung nicht zubilligt, dann ist der offene Verfassungskonflikt da; und ich glaube, an dem können wir nicht vorbeigehen, auch wenn wir uns manchmal draußen im Lande mit Worten einlullen zu lassen drohen, daß diese Finanzreformsache eigentlich doch nur eine Sache für die Finanzminister und die Gemeindekämmerer sei und die Steuerzahler gar nichts angehe. Sie geht die Steuerzahler sehr wohl an, wie der Herr


    (Dr. Dresbach)

    Bundesfinanzminister mit Recht ausgeführt hat, nämlich aus haushaltswirtschaftlichen Gründen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Nun darf man aber auch feststellen, daß Finanzreform und Steuerreform miteinander verflochten sind, insbesondere durch die von der Bundesregierung verlangte Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wer die bewilligen will — ich weiß nicht, ob das Hohe Haus dazu bereit ist —, der muß auch ja sagen zu der gleichzeitigen Behandlung der Finanzreformgesetze.
    Und dann darf ich darauf hinweisen, daß die feste Quotenzuteilung an Bund und Länder doch auch ein weittragendes finanzpolitisches Ziel hat, nämlich: die Gemeinden, Gemeindeverbände und insbesondere die Länder bei ihren Investitionen auf den Kapitalmarkt zu verweisen und sie davon abzubringen, diese Investitionen wie bisher vornehmlich aus ordentlichen Einnahmen, Steuereinnahmen, zu bestreiten. Da sind nun in der Begründung der Bundesregierung Begriffe aufgetaucht wie vermögenswirksame und vermögensunwirksame Ausgaben. Als ich vor 40 Jahren ein der Cameralia beflissener Student in Göttingen und Bonn war, waren diese Ausdrücke noch nicht erfunden. Es handelt sich im wesentlichen darum, daß vermögenswirksame Ausgaben gleich Investitionen sind und vermögensunwirksame Ausgaben eben Personalausgaben und andere.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich schließe mich dieser Unterscheidung weitgehend an.
    Der Bundesrat hat nun allerdings darauf hingewiesen, man könne in der Unterscheidung nicht so scharf sein. Straßen, Schulen, Kanalisation usw. seien unrentierliche Vermögenswerte, und die müßten doch nach wie vor weitgehend aus ordentlichen Einnahmen gespeist werden.
    Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung zur Stellungnahme des Bundesrats auf Seite 226 der Drucksache ein gutes Entgegenkommen gezeigt. Aber primär bleibt doch folgendes bestehen: nur das unbedingt Notwendige soll aus Steuern finanziert werden. Damit ergibt sich auch hier wiederum die Notwendigkeit, Steuer- und Finanzreform in einem zu erledigen.
    Als Kernstück des neuen Finanzverfassungsgesetzes möchte ich den Art. 106 c ansehen, der die Beteiligung des Bundes und der Länder festlegt: für den Bund 40 %, für die Länder 60 %. Der Gesetzgeber des Grundgesetzes konnte nicht voraussehen, wie die Entwicklung verlaufen würde, denn er konnte die Finanzbelastung nicht voraussehen. Aber es ist erfreulich, daß der Bundesrat — auch der Bundesrat — und die Bundesregierung zu der Auffassung gekommen sind, daß nunmehr eine gewisse Klarheit dasei, daß man daraus die Folgerung ziehen müsse, daß es zu einer festen Quotenaufteilung kommen müsse, damit diese ekelhafte Streiterei „alle Jahre wieder" beseitigt wird. Der Bund kann eben ohne einen ständigen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht mehr auskommen. Deshalb können diese Steuern auch nicht mehr alleinige Landessteuern sein, sondern sie müssen gemeinschaftliche Steuern werden. Es ist wirklich nicht folgerichtig, wenn der Bundesrat eine feste Quote für den Bund zubilligt — nur 35 % statt der verlangten 40 % —, aber gleichzeitig diese Steuerarten als alleinige Landessteuern behalten will. Er hat dabei eine Begründung, die ungefähr folgendes besagt: bei den Ländern decken die beiden Steuerarten 70 % der Steuereinnahmen, beim Bund nur 20 %. Meines Erachtens verfängt diese Begründung nicht.
    Sehr bemerkenswert ist in dem Finanzverfassungsgesetz der neue Art. 106 Abs. 2 mit dem Versuch einer Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. Ich halte diesen Art. 106 Abs. 2 — meine Freunde aus Bayern, horchen Sie bitte bei dem Zusammenhang bei dieser langweiligen Rede doch einmal auf! —

    (Sehr gut! rechts)

    für entschieden moderner als den Art. 30 des Grundgesetzes, der doch noch von der Auffassung ausgeht, als ob der Bund ein Kommunalverband höherer Ordnung sei. Nun ist es mir aber unverständlich, daß der Bundesrat erklärt, dem Gesetzgeber zu Art. 107 sei ja gar nicht die Aufgabe gestellt, eine Lastenverteilung vorzunehmen. Dazu ist zu sagen, daß der Art. 107 ausdrücklich bestimmt, daß jeder Teil „entsprechend seinen Aufgaben" beteiligt sein soll. Das setzt doch eine ungefähre Klärung der Aufgaben- und Lastenverteilung voraus, wie sie die Bundesregierung mit ihrem Entwurf unternommen hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Als schwaches Stück möchte ich die Revisionsklausel des neuen Art. 106 e ansehen, auch wenn sie in der Begründung und der Erwiderung der Bundesregierung als Ultima ratio bezeichnet worden ist. Es besteht doch die Gefahr, daß mit dieser Revisionsklausel jedes Jahr der Streit, den wir begraben wollen, wieder neu aufbricht und neue Wunden bringt. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß auch der alte Reichsfinanzausgleich feste Quoten gehabt hat, im wesentlichen immer eine Beteiligung des Reichs mit 25 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, jedenfalls zuletzt in der Fassung des Reichsfinanzausgleichsgesetzes von 1926. Ich bin der Meinung, diese festen Quoten sollten dafür sprechen, auch jetzt die gleiche Prozedur anzuwenden,

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    auch wenn wir jetzt noch nicht volle Klarheit über die Finanzstruktur haben. Die haben wir auch im Reich niemals gehabt.

    (Abg. Dr. Gülich: Das stand aber nicht in der Reichsverfassung!)

    — Nein, es stand nicht in der Reichsverfassung; aber es läßt sich ja schließlich darüber streiten, ob derartige Dinge in ein Verfassungsgesetz oder in ein Spezialgesetz hineinkommen sollen. Ich halte diese Frage bei meiner gegenwärtigen Betrachtung nicht für so relevant, Herr Kollege Gülich.
    Nun ist es aber vollkommen folgeunrichtig, wenn der Bundesrat die von der Regierung verlangte Revisionsklausel ablehnt, gleichzeitig aber eine Sicherungsklausel für die Länder fordert. Diese Sicherungsklausel soll besagen, daß der Bund, wenn er durch seine neue Gesetzgebung den Ländern und auch den von den Ländern geführten und patronisierten Gemeinden neue Aufgaben auferlegt, dann auch für die notwendigen Mittel sorgen muß. Dabei ist in der Sprache des Bundesrates, soweit ich es im Augenblick aus seiner Stellungnahme in Erinnerung habe, von „nicht zumutbaren Lasten" die Rede. Ich darf darauf hinweisen, daß faktisch das Verlangen der Länder und auch der kommunalen Spitzenverbände nach Mitteln des Bundes, wenn der Bund neue Aufgaben und


    (Dr. Dresbach)

    Lasten auferlegt, in dem neuen Art. 106 e Abs. 2 realisiert ist. Dort sind faktisch die Bestimmungen der §§ 54 und 55 des alten Reichsfinanzausgleichs verwirklicht worden. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch die Bemerkung, daß diese §§ 54 und 55 auch in früheren Zeiten nie automatisch in Wirksamkeit getreten sind.
    Der Bundesrat will mit seiner Sicherungsklausel sogar so weit gehen, daß er das Quotenverhältnis zwischen Bund und Ländern ändern will — er, der die Revisionsklausel der Bundesregierung "wegen der alljährlich zu erwartenden Streitigkeit ablehnt! Obschon ich den Bundesrat als ein hochstehendes Parlament anspreche — es ist ein Parlament der gelehrten Priester, und ich weiß bestimmt, daß sie uns als Laienbrüder betrachten —,

    (große Heiterkeit)

    muß ich hier bei diesem geistig hochstehenden
    Parlament doch eine gewisse Folgeunrichtigkeit
    feststellen. (Erneute Heiterkeit.)

    Die Bundesregierung hat nun hier einen berechtigten Argwohn, nämlich den, daß der Bundesrat versuchen wird, über den Begriff der „zumutbaren Belastungen" seine Zuständigkeit zu erweitern, nämlich ungefähr jedes Bundesgesetz zu einem Zustimmungsgesetz zu erklären.
    Meine Damen und Herren, ist der Herr Minister Kaiser noch da?

    (Abg. Kaiser: Ja, er ist hier!)

    — Herr Kollege Kaiser — Sie sitzen ja jetzt unten —,

    (Heiterkeit)

    Sie haben neulich den Schrei nach dem Bundeswirtschaftsrat ausgestoßen. Wissen Sie: der Bundesrat allzuständig mit der Zustimmung, dazu noch der Bundeswirtschaftsrat — dann singen Sie in Zukunft bei der Bonner Gesetzgebung das Lied: „Immer langsam voran, damit der Bonner Landsturm nachkommen kann!"

    (Große Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.)

    Nun hätte ich es gerne gesehen — ich glaube, auch der Herr Bundesfinanzminister —, wenn die Umsatzsteuer wie ehedem in der Weimarer Republik eine gemeinschaftliche Steuer, eine Beteiligungssteuer geworden wäre. Die Länder haben sich dagegen erklärt, und zwar mit ,der sehr trockenen Begründung, die sei ja genau so krisenanfällig wie die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch. Die Bundesregierung ist meines Erachtens mit ihren Motiven auf dem richtigeren Wege. Sie sagt sich nämlich: die Länder befürchten, daß, wenn die Umsatzsteuer auch eine gemeinschaftliche Steuer wird, dann der moralische Hosenboden für die eigene Landessteuerverwaltung endgültig durchgeschlissen sei.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Sehr gut!)

    Auch bei der Ergänzungsabgabe des Bundes ist es sehr interessant, den Gedankengängen des Bundesrates nachzugehen: zunächst Ablehnung, aber dann Zustimmung, wenn gleichzeitig auch den Ländern ein Zuschlagsrecht zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zugebilligt wird. Es ist nun richtig, daß die Länder eine gesetzgeberische Einwirkung auf ihre Steuereinnahmen eigentlich schon nicht mehr seit 1920, seit dem Inkrafttreten des Landessteuergesetzes, haben; sie üben diesen Einfluß heute nur noch über den Bundesrat aus. Verwaltungsmäßig haben sie jedoch mit den Länderfinanzämtern eine recht beträchtliche Einflußnahme, was ich hier noch in Parenthese bemerken darf.
    Mir war es aber vom steuersystematischen Gesichtspunkt aus sehr interessant, und ich bin hier bereit, dem hohen Bundesrat absolut zu folgen, wenn er den erzieherischen Wert allgemeiner direkter Steuern anerkennt. Deshalb tritt er auch so warmherzig für eine kommunale Personalsteuer ein und will sie sogar durch Landesgesetzgebung eingeführt wissen in der Form, daß er sie als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis deklariert. Wir waren bisher der Meinung, daß diese kommunale Personalsteuer, die ja einmal als Nachfolger des Notopfers Berlin gedacht war, nur durch Bundesgesetzgebung eingeführt werden könne. Daß diese kommunale Personalsteuer nicht unbedingt in allen kommunalen Kreisen beliebt ist, ist mir bekannt. Die armen Gemeinden schätzen sie nicht, die wohlhabenden Gemeinden aber durchaus.
    Nur darf ich aber darauf hinweisen, daß der erzieherische Wert von allgemeinen direkten Steuern in heutiger Zeit doch sehr stark durch die hohen Freibeträge gemindert worden ist. In der Massenwirkung geht meines Erachtens diese erzieherische Wirkung vorbei; oder man müßte für diese Zuschläge wieder so etwas einführen wie seinerzeit den fingierten preußischen Talerzensiten, der auch den kommunalen Zuschlag tragen mußte. Es würde zu weit führen, wenn ich mich auf diese Finanzhistorie zu sehr einließe; aber ich habe gesehen, Herr Kollege Eckhardt, der diese Dinge ja nun kennt, weil er aus der Branche stammt, hat mir zugenickt, und damit bin ich zufrieden, wenn ein so hoher Fachmann meine laienhaften Plaudereien akzeptiert.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Vielen Dank! — Heiterkeit.)

    Ich darf historisch aber noch darauf hinweisen, daß solche Zuschläge der Länder auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer schon einmal geplant gewesen sind, und zwar im Jahr 1925 im Zuge der Schliebenschen Finanzreform für das Jahr 1927. Aber dann sagte man, als dieses Jahr gekommen war: „Es ist noch nicht genügend Klarheit da; lassen wir es!" Der Ergänzungszuschlag des Bundes aber hat einen tatsächlichen Vorgänger; das sind die Zuschläge des Reiches, die vom Jahre 1930 bis, glaube ich, zur Steuerreform von 1934 für Ledige und für die Einkommen über 8 000 Mark erhoben wurden. Diese Zuschläge nahm das Reich vorweg, bevor die übrige Masse in die Überweisung, also in die Beteiligung von Ländern und Gemeinden ging. Ich weiß aber nicht, ob man diese Dinge heute wieder so anwenden kann. Jedenfalls setzen jegliche Zuschläge der Länder meines Erachtens eine ganz scharfe Tarifsenkung bei den Prinzipalsätzen, bei dem eigentlichen Einkommensteuertarif voraus. Ich habe aber auch, wie die Bundesregierung, noch andere Bedenken gegen Zuschläge der Länder. Denn dadurch würde die Differenzierung dieser so sehr in das Geschäftsleben einschneidenden Steuerarten zu hoch werden, und die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Art. 72 des Grundgesetzes könnte gefährdet sein.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich etwas mit meinem Lieblingskind, den Gemeinden, befaßt und darf es auch hier noch tun.
    Das Finanzverfassungsgesetz ist bei dem Grundgedanken geblieben, daß Länder und Gemeinden eine Einheit darstellen, daß die Gemeinden also nicht als „dritte Kraft" neben Bund und Ländern in Erscheinung treten dürfen. Sie bleiben unter den schützenden — nun, sagen wir einmal: mehr oder


    (Dr. Dresbach)

    weniger -schützenden Fittichen der Länder. Aber ich darf doch sagen: der neue Art. 106 Abs. 3 des Finanzverfassungsgesetzes bringt einen sehr bemerkenswerten Hinweis auf die Möglichkeiten eines innerstaatlichen Verbundes, d. h. einer Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an bestimmten Steuerarten, insbesondere also der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Hier handelt — ich darf einen Vorgriff auf den Länderfinanzausgleich, den horizontalen Finanzausgleich tun — der Bundesrat wiederum folgerichtig, wenn er für den horizontalen Finanzausgleich in seinem Gegenvorschlag die Realsteuern nicht zu den Bemessungsgrundlagen für die Steuerkraft rechnen will, obschon er sonst die Einheit von Land und Gemeinde proklamiert.

    (Abg. Dr. Willeke: Hört! Hört!)

    Ich weiß, daß die Wünsche der Gemeinden weiter gehen. Sie wollen eine Realsteuergarantie durch Bundesgesetz haben.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Das würde an dem gegenwärtigen Zustand nichts ändern; denn die Realsteuern sind seit der Realsteuergesetzgebung von 1936 ausschließlich Gemeindesteuern. Aber es handelt sich um eine bundesverfassungsrechtliche Sicherung. Die Gemeinden wollen weiterhin einen Bundeszwang für den innerstaatlichen Steuerverbund, d. h. fort von den Finanzzuweisungen von Land zu Gemeinden und Beteiligung der Gesamtheit der Gemeinden an bestimmten Steuerarten in einem bestimmten Prozentsatz.
    Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber klar sein, daß das nur durch Verfassungsänderung zu erreichen ist. Die Aufgabe, die dem Gesetzgeber mit Art. 107 gestellt ist, kann das nicht betreffen. In Art. 107 sind die Realsteuern ausgenommen. Die kommunalen Spitzenverbände stellen ihre Forderungen, damit die institutionelle Garantie des Art. 28 des Grundgesetzes für die Gemeinden finanziell gesichert wird. Die Bundesregierung sagt: Nein, erst dann, wenn diese Garantie gefährdet ist, ist für mich die Möglichkeit gegeben, in den innerstaatlichen Finanzausgleich einzugreifen. Aber ich könnte mir vorstellen, daß in diesem Hohen Hause ein Antrag auf entsprechende Änderung des Grundgesetzes zugunsten der Gemeinden eine Mehrheit fände.

    (Beifall in der Mitte, links und rechts.)

    — Danke! Ich stelle überall Händeklatschen, nur nicht bei meinen bayerischen Freunden, fest.

    (Heiterkeit.)

    Aber das soll nun nicht besagen, daß meinen bayerischen Freunden die Sorgen der Gemeinden nicht ans Herz gewachsen seien. Damit habe ich doch wieder die Verbindungsbrücke geschlagen.

    (Beifall und Heiterkeit.)

    Nun zum Finanzanpassungsgesetz. Hier handelt es sich um eine Summe von Einzelbestimmungen. Ich will versuchen, einige Leitgedanken herauszuarbeiten. Der Leitgedanke ist sicherlich § 106 Abs. 2 des Finanzverfassungsgesetzes in der neuen Fassung. Wer eine Sachkompetenz hat, muß primär seine Kosten selber aufbringen, und die Länder wollen ja die Ländersteuerverwaltungen und wollen auch sonst keine Bundessonderbehörden, wie etwa eine Versorgungsverwaltung. Dann müssen sie aber primär auch für diese Lasten aufkommen. Erst in zweiter Linie kann der Ausgleich durch den oberen Verband, d. h. den Bund, kommen. Dieser Ausgleich — so sagt die Bundesregierung — soll sich nicht in Form von Inkassoprämien bei der Steuerverwaltung vollziehen, sondern in Form des allgemeinen Finanzausgleichs. Da hat nun allerdings der Hohe Bundesrat eine sehr klassische Folgerung gezogen: „Jawohl, im Namen des allgemeinen Finanzausgleichs, dann setze ich dem Bund die Quote von 40 auf 35 % herunter."
    Zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über die Pauschalierungen der Bundeszuweisungen bzw. der Interessenquoten der Länder noch einiges. Wir haben, worauf mein Freund Arndgen in der dritten Beratung des Haushalts hingewiesen hat, in Ausführung des Art. 120, dieses Kriegsfolgelastenartikels, ein starkes Auseinanderklaffen von Finanzträgerschaft — der Bund muß es bezahlen! — und Verwaltungsträgerschaft; das sind die Länderbehörden einschließlich der Gemeindebehörden. Das ist auf die Dauer, glaube ich, nicht möglich. Der Bund muß in diesen Dingen doch zumindest ein Weisungsrecht bekommen.
    Nun scheint es mir durchaus richtig zu sein, wenn der Bund bei der öffentlichen Fürsorge, soweit der Bund Lastenträger ist, zur Pauschalabgeltung schreitet. Wo eine solche Pauschalabgeltung wegen der Unübersichtlichkeit noch nicht möglich ist, da scheint mir das System der Interessenquote richtig zu sein, das auch schon gehandhabt worden ist, und zwar — darauf lege ich Wert — mit einem Prozentsatz von 25 v. H. Die Länder sagen: 25 % Interessenquote ist eine Drückebergerei des Bundes gegenüber den Verpflichtungen des Art. 120. 15 % wollen sie zubilligen. Ich bin der Meinung, daß die Verhältnisse zu einer spürbaren Interessenquote drängen; denn es ist nun einmal eine Tatsache gerade bei den öffentlichen Finanzen, daß man Gelder, die man nicht unter eigener Verantwortung aufzubringen hat, opulenter ausgibt als unter eigener Verantwortung aufgebrachte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Damit komme ich zum letzten Kapitel, nämlich zum Länderfinanzausgleich und zu der Fragestellung: Was ist Föderalismus? Stehen wir noch auf dem Standpunkt der Bismarckschen Verfassung, der Eigenstaatlichkeit der Länder? Ich darf darauf hinweisen, daß damals Eigenstaatlichkeit auch als Finanzautonomie ausgelegt wurde, ebenso wie der alte Begriff der kommunalen Selbstverwaltung als kommunale Finanzautonomie ausgelegt worden ist.
    Ich darf dazu ein Beispiel bringen. Im Jahre 1913 waren bei uns oben in meiner bergischen Heimat noch die Petroleumfunzeln Brauch. Der kommunale Zuschlag zur Einkommensteuer betrug 320 %, zur gleichen Zeit, als in Godesberg, im Eldorado der rheinischen Oberbürgermeisterpensionisten,

    (Heiterkeit)

    90 % Einkommensteuer erhoben wurden. In jener Zeit wurden aber bei uns nur Wege für das Ochsengefährt gebaut. Jetzt will man oben bei uns auch Wege haben, auf denen der Bauernjunge mit dem Motorrad fährt. Die Anforderungen in bezug auf Verwaltungsleistungen sind also nach oben gedrängt worden. Auf der andern Seite haben wir es eben zwei Kriegen zu verdanken, daß die gesamten Aufgaben der Staatsvorsorge größer geworden sind. Im Zusammenhang mit dem Verlangen der Bevölkerung nach möglichst gleichmäßigen Leistungen ist der Trend zum oberen Verband, der die


    (Dr. Dresbach)

    Gleichmäßigkeit herstellen muß, viel stärker geworden. An diesen Dingen kann man nicht vorbeigehen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Gewiß, ich weiß, die Länder in ihrem Streit untereinander sind ja nicht eitel Brüder. SchleswigHolstein, dieses besondere Land, schert ja meistens aus und zieht mit dem Bund; es hat ja wohl auch seine Gründe dafür.

    (Heiterkeit.)

    Wir haben auch erlebt, daß zwischen RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen eine gewisse Mißstimmung aufkam. Man hat gesagt, es hat doch früher einen Ausgleich zwischen armen und reichen Gebieten gegeben. Jawohl, aber gerade in diesen Gebieten über die gemeinsame preußische Staatskasse

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und über den Weg der Dotationen an die Provinzen.
    Meine Damen und Herren, unter dem Einfluß der starken Länder hat sich der Bundesrat für eine Minderung des Ausgleichs eingesetzt, die geringer ist, als die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Daraufhin ist eine sehr energische, fast grobe Entgegnung der Bundesregierung gefolgt, die ich Sie auf Seite 230 nachlesen zu wollen. bitte. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: wir können doch die Länder nicht aushungern lassen. Dann kann man sagen, daß diese Länder von heuzutage nun wirklich keine Gottesgeschöpfe sind.

    (Heiterkeit und Beifall. — Abg. Stücklen: Nicht alle!)

    — Nein, Bayern nehme ich aus, Herr Gott noch mal! Fünfhundertjährige Wittelsbacher Tradition und staatliche Tradition, südlich der Donau sogar noch länger!

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Arnholz: Könige von Napoleons Gnaden!)

    Wir hatten einmal einen Euler-Ausschuß; wir haben eine Studienkommission, die durchs Land reist und in München kühl empfangen worden ist, in der Pfalz auch, auf Münchens Wunsch.

    (Heiterkeit.)

    Bitte, mögen die Herrschaften Länder vorschlagen,
    die man, wenn auch nicht als Gottesgeschöpfe, so
    doch als ungefähr rationale Gebilde ansehen kann.

    (Beifall links, in der Mitte und rechts.)

    Ich habe eben versucht, in mehr dialektischer Form darzustellen, wie ehedem die Staatlichkeit der Länder in der Bismarckchen Verfassung gleich Finanzautonomie war. Die Frankensteinsche Klausel, also die Abzweigung von Zollerträgen, die dem Reich zustanden, an die Länder, hat mit diesen Dingen nichts zu tun. Sie kam aus der damals noch kleinen bayerischen Nörgelsucht

    (große Heiterkeit)

    — ich finde gleich wieder einen versöhnenden Ausdruck —, das Reich möglichst klein zu halten.
    Der Bund regelt den horizontalen Finanzausgleich durch Bundesgesetz, und natürlich wirkt der Bundesrat als Organ des Bundes mit. Es hätte meines Erachtens jedenfalls auch nahegelegen — so wie ich den Art. 30 interpretiere —, diesen horizontalen Finanzausgleich durch Staatsverträge zwischen den Ländern zustande zu bringen. Aber dazu reicht doch wohl die Brüderschaft nun gar nicht aus.

    (Heiterkeit.)

    Jedenfalls darf ich hier feststellen: mit dem Voranschreiten des Ausgleichsgedankens verlieren die alten Begriffe der Staatlichkeit und auch der Selbstverwaltung ihren alten Inhalt,

    (Zustimmung in der Mitte)

    und durch die Brüderlichkeit des Ausgleichs kommen die Länder auf den Status von Provinzen — bitte, nicht im Sinne von Staatsbezirken, sondern im Sinne von Kommunalverbänden höherer Ordnung —,

    (erneute Heiterkeit)

    und die Finanzierung bekommt zu starken Teilen den Charakter von Dotationen, wie sie charakteristisch für die Finanzierung der preußischen Provinzen waren. Es handelt sich nicht nur um die brüderlichen Dotationen der reichen Länder an die armen, sondern es sind auch — ich weiß nicht, ob die Formulierung ganz mit dem Art. 30 vereinbar ist — väterliche Dotationen vorgesehen, d. h. solche, die direkt vom Bund aus eigenen Mitteln des Bundes kommen.
    In diesem neuen Art. 106 e Abs. 2 findet sich zum erstenmal auch in der Gesetzessprache des Bundes der Begriff „Finanzzuweisungen". Ich möchte hier zum Detail des Länderfinanzausgleichs noch folgendes sagen. Es ist sehr gut — darin stimmen Bundesregierung und Bundesrat überein —, daß das Empfangsbedürfnis lediglich auf die Steuerkraft und nicht auf sogenannte Bedürfnisträger, wie Flüchtlingszahlen usw., abgestellt ist. Mit der Steuerkraft läßt sich am wenigsten manipulieren, und erst gar nicht dann, wenn wir eine Bundesfinanzverwaltung haben.

    (Beifall rechts.)

    Aber ich möchte hier ausdrücklich betonen: zur Frage des Art. 108 gibt der Art. 107 keinen Auftrag. Wir können in diesem Zusammenhang das Verwaltungsthema nicht anschneiden.
    Nun haben wir tatsächlich für diese Ausgleichsfunktion, die der Herr Bundesfinanzminister so stark herausstellt, im Verhältnis Bund zu Ländern und Länder zueinander, eine Funktion, die sich auch im interkommunalen Lastenausgleich zeigt — bitte, Herr Kunze, das ist nicht Ihre moderne Erfindung, das sind ältere Begriffe —,

    (Heiterkeit)

    Vorgänger. In diesen Tagen wurde uns eine sehr nette Broschüre des Instituts „Finanzen und Steuern" — „Der Finanzminister" — zugeleitet. Ich habe mit sicherem Auge das entdeckt, was ich in meiner heutigen Rede verwerten konnte, und zwar eine Rede Bismarcks im Reichstag vom 2. Mai 1879. Er wendet sich darin gegen die Matrikularbeiträge. Er dämpft allerdings auch den nationalliberalen Abgeordneten Miguel, der damals noch nicht preußischer Finanzminister war, etwas, weil dieser die Matrikularbeiträge als Grund für die finanzielle Anarchie im Reiche dargestellt hatte. Bismarck führt hier aus:
    Das möchte ich nicht in diesem Wortlaut unterschreiben, aber gewiß ist, daß es für das Reich unerwünscht ist, ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein, ein mahnender Gläubiger, während es der freigebige Versorger der Einzelstaaten sein könnte bei richtiger Benutzung der Quellen, zu welchen die Schlüssel durch die Verfassung in die Hände des Reichs gelegt, bisher aber nicht benutzt worden sind.


    (Dr. Dresbach)

    Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Abgeordneten von Passau gefällt, wenn ich zu seiner Unterstützung Worte eines preußischen Junkers zitiert habe.

    (Heiterkeit.)

    Aber ich darf doch feststellen: vom Freiherrn von Franckenstein mit seiner Klausel bis zu Fritz Schäffer — beides Männer aus Bayern — hat sich eine wachsende Tendenz Bayerns zur Bundestreue, zur Integration vollzogen.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Ich habe schon einmal gesagt: an dem ganzen Spiel ist der Steuerzahler verhältnismäßig wenig interessiert. Er sieht die Summe seiner Steuern, und es ist ihm verhältnismäßig gleichgültig, ob diese die Gemeinde, das Land oder der Bund bekommen. Trotzdem sollten wir als Gesetzgeber diese Dinge sehr, sehr ernst nehmen. Nun haben wir allerdings den Eindruck, daß gerade im Bundesrat eine gewisse L'art-pour-l'art-Politik getrieben worden ist, auch eine gewisse Rechthaberei, ein Spiel um die Machtpositionen der Bürokratie.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Vom damaligen Präsidenten des Parlamentarischen Rats stammt die Bezeichnung — der Bundesrat lag damals im Gebären —, es werde ein Oberregierungsratsparlament werden.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist doch schon eine höhere Garnitur, die dort das wirkliche Wort spricht, ich glaube, die Herren Ministerialdirigenten aus den Landeshauptstädten. Ich kenne einen, den ich gerne nach Bonn gezogen hätte, der auf eine höhere Stufe sollte, zu höheren Aufgaben.

    (Große Heiterkeit.)

    Jedenfalls hat uns diese Politik bisher immer auf das Knie des Vermittlungsausschusses gebracht, der ein Überparlament geworden ist. Alles Tun und Treiben von der einen wie von der andern Seite geht von der Auffassung aus: die Sache kommt vor den Vermittlungsausschuß, und da muß ich eine Spanne haben, da muß ich etwas zum Nachgeben haben. Meine Damen und Herren, das ist keine nette Politik.

    (Heiterkeit.)

    Aber nun habe ich doch eine Hoffnung. Wir haben aus den Gazetten vernommen, daß es in Düsseldorf zu einem Staatsbesuch gekommen ist.

    (Heiterkeit.)

    Es hat einen Empfang gegeben auf Schloß Benrath, diesem Juwel des Rokoko. Ich könnte mir vorstellen, daß sich der Herr Bundeskanzler und der Herr Ministerpräsident meines engeren Vaterlandes

    (Heiterkeit)

    wie echte Rokokokavaliere benommen haben, daß sie die Degen gesenkt haben und beim Finanzausgleich gelobt haben: Die Waffen nieder!

    (Große Heiterkeit und Beifall.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Regierungserklärung vom 11. März gesagt, daß es sich bei den uns vorliegenden Drucksachen um „Gesetzgebungswerke von wahrhaft großer, ja vielleicht geschichtlicher Bedeutung" handle. Das waren stolze Worte; heute war er in der Wahl seiner Worte schon ein wenig vorsichtiger.
    Der Herr Kollege Dresbach hat ja eben die Verhältnisse unserer Finanzverfassungsart charakterisiert, und ich kann auf manches, was ich sagen wollte, verzichten, weil ich eine so schöne Einigkeit feststelle, die hoffentlich ein gutes Vorzeichen für die Verhandlungen im Finanz- und Steuerausschuß sein wird.
    Was gibt denn nun Anlaß zu dieser Reform? Seit Jahren gibt es heftige Auseinandersetzungen unter den Ländern der Bundesrepublik um einen horizontalen Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes und einen heftigen Streit der Ländergesamtheit — in diesen Momenten, Herr Dresbach, bilden die Länder ja eine wahre Brüderschaft — gegen einen horizontalen Finanzausgleich nach Art. 106 Abs. 3. Am 9. April dieses Jahres kam es im Bundesrat zu einem offenen Konflikt zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundesrat. Es fielen dann Worte von Verfassungskrise und von Staatskrise.
    Worin bestehen nun eigentlich die Schwierigkeiten, die weiteste Kreise der deutschen Bevölkerung an der Richtigkeit unserer demokratischen Staatsordnung verzweifeln lassen? Die Länder sind mit Ausnahme Bayerns keine historisch gewordenen Staatsgebilde und haben deshalb auch mit Ausnahme von Bayern kein historisch gewachsenes Staatsgefühl. Die Länder sind 1946 von den Besatzungsmächten ad hoc nach Militärverwaltungsgesichtspunkten gegründet und abgegrenzt worden.

    (Abg. Arnholz: Schon durch Napoleon!)

    Ziel der alliierten Politik war — und wir müssen uns dessen heute erinnern, wenn wir an ein großes Reformwerk herangehen wollen —, Deutschland für immer zu schwächen, die Deutschen untereinander auf Grund des deutschen Erbübels partikularistischer Bestrebungen zu entzweien und insbesondere jegliche Zentralgewalt zu beseitigen. Als eine der stärksten Kraftquellen des Reiches sah man seine wohlfunktionierende Reichsfinanzverwaltung an, die 1919 nach einem verlorenen Krieg zur Stärkung dieses armen, darniederliegenden deutschen Volkes von Erzberger erdacht und von der Weimarer Nationalversammlung eingeführt wurde. Die Weimarer Nationalversammlung wußte, was zur Zusammenfassung der Kräfte not tat. Die Alliierten wußten 1946 infolgedessen auch, was zur Zerschlagung der deutschen Kraft notwendig war. 1949 wurde — auch das wollen wir nicht vergessen — als Ergebnis des inzwischen ausgebrochenen amerikanisch-russischen Konflikts in den westlichen drei Besatzungszonen die Bundesrepublik gegründet. Und nun kommen wir her und machen aus dieser Not der Besatzungsjahre eine Tugend,

    (Richtig! beim GB/BHE)

    nun erklären wir, diese Länder, die da ad hoc und
    zufällig nach Autobahngesichtspunkten und was
    weiß ich geschaffen worden sind, seien echte Länder, welche Glieder einer Föderation sein könnten!

    (Sehr gut! beim GB/BHE.)

    Das ist der politische Ausgangspunkt, den wir bei der kritischen Betrachtung des vorliegenden Reformwerks nicht außer acht lassen dürfen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das Reformwerk enthält mit den ausführlichen Begründungen, Berechnungen, Tabellen, der Stellungnahme des Bundesrats und der Antwort der


    (Dr. Gülich)

    Bundesregierung 422 eng bedruckte DIN A 4-Seiten. Rechnen Sie für die Lektüre — sie liest sich ja nur an einigen Stellen wie ein Roman, aber teilweise liest sie sich tatsächlich wie ein Roman, wie ein guter Roman — zehn Minuten pro Seite, dann brauchen Sie volle 70 Stunden, um dieses Werk durchzuarbeiten. Sind Sie vorzüglich in der Materie zu Hause und außerdem mit der Korfschen Brille ausgestattet, können Sie also diagonal lesen, dann brauchen Sie doch 35 bis 40 Stunden als Minimum für die Lektüre dieses Werkes.
    Die historischen Darlegungen — ich gebe Kollegen Dresbach in allem, was er hierzu gesagt hat, vollkommen recht — sind ausgezeichnet, die Berechnungen sind gut, die Überlegungen sind scharfsinnig. Aber eines habe ich bei Ihnen vermißt, Herr Dresbach. In der Begründung zu den Reformwerken sieht man, wieviel klare Erkenntnis von der Fehlerhaftigkeit unserer Finanzverfassung vorhanden ist, die implizite bei der gesamten Begründung, explizite an manchen Stellen zum Ausdruck kommt, so daß ich also doch sagen muß: das Bundesfinanzministerium ist ein bißchen besser als sein Ruf in bezug auf die Erkenntnis vom Übel unserer Finanzverfassung. Es ist sehr interessant: wenn man in diesen Begründungen scharfe und klare Darlegungen liest, die so gehalten sind, daß man glaubt, jetzt kommt „also müssen wir die Sache ändern", dann folgt der schöne Satz:,, Dennoch hat sich die Bundesregierung entschlossen, das so oder so beizubehalten", nämlich den alten Schlendrian weiterzumachen,

    (Heiterkeit und Beifall links und bei der FDP)

    ja um Gottes willen nichts zu ändern, weil die Bundesregierung glaubt, dem föderalistischen Gedanken zu dienen. Sie dient ihm nicht — ich werde das noch ausführen —, sie schadet ihm.
    Wir wollen zunächst einmal betrachten, was im Reformwerk geregelt ist, und dann überlegen, was im Reformwerk nicht geregelt ist. Ich kann mich in diesem Punkt ziemlich kurz fassen, weil ich nichts von dem wiederholen möchte, was Kollege Dresbach gesagt hat.

    (Abg. Dr. Dresbach: Es war gut, daß Sie mich vorließen! — Heiterkeit.)

    — Ich habe Sie gerne vorgelassen, da Sie mich darum gebeten hatten. Ich bin nun in der unglücklichen Lage, Ihnen eigentlich nur zustimmen zu können.

    (Heiterkeit.)

    Es wäre ja viel netter gewesen, wir wären in ein ordentliches Gespräch gekommen, welches von verschiedenen Gesichtspunkten ausgeht.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Daß die größte Oppositionspartei und die größte Regierungspartei sich in dieser Grundfrage einig sind, ist frappierend. Das heißt, wenn wir uns nachher im genauen die Sache ansehen, Herr Dresbach, dann wird die Einigkeit ja nicht so groß sein; denn der Herr Bundesfinanzminister gehört ja schließlich auch zu dieser größten Regierungspartei, wenn auch zu ihrem königlich-bayerischen Flügel.

    (Große Heiterkeit.)

    Ich will also die Artikel 106 a und b im einzelnen nicht erörtern. Nur, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie da einfach den Begriff der Finanzmonopole in Art. 106 eingeschmuggelt haben, damit sollen Sie nicht durchkommen. Im alten Art. 106 stand: „der Ertrag der Monopole"; in den Art. 105 und
    108 steht „Finanzmonopole" in ganz anderem Zusammenhang. Nein, damit lassen wir Sie nicht
    durch! Ich werde das im Ausschuß näher ausführen.
    Neu ist der Begriff der gemeinschaftlichen Steuern, die Erklärung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einer gemeinschaftlichen Steuer in Art. 106 c. Allerdings geht der Entwurf auch hier nicht bis zum Ende. Er hat den Begriff nicht zu Ende gedacht und hat die Konsequenzen, die man aus der gemeinschaftlichen Steuer ziehen müßte, nicht gezogen. Er hat sich damit begnügt, den Begriff zu statuieren, das Verhältnis 40 zu 60 festzulegen und eine Ergänzungsabgabe einzuführen. Ich frage Sie: Wo in aller Welt wird über die Verteilung einer Steuer ein Prozentsatz in der Verfassung festgelegt?
    Was haben Sie überhaupt alles hineingebracht! Der Art. 106 hatte bisher vier ordentliche Absätze. Der erste regelte die Bundeszuständigkeit, die Steuerertragshoheit des Bundes für Zölle, Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer. Der Abs. 2 regelte die Landessteuern, und der Abs. 3 gab die Möglichkeit zu einem vertikalen Finanzausgleich, von der unter gewaltsamer Interpretation dieses Abs. 3 in den letzten Jahren Gebrauch gemacht worden ist. Abs. 4 regelte den horizontalen Finanzausgleich. Aber die Festlegung des Bundesanteils mit 40 zu 60 und die Einführung der Ergänzungsabgabe sind des Pudels Kern des gesamten Reformwerkes. Ein großer Aufwand wird vertan, um zu verdecken, daß die gesamte Finanzverfassungsreform, so wie sie dem Herrn Bundesfinanzminister vorschwebt, nichts anderes als die unzulängliche Regelung des Finanzausgleichsproblemes darstellt. Das ist für eine Finanzverfassungsreform, die mit so großen Worten angekündigt worden ist, ein bißchen mager.
    Das Ziel einer solchen Reform, und zwar hier einer Reform der Steuerertragshoheit, müßte doch sein, die Steuern dahin zu geben, wohin sie steuerwirtschaftlich tendieren. Demnach dürfen Landessteuern nur solche Steuern sein, die an das Land gebunden sind. Steuern, die überlandlichen Charakter haben, müssen Bundessteuern sein. Hier fehlt im Gesetzestext — nicht in den Begründungen — des Reformwerkes jede Überlegung, obgleich auf dem Gebiet fast aller Steuern, die als Landessteuern deklariert sind, trübe Erfahrungen der letzten Jahre vorliegen, seitdem die einheitliche Reichsfinanzverwaltung zerschlagen ist. Steuersystematisch müssen z. B. die kleinen Verkehrsteuern, etwa die Versicherungsteuer und die Kapitalverkehrsteuern, ihres überregionalen Charakters wegen ebenso behandelt werden wie die Umsatzsteuer. Sie müssen also dem Bund zufließen. Dasselbe gilt in gewissem Grade für die Erbschaftsteuer. Hier tauchen zahlreiche Probleme auf, wenn der Erblasser in dem einen, der Erbe in dem anderen Lande lebt oder wenn der Erbe eine Körperschaft ist. Bei der Vermögensteuer z. B., die Landessteuer ist, fallen Steuerobjekt und Steuergläubiger auseinander. Steuerobjekt ist das Vermögen, Steuergläubiger aber nicht das Land, in dem sich das Vermögen befindet, sondern das, in dem der Eigentümer seinen gesetzlichen Wohnsitz hat. Die bisherige Regelung — ich will deren Kompliziertheit nicht weiter ausführen — war aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung innerhalb der alten Reichsfinanzverwaltung richtig. Jetzt behält man diese Regelung aus Gründen der Verwaltungskomplizierung bei.


    (Dr. Gülich)

    Nota bene: Die Vermögensteuer wird auch im Katalog des Art. 106 b als Landessteuer bestätigt. Im Finanzanpassungsgesetz wird dann ganz schlicht gesagt, daß die Vermögensteuer für 25 Jahre dem Lastenausgleichsfonds zufließen soll, wenigstens bis zum Aufkommen von 1785 Millionen DM, was ja bisher noch nicht erreicht worden ist.
    Also wohin man schaut, findet man Unklarheiten und stellt fest, daß das Reformwerk im Gesetzgebungstext nicht zu Ende gedacht ist. Ich habe das eben nur angedeutet; der Finanz- und Steuerausschuß wird sich damit noch eingehender zu befassen haben. Gibt man Steuern von überregionaler Bedeutung dem Bund, dann sollte man, solange wir Bund und Länder haben, den Ländern einen angemessenen Teil der Umsatzsteuer geben. Die Gründe, warum die Länder, zum mindesten gewisse Länder, dies nicht wollen, hat der Kollege Dresbach zutreffend angedeutet.
    Noch ein Wort zur Ergänzungsabgabe. Die Wirkungen der Steuerreform — Drucksache 481 — werden ja zum Teil durch die Einführung der Ergänzungsabgabe wieder aufgehoben, die in Wirklichkeit ein Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ist, steuersystematisch aber eine neue Steuer darstellt, und zwar einseitig für den Bund. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: ich begrüße es selbstverständlich, daß nicht auch die Möglichkeit einer Ergänzungsabgabe für die Länder vorgesehen ist, obgleich sie systematisch und logisch hier hineingehörte. Würden wir aber eine Ergänzungsabgabe für die Länder schaffen, dann wären die reichen Länder in der Lage, auf die Erhebung einer solchen Ergänzungsabgabe zu verzichten, könnten aber einen Druck auf die armen Länder ausüben, ihre ohnehin schon kleine Steuerkraft noch stärker zu strapazieren. Insofern begrüßen wir den Entwurf.
    Das Komische bei der ganzen Geschichte aber ist doch, daß der Bundesfinanzminister die Inanspruchnahme verfassungsrechtlich festlegen und dann noch eine Ergänzungsabgabe einführen will. Ist das nicht ein gewisser Widerspruch in sich? Man kann entweder das eine oder das andere tun.
    Ach, der Herr Bundesfinanzminister sprach so nett von den „unschönen Verhandlungen" zwischen dem Bund und den Ländern. Der Herr Kollege Dresbach sprach ein bißchen realistischer von Viehhandelsgeschäften, um die Art der unschönen Verhandlungen etwas genauer zu charakterisieren. Ich möchte Sie doch mal fragen, Herr Kollege Dresbach: Glauben Sie denn wirklich, daß bei der Verabschiedung dieser Gesetze die unschönen Verhandlungen aufhören oder daß nicht vielmehr sofort im nächsten Jahre über die Revisionsklausel wieder „unschön" verhandelt werden wird? Glauben Sie nicht, daß im nächsten Jahre diese oder jene Bundesaufgabe kommen und neue Verhandlungen mit den Ländern nötig machen wird? Ich möchte fragen: Glaubt der Herr Bundesfinanzminister denn wirklich daran, daß das aufhören wird, oder hofft er es nur? Ich glaube, er hofft nur. Ich prophezeie nicht gern; in diesem Falle kann ich es: Die Hoffnung wird zuschanden werden.

    (Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, ich habe die Revisionsklausel als einen schwachen Punkt bezeichnet!)

    — Sie ist ein schwacher Punkt!
    Die Ergänzungsabgabe bedeutet eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf eine direkte Steuer.
    Damit lebt ein alter Kampf wieder auf. Die Ergänzungsabgabe hindert aber den Bund auch, was wir nicht übersehen wollen, daran, leichtfertig eine Erhöhung der indirekten Steuern vorzuschlagen. Das ist ein Vorteil.
    Nun ein Wort zu Art. 106 f, der die neue Form des horizontalen Finanzausgleichs statuiert. Wenn wir uns über Finanzausgleichsprobleme unter den Ländern unterhalten, müssen wir uns daran erinnern, wie diese Länder 1946 aussahen. Damals wirkten sich noch krasse Unterschiede in der Agrarproduktion aus, so daß beispielsweise in Nordrhein-Westfalen oder in Hamburg Hungersnot herrschte, während in gewissen anderen Ländern, z. B. in Bayern, relativ gute Ernährungsmöglichkeiten waren. Auch die verschiedenen Ausstattungen mit Industriekapazität wirkten sich zu jener Zeit noch krasser für die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung aus.
    Wir haben nach wie vor eine krasse Unterschiedlichkeit zwischen Bevölkerungszahl und Wirtschaftskapazität und damit zwischen der Wirtschaftskraft und der Steuerkraft der einzelnen Länder. Das Steueraufkommen pro Kopf der Bevölkerung ist im reichsten Land der Bundesrepublik etwa fünfmal so groß als im ärmsten. Das ärmste Land Schleswig-Holstein liegt mit seinem Steueraufkommen pro Kopf etwa bei 50 % des Bundesdurchschnitts. Die wohlhabenden Länder liegen bei 140 %. Das sind wirklich ganz unmögliche Zustände. Die Wirtschaft in den Ländern wird immer unterschiedlicher. Die Entwicklung geht dahin, daß die westdeutschen Industrieländer mit ihrer gewaltigen Industriekraft Menschen, Kapital und Betriebe aus den armen Ländern anziehen. So werden also — hier ist der Ausspruch am Platze — infolge der gegenwärtigen Finanzverfassung die armen Länder immer ärmer und die reichen Länder immer reicher. Das ist durch keinen Finanzausgleich aus der Welt zu schaffen.
    Vorgestern bekam ich eine neue Denkschrift des Instituts für Raumforschung in Bad Godesberg mit ausgezeichneten, instruktiven Wirtschafts- und Bevölkerungskarten. Auf jeder Karte können Sie das West-Ost-Gefälle der deutschen Wirtschaft erkennen. Von diesem West-Ost-Gefälle droht unserem Staatswesen Gefahr. Wir werden darüber in der nächsten Woche bei der Behandlung der Anträge bezüglich der Zonenrandgebiete erneut zu sprechen haben.
    Wir kommen zu einem echten Finanzausgleich nur dann, wenn die Länder in sich besser ausgewogen sind. Und das läßt sich beim gegenwärtigen Zustand nicht erreichen. Infolgedessen müssen wir mit Ernst darangehen, den Auftrag des Art. 29 des Grundgesetzes, nämlich die territoriale Neugliederung des Bundes, in Angriff zu nehmen. Das ist eine Bundesaufgabe. Indem ich die Forderung ausspreche, weiß ich, wie schwer die Lösung zu finden sein wird. Aber soll man vor den Schwierigkeiten von vornherein kapitulieren? Soll man wie der Herr Bundesfinanzminister von vornherein sagen: Ich weiß ja, daß ich die Zustimmung der Länder nicht kriege, ich weiß ja, daß ich die Zustimmung der Besatzungsmächte zu einer Herabsetzung der Besatzungskosten nicht kriege; infolgedessen versuche ich es gar nicht. Nun, man hat solche Dinge zu versuchen, und wenn man versucht, hat ein solcher Versuch, wohlbegründet und -fundiert vorgetragen, auch den Keim zum Erfolge in sich. Bis dahin aber muß man sich mit einem


    (Dr. Gülich)

    notdürftigen System des Finanzausgleichs begnügen. Und da scheint mir Troegers Vorschlag sehr bemerkenswert, der meint, daß die Länder bis zu 75 % Steuerkraft des Bundesdurchschnitts vom Bund auf diese 75 % gehoben werden sollten und daß dann erst zwischen 75 und 95 % — es wird sich ja über die Prozentsätze noch reden lassen — ein horizontaler Länderfinanzausgleich eintreten sollte. Mir scheint der Gedanke gut. Das bisherige Finanzausgleichssystem und das künftige Finanzausgleichssystem nach den jetzt vorliegenden Reformwerken werden keine Abhilfe schaffen. Jeder Finanzausgleich, den wir in den letzten Jahren vorgenommen haben, war nichts als ein Pflaster auf eine nie heilende Wunde. Es kommt aber darauf an, die Wunde nun endlich mal richtig zu behandeln.
    Dem Finanzverfassungsgesetz folgt das Finanzanpassungsgesetz — ein großer Name für eine weniger große Sache. Sie hat aber ein paar ganz interessante Inhalte. Das Finanzanpassungsgesetz
    — Herr Dresbach hat es ja auch schon gesagt, aber ich will es mit ein bißchen anderen Worten sagen — bestimmt ja — Sie bekannten sich positiv zu dem Grundsatz —, daß auf dem Gebiete der Steuer- und Zollverwaltung eine Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der Länder und Gemeinden entfällt und umgekehrt — Gerechtigkeit muß ja sein
    — auch eine Beteiligung der Länder und Gemeinden an den Ausgaben des Bundes. Ein schöner Grundsatz! Wer wollte dazu nicht ja sagen? Hätten wir einen wirklichen Föderalismus, würde ich sagen: Ja, ausgezeichneter Grundsatz! Wie sieht es aber in der Wirklichkeit aus? Die Länder verwalten rund 10 000 Millionen DM Umsatzsteuer für den Bund und sie verwalten runde 5000 Millionen DM Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, also runde 15 000 Millionen oder 15 Milliarden DM. Dafür bekämen sie nach altem Väterbrauch und Sitte 2 % Inkassoprovision, wären 300 Millionen DM: werden gestrichen. Der Bund aber, der hier als völlig gleichwertig dargestellt wird, verwaltet für die Länder die Biersteuer. Aus! Die Biersteuer hat ein Aufkommen von rund 300 Millionen DM, und da wären 2 % 6 Millionen DM. Es stünden sich also 300 Millionen DM Kostenersatz für die Länder und 6 Millionen DM Kostenersatz für den Bund gegenüber.
    Ich habe das deshalb einmal gesagt, weil man bei allen diesen Dingen — ich könnte Ihnen noch Dutzende von Beispielen bringen —, wo man hineingreift in dieses groß angekündigte Reformwerk, auf solche „Unschönheiten" stößt, um mich einmal zurückhaltend und freundlich auszudrücken. Vielleicht meint der Bundesfinanzminister in seinem tiefsten Herzen — ich will ihn jetzt nicht ansehen —,

    (Heiterkeit)

    vielleicht meint der Bundesfinanzminister im allertiefsten Herzen: Nun ja, wenn die Länder Föderalismus haben wollen, dann sollen sie auch bezahlen.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. Mellies: Er nickt sogar!)

    — Ich muß doch mal vorsichtig hinübergucken!

    (Große Heiterkeit.)

    Bei den Kriegsfolgeleistungen sieht das Finanzanpassungsgesetz etwas Gutes vor. Es führt für gewisse Kriegsfolgeleistungen, bei denen der Bund die Mittel aufbringt, die Länder und Gemeinden die Mittel aber verwalten, eine Interessenquote ein. Ich habe die Einführung der Interessenquote — sie ist ja etwas Neues in der finanzwirtschaftlichen Praxis — sehr begrüßt. Sie ist im Ersten Überleitungsgesetz eingeführt worden. Ich habe sie damals begrüßt, und ich begrüße sie auch jetzt, weil damit eine sinnvollere Verwaltung der Bundesmittel ermöglicht wird. Ich meine, man soll auch für den großen Teil der Kriegsfolgeleistungen, den die Länder für den Bund verwalten, es bejahen, daß jetzt an die Stelle des bisherigen, ungeheuer komplizierten Abrechnungsverfahrens eine Pauschalierung treten soll. Das ist eine Verwaltungsvereinfachung, und es ist ein Erziehungsmoment für die Länder darin. Das ist zu begrüßen.
    Ich wünsche überhaupt, daß der Bund eine stärkere Stellung bekommt; denn nach dem Grundgesetz — Art. 120, Art. 131 — und nach zahlreichen Gesetzen, die wir hier beschlossen haben — bis zu der Regelung der Auslandsschulden —, hat der Bund immer stärkere Aufwendungen zu leisten, und er muß infolgedessen finanziell so gesichert werden, daß er seinen Aufgaben nachkommen kann. Dem Grundsatz stimmen wir vorbehaltlos zu; nur den Mitteln, mit denen die Bundesregierung das Ziel zu erreichen sucht, kann man nicht zustimmen. Wir wollen dem Bunde geben, was des Bundes ist:
    Dem Bunde — auch das muß einmal gesagt werden — sind ja in vielen Dingen einfach die Hände gebunden: Die Länder verwalten gute 5 Milliarden an Bundesmitteln für den Bund, ohne daß der Bund — Herr Dresbach hat schon darauf hingewiesen — ein Weisungsrecht oder gar ein Kontrollrecht hätte. Manche Länder sind nicht einmal geneigt, dem Bunde überhaupt einen Einblick zu geben, einen Einblick, der unter Privaten, die so wichtige Treuhändergeschäfte füreinander ausüben würden, auch ohne eine gesetzliche Regelung selbstverständlich wäre. Aber man beruft sich immer auf den Buchstaben des Gesetzes. Man ist überhaupt in der ganzen Frage unserer Finanzverfassung und ihrer Auslegung so gräßlich engherzig und formal. Man sieht nicht das Wesen der Sache, sondern man klebt am Wort.
    Die Wirklichkeit unserer Staatspraxis sieht so aus — und diese Wirklichkeit ist fürchterlich —: als Auswirkung unserer Finanzverfassung gibt es Konferenzen der Länder untereinander, Konferenzen der Referenten aller Ministerien der Länder untereinander, Konferenzen aller Referenten der Länderministerien mit den entsprechenden Referenten der Bundesministerien, Konferenzen der Minister —, alles das liegt v o r dem Bundesrat! Und das bedeutet: Briefe, Telegramme, Fernschreiben, Konferenzen, — Leerlauf, Leerlauf, Leerlauf, den der Steuerzahler erdulden muß, und Kosten, Kosten, Kosten, die der Steuerzahler bezahlen muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Interessanterweise interessiert sich aber der Steuerzahler für dieses System überhaupt nicht.
    Ich habe gesagt: wir wollen zunächst untersuchen, ob das Reformwerk die Möglichkeiten zur Neuordnung, die Art. 107 des Grundgesetzes gibt, genutzt hat. Ergebnis: es hat sie nicht genutzt! Jedenfalls hat der Regierungsentwurf den Art. 107 verfassungstheoretisch, und zwar sehr eng und sehr formal ausgelegt.
    Man erinnere sich, wie dieses Grundgesetz zustande gekommen ist. Die Alliierten erhoben gegen die vom Parlamentarischen Rat sinnvoll gestaltete


    (Dr. Gülich)

    Ordnung unserer Finanzverfassung Einspruch. Das brachte neue Verhandlungen mit sich, die Verhandlungen brachten Zeitverlust mit sich, und schließlich mußte das Grundgesetz verabschiedet werden, ohne daß überhaupt eine Generalredaktion stattgefunden hatte. So ist der Art. 107, der die Reform der Steuerverteilung ausdrücklich von den Aufgaben her einleiten will, hinter dem Art. 106 stehengeblieben und nicht hinter den Art. 108 gesetzt worden, wo er hingehört und wo er, des bin ich überzeugt, zweifellos hingekommen wäre, wenn nicht das Grundgesetz unter solchem Zeitdruck verabschiedet worden wäre. Stünde er hinter Art. 108, wo er hingehört, dann könnten die Verfassungstheoretiker es sich ein bißchen bequemer machen. So aber richten sie sich, vom Bundesfinanzminister angefangen bis zu den Finanzreferenten der Länder, nach dem Buchstaben des Gesetzes, so, wie sie ihn auslegen. Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig!
    Deshalb ist es meines Erachtens unumgänglich, über die verfassungstheoretischen Spekulationen hinaus eine kurze verfassungspolitische Überlegung anzustellen.
    Der Grundgesetzgeber hatte seine Aufgabe in bezug auf die Finanzverfassung richtig erkannt, sie aber wegen des Einspruchs der Alliierten nicht durchführen können. Der Grundgesetzgeber hat also in bezug auf die Finanzverfassung objektiv versagt. Der Bundesgesetzgeber hätte, auf den traurigen Erfahrungen der letzten Jahre fußend, nunmehr die Verpflichtung, das Verfehlte in unserer Finanzverfassung in Ordnung zu bringen.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    Warum klammert sich die Regierung jammernd an ihre verfassungstheoretischen Überlegungen nach Art. 107, sie könne ja nur ein Gesetz mit einfacher Mehrheit machen? Warum zieht die Bundesregierung aus den unerträglichen Verhältnissen zwischen Bund und Ländern nicht die Konsequenz, dem Bundestag ein Gesetz vorzulegen, welches verfassungsändernden Charakter hat? Hier könnten Sie, meine verehrten Kollegen, einmal etwas tun mit Ihrer schönen Mehrheit, die Ihnen das Wahlergebnis vom 6. September vorigen Jahres gebracht hat. Falls die Koalition sich auch in diesem Punkte nicht ganz einig sein sollte,

    (Abg. Albers: Dann sind Sie dabei! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann leisten Sie Hilfestellung!)

    so darf ich erklären, daß die Opposition 160 gewichtige Stimmen für eine sinnvolle Ordnung unseres öffentlichen Lebens in die Waagschale zu werfen hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Machen Sie Gebrauch von dieser Möglichkeit, die die Opposition Ihnen bietet!
    Ich greife noch kurz zwei Gesichtspunkte heraus. Die Gemeinden und die Gemeindeverbände hatten in der Weimarer Republik die Stellung, die ihnen gebührt. Im Parlamentarischen Rat haben sich die zu wenigen Männer mit kommunalpolitischer Erfahrung nicht durchsetzen können. Sie brauchen sich nur einmal die Zusammensetzung des Parlamentarischen Rats anzusehen, um zu sehen, daß die Männer des Parlamentarischen Rates den Sinn, die Verpflichtung, die Aufgabe, die die Gemeinden in unserem öffentlichen Leben haben, nicht erkannt haben. In der Weimarer Republik waren die Gemeinden gesichert; im Grundgesetz sind sie die
    Stiefkinder des Bundes. Das große Reformwerk bringt es ja nicht einmal fertig, im Katalog bei Art. 107 b die Realsteuern und die Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, also die Getränkesteuer, die Vergnügungsteuer, die Hundesteuer, zu Gemeindesteuern zu erklären. Sie sollen nach wie vor Ländersteuern bleiben, weil angeblich Art. 107 den Auftrag nicht zuläßt, die Gemeinden zu echten Partnern des Finanzausgleichs zu machen. Das Reformwerk bringt es noch viel weniger fertig, die von den Gemeinden und Kreisen und ihren kommunalen Spitzenverbänden so dringend geforderte steuerliche Verbundwirtschaft einzuführen. Jede Änderung unserer Finanzverfassung aber muß darauf ausgehen, den Dualismus zwischen Bund und Ländern durch eine gute und gerechte Regelung der Zuständigkeiten beider zu beseitigen.
    Zu diesem Problem hat wohl Popitz das wissenschaftlich Fundierteste und praktisch Klügste gesagt. Ich möchte immer wieder sagen: bei Popitz — nicht nur in seinem Buch „Der Finanzausgleich", sondern auch in einer Reihe von anderen Beiträgen — sind die Grundgedanken eines echten Finanzausgleichs auch in einem föderativen Staat großartig und bis heute noch nicht überholt dargestellt. Popitz kommt zu dem Ergebnis, daß die wahren Partner im Finanzausgleich der Staat, vorgestellt durch das Reich und die Länder, auf der einen Seite und die Gemeinden und Gemeindeverbände auf der anderen Seite seien. Auf heute übertragen, heißt das: Bund und Länder als eine Einheit bilden zusammen den Staat. Meine Damen und Herren! Wer von den Verantwortlichen im Bund und den Verantwortlichen in den Ländern hat heute eine Vorstellung von dieser Einheit, gemeinsam Staat bilden zu wollen! Wer hat bei dem Länderegoismus und Ressortpatriotismus überhaupt noch ein Bedürfnis nach einer solchen Einheit!
    Die Weimarer Verfassung hat ein blühendes Leben der Gemeinden ermöglicht; das Grundgesetz ermordet sie. Das Grundgesetz weint in seinem Reformwerk den Gemeinden keine Träne nach; aber es trocknet auch keine Träne der Gemeinden. Wir müssen deshalb uns der Gemeinden annehmen.
    Nun noch ein Wort zur Bundesfinanzverwaltung. Der Bundesfinanzminister sagt: „Die können wir eben nicht machen; das Grundgesetz gibt uns keine Möglichkeit." Er tut so, als ob dieses Grundgesetz eine gottgewollte Ordnung wäre und eine gottgewollte Ordnung geschaffen hätte. Dieses Grundgesetz ist nicht von Gott, sondern von Menschen, und es ist abänderlich wie alles, was von Menschen gemacht ist.
    Die Regelung der Steuerverwaltungshoheit im Grundgesetz ist so mangelhaft, daß immer wieder während des ersten Deutschen Bundestages auf die Notwendigkeit einer Änderung hingewiesen worden ist. Die FDP und die SPD haben die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung zu ihrem Anliegen gemacht. Aber der Bundesfinanzminister hat es immer wieder fertig bekommen, die Zweidrittelmehrheit für eine solche vernünftige Regelung zu verhindern. Ich will die Diskussion darüber nicht fortführen,

    (Zuruf des Abg. Heiland)

    obwohl die Debatte heute sehr schönen Anlaß gegeben hätte, zu diesem Thema mehr zu sagen. — Kollege Heiland, ich habe Sie nicht verstanden.

    (Abg. Heiland: Der CSU war es doch noch zu gut im Parlamentarischen Rat! Deswegen hat sie gegen das Grundgesetz gestimmt!)



    (Dr. Gülich)

    — Ja, die CSU hat im Parlamentarischen Rat ja manches durchgesetzt — einiges darf ich nicht sagen —,

    (Abg. Mellies: Hört! Hört!)

    hat ja manches durchgesetzt, damit sie für das Grundgesetz stimmen wollte, und nachher hat sie gegen das Grundgesetz gestimmt, und es ist dann doch so geblieben.

    (Zuruf von der CSU: Gegenpart: die SPD in Bayern!)

    — Die Sozialdemokraten in Bayern sind auch Bayern; das interessiert hier nicht.

    (Heiterkeit.)

    — Die SPD in Bayern mag tun, was sie in Bayern für notwendig hält. Aber seien Sie davon überzeugt: wir tun, was nach unserer Auffassung im Bund nötig ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch! — Abg. Dr. Menzel: Die SPD in Bayern hat dem Grundgesetz doch zugestimmt!)

    Ich will nur einen Sachverständigen zitieren, den wir im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen gehört haben, den Mann, der am stärksten als Mitarbeiter Erzbergers an der Einführung der Bundesfinanzverwaltung beteiligt war, den Oberfinanzpräsidenten a. D. Dr. Carl. Er sagte : Ein privates Wirtschaftsunternehmen, das sich eine solche Organisation leisten würde wie die Finanzverwaltung vor 1919 und nach 1945, wäre schon in Normalzeiten, geschweige denn in Krisenzeiten, nicht lebensfähig gewesen. Nur der Bund leistet sich das. Ich möchte fragen: Warum interessieren sich die Steuerzahler denn immer nur für das, was sie unmittelbar aus ihrem Portemonnaie zu zahlen haben? Warum interessieren sie sich nicht für das, was von ihren Steuergroschen in dem übersetzten Verwaltungsapparat, der durch diesen Föderalismus notwendig ist, durch diese Konferenzen, die ich gekennzeichnet habe, durch diesen ganzen Leerlauf und die Reibungsverluste vergeudet wird? Das sind doch genau so gut Steuermittel!

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Warum interessieren sich die Politiker auch ganz überwiegend nur für eine Steuerreform und nicht für eine wirkliche Finanzreform? Die Politiker haben sich daran gewöhnt, in Prozentsätzen zu denken. Ich habe das neulich schon einmal zum Haushalt gesagt. Deshalb meinen sie, was unter 10 % liege — und mehr käme ja nie dabei heraus —, sei nicht mehr interessant. Wer so denkt, wer die Million überhaupt nicht mehr einzuschätzen weiß, der kann Finanzreform nicht betreiben wollen,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und wer die Million nicht ehrt, ist der Milliarde nicht wert.

    (Beifall bei der .SPD. — Abg. Dr. Eckhardt: Richtig! — Abg. Kunze [Bethel] : Ach!)

    Nun sagt der Bundesfinanzminister, wir müßten Föderalisten sein, und er legt ein neues Bekenntnis zum Föderalismus ab. Ich möchte ihm antworten, daß die Unhaltbarkeit unserer Finanzverfassung ja nicht darauf beruht, daß wir einen Föderalismus haben, sondern darauf, daß wir keinen echt en Föderalismus haben. Die Unhaltbarkeit unserer Bundesfinanzverfassung ist heute durch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers doch wieder bewiesen worden.
    Nach der Meinung des Herrn Bundesfinanzministers sind die Bayern die einzigen Föderalisten. Ich habe schon vorhin gesagt, daß ich anerkenne, daß in den Bayern ein echtes Staatsgefühl lebt, und insofern nehmen die Bayern und nimmt das Land Bayern eine Sonderstellung unter den deutschen Ländern ein. Wenn aber der Föderalismus das richtige Prinzip für unsere staatliche Ordnung ist und wenn die Bayern den Föderalismus in Reinkultur entwickelt haben, dann hätten die Bayern einschließlich ihres Abgeordneten aus Passau die Verpflichtung, uns einen anständigen Föderalismus vorzuleben.

    (Abg. Arnholz: Auch in Bayern selbst!)

    Man dient dem Föderalismus nicht, wenn man immer nur Forderungen stellt, wenn man besondere Vorteile, besondere Belange für sich in Anspruch nimmt. Föderalist sein heißt, sich als dienendes Glied dem Ganzen einzufügen. Im Begriff des Föderalismus liegt do h, daß die Föderation, das höhere Ganze von Einzelgliedern, organisch aufeinander abgestimmt sein soll. Die Länder — ich spreche jetzt nicht von Bayern, sondern von der Gesamtheit unserer Länder — sind keine Föderalisten. Sie sind Ressortpatrioten, sie sind Partikularisten. Im wahren Föderalismus liegt immer ein zentripetales Element, das dem Ganzen dienen will; im Partikularismus wirken sich zentrifugale Kräfte aus.
    Die Bundesregierung hat in ihrem Reformwerk die Diskrepanz zwischen Steuerertragshoheit und Steuerverwaltungshoheit vermeiden wollen. Sie hat nicht gewünscht, daß man es merkt, denn sie hat mit Recht nicht geglaubt, daß die eingehenden Begründungen studiert werden, in denen zwar alles steht.
    Die Bundesregierung hätte sich zu einem großen Reformwerk durchringen müssen, und sie hätte die Reibungen in Kauf nehmen sollen, um die Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Systems noch deutlicher werden zu lassen. Aber die Bundesregierung unternimmt den Versuch, auf Grund des Unhaltbaren ein System zu errichten, um das Unhaltbare zu erhalten. Die Bundesregierung kuriert an Symptomen, ohne überhaupt den Versuch zu machen, dem Übel an die Wurzel zu gehen. Sie treibt mit diesem Reformwerk keine echte Finanzpolitik, sondern eine finanzpolitische Bastelei.
    Der Bundesfinanzminister hat heute die Länder geradezu zum Widerspruch aufgefordert. Er sagte: Na, Sie machen ja doch nicht mit! Versuchen wir's doch! Weiter sagt er, die Politik sei die Kunst des Möglichen. Jawohl, sie ist die Kunst des Möglichen, aber ich füge hinzu: im Hinblick auf das Notwendige, und wenn wir nicht versuchen, das Notwendige zu gestalten und auch unmöglich Scheinendes in Angriff zu nehmen, dann sind wir nicht wert, daß wir hier sitzen und die Belange des deutschen Volkes vertreten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wo ist nun das Gesetzgebungswerk von wahrhaft großer, ja vielleicht geschichtlicher Bedeutung? Ich habe von Größe nichts entdeckt. Was ich positiv zu sagen hatte zum Inhalt und zur Form der Erläuterungen, habe ich gesagt. Ich möchte gern, daß die Dinge nicht nur in Dresbachschen und einigen anderen Bücherschränken sind, sondern daß ein solches Werk als ein wissenschaftlich wertvolles Werk auch im Buchhandel erscheint, vielleicht in der Form eines Kommentars oder wie man es sich sonst vorstellt.


    (Dr. Gülich)

    Das Wort hat nun der Bundestag, und die Aufgabe des Bundestags ist es, eine befriedigende Lösung zu finden, nachdem die Bundesregierung keine befriedigende Lösung vorschlagen konnte. Der Bundestag sollte bei seinen Überlegungen nicht zunächst auf das schauen, was vielleicht die Länder dazu sagen, sondern auf das, was das deutsche Volk vom Deutschen Bundestag erwartet. Natürlich wissen wir alle, daß eine wirklich durchgreifende Ordnung unseres staatlichen Lebens und somit auch eine wirklich durchgreifende Ordnung unserer Finanzverfassung in einem Fragmentstaatswesen nicht möglich ist, in einem Deutschland, dessen Ostgrenze an der Oder-Neiße liegt, in einem Staatswesen, dessen Ostgrenze faktisch bei Lübeck und Helmstedt verläuft. Um so größer aber ist unsere Aufgabe, in unserem Teile Deutschlands unsere öffentlichen Aufgaben so zu regeln, daß wir vor dem deutschen Volke und vor der Geschichte damit bestehen können.

    (Beifall bei der SPD.)