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ID0202901500

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    2. Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954 1313 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1314 A, 1372 C Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner, Schäffer, Frau Niggemeyer, Mühlenberg 1314 B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestags 1314 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953, des Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges, der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksache 525) 1314 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 53 betr. Verheizen von Zigarillos (Drucksachen 454, 521) 1314 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280) 1314 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1315 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1323 A Dr. Gülich (SPD) 1328 B Neuburger (CDU/CSU) 1334 A Seuffert (SPD) 1341 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 1352 B Dr. Wellhausen (FDP) 1358 C Höcherl (CDU/CSU) 1366 A Eickhoff (DP) 1368 C Tenhagen (SPD) 1370 D Überweisung der Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Vorlagen Drucksachen 481, 482, 483 und 484 außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und des Gesetzentwurfs Drucksache 482 außerdem an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 1371 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954 / 55) (Drucksache 524) 1372 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1372 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198) 1372 C Rücküberweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten . 1372 C Nächste Sitzung 1372 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 25. und der 28. Sitzung . 1372 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung ist zu lesen: Abstimmung 1. 2. Seite 1038 D Zeile 10 von unten: Frau Welter (Aachen) entschuld. entschuld. Seite 1039 B Zeile 8: Frenzel krank krank Seite 1040 B Zeile 7 von unten: Rademacher krank krank Seite 1041 C Zeile 4 von unten: Hübner Ja Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung Seite 1207 A Zeile 14 ist nach Krammig statt „(SPD)" zu lesen: (CDU/CSU).
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    Rede von Dr. Richard Jaeger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Ich darf um etwas mehr Ruhe im Saal bitten.
    Dr. Eckhardt: (GB/BHE): Man wird dazu sagen müssen, daß ein notwendiger innerer Zusammenhang, ein organischer Zusammenhang zwischen den beiden Gebieten für uns im Bundestag nicht gegeben ist. Die beiden Teilreformen berühren zwar das Gebiet der Finanzpolitik im allgemeinen, und sie sind beide finanzpolitischer Natur; aber sie sind, gerade auch vom Gesichtspunkt des Staatsbürgers aus betrachtet, doch wesentlich verschiedener Art.
    Die Reform des Finanzausgleichs, die wir vor uns haben, betrifft die Konstruktion des Verhältnisses von Bund und Ländern und läßt dabei die ebenso notwendige Mitkonstrkution des Verhältnisses von Bund, Ländern und Gemeinden vermissen. Diese Teilreform ist sozusagen — Herr Kollege Dr. Lindrath hat es kürzlich in einem Aufsatz ausgeführt — statischer Natur; das heißt, sie beschäftigt sich mit der Herstellung einer Ordnung, der Finanzordnung, auf einem bestimmten Gebiet, und sie beschäftigt sich mit Verhältnissen, die zunächst den Staatsbürger nicht unmittelbar zu berühren scheinen; ich sage ausdrücklich: scheinen. Die Steuerreform dagegen hat als Hauptzwecke, wie uns gesagt wird und wie es wohl auch richtig ist, die Förderung und Pflege des Kapitalmarktes, von der hier ja auch schon wiederholt die Rede gewesen ist — wir sagen vielleicht besser: des Wertpapierhandels —, auf der einen Seite, die Förderung der Rationalisierung der Betriebe auf der anderen Seite und drittens auch eine Hebung des Verbrauchseinkommens und eine Verstärkung der Möglichkeiten für die Masse der Verbraucher, sich am Kapitalmarkt im Wege des Sparens zu beteiligen, also eine Erhöhung der Sparrate innerhalb der Volkswirtschaft.
    Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gesetzgebungswerken ergeben sich schon deutlich, wenn wir das verschiedene äußere Gewicht der Begründungen betrachten und sehen, daß die Reform oder die Teilreform der Finanzverfassung, die hier versucht wird, außerordentlich eingehend begründet ist und daß in ihr auf alle Einzelheiten eingegangen wird, während die Begründungen zu der Steuerreform sich sehr kurz fassen.
    Tatsächlich verdient das Werk, das uns zur Reform des Finanzausgleichs vorgelegt ist, das Lob, das ihm heute von Herrn Kollegen Dr. Dresbach und auch, wenigstens unter gewissen Bedingungen, von Herrn Professor Gülich gezollt worden ist. Man kann bei der Lektüre dieses dicken Bandes überall feststellen, daß die Verfasser dieses Reformwerkes die Situation, die Verhältnisse, in denen wir stehen, und auch die Notwendigkeiten, die sich daraus ergeben, sehr deutlich erkannt haben, daß sie dann allerdings auch immer wieder zu der resignierenden Feststellung kommen: Nun, es ist nicht mehr zu erreichen. — Das steht noch nicht einmal expressis verbis darin, sondern es heißt dann einfach: aber man hat sich entschlossen, doch nur diesen Vorschlag vorzulegen oder bei der Situation zu verbleiben, die bereits gegeben ist.


    (Dr. Eckhardt)

    Ich gebe ohne weiteres zu, daß es heute unendlich schwierig sein muß, eine ideale Form der Finanzverfassung herzustellen. Die Verhältnisse, die zwischen Bund und Ländern bestehen, die Anordnungen unseres Grundgesetzes sind derart, daß man doch wohl von sehr viel Sand im Getriebe und Leerlauf in der Maschine sprechen muß, von so viel Sand und Leerlauf, daß man sich auch unmittelbare politische Gefahren aus dieser Tatsache sehr wohl vorstellen könnte.
    Der Finanzausgleich, wie er bisher durchgeführt worden ist, ist heute morgen als ein unwürdiger Handel bezeichnet worden; und man kann wirklich bei dem Feilschen um die Prozente für den Bund und die Länder beim Ertrag der Einkommensteuer sagen: diese Verurteilung des bisherigen Finanzausgleichs trifft zu. Es ist ein außerordentliches Verdienst des vorliegenden Reformwerks, daß wenigstens der Versuch gemacht wird, dieses Handeln und Feilschen künftig auszuschalten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Festlegung also des Bundes .und der Länder auf einen ganz bestimmten und doch wohl auch für eine gewisse Dauer geltenden Prozentsatz des Ertrages der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist gut, und wir können ihr nur zustimmen. Der Bund soll danach 40 % vom Ertrag der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, die Länder 60 %.
    Die Revisionsklausel, die diesem Verhältnis angefügt worden ist, ist vielleicht schon weniger zu begrüßen. Aber es ist durchaus verständlich, daß ein vorsichtiger Finanzpolitiker diese Möglichkeiten der Revision von vornherein berücksichtigt. Es kann nicht vorausgesehen werden, wie der Herr Bundesfinanzminister heute morgen mit Recht dargelegt hat, welche außerordentlichen Schwierigkeiten sich in Zukunft ergeben werden.

    (Abg. Heiland: Aus dem Staatsrecht!)

    — Sie haben natürlich recht, Herr Kollege Heiland, wenn Sie meinen, daß man alle diese Dinge nicht von vornherein berücksichtigen könne. Gewiß, es wird immer wieder unvorhergesehene Lagen und Situationen geben; aber das Staatsrecht muß doch einen gewissen Bestand haben und muß, insbesondere auch das Finanzstaatsrecht, von dem wir hier sprechen, mindestens jene Art von relativem Ewigkeitswert besitzen, von der der heute schon so oft zitierte Staatssekretär Popitz gesprochen hat.
    Nun, diese Revisionsklausel mag nicht allzu glücklich sein. Sie ist aber staatsrechtlich in Zusammenhang zu sehen mit der Sicherungsklausel, die in diesem Finanzreformwerk für die Länder eingefügt ist, und der Ergänzungsabgabe, die der Bundesfinanzminister erheben oder doch vorsehen will. Ob man die Ergänzungsabgabe wirklich jetzt schon mit einem Satz von 2,5 % zur Erhebung gelangen lassen soll, das lasse ich an dieser Stelle noch dahingestellt. Ich gebe durchaus zu, daß vom technischen Gesichtspunkt des Aufbaues eines Finanzausgleichs diese Ergänzungsabgabe, überhaupt dieses Ineinander von Festlegung des Verhältnisses am Ertrag von Einkommen- und Körperschaftsteuer, Revision- und Sicherungsklausel in Verbindung mit der Ergänzungsabgabe zumindest sehr fein durchdacht ist. Im ganzen wird man das Reformwerk als einen wesentlichen Fortschritt zu bezeichnen haben.
    Damit sage ich zugleich, daß hier keineswegs schon das Ziel erreicht ist, um das es uns letzten
    Endes gehen muß. Daher entsteht die Frage, ob dieses Reformwerk jetzt schon in Kraft gesetzt werden soll oder ob man, wie das in der Presse angedeutet worden ist und insbesondere Herr Kollege Wellhausen es wohl auch der Presse gegenüber als seinen Standpunkt vertreten hat, das Reformwerk für eine Weile aufschieben soll, weil die Zeit dazu im Augenblick noch nicht reif ist. Das eine wird man sagen dürfen: eine notwendige organische Kopplung zwischen der Finanzreform und der Steuerreform besteht nicht. Wir können die Probleme der Finanzreform durchaus gesondert behandeln. Trotzdem muß wenigstens jetzt erreicht werden, daß die bisherige Situation mit dem Feilschen zwischen Bund und Ländern endgültig beseitigt wird, jedenfalls in dem Rahmen, in dem das in einem Bundesstaat überhaupt möglich ist, in dem verschiedene Kräfte miteinander und wohl leider auch gegeneinander wirken.
    Wir sind der Meinung, daß sich die Reform einer Finanzverfassung sehr viel idealer vorstellen lassen würde. Wir sind insbesondere auch der Ansicht, daß es im Rahmen einer solchen Reform durchaus möglich sein müßte, mit dem sachlichen Einsatz aller Kräfte auch dieses Bundestags zu umfassenderen Maßnahmen zu gelangen und dabei auch das Thema anzuschneiden, das nicht unmittelbar in den Zusammenhang des Art. 107 des Grundgesetzes gehört, das aber doch in einer sehr nahen Verbindung zu diesen Fragen steht, nämlich das Thema einer Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern. Unter diesen Begriff der Rationalisierung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern, d. h. der Kostenersparung, fällt eben auch die Frage, ob eine Bundesfinanzverwaltung zweckmäßig ist oder nicht.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Ich will diese Frage noch nicht einmal endgültig beantworten; aber ich möchte doch auf eines hinweisen. Es ist unerträglich, wenn in einem Lande ein Finanzgericht mit 5 Finanzämtern zu tun hat, während das Finanzgericht des Nachbarlandes mit 70 Finanzämtern zu tun hat, und es ist auch unerträglich, wenn bei schwerwiegenden Fragen der Stundung, des Erlasses und der Handhabung von Gesetzen bei so nahe zusammenhängenden Steuern wie der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer von vornherein ganz verschiedene Wege gegangen werden müssen, wobei der eine Weg normalerweise beim Landesfinanzminister, der andere beim Bundesfinanzminister endet. Das sind alles Dinge, die sehr sorgfältig überlegt werden müssen. Wir haben schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß wir grundsätzlich eine Bundesfinanzverwaltung für das richtige halten. Wir meinen, daß eine solche Bundesfinanzverwaltung auch keineswegs gegen das Interesse der Länder gerichtet sein müßte. Denn nach dem ersten Weltkrieg sind es ja vielfach gerade die Länder gewesen, die selber die Übertragung der Verwaltung ihrer Landessteuern an die damalige Reichsfinanzverwaltung verlangt haben. Die Landesverwaltung im alten Bismarckschen Reich vor 1914 hat sicherlich viele Schwierigkeiten herbeigeführt. Wenn wir aber heute daran denken, daß unter Umständen in bestimmten Ländern sich ganz verschiedene Wirtschaftsstrukturen herausbilden können, dann wird man sagen müssen, daß bei der Bedeutung der steuerlichen Seite dieses Problem der Bundesfinanzverwaltung sehr bald und sehr ernsthaft im Rahmen der Reform einer Finanzverfassung wieder gestellt werden muß.


    (Dr. Eckhardt)

    Wir sind weiter der Meinung, die heute morgen schon von verschiedenen Seiten geäußert worden ist, daß es zwar verfassungsrechtlich nicht im Rahmen der Ermächtigung des Art. 107 des Grundgesetzes liegen mag, das Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden in einer entsprechenden Form zu regeln, daß aber trotzdem wahrscheinlich auf allen Seiten des Hauses sehr viel Sinn dafür vorhanden sein wird, eine sachlich so eminent wichtige Frage auch sachlich zu regeln. Ich bin überzeugt, daß finanzpolitische Fragen nicht immer unbedingt unter dem Gesichtspunkt des Gegensatzes von Koalition und Opposition gesehen werden müssen, sondern daß sich hier gewisse gemeinsame Interessen geradezu aufdrängen. Diese gemeinsamen Interessen sind die Interessen des steuerzahlenden Staatsbürgers.

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr gut!)

    Es kommt ja auch nicht von ungefähr, daß in der finanz- und steuerpolitischen Literatur der letzten Monate und Jahre gewisse Reformideen keineswegs nur von irgendeinem bestimmten Kreis vertreten werden, der mit einer Partei zu identifizieren wäre,

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    sondern Sie können umfassende Reformvorschläge ebenso gut etwa in Organen vertreten finden, die die Unternehmerseite unterstützen, wie auf der anderen Seite in den Veröffentlichungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften.

    (Abg. Dr. Gülich: Das zeigt eben die Reformbedürftigkeit des gesamten Systems!)

    — Richtig, und das zeigt auch, daß sehr viele durch die Sache selbst begründete Probleme vorhanden sind, in denen man zu einer einheitlichen und auf die Dauer auch für die Gesamtheit befriedigende Lösung gelangen könnte.
    Die Ergänzungsabgabe, von der ich eben gesprochen habe, ist zwar sozusagen der steuerliche Teil der Finanzreform; betrachtet man aber die Ergänzungsabgabe, die sicherlich vom Gesichtspunkt des Haushalts und des Finanzausgleichs her eine glückliche Erfindung darstellt, vom Gesichtspunkt des Steuerzahlers, dann wirkt sie wesentlich weniger schön und befriedigend, insbesondere weil gewisse ausländische Systeme, nämlich alljährlich Steuern neu festzusetzen und alljährlich andere Zuschläge zu erheben, für unsere Volkswirtschaft und auch die Art unserer Staatsbürger und Unternehmer überhaupt, sich an der Wirtschaft zu beteiligen und auf lange Sicht zu denken, sicherlich sehr wenig erfreulich wären. Vom steuerpolitischen Gesichtspunkt wird man diese Ergänzungsabgabe kaum befürworten können. Der Steuerzahler betrachtet das Reformwerk, um das es hier geht, ganz sicher zunächst einmal von diesem Gesichtspunkt. Man sollte ihn zwar dazu anleiten, auch die Bedeutung finanzpolitischer Entscheidungen allgemeiner Art, die Bedeutung etwa der Regelung des Finanzausgleichs verstehen und begreifen zu lernen und sich darum zu kümmern; denn letzten Endes geht es bei dem Geld, das hier ausgegeben wird, immer wieder gerade auch um sein Geld. Es geht um die Frage, wie teuer oder wie billig der Verwaltungsapparat im ganzen gestaltet sein muß. Es hat einmal jemand gesagt: Föderalismus sei notwendig teuer. Ich glaube das nicht. Das muß nicht sein. Man muß nur den Begriff „Föderalismus" — so wie das auch heute morgen mit Recht gefordert worden ist — in der richtigen Weise auffassen. Wenn man ihn einmal vom Standpunkt der misera
    contribuens plebs aus betrachtet, dann sieht er so aus, daß der Staatsbürger eine dezentralisierte Verwaltung wünscht, d. h. eine gewisse Nähe der Verwaltung. Er will jemanden haben, mit dem er wirklich sprechen kann und der wirklich entscheidet. Leider ist das heute weithin nicht mehr so. Diese Art von echtem Föderalismus gibt es heute noch nicht einmal in den Ländern, die besonders viel vom Föderalismus reden. Auch hier wird man leider immer wieder feststellen können, daß sich die Mittelbehörden, die Ministerien, man darf vielleicht einmal sagen: in jeden Quark, in jede Kleinigkeit und in jede Bagatelle einschalten, daß Verwaltungsentscheidungen des Einzelfalles immer wieder vom Ministerium ausgehen. Daß dadurch die Verantwortlichkeit der Behördenleiter der unteren Stufe in keiner Weise gestärkt wird, ist vollkommen klar. Aber darauf kommt es für eine dem Bürger nahe, für eine einfache und kostensparende Verwaltung wirklich an.

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    Die steuerpolitischen Vorschläge, die hier gemacht sind, bringen, wie in diesem Hause wohl einmütig festgestellt worden ist, keine große und keine organische Steuerreform. Man hat seitens des Herrn Bundesfinanzministers einmal festgestellt, unser Steuersystem sei im großen und ganzen gut. Ich bitte zu entschuldigen, wenn ich auf diese Feststellung des Herrn Bundesfinanzministers doch mit einem einfachen Satze antworte: Das System ist nicht gut, weil das gegenwärtig vorhandene Konglomerat von 50 Steuern, die Höhe der Tarife, das Ineinandergreifen oder Nichtineinandergreifen der Tarife und die Doppelbelastung verschiedenster Art die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr sicherstellen. Das ist ja ein Fehler, der sofort entsteht, sobald die Tarife höher werden. Sobald man mit einer Einkommensteuer mit Tarifen von 30, 40, 50, 60 und mehr Prozent zu rechnen hat, entstehen eben diese Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten einfach von selbst, und zwar deswegen, weil nach dem Einkommensteuergesetz Einkommen gleich Einkommen ist und jedes dieser Einkommen dann der gleichen Progression unterliegt. Die Verhältnisse, die soziologische Lage der verschiedenen Berufsstände sind aber nun einmal voneinander verschieden. Man kann tatsächlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit die Angestellten, die Arbeiter, die Unternehmer und die Angehörigen eines freien Berufes kaum miteinander vergleichen. Wenn ich mir einmal vorstellen wollte, wer bei der Art unserer heutigen Einkommenbesteuerung besonders schlecht wegkommt, dann würde ich sagen: in erster Linie sind es der angestellte Lohnsteuerpflichtige, der Angehörige eines freien Berufes und dann noch aus bestimmten Gründen, auf die ich gleich komme, der selbständige Unternehmer, also insbesondere auch der Unternehmer des Mittelstandes. Diese drei Gruppen kommen bei unserer Art der Einkommenbesteuerung besonders schlecht weg.
    Wie steht es nun mit dem Reformwerk, das uns hier vorgelegt ist? Aus der Erwägung heraus, daß das System gut sei, ist eigentlich nur der Tarif grundlegend neu gestaltet worden. Man hat im übrigen die .Vergünstigungen gestrichen. Ich gebe zu, daß man die Streichung der Vergünstigungen sehr ernsthaft überlegen muß, weil diese Vergünstigungen auch entscheidende haushaltswirtschaftliche Auswirkungen haben und weil man natürlich eine Steuerreform ohne Rücksicht auf den Haushalt nicht machen kann. Aber wenn ich mir z. B.


    (Dr. Eckhardt)

    das Gesetz zur Neuordnung der Einkommensteuer im einzelnen ansehe, dann fällt mir doch sehr auf, daß sich neben manchen technischen Verbesserungen eine ganze Reihe von Vorschlägen eingeschlichen haben, die nichts weiter bedeuten, als daß die Verwaltung gewisse ihr unbequeme Entscheidungen der Finanzgerichte zu beseitigen wünscht, z. B. bei der Behandlung der Pensionsrückstellungen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die Rücksichtnahme auf die bereits abgelaufene Dienstzeit, auf das bereits erdiente Ruhegehalt. Auch bei der Neufassung der Besteuerung von Einkünften aus der Forstwirtschaft scheinen mir ähnliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt zu haben.
    Nun zu einer anderen Frage, die hier auch bereits in extenso behandelt worden ist, nämlich die der Besteuerung der Ehegatten. Da ist es doch wohl so, daß hier das fiskalische Herz des Herrn Bundesfinanzministers den Sieg davongetragen hat. Es handelt sich wirklich um ein sehr schwieriges Problem; die meisten Lösungsversuche, die bisher vorgetragen worden sind, sind nicht ausreichend. Insbesondere die Frauenverbände haben eine völlig getrennte Besteuerung der Ehegatten verlangt. Mit einem gewissen Recht wird dann von anderer Seite geltend gemacht: Wie steht es aber dann mit der Hausfrau und Mutter, die selbst ja über kein unmittelbares Einkommen verfügt und bei der man höchstens fiktive Einkünfte würde berücksichtigen können? Daß hier etwas reformbedürftig ist, und zwar auch im Verhältnis zu den Vorschlägen, die von der Bundesregierung gemacht worden sind, ist doch klar. Stellen Sie sich zwei Kollegen in einem Büro vor, die beide zusammen 6000,— DM verdienen. Beide — ich rechne der Einfachheit halber gleich wieder beide zusammen — müssen eine Einkommensteuer von ungefähr 330 DM zahlen. Wenn diese beiden Kollegen verschiedenen Geschlechts nun heiraten, dann müssen sie — bei denselben Einkommen! — eine Einkommensteuer von 760 DM zahlen. Das ist eine völlig unmögliche Situation. Sie ist deswegen vollständig unmöglich, weil hier wirklich — die Frau Kollegin Lüders hat es neulich einmal so ausgedrückt, wie ich der Presse entnehme — eine Ehestrafsteuer vorliegt. Dazu darf die Einkommensteuer nicht ausarten. Ich bin der letzte, der die moralischen und sittlichen Fundamente der Ehe nicht über die materiellen stellt; aber dieses materielle Fundament einer Ehe ist ungeheuer wichtig. Es darf nicht von der steuerlichen Seite her beeinträchtigt werden.
    Es darf auch nicht so sein, daß nur die lohnsteuerpflichtigen Eheleute begünstigt werden. Auch das ist eine Verletzung der Gleichmäßigkeit, z. B. im Verhältnis zu dem Ehemann oder zu der Ehefrau, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen. Denn die Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind ja doch im Regelfall die Einkünfte der Schriftsteller, der Künstler, der freien Berufe überhaupt, und diese Einkünfte sind noch weitaus ungesicherter als die Einkünfte von Angestellten.
    Es geht also nicht an, das bisher bestehende Privileg nun einfach für die Lohnsteuerpflichtigen bestehenzulassen, es aber nicht auf die freien Berufe, nicht überhaupt auf die Einkünfte aus Arbeit im ganzen auszudehnen. Hier muß eine Lösung gefunden werden, und ich glaube, daß ein echter Ansatzpunkt zu einer solchen Lösung darin liegt, den Tarif in seinen Anfangsstufen vom progressiven zu einem proportionalen Tarif zu machen. Diese vom Troeger-Ausschuß und vorhin
    auch vom Kollegen Seuffert vorgeschlagene Lösung birgt Möglichkeiten in sich, die im Finanzausschuß sehr genau diskutiert werden sollten.
    Ich komme anläßlich der Besprechung dieses Einkommensteuerentwurfs noch auf einen anderen Punkt, der auch schon berührt worden ist, nämlich auf die Herabsetzung der Geltungsdauer des § 10 a und auf die Streichung des § 33 a mit seinem Freibetrag für Vertriebene, Totalgeschädigte, politisch Verfolgte und Spätheimkehrer, eine Bestimmung, die allerdings im Rahmen der Kleinen Steuerreform aufgehoben worden ist, d. h. danach auf den 31. Dezember 1954 auslaufen sollte. Hier gilt es nun, die Dinge unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu betrachten. Das ist der einzige Gesichtspunkt, unter dem wir eine steuerliche Gerechtigkeit finden können.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Dieser Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedeutet, daß ich — nicht etwa, um damit irgendwelche wirtschaftspolitischen Ziele zu verfolgen — steuerpolitisch versuchen muß, soweit es möglich ist, die Gleichheit der Chancen herzustellen.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Diese Gleichheit der Chancen ist aber bei den Totalgeschädigten und bei den Heimatvertriebenen — den Unternehmern unter ihnen wie den Heimatvertriebenen überhaupt —, bei den Ausgebombten und bei den Spätheimkehrern nicht vorhanden. Es muß ein Weg gesucht werden, hier zu helfen. Die Stimmen, die hier laut geworden sind, sind so zahlreich, daß schon allein ihre Zahl darauf hinweist, daß hier nicht einfach ein Interesse eines einzelnen oder einer Gruppe verfochten wird. Vielmehr ist die Herstellung der Gleichheit der Chancen ein Interesse des ganzen Volkes.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Der Einkommensteuertarif ist nach mathematischen Grundsätzen aufgebaut. Aber die mathematischen Grundsätze besagen ja noch gar nichts darüber, ob der Tarif den sozialen Gegebenheiten angepaßt ist. Es ist hier dargestellt worden, daß nach dem neuen Tarif manche Steuerpflichtigen, z. B. die ledigen Arbeiter, mehr Steuer werden bezahlen müssen als bisher. Beseitigen Sie den Freibetrag des § 33 a, dann werden eine ganze Reihe von Heimkehrern, Flüchtlingen, Totalgeschädigten, politisch Verfolgten usw. ebenfalls mehr Einkommensteuer zu zahlen haben als bisher. Das wäre eine sehr ungünstige Folge. Herr Kollege Neuburger hat in Übereinstimmung mit dem Kollegen Seuffert auch bereits deutlich darauf hingewiesen, daß die mittleren Einkommensstufen, zwischen 8000 und 40 000 DM etwa, in diesem Tarif im Verhältnis zu ihrer bisherigen Belastung durchaus nicht günstig wegkommen.
    Es gibt eine ganze Reihe von Tarifvorschlägen, nicht nur den des Bundesfinanzministeriums. Es gibt den Vorschlag des Troeger-Ausschusses, es gibt einen Tarifvorschlag des Ifo-Instituts, einen Tarifvorschlag der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer. Alle diese Tarifvorschläge werden sorgfältig zu prüfen sein. Jeder einzelne enthält Anregungen, die man vielleicht zu einem neuen einheitlichen und dann eben wirtschaftlich vernünftigen und sozial gerechtfertigten guten Tarif wird verarbeiten können. Das zu prüfen, wird in den nächsten Wochen die Aufgabe des Finanzausschusses sein.


    (Dr. Eckhardt)

    Nun aber doch noch ein Wort zum Spitzensatz des Tarifs. Der Plafond liegt nach den Vorschlägen der Bundesregierung bei 55 %. Dieser Plafond kann nur in Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuertarif gesehen werden. Der Körperschaftsteuertarif soll 45 % betragen. Man hat von verschiedenen Seiten behauptet — die Behauptung ist vollständig unbewiesen —, das Verhältnis von 45 : 55, 80 : 100 oder wie Sie es ausdrücken wollen, sei verhältnismäßig günstig, d. h. es sei gerecht, die Lasten zwischen Körperschaften, also Kapitalgesellschaften auf der einen Seite und Personenfirmen und selbständigen Steuerpflichtigen auf der anderen so zu verteilen. Wenn man das behauptet, dann ist im Rahmen einer solchen Überlegung die 30%ige Vergünstigung der Dividenden kaum aufrechtzuerhalten, ganz abgesehen davon, daß diese Vergünstigung zu einer ganzen Reihe von technisch sehr intrikaten Problemen und Schwierigkeiten führt, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Schachtelprivileg, mit der Frage der verdeckten Gewinnausschüttung, mit der Frage der Mindestbesteuerung. Ich selbst habe schon seit längerer Zeit vorgeschlagen, die Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer und auch Herr Professor Flume aus Göttingen, der sich mit diesen Problemen besonders befaßt hat, haben vorgeschlagen, im Verhältnis von Körperschaften und Personenfirmen doch endlich einmal von dem Nebeneinander abzugehen und die sogenannte Doppelbesteuerung, von der immer wieder gesprochen wird, radikal zu beseitigen. Die Doppelbesteuerung, die nach dem bisherigen System darin liegt, daß z. B. Dividenden einer AG. beim Empfänger nochmals der Einkommensteuer unterworfen werden, ist geeignet, die wirklichen Gewinn- und Gewinnverteilungsverhältnisse zu vertuschen und mit einem Schleier zu überziehen. Es wäre eine wirtschaftlich vernünftige und auch gar nicht so schwer durchzuführende Lösung, wenn man z. B. sagte: Die Kapitalgesellschaft und die Personenfirma haben beide normalerweise — es handelt sich ja hier in der Regel um höhere Gewinne — denselben Satz zu zahlen, d. h. die Körperschaften haben einen Steuersatz von 55 % zu tragen,

    (Abg. Raestrup: Sehr gut!)

    und dafür fällt die Doppelbesteuerung der Dividende restlos weg, die Einkünfte aus Dividenden werden dann lediglich der Einkommensteuer als Einkünfte aus Kapitalvermögen unterworfen. Das ist eine wesentlich gerechtere Lösung, und nach der Ansicht mancher Experten stellt selbst diese Lösung einen nicht unbeachtlichen Vorteil für die Kapitalgesellschaften insofern dar, als diese durch die Haftungsvorschriften des Handelsrechts und durch die Verhältnisse des Kapitalmarkts ja, wenigstens meist, eine stärkere Stellung als die Personenunternehmungen haben.
    Was ist heute? Meine Damen und Herren, nehmen Sie eine Personenfirma, einen Einzelunternehmer, einen größeren Betrieb mit 1 Million DM Gewinn, und nehmen Sie eine GmbH. mit ebenfalls 1 Million DM Gewinn. Diese GmbH. ist eine Ein-Mann-Gesellschaft. Dieser Fall ist bekanntlich nicht selten, und ich trage ihn Ihnen so vor, weil er natürlich besonders einfach ist. Wenn diese GmbH. ihren Gewinn versteuert, so wird sie künftig nur 45 % zu zahlen haben. Der Einzelunternehmer aber muß 55 %, d. h. 550 000 DM zahlen; warum, das weiß ich nicht.

    (Abg. Raestrup: Wir auch nicht!)

    Ob die Interessen des Einzelunternehmers hier geringer wiegen oder ob man sich sagt, daß er weniger investiere oder daß seine Arbeit volkswirtschaftlich weniger nützlich sei? Das kann ich mir nicht vorstellen. Nun nehmen Sie einmal den Fall, daß diese Kapitalgesellschaft, die nach dem Reformvorschlag 450 000 DM Steuern zu zahlen hat, 100 000 DM ausschüttet. Dann wären 900 000 DM mit 45 % und 100 000 DM mit 30 % versteuert, und Sie kommen dann bei der Kapitalgesellschaft trotz dieser doch nicht unbeträchtlichen Ausschüttung von 100 000 DM und trotz der Doppelbesteuerung auf eine Steuer von insgesamt 474 000 DM. Der Einzelunternehmer hat immer noch runde 80 000 DM mehr zu zahlen. Das ist keine glückliche und vor allen Dingen keine gleichmäßige Lösung. Ich sehe auch nicht recht ein, warum man die Herstellung der Gleichmäßigkeit auf diesem Gebiet unbedingt auf eine spätere, sogenannte organische Reform verschieben soll.
    Das vorliegende Teilreformwerk beschäftigt sich im wesentlichen mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Der Umsatzsteuer widmet es nur einen ganz bescheidenen Raum. Ich meine, das wird der finanziellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuer nicht ganz gerecht und auch nicht den vielfachen Vorschlägen, die gerade zur Reform der Umsatzsteuer gemacht worden sind. Ich vertrete nicht die Auffassung, die sich vielleicht manche in diesem Hause zu eigen gemacht haben, daß bereits jetzt der Zeitpunkt gegeben sei, die seinerzeit von Wilhelm von Siemens vorgeschlagene veredelte Umsatzsteuer durchzuführen. Ich glaube, die Durchführung im gegenwärtigen Zeitpunkt würde so viele technische Schwierigkeiten und unvorhergesehene wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen, daß man mit dieser Reform noch zuwarten sollte, insbesondere so lange, als nicht exaktere Vorschläge und gesetzgebungsreife Projekte vorliegen und nicht genügendes wirtschaftsstatistisches Material auf diesem Gebiet vorhanden ist. Wir werden uns also mit der deutschen kumulativen Allphasensteuer zunächst noch eine Zeitlang abfinden müssen. Popitz, der in diesem Zusammenhang vorhin als Vater der Umsatzsteuer erwähnt worden ist, hat sein Kind keineswegs sehr geliebt. Er hat es sogar vom finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus als die schlechteste Steuerart bezeichnet, die man sich vorstellen könne. Ich will den Streit darüber dahingestellt sein lassen; denn es ist völlig klar, daß weder wir noch Frankreich noch 'Belgien noch die Schweiz noch viele andere Länder jemals in die Lage kommen, finanzwirtschaftlich auf eine solche Umsatzbesteuerung verzichten zu können. Aber sich bei der Reform der Umsatzsteuer darauf zu beschränken, daß gewisse Lieferungen von Stromunternehmen anders behandelt werden und daß dann weiter der Großhandelssatz von 1 auf 1,5 erhöht werden soll, das scheint mir doch sehr dürftig.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Mir scheint sogar der Vorschlag der Erhöhung
    nicht sehr durchdacht gewesen zu sein. In den
    Diskussionsbeiträgen des Troeger-Ausschusses —
    und an der Troeger-Arbeit war ja eine ganze
    Reihe von Verwaltungsexperten beteiligt — steht
    zu lesen: Vielleicht könnte in Erwägung gezogen
    werden, daß der Großhandelssatz eine Erhöhung
    verträgt, aber das muß noch von der Beistellung
    von Material abhängig gemacht werden. Der
    Troeger-Ausschuß hat sich also sehr vorsichtig


    (Dr. Eckhardt)

    ausgedrückt. Nach Bekanntwerden des Gesetzgebungsvorschlages der Bundesregierung ist inzwischen von den verschiedenen Großhandelsverbänden eine ganze Menge Material gekommen, an Hand dessen sich deutlich zeigt, daß dieser Vorschlag — es handelt sich ja keineswegs um eine geringfügige, sondern um eine 50%ige Erhöhung — wahrscheinlich sehr viel tiefer in die Verhältnisse des Großhandels überhaupt eingreift. Ich selbst schätze nicht 200, sondern 300 bis 400 Millionen DM Mehraufkommen, wenn man nach diesem Vorschlag vorgehen würde. Das können Sie den Zahlen entnehmen, die das Ifo-Institut und auch die Diskussionsbeiträge des Troeger-Ausschusses bereitgestellt haben. Doch davon abgesehen.
    Was den Unternehmer und den Großhändler selbst betrifft, so sind sicherlich eine ganze Reihe von Großhändlern bestimmt nicht in der Lage, dann noch die Umsatzsteuer, wie es dem Sinn der Umsatzsteuer entspricht, zu überwälzen. Die soziale Seite des Ganzen wird übersehen. Es werden auch die besonderen Marktverhältnisse der Großhandelsunternehmen außer Acht gelassen, die Markenartikel vertreiben oder mit sozial-kalkulierten Wirtschaftsgütern zu tun haben. Ich glaube, die Ablehnung des Vorschlags einer Steuererhöhung wird in diesem Bundestag, wenn ich meine Herren Vorredner recht verstanden habe, diesmal ziemlich einmütig sein.
    Nun besteht kein Zweifel darüber — und das ist vielleicht ein gewisser Trost für den Herrn Bundesfinanzminister ,, daß gerade die Umsatzsteuer unzweifelhaft eine Reihe von finanziellen Reserven enthält. Diese Reserven sind, wie ich positiv weiß, in vielen Berichten der Oberfinanzdirektionen an das Bundesfinanzministerium dargelegt worden. So etwas bleibt ja nicht ganz verborgen.

    (Heiterkeit.)

    Mir sind die Verhältnisse auf dem Gebiet der Umsatzsteuer auch nicht ganz unbekannt.
    Die gesamten Befreiungen, die Freilisten, die zahllosen Zulassungen von Be- und Verarbeitungen auf dem Gebiet der Umsatzsteuer geben eine wirtschaftspolitische Situation wieder, wie sie allenfalls im Jahre 1934 bei der Neufassung des Umsatzsteuergesetzes bestanden haben mag. Warum ist man nicht darangegangen, diese alten Befreiungen, die Freilisten, die zugelassenen Bearbeitungen nachzuprüfen? Wenn man bei der Umsatzsteuer einige verwaltungstechnisch besonders lästige Anhängsel streichen würde, käme nach meiner Überzeugung mehr an Umsatzsteuer heraus als bei dem gegenwärtigen System. Wie denken Sie beispielsweise über jene Zusatzsteuern, die in der Verwaltung selbst eine Kritik gefunden haben, die man fast mit Gespött bezeichnen kann. Die Zusatzsteuer im Herstellereinzelhandel ist doch zu einem Konglomerat von unverständlichen Zusammenfügungen von Einzelvorschriften geworden, die selbst in der Denkschrift der Troegerschen Experten als Musterbeispiel schlechter Steuertechnik bezeichnet werden. Hier gibt es eine ganze Menge zu tun. Weiter bin ich der Überzeugung, daß nicht weniger, sondern mehr aufkommen würde bei einer großzügigeren Handhabung der Dinge auf dem so viel behandelten und in der Praxis so unleidlichen Gebiet der Be- und Verarbeitung, d. h. der Herstellung
    einer anderen Wesensart eines Gegenstandes, der Änderung seiner Nämlichkeit. Alle diese Streitigkeiten führen zu immer neuen Berufungen, zu immer neuen Auseinandersetzungen der Verbände. Es wird ein Heer von Beamten, ein Heer von Beratern, in Bewegung gesetzt, um zu einer einigermaßen passenden Lösung zu kommen, und dann gibt es nachher doch einen allgemeinen Erlaß. Wenn man sich aber vorher fragt, ob etwas eine steuerschädliche Bearbeitung ist oder nicht, dann ist das genau so, als ob man mit einem Geldstück probierte, ob der Adler oder das Wertzeichen oben liegt. Das ist ein Zustand, der auch bei dem gegenwärtigen System der Umsatzsteuer keinesfalls erträglich ist. Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben, noch allerlei zur Umsatzsteuer zu sagen.
    Was nun die übrigen Steuerarten unseres sogenannten Steuersystems betrifft, so sind sie in der Steuerreform so gut wie nicht behandelt. Es findet sich eine Andeutung, daß man später auf die Verbrauchsteuern zurückkommen würde. Ich teile nicht die Auffassung, daß etwa die alte Unterscheidung von direkten und indirekten Steuern, von der Sie, Herr Kollege Seuffert, gesprochen haben, heute noch ganz gerechtfertigt ist. Das wird man bei jeder einzelnen Steuer prüfen müssen. Man kann von keiner einzigen Steuer — abgesehen vielleicht von Substanzsteuern — sagen, ob sie nicht in irgendeiner Form überwälzt werden kann. Hierin liegt ja gerade die Gefahr der hohen Steuersätze, gegen die sich jeder wenden muß, einerlei, auf welcher Seite des Hauses er sich befindet. Sie besteht darin, daß bei einer Marktwirtschaft immer wieder die Überwälzung versucht wird. Hohe Steuersätze bergen also preispolitische Gefahren in sich und vermögen gerade die Zustände zu fördern, die der Herr Bundesfinanzminister mit seiner Auffassung vom Haushaltsgleichgewicht in den letzten Jahren so energisch bekämpft hat. Gerade deswegen muß man in einer Marktwirtschaft eine andere Art von Steuerpolitik treiben, als wir sie bei den totalitären Staaten im Osten sehen.
    Ich komme dabei noch auf einen anderen Punkt, über den man heute noch nicht diskutiert hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß es als Grenze für Steuerermäßigungen, für Tarifsenkungen auch eine internationale Grenze gebe. Ich weiß das natürlich sehr genau. Aber man darf bei dieser internationalen Grenze zwei Dinge nicht übersehen. Einmal das Wirtschaftssystem. Es ist natürlich etwas ganz anderes, ob Sie in einem Staat wie England ständig Subventionen ausführen, oder ob Sie diese Politik der Subventionen in einer Wirtschaft wie der unseren grundsätzlich ablehnen. Das führt zu ganz andersartigen Belastungen. Also einmal muß das Wirtschaftssystem beachtet werden. Es muß aber auch die Gesamtheit der Steuern zum Vergleich gebracht werden. Ich glaube, wenn wir uns die Gesamtheit der deutschen Steuer- und Abgabenbelastung einschließlich der Sozialabgaben ansehen, dann werden wir feststellen, daß wir immer noch mit einem ganz hübschen Vorsprung im Rennen liegen.
    Daß alle Steuern die Möglichkeit in sich tragen, überwälzt zu werden, bedeutet nicht, daß nicht doch einige Steuern diese Fähigkeit in einem besonderen Grade haben und daß sie Eigenschaften haben, die man nicht mehr als sozial bezeichnen kann. Steuerrecht muß auch sozial sein. Es soll nach meiner Überzeugung — im Gegensatz zu dem Troeger-Gutachten — nicht den Zweck der Nivel-


    (Dr. Eckhardt)

    lierung haben, .aber es soll sozial gestaltet sein. Das ist etwas ganz anderes.

    (Abg. Samwer: Sehr richtig!)

    Bei dem weiten Gebiet der Verbrauchsteuern sind einige Abgaben ohne weiteres zu erkennen, bei denen es auf diesen sozialen Charakter ankommt. Es ist die schon von Herrn Seuffert erwähnte Zuckersteuer, es ist weiter die Salzsteuer, es ist die Leuchtmittelsteuer und es ist die Zündwarensteuer. Durch diese kleinen Verbrauchsabgaben, die zum Teil, wie die Zündwarensteuer oder die Leuchtmittelsteuer, noch nicht einmal wesentlich ins Gewicht fallen, wird aber der Haushalt, und zwar auch der mittelständische Haushalt, von dem hier soviel die Rede gewesen ist, sehr erheblich belastet. Fragen Sie einmal die Hausfrau, was sie dazu sagt, daß sie seit Jahren für die Schachtel Streichhölzer nicht mehr drei oder fünf Pfennig, sondern zehn Pfennig, für das Paket Streichhölzer also eine Mark hinlegen muß! Das merken sich alle Hausfrauen. Und hier kommt noch eine Folge hinzu, die sehr interessant ist. Die Tatsache, daß die Hausfrauen sich das gemerkt haben, hat nämlich dazu geführt, daß wir auf diesem Gebiet, von dem ich gerade spreche, als dem einzigen Wirtschaftszweig im Bundesgebiet keinerlei Produktionssteigerung haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir bei der Zündwarensteuer immer noch die Kontrollratssteuer vor uns haben, die nun endlich beseitigt werden sollte. Hinsichtlich der Beseitigung einer solchen Kontrollratssteuer und der Herstellung eines vernünftigen Preises für ein solches Wirtschaftsgut sollte man nicht auf später vertrösten, sondern das sollte und könnte man auch jetzt tun.
    Ich darf nun das letzte Gebiet berühren, auf das es mir ankommt und das nach meiner Überzeugung wirklich auch wesentlicher ist, als viele Steuerzahler anzunehmen scheinen. Das ist das Gebiet des allgemeinen Abgabenrechts. Auch hier hat man gesagt, daß die Reichsabgabenordnung von 1919, die Enno Becker damals aus dem Nichts heraus geschaffen hat, eine mustergültige Leistung gewesen sei, eine mustergültige Leistung vielleicht für ihre Zeit und für den Stand der Entwicklung des allgemeinen Verwaltungsrechts, der für das Jahr 1919 festzustellen ist. Damals gab es nämlich noch gar keine allgemeinen Verwaltungsgesetze, sondern nur Sonderregelungen. Das allgemeine Verwaltungsrecht ist, wie Ihnen bekannt sein wird, erst in eben diesen Jahren von Mayer, Kormann, Jellinek und anderen geschaffen worden. In diese Zeit fällt auch die Reichsabgabenordnung. Die Reichsabgabenordnung genügt aber heutigen rechtsstaatlichen Begriffen deshalb nicht, weil es undenkbar ist, daß Ankläger und Untersuchungsführer, Richter und Vollstrecker sich uns in einer Person, nämlich in der Person des Finanzbeamten vorstellen. Das geht nicht, und diesen Zustand wird man beseitigen müssen. Man wird auch endlich dazu kommen müssen, die so lange versprochene Finanzgerichtsordnung vorzulegen und sie in die Reichsabgabenordnung einzuarbeiten. Die Notwendigkeit und die Dringlichkeit dieser Arbeiten ergeben sich nicht zuletzt auch daraus, daß draußen im Lande das Verhältnis zwischen Finanzbeamten, Betriebsprüfer, Steuerfahnder auf der einen Seite und Steuerpflichtigen auf der anderen Seite leider schlechter ist, als es sein sollte, zum Teil auch deshalb, weil die Vorschriften, an die Finanzbeamte, Betriebsprüfer und Fahndungsbeamte gebunden sind, den rechtsstaatlichen Überzeugungen von heute nicht mehr entsprechen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn wir uns also heute — unter dem Vorbehalt der Vorschläge, der Anregungen, der Änderungen, von denen ich gesprochen habe — grundsätzlich zu diesem Schritt einer Finanz- und Steuerreform oder einer Teilreform auf diesen Gebieten bekennen, dann darf das keineswegs heißen, daß dieser Schritt in irgendeiner Form endgültig sein dürfe. Er kann und darf nur eine Etappe auf dem Wege zu einer einheitlichen, geschlossenen und rationellen Finanzverfassung und auf dem Wege zu einem Steuersystem sein, das sowohl den sozialen Schutz wie aber auch die rechtliche Sicherheit für den Staatsbürger gewährleistet.

    (Beifall beim GB/BHE und bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich im Laufe des Tages mehrfach an einen Artikel erinnert — dessen Verfasser mir keineswegs irgendwie nahesteht —, nämlich an den Artikel des Herrn Chefredakteurs Sänger. Sie werden sich vielleicht erinnern, daß dieser Artikel von dem Herrn Bundeskanzler, und zwar wohl auch wegen des darin enthaltenen Angriffes gegen die Provinzstadt Bonn, sehr schlecht kommentiert worden ist. Aber davon sage ich kein Wort, es ist mir viel zu gefährlich.

    (Heiterkeit.)

    Herr Sänger hat in diesem Zusammenhang gesagt: Politiker sollten nach Möglichkeit nicht als Experten sprechen, jedenfalls nicht bei Dingen, die eine allgemeine Bedeutung haben, sondern eben als Politiker. Ich zweifle ein wenig, ob alle meine Vorredner — von mir können Sie es ja nachher beurteilen —

    (Abg. Dr. Köhler: Da sind wir aber gespannt! — Heiterkeit)

    dieser meines Erachtens richtigen Ermahnung gefolgt sind.
    Ich glaube, man muß doch ein paar Worte — das ist aus Liebenswürdigkeit oder wegen unserer Schnellebigkeit nicht geschehen - darüber verlieren, was in der Zeit zwischen dem 13. März, dem „geschichtlichen Tage", und heute geschehen ist. Wir wollen uns nicht so ohne weiteres darüber trösten, daß das Klima anscheinend etwas besser geworden ist, das Klima, meine ich, der Erörterungen und der Diskussionen, und daß wir jetzt also liebenswürdigerweise bei „Bahnhofsgesprächen" angekommen sind, die mir ja schon aus anderen Gründen nur sympathisch sein können. Sie wissen aber, daß dazwischen doch mancher schlechte Stil passiert ist. Fürchten Sie nicht, daß ich Sie mit den Reden aus Passau und aus Essen langweile. Ich habe sie aber nicht vergessen, und ich will, ohne nachtragend erscheinen zu müssen, zum Ausdruck bringen, daß ich diesen schlechten Stil doch sehr bedauert habe.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, von „Schamlosigkeit" sprechen, das sollte man erst kurz vor seinem Sieg oder vor seiner Niederlage tun.

    (Beifall bei der FDP.)



    (Dr. Wellhausen)

    Auch der andere Ausdruck, der bei dieser Gelegenheit über die „Geldsäcke ohne Herz" gefallen ist, hat mir, zumal ich nicht auf einem Geldsack sitze, nicht gefallen, Herr Bundesfinanzminister. Ich könnte ja nun sagen „betrifft mir nicht", denn ich bin nicht bei der CDU, wie Sie alle wissen, geschweige denn bei der CSU.

    (Heiterkeit und Oho-Rufe.)

    — Nein, haben Sie keine Angst, ich komme nicht zu Ihnen!

    (Erneute Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.) Man sollte das aber doch gelegentlich einmal betonen.

    Grund für diese Zuspitzung — so sagen wir einmal höflicherweise — war natürlich der Theaterdonner, mit dem hier mit gehöriger Vorbereitung die Dinge am 13. März vor sich gegangen sind. Lieber Herr Bundesfinanzminister, ich finde eigentlich, Sie hätten sich sagen können, daß es zu einer Enttäuschung kommen würde. Ihre Erklärung, daß die Wirtschaft dann besonders die Trommel gerührt habe, stimmt ja auch nicht, sondern die Reaktion war, bedauerlicherweise, bei der gesamten Presse „spontan", um einen überholten Ausdruck zu gebrauchen.
    Nun haben wir heute vieles gehört, und wenn auch unser Ressortminister für klassische Zitate nicht da ist ich meine den Herrn Familienminister —,

    (Heiterkeit)

    so bin ich doch versucht zu sagen: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen! — Vielleicht haben Sie mir ja auch, nachdem ich so weit hinten heruntergerutscht bin — auf der Liste, meine ich natürlich —, die Chance gegeben, nun ein wenig zu changieren, nämlich von der Opposition zur Regierung und wieder zurück. Weitere Möglichkeiten haben wir ja leider nicht.

    (Rufe in der Mitte: Na, na! — Abg. Seuffert: Die dritte Kraft!)

    — Die dritte Kraft! Ich komme noch von selbst darauf.
    Lassen Sie mich anfangen mit der Finanzreform. Herr Kollege Eckhardt hat bereits das zitiert, was ich in der Presse verlautbart habe, und ich will versuchen, es etwas anders zu begründen — ich meine jetzt die Trennung von Finanz- und Steuerreform —, als es bisher hier begründet worden ist. Am meisten befinde ich mich, glaube ich, mit den Gedankengängen des Herrn Gülich in Übereinstimmung.
    Man muß sich einmal die Mühe machen, sich die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes — unserer Väter, ist nicht richtig, sagen wir: unserer Brüder, speziell Sie, lieber Bruder Dehler —

    (Heiterkeit)

    zu vergegenwärtigen. Diese Entstehungsgeschichte beginnt mit dem Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, also in unserm lieben Bayern. Dort wurde die These aufgestellt: Die Länder sollen nicht Kostgänger des Bundes, und der Bund soll nicht Kostgänger der Länder sein; jeder Teil muß über das verfügen können, was er für seine Lebenshaltung benötigt.
    In der sicherlich richtigen Erkenntnis, daß es für eine solche Regelung im Jahre 1949 zu früh sei, ist man den ungewöhnlichen Weg gegangen, in einem Grundgesetz, sprich Verfassung, für das doch immerhin sehr zentrale Finanzwesen eine vorläufige Regelung vorzusehen. Man hat aber entsprechend der Schnellebigkeit, von der ich in anderem Zusammenhang schon sprach, einen zu frühen Termin eingesetzt, und die Weisheit beider Gremien, also des Bundesrats und von uns, hat auch rechtzeitig erkennen lassen, daß diese Frist nicht eingehalten werden konnte. Man hat sich dann zunächst den Wahlkampf geleistet, in dem wir uns ja alle getummelt haben, mit mehr oder weniger Erfolg, und dann ist also doch die Zeit des 31. Dezember 1954 sehr schnell herangekommen; nunmehr steht sie ja bereits unmittelbar vor uns.
    Nun hat inzwischen der Bund gemäß Art. 106 Abs. 3 einen Teil des Ertrages der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch genommen, und dadurch sind alljährlich Auseinandersetzungen entstanden, über die hier vorhin schon viele nicht Krokodils-, sondern echte Tränen geweint worden sind. Ich neige auf Grund gewisser Erfahrungen im Leben ein wenig zu dem Satz: „Nur keinen Krach vermeiden!" Ich bin also nicht der Meinung, daß es so furchtbar lästig und so furchtbar häßlich und so furchtbar unsachlich ist, wenn man sich alle Jahre über dieses Inanspruchnahmegesetz streitet. Vielleicht führt das doch auch zu neuen Erkenntnissen. Ich habe jedenfalls, zumal ich eigentlich immer im Vermittlungsausschuß daran beteiligt war, schon eine ganze Menge dabei gelernt. Aber ich erwähne das, weil ja dieser Gesichtspunkt einer der Hauptgründe für die Bundesregierung ist, nunmehr die endgültige Regelung des Art. 107 vorzulegen.
    Aus der Begründung, meine Damen und Herren, geht hervor, daß sich auch die Bundesregierung recht ernst die Frage vorgelegt hat, ob die sachlichen Voraussetzungen, die seinerzeit gefehlt haben, jetzt vorliegen. Sie bezeichnet das selbst als zweifelhaft hinsichtlich mancher sehr gewichtiger Punkte: hinsichtlich der von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung abhängigen Ergiebigkeit der Steuerquellen, hinsichtlich der ausreichenden Übersehbarkeit des künftigen öffentlichen Finanzbedarfs insbesondere wegen Belastungen, deren Höhe von der weltpolitischen Entwicklung und von deren Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft usw. abhängt; sie bezeichnet es schließlich als zweifelhaft hinsichtlich der noch nicht durchgeführten Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Art. 29 des Grundgesetzes. Sie wissen, daß sich damit ein Sachverständigengremium beschäftigt, dem anzugehören ich die Ehre habe und das neulich in Nürnberg getagt hat. Ich müßte geradezu lügen, wenn ich sagen wollte, ich sei der Ansicht, daß sich daraus sehr schnell und sehr bald etwas Reales konkretisieren werde. Das wird wohl noch ein bißchen lange dauern. Das liegt 'keineswegs an Herrn Reichskanzler Luther.
    Man wird also schon diese Einwendungen, die die Bundesregierung in ihrer Begründung selbst aufführt, sehr ernst zu prüfen haben. Aber ich wiederhole: die lästigen Auseinandersetzungen und dann der Umstand, daß man den Termin schon einmal verschoben hat, sollen dazu zwingen, nun zum Schluß zu kommen. Ich behaupte keineswegs, daß man sich für die Zukunft die Arbeit leicht machen will, sondern erkenne an, daß man Verständnis für die Einstellung der Bundesregierung haben muß. Ich glaube aber doch, daß übergeordneten politischen Gesichtspunkten, die diese wichtige Frage des Finanzwesens letzten Endes


    (Dr. Wellhausen)

    ausschlaggebend beeinflussen müssen, nicht Rechnung getragen wird, wenn man sich zu einer überstürzten Verabschiedung entschließt. Ich wiederhole, daß nur noch sechs Monate zur Verfügung stehen. Rechnen Sie die Ferien ab, auf die ja keiner verzichtet — das haben wir im ersten Bundestag ein paarmal exerziert —, ferner die Feiertage, und wer weiß, was alles, dann werden Sie zu einem Nettobetrag an sitzungsbereiten Tagen kommen, der sehr gering ist.
    Ich meine — das sage ich noch einmal —, daß der Entschluß des Parlamentarischen Rates schwerwiegend ist. Eine solche Regelung ist ja eigentümlich, daß man nämlich in einer Verfassung nichts Endgültiges, sondern ausdrücklich etwas Vorläufiges bestimmt. Das sollte uns zu einer besonders eingehenden und sachlich fundierten Prüfung der Frage veranlassen, ob die Dinge, wie meine Freunde in Nürnberg zu sagen pflegen, bereift sind. Ich glaube, daß in den sachlichen Ausgangsunterlagen noch vieles fehlt und auch fehlen muß. Ich erwähne, um es etwas plastisch zu gestalten, das Kriegsfolgenschlußgesetz und die Lasten, die dem Bund daraus erwachsen werden. Ich erwähne die Maßnahmen für die nationale Sicherheit, wenn ich mich ganz neutral ausdrücken darf. Es ist jetzt modern geworden, in dieser Beziehung nicht sehr konkret, sondern von nationaler Sicherheit zu sprechen. Das habe ich nicht etwa von meinem Freund Pfleiderer gelernt, sondern das habe ich selbst erfunden.

    (Heiterkeit.)

    Ich erwähne das Flüchtlings- und das Vertriebenenproblem. Ich denke an manche finanzielle Sorgen, und da bin ich so unbescheiden — erlauben Sie mir das —, auch die Bundesbahn zu erwähnen. Ich denke an die landwirtschaftlichen Meliorationen und an die Wasserwirtschaft. Ich hoffe, das genügt Ihnen als Begründung.
    Die Bundesregierung treibt nun eine Resignation, wenn sie erklärt, diese Dinge oder jedenfalls ein großer Teil dieser Dinge würden sich auch als Unsicherheitsfaktor in absehbarer Zeit überhaupt nicht ausräumen lassen. Das ist mir zu bescheiden, Herr Minister Schäffer, und das sind Sie doch eigentlich sonst nicht, wenigstens nicht, wenn es sich um die Arbeit, die Sie bewältigen sollen, handelt. Es ist eine staatspolitische Aufgabe gerade dieser Sessionsperiode des Bundestages, für die von mir nicht erschöpfend aufgezählten Dinge Klarheit zu schaffen, die sich für die Voraussetzungen der endgültigen Lösung der Finanzreform wieder günstig auswirken würde.
    Ich glaube, daß eine zweite Resignation in dem Entwurf selbst vorliegt. Ich glaube, daß sich Art. 107, der die schwierige Aufgabe stellt, die man lösen soll, nicht so eng auslegen läßt, wie Sie, Herr Minister Schäffer, das in Ihrer Begründung getan haben. Ich weiß, das ist strittig, und Herr Eckhardt stimmt mir vielleicht in dem Punkt auch nicht zu. Ich glaube, das Gesetz nach Art. 107 bezieht sich nicht nur auf die Neuregelung der Steuerertragshoheit, sondern auch auf die Steuergesetzgebungshoheit und auf die Steuerverwaltungshoheit. Ich könnte mir nun denken — da brauche ich nicht sehr weit zu gucken —, daß Sie politische Gründe haben, Fragen der Steuerverwaltungshoheit nicht gerade anzuschneiden. Ich widerstehe aber der Verlockung, der schon manche Vorredner erlegen sind — immer in einem Sinne, der
    mir sehr sympathisch war —, über die Bundesfinanzverwaltung zu sprechen. Das hebe ich mir für ein vielleicht besseres Klima, Herr Minister Schäffer, auf. Denn ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß jemandem, der so intensiv und mit so großem Erfolg wie Sie dieses Amt eines Bundesfinanzministers bekleidet, nicht eines Tages wie eine reife Frucht die Bundesfinanzverwaltung in den Schoß oder vielmehr in das Gehirn fällt.

    (Beifall und Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Glauben Sie, daß aus diesem Saulus noch ein Paulus wird?)

    — Ja, da hat es schon einmal ganz tolle Sachen gegeben, lieber Herr Gülich. Sie sind ein Wissenschaftler, Sie müßten das eigentlich wissen.
    Aber, meine Herren, die Dinge der Steuerreform
    — und das ist eigentlich von allen Rednern anerkannt worden — liegen auf einem völlig anderen Gebiet. Niemand von Ihnen hat behauptet, daß ein organischer, notwendiger und unlöslicher Zusammenhang mit der Finanzreform besteht. Ich verkenne nicht, daß es natürlich schade ist, daß wir in Deutschland es nicht fertigbringen, über diese Dinge im Vermittlungsausschuß sachlich zu diskutieren, daß wir sehr leicht der Gefahr verfallen, die Sachlichkeit zu verlassen, und vielleicht sogar manchmal demagogische Auseinandersetzungen herbeiführen. Aber dieser Umstand gefährdet — und das ist nun des Pudels Kern, um den ich vielleicht lange genug herumgeredet habe, Herr Mellies, wenn Sie so wollen — die rechtzeitige Verabschiedung der Steuerreform, auf die es mir und meinen Freunden entscheidend ankommt. Ich glaube nicht, daß diese notwendigen sachlichen Voraussetzungen gegeben sind. Falls Sie mir das zugeben, werden Sie vielleicht geneigt sein, mit mir den Zeitpunkt der endgültigen Regelung nach Art. 107 als noch nicht gekommen anzusehen. Wenn man warten muß — ich bin von Hause aus durchaus kein Attentist —, dann muß man natürlich das Notwendige tun und sich entschließen, durch ein verfassungänderndes Gesetz — da brauchen Sie nicht gleich blaß zu werden; an so etwas sind wir j a in letzter Zeit schon ein wenig mehr gewöhnt;

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    ich gehe aber nicht auf die Gründe und auf die
    Gelegenheiten ein, das ist mir viel zu gefährlich,
    und ich brauche es auch gar nicht — die am
    31. Dezember 1954 ablaufende Frist um zwei Jahre
    zu verlängern. Die Weisheit des Bundesrats, die
    heute schon mehrfach anerkannt worden ist — Sie
    werden sagen: ich werfe mit der Wurst nach dem
    Schinken; das gebe ich vielleicht sogar zu —, wird
    sich auch dieser verfassungändernden Maßnahme
    der Verlängerung des Gesetzes nicht verschließen.
    Meine Damen und Herren, ich gehe über zur Steuerreform. Ich glaube, daß so viel über „organisch", über „groß", über „neu" gesprochen worden ist, daß es nicht nötig ist, in diesem Augenblick noch etwas dazu zu sagen. Wir haben uns alle aus verschiedenen Gründen mehr oder weniger damit abgefunden. Bei mir ist es vor allen Dingen der Grund der Schnelligkeit, daß wir diese organische Steuerreform, deren Notwendigkeit ich in bereinstimmung mit vielen Rednern absolut bejahe, jetzt nicht zustande bringen können.
    Nun kommt der Termin, um dessen Erörterung viele Kollegen eigentlich wie um einen heißen Brei herumgegangen sind. Meine Freunde haben mit dem Antrag Drucksache 280 vom 28. Februar 1954 die


    (Dr. Wellhausen)

    Steuerreform für den 1. Juli verlangt. Wenn Sie mir jetzt sagen: Darüber ist die Zeit mit ihrer heilenden oder zerstörenden Wirkung — das stelle ich anheim — hinweggegangen, dann sage ich Ihnen: dieser Ansicht bin ich nicht. Ich bin vielmehr der Meinung, daß alle Argumente, die sonst gegen rückwirkende Gesetze angeführt werden, hier fehl am Platze sind. Ich meine also, daß bei dieser Steuerreform die Bedenken der Finanzbeamten — die ich hoch schätze und natürlich schon aus Egoismus verehren muß —

    (Heiterkeit)

    für mich nicht maßgebend sind. Ich glaube vielmehr, daß es nötig ist, sich mit diesem Termin als endgültigem Zeitpunkt des Wirkungsbeginns der Steuerreform zu beschäftigen. Vielleicht überrascht es Sie, wenn ich Ihnen sage, daß ich eigentlich nicht recht weiß, warum wir in unserer laufenden Reihe von Steuerreformen — deswegen spreche ich auch nachher in einem anderen Zusammenhang von der auf enden Steuerreform
    — das Jahr 1954 schlappern sollen, d. h. zu deutsch, warum wir dem Steuerpflichtigen nicht den Vorteil, der ihm an sich aus der Zuwachsrate des Jahres 1954 erwächst, zugute kommen lassen sollen.

    (Abg. Seuffert: Er hat aber noch die Vergünstigungen!)

    — Die Vergünstigungen entgehen ihm ja schon früh genug. Darüber spreche ich gleich. Dafür bin ich auch absolut.
    Ich stehe auf dem Standpunkt, daß, wenn man logisch denkt — und das soll man in Finanz- und Steuerdingen —, man sagen müßte, das Jahr 1955 müßte dieses Geschlapper — entschuldigen Sie diesen Slangausdruck — wieder einbringen. Das würde, wenn Sie ganz logisch weiterdenken, dann dazu führen, daß das Jahr 1956 im Rahmen der laufenden Steuerreform nicht herunter-, sondern herauflaufen müßte. Solch komplizierte Dinge wollen wir uns nun mit Gewalt zuziehen, obwohl es doch sehr viel einfacher geht, nämlich dann, wenn wir uns erstens in den Beratungen beeilen
    — ein Appell, den ich natürlich in erster Linie an den von mir geführten Ausschuß richten werde — und wenn man zweitens die Rückwirkung schluckt. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß sie meines Erachtens berechtigt ist. Wir brauchen den Fehler, den ich Ihnen entwickelt habe, nach den Zahlen für 1954 nicht aufkommen zu lassen, wenn wir so vorgehen. Der Mischtarif, Herr Bundesfinanzminister, stört mich nicht. Wir haben ihn gerade 1953 exerziert, und er hat die Finanzverwaltung und auch die Länderfinanzverwaltung nicht an den Rand des Abgrunds gebracht. Schwieriger ist natürlich schon die Geschichte mit den Begünstigungen, denn die können wohl nach der ganzen Situation nicht vor dem 1. Januar 1955 auslaufen. Aber bei Nachdenken und Anstrengen des Gehirns wird man vielleicht auch da zu einer Lösung kommen.
    Ich komme zur Ergänzungsabgabe. Hier möchte ich mir nach den vielen Argumenten, die vorgetragen worden sind, die Sache sehr leicht machen. Ich möchte nämlich von dem Begriff des Durchschnittsbürgers, der so viel zitiert wird, oder von dem Begriff der Masse des Volkes, das sich, wie ich neuerdings gehört habe, in Köln besonders konzentriert findet,

    (Heiterkeit)

    Gebrauch machen.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: der Durchschnitt des Volkes!)

    — Ja, der Durchschnitt. Viel mehr als Durchschnitt kann ja Köln auch schließlich nicht sein.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Wir wollen es doch nicht übertreiben!

    (Fortgesetzte Heiterkeit.)

    Ich möchte Ihnen sagen, daß wir diese Ergänzungsabgabe wohl einfach deswegen ablehnen müssen, weil sie eine neue Steuer ist. Nichts paßt in diesem Augenblick so schlecht in die Landschaft, als eine neue Steuer zu verordnen.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Eine Steuer, die in die Welt gesetzt wird — quod non est in actis, non est in mundo —, reizt doch dazu, und zwar jeden Finanzminister, von ihr Gebrauch zu machen.
    Nun ist von einem Argument noch gar nicht gesprochen worden, das aber doch, wenn ich recht orientiert bin, in der Angelegenheit der Ergänzungsabgabe eine große Rolle gespielt hat, daß man nämlich meint, man wolle durch diese Ergänzungsabgabe auch eine vielleicht etwas einfache Antwort auf die Frage geben: Wie kann man auch in Zeiten vor Wahlen das Parlament an der Verabschiedung von unverständigen und Geld kostenden neuen Gesetzen verhindern? Schon unsere Väter, nein, schon unsere Brüder im Parlamentarischen Rat haben sich diese Frage vorgelegt und den Art. 113 erfunden. Es fällt mir auf und ich suche immer nach Gründen, warum dieser Artikel so vollständig totgeschwiegen wird. Ich weiß, daß er noch nie exerziert worden ist, und man soll eigentlich — das ist nicht philologisch gedacht, sondern vernünftig, was kein Gegensatz ist — schlechtes Wasser erst ausgießen, wenn man besseres hat. Wir sollten also schon einmal mit dem Art. 113 operieren.
    Nun haben mir meine Agenten berichtet — die arbeiten aber natürlich nicht immer sehr genau—, es bestehe die Idee, daß die Berechtigung des Art. 113 in Zukunft nicht der Bundesregierung — wie es im Grundgesetz steht —, sondern dem Herrn Bundesfinanzminister zustehen solle.

    (Abg. Seuffert: Hört! Hört!)

    Das allerdings würde zu weit gehen, Herr Schäffer, und das verlangen Sie wahrscheinlich ja auch nicht. Deswegen glaube ich, daß mich meine Agenten falsch unterrichtet haben.

    (Heiterkeit.)

    Ich möchte Ihnen also vorschlagen: Machen Sie von dem Art. 113 einmal Gebrauch! Ich habe vorhin gesagt: Ich verstehe nicht recht, warum davon kein Gebrauch gemacht wird. Beim Nachdenken ist mir folgendes eingefallen — mit dem Einmaleins gerechnet —: Es kann sich nämlich bei jedem Gesetz, das im 1. oder 2. Bundestag mit Mehrheit beschlossen worden ist, immer nur um mindestens eine beteiligte Koalitionspartei handeln, und der vor den Bauch zu treten oder die vor den Kopf zu stoßen — nehmen wir einen anderen, wertvolleren Körperteil —,

    (Heiterkeit)

    geniert sich natürlich die Bundesregierung. Sie sollte aber ihre Zurückhaltung oder ihre Feinfühligkeit da ein wenig zügeln. Fangen wir also ich wiederhole es — mit dem Art. 113 an, und erst, wenn dieses Schwert sich als stumpf erwiesen hat, kann man einen anderen Ausweg wählen.


    (Dr. Wellhausen)

    Aber auch dann, meine Damen und Herren, sind wir noch nicht bei der Ergänzungsabgabe als Ultima ratio, sondern dann erinnern wir uns — was ich den ganzen Tag schon tue — an meinen Freund Höpker-Aschoff und denken wir daran, wie er die Geschäftsordnung des Bundestags durch die Bestimmung ändern wollte, daß Gesetze nur mit Deckungsvorschlägen eingebracht werden können. Er hat sich dann in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesverfassungsgerichts leider selbst korrigieren müssen und hat eine Entscheidung gefällt, in der stand, daß dieses Verfahren deswegen unrichtig oder unzulänglich sei, weil es nicht in der Form einer Änderung des Grundgesetzes, sondern nur in der Form einer Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages vorgeschlagen worden sei. Aber bitte, ändern wir dann aus diesem Anlaß das Grundgesetz und verlangen wir — was vielleicht auch sonst gute Wirkungen hätte — diese Fundamentierung durch natürlich verständige oder, besser gesagt, konkrete und einer Nachprüfung standhaltende Vorschläge! Dann brauchen wir uns ebenfalls nicht in die großen Kosten — bildlich gesprochen — der Ergänzungsabgabe zu stürzen, über die ich ja schon verschiedenes gesagt habe.
    Vielleicht ist es nicht ganz unrichtig, wenn ich erwähne, daß mir — die Bemerkung mache ich jetzt für mich persönlich — der Vorschlag aus Bayern einen gewissen Eindruck gemacht hat, in dem nämlich die Ergänzungsabgabe auf 5 % —andere Leute sagen auf 10 % — beschränkt worden ist und nicht in der largen Form, wie Sie es vorschlagen, Herr Minister Schäffer, eine unbeschränkte Möglichkeit für die Abgabe in Prozenten der jeweiligen Steuerschuld vorgesehen ist.
    Ob die Ergänzungsabgabe auf diejenigen Damen und Herren dieses Hauses, die sich in Expansionen besonders gefallen — ich nenne weder Roß noch Reiter —, einen besonderen Eindruck machen wird, das möchten meine Freunde bezweifeln. Denn wenn man einmal auf Steckenpferden reitet, kommt man nur ungern oder schwer wieder herunter.
    Aber ich habe mir natürlich nun überlegt, was denn eigentlich der Grund des Herrn Bundesfinanzministers ist, warum er diese Ergänzungsabgabeentwürfe so sehr protegiert oder forciert. Ich kann doch nicht auf den Gedanken kommen — das habe ich mir ja für die Zukunft vorbehalten und hoffe, es mir versprechen zu dürfen —, daß er inzwischen zentralistisch denkt. Das wäre furchtbar!

    (Heiterkeit.)

    Außerdem müßte ich doch, selbst wenn ich annähme, daß das richtig ist, den schönen lateinischen Satz brauchen — der Sie diesmal hoffentlich nicht beleidigen wird, lieber Herr Schäffer —: „Quid-quid id est, timeo Danaos et dona ferentes." Das muß ich Ihnen übersetzen: „Was auch immer geschehen mag, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen."
    Ich will die Ergänzungsabgabe verlassen, aber nicht ohne eine Wort darüber zu sagen — das lenkt mich zum neuen Thema über —, daß wir uns doch nichts Besseres, sprich Schlechteres für eine Verwaltungsreform wünschen können als eine Ergänzungsabgabe. Sie verstehen mich; ich glaube, das schiebt eine Verwaltungsreform auf den Nimmerleinstag hinaus.
    Verwaltungsreform generell! Es hat mir einen gewissen Eindruck gemacht, daß eine der Organisationen, die hier ja sonst nicht so sehr beliebt sind — ich meine den Industrie- und Handelstag —, auf ihrer diesjährigen Tagung in Frankfurt mit sehr deutlichen, aber höflichen Worten beklagt hat, daß das ganze Gesetzgebungswerk des Herrn Schäffer nichts von der Notwendigkeit einer Verwaltungsreform enthält. Der Herr Bundesfinanzminister hat vorhin gesagt: Wir müssen die Verwaltungsreform ja nicht nur beim Bund durchführen, sondern auch bei den Ländern. Aber ich finde immer, einer muß mal anfangen, damit überhaupt etwas geschieht.
    Ich glaube, wir machen uns im Bundestag die Sache etwas leicht, wenn wir gelegentlich der Erörterungen zu sagen pflegen: Es gibt einige Blöcke, Sie können auch sagen: Eisblöcke, an denen nichts zu deuteln ist. Ich meine die Besatzungskosten und die sozialen Leistungen. Diese Blöcke sind schon irgendwie zu erschüttern. Denken Sie in Abwesenheit des Herrn Bundesarbeitsministers — da kann man noch kühler darüber denken — vielleicht einen Augenblick an die Sozialreform, die uns ja, wenn ich mich so ausdrücken darf und recht erinnere, für diese Sessionsperiode überhaupt nicht mehr serviert werden soll. Vielleicht wären doch im Rahmen der Sozialreform, von der ich schon weiß, daß sie im Grunde genommen andere Ziele hat, auch Möglichkeiten einer Verwaltungsreform gegeben. Ich glaube, meine Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister ist der geborene Ressortminister für Verwaltungsvereinfachungen. Er betätigt sich ja auch auf diesem Gebiete. Aber ich will der Verlockung widerstehen, schon wieder auf die Bundesbahn zu sprechen zu kommen. Ich will nicht ablenken, aber ich möchte ihn bitten, sich doch mit der Verwaltungsreform im Bunde etwas mehr zu beschäftigen.
    Ehe ich auf den Tarif zu sprechen komme, erlauben Sie mir, daß ich einige wenige Sätze über die negative Seite des Tarifs sage, ich meine, über den Fortfall der Begünstigungen. Ich habe seit 1949 mitgemacht, und da ist man ja in dieser Bundesrepublik schon beinahe ein Veteran. Ich entsinne mich sehr genau der verständigen Gründe, die den Wirtschaftsrat damals 2u diesen Begünstigungen veranlaßt haben. Ich will hier keinen Nekrolog sprechen, aber ich halte es doch für richtig, zu erwähnen, daß sie, wenigstens ein großer Teil von ihnen, eine sehr wertvolle, nützliche Arbeit im Interesse des Wiederaufbaues unserer Wirtschaft geleistet haben, von 7 a angefangen. Sie sind aber, zum größten Teil jedenfalls, inzwischen überflüssig geworden und sind nicht geeignet, dem Volke das Prinzip der Steuergerechtigkeit als vorhanden erscheinen zu lassen. Ich spreche also für meine Fraktion aus, daß der Grundsatz , die Begünstigungen zum Verschwinden zu bringen, ein auch von uns gebilligter ist.
    Ich darf dabei einen Seitenblick auf den Bundesrat werfen. Ich finde, der Bundesrat hat manchmal einen Vereinfachungskomplex. Er begründet auch diese Dinge in einem großen Umfang mit Vereinfachungen. Das ist natürlich etwas schnell und etwas oberflächlich gedacht, aber ich nehme ja jetzt auch einen anderen Anlaß zu ihrer Beseitigung.
    Fraglich sind natürlich — denken Sie nicht, daß ich jetzt einen Rückzieher mache — das Tempo und die Ausnahmslosigkeit der Begünstigungen. Hier sind natürlich auch wir ein wenig an 7 c hängengeblieben. Das hängt nicht, zum mindesten


    (Dr. Wellhausen)

    nicht vorwiegend, damit zusammen, daß unser Freund Preusker und vorher unser Freund Neumayer und davor unser Freund Wildermuth das Bundeswohnungsbauministerium geführt haben, sondern das hängt damit zusammen, daß der Wohnungsbau meines Erachtens nach wie vor die Aufgabe Nr. 1 der Bundesregierung ist, das ja auch mit Zustimmung des ganzen Hauses, die nur vorübergehend einmal etwas getrübt war und hoffentlich nicht wieder getrübt wird, Herr Mellies. Das ganze Haus war in dieser Zielsetzung und durchweg auch sogar in den gewählten Mitteln einig. Der Bundeswohnungsbauminister Preusker hat in einem sehr kurzen — und schon deswegen lesenswerten — Artikel im Bulletin — die Nummer habe ich nicht — auseinandergesetzt, inwiefern sich die Vergünstigung des § 7 e angenehm und nicht vergleichbar von anderen Vergünstigungen unterscheidet. Das ist bis zu einem gewissen Grade auch jetzt noch richtig. Unser Kollege Neuburger hat vorhin gesagt, man müsse neue Wege beschreiten, es sei vielleicht nicht ausreichend, mit dem Sozialpfandbrief zu arbeiten und auf 7 c ganz zu verzichten. Das sind Fragen, die meine Freunde nicht bejahen, die sie sich aber stellen und über die wir uns ausführlich unterhalten müssen.
    Meine Damen und Herren, das führt gewissermaßen zwangsläufig zu Gedanken, die mit dem Kapitalmarktförderungsgesetz zusammenhängen. Ich gehöre auch zu denen, Herr Minister Schäffer, die es beklagen, daß die Novelle zum Kapitalmarktförderungsgesetz den Gang der 'Gesetzgebung so langsam durchläuft, aber ich habe zu meiner Freude gehört, daß das Kabinett am vorigen Mittwoch die Dinge anscheinend bundestagsreif gemacht hat. Wir hoffen also, daß wir sie bald erhalten. Ich habe natürlich — das wird Sie nicht überraschen — zu dem Sozialpfandbrief nicht die radikal ablehnende Haltung, die Herr Seuffert hier vorgetragen hat. Doch wir wollen nicht auf eine Erörterung des Kapitalmarktförderungsgesetzes abgleiten; das würde meiner Zielsetzung nicht entsprechen.
    Wenn wir uns nun über den § 7 c Gedanken machen, dann werden Sie unter Umständen bei dem Ergebnis sagen — ich kenne dieses Ergebnis nicht —: Das ist der Fluch der bösen Tat; und da hätten Sie sogar etwas recht. Aber das sind nun mal Dinge, die etwas zwangsläufig sind, und wir treiben ja keine Politik um des Prinzips willen, sondern um auf einem Wege, den wir als notwendig und nützlich erkannt haben, weiterzukommen. Um Mißverständnisse auszuräumen: ich meine jetzt nicht auf dem Wege der Begünstigung, sondern auf dem Wege des Wohnungsbaus.
    Herr Neuburger hat sich ausführlich mit dem § 10 beschäftigt, und zwar in einer Form, der ich zustimme. Auch neulich auf dem Sparkassentag ist von klugen Männern — viel klügeren, lieber Herr Neuburger, als wir beide uns einbilden, es auch nur von weitem werden zu können — über den Wert des Sparens sehr deutlich gesprochen worden. Unser verehrter Bundeswirtschaftsminister Erhard hat nicht widersprochen. Es war überhaupt ein Tag, an dem er Sie, Herr Schäffer, besonders gelobt hat; das wissen Sie ja.

    (Heiterkeit.)

    Aber das ist halt verschieden, und ich will es in
    Abwesenheit von Herrn Erhard nicht ausspinnen.
    Er hat jedenfalls gesagt, daß diese Unterstützung
    und dieser Zwang zum Sparen in mancher Beziehung noch nützlich und notwendig wäre. „Noch" hat er gesagt; er glaubt anscheinend an die Aufwärtsentwicklung der Menschheit. Sie, Herr Neuburger, haben hinzugefügt, man wolle den Investitionsrückgang behindern oder verhindern. Das ist ein wichtiges Moment. Jedenfalls gehört auch der § 10 in seiner jetzigen Form — damit meine ich immer das, was ab 1. Januar 1955 gilt — zu den Dingen, die wir uns überlegen müssen.
    Ich fand es sehr schön, daß Sie ein Wort über die degressiven Abschreibungen gesagt haben, Herr Neuburger. Auch ich glaube, daß wir uns darüber freuen, vielleicht sogar Hoffnungen daran knüpfen sollen, daß dieses Prinzip — das meines Erachtens entgegen der Ansicht des Bundesrats nicht gesetzlich verankert zu werden braucht — nur ein Ausfluß des gelegentlich doch auch in Regierungskreisen anzutreffenden gesunden Menschenverstandes ist.

    (Heiterkeit.)

    — Soll ich es noch liebenswürdiger ausdrücken? Ich finde es doch sehr liebenswürdig.
    Im Zusammenhang hiermit muß ich noch ein Wort über die individuelle Befristung für einige Vergünstigungen für die Flüchtlinge sagen. Ich glaube, daß damit ein gutes Thema angeschnitten ist, zumal wir ja im § 7 a in der Form, in der er aufrechterhalten ist, schon eine solche Befristung auf 1956 haben. Dann sollte man sich überlegen, ob man diese Befristung nicht auch bei den sonst verbliebenen Vergünstigungen für Heimkehrer, Spätheimkehrer usw. festlegen sollte. Ich persönlich bin bei den Begünstigungen fern von jeder Forderung oder Bitte.
    Ehe ich das Thema Kapitalmarktförderung verlasse und dann sehr schnell zum Schluß komme, möchte ich noch an eine Bemerkung, ich glaube, von Herrn Seuffert, über die kostspielige Kapitalmarktförderung anknüpfen. Mit begeisterter Zustimmung habe ich darüber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aus der wir ja bis heute — jetzt sind wir in Köln — unsere tägliche politische Bildung bezogen haben, eine Glosse gelesen. In diesen Äußerungen eines sehr bekannten, in Bonn beheimateten Bankdirektors über die Tendenz, nicht in erster Linie Kredite an die Wirtschaft zu geben, sondern als Bank langfristig Geld in Wertpapieren anzulegen, habe ich sehr Beherzigenswertes gefunden.
    Jetzt muß ich noch Einzelheiten bringen. Ich tue es nicht, weil meine Vorredner es getan haben, sondern weil ich es für notwendig halte. Ich. meine die Haushaltsbesteuerung. Da kommt natürlich dieser arme Mann, der sich gestern im Bahnhof von Köln bei Ihnen nicht hat verständlich machen können — übrigens ein schlechtes Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter —,

    (Heiterkeit)

    schlecht weg. Der hätte sich halt nicht niederschreien lassen sollen. Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, das breite Volk oder, wie Sie gesagt haben, der Durchschnitt des Volkes war doch recht unangenehm überrascht, daß Sie und mit Ihnen die Bundesregierung — zumindest in ihrer Mehrheit — den Mut gehabt haben, in der vielumstrittenen Frage der Haushaltsbesteuerung nun nicht etwa einen beachtlichen Schritt zur getrennten Veranlagung zu machen, sondern das schlechte Prinzip der Gesamtveranlagung noch weiter auszubauen.

    (Sehr richtig! bei der FDP und SPD.)



    (Dr. Wellhausen)

    Denn anders kann man die Vorschläge nicht verstehen. Sie wissen j a auch, meine Damen und Herren, daß aus diesem Vorschlag des Bundesfinanzministers ein Mehrertrag von 80 Millionen DM — andere Leute sagen: 100 Millionen DM — erwartet wird.
    Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn in diesen Dingen immer noch ein gewisser Nazischreck herrschte. Man meint, die Dinge wären von den Nazis eingeführt worden. Von solchen sentimentalen oder horriblen Erinnerungen wollen wir uns frei machen. Wir — jedenfalls wir Freien Demokraten — sagen, daß das Ziel, auf das wir lossteuern müssen, das Splitting ist.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Wenn das nach Untersuchungen, denen zu glauben ich geneigt bin — es kommt auf 100 Millionen beinahe gar nicht an —, eine Milliarde kostet, dann steht es natürlich nicht zur Diskussion; aber, aber — nur langsam! —, aber die Marschrichtung müßte eben nicht in Richtung auf eine weitere Vervollständigung der Zusammenveranlagung, sondern umgekehrt gehen.

    (Abg. Seuffert: Sehr richtig!)


    (Abg. Dr. Gülich: Das war doch die lex Hagge!)

    — Ja, aber warum sind Sie so persönlich? Das war doch auch ein ganz netter Mann! Wer weiß denn, was Sie noch in der Nachwelt für einen Ruf bekommen!

    (Heiterkeit.)

    Das kann man gar nicht wissen. Da würde ich furchtbar vorsichtig sein.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Also Sie bejahen das. —
    In der Post, die wir alltäglich bekommen —jetzt kommt ein recht ernstes Wort —, und auch in mancherlei Beobachtungen, die ich so mache, fällt mir auf, daß, vielleicht gerade mit zunehmender Verbesserung unserer Verhältnisse, die Klagen von Leuten, von alten und verarmten Leuten, eine Rolle spielen, die es wegen Verlustes einer Altersversorgung — ganz einerlei, aus welchem Grunde sie sie hatten und aus welchem sie sie verloren haben — doch recht schwer haben und in ihrem Alter — jetzt spreche ich vom hohen Alter — noch arbeiten müssen. Mir schweben einige Beispiele, sagen wir, um nicht bloß einen Stand herauszuholen: sowohl von alten Handwerkern als auch von alten Ärzten und Rechtsanwälten vor,

    (Abg. Dr. Gülich: Sehr richtig!)

    die nun wirklich keine andere Möglichkeit haben, als in den Sielen zu sterben, was zwar schön ist, was aber doch manchen Menschen wegen Altersbeschwerden ungeheure Opfer auferlegt.

    (Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

    Ich finde, wir sollten uns überlegen, ob es nicht der richtige Weg wäre, diese Menschen, wenn man ihnen auf steuerlichem Gebiet — nur von dem spreche ich; ich spreche nicht von Fürsorge, ich spreche nicht vom Altsparergesetz usw. — helfen will, automatisch mit Vollendung des 65. Lebensjahres, aber unter der Voraussetzung der, verlorenen Altersversorgung in die Steuerklasse III einzureihen. Ich meine, es gehört zu unseren Pflichten, uns bei zunehmender Besserung unserer Verhältnisse solcher Personenkreise — nennen Sie sie meinetwegen die verschämten Armen — ein wenig zu erinnern.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Meine Damen und Herren, jetzt kommt etwas Schwieriges: die Ausfuhrförderung. Sie wissen, und Sie erwarten es von mir sicherlich auch nicht anders, daß ich ein Anhänger der Ausfuhrförderung bin. Auch da muß ich sagen: der Weg über die Steuern ist ein im Prinzip schlechter Weg, ein Fehlweg, wenn Sie wollen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber solange uns das uns umgebende Ausland mit anderen Mitteln, die uns nicht zur Verfügung stehen, den Export schwierig macht, müssen wir halt Wege beschreiten und auch auf ihnen bleiben, die uns zur Verfügung stehen. Ich glaube, wir müssen es anerkennen, daß der Bundesfinanzminister nicht in das allgemeine, etwas unüberlegte Geschrei vom Abbau der Exportförderungsmaßnahmen eingestimmt hat, wenigstens nicht in dem Sinne, daß er gesagt hätte, die Frist bis 31. Dezember 1955, bis zu welchem Zeitpunkt die Vergünstigungen laufen, müsse verkürzt werden. Im übrigen kann dieses Kapitel hier von mir natürlich nur gestreift werden. Es muß einer längeren Diskussion vorbehalten bleiben, schon weil es ja jetzt in Zusammenhang mit EZU und OEEC usw. gekommen ist und wir vielleicht Veranlassung haben, uns das noch sehr genau zu überlegen.
    Ganz kurz, meine Damen und Herren, streife ich die Umsatzsteuer. Ich bin der Meinung, wenn etwas tot ist — ich meine die Großhandels-Umsatzsteuererhöhung —, dann sollte man es nicht, wie wir es heute getan haben, mehrfach beerdigen und dazu auch noch Grabreden halten, bei denen ja mehr gelogen wird als in allen anderen Fällen. Ich glaube zwar, Herr Bundesfinanzminister — das nehme ich Ihnen gar nicht übel —, rein fiskalische Momente, weil Ihnen irgendwo 200 Millionen fehlten, haben Sie veranlaßt, mit dem Bleistift etwas in der Gegend herumzufahren, und da sind. Sie dann zufällig auf der Großhandels-Umsatzsteuer gelandet. Das glaube ich deswegen, weil Sie ja sonst nicht so sind, daß Sie solche Dinge so schnell fallenlassen. Heute morgen haben Sie sie allerdings gegen zu erörternden Ersatz fallengelassen, und das ist natürlich ein schlechtes Kapitel. Auf den Ersatz komme ich noch nachher bei den Tarifen, denen ich mich jetzt sehr schnell nähere, zurück.
    Es ist modern, in diesem Zusammenhang — und deswegen ist es auch von vielen Seiten geschehen — über die dritte Kraft zu sprechen, ich meine die Gemeinden. Ich glaube, die Bundesregierung war nicht gut beraten, als sie diese Dinge in dem ganzen großen Gesetzgebungswerk überhaupt nicht erwähnt hat.

    (Beifall bei der FDP.)

    In der Begründung ist sie darauf eingegangen,
    aber in dem Gesetz selber hat sie nichts daran ge-


    (Dr. Wellhausen)

    tan. Ich meine, die Wünsche nach Verbundwirtschaft und nach gesetzlicher Verankerung dieser Wünsche, und zwar grundgesetzlicher Verankerung — also mit verfassungsändernder Mehrheit zu beschließen —, und die Wünsche nach einer Verankerung des Rechtes auf die Realsteueraufkommen sind berechtigt. Es gibt auch Bundesressorts — ich will sie nicht nennen —, die diese Ansichten teilen. Ich habe den Eindruck, daß, wenn die Parteien Initiativanträge in dieser Richtung einbringen — wozu Neigung zu bestehen scheint —, diese dann hier die Mehrheit und sogar die verfassungsändernde Mehrheit finden werden.
    Hinsichtlich der Fragen des Tarifs betone ich die Verantwortung, der man sich bewußt sein muß, wenn man von diesen Dingen spricht. Der Tarifvorschlag der Bundesregierung ist zweifellos durch die im Bulletin 60 und im Bulletin 67 erschienenen, sehr sachkundigen Artikel aufgehellt worden. Das erkennen wir dankbar an. Es steht in einem angenehmen Gegensatz zu dem Niederbügeln, Herr Finanzminister, das Ihnen sonst ja leider etwas liegt. Aber hier haben Sie ein Reisebügeleisen genommen, und das tut längst nicht so weh, erzielt aber denselben Erfolg.

    (Heiterkeit.)

    Sie wissen ja immer sehr genau, ob dieser Erfolg auch eintritt, wenn Sie so etwas unternehmen.
    Ich begrüße es darüber hinaus, daß in den letzten Tagen Gespräche mit dem Institut für Finanzen und Steuern, das sich nur beratend und in keiner Weise mit irgendwelchen Ansprüchen einschaltet, in Gang gekommen sind, die nun doch wohl die Hoffnung berechtigt erscheinen lassen, daß über Ihre Ausfallrechnung, kurz ausgedrückt, eine restlose Klarheit geschaffen wird, wenn auch nicht sofort vielleicht eine Übereinstimmung. Unter diesem Vorbehalt stelle ich für meine Fraktion den Satz auf, daß es das Gebot der Stunde ist — von mir aus nur der Stunde —, die Tarife so sehr zu senken, wie überhaupt nur möglich. Ich hoffe, daß Sie mit diesem Grundsatz einverstanden sind. Dabei kann man natürlich die Möglichkeiten stundenlang diskutieren. Ich verkenne auch nicht, daß, wenn wir aus Ihrem Kuchen einige Stücke herausschneiden — das haben wir ja soeben bei der Großhandels-Umsatzsteuer getan und das werden wir vielleicht auch bei der Haushaltsbesteuerung tun müssen —, natürlich dann der Kuchen oder, besser gesagt, die Erkenntnis aus Ihrer Ausfallrechnung entsprechend eingeschränkt wird. Daß das dann abgezogen werden muß, ist selbstverständlich; das hat schon Adam Riese gewußt.
    Ich glaube aber, Herr Bundesfinanzminister, daß doch auch dann noch ein Posten von einer ganzen Reihe von hundert Millionen zum Verteilen übrigbleibt. Das sage ich deswegen, weil bisher die dynamische Wirkung, die nicht nur der Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern die das ganze deutsche Volk von der Steuersenkung erwartet, in keiner Weise berücksichtigt ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das sagen Sie ja auch selbst. t ber die Konkretisierung und Bewertung dieser dynamischen Wirkung müßten wir uns also schon noch etwas unterhalten. Auf Grund Ihrer letzten Äußerung bin ich aber in bezug auf die Möglichkeiten einer Einigung optimistischer geworden. Vielleicht ist es ganz falsch, daß ich Ihnen das sage; aber ich sage es halt, wie mir der Schnabel gewachsen ist.
    Für die Verwertung dieser Hunderte von Millionen DM, wie ich mich jetzt etwas global ausgedrückt habe, sind, glaube ich, schon eine ganze Reihe von Möglichkeiten gegeben. Von den Dingen, die ich schon erwähnte, abgesehen, denke ich in erster Linie an die Tarifgruppen von 8000 bis 40 000 DM. Sie können das auch etwas variieren. Aber unter 8000 DM soll man, glaube ich — da werde ich natürlich Herrn Seufferts Beifall keineswegs finden —, nicht heruntergehen, und zwar aus Gründen, die Sie selbst heute morgen schon beim Vergleich dieser Steuergruppen mit den Sätzen der Vorkriegszeit genannt haben.
    Zur Körperschaftsteuer nur zwei Sätze. Sie zusätzlich zu senken, ist eigentlich selbstverständlich, wenn man die Einkommensteuer senkt. Wenn wir also bei der Einkommensteuer zu niedrigeren Sätzen als denen des Gesetzentwurfs Drucksache 481 kommen, dann ist die selbstverständliche Folge, daß man sich auch darüber Gedanken machen muß, wie weit die Körperschaftsteuer zusätzlich zu senken ist.
    Mit, ich möchte beinahe sagen: Leidenschaft trete ich dafür ein, daß der Einbruch, der dem Bundestag gelegentlich der Kleinen Steuerreform in das Prinzip der Doppelbesteuerung gelungen ist, aufrechterhalten wird. Herr Bundesfinanzminister, der Einbruch wird nicht aufrechterhalten, wenn Sie von 45 auf 30 v. H. heruntergehen. Sie waren von 60 auf 30 v. H. heruntergegangen und müssen deshalb jetzt auch von 45 auf 22,5 und nicht auf 30 v. H. heruntergehen. Auch das rechnet sich nach Adam Riese.
    Aus Ihren Worten in der Begründung geht nicht gerade hervor, daß Sie diese Leidenschaft für die Begünstigung in der Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns teilen. Man könnte sogar sagen: Nach der berühmten Kabinettssitzung, in der man Ihnen das abgerungen hat, haben Sie Ihrer schon vorhandenen Begründung nur einen Satz angefügt. Ich glaube, das stimmt. Ich war zwar nicht dabei; aber wenn man ein bißchen darüber nachdenkt, kann man auf so schlechte Gedanken kommen.
    Die Grundgedanken, die bei der Kleinen Steuerreform als richtig erkannt worden sind, müssen also beibehalten werden, und ich habe mich sehr gefreut, daß auch die Opposition, jedenfalls in der Tendenz, diesen Dingen zustimmt.
    Zum Schluß! Im großen und ganzen ist es und bleibt es, glaube ich, das Gebot der Stunde, deren geschichtlichen Charakter ich nicht heraufbeschwören, aber auch nicht verneinen möchte, daß wir zu einer laufenden Steuerreform kommen. Vielleicht ist es für jemanden, der geneigt ist, die Dinge zu überschätzen oder zu unterschätzen — beides ist falsch —, ein Widerpruch in sich selbst, wenn ich von einer laufenden Steuerreform spreche. Denn es könnten ja auch einmal, das leugne ich gar nicht, die Dinge wieder herauflaufen. Sie brauchen — das wiederhole ich, das ist nicht mit meinem Ausdruck gemeint — selbstverständlich dicht immer herunterzulaufen. Dazu gehört erstens der liebe Gott, der uns beschützen muß, und zweitens die Entwicklung der Wirtschaftspolitik, die das gestattet, und natürlich auch die Folgerichtigkeit Ihrer Politik.
    Aber, meine Damen und Herren, eines wollen wir ganz bestimmt, bei einer laufenden oder bei einer nicht laufenden Steuerreform: daß in Deutschland endlich einmal wieder die Möglichkeit kommt, steuerehrlich zu sein, und daß — wenn


    (Dr. Wellhausen)

    ich einen Ausdruck von Ihnen gebrauchen darf — die Möglichkeit besteht, einen fröhlichen Steuerzahler zu schaffen; etwas nüchterner ausgedrückt: daß es sich wieder lohnt, Steuern zu bezahlen. Denn das hat sich in den Jahren seit 1948 bisher nicht gelohnt; und es ist gar kein Zweifel, meine Damen und Herren — entschuldigen Sie, wenn ich jetzt auch auf den Altvater Popitz übergehe —, daß ein solches Lohnen einer Steuerzahlung ja eigentlich erst in Frage kommt, wenn die 50 %-Grenze auch in den hohen Stufen unterschritten wird und unterschritten bleibt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Unsere Väter — diesmal sind es sogar unsere Vorväter — würden natürlich sagen: „Das ist für uns durch Jahrzehnte" — oder ein Jahrhundert; Herr Eckhardt weiß da besser Bescheid — „eine Selbstverständlichkeit gewesen." Ich möchte zwar nicht der Hoffnung Ausdruck geben, daß es wieder eine Selbstverständlichkeit würde; das wäre utopisch. Aber ich möchte doch der Hoffnung Ausdruck geben, daß uns wieder die Möglichkeit gegeben würde, in solchen Zahlengrößen zu denken.

    (Beifall bei der FDP, dem GB/BHE und bei Abgeordneten der CDU.)