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ID0202900400

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    2. Deutscher Bundestag — 29. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954 1313 29. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . 1314 A, 1372 C Glückwünsche zu Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner, Schäffer, Frau Niggemeyer, Mühlenberg 1314 B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestags 1314 B Mitteilung über Vorlage des Entwurfs einer Verordnung über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1953, des Entwurfs einer Zweiten Verordnung zur Verlängerung der Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges, der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben für das 3. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1953 (Drucksache 525) 1314 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 53 betr. Verheizen von Zigarillos (Drucksachen 454, 521) 1314 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung (Finanzverfassungsgesetz), des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung (Finanzanpassungsgesetz) und des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern (Länderfinanzausgleichsgesetz) (Drucksache 480) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (Drucksache 481), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" (NOG 1955) (Drucksache 482), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 483), mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Drucksache 484) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Inkrafttreten der Steueränderungsgesetze (Drucksache 280) 1314 C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1315 A Dr. Dresbach (CDU/CSU) 1323 A Dr. Gülich (SPD) 1328 B Neuburger (CDU/CSU) 1334 A Seuffert (SPD) 1341 B Dr. Eckhardt (GB/BHE) 1352 B Dr. Wellhausen (FDP) 1358 C Höcherl (CDU/CSU) 1366 A Eickhoff (DP) 1368 C Tenhagen (SPD) 1370 D Überweisung der Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der Vorlagen Drucksachen 481, 482, 483 und 484 außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und des Gesetzentwurfs Drucksache 482 außerdem an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen 1371 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1954/55 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1954 / 55) (Drucksache 524) 1372 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 1372 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten für Reisende (Drucksachen 499, 198) 1372 C Rücküberweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten . 1372 C Nächste Sitzung 1372 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 25. und der 28. Sitzung . 1372 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung In der Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung ist zu lesen: Abstimmung 1. 2. Seite 1038 D Zeile 10 von unten: Frau Welter (Aachen) entschuld. entschuld. Seite 1039 B Zeile 8: Frenzel krank krank Seite 1040 B Zeile 7 von unten: Rademacher krank krank Seite 1041 C Zeile 4 von unten: Hübner Ja Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 28. Sitzung Seite 1207 A Zeile 14 ist nach Krammig statt „(SPD)" zu lesen: (CDU/CSU).
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    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Grundzüge und Grundsätze, die den sämtlichen Gesetzentwürfen die Unterlage geben, habe ich bereits am 11. März in diesem Hause gesprochen. Ich habe dort auch angekündigt, daß über Einzelfragen an dem Tage gesprochen werden müsse, an dem die Gesetzentwürfe dem Bundestag amtlich zugehen. In der Zwischenzeit haben sich die Öffentlichkeit und die beteiligten Kreise mit den Gesetzentwürfen beschäftigt. Ich darf zunächst einmal feststellen, daß ich auch heute noch ohne weiteres auf die Grundzüge und Grundsätze sowie meine Erläuterungen vom 11. März 1954 Bezug nehmen kann.
    Ich möchte aber nun in erster Linie auf die Einwendungen eingehen, die in der Öffentlichkeit vorgebracht worden sind., Wir haben zwei große Gesetzgebungszwecke. Der eine ist das Gebiet der Finanzreform, der andere das Gebiet der Steuerreform. Es ist die Frage aufgeworfen worden, warum diese beiden Gesetzgebungswerke zeitlich miteinander verbunden sind. Ich darf dazu folgendes einmal grundsätzlich bemerken.
    In den Einwendungen der Öffentlichkeit wurde auch davon gesprochen, daß diese Gesetzentwürfe bedauerlicherweise den Hinweis vermissen ließen, daß auch an eine Verwaltungsreform gedacht werden müsse. Der Einwand geht an sich schon grundsätzlich fehl, weil jedes Gesetzgebungswerk sich zunächst mit seinem Thema und seiner Aufgabe zu beschäftigen hat und weil die Verwaltungsreform auch ein Kapitel ist, das ja nicht allein innerhalb des Bundes, sondern in allen deutschen Gebietskörperschaften — Bund, Ländern und Gemeinden — geregelt werden muß. Richtig ist, daß das Ziel einer gesunden Finanzpolitik und Steuerpolitik auch sein muß, einen Anreiz und einen Wegweiser zu geben für eine Verwaltungsreform, die die Zweckmäßigkeit der Verwendung der vom Steuerzahler aufgebrachten Mittel auch sichert. Aber man versteht die Finanzreform falsch, wenn man nicht erkennt, daß in der Finanzreform gerade die Grundzüge dafür liegen, eine Verwaltungsreform in Bund, Ländern und Gemeinden vorzubereiten.
    Die Finanzreform soll ja in erster Linie die Annäherung der Steuerkraft zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern erzielen. Wir können heute erleben, daß infolge der großen Unterschiede, die in der Steuerkraft der Länder bestehen, die einen Länder eine Ausgabenpolitik treiben, die die anderen Länder auf Grund ihrer Einnahmen und ihrer Steuerkraft nicht treiben könnten, zu der sie aber durch das Beispiel der anderen Länder gezwungen werden. Ich brauche nicht die Worte Weihnachtszuwendungen, Besoldungsreform, Schulpolitik, Landeskultur für Grund und Boden, Wasserverhältnisse etc. auszusprechen; jeder weiß, wie die Dinge in Deutschland liegen. Die Verschiedenheit in der Steuerkraft der einzelnen Länder ist gerade der Grund dafür, daß diejenigen mit der größeren Steuerkraft in Ausgaben vorausgehen, zu denen die anderen mit geringerer Steuerkraft dann getrieben werden, und auf der anderen Seite, da gewisse Ausgaben von steuerschwachen Ländern nicht in dem Maße geleistet werden können, wie die steuerkräftigeren sie leisten können, haben wir gleichzeitig den Zug, daß Aufgaben, die ihrer Natur nach in der Zuständigkeit der Länder liegen, sann vom Bund übernommen werden sollen, weil einzelne steuerschwache Länder nicht in der Lage
    sind, die Aufgaben in gleichem Maße zu erfüllen. Das ist das Gegenteil von gesunden Voraussetzungen für eine gesunde Verwaltungsreform.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Annäherung der Steuerkraft bedeutet Annäherung in der Ausgabenpolitik, und zwar auch eine Gesundung der Ausgabenpolitik zwischen Bund und Ländern.
    Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß das, was ich hier ausspreche, auch in den Bestimmungen des Art. 73 und des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes gedacht gewesen ist, in denen der Gesetzgeber des Grundgesetzes ausspricht, daß die Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen deutschen Bundesgebiet, in allen Ländern, das Ziel der Politik innerhalb des Bundes sein müsse und daß der Bund die Aufgabe habe, die Verhältnisse zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern mit dem Ziel einer Annäherung auszugleichen. So hat die Finanzreform auch für eine kommende Verwaltungsreform und Gesundung unserer Verwaltungsverhältnisse die größte Bedeutung.
    Sie hat sie auch deswegen, weil sie auf dem Gedanken beruht, daß die Verantwortung für die Verwendung der Gelder des Steuerzahlers dadurch gestärkt werden soll, daß derjenige, der Geld verwaltet und Geld ausgibt, das grundsätzlich in eigener Verantwortung tun soll. Das ist der Gedanke, auf dem die Aufgabenteilung an sich beruht und der auch dem Finanzanpassungsgesetz zugrunde liegt, in dem entweder durch die sogenannten Interessenquoten oder durch das Pauschalierungssystem der Grundsatz zum Ausdruck kommen soll: Wer Geld verwaltet, soll mit eigenem Gelde wenigstens beteiligt sein. Wer Geld verwaltet, soll z. B. durch das Pauschalsystem den Lohn für zweckmäßige und sparsame Verwaltung dieser Gelder haben und soll im Falle unzweckmäßiger Verwendung der Gelder auch den Nachteil tragen. Es ist selbstverständlich — dem Grundsatz wird jeder zustimmen, der Erfahrung aus der Verwaltung hat —, je lebensnäher derjenige, der einer Aufgabe gegenübersteht, der Aufgabe ist, je mehr er die örtlichen einzelnen Verhältnisse wirklich würdigen und prüfen kann, um so besser ist für ihn die Möglichkeit, auch eine wirklich zweckmäßige Verwaltung durchzuführen. Das ist ja der Gegensatz gegenüber einer zentralen Verwaltung, die naturgemäß viel mehr schematisieren muß, als eine lebensnähere Verwaltung das tun müßte. Wenn also der Grundsatz an sich gesund ist, zu verwalten da, wo die Lebensnähe besteht, so muß das gleichzeitig mit dem Grundsatz verbunden werden, das auch aus eigener Kraft ganz oder mit zu tun, um durch die Sorgfalt, die man in Verwendung eigener Mittel anwendet, auch hier veranlaßt zu werden, dem Gedanken der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit Rechnung zu tragen.
    Ziel der Finanzreform ist weiter eine gemeinsame Steuerpolitik. Die Finanzreform muß verhindern, daß bei der Teilung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden etwa der eine Teil mehr Einnahmen hat, als er an sich benötigt, und der andere Teil für die Erfüllung seiner lebensnotwendigen Aufgaben die notwendigen Mittel nicht hat und den Steuerzahler dann beanspruchen und heranziehen müßte, obwohl die gesamte Steuermasse im ganzen Bundesgebiet bei gerechter Verteilung zur Erfüllung aller Zwecke ausreichen würde. Das ist ja, was ich am 11. März


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    als besonderen Gesichtspunkt herausgestellt habe: Das System des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist — das steht dem Wortlaut nach im Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes — zur „Deckung der durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben des Bundes" gedacht. Der Bundesrat, in dem letzten Endes doch sämtliche deutschen Länder vertreten sind, genehmigt Jahr für Jahr den Haushalt des Bundes. Er weiß, welche Ausgaben der Bund macht, genehmigt und kontrolliert und kann sein Veto einlegen, wenn er der Überzeugung ist, der Bund mache unnötige Ausgaben oder er mache Ausgaben für Zwecke, die außerhalb seiner Zuständigkeit liegen. Der Bundesrat, die Vertretung der Länder, hat gleichzeitig den Überblick, welche Einnahmen dem Bund zur Verfügung stehen. Bei der Beratung des Bundeshaushalts hat er Gelegenheit, auch Einnahmevorschläge zu machen und die entsprechenden Initiativgesetze und Anträge einzureichen, wenn er glaubt, daß dazu Möglichkeiten bestehen. Tut er das nicht, dann hat er ja an sich anerkannt, welcher Teil von nicht gedeckten, durch andere Einnahmen nicht zu bewältigenden Ausgaben des Bundes vorliegt. Aber es ist menschlich, daß die Bestimmung, daß er seine Zustimmung zum Bundesanteil geben muß, ihn dazu führt, hieraus nicht die Folgerungen zu ziehen, sondern zu versuchen, den Bundesanteil möglichst gering zu halten. Das wird um so verständlicher, wenn man bedenkt, daß der Bundesanteil für steuerschwache und steuerstarke Länder nach gleichem Prozentsatz festgelegt werden muß und vielleicht das steuerschwache Land es wirklich nicht zumutbar empfindet, einen Bundesanteil in der Höhe zu tragen, bei der ein anderes Land in der Lage wäre, diesen Bundesanteil zu übernehmen.
    Ziel des Gesetzentwurfs ist es, diese Schwierigkeiten zu vermeiden und zu einer gemeinsamen Steuerpolitik zu kommen, um insbesondere den Bund nicht zu zwingen, Ausgaben auf dem Umweg über Umsatzsteuer und Verbrauchsteuer, die seine einzigen ihm unmittelbar und ohne Zustimmung der Länder zur Verfügung stehenden Steuerquellen sind, zu decken, Ausgaben, die ihrer Natur nach durch Mithilfe der Länder in Form des Bundesanteils gedeckt werden müssen. Diese Gefahr von dem Steuerzahler abzuwenden, ist das erste Ziel der Finanzreform.
    Ein gesetzliches Junktim zwischen Finanzreformgesetz und Steuerreformgesetz besteht nicht; es besteht aber eine innere Verbindung. Die innere Verbindung ist insbesondere haushaltswirtschaftlich. Jeder, der die unschönen Auseinandersetzungen der letzten Jahre verfolgt hat, wenn Jahr für Jahr der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöht werden mußte, wird mir zugeben müssen, daß die Wahrscheinlichkeit, einen höheren Anteil als die jetzt in Frage stehenden 40 °/o mit Zustimmung der Länder zu erhalten, politisch sehr beschränkt ist, insbesondere dann, wenn die Steuerkraft der Länder nicht ausgeglichen ist.
    Ich habe schon in diesem Hause betont, daß der Bundesfinanzminister, wenn er auf Grund der jetzigen Gesetzeslage, also ohne die Gesetze der Finanzreform, im nächsten Jahre seinen Haushaltsplan nur nach seinem Bedarf aufstellen müßte, sicherlich gezwungen wäre, einen Bundesanteil zu verlangen, der voraussichtlich weit über 40 % liegen würde. Die Zustimmung dazu zu erhalten,
    scheint mir sehr schwer möglich zu sein. Man muß damit rechnen, daß die Zustimmung der Länder nicht gegeben wird. Der jetzige Stand, den wir nach jahrelangen schweren Auseinandersetzungen erreicht haben, liegt bei 40 zu 60. Er ist vorläufig nur ein Vorschlag der Bundesregierung und könnte von dem Hohen Hause im Laufe der Beratungen noch zugunsten des Bundes geändert werden.

    (Heiterkeit.)

    Wenn dieser Vorschlag von 40 zu 60, der mir als die Grenze des augenblicklich politisch Möglichen erscheint, nicht durchginge oder wenn die Finanzreformgesetze nicht in Kraft träten und infolgedessen der Kampf im nächsten Jahre wieder begönne und wahrscheinlich mit einem Mißerfolg endete, wäre der Bund gezwungen, bei der dann gegebenen Rechtslage allein auf die indirekten Steuern zurückzugreifen. Der Gesetzgeber muß dem Bund eine Möglichkeit geben, auch die direkten Steuern als Einkommensquellen für sich heranzuziehen, und zwar ohne Zustimmung der Länder. Das ist der Sinn der Ergänzungsabgabe. Sie versetzt den Bund in die Lage, die Quellen der Einkommen- und Körperschaftsteuer in beschränktem Umfange noch für sich nutzbar zu machen, aber nicht in der Form, daß jeweils eine allgemeine Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer um 100 °/o erfolgen müßte, sondern auf den Bedarf des Bundes beschränkt.
    Wenn die Steuerreformgesetze beschlossen würden, jedoch die Ergänzungsabgabe nicht zustande käme, die verfassungsrechtlich ihre Grundlage und ihre Umschreibung nach Höhe und Umfang in den Steuerreformgesetzen hat, würde das nach den Berechnungen, die ich Ihnen vorgelegt habe, für den Bundeshaushalt einen Ausfall von etwa 270 Millionen DM bedeuten. Dieser käme zu dem Ausfall infolge der Steuerreform hinzu.
    Ich werde noch Gelegenheit haben, zu betonen, welches — auch haushaltswirtschaftlich — die Grenzen jeder Steuersenkung sind. Ich darf mich hier darauf beschränken, zu sagen, daß diese Grenzen bestimmt überschritten würden, wenn eine Ergänzungsabgabe nicht zustande käme. Bereits in den nächsten Tagen werde ich ein Bild über die Anforderungen an den Haushalt 1955 geben können. Es wird mir dann sicherlich leicht möglich sein, nachzuweisen, daß die Grenze dort überschritten wird.
    Ein zeitliches Moment kann nicht gefunden werden. Der Bundesrat ist nämlich nicht an eine Frist gebunden, innerhalb deren er seine Zustimmung zu den Steuerreformgesetzen zu geben hätte. Er hat in seiner Stellungnahme den größten Wert darauf gelegt, daß zur Klärung der Gesamtverhältnisse, in denen sich die Länder künftig befinden, Finanzreform und Steuerreform miteinander verabschiedet würden. Die Verabschiedung der Finanzreform würde, wenn im Parlament einmal die grundsätzliche Entscheidung gefallen ist, nicht viel Zeit beanspruchen. Die Steuerreform zu verabschieden, wird angesichts der großen Zahl von geäußerten Wünschen nach meiner Überzeugung wesentlich mehr Zeit erfordern. Eine Verschiebung der Steuerreform durch die gleichzeitige Verabschiedung der Finanzreform bräuchte bestimmt nicht einzutreten, aber haushaltswirtschaftlich ist der Zusammenhang untrennbar.
    Gegen die Finanzreform ist außerdem ein Einwand vorgebracht worden, der auf einem Mißverständnis beruht. Es ist gesagt worden, daß die


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Finanzreform eine Versteinerung der Gesetzgebung bedeute, daß sie gewisse Steuern, die den Ländern zufließen, für immer der Gesetzgebung des Bundes entzöge und daß die gemeinschaftliche Steuer für immer nach dem gleichen Maß geteilt würde. Das ist ein Mißverständnis. Ich verweise ausdrücklich auf die Begründung zu dem Gesetzentwurf über die Finanzreformgesetze Seite 105 und Seite 111.
    Wenn der Art. 106 des Grundgesetzes die Steuern teilt in a) Steuern, deren Ertrag dem Bunde zufließt, b) Steuern, deren Ertrag dem Lande zufließt, und c) Steuern, die gemeinschaftlich Bund und Ländern zufließen, so wird ausgegangen von den jeweils erhobenen Steuern. Eine Bestandsgarantie für irgendeine Steuer ist damit in keiner Weise gegeben. Auch Art und Umfang der einzelnen Steuer sind damit nicht festgelegt. Rechtlich besteht die Möglichkeit, eine Steuer aufzuheben und dafür eine andere Steuer, gleichgültig ob sie demselben Steuerträger zufließt, zu erhöhen, wenn volks- und steuerwirtschaftliche Überlegungen das fordern. Darüber besteht auch Einigkeit. Und gerade weil Einigkeit darüber besteht, haben ja die Länder die Sicherheitsklausel vorgeschlagen, damit nicht durch eine illoyale Anwendung dieser im Art. 105 des Grundgesetzes — der nicht Gegenstand der Finanzreformgesetze ist, sondern völlig unberührt bleibt — dem Bund gegebenen Gesetzgebungshoheit die Lebensfähigkeit der Länder ausgehöhlt werden könnte. Also eine Versteinerung der Steuergesetzgebung findet in keiner Weise statt. Die Gesetzgebungshoheit und Gesetzgebungsfreiheit, die auf Grund Art. 105 des Grundgesetzes gegeben ist, bleibt dem Bunde nach wie vor in demselben Maß, wie das früher der Fall gewesen ist.
    Damit verliert auch der andere Einwand an Gewicht, daß jetzt noch nicht die Zeit gegeben sei, um die Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden endgültig, wie es im Art. 107 des Grundgesetzes heißt, zu verteilen, da eine feste Grundlage für den Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden heute für Dauer noch nicht bestimmt werden könne. Eine Festlegung des Finanzbedarfs, die sich nicht ändert, wird zu keiner Zeit möglich sein. Unsere Generation wird es nicht mehr erleben, daß wir mit Sicherheit den Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden auf lange Zeit voraussagen können. Aber ich darf doch darauf hinweisen, daß die ersten fünf Jahre eines Aufbaues in der deutschen Bundesrepublik nun vorübergegangen sind. Ich darf doch sagen, daß wir im großen ein Bild gewonnen haben und daß wir im großen sagen können, welches etwa das Verhältnis der Sozialleistungen zu den Verwaltungsausgaben der Länder und auch zu den Verteidigungsausgaben ist, von denen wir ja hoffen, daß wir erreichen können, daß sie das Maß, das wir bisher angeboten haben, nicht wesentlich übersteigen werden, daß wir also heute wenigstens einen Überblick über die grundsätzlichen Größenordnungen haben. Für ungeahnte Fälle, die immer eintreten können, sind ja die Bestimmungen einerseits der Revisionsklausel, andererseits der Sicherheitsklausel vorgesehen.
    Der Bundesrat will nur die Sicherheitsklausel zugunsten der Länder behalten. Ich widerspreche an sich gewiß dem Grundsatz der Sicherheitsklausel nicht, weil diese Sicherheitsklausel eine Art Loyalitätsverpflichtung des Gesetzgebers festlegen will, die Lebensfähigkeit der Länder nicht auf Umwegen zu bedrohen. Aber ich finde es ungerecht und unbillig, wenn eine solche Sicherheit nur einseitig dem einen Teil und nicht gegenseitig, zwischen Bund und Ländern, gegeben werden soll. Es können Notfälle eintreten, in denen die Ausgabenbelastung des Bundes durch außenpolitische oder sonstige Verhältnisse unerwartet getroffen wird. Das darf nicht allein zu Lasten des Steuerzahlers abgewälzt werden. Das darf nicht allein auf die Steuerquellen abgewälzt werden, die für den Bund in den Umsatz- und Verbrauchsteuern bestehen. Wenn sich Aufgaben unerwartet verändern und der eine Teil dadurch eine große Mehrausgabe zu tragen hat, muß die Möglichkeit gegeben sein, das Verhältnis in den Steuerquellen zu ändern, damit eine Belastung des Steuerzahlers verhindert wird. Ich möchte aber feststellen, daß die Finanzreform trotz aller Einwendungen grundsätzlich bejaht wird. Es wird von dem einen oder anderen Teil von der Möglichkeit einer Verschiebung gesprochen. Ich halte die Möglichkeit einer Verschiebung praktisch für sehr bedroht. Als wir das letzte Mal die Verlängerung der Frist des Art. 107 beschlossen haben, waren die Auffassungen im Bundesrat absolut nicht einhellig. Die Zweidrittelmehrheit wurde zwar erreicht, aber sehr wichtige Länder haben ihre Stimme für die Verlängerung damals nicht gegeben. Nachdem heute vor den Ländern, auch vor den „gebenden" Ländern die volle Konsequenz der Finanzreform sichtbar ist, nachdem im Bundesrat bei den Abstimmungen bereits eine gewisse Zweiteilung zwischen den gebenden und den erhaltenden Ländern eingetreten ist, scheint es mir sehr fraglich, ob eine Verlängerung im Bundesrat und unter den Ländern nicht auf große Schwierigkeiten stoßen würde.
    Ich möchte den ganzen Fragenkomplex in diesem Zusammenhang nur in einer einzigen Frage zusammenfassen. Gibt man mir zu, daß bei der jetzigen Gesetzgebung — wenn also der Art. 106 Abs. 3 mit seinem unschönen jährlichen Ringen um die Höhe des Bundesanteils in der Zukunft wahrscheinlich nicht mehr anwendbar sein wird —,

    (Abg. Dr. Gülich: Wahrscheinlich nicht?!)

    gibt man mir zu, daß mit diesen 40 % bei dem heutigen Verhältnis und den großen Unterschieden in der Leistungskraft der Länder das, was politisch erreicht werden kann, erreicht ist, und gibt man mir zu, daß die Zustimmung der Länder zu einer wesentlichen Überschreitung deswegen voraussichtlich nicht mehr zu erhalten ist, dann muß man mir auch zugeben, daß in diesem Augenblick die Gefahr besteht, daß sich zwischen Bund und Ländern ein Konflikt abzeichnet, ein Konflikt, der auf dem Gebiet des Verfassungsrechtes liegt. Will man dagegen einwenden: Wir haben ja ein Allheilmittel, wir führen die Bundesfinanzverwaltung ein, — dann muß ich wieder zur Antwort geben: Glauben die Herren, die die Bundesfinanzverwaltung hier als Allheilmittel empfehlen, daß eine Bundesfinanzverwaltung ohne verfassungsrechtlichen Konflikt heute in Deutschland einzuführen sei? Ist nicht allgemein bekannt, daß in allen Parteien das Thema „Bundesfinanzverwaltung" verschieden beantwortet wird,

    (Sehr richtig! bei der CSU)

    je nachdem, ob die Partei die Frage vom Gesichtspunkt der Landesregierung aus oder vom Gesichtspunkt des Bundespolitik aus

    (Abg. Albers: Oder von Passau aus!)

    beantwortet? Muß man mir nicht zugeben, daß die
    Wahrscheinlichkeit, im Bundesrat eine Zweidrittel-


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    mehrheit der Länder für die Bundesfinanzverwaltung zu erhalten, praktisch Null ist? Und will man
    mir nicht zugeben, daß das Aufwerfen eines verfassungsrechtlich nicht zu lösenden Problems doch
    eigentlich außerhalb dessen liegt, was man Politik
    heißt, da Politik in erster Linie doch eine Kunst
    des Möglichen und eine Kunst des Erreichbaren ist?

    (Abg. Ritzel: Wieso haben Sie dann den Haushalt auf 42 O/o Bundesanteil aufgebaut?)

    Ich darf noch eine zweite Frage aufwerfen: Was soll überhaupt das Thema „Bundesfinanzverwaltung", bei dem es ja nur um eine einheitliche Verwaltung von bestehenden Steuern geht, mit dem Thema „Neuverteilung von Steuerquellen" zu tun haben? Ist einmal die Bundesfinanzverwaltung eingeführt, so werden die Steuerarten, die Steuerquellen und die Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern dadurch in gar keiner Weise berührt. Ich kann wirklich nicht einsehen, wie das Thema „Bundesfinanzverwaltung" überhaupt zur Lösung der Frage, vor der wir stehen, beitragen soll.
    Aber eines möchte ich unterstreichen: ob wir nun in diesem Hause nach unserer inneren Überzeugung als Anhänger des föderativen Systems oder als Anhänger eines unitarischen Systems sitzen, wir müssen uns darin einig sein, daß das Grundgesetz das Gesetz eines föderativen Staates ist. Wir müssen uns weiter darin einig sein, daß wir alle, ungeachtet unserer persönlichen Einstellung, die Verfassungstreue zu wahren haben. Infolgedessen haben wir eine Lösung zu suchen, die uns das Problem zugunsten der Allgemeinheit und ohne Verfassungskonflikt meistern läßt. Die Konfliktstoffe um unser Volk im Innern und im Äußern sind so zahlreich, daß es die Aufgabe jedes verantwortungsbewußten Mannes in Deutschland sein müßte, jeden Konflikt, der vermeidbar ist, auch wirklich zu vermeiden. Das ist der Sinn der Gesetze über die Finanzreform.
    Ich darf nun auf die Gesetze über die Steuerreform eingehen. Im Bundesrat und in der Öffentlichkeit sind Einwendungen erhoben worden; in der Öffentlichkeit nicht etwa deswegen, weil die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister eine Steuersenkung vorschlagen, sondern deswegen, weil die Steuersenkung von vielen Kreisen als nicht genügend empfunden wurde. Der innere Grund sämtlicher Einwendungen war, daß man mehr haben will.
    Diese Einwendungen kleideten sich in verschiedene Formen. Die ersten gingen davon aus, daß ja die Steuervergünstigungen wegfielen. Schon das ist in dieser Form nicht richtig. Es war das Thema der ersten Steuerreform, die Steuervergünstigungen zu beseitigen und als Ersatz dafür eine Tarifsenkung zu geben, die sich aber in der Entlastung des Steuerzahlers höher auswirkt, als der Wegfall der Steuervergünstigungen eine Belastung des Steuerzahlers bedeutet. Im zweiten Gesetz über die Steuerreform ist der Wegfall von Steuervergünstigungen nur in relativ unwesentlichen Fällen angeordnet.
    Der Wegfall von Steuervergünstigungen war Gegenstand des Gesetzes über die erste Steuerreform, das der Deutsche Bundestag ja mit großer Mehrheit beschlossen hat und das inzwischen in Kraft getreten ist.
    Die zweite Steuerreform erfolgte auf Grund einer Überprüfung unseres gesamten Steuersystems. Ich habe immer darauf hingewiesen, daß der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung bei dieser Überprüfung anderen Stellen zeitlich den Vortritt gelassen haben, daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums, daß die Länder mit ihren Sachverständigen in den sogenannten „Diskussionsbeiträgen", daß Wirtschaftsverbände wie z. B. das „Institut für Finanzen und 'Steuern" Gelegenheit gehabt haben, sich an der Überprüfung des gesamten Steuersystems zu beteiligen und ihre Vorschläge zu machen, und daß alle gemeinsam v o r der Bundesregierung zu der Überzeugung gekommen sind, daß eine grundsätzliche Änderung unseres Steuersystems nicht zu empfehlen ist, daß insbesondere auch bei der Umsatzsteuer der an sich beachtliche Gedanke der Mehrwertsteuer wenigstens in diesem Zeitpunkt noch nicht durchführbar ist, daß man es bei dem Steuersystem als solchem belassen müsse, daß die Schmerzen und die Verzerrtheiten in dem Steuersystem ihre innere Begründung in den allzu hohen Tarifen haben und daß das Schwergewicht infolgedessen auf Änderung und Senkung der Tarife gelegt werden müsse.
    Im großen und ganzen ist die Bundesregierung mit ihrem Vorschlag dem gefolgt, was all diese Gremien ausgesprochen haben, so daß eine Überraschung über den Gesetzentwurf nach dieser Richtung in der Öffentlichkeit eigentlich nicht hätte eintreten sollen.
    Das Schwergewicht liegt auf der Tarifsenkung, und ich betone: diese Tarifsenkung wird gegeben, ohne daß ihr ein wesentlicher Wegfall von Steuervergünstigungen gegenübersteht.
    Der Wegfall der Steuervergünstigungen ist Voraussetzung der Steuerreform im ersten Abschnitt gewesen und bleibt selbstverständlich Ziel der ganzen Steuerreform. Wir haben Ihnen ja den Wegfall der Steuervergünstigungen seinerzeit nicht nur vorgeschlagen, weil sie eine Erschwernis der Steuerverwaltung, der Steuererhebung, der Steuererklärung bedeuten, sondern vor allem deshalb, weil sie ihrer Natur nach zeitbedingt waren und andererseits unbestrittenerweise Gegenstand großer Mißbräuche geworden sind und die Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit unseres Steuersystems bedroht haben. Deswegen mußten die Steuervergünstigungen abgebaut werden; deswegen die erste Steuerreform mit einer über den Abbau der Vergünstigungen in der Wirkung hinausgehenden Tarifsenkung, und nunmehr eine Tarifsenkung, die in dem Zeitpunkt, da der Wegfall der Steuervergünstigungen voll wirksam ist, neu hinzukommt, und zwar in einem weit höheren Ausmaß, als es die Tarifsenkung der ersten Steuerreform hatte.
    In dieser Überlegung darf ich einen Grundsatz aussprechen, an dem die Bundesregierung festhalten muß. Es wäre der Sinn der beiden Gesetzgebungswerke von 1953 und 1954 verfälscht und würde verloren, wenn etwa den Wünschen auf Beibehaltung der bereits gesetzlich weggefallenen oder sogar auf Neueinführung von Steuervergünstigungen entsprochen werden würde. Der Grundsatz des Wegfalls der Steuervergünstigungen, einer möglichst einfachen und gerechten Steuergesetzgebung muß beibehalten bleiben. Es kann aber auch keine Kritik an den Steuerreformgesetzen unter dem Gesichtspunkt erfolgen, daß in einzelnen Fällen vorgerechnet wird: „Ich habe früher auf Grund des § 7 c oder 7 d einen großen Teil


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    meines Gewinns" — bei manchen Personen war es ihr gesamter nicht unbeträchtlicher Gewinn —,,steuerfrei gestellt; infolgedessen ist es eine Mehrbelastung für mich, wenn ich jetzt zwar eine Tarifsenkung erhalte, aber doch Steuern bezahle, die vielleicht höher sind als während der Geltung der Steuervergünstigungen in den früheren Jahren." Abgesehen davon, daß ein großer Teil der Steuervergünstigungen ja nur eine zeitliche Verschiebung sein sollte, wie auch 7 c- und 7 d-Gelder im Moment des Rückflusses steuerpflichtig werden, kann ich nicht deshalb, weil einzelne Steuerzahler von den Steuervergünstigungen einen nach meiner Überzeugung vielfach übermäßigen Gebrauch gemacht haben, ein Steuersystem erfinden, das diese übermäßige Vergünstigung für alle Steuerzahler einführen würde.
    Zweitens. Es muß Grundsatz jeder Steuerreform und jeder Steuersenkung sein, daß die finanzielle Ordnung trotzdem aufrechterhalten bleibt. Die finanzielle Ordnung ist letzten Endes die Grundlage unseres ganzen Geld- und Währungssystems, und sie muß unter allen Umständen bewahrt bleiben. Gegen diesen Grundsatz wird öffentlich nicht gesprochen. Wenn man den Grundsatz aber anerkennt und wenn man damit dann auch anerkennt, daß haushaltswirtschaftlich die Grenze da liegt, wo der Bund und die öffentliche Hand überhaupt durch die Steuersenkung in eine Politik der Verschuldung getrieben würden, bleibt, weil man die Schlußfolgerung grundsätzlich anerkennen muß, trotzdem aber weiter gehen will, nichts anderes übrig, als die Berechnungsgrundlagen zu bestreiten und zu sagen, daß sie nicht richtig seien.
    Ich darf nun einmal zu den Berechnungsgrundlagen, die wir jetzt auch in der Methode und in Einzelheiten der Öffentlichkeit unterbreitet haben — ich verweise auf Bulletin Nr. 60 vom 30. März und Nr. 67 vom 8. April 1954 —, folgendes feststellen. Wenn ich vom Jahre 1955 ausgehe — womit sich also andere Zahlen ergeben, als ich bei Vorlage der Kleinen Steuerreform für das Jahr 1954 bekommen habe —, dann ist der Ausfall, der durch die Tarifsenkung der ersten Steuerreform eingetreten ist, 1655 Millionen. Der Ausfall, der durch die jetzige Tarifreform nach der Vorlage eintreten wird, beträgt 2300 Millionen. Der Gesamtausfall im nächsten Jahr durch die beiden Reformgesetze zusammen ist 3900 Millionen. Ich glaube nicht, daß in früheren Jahren irgend jemand daran gedacht hätte, daß ein besiegtes Volk acht Jahre nach dem Zusammenbruch den Wagemut aufbringt, eine Steuersenkung in diesem Umfange vorzunehmen.

    (Abg. Albers: Sehr richtig!)

    Diesem Ausfall von 3900 Millionen steht ein Wegfall von Steuervergünstigungen mit einer Erhöhung der Einnahmen um 1000 Millionen für 1955 gegenüber, so daß eine reine Entlastung von 2900 Millionen bleibt. Die Entlastung des Steuerzahlers auf Grund der ersten Steuerreform beträgt dabei 600 Millionen, diejenige auf Grund der zweiten Steuerreform 2300 Millionen. Die Nettoentlastung der zweiten Steuerreform beträgt also ungefähr das Vierfache der Entlastung des Steuerzahlers auf Grund der ersten Steuerreform!
    Ich habe schon gesagt, daß wir die Berechnungsgrundlagen im einzelnen im Bulletin veröffentlicht haben, so daß ich hier nicht darauf einzugehen brauche. Ich habe gesagt, daß es Kreise gibt, die natürlich eine höhere Steuersenkung wollen
    und die die Berechnungsgrundlagen bezweifelt haben. Ich möchte feststellen: das Bundesfinanzministerium ist bereit, jedem Kreis nicht nur die Berechnungsmethode und das Berechnungsergebnis, sondern auch alle vorhandenen Berechnungsgrundlagen zur Kritik und Nachprüfung zur Verfügung zu stellen. Ich habe mich mit den Kreisen, um die es sich handelt, auch bereits ins Benehmen gesetzt. Praktisch gibt es heute nur noch zwei Fragen, über die gesprochen wird. Das eine ist die Frage der Auswirkung des § 10 des Einkommensteuergesetzes in der neuen Fassung. Wir haben uns dahin geeinigt, daß wir noch Mustererhebungen vornehmen. Diese werden spätestens im Laufe einer Woche abgeschlossen sein. Nach den Grundlagen, die heute zur Verfügung stehen, muß ich sagen: aller menschlichen Voraussicht nach dürfte sich ergeben, daß die Berechnung des Bundesfinanzministeriums nicht anzuzweifeln ist.
    Die zweite große Frage, die sich ergibt, ist die: Kann das Ist-Aufkommen 1953/54 der kommenden Entwicklung der Einkommen- und der Körperschaftsteueraufkommen in den nächsten Jahren zugrunde gelegt werden? Ich habe seinerzeit am 11. März schon dargelegt, daß wir versucht haben, bei Beginn der Kleinen Steuerreform den Ausfall für das nächste Jahr zu schätzen. Ich habe damals bereits darauf hingewiesen, daß als Maßstab zunächst nur die Lohnsteuer genommen werden kann, da wir mit Inkrafttreten der' Kleinen Steuerreform das Aufkommen an Lohnsteuer, das im Haushalt mit 4200 Millionen vorgesehen war, in Auswirkung der Kleinen Steuerreform auf 3650 Millionen ermäßigt haben. Wir gingen damals von einem Bruttosozialproduktzuwachs von 5 % aus. Erfreulicherweise hat das vergangene Jahr einen etwas höheren Zuwachs an Bruttosozialprodukt gebracht. Trotzdem stimmt das Ist-Ergebnis mit der Schätzung fast völlig überein. Wir haben 3650 Millionen an Lohnsteueraufkommen geschätzt; 3700 Millionen — ganz genau 50 Millionen mehr — sind eingegangen. Auf dem Gebiet, wo eine Stichprobe möglich war, hat sich die Schätzung des Bundesfinanzministeriums also bewahrheitet. Die veranlagte Einkommensteuer ist deshalb kein Maßstab, weil sie durch die Nachzahlungen der früheren Jahre überdeckt wird. Es handelt sich insbesondere um Nachzahlungen aus dem Jahr 1951, Nachzahlungen nicht nur zu hohen Steuersätzen, sondern Nachzahlungen aus der Zeit des Korea-Booms, aus der Zeit, in der die Gewinne mit der Aufblähung der Preise und Löhne ziffernmäßig unerwartet gestiegen sind.
    Diese Nachzahlungen nehmen ein Ende. Ich verweise auf den Monatsbericht der Bank deutscher Länder, in dem schon nachgewiesen ist, daß im ersten Vierteljahr 1954 das Steueraufkommen bei der veranlagten Einkommensteuer 1300 Millionen und im letzten Vierteljahr nur mehr knapp 1000 Millionen betragen hat, weil die Nachzahlungen vom ersten und zweiten Vierteljahr ab sinken und im dritten und vierten Vierteljahr ganz gering werden. Wir müssen die Zukunft aber mit der bleibenden Größe des Durchschnittsaufkommens schätzen, also ohne Berechnung dieser Nachzahlungen. Wenn ich die Zahl des letzten Monats nehme, dann muß ich feststellen, daß im April 1954 die veranlagte Einkommensteuer mit 27 % unter dem Aufkommen des Jahres 1953 liegt. Die Auswirkung der Steuersenkungen zeichnet sich also erst jetzt deutlich ab, wo der Schleier der Nachzahlungen zerreißt.


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    Das dürfte der Hauptpunkt sein. Die Unterlagen, die wir bisher haben — im Lauf der nächsten Woche werden sie vollständig sein —, geben diesen Berechnungen nach meiner Überzeugung vollkommen recht. Ich glaube also, daß wir diese Frage, über die wir uns im Ausschuß wahrscheinlich noch ausführlich unterhalten werden, heute doch von dem Gesichtspunkt aus betrachten müssen, wie es auch das Institut für Wirtschaftsforschung in einem letzten Schnellbrief getan hat, daß man die Berechnungen des Bundesfinanzministers nicht grundsätzlich bestreiten kann.
    Eine dritte Frage, die eine Rolle spielt, ist die Frage des Tarifs. Wir haben das Prinzip der Beseitigung der Steuervergünstigungen um der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuersystems willen eingeführt. Wir haben aus demselben Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Steuersystems den neuen Steuertarif in Vorschlag gebracht. Ein Tarif, der je nach Einkommenschichten schwankt, hier zugunsten, dort zuungunsten einer Schicht eine Ausbuchtung oder Einbuchtung enthält, steht vielleicht unter wirtschaftspolitischen oder sonstigen Gesichtspunkten, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit und der Gerechtigkeit. Ich habe mich darüber auch gestern bei den sogenannten Kölner Mittwoch-Sprechabenden unterhalten müssen, weil Vertreter einzelner Berufe sagten: Für unseren Beruf eine Ausbuchtung! Ich habe dort mit Zustimmung aller — es waren alle Volkskreise vertreten — den Grundsatz aufgestellt: für den Gesetzgeber kann es sich beim Steuerrecht nicht darum handeln, welchem Beruf der einzelne Steuerzahler angehört, sondern nur darum, wie hoch das Einkommen ist, das der Steuer unterliegt. Ein geringes Einkommen — ein geringer Steuersatz; ein hohes Einkommen — ein hoher Steuersatz, gleichgültig, aus welcher Quelle das Einkommen stammt. Ich glaube, daß dieser Grundsatz in allen Volkschichten Anklang und Verständnis findet. Dieses Prinzip der Gleichmäßigkeit ist also das Prinzip des Steuertarifs, den wir zum Vorschlag gebracht haben.
    Bezüglich der Auswirkungen darf ich auf die Tarifskala hinweisen, die in Nr. 52 des Bulletins enthalten ist. Ich stelle nur fest: wir haben, wenn wir einen Vergleich mit früheren Jahren, z. B. 1934, anstellen, bei den Einkommen unter 8000 DM heute geringere Steuersätze als vor dem Kriege. Ich darf feststellen, daß die Senkung der Steuersätze bei den geringeren Einkommen gegenüber dem Jahre 1950 bis zu 61 % beträgt — eine Senkung wie sie höher wohl kaum vertreten werden kann. Wir haben den sogenannten Proportionaltarif — er heißt fälschlich Troegertarif — gerade deswegen abgelehnt, weil er seiner Natur nach eine Mehrbelastung der kleinen Einkommen unter 8000 DM gebracht hätte. Ich möchte aber auch feststellen, daß die Senkung in den Mittelschichten — wenn Bezieher von 10-, 25-, 30 000 DM Einkommen noch als Mittelschicht betrachtet werden können — insgesamt gegenüber dem Jahre 1950 auch 30 % beträgt und daß sie etwa mit 17 oder 18 % auf die zweite Steuerreform, mit dem anderen Teil auf die erste Steuerreform trifft. Wenn man Vergleiche mit dem Jahre 1934 anstellt, dann darf man nicht vergessen, daß das steuerbare Einkommen jetzt bei einem höheren Bruttoeinkommen beginnt, weil ja in der Zwischenzeit die Freibeträge und die Pauschalbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben erhöht worden sind.
    Bei jeder Änderung des Tarifs bitte ich aber daran zu denken, daß die Änderung des Tarifs im Rahmen des haushaltswirtschaftlich Möglichen bleiben muß. Ich habe in der letzten Zeit Tarifvorschläge gelesen, die in der Öffentlichkeit gemacht worden sind, und ich darf dazu bemerken, daß nach meiner überschläglichen Berechnung alle Tarifvorschläge, die ich bisher gelesen habe, über die Grenze des haushaltswirtschaftlich Möglichen weit hinausgehen.
    Ich möchte noch eines sagen. Ich glaube nicht, als ein Mann verschrieen zu sein, der — man verzeihe mir das Wort — dem Geldsack dient. Trotzdem muß ich aus rein volkswirtschaftlichen 'Überlegungen sagen: ich kann den Einwand, daß die Bezieher höherer Einkommen übermäßig begünstigt worden seien, nicht als berechtigt anerkennen. Es war vielleicht ein Fehler des jetzigen Systems der Steuervergünstigungen, daß diese Vergünstigungen gerade den Beziehern großer Einkommen zugeflossen sind. Ich bitte aber daran zu denken, daß diese Steuervergünstigungen in einer Zeit festgelegt wurden, in der es sich um den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft handelte und wo nicht der Gesichtspunkt eine Rolle spielte, was der einzelne verdient, sondern wo der Gesichtspunkt eine Rolle spielte: Werden wieder deutsche Betriebsstätten und deutsche Werkstätten und deutsche Arbeitsplätze geschaffen werden!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dieser Zeit sind die Steuervergünstigungen entstanden.
    Aber es ist alles zeitbedingt, und wir schaffen infolgedessen die Steuervergünstigungen ab, weil sich die zeitbedingten Ursachen geändert haben. Wir treffen aber damit natürlich gerade den Kreis der Bezieher großer Einkommen, die ja ihr Einkommen nicht veressen und vertrinken können, sondern die es letzten Endes schon aus eigenem Erwerbstrieb heraus ganz überwiegend zum Ausbau ihrer Betriebe benützen. Infolgedessen muß man das gegenüberstellen.
    Ich darf aber auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen, der uns leitet, nämlich einen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt: Ich will das steuerpolitische Denken in der deutschen Volkswirtschaft möglichst durch ein gesundes betriebswirtschaftliches Denken ersetzt haben. Bei entstehenden Unkosten soll nicht der Gesichtspunkt ausschlaggebend sein, was ich beim Finanzamt spare oder wieviel ich dem Finanzamt entziehe, sondern der Gesichtspunkt soll ausschlaggebend werden: Dient das meinem Betrieb? Infolgedessen wollten wir möglichst nahe an die Grenze des psychologischen Punktes von 50 % heran.
    Ich darf nun auf Einzelfragen eingehen, die insbesondere auch im Bundesrat aufgeworfen worden sind, und darf dazu als Grundsatz folgendes einmal feststellen: Der Bundesrat hat bei allen Steuerarten, wo das Erträgnis der Steuer den Ländern zufließt, eine sehr vernünftige Zurückhaltung in der Genehmigung neuer Steuersenkungen bewiesen.

    (Heiterkeit.)

    Bei all den Steuern, deren Ertrag dem Bund zufließt, war er dem Steuerzahler gegenüber von einer bewundernswerten Großzügigkeit.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich beginne mit der Erbschaftsteuer. Die Erbschaftsteuer fließt den Ländern zu. Der Bundesrat hat sich gegen die bei dieser Steuer vorgesehene


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    Tarifsenkung gewandt. Die Bundesregierung hält an ihrem Vorschlag fest. Das Erträgnis der Erbschaftsteuer ist auch nicht so, daß aus der vorgesehenen Senkung eine Gefährdung der Finanzen der Länder erwachsen könnte.
    Der Bundesrat hat sich aber dann auch im Gegensatz dazu bei der Umsatzsteuer, die dem Bund zufließt, gegen jede Erhöhung ausgesprochen. Bekanntlich schlägt die Regierung vor, den Satz der Umsatzsteuer beim Großhandel von 1 % auf 1 1/2 % zu erhöhen. Die Bundesregierung hat nicht etwa deswegen diese Erhöhung vorgeschlagen, weil sie den Großhandel nicht so liebt wie alle anderen Wirtschaftszweige, auch nicht deshalb, weil sie etwa geglaubt habe, daß der Großhandel übermäßige Gewinne machte. Sie hat diese Erhöhung infolge einer Notüberlegung vorgeschlagen. Die Notüberlegung war die: Die Steuersenkung bringt allein für den Bundeshaushalt einen Ausfall von 650 Millionen DM. Wenn ich den durch die Steuerfreiheit der Kinderbeihilfe zu erwartenden Ausfall dazurechne, komme ich auf einen Betrag, der haushaltswirtschaftlich zumindest sehr gefährlich, wahrscheinlich aber überhaupt nicht zu tragen wäre. Infolgedessen mußte man neben der Ergänzungsabgabe, die schon eingerechnet ist, noch versuchen, das haushaltswirtschaftliche Risiko zu ermäßigen. Dem Bund steht praktisch, wenn die Verbrauchsteuern ausscheiden, nur die Umsatzsteuer zur Verfügung. Daher ging man an das Gebiet der Umsatzsteuer. Ich habe damals mit verschiedenen Wirtschaftskreisen gesprochen, ihnen die Sache dargelegt und sie um Vorschläge gebeten. Ich habe auch verschiedenartige Vorschläge erhalten. Von den Vorschlägen, die ich erhalten habe, habe ich allerdings immer den Eindruck gehabt, sie betreffen in der Belastung nicht den Wirtschaftszweig, den der Sprecher vertritt, sondern einen anderen Wirtschaftszweig. Ich war infolgedessen von einer kühlen Objektivität gegenüber diesen Vorschlägen. Mir schien dann als Ergebnis dieser Vorschlag noch als der erträglichere, obwohl ich zugeben muß, daß man andere Wege auch gehen kann.
    Ich möchte feststellen, der Bundesregierung liegt sehr viel daran und muß daran liegen, daß das haltswirtschaftliche Risiko nicht übermäßig gesteigert wird und daß infolgedessen die haushaltswirtschaftliche Grenze der Steuersenkung im großen eingehalten wird. Auf den Weg, mit dem dieses Ziel erreicht wird, legt sie keinen entscheidenden Wert; wenn nur das Ziel erreicht wird. Wenn ich im Laufe der Debatte Vorschläge aus diesem Hause erhalte, die durchführbar sind und dieses Ziel erreichen oder ihm näherkommen, so wird der Bundesfinanzminister und wird wohl auch die gesamte Bundesregierung sich solchen vernünftigen Vorschlägen nicht entgegensetzen.

    (Sehr gut! rechts.)

    Nun zu den anderen Einwendungen. Der Bundesrat hat bei der Körperschaftsteuer, die ja den Ländern zufließt, etwas hemmend gewirkt und hat vorgeschlagen, diese Vergünstigung der ausgeschütteten Gewinne bei der Körperschaftsteuer wieder zu streichen. Ich habe meine Meinung dazu bereits am 11. März 1954 ausgesprochen und darf auf meine Rede von damals verweisen. Ich habe betont, auch die Bundesregierung wünsche, daß die Steuergesetze nicht in die Wettbewerbsverhältnisse der Wirtschaft eingreifen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des GB/BHE.)

    Ich habe betont, die Bundesregierung lege Wert darauf, daß der Inhaber eines persönlichen Unternehmens nicht unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten veranlaßt wird, eine Umwandlung in eine anonyme Körperschaft vorzunehmen. Wenn diese Frage aus diesem Anlaß geprüft wird, wird die Bundesregierung sicherlich dem sehr objektiv gegenüberstehen.
    Nun zu den weiteren Vorschlägen des Bundesrats! Den Vorschlag, den Freibetrag von 1000 DM bei der Landwirtschaft wegfallen zu lassen, hat die Bundesregierung nicht angenommen. Es folgen weitere Vorschläge, über die man sich im einzelnen wird unterhalten können, wenn sie in der Form und im Ausmaß das haushaltswirtschaftliche Risiko nicht allzu sehr verschlechtern. Da ist z. B. das Gebiet der Sonderausgaben, wo der Bundesrat will, daß alle Freibeträge, die zur Hälfte abzugsfähig sind, gestrichen werden, was im großen und ganzen wahrscheinlich eine Verschlechterung bedeuten würde. Die Bundesregierung konnte sich ebenfalls bisher nicht mit dem Vorschlag der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer einverstanden erklären. Über die Einzelheiten wird man im Ausschuß sprechen müssen.
    Eine Frage, die das Hohe Haus und den Ausschuß besonders beschäftigen wird, ist die Frage der Ehegattenbesteuerung. Ich werde einmal kurz sagen, was ich gestern in Köln bei den MitwochabendGesprächen erklärt habe. Diese MittwochabendGespräche haben einen Vorteil, nämlich den, daß man hier wirklich einmal das Volk beieinander findet.

    (Abg. Albers: Sie machen ja Reklame für Köln!)

    — Warum soll ich für Köln, eine Stadt, die zwei Jahrhunderte lang Wittelsbacher als Erzbischöfe hatte, keine Reklame machen?

    (Große Heiterkeit. — Abg. Albers: Aber die Kölner haben ihn ja ausgewiesen!)

    Da hat sich folgendes ergeben. Ein Mann trat auf und sprach für die getrennte Besteuerung der Ehegatten. Er konnte seine kurze Rede nicht zu Ende führen, weil alle Anwesenden hiergegen protestierten. Ich mußte dann in diesem Zusammenhang meine Gedanken erklären und darf sie wiederholen. Ich habe gesagt: Wir haben den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit, der für mich ein unerschütterlicher Grundsatz im Steuerrecht ist. Ich halte die Ausnahmeregelung, die in der Kriegszeit unter der Hitlerregierung aus kriegswirtschaftlichen Gründen getroffen worden ist, daß man, um die Frauen in die Betriebe zu führen, diejenige, die in einem fremden, also nicht dem Manne gehörigen Betrieb nicht selbständig arbeitet, steuerlich begünstigt, für einen Widerspruch mit diesem Grundsatz.

    (Abg. Frau Dr. Ilk: Gehen Sie doch wenigstens zunächst auf die Steuerreform von 1925 zurück!)

    Ich gebe nur folgendes Beispiel. Diese Frau, die also lohnsteuerpflichtig geworden ist, hat bei der Lohnsteuer zwei Freibeträge. Als verheiratete Frau bekommt sie einen Freibetrag für sich und einen für den Ehemann, und der Ehemann, der auch lohnsteuerpflichtig ist, erhält ebenfalls zwei Freibeträge,

    (Abg. Heiland: Das läßt sich nicht anders regeln, Herr Minister?)



    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    so daß ein Ehepaar vier Freibeträge erhält, was doch sinnwidrig ist.

    (Abg. Heiland: Ich habe gar nicht begriffen, daß der Finanzminister so ungeschickt wäre, mit solchen Problemen nicht fertig zu werden! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    - Lassen Sie mich nur fortfahren. Die Folge davon ist, daß, wenn ich ein Einkommen von 12 000 DM nehme, von dem jeder Ehegatte 6000 DM hat, und dem einen Familienvater gegenüberstelle, der 12 000 DM hat und Frau und Kinder damit ernähren muß, dieses Ehepaar, das nicht selbständig in zwei verschiedenen Betrieben arbeitet, eine Einkommensteuer zahlt, die nicht einmal die Hälfte dessen beträgt, was der Familienvater für sich und seine Familie zu zahlen hat.

    (Zustimmung in der Mitte. — Zuruf von der SPD: Nennen Sie doch die Zahlen!)

    Dieses System halte ich für nicht gerecht und für einen Widerspruch zum Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
    Im übrigen freue ich mich, feststellen zu können, daß auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, der aus Anlaß der ersten, kleinen Steuerreform seine Meinung zu der Ehegattenbesteuerung gesagt hat — ich bitte, die Lektüre im Hohen Hause vorzunehmen —, sie ebenfalls für ungerecht erklärt hat. Er hat weiter erklärt, sie sei reformbedürftig, und der Schritt, alle Ehegatten getrennt zu besteuern, wobei die Folge wäre, daß ich ein Splitting wie in Amerika einführe, sei in Deutschland haushaltswirtschaftlich unmöglich. Den Weg könnten wir nicht gehen. Infolgedessen müßten wir das jetzige System reformieren und im Sinne der Gerechtigkeit bessern.
    Die Bundesregierung schlägt vor, daß die getrennte Besteuerung in der Lohnsteuer bis 9000 DM Einkommen bleibt. Zu den 9000 DM ist sich gekommen, weil sich statistisch, wenn ich den Durchschnittslohn einer Frau und den Durchschnittslohn eines Mannes in der großen deutschen Industrie zusammenzähle, ungefähr als oberste Grenze ein Monatslohn für beide von 750 DM, also jährlich 9000 DM errechnet. Die große Masse derjenigen, die wirklich in der Industrie und in ähnlichen Betrieben arbeiten, würde deswegen nicht berührt. Aber diejenigen, die ein höheres Einkommen haben, die infolgedessen über dem Durchschnitt des deutschen Industriearbeiters stehen, haben nach meinem Dafürhalten keinen Anspruch darauf, daß diese Ungleichmäßigkeit und Ungerechtigkeit erhalten bleibt. Wenn im kommenden System vorgesehen ist, daß in der Auswirkung in solchen Fällen immer noch drei Freibeträge gegeben werden und falls beide in nicht selbständiger Arbeit stehen, bei beiden eine Pauschale für Werbungskosten und Sonderausgaben, weil sie im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit stehen, anerkannt wird, ist das nach meinem Dafürhalten immer noch eine sehr weitgehende Berücksichtigung, und eine Ausdehnung scheint mir nicht erforderlich zu sein. Deswegen ist die Regierungsvorlage gemacht, und als ich diese Gedanken gestern abend vor dem Durchschnitt des Volkes an einem dieser Mittwochabende darlegte, fand ich den stärksten Beifall dieses Abends.

    (Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Heiland.)

    Nun zu dem Thema Berliner Notopfer. Das Hohe Haus hat seinerzeit bei der Beratung des Haushalts
    in dritter Lesung eine Entschließung gefaßt, in der zwei Gedanken zum Ausdruck kamen: Einmal die Freistellung der Berliner Bevölkerung vom Berliner Notopfer ab 1. Juli 1954. Dem Gedanken wird die Bundesregierung Rechnung tragen. Es wird Sache der Initiative dieses Hauses sein, den entsprechenden Antrag zu stellen. Die Bundesregierung stellt technisch ihre Hilfe zur Verfügung.
    Der zweite Gedanke ist, daß diejenigen Kreise, die in Berlin wohnen und dort Einkünfte beziehen, neben der Tarifsenkung etc. Steuerpräferenz erhalten. In der Entschließung ist aber ausgesprochen, daß für diese Ausgabe eine Deckung gefunden werden muß. Die Bundesregierung ist auch bereit, eine Deckung vorzuschlagen. Die Deckung wird sich auf dem Gebiet bewegen müssen, das ich schon seinerzeit in Beantwortung der Entschließung angedeutet habe. Es muß eine Besteuerung sein, die zu 1000/0 dem Bund zufließt. Da Verbrauchsteuern und Umsatzsteuer nicht in Frage kommen, bleibt tatsächlich nur das Berliner Notopfer übrig. Die Bundesregierung ist gewillt, den Gesetzgebungsvorschlag zu machen. Ich darf aber auf einen Satz hinweisen, den ich damals in diesem Hohen Hause in Beantwortung der Entschließung gesprochen habe. Ich habe damals gesagt: „Ob der Geist der Hilfsbereitschaft, in dem diese Entschließung beantragt ist und angenommen wird, wirklich echt ist, wird sich zeigen, wenn die Verantwortung für die Deckung dieser Vorlage übernommen wird." Ich möchte diesen Satz hier nicht bloß mit Bezug auf das Berliner Notopfer wiederholen, sondern ihn auf das ganze Gebiet der Steuerreformgesetze ausdehnen.
    Meine Damen und Herren, eine Steuersenkung zu vertreten, ist nicht schwer, aber es besteht auch dem Steuerzahler gegenüber die Pflicht, gleichzeitig auf die Grenzen jeder Steuersenkung hinzuweisen. Wir sind ein besiegtes Volk und haben immer eine Grenze zu beachten. Heißen wir sie einmal die internationale Grenze oder die Grenze der Katastrophe des Jahres 1945.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Insbesondere derjenige, der in denselben Wochen mit dem Ausland über den Verteidigungsbeitrag zu verhandeln hat, empfindet, daß wir dem Ausland keine Angriffswaffen bieten sollen und im Ausland nicht den Verdacht erwecken dürfen, daß wir uns bereits wieder übernehmen und nicht die Grenzen einsehen, die die ganze Weltlage allen Nationen der Erde aufzwingt. Darauf möchte ich hinweisen.
    Der zweite Punkt ist eine soziale Grenze. Wir dürfen keine Steuersenkung betreiben, die es uns unmöglich machen würde, nach wie vor die notwendigen sozialen Aufwendungen zu leisten.

    (Zustimmung.)

    Das ist die Grenze, die wir denen gegenüber einzuhalten haben, die nur deswegen nicht einkommensteuerpflichtig sind, weil sie zu arm sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Die dritte Grenze ist die: Es nützt uns alles nichts, wenn Steuersenkung in einem Ausmaß betrieben wird, daß sie die finanzielle Ordnung des Staates stört und damit das Vertrauen des Sparers in die Finanz- und Währungspolitik gefährdet.

    (Erneute Zustimmung in der Mitte.)

    Das sind die Grenzen, die wir einhalten müssen. Wir erkennen sie nur, wenn wir an die Aufgabe


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    mit nüchternem Sinn und vollem Pflichtbewußtsein ohne Rücksicht auf irgendwelche propagandistischen Momente herangehen.
    Ich weiß, daß im deutschen Volk viele Sorgen darüber zum Ausdruck gekommen sind: Ist die Steuersenkung groß und weit genug? Ich möchte mit dem Satz schließen: Möge Gott geben, daß das deutsche Volk nie schwerere Sorgen hat als die, ob eine Steuersenkung weit genug geht!

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Die Vorlagen sind begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. August Dresbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst bei der Sozialdemokratischen Partei recht schön dafür bedanken, daß sie mich im Hinblick auf meinen Gesundheitszustand zuerst sprechen läßt, damit ich es hinter mich kriege.

    (Heiterkeit.)

    Ich habe die Ehre, zu Drucksache 480, also zu dem Bereich Finanzreform, zu sprechen. Eingangs möchte ich sagen, daß ich in dieser Drucksache, insbesondere in der Begründung, ein ausgezeichnetes, literarisch wie wissenschaftlich bedeutungsvolles Werk sehe. Ich habe mir die Sache einbinden lassen, wie Sie sehen können.

    (Heiterkeit.)

    Dieser Band wird in meiner Bibliothek einen Ehrenplatz neben dem Popitz`schen Finanzausgleichsgutachten finden. Sogar der hohe Bundesrat hat eine Anerkennung dafür gefunden, der Bundesrat, der doch seit jenem schwarzen Freitag vom Herrn Bundesfinanzminister als Feind der gerechten Sache angesehen wird, wenn ich mich mal altburschenschaftlich ausdrücken darf.

    (Heiterkeit.)

    An jenem schwarzen Freitag hat der Berichterstatter des Finanzausschusses des Bundesrats, der
    bremische Senator Dr. Nolting-Hauff, ausgeführt:
    Der Beifall des Finanzausschusses gilt ebenfalls der Brillanz der sehr ausführlichen und tiefangelegten Begründung der Gesetzesvorlage und seine Zustimmung auch der in dieser Begründung umrissenen Aufgabenstellung.
    Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
    Nun zu der Frage: Steuerreform und Finanzreform in einem oder getrennt? Ich darf darauf hinweisen, daß wir durch Art. 107 des Grundgesetzes in einem Zeitdruck sind. Daran kommen wir nicht vorbei. Die Bundesregierung spricht zwar in der Drucksache 480 auf Seite 16 eine recht maßvolle Sprache: Es möge doch möglichst gleichzeitig verabschiedet werden. Der Bundesrat führt eine entschieden energischere Sprache. Ich verweise auf Seite 210 der Drucksache. Dort kommt zum Ausdruck, daß nach Auffassung des Bundesrats nichts verschoben werden dürfe, wenn auch die zukünftigen Finanzbelastungen noch nicht gänzlich feststünden. Es heißt dann wörtlich:
    Mit derartigen ungewissen Einwirkungen auf die öffentliche Finanzwirtschaft wird in absehbarer Zeit aber stets gerechnet werden müssen. Sie dürfen, zumal eine weitere Einengung des Finanzbedarfs der Länder zugunsten des Bundes ausgeschlossen erscheint, nicht zum Anlaß genommen werden, die
    Lösung eines so wesentlichen Zentralproblems der bundesstaatlichen Ordnung, wie es die endgültige Gestaltung der Finanzverfassung darstellt, erneut zurückzustellen oder gar auf sie zu verzichten. Der Auftrag des Verfassungsgesetzgebers zwingt zudem zu einer fristgerechten Regelung.
    Ja, meine Damen und Herren, diesen markanten Worten des Bundesrats muß ich doch Glauben schenken nach dem Wort: Ein Mann, ein Wort. Ich weiß ja sicherlich — und ich versuche jetzt, etwas schwäbisch zu reden —, daß bei all diesen Redensarten a bissel Liebe und a bissel Treue und a bissel Falschheit immer dabei ist.

    (Heiterkeit.)

    Aber immerhin darf ich bei dieser Gelegenheit feststellen, daß auch der hohe Bundesrat unbedingt die Dynamik anerkennt, die in der Finanzgestaltung des Bundes liegt, und daß er sich doch — vom Standpunkt der Länder aus gesehen — mehr oder weniger in eine stationäre Abwehrstellung eingegraben hat.
    Und nun, meine Damen und Herren: Wer will es in diesem Hohen Hause verantworten, daß der alljährliche Streit um den Art. 106 Abs. 3 weitergeht, dieser Viehhandel, wie ich mich neulich mal bei der ersten Lesung des Inanspruchnahmegesetzes ausgedrückt habe? Ich habe feststellen können, daß der Herr Bundesfinanzminister dieses Wort im Wahlkampf oder anderswo aufgegriffen hat. Ich betrachte mich jedenfalls als Originalsaatgutzüchter.

    (Große Heiterkeit. — Abg. Lücke: Gut, gut!)

    Nun, dieser Streit hat bisher eine ekelhafte Form angenommen und faktisch dazu geführt, daß der Vermittlungsausschuß ein Überparlament, das wahrhafte Parlament geworden ist. Ich habe so die Befürchtung: wenn wir es jetzt nicht in einem Aufwaschen schaffen, dann schaffen wir es im Jahre 1954 überhaupt nicht. Denn nach einer isolierten Steuerreform, habe ich so die Befürchtung, tritt eine gewisse Müdigkeit in diesem Hohen Hause ein, die Sommerferien kommen dazwischen, und dann stehen wir am Ende des Jahres vor vollendeten Tatsachen.

    (Abg. Dr. Gülich: Die Viehhandelsgeschäfte werden das Haus wieder beleben!)

    — Ich könnte es mir vorstellen. Aber sie spielen
    sich, ja meistens im Vermittlungsausschuß ab,
    Herr Kollege Gülich, also in einer camera obscura.

    (Heiterkeit.)

    Die Frage ist dann aber: Wird der Bundesrat noch einmal eine Hinausschiebung des im Art. 107 enthaltenen Termins bewilligen? Wir haben seinerzeit im 1. Bundestag schon einmal den Termin vom 31. Dezember 1952 auf den 31. Dezember 1954 in Form eines verfassungsändernden Gesetzes hinausgeschoben, und es ist damals schon im Vermittlungsausschuß zu einem Kompromiß gekommen. Wenn uns aber am Schluß des Jahres der Bundesrat die Verschiebung nicht zubilligt, dann ist der offene Verfassungskonflikt da; und ich glaube, an dem können wir nicht vorbeigehen, auch wenn wir uns manchmal draußen im Lande mit Worten einlullen zu lassen drohen, daß diese Finanzreformsache eigentlich doch nur eine Sache für die Finanzminister und die Gemeindekämmerer sei und die Steuerzahler gar nichts angehe. Sie geht die Steuerzahler sehr wohl an, wie der Herr


    (Dr. Dresbach)

    Bundesfinanzminister mit Recht ausgeführt hat, nämlich aus haushaltswirtschaftlichen Gründen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Nun darf man aber auch feststellen, daß Finanzreform und Steuerreform miteinander verflochten sind, insbesondere durch die von der Bundesregierung verlangte Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wer die bewilligen will — ich weiß nicht, ob das Hohe Haus dazu bereit ist —, der muß auch ja sagen zu der gleichzeitigen Behandlung der Finanzreformgesetze.
    Und dann darf ich darauf hinweisen, daß die feste Quotenzuteilung an Bund und Länder doch auch ein weittragendes finanzpolitisches Ziel hat, nämlich: die Gemeinden, Gemeindeverbände und insbesondere die Länder bei ihren Investitionen auf den Kapitalmarkt zu verweisen und sie davon abzubringen, diese Investitionen wie bisher vornehmlich aus ordentlichen Einnahmen, Steuereinnahmen, zu bestreiten. Da sind nun in der Begründung der Bundesregierung Begriffe aufgetaucht wie vermögenswirksame und vermögensunwirksame Ausgaben. Als ich vor 40 Jahren ein der Cameralia beflissener Student in Göttingen und Bonn war, waren diese Ausdrücke noch nicht erfunden. Es handelt sich im wesentlichen darum, daß vermögenswirksame Ausgaben gleich Investitionen sind und vermögensunwirksame Ausgaben eben Personalausgaben und andere.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich schließe mich dieser Unterscheidung weitgehend an.
    Der Bundesrat hat nun allerdings darauf hingewiesen, man könne in der Unterscheidung nicht so scharf sein. Straßen, Schulen, Kanalisation usw. seien unrentierliche Vermögenswerte, und die müßten doch nach wie vor weitgehend aus ordentlichen Einnahmen gespeist werden.
    Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung zur Stellungnahme des Bundesrats auf Seite 226 der Drucksache ein gutes Entgegenkommen gezeigt. Aber primär bleibt doch folgendes bestehen: nur das unbedingt Notwendige soll aus Steuern finanziert werden. Damit ergibt sich auch hier wiederum die Notwendigkeit, Steuer- und Finanzreform in einem zu erledigen.
    Als Kernstück des neuen Finanzverfassungsgesetzes möchte ich den Art. 106 c ansehen, der die Beteiligung des Bundes und der Länder festlegt: für den Bund 40 %, für die Länder 60 %. Der Gesetzgeber des Grundgesetzes konnte nicht voraussehen, wie die Entwicklung verlaufen würde, denn er konnte die Finanzbelastung nicht voraussehen. Aber es ist erfreulich, daß der Bundesrat — auch der Bundesrat — und die Bundesregierung zu der Auffassung gekommen sind, daß nunmehr eine gewisse Klarheit dasei, daß man daraus die Folgerung ziehen müsse, daß es zu einer festen Quotenaufteilung kommen müsse, damit diese ekelhafte Streiterei „alle Jahre wieder" beseitigt wird. Der Bund kann eben ohne einen ständigen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht mehr auskommen. Deshalb können diese Steuern auch nicht mehr alleinige Landessteuern sein, sondern sie müssen gemeinschaftliche Steuern werden. Es ist wirklich nicht folgerichtig, wenn der Bundesrat eine feste Quote für den Bund zubilligt — nur 35 % statt der verlangten 40 % —, aber gleichzeitig diese Steuerarten als alleinige Landessteuern behalten will. Er hat dabei eine Begründung, die ungefähr folgendes besagt: bei den Ländern decken die beiden Steuerarten 70 % der Steuereinnahmen, beim Bund nur 20 %. Meines Erachtens verfängt diese Begründung nicht.
    Sehr bemerkenswert ist in dem Finanzverfassungsgesetz der neue Art. 106 Abs. 2 mit dem Versuch einer Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. Ich halte diesen Art. 106 Abs. 2 — meine Freunde aus Bayern, horchen Sie bitte bei dem Zusammenhang bei dieser langweiligen Rede doch einmal auf! —

    (Sehr gut! rechts)

    für entschieden moderner als den Art. 30 des Grundgesetzes, der doch noch von der Auffassung ausgeht, als ob der Bund ein Kommunalverband höherer Ordnung sei. Nun ist es mir aber unverständlich, daß der Bundesrat erklärt, dem Gesetzgeber zu Art. 107 sei ja gar nicht die Aufgabe gestellt, eine Lastenverteilung vorzunehmen. Dazu ist zu sagen, daß der Art. 107 ausdrücklich bestimmt, daß jeder Teil „entsprechend seinen Aufgaben" beteiligt sein soll. Das setzt doch eine ungefähre Klärung der Aufgaben- und Lastenverteilung voraus, wie sie die Bundesregierung mit ihrem Entwurf unternommen hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Als schwaches Stück möchte ich die Revisionsklausel des neuen Art. 106 e ansehen, auch wenn sie in der Begründung und der Erwiderung der Bundesregierung als Ultima ratio bezeichnet worden ist. Es besteht doch die Gefahr, daß mit dieser Revisionsklausel jedes Jahr der Streit, den wir begraben wollen, wieder neu aufbricht und neue Wunden bringt. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß auch der alte Reichsfinanzausgleich feste Quoten gehabt hat, im wesentlichen immer eine Beteiligung des Reichs mit 25 % an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, jedenfalls zuletzt in der Fassung des Reichsfinanzausgleichsgesetzes von 1926. Ich bin der Meinung, diese festen Quoten sollten dafür sprechen, auch jetzt die gleiche Prozedur anzuwenden,

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    auch wenn wir jetzt noch nicht volle Klarheit über die Finanzstruktur haben. Die haben wir auch im Reich niemals gehabt.

    (Abg. Dr. Gülich: Das stand aber nicht in der Reichsverfassung!)

    — Nein, es stand nicht in der Reichsverfassung; aber es läßt sich ja schließlich darüber streiten, ob derartige Dinge in ein Verfassungsgesetz oder in ein Spezialgesetz hineinkommen sollen. Ich halte diese Frage bei meiner gegenwärtigen Betrachtung nicht für so relevant, Herr Kollege Gülich.
    Nun ist es aber vollkommen folgeunrichtig, wenn der Bundesrat die von der Regierung verlangte Revisionsklausel ablehnt, gleichzeitig aber eine Sicherungsklausel für die Länder fordert. Diese Sicherungsklausel soll besagen, daß der Bund, wenn er durch seine neue Gesetzgebung den Ländern und auch den von den Ländern geführten und patronisierten Gemeinden neue Aufgaben auferlegt, dann auch für die notwendigen Mittel sorgen muß. Dabei ist in der Sprache des Bundesrates, soweit ich es im Augenblick aus seiner Stellungnahme in Erinnerung habe, von „nicht zumutbaren Lasten" die Rede. Ich darf darauf hinweisen, daß faktisch das Verlangen der Länder und auch der kommunalen Spitzenverbände nach Mitteln des Bundes, wenn der Bund neue Aufgaben und


    (Dr. Dresbach)

    Lasten auferlegt, in dem neuen Art. 106 e Abs. 2 realisiert ist. Dort sind faktisch die Bestimmungen der §§ 54 und 55 des alten Reichsfinanzausgleichs verwirklicht worden. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir noch die Bemerkung, daß diese §§ 54 und 55 auch in früheren Zeiten nie automatisch in Wirksamkeit getreten sind.
    Der Bundesrat will mit seiner Sicherungsklausel sogar so weit gehen, daß er das Quotenverhältnis zwischen Bund und Ländern ändern will — er, der die Revisionsklausel der Bundesregierung "wegen der alljährlich zu erwartenden Streitigkeit ablehnt! Obschon ich den Bundesrat als ein hochstehendes Parlament anspreche — es ist ein Parlament der gelehrten Priester, und ich weiß bestimmt, daß sie uns als Laienbrüder betrachten —,

    (große Heiterkeit)

    muß ich hier bei diesem geistig hochstehenden
    Parlament doch eine gewisse Folgeunrichtigkeit
    feststellen. (Erneute Heiterkeit.)

    Die Bundesregierung hat nun hier einen berechtigten Argwohn, nämlich den, daß der Bundesrat versuchen wird, über den Begriff der „zumutbaren Belastungen" seine Zuständigkeit zu erweitern, nämlich ungefähr jedes Bundesgesetz zu einem Zustimmungsgesetz zu erklären.
    Meine Damen und Herren, ist der Herr Minister Kaiser noch da?

    (Abg. Kaiser: Ja, er ist hier!)

    — Herr Kollege Kaiser — Sie sitzen ja jetzt unten —,

    (Heiterkeit)

    Sie haben neulich den Schrei nach dem Bundeswirtschaftsrat ausgestoßen. Wissen Sie: der Bundesrat allzuständig mit der Zustimmung, dazu noch der Bundeswirtschaftsrat — dann singen Sie in Zukunft bei der Bonner Gesetzgebung das Lied: „Immer langsam voran, damit der Bonner Landsturm nachkommen kann!"

    (Große Heiterkeit. — Beifall bei der FDP.)

    Nun hätte ich es gerne gesehen — ich glaube, auch der Herr Bundesfinanzminister —, wenn die Umsatzsteuer wie ehedem in der Weimarer Republik eine gemeinschaftliche Steuer, eine Beteiligungssteuer geworden wäre. Die Länder haben sich dagegen erklärt, und zwar mit ,der sehr trockenen Begründung, die sei ja genau so krisenanfällig wie die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch. Die Bundesregierung ist meines Erachtens mit ihren Motiven auf dem richtigeren Wege. Sie sagt sich nämlich: die Länder befürchten, daß, wenn die Umsatzsteuer auch eine gemeinschaftliche Steuer wird, dann der moralische Hosenboden für die eigene Landessteuerverwaltung endgültig durchgeschlissen sei.

    (Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Sehr gut!)

    Auch bei der Ergänzungsabgabe des Bundes ist es sehr interessant, den Gedankengängen des Bundesrates nachzugehen: zunächst Ablehnung, aber dann Zustimmung, wenn gleichzeitig auch den Ländern ein Zuschlagsrecht zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zugebilligt wird. Es ist nun richtig, daß die Länder eine gesetzgeberische Einwirkung auf ihre Steuereinnahmen eigentlich schon nicht mehr seit 1920, seit dem Inkrafttreten des Landessteuergesetzes, haben; sie üben diesen Einfluß heute nur noch über den Bundesrat aus. Verwaltungsmäßig haben sie jedoch mit den Länderfinanzämtern eine recht beträchtliche Einflußnahme, was ich hier noch in Parenthese bemerken darf.
    Mir war es aber vom steuersystematischen Gesichtspunkt aus sehr interessant, und ich bin hier bereit, dem hohen Bundesrat absolut zu folgen, wenn er den erzieherischen Wert allgemeiner direkter Steuern anerkennt. Deshalb tritt er auch so warmherzig für eine kommunale Personalsteuer ein und will sie sogar durch Landesgesetzgebung eingeführt wissen in der Form, daß er sie als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis deklariert. Wir waren bisher der Meinung, daß diese kommunale Personalsteuer, die ja einmal als Nachfolger des Notopfers Berlin gedacht war, nur durch Bundesgesetzgebung eingeführt werden könne. Daß diese kommunale Personalsteuer nicht unbedingt in allen kommunalen Kreisen beliebt ist, ist mir bekannt. Die armen Gemeinden schätzen sie nicht, die wohlhabenden Gemeinden aber durchaus.
    Nur darf ich aber darauf hinweisen, daß der erzieherische Wert von allgemeinen direkten Steuern in heutiger Zeit doch sehr stark durch die hohen Freibeträge gemindert worden ist. In der Massenwirkung geht meines Erachtens diese erzieherische Wirkung vorbei; oder man müßte für diese Zuschläge wieder so etwas einführen wie seinerzeit den fingierten preußischen Talerzensiten, der auch den kommunalen Zuschlag tragen mußte. Es würde zu weit führen, wenn ich mich auf diese Finanzhistorie zu sehr einließe; aber ich habe gesehen, Herr Kollege Eckhardt, der diese Dinge ja nun kennt, weil er aus der Branche stammt, hat mir zugenickt, und damit bin ich zufrieden, wenn ein so hoher Fachmann meine laienhaften Plaudereien akzeptiert.

    (Abg. Dr. Eckhardt: Vielen Dank! — Heiterkeit.)

    Ich darf historisch aber noch darauf hinweisen, daß solche Zuschläge der Länder auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer schon einmal geplant gewesen sind, und zwar im Jahr 1925 im Zuge der Schliebenschen Finanzreform für das Jahr 1927. Aber dann sagte man, als dieses Jahr gekommen war: „Es ist noch nicht genügend Klarheit da; lassen wir es!" Der Ergänzungszuschlag des Bundes aber hat einen tatsächlichen Vorgänger; das sind die Zuschläge des Reiches, die vom Jahre 1930 bis, glaube ich, zur Steuerreform von 1934 für Ledige und für die Einkommen über 8 000 Mark erhoben wurden. Diese Zuschläge nahm das Reich vorweg, bevor die übrige Masse in die Überweisung, also in die Beteiligung von Ländern und Gemeinden ging. Ich weiß aber nicht, ob man diese Dinge heute wieder so anwenden kann. Jedenfalls setzen jegliche Zuschläge der Länder meines Erachtens eine ganz scharfe Tarifsenkung bei den Prinzipalsätzen, bei dem eigentlichen Einkommensteuertarif voraus. Ich habe aber auch, wie die Bundesregierung, noch andere Bedenken gegen Zuschläge der Länder. Denn dadurch würde die Differenzierung dieser so sehr in das Geschäftsleben einschneidenden Steuerarten zu hoch werden, und die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Art. 72 des Grundgesetzes könnte gefährdet sein.
    Meine Damen und Herren, ich habe mich etwas mit meinem Lieblingskind, den Gemeinden, befaßt und darf es auch hier noch tun.
    Das Finanzverfassungsgesetz ist bei dem Grundgedanken geblieben, daß Länder und Gemeinden eine Einheit darstellen, daß die Gemeinden also nicht als „dritte Kraft" neben Bund und Ländern in Erscheinung treten dürfen. Sie bleiben unter den schützenden — nun, sagen wir einmal: mehr oder


    (Dr. Dresbach)

    weniger -schützenden Fittichen der Länder. Aber ich darf doch sagen: der neue Art. 106 Abs. 3 des Finanzverfassungsgesetzes bringt einen sehr bemerkenswerten Hinweis auf die Möglichkeiten eines innerstaatlichen Verbundes, d. h. einer Beteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an bestimmten Steuerarten, insbesondere also der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Hier handelt — ich darf einen Vorgriff auf den Länderfinanzausgleich, den horizontalen Finanzausgleich tun — der Bundesrat wiederum folgerichtig, wenn er für den horizontalen Finanzausgleich in seinem Gegenvorschlag die Realsteuern nicht zu den Bemessungsgrundlagen für die Steuerkraft rechnen will, obschon er sonst die Einheit von Land und Gemeinde proklamiert.

    (Abg. Dr. Willeke: Hört! Hört!)

    Ich weiß, daß die Wünsche der Gemeinden weiter gehen. Sie wollen eine Realsteuergarantie durch Bundesgesetz haben.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Das würde an dem gegenwärtigen Zustand nichts ändern; denn die Realsteuern sind seit der Realsteuergesetzgebung von 1936 ausschließlich Gemeindesteuern. Aber es handelt sich um eine bundesverfassungsrechtliche Sicherung. Die Gemeinden wollen weiterhin einen Bundeszwang für den innerstaatlichen Steuerverbund, d. h. fort von den Finanzzuweisungen von Land zu Gemeinden und Beteiligung der Gesamtheit der Gemeinden an bestimmten Steuerarten in einem bestimmten Prozentsatz.
    Meine Damen und Herren, wir müssen uns darüber klar sein, daß das nur durch Verfassungsänderung zu erreichen ist. Die Aufgabe, die dem Gesetzgeber mit Art. 107 gestellt ist, kann das nicht betreffen. In Art. 107 sind die Realsteuern ausgenommen. Die kommunalen Spitzenverbände stellen ihre Forderungen, damit die institutionelle Garantie des Art. 28 des Grundgesetzes für die Gemeinden finanziell gesichert wird. Die Bundesregierung sagt: Nein, erst dann, wenn diese Garantie gefährdet ist, ist für mich die Möglichkeit gegeben, in den innerstaatlichen Finanzausgleich einzugreifen. Aber ich könnte mir vorstellen, daß in diesem Hohen Hause ein Antrag auf entsprechende Änderung des Grundgesetzes zugunsten der Gemeinden eine Mehrheit fände.

    (Beifall in der Mitte, links und rechts.)

    — Danke! Ich stelle überall Händeklatschen, nur nicht bei meinen bayerischen Freunden, fest.

    (Heiterkeit.)

    Aber das soll nun nicht besagen, daß meinen bayerischen Freunden die Sorgen der Gemeinden nicht ans Herz gewachsen seien. Damit habe ich doch wieder die Verbindungsbrücke geschlagen.

    (Beifall und Heiterkeit.)

    Nun zum Finanzanpassungsgesetz. Hier handelt es sich um eine Summe von Einzelbestimmungen. Ich will versuchen, einige Leitgedanken herauszuarbeiten. Der Leitgedanke ist sicherlich § 106 Abs. 2 des Finanzverfassungsgesetzes in der neuen Fassung. Wer eine Sachkompetenz hat, muß primär seine Kosten selber aufbringen, und die Länder wollen ja die Ländersteuerverwaltungen und wollen auch sonst keine Bundessonderbehörden, wie etwa eine Versorgungsverwaltung. Dann müssen sie aber primär auch für diese Lasten aufkommen. Erst in zweiter Linie kann der Ausgleich durch den oberen Verband, d. h. den Bund, kommen. Dieser Ausgleich — so sagt die Bundesregierung — soll sich nicht in Form von Inkassoprämien bei der Steuerverwaltung vollziehen, sondern in Form des allgemeinen Finanzausgleichs. Da hat nun allerdings der Hohe Bundesrat eine sehr klassische Folgerung gezogen: „Jawohl, im Namen des allgemeinen Finanzausgleichs, dann setze ich dem Bund die Quote von 40 auf 35 % herunter."
    Zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers über die Pauschalierungen der Bundeszuweisungen bzw. der Interessenquoten der Länder noch einiges. Wir haben, worauf mein Freund Arndgen in der dritten Beratung des Haushalts hingewiesen hat, in Ausführung des Art. 120, dieses Kriegsfolgelastenartikels, ein starkes Auseinanderklaffen von Finanzträgerschaft — der Bund muß es bezahlen! — und Verwaltungsträgerschaft; das sind die Länderbehörden einschließlich der Gemeindebehörden. Das ist auf die Dauer, glaube ich, nicht möglich. Der Bund muß in diesen Dingen doch zumindest ein Weisungsrecht bekommen.
    Nun scheint es mir durchaus richtig zu sein, wenn der Bund bei der öffentlichen Fürsorge, soweit der Bund Lastenträger ist, zur Pauschalabgeltung schreitet. Wo eine solche Pauschalabgeltung wegen der Unübersichtlichkeit noch nicht möglich ist, da scheint mir das System der Interessenquote richtig zu sein, das auch schon gehandhabt worden ist, und zwar — darauf lege ich Wert — mit einem Prozentsatz von 25 v. H. Die Länder sagen: 25 % Interessenquote ist eine Drückebergerei des Bundes gegenüber den Verpflichtungen des Art. 120. 15 % wollen sie zubilligen. Ich bin der Meinung, daß die Verhältnisse zu einer spürbaren Interessenquote drängen; denn es ist nun einmal eine Tatsache gerade bei den öffentlichen Finanzen, daß man Gelder, die man nicht unter eigener Verantwortung aufzubringen hat, opulenter ausgibt als unter eigener Verantwortung aufgebrachte.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Damit komme ich zum letzten Kapitel, nämlich zum Länderfinanzausgleich und zu der Fragestellung: Was ist Föderalismus? Stehen wir noch auf dem Standpunkt der Bismarckschen Verfassung, der Eigenstaatlichkeit der Länder? Ich darf darauf hinweisen, daß damals Eigenstaatlichkeit auch als Finanzautonomie ausgelegt wurde, ebenso wie der alte Begriff der kommunalen Selbstverwaltung als kommunale Finanzautonomie ausgelegt worden ist.
    Ich darf dazu ein Beispiel bringen. Im Jahre 1913 waren bei uns oben in meiner bergischen Heimat noch die Petroleumfunzeln Brauch. Der kommunale Zuschlag zur Einkommensteuer betrug 320 %, zur gleichen Zeit, als in Godesberg, im Eldorado der rheinischen Oberbürgermeisterpensionisten,

    (Heiterkeit)

    90 % Einkommensteuer erhoben wurden. In jener Zeit wurden aber bei uns nur Wege für das Ochsengefährt gebaut. Jetzt will man oben bei uns auch Wege haben, auf denen der Bauernjunge mit dem Motorrad fährt. Die Anforderungen in bezug auf Verwaltungsleistungen sind also nach oben gedrängt worden. Auf der andern Seite haben wir es eben zwei Kriegen zu verdanken, daß die gesamten Aufgaben der Staatsvorsorge größer geworden sind. Im Zusammenhang mit dem Verlangen der Bevölkerung nach möglichst gleichmäßigen Leistungen ist der Trend zum oberen Verband, der die


    (Dr. Dresbach)

    Gleichmäßigkeit herstellen muß, viel stärker geworden. An diesen Dingen kann man nicht vorbeigehen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Gewiß, ich weiß, die Länder in ihrem Streit untereinander sind ja nicht eitel Brüder. SchleswigHolstein, dieses besondere Land, schert ja meistens aus und zieht mit dem Bund; es hat ja wohl auch seine Gründe dafür.

    (Heiterkeit.)

    Wir haben auch erlebt, daß zwischen RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen eine gewisse Mißstimmung aufkam. Man hat gesagt, es hat doch früher einen Ausgleich zwischen armen und reichen Gebieten gegeben. Jawohl, aber gerade in diesen Gebieten über die gemeinsame preußische Staatskasse

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und über den Weg der Dotationen an die Provinzen.
    Meine Damen und Herren, unter dem Einfluß der starken Länder hat sich der Bundesrat für eine Minderung des Ausgleichs eingesetzt, die geringer ist, als die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Daraufhin ist eine sehr energische, fast grobe Entgegnung der Bundesregierung gefolgt, die ich Sie auf Seite 230 nachlesen zu wollen. bitte. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: wir können doch die Länder nicht aushungern lassen. Dann kann man sagen, daß diese Länder von heuzutage nun wirklich keine Gottesgeschöpfe sind.

    (Heiterkeit und Beifall. — Abg. Stücklen: Nicht alle!)

    — Nein, Bayern nehme ich aus, Herr Gott noch mal! Fünfhundertjährige Wittelsbacher Tradition und staatliche Tradition, südlich der Donau sogar noch länger!

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Arnholz: Könige von Napoleons Gnaden!)

    Wir hatten einmal einen Euler-Ausschuß; wir haben eine Studienkommission, die durchs Land reist und in München kühl empfangen worden ist, in der Pfalz auch, auf Münchens Wunsch.

    (Heiterkeit.)

    Bitte, mögen die Herrschaften Länder vorschlagen,
    die man, wenn auch nicht als Gottesgeschöpfe, so
    doch als ungefähr rationale Gebilde ansehen kann.

    (Beifall links, in der Mitte und rechts.)

    Ich habe eben versucht, in mehr dialektischer Form darzustellen, wie ehedem die Staatlichkeit der Länder in der Bismarckchen Verfassung gleich Finanzautonomie war. Die Frankensteinsche Klausel, also die Abzweigung von Zollerträgen, die dem Reich zustanden, an die Länder, hat mit diesen Dingen nichts zu tun. Sie kam aus der damals noch kleinen bayerischen Nörgelsucht

    (große Heiterkeit)

    — ich finde gleich wieder einen versöhnenden Ausdruck —, das Reich möglichst klein zu halten.
    Der Bund regelt den horizontalen Finanzausgleich durch Bundesgesetz, und natürlich wirkt der Bundesrat als Organ des Bundes mit. Es hätte meines Erachtens jedenfalls auch nahegelegen — so wie ich den Art. 30 interpretiere —, diesen horizontalen Finanzausgleich durch Staatsverträge zwischen den Ländern zustande zu bringen. Aber dazu reicht doch wohl die Brüderschaft nun gar nicht aus.

    (Heiterkeit.)

    Jedenfalls darf ich hier feststellen: mit dem Voranschreiten des Ausgleichsgedankens verlieren die alten Begriffe der Staatlichkeit und auch der Selbstverwaltung ihren alten Inhalt,

    (Zustimmung in der Mitte)

    und durch die Brüderlichkeit des Ausgleichs kommen die Länder auf den Status von Provinzen — bitte, nicht im Sinne von Staatsbezirken, sondern im Sinne von Kommunalverbänden höherer Ordnung —,

    (erneute Heiterkeit)

    und die Finanzierung bekommt zu starken Teilen den Charakter von Dotationen, wie sie charakteristisch für die Finanzierung der preußischen Provinzen waren. Es handelt sich nicht nur um die brüderlichen Dotationen der reichen Länder an die armen, sondern es sind auch — ich weiß nicht, ob die Formulierung ganz mit dem Art. 30 vereinbar ist — väterliche Dotationen vorgesehen, d. h. solche, die direkt vom Bund aus eigenen Mitteln des Bundes kommen.
    In diesem neuen Art. 106 e Abs. 2 findet sich zum erstenmal auch in der Gesetzessprache des Bundes der Begriff „Finanzzuweisungen". Ich möchte hier zum Detail des Länderfinanzausgleichs noch folgendes sagen. Es ist sehr gut — darin stimmen Bundesregierung und Bundesrat überein —, daß das Empfangsbedürfnis lediglich auf die Steuerkraft und nicht auf sogenannte Bedürfnisträger, wie Flüchtlingszahlen usw., abgestellt ist. Mit der Steuerkraft läßt sich am wenigsten manipulieren, und erst gar nicht dann, wenn wir eine Bundesfinanzverwaltung haben.

    (Beifall rechts.)

    Aber ich möchte hier ausdrücklich betonen: zur Frage des Art. 108 gibt der Art. 107 keinen Auftrag. Wir können in diesem Zusammenhang das Verwaltungsthema nicht anschneiden.
    Nun haben wir tatsächlich für diese Ausgleichsfunktion, die der Herr Bundesfinanzminister so stark herausstellt, im Verhältnis Bund zu Ländern und Länder zueinander, eine Funktion, die sich auch im interkommunalen Lastenausgleich zeigt — bitte, Herr Kunze, das ist nicht Ihre moderne Erfindung, das sind ältere Begriffe —,

    (Heiterkeit)

    Vorgänger. In diesen Tagen wurde uns eine sehr nette Broschüre des Instituts „Finanzen und Steuern" — „Der Finanzminister" — zugeleitet. Ich habe mit sicherem Auge das entdeckt, was ich in meiner heutigen Rede verwerten konnte, und zwar eine Rede Bismarcks im Reichstag vom 2. Mai 1879. Er wendet sich darin gegen die Matrikularbeiträge. Er dämpft allerdings auch den nationalliberalen Abgeordneten Miguel, der damals noch nicht preußischer Finanzminister war, etwas, weil dieser die Matrikularbeiträge als Grund für die finanzielle Anarchie im Reiche dargestellt hatte. Bismarck führt hier aus:
    Das möchte ich nicht in diesem Wortlaut unterschreiben, aber gewiß ist, daß es für das Reich unerwünscht ist, ein lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten zu sein, ein mahnender Gläubiger, während es der freigebige Versorger der Einzelstaaten sein könnte bei richtiger Benutzung der Quellen, zu welchen die Schlüssel durch die Verfassung in die Hände des Reichs gelegt, bisher aber nicht benutzt worden sind.


    (Dr. Dresbach)

    Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Abgeordneten von Passau gefällt, wenn ich zu seiner Unterstützung Worte eines preußischen Junkers zitiert habe.

    (Heiterkeit.)

    Aber ich darf doch feststellen: vom Freiherrn von Franckenstein mit seiner Klausel bis zu Fritz Schäffer — beides Männer aus Bayern — hat sich eine wachsende Tendenz Bayerns zur Bundestreue, zur Integration vollzogen.

    (Heiterkeit und Beifall.)

    Ich habe schon einmal gesagt: an dem ganzen Spiel ist der Steuerzahler verhältnismäßig wenig interessiert. Er sieht die Summe seiner Steuern, und es ist ihm verhältnismäßig gleichgültig, ob diese die Gemeinde, das Land oder der Bund bekommen. Trotzdem sollten wir als Gesetzgeber diese Dinge sehr, sehr ernst nehmen. Nun haben wir allerdings den Eindruck, daß gerade im Bundesrat eine gewisse L'art-pour-l'art-Politik getrieben worden ist, auch eine gewisse Rechthaberei, ein Spiel um die Machtpositionen der Bürokratie.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Vom damaligen Präsidenten des Parlamentarischen Rats stammt die Bezeichnung — der Bundesrat lag damals im Gebären —, es werde ein Oberregierungsratsparlament werden.

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist doch schon eine höhere Garnitur, die dort das wirkliche Wort spricht, ich glaube, die Herren Ministerialdirigenten aus den Landeshauptstädten. Ich kenne einen, den ich gerne nach Bonn gezogen hätte, der auf eine höhere Stufe sollte, zu höheren Aufgaben.

    (Große Heiterkeit.)

    Jedenfalls hat uns diese Politik bisher immer auf das Knie des Vermittlungsausschusses gebracht, der ein Überparlament geworden ist. Alles Tun und Treiben von der einen wie von der andern Seite geht von der Auffassung aus: die Sache kommt vor den Vermittlungsausschuß, und da muß ich eine Spanne haben, da muß ich etwas zum Nachgeben haben. Meine Damen und Herren, das ist keine nette Politik.

    (Heiterkeit.)

    Aber nun habe ich doch eine Hoffnung. Wir haben aus den Gazetten vernommen, daß es in Düsseldorf zu einem Staatsbesuch gekommen ist.

    (Heiterkeit.)

    Es hat einen Empfang gegeben auf Schloß Benrath, diesem Juwel des Rokoko. Ich könnte mir vorstellen, daß sich der Herr Bundeskanzler und der Herr Ministerpräsident meines engeren Vaterlandes

    (Heiterkeit)

    wie echte Rokokokavaliere benommen haben, daß sie die Degen gesenkt haben und beim Finanzausgleich gelobt haben: Die Waffen nieder!

    (Große Heiterkeit und Beifall.)