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ID0202901000

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    2. Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954 1313 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1314 A, 1372 C Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner, Schäffer, Frau Niggemeyer, Mühlenberg 1314 B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestags 1314 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953, des Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges, der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksache 525) 1314 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 53 betr. Verheizen von Zigarillos (Drucksachen 454, 521) 1314 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280) 1314 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1315 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1323 A Dr. Gülich (SPD) 1328 B Neuburger (CDU/CSU) 1334 A Seuffert (SPD) 1341 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 1352 B Dr. Wellhausen (FDP) 1358 C Höcherl (CDU/CSU) 1366 A Eickhoff (DP) 1368 C Tenhagen (SPD) 1370 D Überweisung der Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Vorlagen Drucksachen 481, 482, 483 und 484 außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und des Gesetzentwurfs Drucksache 482 außerdem an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 1371 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954 / 55) (Drucksache 524) 1372 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1372 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198) 1372 C Rücküberweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten . 1372 C Nächste Sitzung 1372 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 25. und der 28. Sitzung . 1372 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung ist zu lesen: Abstimmung 1. 2. Seite 1038 D Zeile 10 von unten: Frau Welter (Aachen) entschuld. entschuld. Seite 1039 B Zeile 8: Frenzel krank krank Seite 1040 B Zeile 7 von unten: Rademacher krank krank Seite 1041 C Zeile 4 von unten: Hübner Ja Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung Seite 1207 A Zeile 14 ist nach Krammig statt „(SPD)" zu lesen: (CDU/CSU).
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    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, nunmehr vom Thema Finanzreform auf das Thema Steuerreform umzuschalten. Der Herr Präsident hat heute früh gesagt, die einzelnen Redner möchten nach Belieben, aber auch nach Vermögen zu den einzelnen Punkten der Tagesordnung sprechen. Ich glaube, die Bemerkung, nach Vermögen zu den einzelnen Punkten zu sprechen, hat heute beim Thema „Steuerreform" ihre besondere Berechtigung, und zwar deswegen, weil uns dieses Thema in doppelter Weise angeht: einmal als verantwortliche Parlamentarier — und als solcher spreche ich nun namens der größten Partei der Regierungskoalition —; es geht uns aber auch an in unserer Eigenschaft als Steuerzahler. Bei der Vorbereitung dieser Debatte wurde vielen klar—für mich wurde es sehr frühzeitig klar —, daß insoweit der Satz gilt: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. Die Seele des Steuerzahlers hat viele Wünsche und ist zweifellos gern dazu bereit, Kritik und' weitgehende Kritik zu üben. Als verantwortlicher Parlamentarier muß man aber sowohl die Wünsche wie die Kritik zwangsläufig zurückstellen, zumindest zurücksetzen bzw. einschränken.
    Nun, wie war es? Als im März dieses Jahres der Bundesfinanzminister die beiden Gesetzentwürfe hier verkündete, da erlebten wir die Überraschung, daß die öffentliche Meinung zumindest im unmittelbaren Anschluß daran eigentlich sauer reagierte. Die Kritik war im wesentlichen negativ, und erst allmählich ist eine gewisse Wandlung eingetreten. Der Finanzminister war darüber enttäuscht, die Öffentlichkeit war enttäuscht, der Steuerzahler war enttäuscht. Man hat daher wohl Grund, nach der Ursache zu fragen. Wenn man über etwas enttäuscht ist, dann ist normalerweise anzunehmen, daß man mehr erwartet hat. Der Finanzminister hat allgemeine Zustimmung erwartet, die Öffentlichkeit eine große Steuerreform, der Steuerzahler eine erhebliche Steuersenkung. Die Enttäuschung hat sich also in zwei Richtungen ausgebreitet: einmal dahin, daß das vorgelegte Gesetzgebungswerk — das wollen wir ganz offen zugeben — nicht den Namen „große" oder „organische Steuerreform" in Anspruch nehmen kann und darf.

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    Die Enttäuschung darüber halte ich für berechtigt,
    und zwar deswegen, weil sowohl im ersten Bundestag wie auch vom Herrn Bundesfinanzminister nicht nur einmal, sondern wiederholt gesagt wurde: wir wollen uns zu Beginn der Sitzungsperiode des zweiten Deutschen Bundestages mit der großen, organischen Steuerreform befassen. Wir haben alle erwartet, daß eben dieses Gesetzgebungswerk die große oder organische Steuerreform beinhalte.

    (Abg. Heiland: Vor allen Dingen haben Sie es vor dem 6. September sehr laut versprochen!)

    — Ich sage es ja; Sie brauchen es nicht noch extra zu betonen!

    (Abg. Heiland: Doch, das muß manchmal unterstrichen werden!)

    Nun, damit ist es also nichts. Wie begründet aber der Herr Bundesfinanzminister diese Entwicklung? Es ist richtig, daß sich die beauftragten Gremien — die teilweise auf völlig selbständiger, zum Teil auf halbstaatlicher Basis arbeiteten — und auch die Ministerien selbst zweifellos sehr eingehend mit unserem Steuersystem beschäftigt haben. Die Mehrheit dieser Gremien ist nun zu der Überzeugung gekommen, die Aufteilung unseres gegenwärtigen Steuersystems in direkte und indirekte Steuern und die Art der Verteilung der einzelnen Steuern sei im allgemeinen gut, und es bestehe kein wesentlicher Grund, dieses System zu ändern.
    Ich persönlich bin über dieses Ergebnis sehr enttäuscht; denn ich — ich spreche jetzt nur in meinem eigenen Namen — teile diese Auffassung nicht, daß unser derzeitiges Steuersystem wirklich gut sei.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich habe darüber schon im März 1953, als ich zur Haushaltsdebatte sprach, die gleichen Gedankengänge geäußert, treffe diese Feststellung also nicht zum erstenmal. Ich hätte zumindest erwartet, daß sich der Herr Bundesfinanzminister nicht mit der lakonischen Feststellung begnügt hätte: Unser Steuersystem ist gut, und auch die einzelnen Stellen, die sich damit befaßt haben, haben mir das bestätigt. — Ich hätte dann mindestens eine eingehende Begründung dafür erwartet, und zwar im Hinblick darauf, daß wir ja jahrelang von einer anderen Vorstellung ausgegangen sind, daß nämlich unser Steuersystem von Grund auf durchgeackert, durchgekämmt, umgeändert und organisch neu aufgebaut werden müsse.

    (Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)

    Ich meine, so billig hätte man es nicht machen dürfen.
    Wie steht es nun mit der Enttäuschung des Steuerzahlers selbst über die Steuersenkung? Als ich die Presseberichte am Tage nach der Verkündung dieses Reformgesetzes las, habe ich mich allen Ernstes gefragt, ob denn nun der Herr Bundesfinanzminister eine Gesetzesvorlage mit einer Steuersenkung oder einer Steuererhöhung vorgeschlagen habe.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Das ist noch nicht raus!)

    Die negative Kritik hätte eigentlich nicht stärker sein können, wenn er einen Gesetzentwurf mit Steuererhöhungen eingebracht hätte.
    Böse Zungen haben ja behauptet, er würde mit dieser Reform sogar mehr nehmen, als er gebe, und zwar einschließlich der beiden vorgeschlagenen Zusatzsteuern, Ergänzungsabgabe und Erhöhung der


    (Neuburger)

    Großhandelsumsatzsteuer. Dieser Auffassung bin ich nicht.

    (Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

    Es handelt sich vielmehr bei der vorliegenden Reformvorlage um eine echte Steuersenkung, und diese Steuersenkung erfolgt in einem Ausmaß, das meines Erachtens auch von der Öffentlichkeit anerkannt werden müßte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Zweifellos hätte sich jeder Steuerzahler noch eine weitere Senkung gewünscht. Aber, Hand aufs Herz, können wir heute schon normale Steuersätze fordern? Das würde doch voraussetzen, daß wir bereits normale Verhältnisse haben, daß wir also den Krieg mit seinen Folgen überwunden haben und daß das alles der Vergangenheit angehört. Das ist aber doch nicht der Fall; Sie wissen doch alle und jeder Steuerzahler weiß es, daß wir die Kriegsfolgen noch nicht überwunden haben und demgemäß auch noch keine normalen Steuersätze haben können. Unsere Steuersätze, auch wie sie jetzt in der neuen Reformvorlage enthalten sind, sind also zwangsläufig auf Grund dieser Tatbestände noch überhöht, d. h. wir stehen noch alle, ob wir wollen oder nicht, unter einem Steuerdruck. Wir leiden darunter, wir müssen darunter leiden, und wir können uns auch darüber beklagen, aber wir können es nicht ändern.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das ist ein Faktum, über das wir in keiner Weise hinweggehen dürfen.
    Wie steht es nun mit dem Weg, den diese Steuerreform genommen hat? Die Reformvorlage geht einen Weg weiter, den wir im 1. Deutschen Bundestag bereits mit Erfolg gegangen sind. Wir dürfen daher auch die Zuversicht haben, daß dieser Weg, der bisher richtig war, auch weiterhin richtig ist. Das bedeutet aber auch — und da setze ich mich mit der Auffassung, die ich nun namens meiner Parteifreunde vortrage, vielleicht etwas in Gegensatz zum Herrn Bundesfinanzminister, jedenfalls zu der gegebenen Begründung —, daß wir in dieser Reformvorlage nur einen weiteren Schritt in Richtung der Konsolidierung unserer steuerlichen Verhältnisse sehen. Das heißt, es ist nichts Endgültiges, und wir werden uns wahrscheinlich auch im kommenden oder übernächsten Jahr damit beschäftigen müssen. Das ergibt sich schon zwangsläufig aus dem, was ich vorhin herausgestellt habe: wir wollen wieder zu normalen Verhältnissen kommen. Wie wir auch sonst auf wirtschaftlichem Gebiet uns stetig Schritt für Schritt in dieser Richtung vorwärtsarbeiten, so wollen wir auch steuerlich zu normalen Verhältnissen kommen. Daher müssen wir uns wohl oder übel immer wieder mit Steuerreformgesetzen beschäftigen. Wir wollen, wenn weitere Senkungen möglich sind, uns gern damit beschäftigen, auch wenn die Senkungen vielleicht nur ganz wenige Prozente ausmachen.
    In der Vergangenheit, in unseren ersten beiden Steuersenkungsnovellen von 1950 und 1951 haben wir die Senkungen im wesentlichen durch die Einführung der Sondervergünstigungen herbeigeführt. Wir waren uns damals darüber im klaren, daß die Einführung von Sondervergünstigungen praktisch im Widerspruch steht zum Grundsatz der Steuergleichheit; denn jede Sondervergünstigung, die man einräumt, bedeutet in sich eine Verletzung dieses Grundsatzes der gleichmäßigen steuerlichen
    Behandlung der Steuerzahler. Wir haben den Weg beschritten, teilweise, weil wir noch nicht die notwendige staatliche Selbständigkeit hatten, teilweise aus — wie man so schön sagt — optischen Gründen im Verhältnis zum Ausland. Bei der Kleinen Steuerreform im Jahre 1953 haben wir dann gesagt: nun müssen wir aber den Weg frei machen zu einer echten Reform, d. h. zu einer Reform, die den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verwirklicht. Aus diesem Grunde haben wir in der Kleinen Steuerreform neben einer Tarifsenkung so gut wie alle Steuervergünstigungen aufgehoben. Wir taten das nicht sofort, weil wir den Tarif noch nicht entsprechend senken konnten und die damit verbundenen nachteiligen, wirtschaftsschädigenden Folgen nicht in Kauf nehmen wollten, sondern erst mit Wirkung vom 31. 12. 1954, also dem Ende dieses Jahres. Wir waren uns aber darüber im klaren, daß bis zum Wegfall dieser Steuervergünstigungen eben eine neue Steuersenkung durch ein auf dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufgebautes Gesetz erfolgen müsse. Es ist deshalb nur logisch, daß die heutige Reformvorlage als Eck- und Kernpunkt einerseits die Senkung des Tarifs hat und daß dieser Tarif andererseits auf dem Prinzip der linearen Progression aufgebaut ist, ohne alle Ausbuchtungen nach oben oder unten; denn jede Ausbuchtung dieses Tarifs der linearen Progression bedeutet für die Betroffenen entweder eine Steuererhöhung oder eine Steuervergünstigung, mit anderen Worten, Wiedereinführung des Steuervergünstigungsprinzips über die Art der Tarifgestaltung. Es ist also insoweit absolut folgerichtig, wenn sich der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Tarif entschlossen hat, der auf dem Prinzip der linearen Progression aufgebaut ist.
    Nun, zum Tarif hat der Steuerzahler selbstverständlich viele Wünsche. Sie können aber, wie bereits betont, noch nicht so verwirklicht werden, weil wir noch nicht normale Ausgabenverhältnisse geschaffen haben. Bei einer Tarifgestaltung muß man zwei Grenzen berücksichtigen, zunächst eine Grenze nach unten — wo muß oder wo darf ein solcher Tarif anfangen? — und dann eine Grenze nach oben: wo muß ein solcher Tarif aufhören? Die Grenze nach unten bildet zweifellos das Existenzminimum. Wenn nun dieses Existenzminimum rein zahlenmäßig feststünde, wenn man darüber so ganz einer Auffassung wäre, so wäre das ja sehr schön. Aber die Vorstellungen über das Existenzminimum gehen ja sehr weit auseinander.

    (Abg. Seuffert: Sehr richtig!)

    — Wir haben auch in diesem Hause, lieber Herr Kollege Seuffert, ja schon mehr als einmal darüber debattiert.

    (Abg. Seuffert: Wir werden es noch tun!)

    — Vielleicht bringen Sie es sogar nachher; ich weiß es nicht genau. Wieweit ist denn nun der Herr Bundesfinanzminister nach unten gegangen, was hat er als Existenzminimum, das nicht mehr belastet werden darf, steuerlich angesehen? Ohne Berücksichtigung der möglichen Sonderausgaben, wobei ich allerdings gerechterweise sagen will, daß, man, je weniger man verdient, um so weniger auch von den Sonderausgaben Gebrauch machen kann — § 10; wir wollen die Dinge ganz sachlich und unvoreingenommen sehen —, beginnt die steuerliche Verpflichtung für einen Ledigen bei einem Monatsgehalt von etwa 150 DM, für. Verheiratete ohne Kinder bei monatlich 225 DM, dann geht es


    (Neuburger)

    mit einem Kind gleich auf 300, weiter auf 350, 450, 550 bis zu 700 DM mit fünf Kindern und darüber. Ich persönlich habe das Gefühl — und meine Parteifreunde sind insoweit einer Meinung —, daß diese untere Grenze als Sozialgrenze anzusprechen und durchaus tragbar ist. Sie wissen, daß die Freigrenze, um den Sozialfaktor beim Aufbau des neuen Tarifs zu berücksichtigen, von 800 auf 900 und vom dritten Kind an bis auf 1440 DM erhöht wurde, eine Erhöhung für die Ehefrau, eine Erhöhung für jedes Kind, es sind also bei allen Gruppen Erhöhungen vorgenommen worden.
    Selbstverständlich sind Wünsche laut geworden, diese Erhöhungen der Freigrenzen noch zu steigern, und zwar auf mindestens 1000 DM pro Person.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Solange wir das jetzige Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern haben

    (Abg. Seuffert: „Solange"!)

    - ja! —, sind wir der Auffassung, daß möglichst jeder im Erwerbsleben stehende Staatsbürger einen direkten und für ihn sichtbaren Obolus für das Staatswesen geben soll, an das er sich einmal wenden und mit Recht wenden kann, wenn er hilfsbedürftig oder nicht mehr arbeitsfähig ist. Mit anderen Worten: Aus der politischen Erwägung heraus, daß derjenige, der vom Staat etwas will, schon in seinen Arbeitstagen, auch wenn er wenig verdient, einen kleinen Obolus geben muß, glauben wir, bei Beginn die Sozialgrenze bei diesem gestaffelten Tarif gewahrt zu haben. Wenn wir die Möglichkeit haben — und darauf komme ich noch später zurück —, eine Erhöhung der Freigrenzen vorzunehmen, so werden wir das ohne weiteres tun.
    Die Grenze nach oben lag ursprünglich bei 90 %, dann beim Plafond 80 %, heute liegt sie beim Plafond 70 %. Wir wissen alle, daß diese überhöhten Steuern weder für den Staat noch für unsere Wirtschaft noch für jeden einzelnen von uns, und zwar nicht so sehr in seiner Eigenschaft als Steuerzahler, sondern noch mehr in seiner Eigenschaft als Konsument, von Nutzen waren; denn diese überhöhten Steuern halten unser Kostensystem in der Wirtschaft künstlich hoch. Es wäre eine Illussion, anzunehmen, daß die direkten Steuern keine Kostenelemente seien. Auch die direkten Steuern sind wie die Bruttolöhne, in denen ja sowieso schon die direkten Steuern aller Lohnempfänger stecken, echte Kostenelemente, und je mehr wir die Stufen nach oben erhöhen, desto mehr verteuern wir unseren ganzen Konsumentenapparat. Hinzu kommt, daß durch diese direkten Kosten die Wirtschaft zu einem unrationellen Denken und Handeln verführt wird. Sie kennen ja die Frage, die seit Jahren immer wieder herumgeistert, wenn eine Entscheidung darüber getroffen werden muß, ob diese oder jene Ausgabe gemacht werden soll: Wieviel davon zahlt die Steuer, wieviel zahlt Schäffer? Und dann heißt es: Ach, der zahlt 60, 70 % oder mehr.
    Mit diesem Steuertarif, der nunmehr an der oberen Grenze von rund 55 % enden soll, will man mit diesem unrationellen Denken endgültig Schluß machen; denn das sind wirtschaftsschädliche Tendenzen in unserer Steuergesetzgebung. Praktisch müßte die Grenze bei 50 % sein. Alles, was darüber ist, wirkt sich nicht nur kostensteigernd, sondern auch leistunghemmend aus und fördert nur unökonomisches Denken.
    Wir bejahen also den Tarif, und zwar auch insoweit, als er nicht über 55 % hinausgeht. Wir verlangen sogar, mindestens auf den kritischen Punkt von 50 % herabzugehen. Das muß zu gegebener Zeit geschehen. Im Rahmen dieser Beratung wird es wahrscheinlich nicht möglich sein.
    Nun zu den einzelnen Wünschen. Wie Sie wissen, haben wir im Jahre 1934 einen Steuertarif gehabt, der während des Krieges geändert worden ist. Er ist dann von den Besatzungsmächten, danach 1950, 1951 und 1953 geändert worden. Nun hat der Bundesfinanzminister auf einem völlig neuen Prinzip, nämlich dem Prinzip der linearen Progression, dem Prinzip der steuerlichen Gleichheit, einen neuen Tarif aufgebaut. Zwangsläufig ergibt sich daraus, daß nicht alle Gruppen der Steuerzahler die Steuersenkung gleichmäßig genießen.
    Zur Verwirklichung des Grundsatzes des Abbaus der Vergünstigungen und der Hinkehr zum Prinzip steuerlicher Gleichheit mußten wir tariflich sozusagen eine große Flurbereinigung vornehmen. Diese Flurbereinigung hat zwangsläufig zur Folge, daß nicht völlig gleichmäßig alle Steuerpflichtigen sagen können: die Steuern sind um 20 % oder um 19 % gesenkt. Für manche Gruppen ist die Steuersenkung gering. Einige kommen sogar in die unangenehme Lage, daß sie praktisch etwas mehr Steuern zahlen müssen als vorher. Man muß das offen aussprechen. Es ergibt sich aus der Flurbereinigung auf dem gesamten Tarifgebiet.
    Man kann aber generell sagen, daß etwa bis zu einer Grenze von 4500 Mark sämtliche Einkommensbezieher weniger direkte Steuern zahlen als vor dem Krieg. Ein sehr, sehr großer Teil der Steuerzahler nimmt also, obwohl wir noch unter überhöhtem Steuerdruck stehen und weiter stehen müssen, in bezug auf die direkten Steuern nicht daran teil. Damit kann man uns zweifellos in bezug auf diese Tarifgestaltung nicht den Vorwurf unsozialen Verhaltens machen.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Die höheren Einkommen bezahlen mehr als früher. Auf ihnen liegt also auf dem Sektor direkter Steuern die Last des Krieges, die Last der Kriegsfolgen. Aber auch hier ist die Steigerung so, daß wir immer noch von einer Progression von unten nach oben sprechen können, daß also immer noch das Prinzip gilt, daß je mehr einer verdient, desto höher seine Steuerprogression ist.

    (Abg. Seuffert: Noch! Noch! — Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig! — Abg. Raestrup: Leider!)

    Welche Wünsche kann man nun berücksichtigen? Die beste Steuersenkung ist immer noch die Ausgabensenkung. Bei der Verwirklichung dieses Grundsatzes sind wir hier in diesem Hohen Hause bisher nicht als Beispiel vorangegangen. Das wissen wir j a alle. Andererseits haben nun mal eben die Steuern den verdammten Zweck, diese Ausgaben zu decken. Daher sind schon von der Ausgabeseite her die Beweglichkeit und die Möglichkeit der Steuersenkung entsprechend eingeschränkt. Wir hören, der Bundesfinanzminister will uns schon die Rechnung für die Ausgaben im Jahre 1955 aufmachen, um unseren Elan bei den Steuersenkungen entsprechend zu dämpfen. — Er guckt ganz böse.
    Was steht nun zur Verfügung? Selbstverständlich vertreten auch meine Parteifreunde den Grund-


    (Neuburger)

    satz: Bei dieser Steuerreform muß die Senkungsmöglichkeit aufs äußerste ausgenutzt werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir müssen die Steuern senken, soweit es irgend möglich ist,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    im Rahmen des Grundsatzes, daß der Haushalt gedeckt bleiben und unsere soziale Leistungsfähigkeit erhalten bleiben muß.
    Darüber, was nun auf Grund der neuen Tarife an Steuern eingehen wird, gehen die Meinungen etwas auseinander. Ich will Sie nicht aufhalten und hier mit Zahlen herumwerfen. Sie haben gehört, daß der Bundesfinanzminister sich entschlossen hat, diesen Schätzungen so weit wie nur möglich auf den Grund zu gehen, und daß er seinerseits alles dazu beitragen will, um auch uns als verantwortlichen Parlamentariern die Möglichkeit zu geben, diese Schätzungen bis in die letzten Ecken und Winkel zu durchleuchten. Soviel steht fest: wenn sich eine zusätzliche Möglichkeit der Steuersenkung ergibt, müssen wir die weitere Erhöhung der Freigrenzen auf dem sozialen Sektor ins Auge fassen, ihre weitere Erhöhung auf dem Sektor der Familienförderung. Im Interesse der Erhaltung und Förderung des Mittelstandes, damit im Interesse unserer freiberuflich Schaffenden, wollen wir eine, nun muß ich allerdings sagen, Steuervergünstigung, die in der Form gegeben wird, daß der Tarif etwa für die Steuergruppen von 10 000 bis 30 000 DM, um nur einmal zwei Zahlen zu nennen, entgegen der jetzigen linearen Progression etwas nach unten ausgebuchtet wird, also in Abweichung vom Tarifprinzip.
    In diesem Zusammenhang — darauf will ich nachher noch besonders eingehen — möchte ich auf die Freibeträge für die mitarbeitende Ehefrau hinweisen. Da es sich bei den hiermit angesprochenen Steuerzahlern im Rahmen der gesamten Direkt-Steuerpflichtigen immer um eine sehr große Zahl handelt — sie geht in die Millionen —, sind natürlich auch die Beträge in der Ausfallrechnung zwangsläufig sehr hoch. Wir haben z. B. rund 10 Millionen Lohnsteuerpflichtige. Eine Mark Steuersenkung pro Monat sind im Jahr 12 Mark für den einzelnen, aber für das Budget 120 Millionen.

    (Abg. Seuffert: Nicht alle haben dasselbe Einkommen, Herr Neuburger!)

    — Ich rede ja jetzt nur von der rechnerischen Auswirkung bei einer D-Mark.

    (Abg. Seuffert: Das macht auch nicht für alle eine Mark!)

    — Richtig. Aber ich wollte nur andeuten, daß wir uns in bezug auf die Steuersenkungsmöglichkeiten trotz eingehender Nachschätzungen nicht zu große Hoffnungen machen können, weil es sich, wie gesagt, bei den Forderungen, die wir zu berücksichtigen haben — Sozialforderungen, Erhöhung der Freigrenze, steuerliche Vergünstigung über den Tarif der mittelständischen und freiberuflich schaffenden Steuerzahler —, jeweils um eine sehr, sehr große Zahl von Steuerpflichtigen handelt.
    Nun noch zu den Einzelbestimmungen des Reformgesetzes. Wir haben die Vergünstigungen sowohl hinsichtlich des § 7 als auch des § 10 aufgehoben. Als wir den § 7 c mit Wirkung per 31. Dezember 1954 aufhoben, waren wir uns darüber im klaren, daß das Problem des sozialen Wohnungsbaus zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöst sei. Wir waren uns daher auch darüber
    klar, daß wir in irgendeiner Form einen Ersatz für den Ausfall der bisher über § '7 c geflossenen Gelder schaffen müßten. Das Volumen betrug zumindest in den letzten zwei Jahren durchschnittlich ungefähr 700 Millionen DM, die in den sogenannten unrentierlichen Teil des sozialen Wohnungsbaus flossen. Wir müssen also irgendeinen Ersatz bieten. In der Reformnovelle selber ist ein solcher Ersatz nicht vorgesehen. Im Kapitalmarktförderungsgesetz

    (Abg. Seuffert: Wo ist es denn?)

    soll als Ersatz

    (Abg. Seuffert: Soll?!)

    der Sozialpfandbrief vorgesehen sein.

    (Abg. Seuffert: Oder nicht sein! — Abg. Samwer: Das ist hier die Frage!)

    — Weil eine entsprechende Gesetzesvorlage noch fehlt,

    (Abg. Seuffert: Aha!)

    bin ich auch nicht ermächtigt, namens meiner Parteifreunde hierzu eine Erklärung abzugeben. Aber die Überlegungen, inwieweit der Sozialpfandbrief einen Ersatz darstellen kann, werden doch sehr eingeschränkt und zwangsläufig in eine ganz bestimmte Richtung gedrängt, wenn man die Zweckbestimmung berücksichtigt. Der zu erreichende Zweck soll sein, Gelder für einen unrentierlichen Teil im Rahmen der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu bekommen. Das hinzugebende Geld ist also unrentierlich. Dieser Tatbestand ist unbestritten und leider auch unbestreitbar. Der Sozialpfandbrief verlangt eine 5%ige Verzinsung. Das Geld, das über den Sozialpfandbrief kommt, muß also rentierlich sein, oder es muß ein anderer kommen, der die 5 % bezahlt. Mit anderen Worten, ich sehe in dem Sozialpfandbrief keinen Ersatz

    (Abg. Samwer: Richtig!)

    für die Finanzierungslücke des unrentierlichen Teiles.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Kein Zweifel!)

    Darüber hinaus sehe ich in dem Sozialpfandbrief einen absoluten Störenfried auf dem Kapitalmarkt,

    (Abg. Seuffert: Sehr richtig!)

    einen Störenfried, der nur Schaden bringt ohne jeden Nutzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD und dem GB/BHE.)

    Es wäre meines Erachtens an der Zeit, ihn möglichst bald zu kassieren.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Das war aber eine schwere Geburt!)

    Ich habe mich noch gar nicht so sehr umgehört, ob alle meine Parteifreunde dieser Auffassung sind.

    (Abg. Seuffert: Nachher freuen Sie sich über uns!)

    Aber ich habe ja eingangs schon erwähnt: wir haben uns noch nicht damit zu befassen, weil eine entsprechende Vorlage fehlt. Ich wollte und mußte aber im Zusammenhang mit der Frage, wo der Ersatz für § 7 c liegt,

    (Abg. Samwer: Also doch § 7 c!)

    darauf hinweisen, daß aus Zinsgründen der Sozialpfandbrief, auch wenn er noch so viel Geld und
    Kapital bringen würde, das Ersatzmittel nicht sein


    (Neuburger)

    kann, weil er eben kraft seiner Bestimmungen nicht unrentierlich, sondern rentierlich sein muß.
    Wie steht es nun mit der Wiedereinführung des § 7 c?

    (Abg. Samwer: Also doch 7 c!)

    Wie Sie wissen, hat sich der Bundesfinanzminister heute morgen nochmals dagegen ausgesprochen und hat gesagt: „Wir haben feierlich die Vergünstigungen aufgehoben. Es ist doch völlig unmöglich, daß wir sie wieder einführen".
    Es steht allerdings wohl fest, daß die Wiedereinführung des § 7 c nicht mehr so viel bringen würde, wie er bisher gebracht hat, und zwar mit Rücksicht darauf, daß eben die Tarifsätze doch eine entscheidende Senkung erfahren und damit der Anreiz für die Hingabe von 7 c-Geldern wegfällt. Viele 7 c-Gelder wurden doch unter dem Aspekt gegeben: Na, bald kommt ja eine mächtige Steuersenkung; die große organische Steuerreform ist ja schon feierlich angekündigt und kann nicht mehr lange auf sich warten lassen!
    Wenn ich unsere Leistungen und unsere Ausgaben betrachte, die wir heute haben und die vielleicht noch auf uns zukommen, dann muß ich sagen: wir haben unsere Steuern gesenkt und wollen sie noch weiter senken — von dem ursprünglichen Plafond von 90 % auf jetzt 55 %. Damit haben wir meines Erachtens die Steuern schon mehr gesenkt, als wir sie jeweils später noch senken können.

    (Abg. Seuffert: Hört! Hört!)

    Finden wir ein Mittel, um die Ausgaben zu senken, dann senken wir gern die Steuern weiter!

    (Zuruf von der SPD: Welche?)

    Ich glaube also, daß wir auch mit der Wiedereinführung des § 7 c die Mittel nicht bekommen. Daher wäre zu untersuchen, ob nicht völlig neue Wege beschritten werden können; etwa der Weg, die unrentierliche Lücke durch Staatsbürgschaften oder Zinssubventionen auszufüllen oder dadurch, daß die Gelder, die gegeben werden, dann, rein steuerlich gesehen, eine Teilwertabschreibung erfahren, weil sie unrentierlich sind; denn jedes Kapital, das unrentierlich, unverzinslich gegeben wird, steht ja nicht mehr zu pari. Man müßte also, teilwertmäßig gesehen, eine Abschreibung zulassen. Man könnte auch sagen, daß zwar die Hingabe der Gelder nicht steuerbegünstigt ist, daß aber im Zeitpunkt der Rückzahlung ein gewisser Prozentsatz der rückzuzahlenden Beträge steuerlich als Unkosten absetzbar ist. Wir wissen nur eines: wir müssen, da wir weiterhin den sozialen Wohnungsbau vorwärtstreiben müssen, so oder so eine Finanzierungsquelle für diesen unrentierlichen Teil finden. Es wird Aufgabe des Ausschusses sein, in Zusammenarbeit mit dem Wohnungsbauausschuß und mit den beteiligten Ministerien den Weg zu finden. Er muß auf jeden Fall gefunden werden.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Steuervergünstigungen, die der § 10 gebracht hat, sind wesentlich beschnitten. Wir haben zwar als Ausgleich die Sonderausgaben etwas erhöht. Trotzdem sind die Steuerzahler, die bisher im Genuß dieser Möglichkeiten waren, darin sehr beschränkt. Insbesondere ist die Möglichkeit der Altersversorgung für die selbständigen und unselbständigen Schaffenden eingeschränkt, und gar keine Möglichkeit der Altersversorgung besteht praktisch für den Mittelstand. Wir sind der Auffassung, daß hier im Rahmen der Beratung dieser Novelle etwas geschehen muß, vielleicht, indem man in beschränktem Umfang den Kapitalansammlungsvertrag wieder einführt, aber mit absolut verlängerten Laufzeiten und selbstverständlich mit der Höchstbegrenzung, wie sie jetzt vorgesehen ist. An eine Erhöhung dieser Sätze denkt niemand; man muß nur an die Erweiterung des Personenkreises denken. Denn von den erhöhten Sonderausgaben können nach der gesetzlichen Regelung bisher nur die unselbständig Arbeitenden und die in selbständiger Arbeit Stehenden Gebrauch machen. Sie sollen nunmehr im Hinblick auf die Verdoppelung der Beiträge für Lebensversicherungen und Bausparkassen beschränkt werden. Wenn nun z. B. ein freischaffender Mann über 50 Jahre alt ist und der Versicherungsarzt ihm sagt: „Es tut mir leid, Ihr Gesundheitszustand ist so, daß ich das Risiko, mit Ihnen einen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen, nicht mehr eingehe" — mit einem Bausparvertrag ist es auch so eine Sache —, dann hat er zwar gesetzlich die Freibeträge, die gerade deswegen geschaffen sind, um eben hier eine Altersversorgung zu ermöglichen, aber er kann davon keinen Gebrauch machen. Es erhebt sich daher die Frage, ob nicht doch in beschränktem Umfang die steuerliche Begünstigung der Kapitalansammlungsverträge wieder eingeführt werden soll. Ich sage, es erhebt sich die Frage; man wird das im Rahmen der Möglichkeiten erörtern.
    Dasselbe gilt für die berechtigte Forderung des Mittelstandes, daß von dieser Altersversorgungsmöglichkeit nicht nur die in unselbständiger Arbeit und in selbständiger Arbeit Stehenden, sondern auch der gewerbliche Mittelstand. Gebrauch machen könne.
    In § 10 a soll durch die Novelle die Frist verkürzt werden. Dies ist die Steuervergünstigung, die wir seinerzeit für Flüchtlinge, Vertriebene usw. eingeführt hatten. Wir haben damals den Wegfall jener Vergünstigungen auf den 31. Dezember 1956 festgesetzt. Diese Frist soll also auch verkürzt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind unglücklich darüber, daß eine solche Bestimmung in diesem Entwurf steht. Wir haben aus ganz bestimmten Gründen und mit viel Überlegung und viel Berechtigung — ich selbst unmittelbar als Initiator mit Ihnen zusammen, Herr Seuffert — seinerzeit dahin gewirkt, daß diese Bestimmungen im Interesse dieses Personenkreises hineinkamen, und wir sind der Auffassung: wenn Rechte mit Frist, nicht unbefristet, gegeben werden, dann soll man, sofern man sich schon zum Prinzip des Rechtsstaates bekennt — und unser ganzes demokratisches Leben basiert ja auf diesem Prinzip —, die Fristen, die man selbst gesetzt hat, respektieren.

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    Wir können also dieser Fristverkürzung, auch wenn sie natürlich dem Interesse der völligen Bereinigung und dem Abbau aller Sondervergünstigungen dient, nicht zustimmen.
    Eine andere Fristverkürzung liegt bei § 33 a. Diese Bestimmungen sind im Interesse eines bestimmten Personenkreises für eine bestimmte Dauer eingeführt worden. Alle, die die Vergünstigung von Anfang an über die ganze Dauer hinweg in Anspruch nehmen konnten, sind gut dran. Wenn nun einer erst im zweiten oder letzten Drittel der Gesetzesdauer Anwärter wird, sagt er sich: Ich bin als Spätheimkehrer schon sehr viel mehr benach-


    (Neuburger)

    teiligt als die anderen, und trotzdem kriege ich jetzt dafür noch die Quittung, daß ich die Vergünstigung nur noch ein halbes Jahr oder ein Jahr beanspruchen darf. Insofern liegt in diesen Fristbestimmungen eine Härte, und es wäre vielleicht zu überlegen — vielleicht hätte man es früher schon überlegen sollen —, ob man die Frist nicht für jeden einzelnen, sagen wir einmal, auf drei Jahre begrenzt, nach deren Ablauf die Vergünstigung entfällt. Allerdings stünde das in Widerspruch zu dem Grundsatz der Steuervereinfachung, dem wir mit unseren Gesetzen ja auch näher kommen wollen.
    Nun das Problem der Ehegattenbesteuerung. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja zum Ausdruck gebracht, daß die derzeitige steuerliche Regelung einen glatten Widerspruch zum Prinzip der Gleichheit der Besteuerung darstellt.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Richtig!)

    Die derzeitige Regelung stellt unbestreitbar die stärkste Verletzung dieses Grundsatzes dar. Der Herr Bundesfinanzminister will diesen ungesunden Zustand dadurch beseitigen, daß er allmählich zu der für ihn allein möglichen gemeinschaftlichen Besteuerung zurückkehrt. Deshalb hat er sich entschlossen, in der Vorlage einen weiteren Schritt in der Richtung auf dieses Ziel, die gemeinschaftliche Besteuerung, zu gehen, indem er nunmehr die Grenze für die getrennte Besteuerung auf 9000 DM angesetzt hat. Ob man zu diesem Grundsatz der gemeinschaftlichen Besteuerung angesichts der Tatsache, daß immer mehr Ehefrauen berufstätig sind, zurückkehren kann und ob wir nicht eventuell doch auf eine andere Lösung abgedrängt werden, etwa die Lösung der getrennten oder der halbierten Veranlagung, des Halbierens der Verdienste ohne Rücksicht darauf, wer von den einzelnen Ehegatten und wieviel der einzelne Ehegatte verdient, das können wir im Rahmen dieser Reform wahrscheinlich nicht lösen; denn eine solche Schwenkung wäre, wie feststeht, im Rahmen dieser Tarifgestaltung nicht möglich. Wenn wir uns ,also grundsätzlich von dem Vorschlag des Bundesfinanzministers abwenden sollten, so hätte das zwangsläufig zur Folge, daß wir auch den Tarif, so wie er vorliegt, nicht gebrauchen könnten. Es würde also eine völlige Umgestaltung des Tarifs bedeuten.
    Die vom Bundesfinanzminister jetzt vertretene Regelung ist unter sozialen Gesichtspunkten zu bejahen. Man müßte dann allerdings folgerichtig auch die übrigen mitarbeitenden oder mitverdienenden Ehefrauen im Rahmen eines solchen Einkommens bis zu 9000 DM gleich behandeln. Das würde bedeuten, daß wir die mittelständische Forderung auf Einräumung eines Freibetrags für die mitarbeitende Ehefrau und die gleichlautende Forderung der Landwirtschaft in entsprechender Form berücksichtigen müssen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Denn nach wie vor haben wir den wirklich mehr als unleidlichen Zustand, daß sich das Sichverheiraten steuerlich im Rahmen der Gesamtveranlagung nachteilig auswirkt. Diese Auswirkung wäre nur über eine andere Veranlagungsmethode oder über eine andere Tarifgestaltung mit völlig anderen Freigrenzen zu beseitigen. Steuerlich müßten wir auf diesem Sektor mindestens die Neutralität anstreben, von der Förderung der Familie ganz zu schweigen, die zusätzlich eingebaut werden
    müßte und heute in Form der Freigrenzen für Kinder zweifellos schon ganz erheblich eingebaut ist. Ich möchte dieses Streitthema nicht weiter erörtern. Ich wollte hier nur den heutigen Tatbestand aufzeigen, Möglichkeiten und Grenzen der Lösung, aber auch die Schwierigkeiten dieser Lösung und die Forderungen, die gegebenenfalls auch von meinen Parteifreunden im Interesse der Gleichheit der Besteuerung angemeldet werden müßten.
    Damit wären die Einzelthemen zur Einkommensteuernovelle, die ich mir vorgenommen habe, erschöpft. Ich muß nur noch folgendes ansprechen. Durch den 'Wegfall der Steuervergünstigungen, insbesondere den Wegfall des § 10, Kapitalansammlungsverträge, haben wir zweifellos ein außerordentliches Risiko auf dem Gebiet des Kapitalmarkts übernommen. Diese Kapitalansammlungsverträge hatten zwangsläufig zur Folge, daß sich hier echtes Kapital, langfristiges Kapital, bildete. Nun wird niemand mehr angehalten, Kapital zu bilden, um Steuern zu sparen. Dazu kommt noch die allgemeine Tarifsenkung. Wir werden also zwangsläufig einen Hang erleben — einen Trend, wie man heute zu sagen pflegt — vom Kapitalmarkt zum Konsum, soweit durch die Tarifsenkung Steuern eingespart werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist dies wirklich ein sehr großes Risiko, das wir hier eingehen. Ich bitte das nicht zu unterschätzeu. Denn auf dem Sektor Investitionen in unserer Wirtschaft sind wir noch nicht so weit, daß wir schon à jour wären. Wir können unseren Lebensstandard und den Wettbewerb im Rahmen der Weltwirtschaft nicht durchhalten, wenn wir auf diesem Sektor nicht noch viel mehr tun als heute. Die Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze von morgen. Das ist heute für niemanden ein Geheimnis mehr. Trotz dieses Risikos wollen wir die Kapitalansammlungsverträge mit den bisherigen Vergünstigungen nicht mehr haben, sondern höchstens noch in Form der Altersversorgung. Um die Gefahr des Investitionsrückgangs etwas einzudämmen, soll zusammen mit der Einkommensteuer auch die Körperschaftsteuer gesenkt werden, und zwar von 60 auf 45%, unter Beibehaltung der Vergünstigungen bei der Dividendenausschüttung. Diese Maßnahme soll also in erster Linie dazu dienen, den Investitionsmarkt zu fördern bzw. die möglichen Ausfälle aus dem Wegfall der Kapitalansammlungsverträge wieder auszugleichen.

    (Abg. Seuffert: Wieso fördert eigentlich Steuervergünstigung für Dividenden die Investitionen, Herr Neuburger?)

    — Das ist sehr einfach. Sie wissen genau, Herr Kollege Seuffert, daß man auch investieren kann, indem man Teile des eigenen Gewinns, statt sie an die Steuer abzuführen, wieder in das eigene Unternehmen reinsteckt. Wenn dann vom eigenen Gewinn 15 % mehr als bisher verbleiben, dann hat man 15 % mehr Mittel, um den Betrieb zu erneuern, zu modernisieren, wettbewerbs- und konkurrenzfähiger zu machen.

    (Abg. Albers: Das sollte so sein!)

    — Das ist auch so. Das Geld wird nicht genommen und irgendwie nach auswärts verfrachtet.

    (Abg. Raestrup: Und die Personengesellschaften?)

    — Das kommt noch, lieber Herr Raestrup!


    (Neuburger)

    Des weiteren stellen wir leider eine steigende Verschuldung unserer Gesellschaften fest. Die Versorgung mit Eigenkapital und die Versorgung mit Schuldkapital klaffen immer weiter auseinander. Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, meinen, das sei eine erstrebenswerte Entwicklung, dann muß ich Ihnen sagen, daß ich persönlich völlig anderer Auffassung bin. Wir müssen, wenn wir uns wirklich in echter Weise zur sozialen Marktwirtschaft bekennen, das Prinzip der Stärkung des haftenden Kapitals ständig betonen und alles tun, damit dieses haftende Kapital sich verstärken kann und damit das Schuldkapital sinkt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Die Entwicklung ist leider umgekehrt. Das haftende Kapital kann, wie gesagt, dadurch verstärkt werden, daß beim Gewinn etwas verbleibt, aber auch dadurch, daß der einzelne, statt sein Geld zu konsumieren, es der Industrie, der gewerblichen Wirtschaft in Form der Aktie als haftendes Kapital anbietet.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Denn wo soll denn die Aktienvermehrung herkommen? Sie fällt doch nicht vom Himmel, sie kann doch nur dadurch kommen, daß der einzelne sich bereit findet, zu sagen: ich vertraue unserer Wirtschaft und lege mein Geld in haftendem Kapital an.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    So gesehen ist es doch nicht mehr als vernünftig, wenn wir die Doppelbesteuerung wenigstens zum Teil abbauen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir haben das im Jahre 1953 genau überlegt und die dort vorgenommene Regelung mehr als begrüßt. Wir vertreten die Auffassung: die Dividende muß steuerbegünstigt bleiben. Den Keil, den wir in die Doppelbesteuerung reingeschlagen haben, müssen wir drinlassen und ihn allmählich noch- so ausweiten, daß die Doppelbesteuerung endgültig fällt. Dann, lieber Herr Raestrup, sind wir auch so weit, daß wir keinen Unterschied mehr zwischen Kapitalgesellschaften und Personalgesellschaften zu machen brauchen.

    (Abg. Seuffert: Heißt das Beseitigung der Körperschaftsteuer? Sagen Sie doch gleich, was das heißt!)

    Wie gesagt, dann sind wir auf dem Wege; das ist dann das Ergebnis.

    (Abg. Seuffert: Das sagen Sie aber dem Herrn Finanzminister!)

    — Ich habe ja mein Bedauern ausgesprochen!
    Das sind die Themen, die in der großen, der organischen Steuerreform einmal angesprochen und bewältigt werden müssen. Wir können das heute nun nicht. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, daß wir dann auf dem richtigen Wege sind, um dieses Ziel: Einheitlichkeit in der Besteuerung von Personalgesellschaften und Kapitalgesellschaften, zu erreichen.

    (Abg. Raestrup: Aber ab 1. Oktober, bitte schön! — Heiterkeit.)

    — Herr Raestrup wird sich wahrscheinlich hier ganz besonders noch dafür einsetzen, weil er der Auffassung ist, daß die heutige Differenz zwischen den 45 % bei den Kapitalgesellschaften und dem Stoppauslauf mit 55 % bei den Personalgesellschaften noch nicht das richtige Verhältnis darstellt
    und daß die Personalgesellschaften nach wie vor noch etwas benachteiligt sind.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Da hat er auch recht!)

    Ich wollte nicht verfehlen, auch dieser Meinung Ausdruck zu verleihen.
    Die Dividendenbegünstigung liegt, wie gesagt, bei 30 %. Nach der bisherigen Regelung müßte die Vergünstigung bei der Hälfte liegen. Bisher hatten wir 60 zu 30. Dieses Verhältnis müßte angestrebt werden. Vielleicht läßt es sich auch in dem Verhältnis 45 zu 221/2 verwirklichen.
    In diesem Zusammenhang muß auch das Problem des Schachtelprivilegs gelöst werden, das meines Erachtens lösbar ist. Das ist aber eine Spezialfrage, womit ich Sie, meine Damen und Herren, hier nicht belästigen möchte.
    Ich komme zum Schluß. Ich konnte unmöglich alle Probleme ansprechen. Wie ich bereits sagte, bedaure ich, daß diese Reformvorlage nicht die große oder organische Steuerreform beinhaltet. Die im Rahmen dieser Vorlage vorgesehene Erhöhung der Umsatzsteuer — diese Sondersteuer — wird namens meiner Parteifreunde nicht befürwortet. Ich kann es sogar hoch stärker ausdrücken: sie wird abgelehnt.

    (Sehr gut! rechts.)

    Diese Ablehnung wird aber auch jede Sondersteuer betreffen, die man sich vielleicht als Ersatz dafür ausdenken sollte. Diese Steuer ist eine Sondersteuer, und jede Sondersteuer, die einen Wirtschaftszweig belastet, wird im Rahmen des Wirtschaftsprozesses immer auf den schwächsten Teilnehmer in der Kette dieses Wirtschaftsprozesses abgewälzt, ob Sie wollen oder nicht.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das gilt für diese Sondersteuer, wird aber auch für jede andere Sondersteuer zutreffen, die Sie einführen wollen. Wenn Sie irgendwie einmal dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ganz eklatant widersprechen wollen, dann müssen Sie eine Sondersteuer einführen, die einen einzelnen Wirtschaftszweig belastet. Sie wird, wie gesagt, im Rahmen dieses Wirtschaftsprozesses kraft der Konkurrenz und der dynamischen Kraft immer auf den Schwächsten abgewälzt, ob vor- oder rückgewälzt, ist gleichgültig.

    (Abg. Seuffert: Sagen Sie das Herrn Stücklen! — Abg. Stücklen: Ja, ja, der weiß schon Bescheid!)

    Auf jeden Fall wird jede Sondersteuer auf den Schwächsten abgewälzt. Daher spreche ich mich im Namen des Großteils meiner Parteifreunde gegen jede Sondersteuer aus.
    Die Frage der Ergänzungsabgabe will ich nicht besonders behandeln. Sie ist ja im Rahmen der Besprechung des Finanzreformgesetzes mit behandelt worden und wird mehr oder weniger das Schicksal des Finanzreformgesetzes teilen bzw. teilen müssen.
    Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Die Grundsätze dieser Steuerreform sind gut. Sie verwirklichen das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie tragen dazu bei, unsere Kosten zu senken, weil wir von überhöhten Steuern herunterkommen. Sie tragen dazu bei, die Kosten zu senken, weil wir vom unökonomischen Denken abgehen. Sie tragen dazu bei, unser Sozialprodukt zu steigern, weil sie die Leistungsfähigkeit des einzelnen steigern. Denn der einzelne — d. h. 99 %


    (Neuburger)

    aller Einkommensteuerpflichtigen — weiß, daß er nun wenigstens, was ihn betrifft, bis zu 50 % seines Arbeitsertrags behält. Damit steigern wir unser Sozialprodukt, und damit senken wir zwangsläufig im Rahmen unserer Konkurrenz- und Wettbewerbswirtschaft die Kosten. Damit heben wir die reale Kaufkraft, und diese Hebung der realen Kaufkraft kommt allen zugute, den Schwächsten der Armen zuerst. Sie kommt also auch all denen zugute, die keine Einkommensteuer zahlen und die vielleicht annehmen könnten: Was kümmert uns das Gezänk dieser Leute, die Einkommensteuer zahlen, ob die Tarife so oder so sind? Ich muß ja so oder so keine bezahlen! Jawohl, durch die Art und Weise, wie wir jetzt unsere Einkommensteuertarife und Körperschaftsteuertarife gestalten, heben wir unmittelbar die reale Kaufkraft und tragen damit zur Erhöhung des Lebensstandards eines jeden einzelnen bei. Wenn einzelne Gruppen kommen und sagen, sie hätten das oder das zu wenig: nun, jeder einzelne nimmt in einem gewissen Ausmaß an dieser Steuersenkung teil, und dies soll und muß man sehen.
    Auch für den Mittelstand ist zu beachten, daß seinen Interessen im Rahmen des Verlustvortrags, im Rahmen der vereinfachten Buchführung und im Rahmen von anderen Vereinfachungsvorschriften in zusätzlicher Weise Rechnung getragen worden ist. Auch bei der Landwirtschaft ist das geschehen durch die Erhöhung von Freibeträgen für die Grünlandwirtschaften. Ich erinnere in dem Zusammenhang an die bereits durchgeführte Einführung der Degressivabschreibung. Ich erkläre es allerdings als eine sehr berechtigte und überaus durchgreifende Hilfe für die Landwirtschaft und den Mittelstand, wenn es möglich wäre, die degressive Abschreibung, die sich bisher auf Wirtschaftsgüter mit einer Lebensdauer von zehn und mehr Jahren erstreckt, auf die Wirtschaftsgüter mit einer Lebensdauer von fünf Jahren auszudehnen. Damit könnten wir über die Tarifsenkung und sonstigen Reformvorschläge hinaus dem Mittelstand und auch der Landwirtschaft entscheidend steuerlich helfen.
    Abschließend lassen Sie mich sagen, was Bundeskanzler Adenauer vorgestern abend in dem Interview gesagt hat: Diese Steuerreform ist eine große Tat, wenn auch unvollkommen. Zu dem bekenne auch ich mich, zu dem bekennen sich auch meine Parteifreunde. Unsere Aufgabe wird es nun sein, diese große Tat im Interesse unserer Wirtschaft, im Interesse unserer Steuerzahler, im Interesse unseres gesamten Volkes möglichst rasch zu verwirklichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der erste Redner an diesem Tage und ich werde vermutlich nicht der letzte sein, der seine Ausführungen mit der Feststellung beginnt oder schließt, daß das keine Steuerreform sei, daß das nicht die große Steuerreform sei, die man seit Jahren versprochen hat, und der seiner Enttäuschung darüber Ausdruck gibt.
    Von „historischem Entschluß" und von „geschichtlicher Stunde" spricht man eigentlich schon nicht mehr, eher, wie soeben gehört, von einer großen Tat, - über die man aber eigentlich doch sehr
    enttäuscht sein muß, nicht wahr, Herr Kollege Neuburger? Aber auch als das Ergebnis einer Überprüfung des ganzen Systems, wovon der Herr Bundesfinanzminister heute noch gesprochen hat, ist das doch recht mager.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das kann man wohl sagen!)

    Nun, was die ganze Öffentlichkeit sagt, was jedermann sagt, was sogar der Kollege Neuburger sagt, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Aber das Schlimme daran ist, daß uns der Herr Bundesfinanzminister einmal versprochen hat, diese Steuerreform werde die Grundlage zur notwendigen Sozialreform abgeben.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Das war vor den Wahlen!)

    Von dieser Grundlage und von dieser Möglichkeit sehen wir gar nichts. Diese Steuervorlagen lassen jeden Willen vermissen, auf die Gesamtsteuerlast, ihre Verteilung und die Auswirkung ihrer Verteilung auf die sozialen Spannungen entscheidend Einfluß zu nehmen.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Sehr richtig!)

    Man behilft sich mit Nebenlösungen, Zwischenlösungen und Notlösungen. Von reformatorischem Charakter, von Dingen, über die man sich einmal sachlich in großem Rahmen auseinandersetzen könnte, ist in dieser Steuervorlage leider nicht die Rede.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir werden, wie schon so oft bei Steuervorlagen in diesem Hause, doch wieder dieses üble Spiel der Auseinandersetzung zwischen Fiskalismus und Interessentenforderungen spielen müssen,

    (Beifall bei der SPD)

    das wahrscheinlich wieder anheben wird, selbstverständlich gewürzt mit den notwendigen Beigaben an Sentimentalität und jovialen Bemerkungen seitens des Herrn Bundesfinanzministers, die wir ja auch heute schon vernommen haben. Ich werde deswegen das Wort Steuerreform möglichst vermeiden, wenigstens im Zusammenhang mit dieser Regierungsvorlage.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Und nur in Anführungsstrichen!)

    Aber da wir doch irgendwie über Steuerreform sprechen müßten, bin ich in der Tat genötigt, über eine ganze Reihe von Dingen zu sprechen, die nicht in der Steuervorlage stehen und die nicht in ihr behandelt worden sind, die aber in ihr behandelt werden müßten. Um gleich den Zusammenhang herzustellen: Eine Steuerreform, die irgend etwas mit Sozialreform zu tun hätte, könnte doch nicht an dem großen Block der Verbrauch- und indirekten Steuerbelastung vorbeigehen,

    (Beifall bei der SPD)

    der der größte Teil der gesamten Steuerbelastung ist. Dieser Block beträgt heute 60 % der Gesamtbelastung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Bei Antritt der derzeitigen Bundesregierung oder vielmehr ihrer mit ihr identischen Vorgängerin im Jahre 1949 betrug dieser Anteil 33 %.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Diese Steigerung von 33 auf 60 % ist das Ergebnis einer bewußten und gewollten Politik des Bundesfinanzministers und der Regierung.

    (Sehr richtig! und Beifall bei der SPD.)



    (Seuffert)

    Denn es war der Bundesfinanzminister, der bei Antritt seines Amtes im Jahre 1949 erklärt hat, daß dieser Anteil von 33 % ihm als zu wenig erscheine und erhöht werden müsse. Es war der Herr Bundesfinanzminister, der damals erklärt hat, er lehne es ab, die Steuerlast auf die starken Schultern zu legen, er sei dafür, die Last auf die vielen, wenn auch schwachen Schultern zu verteilen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Um anschaulich zu machen, was das für den einzelnen bedeutet, nur einige Zahlen. Ich verweise Sie auf die Berechnungen, die das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften über die Belastung eines Normalhaushalts durch die Verbrauchsteuerlast angestellt hat. Diese Berechnungen werden durch Untersuchungen anderer Institute wie des Ifo-Instituts in München gestützt. Ich bemerke, daß ich Grund habe, zu sagen, daß die errechneten Zahlen meiner Ansicht nach zu niedrig sind und daß insbesondere die Umsatzsteuerbelastung hier zu niedrig angesetzt ist. Aber ich gehe von den wenn auch zu niedrigen Zahlen dieser veröffentlichten Berechnungen aus, die Sie nachprüfen können. Es handelt sich um einen Haushalt, der vier Köpfe von einem Bruttoeinkommen von 440 DM im Monat ernähren muß, dessen Verbrauchsausgaben nach den angestellten Untersuchungen also 380 DM betragen. In Zahlen von 1952 beträgt die Belastung dieses Einkommens und dieses Verbrauchs genau 56,78 DM, rund 60 DM im Monat. Das sind 13 bis 14 % des Bruttoeinkommens und über 15 % des Verbrauchs eines solchen Haushalts, rund 15 DM pro Kopf. Das ist die Belastung, die vor Zugriff der Tarifsteuern hier eingreift. Und da man ja nicht sehr viel weniger verbrauchen kann in einem Haushalt, der von rund 400 DM monatlich vier Köpfe ernähren muß, ist es praktisch genau dieselbe Belastung, die auf den Rentnern und auf den Fürsorgeempfängern liegt. Das Existenzminimum, das Sie mit 900 DM ansetzen wollen, ist auf diese Art bereits mit 180 DM jährlich, d. h. mit 20 °/o des Existenzminimums, vor Zugriff aller anderen Steuern vorbelastet, nur auf Grund der Tatsache, daß der Mann existiert und das Existenzminimum ausgeben muß.
    In diesem Lichte, meine Damen und Herren, muß die gesamte Steuerbelastung und müssen auch die Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger über den steuerlichen Obolus, den jeder beitragen soll, und über das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern gesehen werden. Das ist der größte Teil der Belastung, die auf den breiten und besonders auf den schwachen Schichten bereits ruht, bevor man überhaupt von Tarifsteuern spricht. Das bedeutet bereits eine Vorbelastung dieser Schichten mit 20 °/o des Existenzminimums, — diese auszugleichen sind ja die Tarifsteuern erst da, von deren Senkung man hier ausschließlich spricht. Eine soziale Steuerreform müßte in erster Linie im Auge haben, diese Belastung zu verringern.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich will jedoch gar nicht allgemein bleiben. Wir haben sehr konkrete Dinge anzumelden. Da ist die Zuckersteuer. Sie ist in diesem Haushaltsjahr mit 375 Millionen DM angesetzt, obwohl sie 1953 nur 340 Millionen DM erbrachte. Über die Bedeutung, die der Zucker in der Ernährung der modernen Industrieländer, insbesondere auch für die Kinder gewonnen hat, brauche ich mich gar nicht zu verbreiten. Der Zuckerverbrauch in Deutschland ist gegenüber allen irgendwie vergleichbaren Ländern
    am niedrigsten, und wenn die Dinge so weitergehen, werden wir so weit kommen, daß unsere Landwirtschaft beim Absatz ihrer Zuckerrübenproduktion, die für den gesamtwirtschaftlichen Ablauf so eminent wichtig ist, Schwierigkeiten haben wird. Es ist schlechterdings absurd, daß aus rein fiskalischen Gründen auf ein Volksnahrungsmittel eine derartig hohe Steuer gelegt wird. Sie beträgt einschließlich der Umsatzsteuer — die Umsatzsteuer auf Zucker sollte auch verschwinden — 27 % des Zuckereinzelhandelspreises. Man hat berechnet, daß ein vierköpfiger Arbeiterhaushalt allein an Zuckersteuer 17 Mark im Jahr zahlt. Lesen Sie die Diskussionsbeiträge des Bundesrats! Es gibt für die Aufrechterhaltung dieser Steuer keine sachlichen Gründe, nur fiskalische. Die Lage hat sich bezüglich des Zuckerabsatzes und des Zuckerverbrauchs sowie der Volksernährung in dem Maße zugespitzt, daß die Zuckersteuer fallen muß. Wir werden Ihnen einen entsprechenden Antrag in Form eines Initiativgesetzes vorlegen. Dieser Antrag gehört unserer Ansicht nach zur Steuerreform.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Nun zur Zündwarensteuer. Nach dem Haushaltsansatz sollte sie im Jahre 1953 63 Millionen DM einbringen, effektiv hat sie 58 Millionen DM ohne den Monopolgewinn eingebracht. Der Preis von 10 Pfennig für eine Schachtel schlechter Streichhölzer ist vom Kontrollrat eingeführt worden. In diesem Preis sind mindestens 6 Pfennig Steuern einschließlich der Umsatzsteuer enthalten. Bis 1946 hat eine Schachtel Streichhölzer 3 Pfennig gekostet. Das ist gegenüber dem sonstigen Kostenindex alles in allem eine Erhöhung von 317 %. Im Jahre 1949 hat der Wirtschaftsrat in Frankfurt bereits einstimmig die Senkung der Zündwarensteuer beschlossen. Das Gesetz ist von den alliierten Militärbehörden an den neuen Bundestag zur Erledigung hinübergeschoben worden. Die Bundesregierung und ihre Mehrheit, die heute wieder dieselbe ist, ist dieser ihr überkommenen Verpflichtung nicht nachgekommen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Es kommt hinzu, daß, wenn die Zündholzherstellung gegenüber modernen Zündmitteln weiterhin durch die Steuer so außerordentlich belastet wird, geradezu arbeitsmarktpolitische Schwierigkeiten eintreten können. Sie lesen auch hier in den Diskussionsbeiträgen des Bundesrats, daß mindestens eine Senkung der Zündwarensteuer dringend erforderlich wäre. Wir werden Ihnen auch dazu die entsprechenden Anträge vorlegen, die zu einer Senkung des Schachtelpreises auf mindestens 5 Pfennig führen müssen, ohne daß das für den Haushalt irgendwie untragbar wäre. Vielleicht werden bei dieser Gelegenheit noch einige kleinere Reformen in bezug auf diese Steuer anzubringen sein.

    (Zuruf rechts: Hoffentlich auch der Einnahmeausfall!)

    In einem anderen Sinne muß ich auf das Branntweinmonopol zu sprechen kommen, d. h. nicht im Sinne einer Belastung des Haushalts zugunsten des Verbrauchers, sondern im Gegenteil im Sinne einer Überprüfung zur Entlastung des Haushalts. Das Branntweinmonopol ist eine Sache, zu der ein ernstliches historisches Studium gehört, um es einigermaßen zu verstehen oder vielmehr, um es nicht zu verstehen. In seiner heutigen Form begünstigt es wirtschaftlich rückständige Herstellungsmethoden, hält also rationelle und wirtschaft-


    (Seuffert)

    liche Herstellungsmethoden hintan, verteilt Subventionen, die einmal einem bestimmten Teil der Landwirtschaft zugute kommen sollten. Sie kommen aber heute weder diesem Teil, noch, im großen und ganzen gesehen, überhaupt der Landwirtschaft oder irgendeinem Zweig der Landwirtschaft zugute, der sie benötigt. Dazu kommt eine höchst undurchsichtige, offenbar recht anfechtbare Verwaltungspraxis. Die Verluste, die dadurch entstehen, sind nicht genau zu schätzen. Ich glaube aber, man ist nicht unvorsichtig, wenn man schätzt, daß mit der Verbesserung der Wirtschaftsmethoden und mit der Beseitigung von unnötigen Subventionen eine Viertelmilliarde DM herausgeholt werden könnte. Wir werden einen Antrag vorlegen, der die Überprüfung des ganzen Komplexes verlangt. Sie .kann entweder durch Sachverständige mit gesetzlichem Enqueterecht unter Mitwirkung und Kontrolle des Parlaments oder durch einen Parlamentsausschuß selbst geschehen. Darüber wird noch zu reden sein.
    Der Bundesrat hat, wie Sie wissen, der Bundesregierung bereits einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet. Diese hat ihn mit dem Hinweis darauf abgelehnt, es sei unerwünscht, daß durch eine solche Enquete eine Beunruhigung der beteiligten Wirtschaftskreise entstehe,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und hat versprochen, im Rahmen ihrer eigenen Verwaltung eine Überprüfung vorzunehmen. Nun, was diese Beunruhigung betrifft, so erschiene sie uns für den Fall nicht unerwünscht, daß etwas faul ist.

    (Beifall bei der SPD.)

    Von einer Überprüfung im Rahmen der Verwaltung versprechen wir uns nichts.
    Ich muß natürlich in diesem Zusammenhang auf die Umsatzsteuer zu sprechen kommen. Bei aller Hochachtung vor den Qualitäten des Herrn Popitz muß ich doch sagen: Sie ist dringend reformbedürftig. Darüber ist man sich, glaube ich, in allen Kreisen einig. Die Umsatzsteuer ist der Hauptteil der indirekten Steuerbelastung, der Hauptteil des Blocks der Verbrauchsteuerbelastung, der so sehr nach unten drückt. Die Steuer war von Anfang an fiskalisch. Daß sie heute eine Säule unserer Staatseinnahmen ist, ist eine Tatsache, mit der wir rechnen müssen, aber es ist eine bedauerliche Tatsache.
    Die Reform der Umsatzsteuer ist zurückgestellt. Das tut uns leid. Wir möchten dringend bitten, daß hier aufgeschoben keineswegs aufgehoben ist. Die Reform ist sehr dringlich.
    In den Regierungsvorlagen wird die Umsatzsteuer nur mit dem Vorschlag von Erhöhungen erwähnt. Ich brauche Ihnen wohl kaum besonders zu sagen, daß wir Umsatzsteuererhöhungen dieser Art ablehnen. Das ist für uns geradezu selbstverständlich, einerlei, ob sie sich auf den Großhandel beziehen oder auf sonst etwas. Erst recht gilt das natürlich für Umsatzsteuererhöhungen, die die kommunalen Versorgungsbetriebe, insbesondere der kleinen Gemeinden, die keine eigenen Kraftwerke haben, zusätzlich belasten sollen, die sich also unmittelbar auf die Versorgungstarife der Gemeinden und die Gemeindehaushalte auswirken sollen. Ich finde diesen Vorschlag geradezu unglaublich.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber damit ist es bei der Umsatzsteuer wirklich nicht getan. Unsere Vorstellungen von dem Weg,
    der bei der Reform der Umsatzsteuer einzuschlagen wäre, haben wir Ihnen schon öfter vorgetragen und in Programmen der Öffentlichkeit dargelegt. Der Weg geht in der Richtung der Konzentrierung der Umsatzsteuer auf ganz bestimmte Umsätze oder Phasen oder meinetwegen Nettoumsätze, wenn sich irgendein brauchbares System zu einer derartigen Definition finden läßt, weiter ihrer Differenzierung nach bestimmten Warenarten und der Freistellung des lebensnotwendigen Bedarfs. Damit könnte diese Steuer einen wirtschaftlichen Sinn bekommen.
    Ein erster Schritt auf diesem Wege — und das wäre ein Schritt, der ohne die schwierigen Überlegungen über Systeme der Warenumsatzbesteuerung sehr bald getan werden könnte — sollte vor allem die Überprüfung der Umsatzsteuer auf dem Gebiete der sogenannten sonstigen Leistungen außerhalb des Warengebietes sein,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    also der Umsatzsteuer der freien Berufe, der
    freien Vertreter, und was sonst hierhin gehört.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Hier ist die Steuer immer besonders fragwürdig gewesen. Hier hat sie immer nur einen fiskalischen oder allenfalls einen systematischen Sinn gehabt, um mit den Steuern auf den übrigen Gebieten gleichzuziehen und schwierige Unterscheidungen zu vermeiden. Aber sie hat niemals einen wirtschaftlichen Sinn gehabt. Ganz bestimmte Härten auf ganz bestimmten Gebieten hat man immer durch das Einsetzen von Freigrenzen anerkennen müssen. Ich erinnere an die Freigrenzen auf dem Gebiet der freien Handlungsvertreter, an die Freigrenzen auf dem Gebiete der Künstler, Journalisten usw., wobei im übrigen die Abgrenzung dieser Berufe in besonders ungereimter und unklarer Weise erfolgt. Da hat man immer Freigrenzen einsetzen müssen, weil man anerkennen mußte, daß das ohne Härten überhaupt nicht bis zum letzten durchführbar war. Diese Freigrenzen müssen mindestens erhöht werden, wenn man nicht, was unserer Ansicht nach das viel Bessere wäre, an die Beseitigung der Steuer auf diesen Gebieten überhaupt sehr bald herangehen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Allermindestens sollte eine Senkung der Steuersätze, wie sie ja auch die Diskussionsbeiträge des Bundesrats vorsehen, für diese sogenannten nicht wirklichen Umsätze eintreten.
    Zu erwähnen ist auch die Umsatzbelastung, die immer noch auf der Tätigkeit der Jugendpflege und der Wohlfahrtsverbände ruht. Auch das sind Vorgänge, die außerhalb des eigentlichen Wirtschaftslebens liegen, die ihm nicht angehören und die deswegen eine solche Steuerbelastung weder vertragen noch verdienen.
    Zu beiden Steuern wäre vielleicht noch einiges zu sagen, aber besser nicht heute. Es gibt da eine Reihe von Steuern wie die Gesellschaftsteuer, die Versicherungsteuer und eine ganze Reihe von Dingen mehr, die langsam der Schauplatz einer Geheimwissenschaft von Spezialfinanzämtern geworden sind, der Tummelplatz sehr überraschender wirtschaftsfremder Entscheidungen und Maßnahmen und neuerdings in zunehmendem Maße auch der Schauplatz eines fiskalischen Expansionsdrangs nach der Erfindung immer neuer Steuerquellen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)



    (Seuffert)

    Ich glaube, hier sollte einmal einiges vereinfacht und überprüft werden. Ich möchte z. B. die Aufmerksamkeit des Hauses darauf lenken, daß nach der neuesten Entscheidung auf ERP-Darlehen, die an Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegeben und von den Gesellschaftern, wie das bankmäßig geradezu selbstverständlich ist, verbürgt werden, eine Gesellschaftsteuer von 3 % erhoben werden soll,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    eine Erfindung, die jedenfalls nicht im Sinne der
    Geldgeber dieses ERP-Programms liegen dürfte

    (Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

    und bei ihnen einiges Kopfschütteln hervorrufen sollte, und ein Zustand, der so schnell wie möglich beseitigt werden muß.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es ist selbstverständlich, daß wir bei einer Steuerreform auch nicht die Einführung neuer Steuern wünschen. Damit ist das, was in diesem Zusammenhang zur Ergänzungsabgabe zu sagen ware — im Zusammenhang mit der Frage des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, also im Zusammenhang mit der Finanzverfassung, hat es ja schon mein Freund Gülich ausgeführt —, gesagt.
    Meine verehrten Damen und Herren, wenn Sie etwa gegenüber solchen Vorschlägen die Deckungsfrage stellen sollten, so möchte ich zunächst immerhin sagen, daß, wenn man schon von Steuerreform spricht, es sich nicht in erster Linie um Deckungsfragen, sondern um die Rangfolge der Ansprüche auf Entlastung und auch um die Forderungen auf Vereinfachung der Steuerverwaltung handelt, die zu befriedigen sind,

    (lebhafter Beifall bei der SPD)

    wenn man schon von Steuerreform oder gar von sozialer Steuerreform spricht. Immerhin haben Sie außerdem heute morgen aus dem Mund des Bundesfinanzministers, der leider noch nicht wieder da ist, gehört, daß es sich insgesamt um ein Volumen von 3900 Millionen oder rund 4 Milliarden DM Steuermasse handelt, das hier zu reformatorischen oder nichtreformatorischen Zwecken mit einem Nettorisiko von 2900 Millionen oder rund 3 Milliarden DM für den Steuerhaushalt hin- und herbewegt werden soll. Bei einem derartigen Volumen kann doch wohl einiges anders gemacht werden, als es sich der Herr Bundesfinanzminister vorstellt;

    (Beifall bei der SPD)

    und da sind Deckungsvorschläge durch Änderung der Verteilung gar nicht einmal so schwer zu machen.

    (Zuruf von der SPD: Faule Ausreden!) Denn innerhalb eines solchen Zusammenhangs kann, wenn man in bezug auf 10, 50 oder auch 100 Millionen von den Vorstellungen des Herrn Bundesfinanzministers und seinen Vorschlägen abweicht, wie diese vier Milliarden anders bewegt und anders verteilt werden sollten, doch wohl nicht alles falsch und alles untragbar sein und alles den Haushalt gefährden.


    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben ja heute morgen schon wieder eine solche Probe gehört. Der Herr Bundesfinanzminister ist nur bereit, die durch einstimmige Beschlüsse des Bundestags geforderten Steuerpräferenzen für Berlin einzuführen, wenn das Notopfer
    erhöht wird. Anderswo ist in den vier Milliarden oder in den 27 Milliarden des Haushalts gar nichts zu finden. Alles andere ist unpatriotisch, haushalts-
    und währungsgefährdend! Herr Bundesfinanzminister — man möge es ihm sagen —, darüber sprechen wir uns noch!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Wenn man aber schon einzelne Deckungsvorschläge haben will, — ich habe ja bereits darauf hingewiesen, daß eine Überprüfung des Branntweinmonopols vermutlich schon Beträge in einer Größenordnung ergeben würde, die hier durchaus hinpaßte. Ich möchte Sie auf die Möglichkeit, ja, auf die Notwendigkeit des Abbaus der Exportförderungsmaßnahmen hinweisen, die uns auch etwa eme halbe Milliarde jährlich kosten dürften und die nicht nur keine Förderung der Exporterlöse, sondern bei der heutigen Lage geradezu einer Schmälerung der Exporterlöse, also keine Förderung des Exports, bewirken. Außerdem entsprechen derartige Maßnahmen nicht den langsam sich Geltung verschaffenden Vorstellungen von der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Wir haben gar nichts dagegen, wenn die Bundesregierung in dieser Beziehung Herrn Butler vor einigen Tagen etwas versprochen haben sollte. Sie werden also ohnehin sehr bald wohl wegfallen müssen. Es gibt andere und bessere Mittel, dem Export zu helfen, z. B. vielleicht wirkliche, aktive Auslandskredite für den Export, wenn wir unsere Schulden nunmehr konsolidiert haben und bezahlen wollen und wenn wir uns wirklich dem Zustand einer hundertprozentigen Volldeckung unseres Geldumlaufs durch Gold und Devisen nähern sollten, ein Zustand, den der Herr Bundeskanzler in seiner unerforschlichen Güte und Weisheit vor einigen Tagen überraschenderweise als erstrebenswert bezeichnet hat.

    (Heiterkeit und Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich muß noch zu Dingen sprechen, die nicht in der Gesetzesvorlage stehen. Wo steht denn die Regierung in der Frage des Kapitalmarktes und des Wohnungsbaus? Herr Kollege Neuburger hat diese Lücke bereits feststellen müssen. Ich kann sie allerdings nicht mit so viel Liebenswürdigkeit und ich muß sie nicht mit so viel Verlegenheit behandeln, wie er es tat.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir hatten einmal eine Regierungsvorlage beim Bundesrat, derzufolge die Sozialpfandbriefe und die Kuponsteuer wegfallen sollten. Diese Vorlage ist vom Herrn Bundesfinanzminister in seiner Einführungsrede zu den Steuervorlagen hier mündlich widerrufen worden. Aber eine weitere Folge hat das nicht gehabt, und wir haben keine Regierungsvorlage zum Kapitalmarktförderungsgesetz. Jetzt, in diesen Steuervorlagen, nimmt man gar keinen Bezug darauf; da bleiben die Sozialpfandbriefe drin, da bleibt die Kuponsteuer drin. Ja, bleiben nun nach den mündlichen Erklärungen die Sozialpfandbriefe, oder bleiben sie nach der Regierungsvorlage nicht? Fällt der § 7 c weg? Fällt er nicht weg? Fallen sie beide weg?
    Meine Damen und Herren! Bevor ich mich auf ein solches Ratespiel einlasse, muß ich doch einmal fragen: Was denkt sich eigentlich die Regierung bei diesem Verhalten? Stellt sie sich eigentlich vor, daß man die Steuerreform einer Lösung näherbringen könnte, ohne für diese wichtigen Fragen eine klare Linie zu haben und ohne eine Stellungnahme der Regierung als Grundlage der Dis-


    (Seuffert)

    kussion vorzulegen? Ist ein solches Verhalten eine Beschleunigung der Steuerreform, zu der sich doch die Bundesregierung bekennt oder mindestens vom Herrn Bundeskanzler feierlich in der Öffentlichkeit verpflichtet worden ist?

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Spiel mit dem Parlament!)

    Oder stellt man sich etwa hier wieder vor, daß schnell herbeizuführende einsame Kabinettsbeschlüsse genügen werden, auf die die Mehrheit von vornherein verpflichtet ist, ohne daß man die Parlamentsarbeit einzuschalten braucht?

    (Zurufe von der SPD: Wahrscheinlich! Sehr wahrscheinlich!)

    Meine Damen und Herren! Diese Dinge müssen besprochen werden — mit und ohne Vorlage —, und Herr Kollege Neuburger mußte sie ja auch besprechen. Unsere Einwände gegen die Politik der Regierung auf diesem Gebiet, die wir mit Nachdruck bei Gelegenheit des Kapitalmarktförderungsgesetzes vorgetragen haben, sind vollauf bestätigt worden. Auch dort, wo damals Übergangsmaßnahmen toleriert werden mußten und wo auch wir bereit waren, sie zu tolerieren, wäre die Fortsetzung dieser Maßnahmen jetzt mehr als schädlich. Die Maßnahmen der Regierung haben sich als ungeeignet erwiesen zur Stärkung des Kapitalmarktes und auch zur Kapitallenkung, wo diese erforderlich gewesen wäre. Sie haben zu steuerlich unerträglichen Ergebnissen geführt, und vor allen Dingen haben sie der wichtigsten Tendenz entgegengewirkt, die auf diesem Gebiet mit allen Mitteln gestützt und verstärkt werden muß, der Tendenz zur Senkung des Kapitalzinses. Die Wichtigkeit dieser Dinge haben wir schon im Jahre 1950 durch unsere Anträge betont. Diese Steuerbegünstigungen halten den Kapitalzins hoch.
    Der Fehler der ganzen Sache liegt neben der Unmöglichkeit, aus Steuergesetzgebung und Kapitalzins Renditebegriffe zusammenzukleistern, und neben der Unmöglichkeit, die verschiedenen Formen der Kapitalanlage und ihre Erträge steuerlich so unterschiedlich zu behandeln — der Kapitalmarkt ist ein Ganzes in allen seinen Formen —, vor allen Dingen in der falschen Einschätzung der Rolle, die die legitimen Kapitalsammelstellen am Markt spielen. Diese legitimen Kapitalsammelstellen sind an den Steuerbegünstigungen uninteressiert, und durch die Kuponsteuer werden sie vom Markt ferngehalten. Auf diese Art und Weise haben die Begünstigungen genügt, daß damit Geschäfte gemacht wurden, und was für Geschäfte! Ich will mich darüber gar nicht näher verbreiten, um nicht vielleicht einige Leute auf noch neue Ideen zu bringen. Aber sie haben nicht genügt, einen ausreichenden Absatz auch der steuerbegünstigten Papiere zu gesunden Bedingungen zu sichern; denn bei den miserablen Auszahlungs-
    und Emissionskursen, die wir heute sehen, ist die effektive Verzinsung auch der steuerbegünstigten Papiere ein Beweis dafür, daß dieser Weg, billiges Geld herzubringen, nicht der richtige war, jedenfalls jetzt nicht mehr der richtige ist.
    Es muß aber auch aufhören lassen Sie mich das bei dieser Gelegenheit bemerken —, daß Banken oder andere kapitalkräftige Unternehmen Termingelder in abnormer Höhe hereinnehmen, die sehr wohl bereits auf den Kapitalmarkt gehören würden — eine derartige Tatsache ist in Denkschriften des Bankenverbandes als unabänderlich und sogar geradezu als Begründung für steuerliche Forderungen vermerkt worden —, und es muß aufhören, daß diese Banken das Geld in steuerfreien Papieren anlegen, statt sich die Mühe zu geben, Kredite an die Wirtschaft auszugeben.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Banken sind dazu da, Kredite auszugeben; aber sie sind nicht dazu da, ihr eigenes Geld in Papieren anzulegen, und sogar noch in steuerfreien, und hierzu außerdem noch Gelder ihrer Kunden hereinzunehmen, die auf den Kapitalmarkt gehören. Auch die Wirtschaft ist dazu da, mit den Krediten zu bauen und zu wirtschaften und nicht das Geld auf die Bank zu legen.
    Wir haben, meine Damen und Herren, dies alles damals vorausgesagt. Es ist hervorzuheben und sehr anzuerkennen, daß angesehene und verantwortungsbewußte Männer aus dem Bankwesen selbst sich von allen bequemen Interessenstandpunkten frei gemacht und deutlich und unmißverständlich auf diese Mißstände und Mißbräuche hingewiesen haben. Vielleicht werden sie Ohren erreichen, die mit unseren Vorstellungen zu erreichen und zu überzeugen uns nicht möglich war.
    Ich begrüße in diesem Zusammenhang, daß die Bankenverbände und die Bankaufsichtsstellen sich nunmehr zu einer Aktion vereinigt haben, um die Habenzinsen unter wirklich wirksame Kontrolle zu bringen. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Aktion in der Praxis auch zu den notwendigen Auswirkungen führt.
    Ich glaube, ich sollte noch eine Bemerkung über die wirkliche Grundlage des Kapitalmarkts machen; denn man kann in der heutigen Situation an diesem Problem, gerade wenn man über Steuerreform und über die Ziele spricht, die damit zu verfolgen wären, nicht vorbeigehen. In Denkschriften des privaten Bankgewerbes sind wörtlich Sätze zu finden wie:
    Die Spitzenbelastungssätze des Steuertarifs
    sind für Zinsen und Dividenden entscheidend.
    Wenn da weiter steht, daß die mittleren Einkommensgruppen für die Kapitalbildung wichtig sind, so wäre das schön und gut, wenn es nicht dahin erläutert wäre, daß unter solchen mittleren Gruppen die Einkommensgruppen von 20 000 bis 150 000 DM im Jahr gemeint seien.

    (Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Schöne „mittlere Einkommen"!)

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das ist der
    neue Mittelstand! — Weiterer Zuruf von der
    SPD: Pferdmenges!)
    Die Grundlage des Kapitalmarktes sind, wie die Grundlage der Wirtschaft überhaupt, der Normalbürger und das Durchschnittseinkommen. Auch der Normalbürger hat das Recht auf Zinsen und Dividende und auf Zugang zum Kapitalmarkt, und wehe dem Kapitalmarkt, wenn er von ihm abgesperrt wird. Bisher ist ihm der Zugang verkümmert worden. Um die Frage, was eigentlich „Normalbürger", „mittlere Gruppe" und „Durchschnittseinkommen" sind, einmal klarzustellen, lassen wir


    (Seuffert)

    einige Zahlen sprechen. Nach den Angaben des IfoInstituts — das Bundesfinanzministerium versorgt die Öffentlichkeit ja immer noch unzureichend mit solchen Statistiken —

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Mit gutem Grund!)

    hatten wir im Jahr 1952 20 Millionen Leute, die von der Einkommen- und Lohnsteuer erfaßt wurden, davon 15,5 Millionen effektiv besteuert und die übrigen steuerbefreit. Sie hatten insgesamt 66,7 Milliarden DM steuerpflichtiges Einkommen. Davon lagen rund 58 Milliarden DM in den Einkommensgruppen bis 12 000 DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Von den 15,5 Millionen effektiv Besteuerten der Lohn- und Einkommensteuer waren 12,4 Millionen oder vier Fünftel Arbeitnehmer, und von diesen Arbeitnehmern waren nur 132 000 oder 1 % Leute, die ein Einkommen über 12 000 DM bezogen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich glaube, diese Zahlen stellen klar, was wirklich Durchschnittseinkommen ist und was man meinen muß, wenn man von Durchschnittseinkommen und mittleren Einkommen spricht; und das, was aus diesen Zahlen sich ergibt, meine auch ich, wenn ich in der Folge von diesen Begriffen spreche.
    Nun noch ein Wort zum Wohnungsbau, ein sehr wichtiges Wort; denn es wird Sie nicht überraschen, wenn ich noch einmal betone, daß gerade auch in diesen Fragen des Kapitalmarkts und allem, was damit zusammenhängt, die Sicherstellung der Finanzierung des Wohnungsbaues, vor allem natürlich des sozialen Wohnungsbaues, unsere Hauptsorge und unser Hauptanliegen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Was ist nun eigentlich? Will man die Sozialpfandbriefe dem Wohnungsbau nehmen? Will man sie ihm belassen? Über die außerordentlich schädlichen Auswirkungen der Existenz solcher steuerbegünstigten Papiere habe ich mich soeben ausgelassen. Ich stimme auch den Ausführungen des Kollegen Neuburger hier vollständig zu. Es wäre wirklich begrüßenswert, wenn man sich entschlösse, auf diese Papiere zu verzichten, zumal ihre miserablen Emissions- und Auszahlungskurse, die sich trotz oder meiner Ansicht nach wegen der Steuerbegünstigungen ergeben, durchaus nicht den Beweis geliefert haben, daß auf diese Weise billiges Geld in den Wohnungsbau zu bringen ist — oder wenigstens billigeres als auf anderem Wege —, geschweige denn in der Zukunft zu bringen sein würde.
    § 7 c. Nach der Regierungsvorlage soll er wohl Ende des Jahres auslaufen. Die Wohnungswirtschaft macht aber geltend, sie könne ihn nicht entbehren. Die schlimmen Auswirkungen des § 7 c, der ja auch einer der größten, vielleicht jetzt der größte Topf der Sondervergünstigungen ist, in die hinein unser Steuergeld verschwunden ist, brauche ich hier auch nicht zu betonen. Wir haben uns über diese Sondervergünstigungen oft genug ausgesprochen, und was sich hier abgespielt hat, ist zu bekannt, als daß ich es zu wiederholen brauchte.
    Wenn die Wohnungswirtschaft behauptet, sie könne ohne § 7 c nicht auskommen, so wird auf das schärfste, aber auch auf das ernsthafteste zu prüfen sein, ob er wirklich noch nötig ist. Wenn überhaupt — darüber ist man sich doch wohl vollständig einig —, könnte er nur in einer sehr abgeschwächten und beschränkten Form aufrechterhalten werden: Verlängerung der Laufzeit, um einer gesunden Finanzierung näherzukommen, Verweisung in das zweite Geld, Beschränkung bzw. allermindestens ganz vorzugsweise Hinlenkung auf den wirklich sozialen Wohnungsbau. Darüber werden, wie gesagt, noch sehr ernsthafte Prüfungen anzustellen sein. Aber ich wiederhole: die Finanzierung des Wohnungsbaues, des sozialen Wohnungsbaues muß sichergestellt werden, d. h. des Wohnungsbaues für diejenigen Leute, die keine Zuschüsse aufbringen können. Es handelt sich um ein Gebiet — das hat der Kollege Neuburger zwar nicht mit eigenen Worten, aber dem Sinn nach ausdrücklich bestätigt —, wo es keine freie Wettbewerbswirtschaft und keine Kostenmiete geben kann, wo eben immer der unrentierliche Teil da sein muß.
    Wenn wir auf die sich nunmehr außerordentlich schädlich auswirkenden bisherigen Finanzierungsmittel ' oder einen Teil dieser Finanzierungsmittel verzichten können und verzichten müssen, so müßten in der Tat sicher neue Wege zur Finanzierung des Wohnungsbaues beschritten werden, denn dessen Finanzierung darf nicht leiden. Natürlich müßten für den unrentierlichen Teil letzten Endes immer irgendwie öffentliche Mittel eingesetzt werden. Aber wir glauben auch, daß es andere, neue Wege geben könnte. In der Ausdehnung des Geschäftes der Direkthypotheken liegen durchaus noch Möglichkeiten und Reserven. Die Ausdehnung des Bereichs der ersten Hypothek durch Revidierung recht überholter Deckungsvorschriften hätte eine sehr heilsame Auswirkung. Darüber hinaus sollte man zur weiteren Ausdehnung von ersten oder I b-Hypotheken, die entsprechend billig sein könnten, zur Verbürgung von Hypotheken oder zur Versicherung von Hypotheken nach amerikanischem Muster schreiten. Ich glaube, das wäre ein billiger und risikoloser Weg. In diesem Zusammenhang kann ich es nur begrüßen, daß in der Wohnungsbaunovelle, die das Wohnungsbauministerium vorgelegt hat, ein Schritt auf diesem Wege getan worden ist. Das ist ein erfreulicher Zug in der Novelle. Ich fürchte allerdings, sie hat auch unerfreuliche Züge.
    Meine Damen und Herren, nachdem nun mit gutem Grund über vieles gesprochen werden mußte. was nicht in den Steuervorlagen enthalten und nicht in ihnen berührt war, komme ich endlich zur Regierungsvorlage selbst, und zwar zunächst zur Einkommensteuer. Daß eine Reform der Einkommensteuer, eine Tarifreform, eine Reform des Systems notwendig war und ist, das ist eigentlich bekannt. Nur das Bundesfinanzministerium hat davon keine Kenntnis genommen. Mit wirklichen Tariffragen hat es sich überhaupt nicht beschäftigt. Schließlich hat es auch in all den Jahren bisher im ganzen Verband des Bundesfinanzministeriums keinen einzigen Menschen gegeben, der sich von Berufs und Amts wegen mit der Steuerreform beschäftigt hätte.
    Unsere Forderungen zur Reform des Tarifsystems bei der Einkommensteuer sind seit langem bekannt. Ich werde sie noch einmal wiederholen. Sie beginnen mit dem steuerfreien Existenzminium von 1500 DM jährlich für jedermann und dem doppelten Betrag für das Ehepaar.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Das ist unserer Ansicht nach eine moralische Forderung, weil ein ausreichendes Existenzminimum die
    notwendigste moralische Grundlage eines Steuer-


    (Seuffert)

    systems ist und weil diese moralische Forderung unter diesem Betrag einfach nicht als erfüllt angesehen werden kann. Das ist außerdem die dringendste Forderung zur Vereinfachung der ganzen Steuerverwaltung und zur Ausschaltung der lächerlichen Bagatellen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Unsere weitere Forderung, die wir auch immer wieder vorgetragen haben, ist die Ausschaltung der Progression oder wenigstens eine möglichst große Annäherung an die Proportionalbesteuerung für das kleine und mittlere Durchschnittseinkommen des Normalbürgers. Ich habe gesagt, was ich unter einem solchen Durchschnittseinkommen verstehe. Warum wir hier die Annäherung an die Proportionalbesteuerung oder im Idealfall — im meines Erachtens durchaus erreichbaren Idealfall — diese selbst fordern, ist schon oft gesagt und begründet worden. Damit würden in diesem Bereich alle diejenigen Härten und ewigen Streitfälle wegfallen, die die Progression in bezug auf den Lohnsteuerjahresausgleich, mehrere Arbeitsverhältnisse, Überstunden, Nebenverdienst der Pensionäre und vor allem in dem Fall der mitverdienenden Ehefrau ständig verursacht. Eine solche Annäherung würde diese Fälle reduzieren, bedeutungslos machen und im, wie gesagt, erreichbaren Idealfall schlechterdings beseitigen. Die Härten, die Reibungen liegen doch in diesem Bereich des Durchschnittseinkommens, und zwar vor allem dort. Die Progression soll unserer Vorstellung nach erst außerhalb dieses Bereiches einsetzen

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und dann durch eine besondere Zusatzsteuer durchgeführt werden. Damit wäre gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, diejenigen Ermäßigungen, die jedermann zukommen, auch jedermann gleichmäßig zu geben;

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    insbesondere die Familienermäßigungen, und den absurden Zustand zu beseitigen, daß man sehr zum Nachteil des Steuersäckels um so mehr — ein Vielfaches — an Kinderermäßigung bekommt, je mehr Einkommen man zur Verfügung hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Damit wäre gleichzeitig wenigstens ein erster Schritt zur Beseitigung des ganzen Steuerklassensystems, das wir schon immer kritisiert und angefochten haben, und des Übergangs zum System der Kinderbeihilfen getan, von dem ja nun, ich glaube, nachgerade nicht nur wir die Meinung vertreten, daß es das richtigere System ist. Das alles zusammengenommen soll dazu dienen, eine angemessene Steuerform und eine angemessene Entlastung für die kleinen und mittleren Einkommen herbeizuführen. Darunter verstehen wir diejenigen Einkommen, die durch die Verbrauchsteuern so stark vorbelastet sind, wie ich Ihnen eingangs meiner Ausführungen anschaulich dargestellt habe. Sie tragen diejenigen Vorbelastungen, welche auszugleichen der Sinn der Einkommensteuer ist. Das heißt also, die Einkommensteuer sollte sich in dem Bereich, in dem sich die Verbrauchsteuerbelastung so stark auswirkt, so niedrig wie möglich halten, wenn nicht möglichst ganz verschwinden. Außerdem wird eine derartige Entlastung des Durchschnittseinkommens gerade im gegenwärtigen Augenblick auch von der wirtschaftlichen Vernunft eindeutig verlangt. Ich höre immer so viel Schlachtrufe über Konsumförderung und Kapital-
    und Sparbildung, meistens aus der Gegend des Bundeswirtschaftsministeriums, manchmal auch aus anderen Gegenden, auch über Wohnungs- und Eigenheimbau und Eigentumsbildung, was ja in dieser Art auch nichts anderes darstellt. Wer soll denn konsumieren, wer soll denn Eigentum bilden, wem soll dazu geholfen werden? Ich meine doch, die breite Masse der Normalbürger; denn die anderen bilden ja sowieso Eigentum.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Die haben schon Eigentum!)

    — Die haben ja schon Eigentum, und konsumieren tun sie auch!

    (Abg. Baur [Augsburg] : Zuviel haben sie!) Man hat wirklich sehr oft das Gefühl, es herrsche bei der Regierung und bei dem, was sich so um sie schart, die Auffassung, daß der Gebrauch von mehr oder weniger wohlklingenden Schlagworten hauptsächlich dazu dasei, um sich der Verpflichtung zu entheben, diese Worte auch in die Tat umzusetzen und ihnen zu genügen.


    (Beifall bei der SPD.)

    Man hört so viel von mittelständlerischen Forderungen. Wer ist denn der Mittelstand, und was sind denn mittelständlerische Forderungen anders als die, von denen ich hier spreche und die wir vertreten!

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Lachen in der Mitte. — Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Ja, meine Herren, so ist es! — Erneutes Lachen in der Mitte.)

    — Ich danke für die Unterstützung.

    (Heiterkeit. — Abg. Stücklen: War bestellt, was?!)

    Zur Diskussion stehen nun der Tarif des Regierungsvorschlages, der Tarif des Sachverständigenausschusses des Bundesrates in den Diskussionsbeiträgen und die Stellungnahme des Bundesrates zur Tariffrage in diesem Gesetzentwurf. Der Tarif dieses Sachverständigenausschusses, des sogenannten Troegerausschusses, ist kein Idealtarif; das spricht er selber aus und das muß man ihm zugeben. Er bezeichnet sich ausdrücklich als ein Kompromiß zwischen den von den Sachverständigen so eingeschätzten haushaltsmäßigen Möglichkeiten und den weitergehenden wirklich sachlich begründeten Forderungen, die restlos eben dann in einer zweiten Stufe verwirklicht werden müßten. Dieser Tarifvorschlag läuft in derselben Linie wie unsere grundsätzlichen Vorstellungen — ich will nicht sagen: er hat sie übernommen —; insbesondere enthält er die Tendenz zur proportionalen Besteuerung bei den unteren Durchschnittseinkommen, die wir für so außerordentlich wichtig halten. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Tariffrage diese Tendenz und diese Forderung einstimmig übernommen. Das ist sehr zu begrüßen und festzuhalten. Sowohl der Sachverständigenausschuß des Bundesrates wie der Bundesrat selbst haben auch an der Tendenz zur Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums festgehalten. Sie haben 1000 DM vorgeschlagen, immerhin mehr als die Regierungsvorlage. Sie sind allerdings unserer Auffassung nach entschieden nicht weit genug gegangen. Die, wie gesagt, moralisch begründete Forderung nach dem Mindestbetrag von 1500 DM, die wir vertreten, bleibt bestehen. Es ist richtig, daß der Tarif des Troeger-Ausschusses aus Systemgründen eine Mehrbelastung — nicht nur eine Mehr entlastung, sondern eine Mehr be -


    (Seuffert)

    lastung — in Einkommensstufen von ungefähr 8000 DM jährlich bei gewissen Steuerpflichtigen — Stufen, die durchaus auch für Arbeitnehmereinkommen in Frage kommen — vorgesehen hätte. Das wäre und ist für uns eine unannehmbare Folge. Aber sie ließe sich durch gewisse Umgestaltungen beseitigen. Übrigens — Herr Kollege Neuburger hat das auch schon zugegeben und angemerkt — finden sich gleiche Mehrbelastungen auch im Schäfferschen Regierungstarif. Dafür ist sicherlich auch dieser Tarif in den Einkommensstufen über 50 000 DM zu entgegenkommend.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Denn so ist es ja nun doch nicht, wie der Herr Bundesfinanzminister heute morgen gesagt hat, daß, wenn jemand die ganze Zeit infolge der ihm zugänglichen Sondervergünstigungen unter Tarif versteuert hat und nun, wenn dieser Tarif für andere Leute in Ordnung gebracht wird, an den Tarif herangeführt wird, er dann außerdem Anspruch darauf hat, durch diesen Tarif noch besondere Steuervorteile zu bekommen.
    Ich möchte aber vollständig klarstellen — ich habe es hier schon einmal ausgesprochen —: Die Sozialdemokratie ist nicht an hohen Steuersätzen interessiert. Sie ist vor allem nicht an hohen Steuersätzen interessiert, die nur auf dem Papier stehen. Wir begrüßen es und halten es auch für richtig, daß, wenn man die notwendigsten Steuersenkungen von unten hervornimmt, sie sich im Anschluß daran auch nach oben und in die Anschlußbereiche auswirken müssen und sollen. Aber man muß doch dabei maßhalten. Und wenn man — Herr Raestrup ist momentan auch nicht im Saal — dann wieder die Unternehmungen in Personalform anführt, so kann ich ja nur immer wieder das eine Wort „Betriebsteuer" sagen, damit Sie nicht vergessen, daß das immer noch unsere Forderung und unsere Lösung ist und bleibt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Empfehlungen des Bundesrats bringen also zwar einige gute Vorschläge, aber sie gehen nicht weit genug und haben einige unannehmbare Seiten. Der Regierungsvorschlag des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer dagegen enthält leider überhaupt nichts an Reformgedanken, nichts, was irgendwie die Probleme der Durchschnittseinkommen — und neben der Verbrauchsteuerbelastung habe ich ja gerade diese ärgerlichen Probleme wie Zusatzverdienst, mitverdienende Ehefrauen usw. angeführt — einer Lösung nahebrächte. Der Vorschlag enthält nichts an sozialen Erwägungen, ganz im Gegenteil. Wenn der Herr Bundesfinanzminister heute morgen wieder eine Zahl von 61% spazierenführen wollte, die eine Steuerentlastung infolge der Politik seiner Regierung für gewisse niedere Einkommen gegenüber den Vorkriegszahlen darstellen soll, kann ich nur sagen: Er soll doch einmal seine eigenen Kaufkrafttabellen aus der Begründung der letzten Steuerreform ansehen

    (Beifall bei der SPD)

    und nicht immer wieder mit solchen Zahlen operieren, die die Kaufkraftentwicklung, die das Lohnniveau und die den Lebensstandard, der sich in der Zwischenzeit ja weiß Gott etwas verändert hat, so gänzlich außer acht lassen! Denn aus den Kaufkrafttabellen ergibt sich ja, daß noch heute — in Kaufkraftzahlen gerechnet — die Besteuerung
    dieser Einkommen zum Teil über der Vorkriegsstufe liegt.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Sind Prozentzahlen!)

    — Ja eben, und deswegen soll man die Prozentzahlen richtig anwenden, Herr Dr. Atzenroth. Mit Prozentzahlen läßt sich sehr viel machen, besonders wenn man sie falsch anwendet.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Aus gutem Grund, macht er sie so rund!)

    Im Gegenteil: von sozialen Erwägungen ist da nichts zu spüren. Dafür hat man sich nun die Mühe gemacht, auf Grund eines ganz neuen Prinzips der steuerlichen Gerechtigkeit eine logarithmische Formel auszuarbeiten, durch die sichergestellt werden soll, daß die Progression in gleichmäßiger Steilheit, in majestätischem Zug von Null, vom Existenzminimum bis zum Millionär aufsteigt. Ein interessantes Stück Mathematik! Aber da muß man doch mit dem alten Kaiser Franz Joseph fragen: Wer hat's ihn g'schafft?

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Ich spreche gar nicht weiter davon, daß diese imposante steuerliche Gerechtigkeit natürlich oben aufhört nach einer netten Verbeugung vor den hohen Herrschaften; denn der Plafond schaltet die Progression natürlich oben aus statt unten, und da hat sich's mit der steuerlich gerechten, gleichmäßigen Progression.
    Aber kann man überhaupt ernsthaft behaupten, es sei angemessen, für Arbeitereinkommen und ihre Verhältnisse dieselbe Steilheit der Progression anzuwenden wie für Millionärseinkommen?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar heute morgen noch einmal ausdrücklich gesagt, es sei nach seiner Ansicht sogar falsch, die Progressionsverhältnisse einer Steuerkurve nach wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten abzuknicken; nun, ich will mich über „wirtschaftspolitisch" und „sozialpolitisch" hier nicht weiter streiten, aber um eine Unterscheidung zwischen Berufen, Herr Bundesfinanzminister — der wieder nicht da ist —,

    (Zurufe von der SPD)

    handelt es sich hier ja doch wohl nicht. Das können Sie im Kölner Bahnhof erzählen, aber nicht im Parlament.

    (Beifall bei der SPD.)

    Um Unterscheidung von Berufen handelt es sich hier ganz und gar nicht, sondern um Unterscheidung von Einkommensgruppen und von Lebenslagen.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Mir scheint überhaupt, daß der Herr Bundesfinanzminister heute den Unterschied der Anforderungen, die man an eine Plauderei im Kölner Bahnhof und an einen verantwortlichen Regierungsvortrag vor dem Parlament stellen muß, etwas verwischt hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Den Durchschnittsbürger in allen Ehren, aber nicht alles, was geeignet ist, im Kölner Bahnhof den Beifall der Durchschnittsbürger zu finden, ist geeignet, vor einem Parlament vorgetragen zu werden, in dem schließlich Leute sitzen, die die Zusammenhänge besser kennen oder besser kennen müßten.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)



    (Seuffert)

    Kann man denn wirklich ernsthaft behaupten, daß diese gleichmäßig steile, logarithmisch ausgerechnete Progression irgendeinen inneren Sinn habe? Der Herr Kollege Neuburger hat sie zunächst auch gelobt, hat dann aber doch einen kleinen Bauch in dem Logarithmus für bestimmte Zwecke empfohlen. Das war wenigstens eine sachliche Überlegung. Kann man denn wirklich auf den Gedanken kommen, daß man auf die 20 Mark, die ein Angestellter im Monat durch eine kleine Gehaltszulage oder ein Gewerbetreibender durch Mehranstrengung oder durch mehr Unkostenersparnis zusätzlich einnimmt, genau dieselbe Progression anwenden soll wie auf den Zuwachs von ein paar tausend Mark, die ein Millionär zu seinem Einkommen aus dem einen oder anderen Grund mehr bekommt?! Das Ziel einer Steuerpolitik und einer Tarifpolitik sind doch nicht mathematische Erfindungen, sondern das Ziel ist, daß die Besteuerung und die Progression der jeweiligen Einkommenstufe angemessen angepaßt sind. Nicht gleichmäßige Progression, sondern ungleichmäßige Progression ist zu fordern,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    flache oder gar keine Progression unten, mäßig steile im Anschluß und steile oben, wo andere Verhältnisse vorliegen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Gerade die Progressionsspitzensätze der einzelnen Steuerstufen, von denen die Begründung angelegentlich empfiehlt, man möge doch in Zukunft nicht mehr von ihnen sprechen, empfehlen wir immer wieder der allgemeinen Beachtung; denn sie sind, viel mehr als die Steuersätze der Spitzengruppen des Tarifs, ein wirklicher Maßstab für die Steuerbelastung gerade des Durchschnittseinkommens, für die Auswirkungen dieser Steuerbelastung auf die Initiative und auf die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Normalbürgers und für die Güte der Anpassung des Steuertarifs an die Forderungen des Lebens und der Lebenslage. Das sind Dinge, über die man sich einmal grundsätzlich unterhalten müßte. Da handelt es sich nicht immer um Mehr oder Weniger zwischen Fiskalismus und Interessenten — das sind doch sachliche Dinge, die man in einer Reform einmal erörtern müßte.
    Meine Damen und Herren, wir können keinen der Tarife empfehlen. An den Bundesratsvorschlägen ist einiges zu loben. Sie haben aber auch Schattenseiten und Unzulänglichkeiten. Der Entwurf der Regierung und gerade ihre Vorstellung von einem Tarifsystem sind aber für uns, weil sie in einem diametralen Gegensatz zu unseren grundsätzlichen Auffassungen stehen, durchaus unannehmbar. Wir müssen demgegenüber auf unseren eigenen Forderungen bestehen. Ich hatte sie ja eben wiederholt. Es muß aber noch gesagt werden, daß sich selbst innerhalb der Grenzen des Kompromisses, die sich der Bundesrat gezogen hat, selbst innerhalb der Grenzen der haushaltsmäßigen Vorstellungen, die uns der Herr Bundesfinanzminister als bindend vortragen wollte, noch bessere Lösungen, insbesondere für die kleinen und die mittleren Einkommen, finden ließen. Die Schattenseiten ließen sich mildern, und von den grundsätzlichen Forderungen würde sich mehr verwirklichen lassen. Auch für die Einkommen über 12 000 DM ließe sich mehr tun, wenn man sich nur entschlösse, dem immer wieder auffälligen Lieblingskind, den Einkommen über 50 000 DM, etwas weniger zu geben. Das ließe sich sogar tun, wie gesagt, ohne die haushaltsmäßigen Grenzen selbst des Regierungsvorschlages zu überschreiten. Das Material dazu liegt Ihnen vor, es ist der Öffentlichkeit übergeben. Sie können es prüfen und werden sich mit ihm auseinanderzusetzen haben.

    (Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Hoffentlich tun sie das!)

    Ich bleibe bei der Behauptung, daß diese haushaltsmäßigen Grenzen nicht überschritten werden, trotz der gegenteiligen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers heute morgen.
    Ich will im übrigen ebensowenig wie der Herr Bundesfinanzminister auf den Hin- und Herstreit darüber eingehen, wie der Ausfall nun eigentlich richtig anzusetzen wäre, welche Möglichkeiten noch beständen und wie die einzelnen Posten einzusetzen wären. Dazu wird im Ausschuß Notwendigkeit, aber auch Zeit genug sein. Hier möchte ich das gar nicht anfangen, schon wegen der Erfahrungen, die wir mit der Empfindlichkeit des Herrn Bundesfinanzministers, wenn man wagt, eine von ihm gebrachte Zahl zu bezweifeln, und mit der Schnelligkeit gemacht haben, mit der er dann imstande und bereit ist, diese Zahl durch eine andere zu ersetzen. Das sind immer sehr zeitraubende Dinge, und man muß zugeben, so einfach sind die Sachen ja nicht. Es ist zuzugeben: die Tatsache, daß eine Zahl aus dem Bundesfinanzministerium stammt, ist an und für sich noch kein ausreichender Beweis dafür, daß sie falsch ist.

    (Heiterkeit.)

    Das wäre uns, wie gesagt, zu zeitraubend und gehört in den Ausschuß. Wir werden im Ausschuß im übrigen darauf sehen, daß wir von den Forderungen, die ich vorgetragen habe, so viel wie möglich verwirklichen können. Wir werden im Endeffekt nicht ruhen, bis wir sie eines Tages gänzlich durchgesetzt haben. Das zur Tariffrage.
    Wir haben aber noch eine sehr wichtige Forderung anzumelden. Der zusätzliche Freibetrag für die Arbeitnehmereinkommen muß endlich wieder verwirklicht werden. Sie wissen, daß dieser Freibetrag selbst im strengsten Steuergesetz, das wir hatten, in den Kontrollratsgesetzen, eingeführt war. Wegen der Begründung brauche ich heute auch nicht weiter auszuholen. Sie ist schon oft gegeben worden. Dieser Freibetrag ist ein Ausgleich für unbestreitbare Tatsachen. Der Arbeitnehmer hat nicht die Möglichkeit wie der selbständig Tätige, seinen Lebensstandard im Wege der Verbindung mit seinen Geschäftsaufwendungen zu verbessern. Er hat im Gegenteil selbst innerhalb der ihm gegebenen Möglichkeiten sehr viele und oft aussichtslose Mühe, seine effektiven Auslagen und Werbungskosten steuerlich irgendwie zur Geltung zu bringen. Eine weitere Begründung ist, daß derjenige, dessen Erwerb nicht mit dem Besitz von Kapital verbunden ist, natürlich aus seiner Arbeit selbst für seine Altersversorgung und auch für die Sicherstellung und das Erbe seiner Kinder das herauswirtschaften muß, was bei anderen Leuten durch den Besitz von vererblichem und verwertbarem Kapital und durch Vermehrung und Erhaltung desselben ohne weiteres gegeben ist. Der Arbeitnehmer, der diese zusätzlichen Möglichkeiten nicht hat, fällt dem Substanzverlust seiner Arbeitskraft, dem Verlust des Ergebnisses seiner Lebensarbeit anheim, den wir hier so oft schon beklagt haben. Das weitere können Sie auch in den Diskussionsbeiträgen des Bundesrats nachlesen. Es ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß der zweite Gesichtspunkt, den ich angeführt habe, ebenso für


    (Seuffert)

    diejenigen gilt, die in selbständiger Arbeit ohne den Besitz eines vererbbaren und veräußerbaren Kapitals tätig sind, insbesondere für die freien Berufe. Es wäre deshalb richtig und logisch und unserer Ansicht nach unausweichlich, diesen Freibetrag .auf alles Arbeitseinkommen, also auf den angelsächsischen Begriff des earned income auszudehnen.
    Das weitere zur Höhe können Sie, wie gesagt, auch in den Diskussionsbeiträgen nachlesen. Ich will dazu nur soviel sagen: In den Kontrollratsgesetzen war der Betrag von 1000 Mark jährlich vorgesehen. Dieser sollte mindestens als Höchstsatz erreicht werden. Ob daneben eine prozentuale Beschränkung zu treten hat, wäre zu untersuchen. In diesem Zusammenhang darf ich übrigens nochmals an das Unkostenpauschale der freien Berufe erinnern, über das dieses Haus doch schon mehrmals einstimmige Beschlüsse gefaßt hat, ohne daß sich etwas im Blätterwald gerührt hätte. Da wir gerade bei Fragen sind, die vor allem den Arbeitnehmer interessieren: Wir begrüßen den Anstoß des Bundesrats, nun endlich in das außerordentlich unzureichend geregelte Gebiet der steuerlichen Behandlung der Fahrtkosten des Arbeitnehmers auf seinem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte Ordnung zu bringen, um den Arbeitnehmer wenigstens einigermaßen den selbständig Tätigen gleichzustellen. Die Regierungsvorlage schlägt die Beseitigung der steuerlichen Vergünstigungen für Überstunden vor. Das müßte zur Voraussetzung haben, daß man sich in diesem Bereich dem Proportionaltarif nach unseren Vorschlägen anschließt oder annähert; denn durch diesen Proportionaltarif werden die schädlichen Auswirkungen bei notwendigen Überstunden ja gerade vermieden. Der Veranlagungsfreibetrag für die Nebeneinkünfte der Arbeitnehmer aus Zinsen oder Mieteinkommen aus einem kleinen Häuschen usw., der immer noch auf 600 DM jährlich steht, soll nach der Regierungsvorlage unverändert bleiben. Wir sind der Ansicht, daß in Anpassung an die Lebensverhältnisse und zur Vermeidung der immer wieder ärgerlichen Bagatellfälle auch dieser Freibetrag erhöht werden müßte; denn er ist überholt.
    Was die Rentenbesteuerung anlangt, so soll ein neues System der Besteuerung aller Renten eingeführt werden, durch das, wie die Begründung sagt, der bisherige Freibetrag für die Sozialversicherungsrenten überflüssig würde, weil sich die Steuerfreiheit in gleicher Höhe auswirken soll. Der Freibetrag von 600 DM ist aber ebenfalls längst überholt. Er hätte, denke ich, auf 800 bis 1000 DM im Jahr erhöht werden müssen. Wenn das neue Besteuerungssystem die Steuerfreiheit der Sozialrenten nur in Höhe des bisherigen Freibetrags sicherstellen sollte, nicht aber bis zur Höhe, auf die der Freibetrag ohnehin hätte erhöht werden müssen, so wäre das, wie ich jetzt schon sagen möchte, für uns unannehmbar.
    Einige Worte zu den vorgeschlagenen Neuerungen auf dem Gebiet der Sonderausgaben. Man will die Steuerbegünstigung für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen streichen. Das nimmt sich angesichts der ständigen Kampfrufe nach Eigentumsbildung, Stärkung des Kapitalmarkts und des haftenden Kapitals usw. sonderbar aus. Diese Genossenschaftsanteile sind ja schließlich die Aktien des kleinen Mannes.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das ist ja der Zweck der Übung!)

    Diese Steuerbegünstigung sollte man bestehenlassen.
    Es ist begrüßenswert, daß der Bundesrat die Frage der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer angeschnitten hat und diese Abzugsfähigkeit beseitigen will. Das entspricht einer Forderung der Steuergerechtigkeit, die wir immer vertreten haben. Es macht auch Möglichkeiten frei, an anderen Stellen soziale Ermäßigungen zu gewähren oder zu verstärken. Wir werden der Stellungnahme des Bundesrates beitreten.
    Zur Abzugsfähigkeit der Versicherungsprämien sind dagegen wieder Einschränkungen geplant, denen wir nicht beistimmen können, insbesondere nicht der Beseitigung der halben Abzugsfähigkeit für die die Freibeträge überschießenden Beträge. Ich brauche — notgedrungen muß ich heute sowieso sehr lange sprechen — keine großen Worte über die eminente Bedeutung zu machen, die diese Beträge und die Begünstigungen für die Altersversorgung der freien Berufe haben. Selbst bei den bisherigen beschränkten Möglichkeiten einschließlich der halben Abzugsfähigkeit waren ja doch, wenn man nachrechnet, damit nur Altersrenten steuerbegünstigt anzusparen, die in gar keinem Verhältnis zu dem standen, was etwa ein vergleichbarer Beamter durch die ihm gegebene Pensionszusage ohne weiteres steuerfrei erhält. Derartige Differenzen sind nicht erträglich. Wir können ja schließlich die allgemein fortschreitende Verbeamtung nicht auch noch auf diesem Wege fördern. Nach unserer Ansicht ist das Kompromiß auf diesem Gebiete vom Jahre 1953 das Äußerste des Erträglichen. Dieses Kompromiß sollte möglichst noch verbessert werden.
    Auch die vorgeschlagene abrupte Beseitigung des Altersprivilegs wird von uns abgelehnt. Dafür ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen.
    Daß wir den merkwürdigen fiskalischen Einfall hinsichtlich der Begünstigung des nichtentnommenen Gewinns der Flüchtlingsbetriebe, die Schonfrist für die Kapitalanreicherung dieser Betriebe um ein Jahr abzukürzen — der Herr Kollege Neuburger hat das ja schon zur Genüge gekennzeichnet —, schärfstens ablehnen, ist selbstverständlich.
    Die Verlängerung der Gewährung, der Freibeträge für die Hausratsbeschaffung der Vertriebenen und Totalgeschädigten — § 33 a — ist von der Regierung nicht vorgesehen. Wir sind sicherlich auch nicht für eine Abtrennung verschiedener Bevölkerungskreise in die Ewigkeit, auch nicht für eine Absonderung durch Privilegien, glauben aber doch, daß die Frage der Verlängerung sehr ernsthaft zu prüfen ist. An und für sich sollte dieser Paragraph eine Übergangslösung bis zur Regelung der Hausratsentschädigung im Lastenausgleich darstellen. Aber die Hausratsentschädigung aus dem Lastenausgleich steht gerade für die hier Betroffenen noch in weiter Ferne. Außerdem muß man gerade Spätheimkehrer, Sowjetzonenflüchtlinge usw. im Auge haben, die bisher die Begünstigung überhaupt noch nicht in Anspruch nehmen konnten. Man muß die Frage der Verlängerung deswegen ernsthaft prüfen, und ich war von meiner Fraktion beauftragt, denselben Vorschlag zu machen, den Herr Kollege Neuburger eben bereits gebracht hat, nämlich den einer individuellen Befristung dieser Freibeträge in der Weise, daß der einzelne Steuerpflichtige sie jeweils nur für eine gewisse Zahl von Jahren in Anspruch nehmen kann.


    (Seuffert)

    Ich komme nun zur Frage der Haushaltsbesteuerung, insbesondere zur Besteuerung der mitverdienenden Ehefrau. Das Prinzip der Haushaltsbesteuerung — das ging ja auch letzten Endes aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger hervor — ist fragwürdig geworden und muß überprüft werden. Es haben sich einfach die soziologischen Tatbestände gewandelt. Es ist einfach nicht mehr der Normalfall, der fast ausschließliche Normalfall, daß nur ein Eheteil im Erwerbsleben tätig ist, und der Aufbau eines jungen Hausstandes läßt sich heute ohne Tätigkeit beider Teile kaum denken. Davon müßte man Kenntnis nehmen. Die Regierung allerdings macht überhaupt keinen Versuch, sich mit diesem Tatbestand auseinanderzusetzen. Statt daß die bisherige Teillösung auf diesem Gebiet ausgebaut, vervollkommnet und auf die gleichgelagerten Fälle ausgedehnt wird, soll sie eingeschränkt und abgebaut werden, und das mit dem Ziele einer Mehrbesteuerung, nebenbei gesagt in einer unerträglich komplizierten Weise, so daß man sich die einschlägigen Bestimmungen aus ungefähr zwölf Gesetzesstellen und außerdem noch aus der Durchführungsverordnung, also aus einer anderen Ebene — das scheint mir überhaupt nicht zulässig zu sein — zusammensuchen und sich mühsam klarmachen muß, was nun eigentlich gemeint ist. Es wird überhaupt nicht der Versuch gemacht, auch der selbständig arbeitenden Ehefrau sowie der im eigenen Betrieb mitarbeitenden Ehefrau gerecht zu werden. Die Fragen der Gleichberechtigung werden überhaupt nicht erwähnt. Es soll also immer weiter dabei bleiben, daß es einen eminenten Unterschied macht, ob die junge Ärztin, die geheiratet hat, im Angestelltenverhältnis oder als freie Ärztin arbeitet. Es wird einfach kein Versuch gemacht, sich damit auseinanderzusetzen. Die Zahl der Fälle, in denen zwei Leute, die verdienen und verdienen müssen und verdienen wollen, nur deswegen mehr Steuern zahlen, weil sie heiraten, die Zahl dieser Fälle, die so unerträglich sind, wird nicht etwa reduziert, sondern es werden zahlreiche neue Fälle dieser Art geschaffen. Herr Bundesfinanzminister, wenn der DGB einmal gefordert hat, daß man an eine Lösung dieser Fragen herantreten müsse, so können Sie sich doch nicht auf den DGB berufen, wenn Sie jeden Versuch einer Lösung vermeiden und die bisherige Notlösung sogar noch einschränken. Auch das gehört zu den Dingen, die Sie besser am Kölner Bahnhof erzählen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir lehnen, um darüber gar keinen Zweifel zu lassen, diese Vorschläge der Regierung rundweg ab. Wir verlangen, daß man endlich, statt die Teillösungen auch noch abzubauen und dabei immer noch darauf auszugehen, mehr Steuern hereinzubekommen, eine wirkliche Lösung schafft, die nicht in erster Linie vom Steuerergebnis bestimmt sein darf. Eine solche Lösung für die große Mehrzahl dieser Fälle wäre eben die Verwirklichung unserer Forderung, für den großen Bereich der Durchschnittseinkommen die Progression auszuschalten oder fast auszuschalten. Denn die Härten, die hier durch die Zusammenrechnung entstehen, entstehen ja durch die Progression und lassen sich durch Ausschaltung der Progression beseitigen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Lösung läßt sich natürlich ausbauen. Ich nehme an, daß im Laufe der Debatte auch die Frage des Splitting angesprochen werden wird. Ich wiederhole, daß unsere Vorschläge im Bereich der Durchschnittseinkommen das Splitting praktisch durchführen; denn Splitting heißt Ausschaltung der Progression, und das wollen wir. Wenn man, wie gesagt, das Prinzip ausbauen kann, ohne daß ein übermäßiger Steuerausfall entsteht, der dann für noch dringendere Forderungen fehlen könnte, wo man ihn brauchte, so sind wir dabei. Die Frage des Ausfalls darf hier nicht die entscheidende Rolle spielen, wenn er sich in einigermaßen erträglichen Grenzen halten läßt. Aber eine richtige Lösung muß gefunden werden, weil die Haushaltsbesteuerung als Besteuerungsprinzip — wovon denn nun auch das Bundesfinanzministerium einmal Kenntnis nehmen möge — durch die gesellschaftliche Entwicklung recht fragwürdig geworden ist und neu überdacht werden muß.
    Nun darf ich zur Körperschaftsteuer kommen. Zu dem vorgeschlagenen Satz der Körperschaftsteuer will ich mich jetzt nicht speziell äußern. Wir haben immer zum Ausdruck gebracht, daß der Satz von 60 %, d. h. die Erhöhung, die im Jahre 1951 als fiskalische Kompensation für die unüberlegten Steuersenkungen nach den 1949er Wahlen vorgenommen wurde, zu hoch gewesen ist. Es muß aber betont werden, daß die bei der Einkommensteuer zu fordernden sozialen Reformen vor einer Senkung der Körperschaftsteuer den Vorrang haben müssen und daß, wenn wirklich Reserven benötigt werden sollten, diese eher hier als anderswo zu holen sind. Gänzlich abzulehnen ist im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Neuburger — die Beibehaltung der Spaltung des Körperschaftsteuersatzes. Wir folgen auch in dieser Beziehung der Kritik des Bundesrats. Diese Spaltung hat zu höchst unerfreulichen Erfahrungen geführt. Sie stand mit den unglücklichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kapitalmarktförderungsgesetz in Verbindung, und sie sollte mit diesen Maßnahmen verschwinden. Ein weiterer Grund dafür ist, daß die Betriebe im öffentlichen Eigentum, insbesondere die Betriebe der Gemeinden, bei denen natürlich immer das Schachtelprivileg in Frage kommt, und auch diejenigen Unternehmungen, die mit gutem Recht ermäßigte Steuersätze genießen, nicht in den Genuß des Spaltungssatzes kommen sollen. Sie würden teilweise auch tatsächlich in eine merkwürdige Lage geraten, wenn sie Überlegungen auf Grund eines solchen Spaltungssatzes anzustellen hätten. Damit würden diese Unternehmungen einen erheblichen Teil der Steuervorteile verlieren, die sie im Verhältnis zu den Normalsätzen mit gutem Grund haben.
    Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Ermächtigung für eine Sonderbehandlung der Kapitalverwaltungsgesellschaften, die bisher im Körperschaftsteuergesetz stand, zu streichen. Die Begründung dafür — weil die Ermächtigung zu unbestimmt ist — läßt sich hören. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit anmerken, daß wir eine Sonderbehandlung für gewisse Kapitalverwaltungsgesellschaften, insbesondere für die Investment-Gesellschaften, die für die breite Spartätigkeit und für ein Angebot von Aktienwerten an die breite Masse so wichtig sind, demnächst wohl wieder schaffen müssen.
    Die Bestimmungen über die Genossenschaften sollen einer Neufassung unterzogen werden. Wir werden das im einzelnen überprüfen müssen. Bei der Wertschätzung der Idee der genossenschaftlichen Wirtschaftsform, die wir hier mehrfach ausgesprochen haben und die ich hier nur zu wieder-


    (Seuffert)

    holen habe, ist es selbstverständlich, daß wir dabei Wert darauf legen, daß eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Zustand nicht eintritt. Gerade auch auf dem Gebiet der Warenverteilung müssen wir immer das Prinzip des gleichen Starts für alle fordern, so wie es zum Beispiel durch die Regierungsvorlage zum Genossenschaftsgesetz festgelegt ist. Wir halten daran fest. Dieses Prinzip heißt gleichzeitig, daß wir gerade auf diesem Gebiet wie auf allen anderen Gebieten alle Vorschläge von Sondersteuern, die sich auf die Art oder die Form oder den Umfang von Unternehmen beziehen wollen, ablehnen werden.
    Es bleibt noch die Erbschaftsteuer. Der Erhöhung der Freibeträge stimmen wir zu. Sie liegt im Interesse der Mittelstandsvermögen und schaltet urilohnende Steuerfälle aus. Die Ermäßigung des Tarifs lehnen wir ebenso wie der Bundesrat als völlig unnötig ab.
    Zum Schluß noch ein Wort zum Termin der Inkraftsetzung. Wir möchten, daß diese, nun schon so lange versprochene, wenn schon nicht Steuerreform, so doch vielleicht teilweise Steuerentlastung dem Steuerzahler so schnell wie möglich zugute kommt. Wir wissen sehr wohl, daß das Spiel mit den frühen Terminen von einigen Leuten aus sehr egoistischen Gründen getrieben wird und daß uns das eventuell auch viel Steuergeld zugunsten einiger weniger Steuerzahler kosten wird. Wir glauben trotzdem, daß das kein Grund sein sollte, der großen Masse der Steuerzahler die Entlastung weiter vorzuenthalten. Wir haben eine Fülle von Arbeit vor uns, und die Regierung hat es uns mit ihrer vollständig unzulänglichen und lückenhaften Vorlage wirklich nicht leicht gemacht. Trotzdem soll es an uns, was die Opposition anlangt, nicht liegen. Sie können ebenso sicher sein, daß wir wie immer überall mitarbeiten werden, wie Sie sicher sein können, daß wir unsere Forderungen, die wir noch einmal dargelegt haben, hartnäckig und mit Nachdruck vertreten werden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)