Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Ich darf um etwas mehr Ruhe im Saal bitten.
Dr. Eckhardt: : Man wird dazu sagen müssen, daß ein notwendiger innerer Zusammenhang, ein organischer Zusammenhang zwischen den beiden Gebieten für uns im Bundestag nicht gegeben ist. Die beiden Teilreformen berühren zwar das Gebiet der Finanzpolitik im allgemeinen, und sie sind beide finanzpolitischer Natur; aber sie sind, gerade auch vom Gesichtspunkt des Staatsbürgers aus betrachtet, doch wesentlich verschiedener Art.
Die Reform des Finanzausgleichs, die wir vor uns haben, betrifft die Konstruktion des Verhältnisses von Bund und Ländern und läßt dabei die ebenso notwendige Mitkonstrkution des Verhältnisses von Bund, Ländern und Gemeinden vermissen. Diese Teilreform ist sozusagen — Herr Kollege Dr. Lindrath hat es kürzlich in einem Aufsatz ausgeführt — statischer Natur; das heißt, sie beschäftigt sich mit der Herstellung einer Ordnung, der Finanzordnung, auf einem bestimmten Gebiet, und sie beschäftigt sich mit Verhältnissen, die zunächst den Staatsbürger nicht unmittelbar zu berühren scheinen; ich sage ausdrücklich: scheinen. Die Steuerreform dagegen hat als Hauptzwecke, wie uns gesagt wird und wie es wohl auch richtig ist, die Förderung und Pflege des Kapitalmarktes, von der hier ja auch schon wiederholt die Rede gewesen ist — wir sagen vielleicht besser: des Wertpapierhandels —, auf der einen Seite, die Förderung der Rationalisierung der Betriebe auf der anderen Seite und drittens auch eine Hebung des Verbrauchseinkommens und eine Verstärkung der Möglichkeiten für die Masse der Verbraucher, sich am Kapitalmarkt im Wege des Sparens zu beteiligen, also eine Erhöhung der Sparrate innerhalb der Volkswirtschaft.
Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gesetzgebungswerken ergeben sich schon deutlich, wenn wir das verschiedene äußere Gewicht der Begründungen betrachten und sehen, daß die Reform oder die Teilreform der Finanzverfassung, die hier versucht wird, außerordentlich eingehend begründet ist und daß in ihr auf alle Einzelheiten eingegangen wird, während die Begründungen zu der Steuerreform sich sehr kurz fassen.
Tatsächlich verdient das Werk, das uns zur Reform des Finanzausgleichs vorgelegt ist, das Lob, das ihm heute von Herrn Kollegen Dr. Dresbach und auch, wenigstens unter gewissen Bedingungen, von Herrn Professor Gülich gezollt worden ist. Man kann bei der Lektüre dieses dicken Bandes überall feststellen, daß die Verfasser dieses Reformwerkes die Situation, die Verhältnisse, in denen wir stehen, und auch die Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben, sehr deutlich erkannt haben, daß sie dann allerdings auch immer wieder zu der resignierenden Feststellung kommen: Nun, es ist nicht mehr zu erreichen. — Das steht noch nicht einmal expressis verbis darin, sondern es heißt dann einfach: aber man hat sich entschlossen, doch nur diesen Vorschlag vorzulegen oder bei der Situation zu verbleiben, die bereits gegeben ist.
Ich gebe ohne weiteres zu, daß es heute unendlich schwierig sein muß, eine ideale Form der Finanzverfassung herzustellen. Die Verhältnisse, die zwischen Bund und Ländern bestehen, die Anordnungen unseres Grundgesetzes sind derart, daß man doch wohl von sehr viel Sand im Getriebe und Leerlauf in der Maschine sprechen muß, von so viel Sand und Leerlauf, daß man sich auch unmittelbare politische Gefahren aus dieser Tatsache sehr wohl vorstellen könnte.
Der Finanzausgleich, wie er bisher durchgeführt worden ist, ist heute morgen als ein unwürdiger Handel bezeichnet worden; und man kann wirklich bei dem Feilschen um die Prozente für den Bund und die Länder beim Ertrag der Einkommensteuer sagen: diese Verurteilung des bisherigen Finanzausgleichs trifft zu. Es ist ein außerordentliches Verdienst des vorliegenden Reformwerks, daß wenigstens der Versuch gemacht wird, dieses Handeln und Feilschen künftig auszuschalten.
Die Festlegung also des Bundes .und der Länder auf einen ganz bestimmten und doch wohl auch für eine gewisse Dauer geltenden Prozentsatz des Ertrages der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist gut, und wir können ihr nur zustimmen. Der Bund soll danach 40 % vom Ertrag der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, die Länder 60 %.
Die Revisionsklausel, die diesem Verhältnis angefügt worden ist, ist vielleicht schon weniger zu begrüßen. Aber es ist durchaus verständlich, daß ein vorsichtiger Finanzpolitiker diese Möglichkeiten der Revision von vornherein berücksichtigt. Es kann nicht vorausgesehen werden, wie der Herr Bundesfinanzminister heute morgen mit Recht dargelegt hat, welche außerordentlichen Schwierigkeiten sich in Zukunft ergeben werden.
— Sie haben natürlich recht, Herr Kollege Heiland, wenn Sie meinen, daß man alle diese Dinge nicht von vornherein berücksichtigen könne. Gewiß, es wird immer wieder unvorhergesehene Lagen und Situationen geben; aber das Staatsrecht muß doch einen gewissen Bestand haben und muß, insbesondere auch das Finanzstaatsrecht, von dem wir hier sprechen, mindestens jene Art von relativem Ewigkeitswert besitzen, von der der heute schon so oft zitierte Staatssekretär Popitz gesprochen hat.
Nun, diese Revisionsklausel mag nicht allzu glücklich sein. Sie ist aber staatsrechtlich in Zusammenhang zu sehen mit der Sicherungsklausel, die in diesem Finanzreformwerk für die Länder eingefügt ist, und der Ergänzungsabgabe, die der Bundesfinanzminister erheben oder doch vorsehen will. Ob man die Ergänzungsabgabe wirklich jetzt schon mit einem Satz von 2,5 % zur Erhebung gelangen lassen soll, das lasse ich an dieser Stelle noch dahingestellt. Ich gebe durchaus zu, daß vom technischen Gesichtspunkt des Aufbaues eines Finanzausgleichs diese Ergänzungsabgabe, überhaupt dieses Ineinander von Festlegung des Verhältnisses am Ertrag von Einkommen- und Körperschaftsteuer, Revision- und Sicherungsklausel in Verbindung mit der Ergänzungsabgabe zumindest sehr fein durchdacht ist. Im ganzen wird man das Reformwerk als einen wesentlichen Fortschritt zu bezeichnen haben.
Damit sage ich zugleich, daß hier keineswegs schon das Ziel erreicht ist, um das es uns letzten
Endes gehen muß. Daher entsteht die Frage, ob dieses Reformwerk jetzt schon in Kraft gesetzt werden soll oder ob man, wie das in der Presse angedeutet worden ist und insbesondere Herr Kollege Wellhausen es wohl auch der Presse gegenüber als seinen Standpunkt vertreten hat, das Reformwerk für eine Weile aufschieben soll, weil die Zeit dazu im Augenblick noch nicht reif ist. Das eine wird man sagen dürfen: eine notwendige organische Kopplung zwischen der Finanzreform und der Steuerreform besteht nicht. Wir können die Probleme der Finanzreform durchaus gesondert behandeln. Trotzdem muß wenigstens jetzt erreicht werden, daß die bisherige Situation mit dem Feilschen zwischen Bund und Ländern endgültig beseitigt wird, jedenfalls in dem Rahmen, in dem das in einem Bundesstaat überhaupt möglich ist, in dem verschiedene Kräfte miteinander und wohl leider auch gegeneinander wirken.
Wir sind der Meinung, daß sich die Reform einer Finanzverfassung sehr viel idealer vorstellen lassen würde. Wir sind insbesondere auch der Ansicht, daß es im Rahmen einer solchen Reform durchaus möglich sein müßte, mit dem sachlichen Einsatz aller Kräfte auch dieses Bundestags zu umfassenderen Maßnahmen zu gelangen und dabei auch das Thema anzuschneiden, das nicht unmittelbar in den Zusammenhang des Art. 107 des Grundgesetzes gehört, das aber doch in einer sehr nahen Verbindung zu diesen Fragen steht, nämlich das Thema einer Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern. Unter diesen Begriff der Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, d. h. der Kostenersparung, fällt eben auch die Frage, ob eine Bundesfinanzverwaltung zweckmäßig ist oder nicht.
Ich will diese Frage noch nicht einmal endgültig beantworten; aber ich möchte doch auf eines hinweisen. Es ist unerträglich, wenn in einem Lande ein Finanzgericht mit 5 Finanzämtern zu tun hat, während das Finanzgericht des Nachbarlandes mit 70 Finanzämtern zu tun hat, und es ist auch unerträglich, wenn bei schwerwiegenden Fragen der Stundung, des Erlasses und der Handhabung von Gesetzen bei so nahe zusammenhängenden Steuern wie der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer von vornherein ganz verschiedene Wege gegangen werden müssen, wobei der eine Weg normalerweise beim Landesfinanzminister, der andere beim Bundesfinanzminister endet. Das sind alles Dinge, die sehr sorgfältig überlegt werden müssen. Wir haben schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß wir grundsätzlich eine Bundesfinanzverwaltung für das richtige halten. Wir meinen, daß eine solche Bundesfinanzverwaltung auch keineswegs gegen das Interesse der Länder gerichtet sein müßte. Denn nach dem ersten Weltkrieg sind es ja vielfach gerade die Länder gewesen, die selber die Übertragung der Verwaltung ihrer Landessteuern an die damalige Reichsfinanzverwaltung verlangt haben. Die Landesverwaltung im alten Bismarckschen Reich vor 1914 hat sicherlich viele Schwierigkeiten herbeigeführt. Wenn wir aber heute daran denken, daß unter Umständen in bestimmten Ländern sich ganz verschiedene Wirtschaftsstrukturen herausbilden können, dann wird man sagen müssen, daß bei der Bedeutung der steuerlichen Seite dieses Problem der Bundesfinanzverwaltung sehr bald und sehr ernsthaft im Rahmen der Reform einer Finanzverfassung wieder gestellt werden muß.
Wir sind weiter der Meinung, die heute morgen schon von verschiedenen Seiten geäußert worden ist, daß es zwar verfassungsrechtlich nicht im Rahmen der Ermächtigung des Art. 107 des Grundgesetzes liegen mag, das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden in einer entsprechenden Form zu regeln, daß aber trotzdem wahrscheinlich auf allen Seiten des Hauses sehr viel Sinn dafür vorhanden sein wird, eine sachlich so eminent wichtige Frage auch sachlich zu regeln. Ich bin überzeugt, daß finanzpolitische Fragen nicht immer unbedingt unter dem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Koalition und Opposition gesehen werden müssen, sondern daß sich hier gewisse gemeinsame Interessen geradezu aufdrängen. Diese gemeinsamen Interessen sind die Interessen des steuerzahlenden Staatsbürgers.
Es kommt ja auch nicht von ungefähr, daß in der finanz- und steuerpolitischen Literatur der letzten Monate und Jahre gewisse Reformideen keineswegs nur von irgendeinem bestimmten Kreis vertreten werden, der mit einer Partei zu identifizieren wäre,
sondern Sie können umfassende Reformvorschläge ebenso gut etwa in Organen vertreten finden, die die Unternehmerseite unterstützen, wie auf der anderen Seite in den Veröffentlichungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften.
— Richtig, und das zeigt auch, daß sehr viele durch die Sache selbst begründete Probleme vorhanden sind, in denen man zu einer einheitlichen und auf die Dauer auch für die Gesamtheit befriedigende Lösung gelangen könnte.
Die Ergänzungsabgabe, von der ich eben gesprochen habe, ist zwar sozusagen der steuerliche Teil der Finanzreform; betrachtet man aber die Ergänzungsabgabe, die sicherlich vom Gesichtspunkt des Haushalts und des Finanzausgleichs her eine glückliche Erfindung darstellt, vom Gesichtspunkt des Steuerzahlers, dann wirkt sie wesentlich weniger schön und befriedigend, insbesondere weil gewisse ausländische Systeme, nämlich alljährlich Steuern neu festzusetzen und alljährlich andere Zuschläge zu erheben, für unsere Volkswirtschaft und auch die Art unserer Staatsbürger und Unternehmer überhaupt, sich an der Wirtschaft zu beteiligen und auf lange Sicht zu denken, sicherlich sehr wenig erfreulich wären. Vom steuerpolitischen Gesichtspunkt wird man diese Ergänzungsabgabe kaum befürworten können. Der Steuerzahler betrachtet das Reformwerk, um das es hier geht, ganz sicher zunächst einmal von diesem Gesichtspunkt. Man sollte ihn zwar dazu anleiten, auch die Bedeutung finanzpolitischer Entscheidungen allgemeiner Art, die Bedeutung etwa der Regelung des Finanzausgleichs verstehen und begreifen zu lernen und sich darum zu kümmern; denn letzten Endes geht es bei dem Geld, das hier ausgegeben wird, immer wieder gerade auch um sein Geld. Es geht um die Frage, wie teuer oder wie billig der Verwaltungsapparat im ganzen gestaltet sein muß. Es hat einmal jemand gesagt: Föderalismus sei notwendig teuer. Ich glaube das nicht. Das muß nicht sein. Man muß nur den Begriff „Föderalismus" — so wie das auch heute morgen mit Recht gefordert worden ist — in der richtigen Weise auffassen. Wenn man ihn einmal vom Standpunkt der misera
contribuens plebs aus betrachtet, dann sieht er so aus, daß der Staatsbürger eine dezentralisierte Verwaltung wünscht, d. h. eine gewisse Nähe der Verwaltung. Er will jemanden haben, mit dem er wirklich sprechen kann und der wirklich entscheidet. Leider ist das heute weithin nicht mehr so. Diese Art von echtem Föderalismus gibt es heute noch nicht einmal in den Ländern, die besonders viel vom Föderalismus reden. Auch hier wird man leider immer wieder feststellen können, daß sich die Mittelbehörden, die Ministerien, man darf vielleicht einmal sagen: in jeden Quark, in jede Kleinigkeit und in jede Bagatelle einschalten, daß Verwaltungsentscheidungen des Einzelfalles immer wieder vom Ministerium ausgehen. Daß dadurch die Verantwortlichkeit der Behördenleiter der unteren Stufe in keiner Weise gestärkt wird, ist vollkommen klar. Aber darauf kommt es für eine dem Bürger nahe, für eine einfache und kostensparende Verwaltung wirklich an.
Die steuerpolitischen Vorschläge, die hier gemacht sind, bringen, wie in diesem Hause wohl einmütig festgestellt worden ist, keine große und keine organische Steuerreform. Man hat seitens des Herrn Bundesfinanzministers einmal festgestellt, unser Steuersystem sei im großen und ganzen gut. Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich auf diese Feststellung des Herrn Bundesfinanzministers doch mit einem einfachen Satze antworte: Das System ist nicht gut, weil das gegenwärtig vorhandene Konglomerat von 50 Steuern, die Höhe der Tarife, das Ineinandergreifen oder Nichtineinandergreifen der Tarife und die Doppelbelastung verschiedenster Art die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr sicherstellen. Das ist ja ein Fehler, der sofort entsteht, sobald die Tarife höher werden. Sobald man mit einer Einkommensteuer mit Tarifen von 30, 40, 50, 60 und mehr Prozent zu rechnen hat, entstehen eben diese Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten einfach von selbst, und zwar deswegen, weil nach dem Einkommensteuergesetz Einkommen gleich Einkommen ist und jedes dieser Einkommen dann der gleichen Progression unterliegt. Die Verhältnisse, die soziologische Lage der verschiedenen Berufsstände sind aber nun einmal voneinander verschieden. Man kann tatsächlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit die Angestellten, die Arbeiter, die Unternehmer und die Angehörigen eines freien Berufes kaum miteinander vergleichen. Wenn ich mir einmal vorstellen wollte, wer bei der Art unserer heutigen Einkommenbesteuerung besonders schlecht wegkommt, dann würde ich sagen: in erster Linie sind es der angestellte Lohnsteuerpflichtige, der Angehörige eines freien Berufes und dann noch aus bestimmten Gründen, auf die ich gleich komme, der selbständige Unternehmer, also insbesondere auch der Unternehmer des Mittelstandes. Diese drei Gruppen kommen bei unserer Art der Einkommenbesteuerung besonders schlecht weg.
Wie steht es nun mit dem Reformwerk, das uns hier vorgelegt ist? Aus der Erwägung heraus, daß das System gut sei, ist eigentlich nur der Tarif grundlegend neu gestaltet worden. Man hat im übrigen die .Vergünstigungen gestrichen. Ich gebe zu, daß man die Streichung der Vergünstigungen sehr ernsthaft überlegen muß, weil diese Vergünstigungen auch entscheidende haushaltswirtschaftliche Auswirkungen haben und weil man natürlich eine Steuerreform ohne Rücksicht auf den Haushalt nicht machen kann. Aber wenn ich mir z. B.
das Gesetz zur Neuordnung der Einkommensteuer im einzelnen ansehe, dann fällt mir doch sehr auf, daß sich neben manchen technischen Verbesserungen eine ganze Reihe von Vorschlägen eingeschlichen haben, die nichts weiter bedeuten, als daß die Verwaltung gewisse ihr unbequeme Entscheidungen der Finanzgerichte zu beseitigen wünscht, z. B. bei der Behandlung der Pensionsrückstellungen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die Rücksichtnahme auf die bereits abgelaufene Dienstzeit, auf das bereits erdiente Ruhegehalt. Auch bei der Neufassung der Besteuerung von Einkünften aus der Forstwirtschaft scheinen mir ähnliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt zu haben.
Nun zu einer anderen Frage, die hier auch bereits in extenso behandelt worden ist, nämlich die der Besteuerung der Ehegatten. Da ist es doch wohl so, daß hier das fiskalische Herz des Herrn Bundesfinanzministers den Sieg davongetragen hat. Es handelt sich wirklich um ein sehr schwieriges Problem; die meisten Lösungsversuche, die bisher vorgetragen worden sind, sind nicht ausreichend. Insbesondere die Frauenverbände haben eine völlig getrennte Besteuerung der Ehegatten verlangt. Mit einem gewissen Recht wird dann von anderer Seite geltend gemacht: Wie steht es aber dann mit der Hausfrau und Mutter, die selbst ja über kein unmittelbares Einkommen verfügt und bei der man höchstens fiktive Einkünfte würde berücksichtigen können? Daß hier etwas reformbedürftig ist, und zwar auch im Verhältnis zu den Vorschlägen, die von der Bundesregierung gemacht worden sind, ist doch klar. Stellen Sie sich zwei Kollegen in einem Büro vor, die beide zusammen 6000,— DM verdienen. Beide — ich rechne der Einfachheit halber gleich wieder beide zusammen — müssen eine Einkommensteuer von ungefähr 330 DM zahlen. Wenn diese beiden Kollegen verschiedenen Geschlechts nun heiraten, dann müssen sie — bei denselben Einkommen! — eine Einkommensteuer von 760 DM zahlen. Das ist eine völlig unmögliche Situation. Sie ist deswegen vollständig unmöglich, weil hier wirklich — die Frau Kollegin Lüders hat es neulich einmal so ausgedrückt, wie ich der Presse entnehme — eine Ehestrafsteuer vorliegt. Dazu darf die Einkommensteuer nicht ausarten. Ich bin der letzte, der die moralischen und sittlichen Fundamente der Ehe nicht über die materiellen stellt; aber dieses materielle Fundament einer Ehe ist ungeheuer wichtig. Es darf nicht von der steuerlichen Seite her beeinträchtigt werden.
Es darf auch nicht so sein, daß nur die lohnsteuerpflichtigen Eheleute begünstigt werden. Auch das ist eine Verletzung der Gleichmäßigkeit, z. B. im Verhältnis zu dem Ehemann oder zu der Ehefrau, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen. Denn die Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind ja doch im Regelfall die Einkünfte der Schriftsteller, der Künstler, der freien Berufe überhaupt, und diese Einkünfte sind noch weitaus ungesicherter als die Einkünfte von Angestellten.
Es geht also nicht an, das bisher bestehende Privileg nun einfach für die Lohnsteuerpflichtigen bestehenzulassen, es aber nicht auf die freien Berufe, nicht überhaupt auf die Einkünfte aus Arbeit im ganzen auszudehnen. Hier muß eine Lösung gefunden werden, und ich glaube, daß ein echter Ansatzpunkt zu einer solchen Lösung darin liegt, den Tarif in seinen Anfangsstufen vom progressiven zu einem proportionalen Tarif zu machen. Diese vom Troeger-Ausschuß und vorhin
auch vom Kollegen Seuffert vorgeschlagene Lösung birgt Möglichkeiten in sich, die im Finanzausschuß sehr genau diskutiert werden sollten.
Ich komme anläßlich der Besprechung dieses Einkommensteuerentwurfs noch auf einen anderen Punkt, der auch schon berührt worden ist, nämlich auf die Herabsetzung der Geltungsdauer des § 10 a und auf die Streichung des § 33 a mit seinem Freibetrag für Vertriebene, Totalgeschädigte, politisch Verfolgte und Spätheimkehrer, eine Bestimmung, die allerdings im Rahmen der Kleinen Steuerreform aufgehoben worden ist, d. h. danach auf den 31. Dezember 1954 auslaufen sollte. Hier gilt es nun, die Dinge unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu betrachten. Das ist der einzige Gesichtspunkt, unter dem wir eine steuerliche Gerechtigkeit finden können.
Dieser Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedeutet, daß ich — nicht etwa, um damit irgendwelche wirtschaftspolitischen Ziele zu verfolgen — steuerpolitisch versuchen muß, soweit es möglich ist, die Gleichheit der Chancen herzustellen.
Diese Gleichheit der Chancen ist aber bei den Totalgeschädigten und bei den Heimatvertriebenen — den Unternehmern unter ihnen wie den Heimatvertriebenen überhaupt —, bei den Ausgebombten und bei den Spätheimkehrern nicht vorhanden. Es muß ein Weg gesucht werden, hier zu helfen. Die Stimmen, die hier laut geworden sind, sind so zahlreich, daß schon allein ihre Zahl darauf hinweist, daß hier nicht einfach ein Interesse eines einzelnen oder einer Gruppe verfochten wird. Vielmehr ist die Herstellung der Gleichheit der Chancen ein Interesse des ganzen Volkes.
Der Einkommensteuertarif ist nach mathematischen Grundsätzen aufgebaut. Aber die mathematischen Grundsätze besagen ja noch gar nichts darüber, ob der Tarif den sozialen Gegebenheiten angepaßt ist. Es ist hier dargestellt worden, daß nach dem neuen Tarif manche Steuerpflichtigen, z. B. die ledigen Arbeiter, mehr Steuer werden bezahlen müssen als bisher. Beseitigen Sie den Freibetrag des § 33 a, dann werden eine ganze Reihe von Heimkehrern, Flüchtlingen, Totalgeschädigten, politisch Verfolgten usw. ebenfalls mehr Einkommensteuer zu zahlen haben als bisher. Das wäre eine sehr ungünstige Folge. Herr Kollege Neuburger hat in Übereinstimmung mit dem Kollegen Seuffert auch bereits deutlich darauf hingewiesen, daß die mittleren Einkommensstufen, zwischen 8000 und 40 000 DM etwa, in diesem Tarif im Verhältnis zu ihrer bisherigen Belastung durchaus nicht günstig wegkommen.
Es gibt eine ganze Reihe von Tarifvorschlägen, nicht nur den des Bundesfinanzministeriums. Es gibt den Vorschlag des Troeger-Ausschusses, es gibt einen Tarifvorschlag des Ifo-Instituts, einen Tarifvorschlag der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer. Alle diese Tarifvorschläge werden sorgfältig zu prüfen sein. Jeder einzelne enthält Anregungen, die man vielleicht zu einem neuen einheitlichen und dann eben wirtschaftlich vernünftigen und sozial gerechtfertigten guten Tarif wird verarbeiten können. Das zu prüfen, wird in den nächsten Wochen die Aufgabe des Finanzausschusses sein.
Nun aber doch noch ein Wort zum Spitzensatz des Tarifs. Der Plafond liegt nach den Vorschlägen der Bundesregierung bei 55 %. Dieser Plafond kann nur in Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuertarif gesehen werden. Der Körperschaftsteuertarif soll 45 % betragen. Man hat von verschiedenen Seiten behauptet — die Behauptung ist vollständig unbewiesen —, das Verhältnis von 45 : 55, 80 : 100 oder wie Sie es ausdrücken wollen, sei verhältnismäßig günstig, d. h. es sei gerecht, die Lasten zwischen Körperschaften, also Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Personenfirmen und selbständigen Steuerpflichtigen auf der anderen so zu verteilen. Wenn man das behauptet, dann ist im Rahmen einer solchen Überlegung die 30%ige Vergünstigung der Dividenden kaum aufrechtzuerhalten, ganz abgesehen davon, daß diese Vergünstigung zu einer ganzen Reihe von technisch sehr intrikaten Problemen und Schwierigkeiten führt, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Schachtelprivileg, mit der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung, mit der Frage der Mindestbesteuerung. Ich selbst habe schon seit längerer Zeit vorgeschlagen, die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer und auch Herr Professor Flume aus Göttingen, der sich mit diesen Problemen besonders befaßt hat, haben vorgeschlagen, im Verhältnis von Körperschaften und Personenfirmen doch endlich einmal von dem Nebeneinander abzugehen und die sogenannte Doppelbesteuerung, von der immer wieder gesprochen wird, radikal zu beseitigen. Die Doppelbesteuerung, die nach dem bisherigen System darin liegt, daß z. B. Dividenden einer AG. beim Empfänger nochmals der Einkommensteuer unterworfen werden, ist geeignet, die wirklichen Gewinn- und Gewinnverteilungsverhältnisse zu vertuschen und mit einem Schleier zu überziehen. Es wäre eine wirtschaftlich vernünftige und auch gar nicht so schwer durchzuführende Lösung, wenn man z. B. sagte: Die Kapitalgesellschaft und die Personenfirma haben beide normalerweise — es handelt sich ja hier in der Regel um höhere Gewinne — denselben Satz zu zahlen, d. h. die Körperschaften haben einen Steuersatz von 55 % zu tragen,
und dafür fällt die Doppelbesteuerung der Dividende restlos weg, die Einkünfte aus Dividenden werden dann lediglich der Einkommensteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen unterworfen. Das ist eine wesentlich gerechtere Lösung, und nach der Ansicht mancher Experten stellt selbst diese Lösung einen nicht unbeachtlichen Vorteil für die Kapitalgesellschaften insofern dar, als diese durch die Haftungsvorschriften des Handelsrechts und durch die Verhältnisse des Kapitalmarkts ja, wenigstens meist, eine stärkere Stellung als die Personenunternehmungen haben.
Was ist heute? Meine Damen und Herren, nehmen Sie eine Personenfirma, einen Einzelunternehmer, einen größeren Betrieb mit 1 Million DM Gewinn, und nehmen Sie eine GmbH. mit ebenfalls 1 Million DM Gewinn. Diese GmbH. ist eine Ein-Mann-Gesellschaft. Dieser Fall ist bekanntlich nicht selten, und ich trage ihn Ihnen so vor, weil er natürlich besonders einfach ist. Wenn diese GmbH. ihren Gewinn versteuert, so wird sie künftig nur 45 % zu zahlen haben. Der Einzelunternehmer aber muß 55 %, d. h. 550 000 DM zahlen; warum, das weiß ich nicht.
Ob die Interessen des Einzelunternehmers hier geringer wiegen oder ob man sich sagt, daß er weniger investiere oder daß seine Arbeit volkswirtschaftlich weniger nützlich sei? Das kann ich mir nicht vorstellen. Nun nehmen Sie einmal den Fall, daß diese Kapitalgesellschaft, die nach dem Reformvorschlag 450 000 DM Steuern zu zahlen hat, 100 000 DM ausschüttet. Dann wären 900 000 DM mit 45 % und 100 000 DM mit 30 % versteuert, und Sie kommen dann bei der Kapitalgesellschaft trotz dieser doch nicht unbeträchtlichen Ausschüttung von 100 000 DM und trotz der Doppelbesteuerung auf eine Steuer von insgesamt 474 000 DM. Der Einzelunternehmer hat immer noch runde 80 000 DM mehr zu zahlen. Das ist keine glückliche und vor allen Dingen keine gleichmäßige Lösung. Ich sehe auch nicht recht ein, warum man die Herstellung der Gleichmäßigkeit auf diesem Gebiet unbedingt auf eine spätere, sogenannte organische Reform verschieben soll.
Das vorliegende Teilreformwerk beschäftigt sich im wesentlichen mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Umsatzsteuer widmet es nur einen ganz bescheidenen Raum. Ich meine, das wird der finanziellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuer nicht ganz gerecht und auch nicht den vielfachen Vorschlägen, die gerade zur Reform der Umsatzsteuer gemacht worden sind. Ich vertrete nicht die Auffassung, die sich vielleicht manche in diesem Hause zu eigen gemacht haben, daß bereits jetzt der Zeitpunkt gegeben sei, die seinerzeit von Wilhelm von Siemens vorgeschlagene veredelte Umsatzsteuer durchzuführen. Ich glaube, die Durchführung im gegenwärtigen Zeitpunkt würde so viele technische Schwierigkeiten und unvorhergesehene wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen, daß man mit dieser Reform noch zuwarten sollte, insbesondere so lange, als nicht exaktere Vorschläge und gesetzgebungsreife Projekte vorliegen und nicht genügendes wirtschaftsstatistisches Material auf diesem Gebiet vorhanden ist. Wir werden uns also mit der deutschen kumulativen Allphasensteuer zunächst noch eine Zeitlang abfinden müssen. Popitz, der in diesem Zusammenhang vorhin als Vater der Umsatzsteuer erwähnt worden ist, hat sein Kind keineswegs sehr geliebt. Er hat es sogar vom finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus als die schlechteste Steuerart bezeichnet, die man sich vorstellen könne. Ich will den Streit darüber dahingestellt sein lassen; denn es ist völlig klar, daß weder wir noch Frankreich noch 'Belgien noch die Schweiz noch viele andere Länder jemals in die Lage kommen, finanzwirtschaftlich auf eine solche Umsatzbesteuerung verzichten zu können. Aber sich bei der Reform der Umsatzsteuer darauf zu beschränken, daß gewisse Lieferungen von Stromunternehmen anders behandelt werden und daß dann weiter der Großhandelssatz von 1 auf 1,5 erhöht werden soll, das scheint mir doch sehr dürftig.
Mir scheint sogar der Vorschlag der Erhöhung
nicht sehr durchdacht gewesen zu sein. In den
Diskussionsbeiträgen des Troeger-Ausschusses —
und an der Troeger-Arbeit war ja eine ganze
Reihe von Verwaltungsexperten beteiligt — steht
zu lesen: Vielleicht könnte in Erwägung gezogen
werden, daß der Großhandelssatz eine Erhöhung
verträgt, aber das muß noch von der Beistellung
von Material abhängig gemacht werden. Der
Troeger-Ausschuß hat sich also sehr vorsichtig
ausgedrückt. Nach Bekanntwerden des Gesetzgebungsvorschlages der Bundesregierung ist inzwischen von den verschiedenen Großhandelsverbänden eine ganze Menge Material gekommen, an Hand dessen sich deutlich zeigt, daß dieser Vorschlag — es handelt sich ja keineswegs um eine geringfügige, sondern um eine 50%ige Erhöhung — wahrscheinlich sehr viel tiefer in die Verhältnisse des Großhandels überhaupt eingreift. Ich selbst schätze nicht 200, sondern 300 bis 400 Millionen DM Mehraufkommen, wenn man nach diesem Vorschlag vorgehen würde. Das können Sie den Zahlen entnehmen, die das Ifo-Institut und auch die Diskussionsbeiträge des Troeger-Ausschusses bereitgestellt haben. Doch davon abgesehen.
Was den Unternehmer und den Großhändler selbst betrifft, so sind sicherlich eine ganze Reihe von Großhändlern bestimmt nicht in der Lage, dann noch die Umsatzsteuer, wie es dem Sinn der Umsatzsteuer entspricht, zu überwälzen. Die soziale Seite des Ganzen wird übersehen. Es werden auch die besonderen Marktverhältnisse der Großhandelsunternehmen außer Acht gelassen, die Markenartikel vertreiben oder mit sozial-kalkulierten Wirtschaftsgütern zu tun haben. Ich glaube, die Ablehnung des Vorschlags einer Steuererhöhung wird in diesem Bundestag, wenn ich meine Herren Vorredner recht verstanden habe, diesmal ziemlich einmütig sein.
Nun besteht kein Zweifel darüber — und das ist vielleicht ein gewisser Trost für den Herrn Bundesfinanzminister ,, daß gerade die Umsatzsteuer unzweifelhaft eine Reihe von finanziellen Reserven enthält. Diese Reserven sind, wie ich positiv weiß, in vielen Berichten der Oberfinanzdirektionen an das Bundesfinanzministerium dargelegt worden. So etwas bleibt ja nicht ganz verborgen.
Mir sind die Verhältnisse auf dem Gebiet der Umsatzsteuer auch nicht ganz unbekannt.
Die gesamten Befreiungen, die Freilisten, die zahllosen Zulassungen von Be- und Verarbeitungen auf dem Gebiet der Umsatzsteuer geben eine wirtschaftspolitische Situation wieder, wie sie allenfalls im Jahre 1934 bei der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes bestanden haben mag. Warum ist man nicht darangegangen, diese alten Befreiungen, die Freilisten, die zugelassenen Bearbeitungen nachzuprüfen? Wenn man bei der Umsatzsteuer einige verwaltungstechnisch besonders lästige Anhängsel streichen würde, käme nach meiner Überzeugung mehr an Umsatzsteuer heraus als bei dem gegenwärtigen System. Wie denken Sie beispielsweise über jene Zusatzsteuern, die in der Verwaltung selbst eine Kritik gefunden haben, die man fast mit Gespött bezeichnen kann. Die Zusatzsteuer im Herstellereinzelhandel ist doch zu einem Konglomerat von unverständlichen Zusammenfügungen von Einzelvorschriften geworden, die selbst in der Denkschrift der Troegerschen Experten als Musterbeispiel schlechter Steuertechnik bezeichnet werden. Hier gibt es eine ganze Menge zu tun. Weiter bin ich der Überzeugung, daß nicht weniger, sondern mehr aufkommen würde bei einer großzügigeren Handhabung der Dinge auf dem so viel behandelten und in der Praxis so unleidlichen Gebiet der Be- und Verarbeitung, d. h. der Herstellung
einer anderen Wesensart eines Gegenstandes, der Änderung seiner Nämlichkeit. Alle diese Streitigkeiten führen zu immer neuen Berufungen, zu immer neuen Auseinandersetzungen der Verbände. Es wird ein Heer von Beamten, ein Heer von Beratern, in Bewegung gesetzt, um zu einer einigermaßen passenden Lösung zu kommen, und dann gibt es nachher doch einen allgemeinen Erlaß. Wenn man sich aber vorher fragt, ob etwas eine steuerschädliche Bearbeitung ist oder nicht, dann ist das genau so, als ob man mit einem Geldstück probierte, ob der Adler oder das Wertzeichen oben liegt. Das ist ein Zustand, der auch bei dem gegenwärtigen System der Umsatzsteuer keinesfalls erträglich ist. Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben, noch allerlei zur Umsatzsteuer zu sagen.
Was nun die übrigen Steuerarten unseres sogenannten Steuersystems betrifft, so sind sie in der Steuerreform so gut wie nicht behandelt. Es findet sich eine Andeutung, daß man später auf die Verbrauchsteuern zurückkommen würde. Ich teile nicht die Auffassung, daß etwa die alte Unterscheidung von direkten und indirekten Steuern, von der Sie, Herr Kollege Seuffert, gesprochen haben, heute noch ganz gerechtfertigt ist. Das wird man bei jeder einzelnen Steuer prüfen müssen. Man kann von keiner einzigen Steuer — abgesehen vielleicht von Substanzsteuern — sagen, ob sie nicht in irgendeiner Form überwälzt werden kann. Hierin liegt ja gerade die Gefahr der hohen Steuersätze, gegen die sich jeder wenden muß, einerlei, auf welcher Seite des Hauses er sich befindet. Sie besteht darin, daß bei einer Marktwirtschaft immer wieder die Überwälzung versucht wird. Hohe Steuersätze bergen also preispolitische Gefahren in sich und vermögen gerade die Zustände zu fördern, die der Herr Bundesfinanzminister mit seiner Auffassung vom Haushaltsgleichgewicht in den letzten Jahren so energisch bekämpft hat. Gerade deswegen muß man in einer Marktwirtschaft eine andere Art von Steuerpolitik treiben, als wir sie bei den totalitären Staaten im Osten sehen.
Ich komme dabei noch auf einen anderen Punkt, über den man heute noch nicht diskutiert hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß es als Grenze für Steuerermäßigungen, für Tarifsenkungen auch eine internationale Grenze gebe. Ich weiß das natürlich sehr genau. Aber man darf bei dieser internationalen Grenze zwei Dinge nicht übersehen. Einmal das Wirtschaftssystem. Es ist natürlich etwas ganz anderes, ob Sie in einem Staat wie England ständig Subventionen ausführen, oder ob Sie diese Politik der Subventionen in einer Wirtschaft wie der unseren grundsätzlich ablehnen. Das führt zu ganz andersartigen Belastungen. Also einmal muß das Wirtschaftssystem beachtet werden. Es muß aber auch die Gesamtheit der Steuern zum Vergleich gebracht werden. Ich glaube, wenn wir uns die Gesamtheit der deutschen Steuer- und Abgabenbelastung einschließlich der Sozialabgaben ansehen, dann werden wir feststellen, daß wir immer noch mit einem ganz hübschen Vorsprung im Rennen liegen.
Daß alle Steuern die Möglichkeit in sich tragen, überwälzt zu werden, bedeutet nicht, daß nicht doch einige Steuern diese Fähigkeit in einem besonderen Grade haben und daß sie Eigenschaften haben, die man nicht mehr als sozial bezeichnen kann. Steuerrecht muß auch sozial sein. Es soll nach meiner Überzeugung — im Gegensatz zu dem Troeger-Gutachten — nicht den Zweck der Nivel-
lierung haben, .aber es soll sozial gestaltet sein. Das ist etwas ganz anderes.
Bei dem weiten Gebiet der Verbrauchsteuern sind einige Abgaben ohne weiteres zu erkennen, bei denen es auf diesen sozialen Charakter ankommt. Es ist die schon von Herrn Seuffert erwähnte Zuckersteuer, es ist weiter die Salzsteuer, es ist die Leuchtmittelsteuer und es ist die Zündwarensteuer. Durch diese kleinen Verbrauchsabgaben, die zum Teil, wie die Zündwarensteuer oder die Leuchtmittelsteuer, noch nicht einmal wesentlich ins Gewicht fallen, wird aber der Haushalt, und zwar auch der mittelständische Haushalt, von dem hier soviel die Rede gewesen ist, sehr erheblich belastet. Fragen Sie einmal die Hausfrau, was sie dazu sagt, daß sie seit Jahren für die Schachtel Streichhölzer nicht mehr drei oder fünf Pfennig, sondern zehn Pfennig, für das Paket Streichhölzer also eine Mark hinlegen muß! Das merken sich alle Hausfrauen. Und hier kommt noch eine Folge hinzu, die sehr interessant ist. Die Tatsache, daß die Hausfrauen sich das gemerkt haben, hat nämlich dazu geführt, daß wir auf diesem Gebiet, von dem ich gerade spreche, als dem einzigen Wirtschaftszweig im Bundesgebiet keinerlei Produktionssteigerung haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir bei der Zündwarensteuer immer noch die Kontrollratssteuer vor uns haben, die nun endlich beseitigt werden sollte. Hinsichtlich der Beseitigung einer solchen Kontrollratssteuer und der Herstellung eines vernünftigen Preises für ein solches Wirtschaftsgut sollte man nicht auf später vertrösten, sondern das sollte und könnte man auch jetzt tun.
Ich darf nun das letzte Gebiet berühren, auf das es mir ankommt und das nach meiner Überzeugung wirklich auch wesentlicher ist, als viele Steuerzahler anzunehmen scheinen. Das ist das Gebiet des allgemeinen Abgabenrechts. Auch hier hat man gesagt, daß die Reichsabgabenordnung von 1919, die Enno Becker damals aus dem Nichts heraus geschaffen hat, eine mustergültige Leistung gewesen sei, eine mustergültige Leistung vielleicht für ihre Zeit und für den Stand der Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts, der für das Jahr 1919 festzustellen ist. Damals gab es nämlich noch gar keine allgemeinen Verwaltungsgesetze, sondern nur Sonderregelungen. Das allgemeine Verwaltungsrecht ist, wie Ihnen bekannt sein wird, erst in eben diesen Jahren von Mayer, Kormann, Jellinek und anderen geschaffen worden. In diese Zeit fällt auch die Reichsabgabenordnung. Die Reichsabgabenordnung genügt aber heutigen rechtsstaatlichen Begriffen deshalb nicht, weil es undenkbar ist, daß Ankläger und Untersuchungsführer, Richter und Vollstrecker sich uns in einer Person, nämlich in der Person des Finanzbeamten vorstellen. Das geht nicht, und diesen Zustand wird man beseitigen müssen. Man wird auch endlich dazu kommen müssen, die so lange versprochene Finanzgerichtsordnung vorzulegen und sie in die Reichsabgabenordnung einzuarbeiten. Die Notwendigkeit und die Dringlichkeit dieser Arbeiten ergeben sich nicht zuletzt auch daraus, daß draußen im Lande das Verhältnis zwischen Finanzbeamten, Betriebsprüfer, Steuerfahnder auf der einen Seite und Steuerpflichtigen auf der anderen Seite leider schlechter ist, als es sein sollte, zum Teil auch deshalb, weil die Vorschriften, an die Finanzbeamte, Betriebsprüfer und Fahndungsbeamte gebunden sind, den rechtsstaatlichen Überzeugungen von heute nicht mehr entsprechen.
Wenn wir uns also heute — unter dem Vorbehalt der Vorschläge, der Anregungen, der Änderungen, von denen ich gesprochen habe — grundsätzlich zu diesem Schritt einer Finanz- und Steuerreform oder einer Teilreform auf diesen Gebieten bekennen, dann darf das keineswegs heißen, daß dieser Schritt in irgendeiner Form endgültig sein dürfe. Er kann und darf nur eine Etappe auf dem Wege zu einer einheitlichen, geschlossenen und rationellen Finanzverfassung und auf dem Wege zu einem Steuersystem sein, das sowohl den sozialen Schutz wie aber auch die rechtliche Sicherheit für den Staatsbürger gewährleistet.