Protokoll:
18188

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 188

  • date_rangeDatum: 9. September 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:14 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/188 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 188. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. September 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksache 18/9200 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18619 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksache 18/9201 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18619 B Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr und digita- le Infrastruktur Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18619 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18623 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18624 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18626 A Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18627 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18629 C Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18630 C Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18633 A Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18633 D Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18636 A Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18636 C Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18637 D Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18639 B Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz, Bau und Reaktorsicherheit Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18640 B Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 18642 C Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18644 A Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18646 A Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . . 18647 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18649 A Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18650 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18652 A Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18653 C Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18654 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18656 A Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18657 A Schlussrunde: Haushaltsgesetz 2017 Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18659 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 18661 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 18662 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18664 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18665 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18665 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016II Jens Spahn, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . 18667 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18670 C Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18671 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18672 D Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18674 C Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18676 A Kerstin Radomski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18678 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18679 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18681 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18682 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18619 188. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. September 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Kerstin Radomski (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18681 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Annen, Niels SPD 09 .09 .2016 Bartke, Dr . Matthias SPD 09 .09 .2016 Beyer, Peter CDU/CSU 09 .09 .2016 Bülow, Marco SPD 09 .09 .2016 Burkert, Martin SPD 09 .09 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 09 .09 .2016 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 09 .09 .2016 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 09 .09 .2016 Erler, Dr . h . c . Gernot SPD 09 .09 .2016 Fischer (Karlsru- he-Land), Axel E . CDU/CSU 09 .09 .2016 Freitag, Dagmar SPD 09 .09 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 09 .09 .2016 Gerster, Martin SPD 09 .09 .2016 Held, Marcus SPD 09 .09 .2016 Hellmich, Wolfgang SPD 09 .09 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 09 .09 .2016 Högl, Dr . Eva SPD 09 .09 .2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 09 .09 .2016 Jung, Xaver CDU/CSU 09 .09 .2016 Jüttner, Dr . Egon CDU/CSU 09 .09 .2016 Kolbe, Daniela SPD 09 .09 .2016 Krellmann, Jutta DIE LINKE 09 .09 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 09 .09 .2016 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 09 .09 .2016 Lösekrug-Möller, Gabriele SPD 09 .09 .2016 Lücking-Michel, Dr . Claudia CDU/CSU 09 .09 .2016 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 09 .09 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 09 .09 .2016 Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 09 .09 .2016 Neu, Dr . Alexander S . DIE LINKE 09 .09 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 09 .09 .2016 Pilger, Detlev SPD 09 .09 .2016 Röring, Johannes CDU/CSU 09 .09 .2016 Rosemann, Dr . Martin SPD 09 .09 .2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 09 .09 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 09 .09 .2016 Schmelzle, Heiko CDU/CSU 09 .09 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 09 .09 .2016 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 09 .09 .2016 Schuster (Weil am Rhein), Armin CDU/CSU 09 .09 .2016 Stadler, Svenja SPD 09 .09 .2016 Steffen, Sonja SPD 09 .09 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 09 .09 .2016 Steinbrück, Peer SPD 09 .09 .2016 Steinmeier, Dr . Frank- Walter SPD 09 .09 .2016 Thönnes, Franz SPD 09 .09 .2016 Vaatz, Arnold CDU/CSU 09 .09 .2016 Weinberg (Hamburg), Marcus CDU/CSU 09 .09 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 09 .09 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 09 .09 .2016 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 09 .09 .2016 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 09 .09 .2016 Zimmermann, Pia DIE LINKE 09 .09 .2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618682 (A) (C) (B) (D) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 947 . Sitzung am 8 . Juli 2016 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosen- versicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz – AWStG) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Zu Artikel 2a (§ 71 Absatz 3 und § 232a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V) Nach Artikel 2a des Gesetzes sollen auch Änderun- gen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen werden . Der Bundesrat kann die gesetzgeberische Inten- tion nachvollziehen, Folgeänderungen zu den am 1 . Ja- nuar 2016 in Kraft getretenen Rechtsvereinfachungen zur Versicherungspflicht der Beziehenden von Arbeitslosen- geld II (ALG II) in der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) vorzunehmen . Der Bundesrat bedauert aber, dass er hierzu nur einge- schränkt beteiligt worden ist . Vor dem Hintergrund einer immer noch unzureichenden Finanzierung der GKV-Bei- träge von ALG II-Beziehern durch den Bund sowie des Anstiegs des ALG II-Bezugs durch Flüchtlinge wäre eine ausführlichere Diskussion in einem regulären Bundes- ratsverfahren geboten gewesen . Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, bei der Umsetzung von § 232a Absatz 1 Satz 1 Num- mer 2 SGB V transparent und zeitnah die Leistungsaus- gaben der Krankenkassen und die geleisteten Beiträge für ALG II-Bezieher zu evaluieren . Der Bundesrat bittet ferner die Bundesregierung, bei einer zunehmenden Belastung der Solidargemeinschaft der Beitragszahler der GKV durch unzureichende Bei- träge für ALG II-Bezieher in einem weiteren Gesetzge- bungsverfahren geeignete Abhilfe zu schaffen . Begründung: Seit 1 . Januar 2016 zahlt der Bund entsprechend § 232a Absatz l Satz 2 SGB V für jeden ALG II-Emp- fänger einen wegen des Wegfalls der Familienversiche- rung reduzierten Krankenkassenbeitrag in Höhe von 90,36 Euro pro Monat . Die Änderung des § 232a Ab- satz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V sieht vor, dass der Fak- tor auf Basis aktuell verfügbarer Daten des Jahres 2015 von „0,2060“ auf „0,2155“ angehoben wird . Der vom Bund zu tragende Beitrag soll damit um 4,17 Euro auf 94,53 Euro erhöht werden . An der Revisionsklausel nach § 232a Absatz 1a SGB V, wonach die Zuweisungshöhe erst im Jahr 2018 evaluiert und gegebenenfalls zum 1 . Januar 2018 ange- passt werden soll, soll festgehalten werden . Die vorgesehene Korrektur ist im bestehenden rechtli- chen Rahmen nachvollziehbar, erscheint jedoch im Ergebnis nicht ausreichend: Bis Ende 2015 erhielten die Krankenkas- sen als Zuweisung vom Bund für jeden ALG II-Empfänger und alle über ihn familienversicherten Personen noch rund 140 Euro . Den um 4,17 Euro auf 94,53 Euro angehobenen Zuweisungen des Bundes stehen noch immer wesentlich höhere Leistungsausgaben gegenüber . Die durchschnittli- chen Leistungsausgaben der GKV je Versicherten/Monat betragen laut Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt 234,49 Euro in 2015 beziehungsweise 245,49 Euro in 2016 . Es gibt daher keinen Anhalt, dass den Leistungsausgaben der Krankenkassen für ALG II-Empfänger kostendeckende Beiträge gegenüberstehen . Eine konkrete Gesetzesfolgenabschätzung der Kosten für die GKV durch die Änderung des § 232a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V fehlt . Ferner ist eine Evaluation der Finanzwirkung in der GKV durch die seit 1 . Januar 2016 umgesetzte Rechtsänderung des GKV-Finanzstruk- tur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetzes (GKV- FQWG) insgesamt erforderlich . Soweit die Gesetzesbegründung auf eine finanziel- le Neutralität der mit dem GKV-FQWG eingeführten Rechtsänderungen abstellt, bezieht sich diese auf den Stand vor dem 1 . Januar 2016 . Der GKV-Spitzenverband hat bereits in der Vergangenheit auf nicht kostendecken- de Kassenbeiträge für ALG II-Empfänger hingewiesen . Gerade angesichts einer zunehmenden Zahl von Flücht- lingen, die nach Abschluss der jeweiligen Asylverfahren mit ALG II-Bezug zu Mitgliedern der GKV werden, ist nicht zu erwarten, dass die Änderung des § 232a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V finanzneutral für die Beitrags- zahler der Solidargemeinschaft ist . – Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtvereinfachung – sowie zur Vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzan- tragspflicht – Gesetz zur Änderung des Tierische Nebenproduk- te-Beseitigungsgesetzes und des BVL-Gesetzes – Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (In- vestmentsteuerreformgesetz – InvStRefG) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat begrüßt, dass das Gesetz eine Reihe von Steuerschlupflöchern schließt und unerwünschte Gestaltungen unterbindet, für die das Investmentsteu- errecht aufgrund seiner Komplexität besonders anfäl- lig war . Er begrüßt insbesondere, dass Gestaltungen zur Vermeidung der Dividendenbesteuerung durch Aktiengeschäfte in zeitlicher Nähe zum Dividenden- stichtag – so genannte Cum/Cum-Geschäfte – durch die Einführung einer Mindesthaltefrist für die Aktien und den tatsächlichen Übergang des Kursänderungs- risikos künftig weitgehend eingegrenzt werden . 2 . Allerdings zeichnen sich bereits jetzt zu den ab 2018 in Kraft tretenden Regelungen zur Besteuerung der Anleger von Publikums-Investmentfonds notwendi- ge Folgeänderungen ab . Vor allem im Bereich des Außensteuergesetzes sind Änderungen notwendig, um inländisches Steuersubstrat im Fall des Wegzugs von Anlegern wirksam zu schützen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18683 (A) (C) (B) (D) 3 . Die Diskussion zu den Cum/Cum-Gestaltungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat erneut deutlich gemacht, dass eine ungleiche Besteuerung von laufenden Erträgen aus Kapitalgesellschaften (z . B . Dividenden) einerseits und außerordentlichen Erträgen (z . B . Veräußerungsgewinnen) anderer- seits – wie sie auch bei der derzeitigen Besteuerung von Streubesitzanteilen gegeben ist – ein Einfallstor für Steuergestaltungen ist . Nationale Regelungen, um diesen Umgehungen Einhalt zu gebieten, sind wichtig und müssen unverzüglich weiterentwickelt werden . 4 . Der Bundesrat bittet darüber hinaus zu prüfen, in- wieweit langfristig ein international abgestimmter Lösungsansatz zielführend sein könnte, bei dem die Besteuerung von Dividenden und Veräußerungsge- winnen einheitlichen Prinzipien folgt . Denn dann wären Umgehungen der regelmäßig dem Sitzstaat zustehenden Quellensteuerrechte auf Dividenden wirksam und endgültig ausgeschlossen . 5 . Die konkrete Ausgestaltung des § 36a des Einkom- mensteuergesetzes lässt weiterhin Spielraum für eine Umgehung der Dividendenbesteuerung . Insbe- sondere die Fälle, in denen das Tragen des Mindest- wertänderungsrisikos maßgebend ist, erscheinen in der Praxis schwer umsetzbar . Es ist nicht klar, wie die Berechnung des geforderten prozentualen Wert- änderungsrisikos erfolgen kann . Daher sieht der Bundesrat die nun beschlossene Regelung als ersten Schritt, der in einem weiteren Gesetzgebungsver- fahren nachgebessert werden muss . 6 . Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Cum/ Cum-Gestaltungen noch zielgenauer unterbunden werden müssen . Aus Sicht des Bundesrates sollte deshalb in einem der nächsten steuerlichen Gesetz- gebungsvorhaben eine mit Dividenden gleichge- stellte Besteuerung von Kompensationszahlungen aus Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensions- geschäften eingeführt werden, um Cum/Cum-Ge- schäften mittels einer Wertpapierleihe endgültig die Grundlage entziehen . 7 . Aus Sicht des Bundesrates ist auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzantei- len notwendig, um die gegenwärtig unterschied- liche Behandlung von Streubesitzdividenden und Veräußerungsgewinnen und damit einhergehendes Gestaltungspotenzial zu beseitigen . Daher bedauert der Bundesrat, dass keine entsprechende Regelung Aufnahme in das Gesetz zur Reform der Invest- mentbesteuerung gefunden hat . 8 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, eine verfassungsfeste, gegenüber Gestaltungen ro- buste und – in Abstimmung mit der EU-Kommis- sion – unter Beihilfegesichtspunkten unbedenkliche Neuregelung vorzulegen, die sicherstellt, dass für die Bereitstellung von Wagniskapital und die Finan- zierung junger innovativer Unternehmen keine neue Belastung entsteht . – Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus – Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts – Gesetz zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes, des Hochbaustatistikgesetzes sowie bestimmter im- missionsschutz- und wasserrechtlicher Vorschrif- ten – Gesetz zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung – Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften – Gesetz zur Änderung berg-, umweltschadens- und wasserrechtlicher Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Off- shore-Erdöl- und –Erdgasaktivitäten – Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat nimmt das vorliegende Gesetz zur Kenntnis . Er bedauert, dass sowohl die Bundes- regierung in ihrer Gegenäußerung als auch der Deutsche Bundestag mit seinem Gesetzesbeschluss den verbraucherschützenden Anregungen in der Stellungnahme des Bundesrates nicht gefolgt sind (BRDrs . 543/15 – Beschluss –) . Der Bundesrat un- terstreicht insbesondere seine Forderung, mit dem vorliegenden Gesetz dem privaten Letztverbrau- cher ein Mitspracherecht beim Einbau intelligenter Messsysteme oder der Einbindung in ein Kommuni- kationsnetz einzuräumen . 2 . Die nun beschlossene Regelung, die Messstellenbe- treiber dazu ermächtigt, private Haushalte mit einem Verbrauch von mehr als 6 000 Kilowattstunden pro Jahr Jahresverbrauch mit Inkrafttreten des Gesetzes und alle anderen Haushalte mit einem Verbrauch unter 6 000 Kilowattstunden pro Jahr ab 2020 mit einem intelligenten Messsystem auszustatten, hält der Bundesrat für unverhältnismäßig . Mit der nun getroffenen Regelung werden berechtigte Verbrau- cher- und Datenschutzbedürfnisse der Bevölkerung nicht berücksichtigt . 3 . Der Bundesrat begrüßt, dass es keinen Roll Out um jeden Preis geben darf und Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen müssen . Die Letztverbraucher und Erzeuger dürfen nicht mit un- verhältnismäßigen Kosten belastet und die grundzu- ständigen Messstellenbetreiber bzw . Netzbetreiber nicht zu einer betriebswirtschaftlich unverhältnis- mäßigen Einbaumaßnahme verpflichtet werden. 4 . Der Bundesrat betont, dass die privaten Endverbrau- cher keinen Vorteil erlangen. Eine mögliche finanzi- elle Ersparnis wird ihnen durch die Auferlegung der Betriebskosten von bis zu 100 Euro pro Jahr gleich wieder genommen . Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass überhaupt ein Einsparpotenzial besteht und zwingt private Endverbraucher, es im Voraus zu bezahlen . Gelingt es Verbrauchern nicht, durch das intelligente Messsystem Einsparungen vorzunehmen, tragen sie allein die Mehrkosten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618684 (A) (C) (B) (D) 5 . Aus datenschutzrechtlicher Sicht hat der Bundesrat Bedenken, dass durch die Erfassung der Energiever- brauchsdaten eines privaten Endverbrauchers Rück- schlüsse auf die private Lebensführung ermöglicht werden . 6 . Aus den vorgenannten Gründen hält der Bundesrat es für erforderlich, dass der Einbau von intelligen- ten Messsystemen bei privaten Letztverbrauchern unter 6 000 Kilowattstunden pro Jahr von der Zu- stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher abhängig gemacht wird . Privaten Endverbrauchern mit einem Verbrauch über 6 000 Kilowattstunden pro Jahr sollte bezüglich des Einbaus der Geräte ein Widerspruchsrecht eingeräumt werden . Unabhängig von der individuellen Verbrauchshöhe sollten priva- te Letztverbraucher in jedem Fall ein Widerspruchs- recht gegen die Einbindung eines Messsystems in ein Kommunikationsnetz erhalten . 7 . Aus energiewirtschaftlicher Perspektive kann der Bundesrat nicht nachvollziehen, dass der grund- zuständige Messstellenbetreiber ab dem Jahr 2018 neue Energieerzeugungsanlagen mit einer installier- ten Leistung über einem bis einschließlich sieben Kilowatt mit intelligenten Messsystemen ausstatten kann, ohne dass diese Ausstattung abgelehnt wer- den kann . Der Bundesrat weist darauf hin, dass die- se Regelung zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation von kleinen PV-Anlagen führt . Auch mögliche Systemvorteile beim Einbau von Smart Metern bei Kleinanlagen stehen in kei- nem Verhältnis zu den entstehenden Kosten für den Betreiber . Aus diesen Gründen hält der Bundesrat die Einbeziehung von Kleinerzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung über einem bis ein- schließlich sieben Kilowatt in den optionalen Roll- out für nicht sinnvoll und erwartet negative Auswir- kungen auf den weiteren PV-Ausbau und damit auf die bereits unter Druck stehende PV-Branche . 8 . Der Bundesrat hält es zudem für erforderlich, die gesetzlichen Vorgaben in regelmäßigen Abständen zu überprüfen . Die Kosten-Nutzen-Analyse geht von einem Einsparpotenzial bei privaten Haushal- ten aus, das bislang nur hypothetisch angenommen wird . Der Einbau intelligenter Messsysteme führt per se noch nicht zu einer Energieeinsparung . De facto bedarf es dazu sowohl des Angebots lastvaria- bler Tarife und anderer finanzieller Anreize als auch einer Verhaltensveränderung der Verbraucher . – Gesetz zu dem Abkommen vom 17. Dezember 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und be- stimmter anderer Steuern sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung – Gesetz zu dem Abkommen vom 29. Juni 2015 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Republik Kosovo über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Gesetz zu dem Abkommen vom 24. September 2014 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ru- anda über den Luftverkehr – Integrationsgesetz – Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutz- rechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fra- cking-Technologie Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: 1 . Der Bundesrat begrüßt, dass der Deutsche Bundes- tag nach mehr als einem Jahr seit der Einbringung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung den Be- schluss zum Gesetz zur Änderung wasser- und na- turschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie gefasst hat . 2 . Der Bundesrat begrüßt, dass der Deutsche Bun- destag in einigen wesentlichen Punkten der Stel- lungnahme des Bundesrates (BR-Drs . 143/15 – Beschluss –) aus dem letzten Jahr gefolgt ist . Insbesondere wurden die Streichung der 3 000-Me- ter-Grenze, die Ausweitung der Gebiete, in denen jegliches Fracking zur Aufsuchung und Förderung von Kohlenwasserstoffen insbesondere unter Ein- satz von umwelttoxischen Substanzen verboten ist, die Ausweitung des Verbotes auch auf Fracking zur Erdölgewinnung sowie die veränderte Rolle der Ex- pertenkommission aus den Forderungen des Bun- desrates übernommen . Er begrüßt ebenfalls in diesem Zusammenhang, dass zukünftig „unkonventionelles Fracking“ nicht ohne Zustimmung der jeweiligen Landesregierung möglich ist . – Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat stellt fest, dass von Bergschä- den betroffene Anwohner im Bereich der Tage- baue zur Braunkohlegewinnung, die insbesondere durch großflächige Grundwasserabsenkungen und auch durch tagebauinduzierte Erderschütterungen schadenswirksame Bodenbewegungen an der Ta- gesoberfläche im Umfeld der Betriebe verursachen können, beim Nachweis einer bergbaubetrieblichen Ursache eines Schadens aufgrund der oftmals kom- plexen Sachverhalte häufig an nicht überwindbare Grenzen stoßen . Daher ist es erforderlich, die Berg- schadensvermutung gemäß § 120 Bundesberggesetz (Beweislastumkehr) auch auf diese bergbaulichen Tätigkeiten anzuwenden . 2 . Der Bundesrat bittet, die Bergschadensvermutung gemäß § 120 Bundesberggesetz (Beweislastum- kehr) auf Braunkohletagebaubetriebe, die insbeson- dere durch großflächige Grundwasserabsenkungen oder Erschütterungen schadenswirksame Bodenbe- wegungen an der Tagesoberfläche im Umfeld der Betriebe verursachen können, zu erweitern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18685 (A) (C) (B) (D) 3 . Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, durch eine weitere Neufassung der Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (Einwirkungsbereichs- Berg- verordnung – EinwirkungsBergV) zu definieren, auf welche Bereiche an der Tagesoberfläche Braun- kohletagebaubetriebe, die insbesondere durch groß flächige Grundwasserabsenkungen oder Erschütte- rungen schadenswirksame Bodenbewegungen an der Tagesoberfläche im Umfeld der Betriebe verur- sachen können, einwirken können . Begründung: Durch den Betrieb von Braunkohletagebauen selbst treten in der Regel keine Bergschäden auf . Jedoch ist für einen sicheren Betrieb von tiefen Braunkohletagebauen eine Absenkung des Grundwasserniveaus im Bereich und Umfeld dieser übertägigen Gewinnungsbetriebe erforderlich, die in besonderen Fällen zu schadenswirk- samen Bodenbewegungen führen kann . Infolge dieser Grundwasserabsenkung treten in einem begrenzten Be- reich gleichmäßige Bodenbewegungen auf, die grund- sätzlich kaum schadensrelevant sind . Im Bereich von geologischen Anomalien (Auebereiche usw .) und hy- draulisch wirksamen Störungen im Untergrund inner- halb des Einflussbereiches der Grundwasserabsenkung ist aber ein ungleichmäßiges Setzungsverhalten und da- mit das Auftreten von zum Teil erheblichen Bergschä- den möglich . Zudem führen in Einzelfällen die enor- men Massenumlagerungen im Braunkohlentagebau zu Spannungsumlagerungen im Untergrund, die ihrerseits Erderschütterungen an der Erdoberfläche verursachen. Die Bundesregierung selbst hat schon in Ihrer Unter- richtung des Deutschen Bundestages (BT-Drucksa- che 18/4952) den Buchstabe a zugrunde liegenden bergtechnischen Sachverhalt bestätigt (Gegenäußerung zu a) aa) aaa) der Nummer 4 der Stellungnahme des Bundesrates vom 08 .05 .2015) . Bedauerlicherweise ist sie jedoch einer praktikablen Lösung bislang nicht nä- hergetreten . – Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien – Gesetz zu Weiterentwicklung des Strommarktes (Stromarktgesetz) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Der Bundesrat bekräftigt, dass ein zukunftsfähiges Strommarktdesign ein zentraler Baustein für das Gelingen der Energiewende ist . 2 . Aus Sicht des Bundesrates hat es sich bewährt, die Länder frühzeitig in den Reformprozess zur Opti- mierung des Strommarktdesigns einzubinden . Der Bundesrat sieht daher die hohe Zahl an Verord- nungsermächtigungen im Strommarktgesetz, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, mit Sorge und erwartet, dass die Bundesregierung die erforderliche umfassende Beteiligung der Länder auch zukünftig und bei Erlass der Verordnungen si- cherstellt . 3 . Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Strommarktgesetz die Bedeutung der Fle- xibilität für ein auf die Nutzung erneuerbarer Ener- gien ausgerichtetes Stromversorgungssystem be- tont . Ein wichtiger Baustein für die Stärkung der Flexibilität ist die Absenkung des konventionellen must-runs . Der konventionelle must-run bindet zu- dem in nicht unerheblichem Maße die vorhandenen, knappen Netzkapazitäten und trägt so dazu bei, dass Netzbetreiber in zunehmendem Maße die Option für Einspeisemanagementmaßnahmen nutzen müssen . Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, bei zukünftigen Maßnahmen stets Möglichkei- ten zur Absenkung des konventionellen must-runs zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen . 4 . Der Bundesrat bekräftigt die zentrale Bedeutung von Speichern in einem auf erneuerbaren Energien ausgerichteten Stromversorgungssystem und bedau- ert, dass die sich mit dem Strommarktgesetz bieten- den Chancen zur umfassenden Stärkung der Rolle der Speicher weitgehend ungenutzt bleiben . Der Bundesrat verweist diesbezüglich auch auf seinen Beschluss vom 18 . Dezember 2015 (BR-Drucksa- che 542/15 – Beschluss –) . Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die wirtschaftliche Situation und die aus energiepolitischer Sicht erforderliche Ent- wicklung von Speichern weiterhin und kontinuier- lich zu evaluieren und den hieraus sich ergebenden Handlungsbedarf unter Einbindung der Länder un- verzüglich umzusetzen . Zudem sollten die Potenzia- le eines netzdienlichen Einsatzes von Speichern und unter anderem Pumpspeicheranlagen durch eine zeitnahe Neuregelung der entsprechenden gesetzli- chen Regelungen erschlossen werden . – Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisen- bahnbereich Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1 . Ferner hat der Bundesrat folgende Entschließung gefasst: 1 . Der Bundesrat fordert die Bundesregie- rung auf sicherzustellen, dass die in § 2 Absatz 9 Ei- senbahnregulierungsgesetz vorgesehene Ausnahme- regelung für Betreiber der Schienenwege von den Vorgaben des § 37 nur im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern und Aufgabenträgern erfolgen kann . 2 . Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf si- cherzustellen, dass die im neuen Eisenbahnregu- lierungsgesetz (insbesondere §§ 36 und 37) vor- gesehenen Regelungen zur Höhe der Stations- und Trassenpreise nicht zu negativen Auswirkungen auf den Schienengüter- und den Schienenpersonenfern- verkehr führen . Mit Blick auf den Schienenperso- nenfernverkehr darf die Wachstumsstrategie der DB AG, die bis zum Jahr 2030 die Wiederanbindung der Fläche an den IC- und ICE-Verkehr vorsieht, nicht in Frage gestellt werden . Zudem hat der Bundesrat hat in seiner 947 . Sitzung am 8 . Juli 2016 gemäß Artikel 94 Absatz 1 des Grund- gesetzes in Verbindung mit §§ 5 und 7 des Gesetzes über Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618686 (A) (C) (B) (D) das Bundesverfassungsgericht Frau Prof . Dr . Christine Langenfeld als Nachfolgerin für Bundesverfassungsrich- ter Prof . Herbert Landau in den Zweiten Senat des Bun- desverfassungsgerichts gewählt . Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/3898 Nr . A .7 Ratsdokument 14476/14 Innenausschuss Drucksache 18/7286 Nr . A .5 Ratsdokument 14910/15 Drucksache 18/7422 Nr . A .6 Ratsdokument 15208/15 Drucksache 18/7422 Nr . A .7 Ratsdokument 15210/15 Drucksache 18/7612 Nr . A .5 Ratsdokument 5240/16 Drucksache 18/7934 Nr . A .4 Ratsdokument 5615/16 Drucksache 18/7934 Nr . A .7 Ratsdokument 6056/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .3 Ratsdokument 6798/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .7 Ratsdokument 7331/16 Drucksache 18/8293 Nr . A .2 Ratsdokument 7180/16 Finanzausschuss Drucksache 18/4749 Nr . A .28 Ratsdokument 7374/15 Drucksache 18/5004 Nr . A .9 Ratsdokument 7759/15 Drucksache 18/5004 Nr . A .10 Ratsdokument 7784/15 Drucksache 18/6146 Nr . A .6 Ratsdokument 11469/15 Drucksache 18/6146 Nr . A .7 Ratsdokument 11471/15 Drucksache 18/7733 Nr . A .10 Ratsdokument 5638/16 Drucksache 18/7733 Nr . A .11 Ratsdokument 5639/16 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- cherheit Drucksache 18/8668 Nr . A .22 ERH 3/2016 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 18/5982 Nr . A .49 Ratsdokument 11194/15 Drucksache 18/6146 Nr . A .12 Ratsdokument 11538/15 Drucksache 18/6146 Nr . A .13 Ratsdokument 11667/15 Drucksache 18/8140 Nr . A .22 EP P8_TA-PROV(2016)0066 Drucksache 18/8470 Nr . A .24 EP P8_TA-PROV(2016)0128 Drucksache 18/8470 Nr . A .25 EP P8_TA-PROV(2016)0129 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 188. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Schlussrunde Haushaltsgesetz 2017 Epl 12 Verkehr und digitale Infrastruktur Epl 16 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Anlagen Anlage 1 Anlage 2
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich . Wir setzen unsere Haushaltsberatungen – Ta-
gesordnungspunkt 1 – fort:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)


Drucksache 18/9200
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020

Drucksache 18/9201
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Für die heutige Aussprache haben wir eine Redezeit
von insgesamt vier Minuten – – 4 Stunden und 48 Minu-
ten beschlossen .


(Heiterkeit – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Dann sollten wir aber schnell anfangen! – Sören Bartol [SPD]: Vorsichtig mit diesen Versprechen!)


– Das hätte ja auch einen gewissen Reiz . Vor allen Din-
gen stelle ich mir jetzt die panischen Bemühungen der
Geschäftsführer zur Aufteilung der dann jeweils auf die
Fraktionen entfallenden Redezeiten vor .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Auch das kriegen wir hin! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Panik gibt es bei uns nicht!)


– Gut . Alleine die Freude, dass euch das erspart bleibt,
führt euch doch auf grandiose Weise ins Wochenende .

Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Verkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12.

Ich erteile dazu das Wort dem zuständigen Bundesmi-
nister Alexander Dobrindt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute
über einen neuen Investitionsrekord und starten die Be-
ratung über den größten Infrastrukturhaushalt, der jemals
in den Bundestag eingebracht wurde: fast 14 Milliarden
Euro für die Infrastruktur in 2017, 10 Prozent mehr als
2016, Rekordmittelaufwuchs um 40 Prozent bis 2018 .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Sie wissen bloß nicht, was Sie damit machen sollen! Das ist das Problem!)


Das ist die Bilanz der Großen Koalition in unserem
Haushalt, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die 18 . Wahlperiode hat einen klaren Schwerpunkt;
da geht es um Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur .
Wir orientieren uns damit wieder an der Wohlstandspy-
ramide moderner Volkswirtschaften und dem klaren öko-
nomischen Grundprinzip: Mobilität schafft Prosperität,
bzw . Wohlstand entsteht dort, wo die Infrastruktur funk-
tioniert .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wo haben Sie das denn gelesen? Das stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1960!)


Das lässt sich auch an unseren Erfolgen ablesen . Das
ifo-Institut zeigt diese Woche auf: Deutschland wird
2016 wieder Exportweltmeister und lässt China hinter
sich . Die Weltbank erklärt uns zum wiederholten Male
zum Logistikweltmeister, und beim Weltwirtschaftsfo-
rum stellt man fest: Deutschland ist das stärkste Land
der Welt . Das gemeinsame Fundament dafür ist unsere
Infrastruktur . Deswegen gilt das bewährte Prinzip: In-
vestitionen in Infrastruktur sind zwar keine Garantie für






(A) (C)



(B) (D)


Wachstum und Wohlstand, aber ohne Investitionen in die
Infrastruktur gibt es beides garantiert nicht . Deswegen
leisten wir diese Investitionen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will noch einmal daran erinnern, wo wir am An-
fang dieser Wahlperiode standen: Wir sind 2014 mit
10 Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur ge-
startet . Wir hatten eine Investitionslücke von 3 Milliar-
den Euro . Wir haben in der Koalition vereinbart, dass
wir in dieser Wahlperiode 5 Milliarden Euro zusätzlich
aufwenden werden . Wir wussten allerdings, dass diese
Summe sehr knapp bemessen ist und für die Erfüllung
der Aufgaben, die sich in der Infrastruktur stellen, nicht
ausreichen wird . Das war die Ausgangsposition .

Jetzt haben wir mit diesem Haushalt die Investitions-
wende vollzogen . Unser Haushalt wächst bis 2018 auf
über 14,4 Milliarden Euro auf; damit knacken wir in mei-
nem Haushalt die Investitionsquote von 60 Prozent . Das
ist ein Riesenerfolg der Großen Koalition .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben damit übrigens nicht nur die Investitionslücke
geschlossen, sondern auch alle Forderungen der Kom-
missionen – Daehre-Kommission, Bodewig-I-Kommis-
sion, Bodewig-II-Kommission und wie sie alle geheißen
haben – deutlich übererfüllt . Das ist ein Erfolg des Inves-
titionshochlaufs, und das ist das Ergebnis des Rekord-
haushalts für die Infrastruktur .

Es gehört allerdings auch zur Wahrheit, dass Rekord-
mittel alleine kein Selbstzweck sind, sondern es auch da-
rum geht, sie gezielt einzusetzen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem!)


Dafür haben wir mit dem Bundesverkehrswegeplan
2030, den das Bundeskabinett beschlossen hat, die
Grundlage gelegt . Mit einer Investitionssumme in Höhe
von 270 Milliarden Euro und über 1 000 Projekten ist
er das stärkste Infrastrukturprogramm, das es je gab .
Zusammen mit den Rekordmitteln aus unserem Investi-
tionshochlauf ist er ein wirksames Instrument auch der
deutschen Wirtschaftspolitik . Wir geben übrigens erst-
mals mit unserem Bundesverkehrswegeplan eine klare
Finanzierungsperspektive und können so die Maßnah-
men, die der Bundesverkehrswegeplan beinhaltet, nicht
nur entwickeln, sondern auch umsetzen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben noch nicht einmal die Kostensteigerungen eingerechnet! – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Scherz! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Große Wünsch-dir-was-Liste!)


Das Nadelöhr sind nicht mehr die Finanzen, meine Da-
men und Herren, sondern es sind die Planungen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Kostensteigerungen miteingerechnet!)


Meine Baufreigabenrunde zeigt jedes Jahr massive
Unterschiede, auch zwischen den Bundesländern, bei der
Planung; auch das zu sagen, gehört zur Wahrheit dazu .
Die Dynamik, aber auch die Planungsvorräte sind sehr
unterschiedlich verteilt . Da gibt es ein paar echte infra-
strukturpolitische Sorgenkinder . Darauf darf man hinwei-
sen . Allerdings stehen nicht nur die Länder, sondern auch
der Bund in der Verantwortung, wenn es um Planungen,
Planungskapazitäten und auch Planungsbeschleunigung
geht . Deswegen habe ich eine Kommission eingesetzt,
die aktuell eine Strategie zur Planungsbeschleunigung er-
arbeitet . Dabei gibt es übrigens keine Denkverbote . Alle
Vorschläge kommen auf den Tisch . Es kann schlichtweg
nicht sein, dass wir Rekordmittel bereitstellen, eine Infra-
strukturoffensive beschließen, dann aber wichtige Vorha-
ben im Paragrafendschungel gebremst werden . Das darf
nicht so bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sören Bartol [SPD])


Ich habe übrigens schon einen Vorschlag gemacht:
die Gründung einer Autobahngesellschaft, mit der wir
die zwischen Bund und Ländern geteilten Kompetenzen
bündeln, mit dem Ziel,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Autobahnen privatisieren!)


Planung, Bau und Finanzierung in eine Hand und eine
Verantwortlichkeit zu geben .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Ich glaube, dass es notwendig ist, darauf hinzuweisen,
dass es Planungsdefizite gibt. Aber genauso notwendig
ist es, Lösungsvorschläge zu machen . Wenn es, wie wir
ja jetzt wissen, eine ungleiche Verteilung von Planungs-
kapazitäten in Deutschland gibt, kann man das langfristig
nicht akzeptieren; da muss auch der Bund aktiv werden .
Deswegen ist es richtig, die Kompetenzen zu bündeln
und eine Bundesautobahngesellschaft einzufordern, mei-
ne Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich weiß natürlich, lieber Herr Kindler, dass den grü-
nen Verkehrspessimisten unser Infrastruktur-Upgrade
enorme Probleme bereitet,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum solch ideologische Scheuklappen?)


nicht nur, weil Sie das Mehr an Mobilität, das mit unseren
Rekordinvestitionen möglich ist, in Wahrheit nicht wol-
len und auch vieles dafür tun, damit das nicht passiert,


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie bauen den Staus hinterher! Das ist Tatsache! Sie vernachlässigen die Schiene! Das ist Tatsache!)


sondern auch deswegen, weil es Ihnen besonders weh-
tut, dass wir mit diesem Bundesverkehrswegeplan zum
ersten Mal Ökonomie und Ökologie zusammenbringen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großer Scherz! – Matthias Gastel Bundesminister Alexander Dobrindt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen gar nicht, was Ökologie ist! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie wissen ja gar nicht, wie man das schreibt!)





(A) (C)


(B) (D)


Das können Sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen .
Deswegen ist klar, warum Sie in den letzten Wochen total
verzweifelt Kritik daran geübt haben .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das hier wieder für eine Karnevalsrede?)


Ich muss Ihnen aber an dieser Stelle deutlich sagen:


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können es ja selbst nicht einmal ernst vortragen!)


Was da von Ihnen zum Bundesverkehrswegeplan zu hö-
ren ist, ist selbst für die Grünen ein neuer Rekord auf der
Minusskala .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein harter Angriff! Da weinen wir gleich! – Gustav Herzog [SPD]: So wird das nichts mit Schwarz-Grün!)


Ihr ehemaliger Verkehrspolitiker Toni Hofreiter hat
gesagt, der Bundesverkehrswegeplan bringe nichts für
den Klimaschutz .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es leider auch!)


Richtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Bun-
desverkehrswegeplan 2003, den Sie vorgelegt haben, als
Sie in der Regierungsverantwortung standen, fällt beim
Ökologievergleich mit meinem Bundesverkehrswege-
plan, dem Bundesverkehrswegeplan der Großen Koali-
tion, gnadenlos durch . Da können Sie ganz sicher sein .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Der ist ja noch gar nicht verabschiedet! – Zurufe von der SPD)


– Die SPD würde gerne mitklatschen in dem Moment,
zögert aber noch etwas . – Sie hatten 2003 mehr als die
Hälfte der Projekte auf der Straße, wir investieren mehr
als die Hälfte in Schiene und Wasserwege .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Sie noch nicht einmal zu Ende bewertet! Sie wissen gar nicht, was Sie da investieren werden!)


Sie hatten einen Erhaltungsanteil von 56 Prozent, wir ge-
ben 70 Prozent der Mittel in den Erhalt . Sie haben den
Radverkehr übrigens mit keinem Wort erwähnt . Wir ha-
ben im Bundesverkehrswegeplan klar formuliert, dass
wir uns in Zukunft stärker am Bau von Radschnellwegen
beteiligen


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist kein einziges Projekt drin im Bundesverkehrswegeplan!)


und investieren jetzt schon jedes Jahr 100 Millionen Euro
in Radwege an Bundesstraßen . Ich sage: Ihre Kritik ist
jämmerliche Heuchelei und sonst gar nichts .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Ich bedanke mich für den Beifall der Kollegen von der
SPD .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 2017
ist nicht nur der größte Haushalt für die Verkehrsinfra-
struktur, sondern auch für die digitale Infrastruktur . Wir
investieren in die Gigabitgesellschaft der Zukunft und
stecken Milliarden in die Digitalisierung unseres Landes .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Kupfer!)


Unser Kernprojekt ist der Aufbau einer leistungsfähigen
digitalen Infrastruktur . Dafür habe ich zu Beginn der
Wahlperiode eine Gigabitstrategie gestartet . Ich habe die
Netzallianz Digitales Deutschland initiiert, in der sich
alle investitions- und innovationswilligen Unternehmen
zu einer gemeinsamen Initiative zusammengeschlossen
haben, die übrigens in diesem Jahr, in 2016, gemeinsam
8 Milliarden Euro in den Ausbau unserer Netze inves-
tieren .

Wir haben außerdem im November letzten Jahres das
Bundesprogramm für superschnelles Breitband aufge-
setzt – für den Anschluss von bisher unterversorgten Ge-
bieten, Landkreisen und Kommunen . Wir haben auch da
mit 2,7 Milliarden Euro den Startschuss gegeben . Jetzt
haben wir im Haushalt festgelegt, dass der Bund 4 Milli-
arden Euro an dieser Stelle investiert . Damit machen wir
den Sprung in die Gigabitgesellschaft . Das hat absolute
Priorität für uns .

Wahr ist, dass die Vereinbarung aus dem Koalitions-
vertrag, 50 Mbit/s bis 2018 zu erreichen,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie setzen aber falsche Anreize!)


natürlich nur ein Zwischenschritt dabei sein kann . Wir
wollen Gigabit, wir wollen die Gigabitgesellschaft .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So nicht!)


Mit unseren Investitionen ist dies auch heute schon in
Teilen möglich . Ich sage Ihnen auch ganz klar: Das Ziel
von 1 Gigabit für 2025 ist mir letztlich zu wenig ambi-
tioniert . Wir müssen und wir können deutlich schneller
sein an dieser Stelle, und wir legen die Grundlagen dafür .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg . Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Schauen Sie, ich habe Anfang letzter Woche die zwei-
te Runde Förderbescheide übergeben . Das heißt, dass wir
in nur zehn Monaten seit Start unseres Förderprogramms
bereits über 800 Kommunen und Landkreise unterstützt
haben, ihren Anschluss an das Highspeed-Netz zu orga-
nisieren . Wir investieren bereits heute in dieser zweiten
Förderbescheidrunde 1,3 Milliarden Euro in die Kommu-

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


nen und bringen damit über 1 Million Haushalte und Ge-
werbebetriebe an das superschnelle Internet heran . Dabei
bauen wir 120 000 Kilometer neue Glasfaser aus . Damit
verdoppeln wir auf einen Schlag das gesamte Glasfaser-
netz in Deutschland . Das ist die Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber trotzdem hinken wir hinterher beim Breitbandausbau!)


Meine Damen und Herren, mit der klassischen und
der digitalen Infrastruktur schaffen wir die Grundlagen
für das global-digitale Zeitalter . Mit Investitionen in In-
novation stärken wir unsere Spitzenposition bei Schlüs-
seltechnologien und Digitalisierung . Wir investieren
80 Millionen Euro in das automatisierte und vernetzte
Fahren und stellen uns damit an die Spitze bei der Mo-
bilität 4 .0 .


(Lachen der Abg . Sabine Leidig [DIE LINKE])


Wir haben auf der Autobahn A 9 in Bayern das Digi-
tale Testfeld Autobahn errichtet . Dort erproben und ent-
wickeln Automobilindustrie und Digitalwirtschaft Inno-
vationen wie das automatisierte und vernetzte Fahren im
Realverkehr . Dazu haben wir die Strecke mit einem Mo-
bilfunkstandard nahe 5G ausgestattet . Das heißt, Echt-
zeitkommunikation zwischen Auto und Infrastruktur ist
möglich . Wir haben hochpräzise Kartensysteme erstellt
und die Strecke digitalisiert . Wir rüsten sie mit moderns-
ter Sensorik aus, die in der Lage ist, die Situation auf
der Straße beispielsweise mit Radartechnik dezidiert zu
erfassen, eigene Daten herzustellen und sie zur Kommu-
nikation entsprechend zur Verfügung zu stellen .

Dieses Projekt ist weltweit einzigartig und schafft
auch international ein Prädikat, das für den Technolo-
giefortschritt in Deutschland von großer Bedeutung ist .
Tested on German Autobahn – das ist ein Leuchtturm-
projekt, das viele Unternehmen gerne annehmen, ger-
ne ausprobieren, um ihre Produkte auf unseren Straßen
marktreif zu machen für eine automatisierte Gesellschaft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir arbeiten jetzt daran, dieses Digitale Testfeld auf
Städte zu erweitern, um die deutlich komplexeren Fahr-
situationen, wie sie im urbanen Umfeld herrschen, besser
zu erfassen und stärker zu erproben .

Des Weiteren stellen wir Gründern 100 Millionen
Euro zur Verfügung und schaffen das beste Ökosystem
für Mobility-Start-ups . Wir haben mit dem mFUND, dem
Mobility-Fund, einen neuen Förderfonds für die frühe
Entwicklung digitaler Innovationen im Bereich Mobili-
tät gestartet, damit neue Anwendungen nicht nur hier in
Deutschland genutzt werden, sondern auch hier entwi-
ckelt werden, damit diejenigen, welche die innovativen
Ideen haben, auch hier bleiben, um ihre Produkte markt-
reif zu gestalten .

Insgesamt stellen wir also 100 Millionen Euro bereit,
um Gründer und Start-ups bei der Umsetzung ihrer Ideen

zu unterstützen und sie bis zur Marktreife zu begleiten .
Das ist doch ein bedeutender Beitrag, mit dem wir gerade
der jungen Generation sagen: Ihr müsst, um erfolgreich
zu sein, mit euren Produkten nicht in die USA, ins Sili-
con Valley gehen . Ihr könnt in Deutschland bleiben . Die
Politik steht an eurer Seite und fördert euch finanziell,
damit ihr eure Ideen bis zur Marktreife entwickeln könnt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir investieren 300 Millionen Euro in eine flächen-
deckende Ladeinfrastruktur für Elektromobilität . Damit
lösen wir das Henne-Ei-Problem . Es werden 15 000 La-
desäulen in ganz Deutschland aufgebaut . Jetzt geht es
darum, unsere Digitaloffensive, das Erfolgsmodell einer
sozialen Marktwirtschaft mit digitalen Elementen weiter-
zuentwickeln. Das heißt, sie auch digital neu zu definie-
ren . Dazu brauchen wir allerdings auch auf europäischer
Ebene ein Umdenken . Wir brauchen einen europäischen
digitalen Binnenmarkt .

Wenn man mit jungen Unternehmern spricht, die ihr
Start-up beispielsweise im Silicon Valley aufgebaut ha-
ben, sagen diese, dass sie nicht deshalb da hingegangen
sind, weil die Infrastruktur dort besonders gut ausgeprägt
ist . In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Ein 5-Mbit/s-
Anschluss kostet in San Francisco 50 Dollar – mal ganz
abgesehen von der Straßeninfrastruktur . Die Unterneh-
men, die sich dort befinden, haben nur ein Interesse,
nämlich ihr Geschäftsmodell ohne große bürokratische
Hürden zu entwickeln und auf einem riesigen Markt ska-
lieren zu können . Das kann Europa auch schaffen . Des-
wegen müssen wir darangehen, diesen digitalen Binnen-
markt in Europa durchzusetzen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800100

Herr Minister, denken Sie bitte an die Redezeiten, die

Ihren Kollegen verbleiben .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn er daran denkt, hilft es noch nicht viel! – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er muss seine auch einhalten!)


Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr
und digitale Infrastruktur:

Danke schön . – Meine Damen und Herren, wir brau-
chen ein Wettbewerbsrecht 4 .0 . Wir dürfen digitale Märk-
te nicht mit analogen Regeln organisieren . Marktmacht
ist im digitalen Zeitalter lediglich eine Momentaufnahme
und als alleiniger zentraler Maßstab im Kartellrecht nicht
mehr zeitgemäß . Wir brauchen ein Wettbewerbsrecht,
das Kooperationen zwischen Unternehmen nicht ver-
hindert, sondern die Entstehung von Digitalkonzernen
ermöglicht, die international in der Lage sind, eine kriti-
sche Größe zu erreichen .

Wir brauchen das, was wir bei den Mobility-Start-ups
machen, nämlich die Erzeugung eines optimalen Ökosys-
tems, auch in anderen Bereichen . Gerade in der frühen
Entwicklungsphase, in der sogenannten Early Stage, ist

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


es für Gründer schwer, an Kapital zu kommen . Hier müs-
sen wir unterstützen, damit die Wertschöpfung der Start-
ups bei uns und nirgendwo anders entsteht . Da haben wir
noch einen Handlungsauftrag, den wir gerne umsetzen
wollen .

Ich bin überzeugt, dass Deutschland mit seiner Infra-
struktur, mit den Investitionen, mit den Möglichkeiten,
die wir gerade auch jungen Unternehmen geben, in der
Lage ist, ein digitales Wirtschaftswunder zu erzeugen .
Der Rekordhaushalt 2017 schafft dafür die Voraussetzun-
gen und stärkt die drei großen I: Investition, Innovation
und Infrastruktur . Das ist die Grundlage für unseren er-
folgreichen Haushalt .


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine Karnevalsrede!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800200


Roland Claus ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818800300


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-
desminister, ich wollte Sie schon wegen Ihrer vergleichs-
weise bescheidenen Rede hier loben; aber dass Sie am
Schluss von einem „digitalen Wirtschaftswunder“ ge-
sprochen haben, erschien mir doch ein bisschen dick auf-
getragen .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, der größte Investitionsetat
des Bundes ist bekanntlich uns allen hier im Parlament
lieb und teuer . Die Koalition und auch die Bundesregie-
rung sollten dabei nicht vergessen, dass es oftmals auch
die Opposition ist, die schwierige Investitionsentschei-
dungen mitträgt . Fast 27 Milliarden Euro sind im Regie-
rungsentwurf veranschlagt, und es sollen, wie wir gehört
haben, noch mehr werden; aber das Mehrwerden liegt ja
in der Hand des Parlaments .

Unser Problem dabei ist, dass wir als Haushaltsge-
setzgeber auf zwei Funktionen reduziert sind: Wir kön-
nen hier zum einen das viele Geld bereitstellen, und wir
haben zum anderen – auch das muss gesagt sein – nicht
unerhebliche Möglichkeiten, die Verwendung dieser
Mittel zu kontrollieren . Was dazwischenliegt, fällt in die
exekutive Verantwortung . Damit haben wir – das sage
ich ausdrücklich – ein Problem . Warum, Herr Bundes-
minister Dobrindt, muss Ihnen der Bundesrechnungshof
Jahr für Jahr ins Stammbuch schreiben, dass Investitions-
mittel nicht nur bereitzustellen, sondern – ich zitiere –
„zielgerichtet und wirtschaftlich einzusetzen“ sind? Das
heißt doch, dass Sie ausdrücklich dafür kritisiert werden,
dass Sie Investitionsmittel nicht zielgerichtet einsetzen
und die Wirtschaftlichkeit Ihrer Investitionen nicht im

Griff haben . Das ist Ihr Problem, das wir Jahr für Jahr zu
kritisieren haben .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Investitionen des Bundes erfolgen nahezu regelmäßig
verspätet und überteuert . In Sachen „schlechte Haus-
haltsdisziplin“ ist dieses Bundesministerium leider Spit-
zenreiter; auch das muss festgestellt werden .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Auch bei der Beantwortung von Kleinen Anfragen!)


Es heißt in einem Text dieses Bundesministeriums:

Die Bundesregierung hat deshalb eine Investitions-
wende eingeleitet und einen 5-Punkte-Investitions-
hochlauf gestartet . . .

Ja, geht denn das noch, was hier an Übertreibung betrie-
ben wird? Die Staus werden länger, die Brücken werden
maroder, die Bahn wird teurer – und die Investitionsquote
im Bundeshaushalt sinkt . Sie aber, Herr Bundesminister,
verkünden hier die heile Welt . Ein bisschen mehr Demut
wäre angebracht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen nicht vergessen, dass es am Montag die-
ser Sitzungswoche, am 5 . September 2016, inzwischen
zehn Jahre her ist, dass der Spatenstich für den Bau des
Flughafens BER vollzogen wurde – zehn Jahre! Ich muss
sagen: Der Stand, den wir jetzt erreicht haben, ist beschä-
mend für die Bundesregierung, und eigentlich ist er be-
schämend für uns alle .

Sie haben angekündigt, in Ihrem Etat die Einbindung
privaten Kapitals in öffentliche Infrastrukturinvestitionen
zu verstärken . Die Linke sagt dazu: Das geht in Ordnung .
Der kleine Unterschied ist dabei: Sie wollen bei den Pri-
vaten und Reichen betteln gehen und mit ihnen Geschäf-
te machen, wir dagegen wollen sie mit einer gerechten
Besteuerung dazu heranziehen, sich an Deutschlands
Zukunft investiv zu beteiligen . Das macht den kleinen
Unterschied aus .


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Minister, wer ständig Neues verkünden will,
muss natürlich auch Vergangenes erklären . Noch vor
zweieinhalb Jahren haben Sie bei der Einbringung des
Einzelplanes 12 hier lauthals erklärt: Am 1 . Januar 2016
wird die Pkw-Maut – Sie haben sie damals noch Infra-
strukturabgabe genannt – scharf gestellt . – Die Linke und
die Kanzlerin waren bekanntlich schon immer dagegen .
Die letzte Meldung aus dem Hause Dobrindt zur Pkw-
Maut stammt vom 18 . Juni 2015 . Der Minister wurde da
von einer großen Zeitung gefragt: „Stoppt Brüssel jetzt
die Pkw-Maut?“ Der Minister antwortete: „Nein . Die
Pkw-Maut wird kommen .“ Außerdem sagte er: „Ich habe
für das Vorgehen der Kommission … kein Verständnis .“
Was ist denn nun Ihr Plan vom Glück, Herr Minister?
Machen Sie sich doch mal ehrlich! – Fehlanzeige! Da-
bei könnten Sie diese unselige Idee hier verbal beerdigen

Bundesminister Alexander Dobrindt






(A) (C)



(B) (D)


und dem Parlament mal sagen: Jetzt ist das Ding vom
Tisch . – Den Mut haben Sie nicht aufgebracht . So ent-
steht aber Frust durch Politik .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


An einer Stelle betritt dieser Etat in der Tat Neuland .
Wir haben immer kritisiert, dass für das „I“ in der Über-
schrift des Namens Ihres Ministeriums, das für „digitale
Infrastruktur“ steht, bislang zu wenig oder keine Mittel
hinterlegt sind . Das soll sich nun ändern . Sie haben am
Dienstag dieser Woche, glaube ich, ganztägig Fördermit-
tel verteilt – vielleicht geht das auch mit der Post –; das
spricht dafür, dass wir auf diesem Wege wirklich einen
neuen Schritt gehen .

Jetzt sollen weitere 650 Millionen Euro für den Breit-
bandausbau draufgelegt werden . Wir möchten Ihnen den
Vorschlag machen: Diese zusätzlichen Mittel bitte vor-
wiegend für den ländlichen Raum!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer nämlich auf dem Dorf keine Schule, keinen Laden
und keine Kneipe mehr hat, der sollte wenigstens via In-
ternet den Zugang zur Öffentlichkeit haben . Das ist so
etwas wie eine Wiedergutmachung für unterbliebene Da-
seinsvorsorge, meine Damen und Herren . Deshalb aus-
drücklich dieser Vorschlag .


(Beifall bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Aber der Internetanschluss nützt ohne Kneipe auch nichts!)


Herr Bundesminister, wir alle hier im Parlament, aber
auch in den Ministerien sollten nicht vergessen: Es sind
die Gelder der Bürgerinnen und Bürger, über die wir hier
beraten . Deshalb, Herr Minister, etwas mehr Demut und
weniger Hochmut!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800400

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina

Hagedorn das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1818800500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Dieser letzte gemeinsame Haushalt dieser Großen Koa-
lition, der Haushalt für das kommende Jahr, unterstreicht
gerade im Verkehrsbereich noch einmal ganz deutlich,
wofür wir gemeinsam stehen, nämlich dass wir mitei-
nander Dinge angepackt haben, die dringend erforderlich
waren, über die in dieser Republik auch lange geredet
wurde, zum Beispiel das Thema Digitales . Jetzt haben
wir hier, und zwar nicht erst in diesem Haushaltsjahr,
sondern schon kontinuierlich in den vergangenen Haus-
haltsjahren, einen Mittelaufwuchs, und das ist ein richtig
gutes Signal .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Minister hat die Zahl genannt: Es sind fast 27 Mil-
liarden Euro, die in diesem Jahr insgesamt zur Verfügung
stehen . Es ist nicht alles frisches Geld . 4,35 Milliarden
Euro hatten wir schon im Mai letzten Jahres mit dem
Zukunftsinvestitionsprogramm beschlossen . Diese Mit-
tel waren bisher in einem Extraetat, aber jetzt sind sie
vollumfänglich, Herr Minister, in Ihrem Etat angekom-
men und verstärken, wie von uns gewollt, insbesondere
die Bereiche Straße, Schiene, Wasserwege, aber auch –
darauf will ich kurz zu sprechen kommen – den Bereich
Digitales .

Eines ist mir wichtig: Wenn wir hier alle miteinander
feststellen, wie viel Geld wir für diesen Etat bereitgestellt
haben, wie erfolgreich wir da waren, dann lautet logi-
scherweise die Wahrheit aber auch: Privates Geld brau-
chen wir nicht . Das schaffen wir öffentlich-rechtlich .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darum nur ein Wort zu der Infrastrukturplanungsge-
sellschaft; auch Sie, Herr Minister, haben das Wort in den
Mund genommen . Dazu gibt es offensichtlich verschie-
dene Vorstellungen zwischen Ihrem Haus und dem Haus
von Herrn Schäuble; auch die 16 Länder wollen eigent-
lich gar nicht, dass sich irgendetwas verändert .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was will Gabriel? Was will denn der Wirtschaftsminister? Ist der Wirtschaftsminister auch dafür?)


Das finde ich ein bisschen schade, weil wir schon drin-
genden Optimierungsbedarf in diesem Bereich haben .
Eines will ich aber festhalten: Für die SPD ist ganz klar –
da haben wir eine Beschlusslage mit Haushältern, mit
Verkehrs- und Wirtschaftspolitikern –,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Sigmar Gabriel?)


dass, wenn es zu einer solchen Gesellschaft kommen
sollte, auf jeden Fall gelten muss: null Privatisierung
in diesem Bereich . Das bleibt in öffentlich-rechtlicher
Hand . – Vor allen Dingen wollen wir in hervorragender
Weise Herstellung von Transparenz, Steuerung und Kon-
trolle durch das Parlament, und das geht nur, wenn es in
öffentlicher Hand bleibt . – Dazu also eine klare Ansage .


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sigmar Gabriel?)


Im Zusammenhang mit dem Aufwuchs im Bereich Di-
gitales will ich auch erwähnen, dass mit den 4 Milliarden
Euro, die wir in der Summe in dieser Legislatur bereit-
stellen, auch die Hälfte der Erlöse aus der Versteigerung
der Frequenzen im letzten Jahr – 650 Millionen Euro
round about – an die Länder gegangen ist, damit auch die
Länder ihren Teil zu dieser Offensive, die wir gemeinsam
machen, beitragen können und sie in Ländern, die finan-
ziell nicht so viel vor der Brust haben, nicht ins Stocken
kommt .

Herr Kollege Claus, Sie haben hier angemahnt, dass
dringend in den ländlichen Raum investiert werden

Roland Claus






(A) (C)



(B) (D)


müsste . Ich weiß nicht, ob Sie da vielleicht etwas ver-
passt haben: Wir machen dieses Programm für den länd-
lichen Raum .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das haben wir von Anfang an im Koalitionsvertrag so
festgeschrieben, und das tun wir auch . „By the way“: Al-
lein in diesem Jahr sind bis zum Sommer, obwohl die
Förderrichtlinie ja erst im Herbst des letzten Jahres veröf-
fentlicht worden ist, 651 Förderbescheide ergangen . Wir
investieren also in den ländlichen Raum . Das ist doch
eine gute Botschaft .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen nun allerdings auch sicherstellen – das
tun wir mit diesem Haushalt –, dass die Kommunen, die
jetzt schon gefördert werden, um in die Planung einzu-
steigen, das Geld nachher auch wirklich kriegen, und
zwar dann, wenn die Planungen beendet sind und gebaut
werden kann . Ja, auch aus Sicht der SPD-Fraktion wäre
es wünschenswert, dass ganz viel in Glasfaser investiert
wird . Trotzdem ist es richtig, dass die Kommunen und
die Zweckverbände, die das planen, dies eigenständig tun
können . Darum wird es eben auch Kupfer und Vectoring
geben .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht zukunftsfähig! – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wirklich nicht schnell!)


Wir hätten uns nur Glasfaser gewünscht . Aber wichtig
ist, dass wir überall in den ländlichen Bereichen endlich
von der Stelle kommen, und das schaffen wir .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Haushalt gibt es aber auch noch andere
Bereiche, die manchmal angesichts der Investitionen in
Straße, Schiene und Wasserwege, die im Fokus stehen,
ein bisschen zu wenig betrachtet werden . Ein Beispiel ist
die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, in der wir ganz
bewusst auf Innovationen setzen, in der es um LNG geht,
in der es neben Investitionen für Fahrzeuge wie Lkw oder
Busse, die auf der Straße verkehren, auch um Schiffe und
um Innovationen bei der Hafeninfrastruktur geht . Das
haben wir schon im letzten Haushalt so beschlossen . In
diesem Bereich stellen wir enorme Mittel zur Verfügung .
Wir hoffen natürlich, dass diese auch abgerufen werden .

Das Gleiche gilt für das NIP; das ist das Nationale
Innovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellen-
technologie, das, wie der Name schon sagt, nach vorne
gerichtet ist . Das sind Investitionen in die Zukunft, bei
denen es auch darum geht, Anreize zu setzen, damit wir
das Know-how in diesem Bereich und unsere Marktfüh-
rerschaft weltweit an dieser Stelle weiter ausbauen und
verstärken können; denn das sind die richtigen Signale –
auch für die Fachkräfte, die wir in diesem Bereich haben .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Norbert Brackmann [CDU/CSU])


Stichwort „Fachkräfte“ . Das ist das wirklich große
Nadelöhr an dieser Stelle . Herr Minister, natürlich müs-
sen wir hier auch über die größte Bundesbehörde reden,
die wir im Bereich Verkehr haben: die Wasserstraßen-
und Schifffahrtsverwaltung mit über 12 000 Beschäftig-
ten . Das ist ein Dauerthema in dieser Großen Koalition .
Ich will noch einmal daran erinnern, dass es diesbezüg-
lich unter Herrn Ramsauer gemeinsam mit der FDP eine
ganz unselige Weichenstellung gegeben hat . Die nannte
sich Reform, war aber keine, sondern war in Wahrheit ein
gezielter Kahlschlag bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern . Wir haben die Weichen umgestellt und machen
das rückgängig . Aber leider stellen wir fest, dass das na-
türlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon
Spuren hinterlassen hat, was ihr Vertrauen anbelangt, was
ihre Bereitschaft anbelangt, positive Reformprozesse mit
uns zu gestalten. Ich finde, da muss noch mehr passieren.

Wir müssen uns vor allen Dingen um Fachkräfte wie
Ingenieure kümmern, die wir im Bereich Technik drin-
gend brauchen . Wir Haushälter haben da in den letzten
Jahren finanziell immer noch eine Schippe draufgelegt –
zu Recht –, und zwar in der Fläche und nicht bei der
GDWS in Bonn . Herr Minister, wir würden uns natür-
lich wünschen, dass Sie unsere Beschlüsse auch noch ein
bisschen – wie soll ich sagen? – zielgerichteter umset-
zen. Das Konzept zur außertariflichen Bezahlung, das der
Haushaltsausschuss bereits 2015 beschlossen hat, gibt Ih-
nen die Chance, gerade in diesem technischen Bereich im
Bereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung
konsequent Leute anzuwerben, die man besser bezahlen
muss, damit man sie überhaupt noch kriegt . Da ist nicht
so richtig viel passiert, um das zurückhaltend zu sagen .

Wir, lieber Norbert Brackmann, haben im letzten
November allein zehn Ingenieursstellen beschlossen,
um zielgerichtet – nicht nur im Hafen Rostock, sondern
auch beim Schiffshebewerk in Scharnebeck oder beim
Nord-Ostsee-Kanal – die vielen Investitionen, die wir
vorhaben, auch wirklich voranzubringen . Es nützt uns
nichts, wenn Geld bereitsteht, das nicht ausgegeben wer-
den kann, weil es nicht vorangeht . Als wir Haushälter im
März auf unsere Nachfrage schriftlich informiert wur-
den, dass das Verkehrsministerium jetzt die Wasserstra-
ßen- und Schifffahrtsverwaltung angewiesen hätte, eine
Dienstpostenbeschreibung zu erstellen, haben wir schon
Schnappatmung bekommen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir die dringend benötigten Stellen endlich ermög-
lichen und sie drei Monate später nicht nur nicht besetzt,
sondern auch nicht ausgeschrieben sind und es nicht ein-
mal eine Dienstpostenbeschreibung gibt, dann zeigt dies,
wo dringend etwas geschehen muss . Hier sind wir an Ih-
rer Seite .

Bei den Investitionen, die vorgesehen sind – als
Schleswig-Holsteinerin nenne ich hier explizit den
Nord-Ostsee-Kanal; er ist die größte Wasserstraße der
Welt und hat mehr Volumen als Suez- und Panamaka-
nal zusammen –, haben wir in dieser Legislatur zu Recht
über 850 Millionen Euro bereitgestellt, um einen riesigen
Investitionsstau für diesen über 100 Jahre alten Kanal
aufzuarbeiten . Aber die Zeitpläne, die wir uns gemein-

Bettina Hagedorn






(A) (C)



(B) (D)


sam vorgenommen haben – das sage ich ganz vorsich-
tig –, stocken . Wir müssen hier einen Zahn zulegen . Da-
rum, Herr Minister, wenn Sie hier etwas tun wollen, dann
sind wir an Ihrer Seite .

In diesem Sinne sage ich: Alles Gute! Ich freue mich
auf die Haushaltsberatungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800600

Sven-Christian Kindler ist der nächste Redner für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr Dobrindt, wir reden jetzt
zum vierten Mal über Ihren Haushalt, zum Glück den
letzten Haushalt, den Sie verantworten werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie hatten drei Jahre Zeit in der Verkehrspolitik . Es ist
nun Zeit, Bilanz zu ziehen, wie ich finde.

Ich habe mich am Anfang natürlich gefragt: Was ha-
ben Sie eigentlich mit Verkehrspolitik zu tun?


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das frage ich mich auch!)


Hatten Sie nicht, aber man kann sich ja einarbeiten . Man
kann ja auch im Amt wachsen und Leidenschaft, Interesse
entwickeln . Wir haben gewartet, gewartet und gewartet,
dass das passiert . Es ist leider nicht passiert . Die großen
Aufgaben – das hat man auch in Ihrer Rede gemerkt –,
vor denen die Verkehrspolitik steht – vernetzte Mobilität,
ländliche Räume, Kostenkontrolle bei Großprojekten,
Klimaschutz –, interessieren Sie leider nicht wirklich .
Man muss feststellen: Wenn man im Parlament fakten-
freie Bierzeltreden hält, dann ist man nicht wirklich im
Ministeramt angekommen, Herr Dobrindt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Natürlich habe ich mich auch gefragt: Woran liegt das
eigentlich? Man merkt ja auch, wo Sie wirklich Leiden-
schaft entwickeln, leider nicht als Fachminister, sondern
dann, wenn Sie sozusagen als CSU-Generalsekretär in
Warteschleife agieren . Das ist beispielsweise der Fall,
wenn Sie die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik von
rechts kritisieren, wenn Sie hier gegen die Grünen pol-
tern – ich meine etwas billig, aber so ist die CSU eben –
und wenn Sie hier Verkehrspolitik betreiben, dann hat-
ten Sie ein großes Projekt . Das war die Ausländermaut
der CSU . Ich muss feststellen: Diese Ausländermaut der
CSU ist genauso krachend gescheitert wie Sie als Ver-
kehrsminister .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihr wichtigstes Projekt, das jetzt ansteht und in den
Haushaltsberatungen mitberaten wird, ist der Bundesver-
kehrswegeplan .


(Sören Bartol [SPD]: Der kommt nächste Woche!)


Völlig richtig ist: Der alte Bundesverkehrswegeplan war
nicht gut .


(Gustav Herzog [SPD]: Oh!)


Man hätte ja aus den Fehlern lernen und wirklich etwas
anderes machen können . Sie haben behauptet, Ihr Bun-
desverkehrswegeplan hätte etwas mit Klimaschutz zu
tun . Dass ich nicht lache . Fragen Sie doch mal die Bun-
desumweltministerin, was sie dazu sagt . Sie hat ihn mas-
siv kritisiert . Sie hat gesagt, ihr Ministerium war nicht
eingebunden . Das Umweltministerium hat von Trick-
serei, von Klüngelwirtschaft geredet . Der BUND klagt
gerade bei der EU-Kommission gegen den Bundesver-
kehrswegeplan .


(Gustav Herzog [SPD]: Er beschwert sich!)


Mit Klimaschutz hat der Plan überhaupt nichts zu tun,
Herr Dobrindt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Er ist übrigens auch nicht durchfinanziert. Das liegt
zum Beispiel daran, dass Sie Baupreissteigerungen, die
so sicher kommen werden wie das Amen in der Kirche,
nicht mit einbezogen haben . Die Baupreissteigerungen
im alten Bundesverkehrswegeplan betrugen 27 Prozent .
Der Bundesrechnungshof hat Ihnen vorgeworfen, dass
Sie willkürlich Projekte schöngerechnet haben . Wir ha-
ben ein Nutzen-Kosten-Verhältnis auf Basis der Berech-
nung von 2012 . Der Plan ist im Großen und Ganzen nicht
durchfinanziert. Es bleibt eine unfinanzierbare Wünsch-
dir-was-Liste . Das ist kein guter Plan für die Verkehrspo-
litik . Wir fordern: Dieser Plan muss gestoppt werden und
im Parlament völlig neu konzipiert werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: So ein Quatsch!)


Bei einem ganz wichtigen Zukunftsthema sind Sie
auch gescheitert, Herr Dobrindt: Das ist die Elektromo-
bilität – Stichwort „Kaufprämie für Elektroautos“ . Der
Stern hat jetzt aufgedeckt: Das Umweltministerium hat
ganz früh darauf hingewiesen, dass eine solche Kauf-
prämie nur funktioniert, wenn man gleichzeitig eine
Bonus-malus-Regelung für neue Spritschlucker einführt
und die Autoindustrie verpflichtet, feste Quoten für die
Neuzulassung von Elektroautos einzuhalten . Dagegen
hat die Automobillobby erfolgreich bei Herrn Dobrindt
protestiert; der Unionskollege Herr Wissmann hat das ge-
macht, und Herr Dobrindt ist ihm gefolgt . Das Ergebnis
sehen wir jetzt: Es sind gerade mal 3 000 Anträge gestellt
worden . So wird das nie etwas mit 1 Million Elektroautos

Bettina Hagedorn






(A) (C)



(B) (D)


bis 2020 . Diese Kaufprämie ist genauso gescheitert wie
Sie als Minister, Herr Dobrindt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andreas Rimkus [SPD]: Quatsch! Wir haben erst zwei Monate hinter uns!)


Ich sage Ihnen auch: Im Kern haben Sie Elektromo-
bilität gar nicht verstanden . Es geht zwar auch um das
Auto, aber eben nicht nur . Es geht darum, dass es Elek-
tromobilität eigentlich für alle geben muss: für Busse in
den Städten, für Fahrräder, auch für Lastenräder in den
Städten . Auch im Bereich der Schiene – wir haben immer
noch viel zu viele Dieselloks – brauchen wir mehr Elek-
tromobilität . Deswegen wäre es jetzt angebracht, sich
nicht nur auf das Auto zu konzentrieren . Wir brauchen
in diesem Haushalt eine umfassende Strategie für Elek-
tromobilität .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das passiert aber nicht, weil Herr Dobrindt natürlich der
Schutzpatron der Autoindustrie ist .

Stichwort „Abgasskandal“ . Es ist kein Zufall, dass
nicht das Kraftfahrt-Bundesamt die kriminellen Machen-
schaften bei VW aufgedeckt hat, sondern dass sie in den
USA aufgedeckt wurden; denn bei uns wurde konsequent
weggeschaut .


(Gustav Herzog [SPD]: Wir plädieren ja für TTIP!)


Schon 2009 hat die EU-Kommission in einer Verord-
nung abschreckende Sanktionen gegen Abschaltmani-
pulationen gefordert . Rumänien hat zum Beispiel harte
Bußgelder vorgesehen, Deutschland nicht . Selbst nach
der Aufdeckung des Skandals hat Herr Dobrindt es nicht
für nötig befunden, Sanktionen einzuführen. Ich finde, es
ist ein großer Skandal, dass Herr Dobrindt immer noch
nichts gegen diese kriminellen Machenschaften unter-
nimmt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist auch ein Affront gegenüber allen Autofahrern, die
sich ein Auto in dem guten Glauben gekauft haben, dass
es weniger Sprit verbrauchen würde .

Apropos Affront gegenüber Autofahrern: Sie haben
heute wieder für eine Bundesautobahngesellschaft plä-
diert, mit der Sie die Bundesautobahnen privatisieren
wollen; wir alle kennen Ihre Pläne . Wir Grüne leugnen
auch gar nicht, dass es Reformbedarf zwischen Bund
und Ländern bei der Straßenbauverwaltung als Auftrags-
verwaltung gibt . Aber wir sagen: Das kann man nicht
dadurch lösen, dass man die Bundesautobahnen privati-
siert; das kann man nicht dadurch lösen, dass man einen
großen Schattenhaushalt schafft; das kann man nicht da-
durch lösen, dass man nachher die Schuldenbremse um-
geht und neue ÖPP-Projekte durchführt; das kann man
auch nicht dadurch lösen, dass es zu einer teuren Ver-
schuldung ohne Staatsgarantie kommt, wovon nachher

große Versicherungskonzerne wie die Allianz und AXA
oder die Deutsche Bank profitieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Deswegen sagen wir: Diese Privatisierung ist falsch; das
muss beendet werden .

Ich könnte jetzt noch lange weiter über die Projekte
reden, bei denen Sie ebenfalls gescheitert sind .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800700

Nein, Herr Kindler, können Sie leider nicht .


(Heiterkeit bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das weiß ich . – Ich nenne nur Stichpunkte: Klima-
schutz, öffentlicher Verkehr, Kostenexplosion beim BER,
bei Stuttgart 21, Lärmschutz an der Schiene, Versagen
bei Toll Collect, unterfinanzierter Breitbandausbau, zu
wenig beim Brückenerhalt – die Liste ist lang .

Sehen Sie, Herr Präsident, ich komme jetzt zum Ende .
Ich halte fest: Der Verkehrsminister ist mit seinem Haus-
halt gescheitert .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818800800

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege

Reinhold Sendker das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Reinhold Sendker (CDU):
Rede ID: ID1818800900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

sind tatsächlich in einer Verkehrsdebatte, nicht in einer
Umweltdebatte .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem!)


Alle wesentlichen Haushaltsdaten unterstreichen, dass
sich unser Land weiter auf einem soliden Wachstumspfad
befindet. Logistikweltmeister, bald wieder Exportwelt-
meister – das sind großartige Auszeichnungen . Sie sind
das Ergebnis der Arbeit der Menschen im Lande, aber
auch das Ergebnis hervorragender Politik der Regierung
hier in Berlin . Das möchte ich einmal deutlich feststellen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass der Verkehrssektor, die Verkehrsinfrastruktur,
eines der wichtigsten Fundamente jeglicher volkswirt-
schaftlicher Prosperität ist, muss ich hier nicht weiter
betonen . Folglich gilt es, den Verkehrssektor weiter zu-
kunftsfähig zu gestalten . Mit Blick auf diese Zielsetzung,
liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir in den letzten
Jahren ganz enorm vorangekommen: erstens durch eine

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


grundlegende Modernisierung der Verkehrspolitik, zwei-
tens durch deutlich mehr Geld für Erhalt und Ausbau der
Verkehrsanlagen und drittens – vom Minister deutlich
herausgestellt – durch den Ausbau unserer digitalen Leis-
tungsfähigkeit . Diese positiven Veränderungen sind das
Ergebnis der Arbeit unserer Koalition . Ganz besonders
steht dafür unser Minister Alexander Dobrindt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Witz!)


Die Große Koalition kann im Übrigen auf eine ganze
Latte erfolgreicher Entscheidungen verweisen . So stei-
gen die Verkehrsinvestitionen im Haushaltsjahr 2017 auf
ein neues Rekordniveau . Mit der Erweiterung der Maut-
pflicht Mitte 2018 stärken wir ausdrücklich die Nutzer-
finanzierung. Für dringende Brückensanierung und
Substanzerhaltung wurden mit einem Sonderprogramm
die Finanzmittel deutlich erhöht . Wenn zwei Drittel des
Geldes für den Erhalt eingesetzt werden, ist dies genau
das richtige Signal für den Erhalt und die Instandsetzung
unserer Verkehrsanlagen . Diese Erhaltungsmaßnahmen
sind dringend erforderlich .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Bettina Hagedorn [SPD])


Unter anderem dienen die Mittel auch der Reduzierung
der Lärmemissionen, einem Kernanliegen unserer Poli-
tik, dem ja auch die Leistungs- und Finanzierungsverein-
barung LuFV II dient .

Zu den sehr begrüßenswerten Veränderungen im Rah-
men der Haushaltswirtschaft zählt nicht nur die Her-
stellung der Überjährigkeit, um die wir lange gerungen
haben . Ein weiterer Baustein ist die Komplettbewirt-
schaftung aller Mittel des Bundesfernstraßenausbaus
durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesell-
schaft, unserer VIFG, mit dem Ergebnis, dass es deutlich
mehr Transparenz sowie Haushaltsklarheit undwahrheit
gibt . Das schon gestartete Bundesförderprogramm für
den Breitbandausbau ergänzt diese Erfolgsliste .

Dies und noch mehr steht für die positive Entwicklung
der letzten Jahre, steht für den Wendepunkt in der Inves-
titions- und Haushaltspolitik im Bereich von Verkehr und
digitaler Infrastruktur . Dafür hat es übrigens von fast al-
len Fachverbänden viel Beifall gegeben . Ja, es sind die
richtigen Aufschläge für eine zukunftsfähige Verkehrsin-
frastruktur, die unser Land tatsächlich voranbringen wer-
den . Da bin ich ganz sicher .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zu dem vorliegenden Rekordhaushalt im Bereich Ver-
kehr und digitale Infrastruktur habe ich bisher in der De-
batte von der Opposition einiges an Kritik gehört, wenn
auch nur wenig fundamentale Kritik .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören ist ein guter Tipp!)


Ich möchte Sie bitten, einmal die Bewertungen unse-
rer europäischen Nachbarn zur Kenntnis zu nehmen .
Von ihnen erfahren wir beste Kommentare, allen voran

von unseren französischen Kolleginnen und Kollegen,
die sagten: Wir wären gerne so gut aufgestellt wie Sie
in Deutschland . – Das haben wir anlässlich unseres Ob-
leuteaufenthaltes vor einem Jahr erfahren . Ich stelle fest:
Das ist hohe Anerkennung unserer Arbeit und damit auch
Anerkennung der Arbeit unseres Ministers, der diesen
Kurswechsel erfolgreich mit uns eingeleitet hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Verkehrsinfrastruktur unseres Landes befindet
sich folglich in einer fundamentalen Umbruchphase mit
der Zielsetzung eines digitalisierten, nachhaltigen und
globalisierten Verkehrssektors . Dabei ist zu beachten,
dass die Verkehre weiter wachsen werden . Dies bestä-
tigt auch die Verkehrsprognose 2030, wonach allein die
Schwerlastverkehre einen Anstieg von 40 Prozent erfah-
ren werden . Eben dafür ist ein Upgrade unserer Verkehrs-
infrastruktur erforderlich . Dies geschieht unter anderem
durch den Bundesverkehrswegeplan 2030 und durch die
Ausbaugesetze, die demnächst bei uns auf der Tagesord-
nung stehen .

Es geht hier um die Festigung der Leistungsfähigkeit
des Gesamtnetzes . Es geht um das Prinzip „Erhalt vor
Neubau“, und es geht um klare Priorisierung für unsere
zukünftigen Verkehrsinvestitionen . Deshalb, liebe Kolle-
gin Valerie Wilms, ist die hier vorgelegte Planung keine
Wünsch-dir-was-Liste zur Beglückung der Wahlkreisab-
geordneten aus der Großen Koalition,


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist es aber leider! Das ist nichts anderes!)


sondern sie ist sachlich absolut zielführend und zukunfts-
weisend . Ich stelle fest: Das ist moderne und gute Ver-
kehrspolitik .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Darüber hinaus gibt es mit dem Bundesverkehrswe-
geplan 2030 auch eine realistische Finanzierungsper-
spektive – das betone ich –, die es so noch nie gegeben
hat . Wir haben ein nationales Prioritätenkonzept zur
effektiven Mittelverteilung mit Rekordinvestitionen in
Höhe von nunmehr insgesamt 270 Milliarden Euro für
die leistungsfähigen Verkehrsnetze in Deutschland . Ich
unterstreiche: Das ist so noch nie dagewesen . Da sind
nicht Kritik und Lamento, sondern viel Beifall angesagt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist viel Luft drin!)


Wer sich überdies einmal die Bedarfsplanauflistung
baureifer Verkehrsprojekte in Deutschland ansieht, er-
kennt, dass es eklatante Unterschiede zwischen Bayern,
Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern gibt .
Er stellt aber auch fest, dass wir in Deutschland derzeit
viel weniger ein Finanzierungs- als ein Planungsproblem
haben . Darüber müssen wir in der Fachdiskussion weiter
reden .

Zum Investitionshochlauf in diesen Jahren trägt unter
anderem auch die Nutzerfinanzierung bei. Sie wird sich

Reinhold Sendker






(A) (C)



(B) (D)


erhöhen durch die Ausweitung der Lkw-Maut um jähr-
lich 2 Milliarden Euro abzüglich der Systemkosten .

Insgesamt stehen bei Haushalts- und Nutzerfinanzie-
rung schon im nächsten Jahr für Investitionen in die klas-
sischen Verkehrsträger Straße, Schiene und Bundeswas-
serwege knapp 13 Milliarden Euro zur Verfügung . Das
ist erkennbar ein neues Finanzierungshoch, will heißen –
wenn man auf das Jahr 2009 zurückblickt –: 40 Prozent
mehr für unsere Verkehrsanlagen . Das sind Finanzmit-
tel, die schwerpunktmäßig neben Erhalt und Ausbau
auch für neue Impulse benötigt werden, zum Beispiel
zur Bekämpfung des Schienenlärms und zur Schaffung
barrierefreier Bahnhöfe . Im Jahr 2018 wird die Investiti-
onslinie auf 14 Milliarden Euro ansteigen . Ich stelle fest:
Diese Entwicklung kann sich, weiß Gott, sehen lassen .

Mir ist es wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen,
an dieser Stelle Bilanz zu ziehen . Für zusätzliche Fi-
nanzmittel, die das Delta der Unterfinanzierung, das wir
immer beklagt haben, endlich schließen, haben wir als
Verkehrspolitiker lange Jahre gekämpft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schauen wir auf das, was die Große Koalition in die-
ser Legislaturperiode geleistet hat: zusätzliche Mittel in
Höhe von 5 Milliarden Euro im Koalitionsvertrag, dann
das Zukunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung,
es folgt die Erweiterung der Mautpflicht und nun weitere
Fördermittel für den Bereich der Breitbandversorgung .
Diese aktuellen und validen Haushaltsdaten sind das Er-
gebnis unseres Einsatzes, und sie sind – das stelle ich hier
fest – ein klarer und großer Erfolg unserer Koalition .

So gratuliere ich unserem Minister zur Steigerung der
Investitionen in den Breitbandausbau auf nunmehr 4 Mil-
liarden Euro für den ländlichen Raum . Für die unversorg-
ten Regionen brauchen wir in der Tat mehr Geld . Mit den
Fördermitteln soll bekanntlich das politische Ziel erreicht
werden, das Minister Alexander Dobrindt hier eben aus-
geführt hat . Das ist wichtig für die Menschen und für die
mittelständischen Betriebe in der ländlichen Region, in
der es bestimmt nicht weniger Innovation als anderswo
gibt . Daher kann ich diese Entwicklung als Abgeordneter
aus einer solchen Region nur ausdrücklich begrüßen .

Mit den Worten „The time is now“ hat ein früherer
US-Präsident seine Politik begründet . Ja, hier und jetzt
ist es Zeit, mehr Geld für die Förderung digitaler Infra-
struktur in den ländlichen Räumen bereitzustellen . Lieber
Kollege Claus, genau das tut unsere Bundesregierung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gerade zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – ich be-
tone: überall – in Deutschland, war das die absolut richti-
ge Entscheidung . Vielen herzlichen Dank, Herr Minister .

Schließlich ist es eine weitere erfreuliche Nachricht,
dass im Rahmen der Haushaltsaufstellung sämtliche par-
lamentarischen Beschlüsse zum Haushalt 2016 dauerhaft
ausfinanziert worden sind, vom automatisierten und ver-
netzten Fahren, von den innovativen Verkehrstechnolo-
gien bis hin zur Förderung der alternativen Kraftstoffin-
frastruktur .

Zum Abschluss . Liebe Kolleginnen und Kollegen, der
Verkehrshaushalt für 2017 – das muss hier klar gesagt
werden – ist schon im Entwurf ein rundum starker Auf-
schlag .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Die Unionsfraktion begrüßt ausdrücklich die sehr posi-
tiven Entwicklungen, die ich angesprochen habe . Dank
moderner Verkehrspolitik ist Deutschland bestens auf-
gestellt . So freue ich mich auf die Beratung des Einzel-
plans 12 im Fachausschuss und danke Ihnen allen für
Ihre Aufmerksamkeit .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801000

Sabine Leidig erhält nun das Wort für die Fraktion Die

Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818801100

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu-

hörerinnen und Zuhörer! Es gibt unendlich viele Mög-
lichkeiten, mit 14 Milliarden Euro oder weniger einen
Umbau des Verkehrssektors in Richtung mehr Komfort,
mehr Lebensqualität und weniger Umweltzerstörung
hinzubekommen . Leider habe ich vom Minister keinen
einzigen Vorschlag dazu gehört . Ich möchte hier drei
Vorschläge unterbreiten, wie so etwas möglich wäre; wir
alle würden dabei sogar noch Geld sparen .

Erstens . Wir brauchen zusätzliches Geld für die Bahn .
Wir müssen umsteuern, damit Bahnfahren komfortabler,
preiswerter und überall zugänglich wird . Wir müssen zu-
gleich dafür sorgen, dass die Lkw-Lawinen auf den Au-
tobahnen abschmelzen und nicht weiter anwachsen, wie
sich der Minister das vorstellt .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür gibt es eine Idee, die nicht nur von mir hier vor-
getragen wird – sie wurde vom Verband Deutscher Ver-
kehrsunternehmen in die Diskussion eingebracht –: Wir
verdoppeln die Einnahmen durch die Lkw-Maut, indem
wir sie auf alle Straßen ausweiten, und lasten die Kosten,
die durch den Lkw-Verkehr verursacht werden, vor allen
Dingen im Bereich des Gesundheitswesens, denen an,
die sie verursachen. Ich finde, das ist eine hervorragen-
de Idee . Im Gegenzug – das ist das Charmante an dieser
Idee – werden die Trassenpreise – das ist quasi die Maut
für die Schienenwege – halbiert . Das würde bedeuten,
dass die Länder viel mehr Schienennahverkehr bestellen
könnten, weil die Preise für die bestellten Züge sinken
würden . Das würde bedeuten, dass die Fahrpreise für die
Reisenden sinken würden . Damit hätten wir zwei Fliegen
mit einer Klappe geschlagen .


(Gustav Herzog [SPD]: Aber Ihnen ist bekannt, dass es gegen EU-Recht verstößt, die Maut zu verdoppeln?)


Reinhold Sendker






(A) (C)



(B) (D)


– Nein, das verstößt nicht gegen EU-Recht, weil die EU
explizit zulässt, dass deutlich mehr externe Kosten dem
Lkw-Verkehr angelastet werden, als das bisher gemacht
wird .


(Gustav Herzog [SPD]: Wir sind schon an der Obergrenze!)


Die EU hat außerdem überhaupt nichts dagegen, dass wir
alle Straßen bemauten


(Gustav Herzog [SPD]: Aber keine Verdopplung! Das ist ein Wolkenkuckucksheim, was Sie erzählen!)


und auch kleinere Lkws einbeziehen, sodass insgesamt
mehr Lkws bemautet werden .

Zweitens . Es gibt schon lange die Forderung der Um-
weltverbände, der wir uns anschließen, die unsinnige
Subvention von Dieseltreibstoff zu beenden . 18 Cent
pro Liter zahlen diejenigen, die Diesel tanken, weniger
als die Leute, die normalen Treibstoff tanken . Diese Dif-
ferenz summiert sich auf eine gigantische Summe von
7 Milliarden Euro jedes Jahr, die uns als Einnahme feh-
len . Das sind Einnahmen, auf die wir verzichten, die wir
aber gut gebrauchen könnten, um andere Dinge damit zu
tun . Stellen Sie sich einmal vor, was man damit machen
könnte: Mit 7 Milliarden Euro könnte man beispielswei-
se jede Menge Fahrradwege bauen, die in den Kommu-
nen dringend gebraucht werden . Mit 7 Milliarden Euro
könnte der öffentliche Nahverkehr deutlich stärker aus-
gebaut werden, als wir das bisher tun .

Es gibt noch eine naheliegende Idee: Die FAZ hat
kürzlich getitelt: „Bahn lässt Alte stehen“ . Sie hat erläu-
tert, dass der Seniorenverband in einer breiten Befragung
herausgefunden hat, dass viele alte Leute die Bahn nicht
benutzen, zum Beispiel weil die Bahnsteige zu steil, also
nicht barrierefrei sind und weil kein Personal an den
Bahnhöfen ist . Stellen Sie sich einmal vor, Sie subventi-
onieren den Diesel nicht mehr und nutzen nur eine halbe
Milliarde von diesen 7 Milliarden Euro für die Einstel-
lung von Servicepersonal bei der Bahn . Sie könnten mit
einer halben Milliarde Euro 10 000 gut bezahlte Arbeits-
plätze schaffen und dafür sorgen, dass es an den Bahnhö-
fen wieder Servicepersonal gibt . Die alten Leute würden
die Bahn dann lieber nutzen und die jungen Leute auch .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist eine Idee, wie man wirklich weiterkommt .

Drittens . Die Bahnhöfe brauchen nicht nur einen
besseren Service, sondern müssen in vielen Fällen auch
renoviert werden . Ein Viertel der 5 400 Bahnhöfe in
Deutschland ist nicht zugänglich für Leute, die einen
Rollator oder Rollstuhl benutzen müssen oder einen Kin-
derwagen mit sich führen . Anstatt Milliarden in Stuttgart
zu versenken – noch mehr Milliarden –, könnten Sie un-
zählige Bahnhöfe im Land fit machen.

Wir erwarten in diesen Tagen den Bericht des Bundes-
rechnungshofs zu Stuttgart 21, der jetzt endlich vorgelegt
wird . Sie alle wissen im Grunde, was drinsteht, nämlich
dass dieses unsinnige Projekt nicht 6,5 Milliarden Euro
kosten wird – diese Summe liegt deutlich über den ge-

planten Kosten, und schon damit ist das Projekt unwirt-
schaftlich –, sondern 10 Milliarden Euro . Es gibt ein
hervorragendes Umstiegskonzept, das in Stuttgart erar-
beitet worden ist . Ich bitte Sie alle, sich das zu Gemüte zu
führen . Das ist eine Idee, wie man mit den vorhandenen
Baustellen etwas Sinnvolles machen kann . Dabei würde
man 5 Milliarden Euro übrig behalten . Mit 5 Milliarden
Euro könnten Sie unzählige Bahnhöfe fit machen, damit
alle im Land etwas davon haben . Das ist ein hervorra-
gender Ansatz, um die Mobilität bürgernah zu verbes-
sern und zugleich die Umwelt zu schonen . Mit solchen
Vorschlägen kommt man der volkswirtschaftlichen Sinn-
haftigkeit und der ökologischen Vernunft wirklich näher,
aber nicht mit einem Investitionshochlauf, der uns nur in
noch mehr Beton führt .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Sören Bartol für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1818801300

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beginnen
heute mit den Beratungen des Verkehrshaushaltes . Am
Ende werden wir im Bundestag entscheiden, wie viel
Geld wir in die Verkehrswege investieren . Wir werden
festlegen, mit wie vielen Mitteln wir den Breitbandaus-
bau fördern wollen . Wir werden auch darüber beraten,
wie wir neue Technologien in der Mobilität fördern oder
wie viel wir für die Verkehrssicherheit ausgeben wollen .
Wir werden festlegen, ob die Länder und Kommunen
mehr oder weniger Geld bekommen, um Busse und Bah-
nen zu bestellen . Das bedeutet: Wir entscheiden, wie sich
Mobilität in unserem Land entwickeln wird .

Schon in der heutigen Debatte wird, glaube ich, allen
klar werden, wer hier im Parlament für was steht . Die
Grünen – das ist normal – regen sich natürlich, wie im-
mer, auf .


(Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt aber auch viel Anlass! Jede Menge Anlass!)


Sie schaffen es sogar, den besten Bundesverkehrswege-
plan aller Zeiten schlechtzureden .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist leider auch schlecht!)


Sie versuchen es zumindest; sie schaffen es natürlich
nicht .


(Gustav Herzog [SPD]: Sören Bartol, sehr richtig formuliert!)


Die Linken erklären uns in drei Punkten Ideen, die, schon
wenn man den ersten Satz hört, vollkommen unrealistisch
sind und bei denen am Ende wieder herauskommt: Wir

Sabine Leidig






(A) (C)



(B) (D)


brauchen eigentlich eine Behördenbahn, und der Staat
kann alles besser . – Am Ende werden wir auch unseren
lieben Koalitionspartner überzeugen müssen, dass natür-
lich nicht alles so bleiben kann, wie es ist . Wir Sozialde-
mokraten kämpfen dafür, dass Mobilität bezahlbar bleibt
und im digitalen Zeitalter effizienter organisiert wird.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die SPD weiß alles besser! Glück auf!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokra-
tinnen und Sozialdemokraten wollen bezahlbare Mobili-
tät für alle . Ob jemand den Bus, den Zug oder das Auto
benutzt, ist immer auch von der Höhe des persönlichen
Einkommens abhängig . Wer in seinem Job wenig ver-
dient, kann sich häufig eben kein eigenes Auto leisten
und ist damit von Bus und Bahn abhängig .


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Genau!)


Häufig ist selbst das Monatsticket zu teuer.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Genau!)


Der ÖPNV und der Schienenpersonennahverkehr sind in
hohem Maße von der Finanzierung durch den Steuerzah-
ler abhängig .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, macht doch da mal was!)


Wir haben hier eine besondere Verantwortung, dafür
zu sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihre
Mobilität leisten können .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Macht doch mal was beim BVWP!)


Das gilt für den Pendler, der morgens zur Arbeit fährt,
das gilt für die Rentnerin, die mittags zum Einkaufen in
die nahe Kleinstadt fährt, das gilt für den Jugendlichen,
der nachmittags zum Fußballtraining will, und das gilt
natürlich auch für das junge Paar, das abends mit Freun-
den in die Kneipe will .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum habt ihr denn nicht vielleicht auch mal einen BVWP über 2019 hinaus?)


Daher war es richtig, dass wir die Mittel für den Schie-
nenpersonennahverkehr, die sogenannten Regionalisie-
rungsmittel, auf 8,2 Milliarden Euro erhöht haben .


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war der Druck der Länder!)


Das sorgt dafür, Kollege Kindler, dass mehr Züge fahren .
Das verhindert, dass die Ticketpreise am Ende explodie-
ren .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank an die rot-grünen Länder!)


Das verbessert den Service und die Zuverlässigkeit .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Trassenpreise werden steigen! Das ist das Problem!)


Jetzt erwarte ich, dass wir auch das, was noch fehlt, end-
lich beschließen, um Rechtssicherheit zu schaffen .

Zur Bezahlbarkeit der Mobilität gehört aber auch, dass
wir den Menschen ihr Auto nicht verbieten oder weg-
nehmen . Besonders Bürgerinnen und Bürger in struk-
turschwachen Regionen sind einfach immer noch auf
ihr Auto angewiesen, um zur Arbeit zu kommen . Dabei
pendeln sie nun einmal häufig in die Städte hinein. Daher
sollten wir mit Fahrverboten und dem Aussperren von
Autos sehr, sehr vorsichtig sein .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das stimmt! – Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, da, wo einige Mit-
glieder der Grünen beim Schutz der Umwelt über das
Ziel hinausschießen, spielen einige Kollegen von unse-
rem Koalitionspartner oft das Spiel von Vogel Strauß;
sie ignorieren die Folgen des Verkehrs für Mensch und
Umwelt .


(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Was? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was? Das habe ich jetzt nicht verstanden!)


Die negativen Auswirkungen unserer Mobilität auf
das Klima sind einfach nicht zu leugnen . Ich erinnere
gern noch einmal daran: Es war die Bundeskanzlerin, die
in Paris ein internationales Klimaschutzabkommen un-
terschrieben hat . Damit hat sie auch zugestimmt, dass wir
unsere Mobilität bis 2050 anders organisieren müssen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der Klimaschutzplan ging gerade baden!)


Das Ziel ist, bis 2050 kein Gramm Kohlendioxid im Ver-
kehrsbereich mehr zu produzieren .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Klimaschutzplan ging auch im Verkehrsbereich gerade baden!)


Ich sage ganz ernsthaft, Kollege Kindler: Das wird
nicht einfach . Aber an der Losung „Weg vom Öl“ führt
kein Weg vorbei . Dabei kann man, wie die Grünen, unre-
alistische Ziele ausgeben


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche unrealistischen Ziele denn? – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann aber auch gar keine Ziele haben! Das ist das Schlimme!)


und davon träumen, dass bereits in 14 Jahren kein einzi-
ges Auto mit konventionellem Antrieb mehr zugelassen
wird . Das wird dann aber dazu führen, dass sich nur noch

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


Reiche teure Autos aus der Wüste von Nevada leisten
können .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, so ein Quatsch!)


Ich bin der festen Überzeugung: Wir brauchen einen
neuen Mobilitätskonsens 2030, ein Bündnis von Verbrau-
chern, Mobilitätsanbietern, Industrie, Umweltvertretern
und Politik, das gemeinsam einen realistischen und ver-
bindlichen Fahrplan für die Verkehrswende vereinbart .
Das funktioniert nicht, wenn die Politik voranprescht und
am Ende für den Verbraucher die Kosten explodieren und
die Industrie auch einfach nicht liefern kann .

Der Entwurf für den Haushalt 2017 zeigt, dass wir
uns an dieser Stelle bereits auf den Weg gemacht haben .
Wir setzen auf Elektromobilität . Wir unterstützen die
Markteinführung von Elektrofahrzeugen auf der Straße
gemeinsam in einem Bündnis mit der Industrie mit insge-
samt 1,6 Milliarden Euro . Dazu gehört der Ausbau eines
Tankstellennetzes von Ladesäulen . Dazu gehört natürlich
auch die Umweltprämie als Unterstützung für den Kauf
eines Elektroautos . Dazu gehört aber auch die Unterstüt-
zung der Forschung in diesem Bereich . Da, wo andere
mit Verboten und mit Steuererhöhungen den Mobilitäts-
wandel erzwingen wollen, setzen wir gezielt Anreize und
investieren in die Zukunft der Mobilität in Deutschland .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Schiene
funktioniert die Elektromobilität schon seit Jahrzehnten .
Die Eisenbahn ist der umweltfreundlichste Verkehrsträ-
ger, den wir haben . Wir werden die bezahlbare und um-
weltfreundliche Mobilität der Zukunft nur organisieren
können, wenn wir massiv in die Schiene investieren .


(Beifall bei der SPD – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tun Sie es nicht? – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach mal machen!)


Ohne eine starke Schiene werden wir den Weg weg
vom Öl bis 2050 zu bezahlbaren Preisen nicht schaffen .
Guter Service bei attraktiven Preisen, Pünktlichkeit und
Zuverlässigkeit müssen dabei das Markenzeichen der Ei-
senbahn in Deutschland sein .

Unsere Aufgabe ist es, die notwendige Schieneninfra-
struktur zur Verfügung zu stellen . Wir investieren daher
bis 2019 die Rekordsumme von rund 28 Milliarden Euro
in den Erhalt der bestehenden Schieneninfrastruktur .


(Gustav Herzog [SPD]: Eine Menge Geld! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Brücken verrotten trotzdem!)


Gleichzeitig werden wir in den weiteren Ausbau des
Schienennetzes investieren .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu brauchen wir
auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger . Daher
müssen wir mehr Bürgerbeteiligung wagen und zusätz-
lich in den Lärmschutz investieren .


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach mal machen!)


Unser Ziel ist die weitere Erhöhung der Mittel für den
freiwilligen Lärmschutz an bestehenden Strecken .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Außerdem brauchen wir das absolute Durchfahrtsverbot
für laute Güterwagen ab 2020 . Hier brauchen wir einfach
ein intelligentes Regelwerk, dem auch am Ende die Eu-
ropäische Union zustimmen kann, wobei eines klar ist:
Eine reine Blockade durch die EU-Kommission werden
wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht akzeptieren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mobilität kann nur funktionieren, wenn die dafür not-
wendige Infrastruktur vorhanden ist . Wir bauen deswe-
gen nicht einfach den Verkehrsströmen hinterher . Wir
setzen jetzt kluge Prioritäten und investieren dort, wo
Pendlerinnen und Pendler und auch Waren tagtäglich im
Stau stehen .

Wenn wir die Chancen der vernetzten Mobilität nut-
zen, können wir unsere Verkehre auch besser, effizienter
und sicherer organisieren . Daher setzen wir auch auf die
Digitalisierung der Mobilität . Wir fördern die intelligen-
te, die vernetzte Mobilität von morgen . Im Haushaltsent-
wurf sind 20 Millionen Euro für die Umsetzung der Stra-
tegie „Automatisiertes Fahren“ vorgesehen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir helfen dabei, die
neuen Technologien im Alltag zu testen . Das hilft, um
neue Erfahrungen zu sammeln, um Vorbehalte abzubau-
en . Dabei rate ich aber uns allen auch dazu, die Debatte
einfach sehr vorsichtig zu führen . Schnell sind wir an
dieser Stelle bei ethischen Fragen, die wir nicht einfach
so im Vorbeigehen beantworten sollten .

Der Schritt in die digitale Zukunft unserer Mobilität
wird nur gelingen, wenn wir nicht im Datenstau auf der
Datenautobahn stecken bleiben . Daher investieren wir –
die Zahl ist schon genannt worden – insgesamt massiv
in den Breitbandausbau . Bis 2020 werden wir insgesamt
4 Milliarden Euro in den flächendeckenden Ausbau in-
vestieren, besonders in den unterversorgten Gebieten,
in den ländlichen Regionen . Das sind mit diesem Haus-
haltsentwurf 1,3 Milliarden Euro mehr als bisher einge-
plant .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer über die Zu-
kunft der Mobilität redet, der redet darüber, wie wir ei-
nen wichtigen Teil unseres Alltags organisieren wollen .
Mobilität ist ein wichtiges Stück Lebensqualität . Dabei
wollen wir mit den Geldern, die uns der Steuerzahler und
die Steuerzahlerin zur Verfügung gestellt haben, dafür
sorgen, dass Mobilität bezahlbar bleibt, ihre Folgen für
Mensch und Umwelt gering sind und wir den Sprung in
die digitale Mobilität des 21 . Jahrhunderts schaffen .

Der vorliegende Entwurf des Bundeshaushalts 2017
setzt dafür bereits die richtigen Schwerpunkte .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


Wir investieren damit in die bezahlbare und klimaneu-
trale Mobilität im digitalen Zeitalter . Jetzt schauen wir –
das ist ja das Gute an Haushaltsberatungen – gemeinsam,

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


an welcher Stelle wir noch zu positiven Veränderungen
kommen können .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müsste man an vielen Stellen machen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Stephan

Kühn nun das Wort .

Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen! Lieber Sören Bartol, wenn man im
Klimaschutzaktionsplan 2050 die konkreten Ziele zur
Treibhausgasminimierung über Bord wirft,


(Sören Bartol [SPD]: Das tun wir nicht!)


dokumentiert man nur eindrucksvoll, dass die Verkehrs-
politik ein klimapolitisch blinder Fleck dieser Regierung
ist . Nichts anderes dokumentiert man damit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Haushalt sieht es nicht anders aus . Wir bräuchten
eine Innovations- und vor allen Dingen Investitionsoffen-
sive für klimaverträgliche Mobilität . Die Elektromobili-
tät müsste verkehrsträgerübergreifend gefördert werden .
Schaut man sich den Haushalt an, dann sieht man: Es
geht nur um das Auto . Sie wollen 2017 knapp 200 Mil-
lionen Euro in die Kaufprämie für Elektroautos inves-
tieren, haben für CO2-arme Nutzfahrzeuge aber gerade
einmal läppische 10 Millionen Euro übrig . Das ist nicht
mehr als ein Feigenblatt .

Stattdessen müssten wir Kommunen unterstützen, die
im innerstädtischen Logistikbereich auf Elektro-Lkws
umstellen und ihre Flotten umrüsten . Wir brauchen ein
Marktanreizprogramm für Elektrobusse, und wir brau-
chen ein Elektrifizierungsprogramm für die Schiene, da-
mit wir die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene und vor
allen Dingen das Angebot der Bahn in der Fläche verbes-
sern können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch beim Nahverkehr tickt die Uhr weiter . Wir brau-
chen in den nächsten Jahren umfangreiche Investitionen
in Fahrzeuge und Infrastruktur . Das GVFG-Bundespro-
gramm läuft 2019 aus . Vor etwa einem Jahr wurde be-
schlossen, es zu verlängern . Doch diese Regierung hat es
auch nach einem Jahr nicht geschafft, den dafür notwen-
digen gesetzgeberischen Prozess auf den Weg zu bringen .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Traurig!)


Leidtragende dieser Politik des Aussitzens sind einmal
mehr die Fahrgäste, die auf attraktive Angebote warten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grünen wollen ein „Zukunftsprogramm Nahver-
kehr“ mit jährlich 1 Milliarde Euro auflegen. Wir wollen
die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur deutlich
aufstocken, um neu und auszubauen und dem vorhande-
nen Sanierungsstau zu begegnen .

Für uns ist auch das Thema Barrierefreiheit wichtig .
Hier müsste viel mehr als in der Vergangenheit investiert
werden, wenn Mobilität für alle verfügbar sein soll .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Roland Claus [DIE LINKE])


Herr Minister Dobrindt, Sie haben die Digitalisierung
und Automatisierung angesprochen . Bei Ihnen steht bis-
her aber nur das autonom fahrende Auto im Fokus . Es
gibt ein Testfeld Straße . Nach Anwendungsforschung
für die Schiene und den öffentlichen Verkehr im Bereich
„automatisiertes und vernetztes Fahren“ werden Sie in
diesem Haushalt vergeblich suchen .


(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Leider!)


Ich habe im Haushalt 8 Millionen Euro für ein Projekt
gefunden, das nie kommen wird, nämlich die Ausländer-
maut für Pkws .


(Heiterkeit der Abg . Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es wäre viel klüger, wenn wir diese 8 Millionen Euro
nehmen und ein Leuchtturmprojekt – am besten mehrere
Leuchtturmprojekte – für das automatisierte und vernetz-
te Fahren bei Bahn und Bus schaffen würden . Das wäre
in die Zukunft investiert .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801500

Nun hat Thomas Jarzombek für die CDU/CSU-Frak-

tion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Andreas Rimkus [SPD])



Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1818801600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube,

heute ist ein guter Zeitpunkt, auch einmal auf die letzte
Legislaturperiode zurückzublicken . Wir haben damals
als Verkehrspolitiker Jahr für Jahr hier gestanden und um
unsere Investitionslinie gekämpft . Unser Ziel war es da-
mals immer: Wir wollen die Investitionslinie von 10 Mil-
liarden Euro halten . Das war ein schwieriger Kampf, und
wir waren am Ende der Legislaturperiode wirklich froh
und glücklich und zufrieden mit unserer Arbeit, weil wir
es geschafft hatten .

In dieser Legislaturperiode – auch heute, in dieser
Haushaltsberatung – reden wir über ein ganz anderes Fi-
nanzierungsniveau . Nicht mehr 10 Milliarden Euro sind
die Ziellatte, sondern wir reden jetzt über 16 Milliarden
Euro . Das ist ein unglaublich großer Erfolg für den Ver-

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


kehrsminister, diese Koalition, den Finanzminister und
insbesondere alle Verkehrsteilnehmer in Deutschland .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da das Thema Maut hier schon einmal angesprochen
worden ist: Dazu gehört auch, dass die Lkw-Maut, fast
unbemerkt von der Öffentlichkeit, sehr effizient und er-
folgreich neu aufgestellt worden ist . 1 000 weitere Kilo-
meter an Bundesfernstraßen werden jetzt bemautet . Die
Vorbereitungen laufen, die Maut auch auf allen Fernstra-
ßen zu erheben und damit ein weiteres Einnahmepoten-
zial von bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr zu erschlie-
ßen . Wenn ich mich zurückerinnere, wie schwierig der
Beginn mit Toll Collect gewesen ist, dann kann ich auch
hier der Bundesregierung und dem Minister, die es ge-
räuschlos und effizient geschafft haben, die Lkw-Maut,
diese wichtige Einnahmequelle, so auszubauen, nur ein
Kompliment machen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, damit sind jetzt Dinge
möglich, die in der Vergangenheit nahezu unmöglich er-
schienen . Der Kollege Wittke und ich sind als überzeug-
te Radfahrer, auch wenn das in Berlin eine gefährliche
Sache ist, begeistert, dass jetzt zum ersten Mal auch die
Radwege mit gefördert werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dabei haben wir fast Gero Storjohann vergessen . – Sie
sehen, es gibt viele aktive Alltagsradler in unserer Frak-
tion . Insofern sind die Ziele der neuen Mobilität in der
Tat erfüllt .

Was wir insbesondere in dieser Legislaturperiode ge-
schafft haben, ist, dass wir das Thema der digitalen In-
frastruktur nach vorne gebracht haben . Erinnern Sie sich
zurück: In der letzten Legislaturperiode war das Thema
Breitbandausbau Aufgabe des Wirtschaftsministeriums .
Ich könnte jetzt irgendjemanden fragen, ob er sich daran
erinnern kann, was da an Erfolgen erzielt worden ist . Da
wird ihm nicht besonders viel einfallen .

Ich glaube, dass es gut ist – die Entscheidung war die
richtige –, zu sagen: Da, wo Straßen, Wasserwege und
Schienenwege geplant werden, können auch gut digitale
Verkehrswege geplant werden . Diese Änderung hat sich
bewährt, als das Verkehrsministerium begonnen hat, mit
seiner Kompetenz im Tiefbau und in der Planung von
Infrastrukturen hier einen ganz neuen Ansatz zu fahren .

Der Minister hat es schon gesagt: Wir haben mit
2,7 Milliarden Euro begonnen . Das war das erste För-
derprogramm des Bundes überhaupt, das es bisher für
den Breitbandausbau gegeben hat . Wir haben dieses
Programm inzwischen auf 4 Milliarden Euro erhöht . Ich
darf heute sagen: Ich persönlich halte es für eine wichti-
ge Aufgabe, das auch in der Zukunft fortzuführen . Die
Förderung des Breitbandausbaus, insbesondere in den
ländlichen Regionen, in denen der Markt das eigenwirt-
schaftlich nicht leisten kann, muss und wird auch in der
Zukunft eine Aufgabe bleiben; denn die 50 Megabit, die
heute das Ziel sind, werden in fünf oder zehn Jahren nicht

mehr der geeignete technische Maßstab sein . Deshalb
müssen wir dieses Programm auch in die Zukunft führen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben zusätzlich ein Programm für Gewerbege-
biete aufgelegt . Im Koalitionsvertrag und in der Debat-
te war immer die Rede davon, dass alle „Haushalte“ in
Deutschland einen Zugang zum Netz brauchen: ein klei-
ner, aber feiner Unterschied, insbesondere in den Förder-
richtlinien . Die 300 Millionen Euro für die Anbindung
von Gewerbegebieten sind ebenfalls die richtige Maß-
nahme .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im ländlichen Raum!)


– Nicht nur im ländlichen Raum .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch dort! Gerade dort!)


Sie werden lachen, Frau Kollegin . Es gibt mitten in Düs-
seldorf, im Hafen, Gebiete, die unerschlossen sind . Da
brauchen Sie gar nicht so sehr in den ländlichen Raum zu
gucken. Die Erschließung muss überall dort stattfinden,
wo es einen Bedarf gibt .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im ländlichen Raum gibt es den Bedarf!)


Da wir schon beim Düsseldorfer Hafen sind, kann ich
auch etwas anderes ansprechen: Was mich sorgt, ist die
Frage, wie diese Mittel verteilt werden und wo sie dann
verwendet werden . Ich glaube, es ist ein großer Erfolg
für die Regierung – ich lese einmal die Zahlen vor –,
dass wir im Rahmen dieses Programms schon am heu-
tigen Tag 717 Anträge genehmigt haben . Förderzusagen
und Bescheide in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro sind
herausgegangen, und 120 000 Kilometer neue Glasfasern
werden verbaut . Aber, meine Damen und Herren, die
Verteilung ist asymmetrisch . Das kennen wir schon aus
dem Verkehrsbereich: Immer dann, wenn es ein Investi-
tionsprogramm gab – ich erinnere an das Konjunkturpro-
gramm II –, gab es Bundesländer, die fertige Planungen
vorliegen hatten und einen sehr großen Anteil an den
Mitteln bekommen haben . Andere Bundesländer haben
es schlicht und ergreifend verpennt, zu planen, und stan-
den ziemlich blank da .

Als Rheinländer tut es mir im Herzen weh, zu sagen:
Nordrhein-Westfalen gehörte in den letzten Jahren leider
immer zu den Schlafmützen .


(Sören Bartol [SPD]: Das war die schlimme Phase von Rüttgers! – Gustav Herzog [SPD]: Ja, ja, das sind die Folgen von Rüttgers!)


– Kollege, Sie können ja dem Kollegen Wittke eine Zwi-
schenfrage stellen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Wittke redet gar nicht mehr!)


Thomas Jarzombek






(A) (C)



(B) (D)


Das war der einzige Verkehrsminister in NRW, der in die-
sem Bereich neue Stellen geschaffen und ein paar Leute
mit der Planung beauftragt hat .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Manche träumen ja davon, er würde es wieder tun . Ich
glaube, die Wähler in Nordrhein-Westfalen sind schlau
genug, zu wissen, wie Verkehrspolitik vernünftig läuft .


(Sören Bartol [SPD]: In Düsseldorf waren die Wähler sehr schlau! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist hier kein Landtagswahlkampf!)


Jetzt wiederholt sich das gleiche Drama beim Breit-
bandausbau . Ich lese Ihnen einmal die Zahlen vor: Von
den insgesamt 717 Bescheiden sind gerade einmal 7 – 7
von 717 – nach Nordrhein-Westfalen gegangen . Das liegt
nicht daran, dass hier irgendjemand unfair geurteilt hat,
sondern daran, dass gar nicht mehr beantragt wurde .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gab zwar noch ein paar mehr Anträge, aber im We-
sentlichen ist das Problem ein Antragsproblem .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ging nach Mecklenburg-Vorpommern!)


– Richtig, nach Mecklenburg-Vorpommern . 457 Millio-
nen Euro gingen in der letzten Legislaturperiode nach
Mecklenburg-Vorpommern .


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, vor der Wahl! Als Wahlgeschenk!)


Ich habe die Frage gestellt: Wie kommt das eigentlich?
Die Antwort ist relativ verblüffend: Mecklenburg-Vor-
pommern, ein Land mit 1,6 Millionen Einwohnern, be-
schäftigt 15 Leute in Vollzeit, die die Kommunen dabei
beraten, solche Förderanträge zu stellen . 15 Vollzeitstel-
len bei 1,6 Millionen Einwohnern! Nordrhein-Westfalen
hat 18 Millionen Einwohner . Das ist das Elffache . Ra-
ten Sie einmal, wie viele Stellen es dafür in der ganzen
Staatskanzlei gibt .


(Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Zehnmal so viel?)


– Drei! Drei Stellen in Nordrhein-Westfalen mit 18 Mil-
lionen Einwohnern versus 15 Stellen bei 1,6 Millionen
Einwohnern .


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Ich glaube nicht an Zufälle . Ich glaube auch nicht da-
ran, dass irgendeiner bei den Kommunen nicht schlau
genug ist. Wir haben fleißige Landräte und Oberbürger-
meister .


(Sören Bartol [SPD]: Unseriös! – Gustav Herzog [SPD]: Billig! – Sören Bartol [SPD]: Billig!)


– Nein . Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Landes-
regierung, der das schlicht und ergreifend scheißegal ist .

Entschuldigen Sie meinen unparlamentarischen Aus-
druck .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das reiht sich leider in eine unendliche Reihe von Ver-
säumnissen in Nordrhein-Westfalen ein .

Wir sind ja in den Haushaltsberatungen . Wir haben
jetzt im Bund den vierten Haushalt in Folge ohne neue
Schulden .


(Sören Bartol [SPD]: Ich würde mich für den NRW-Landtag aufstellen lassen!)


Und mit den gleichen Steuereinnahmen und den gleichen
niedrigen Zinsen hat Nordrhein-Westfalen die höchsten
Schulden aller Zeiten .


(Zuruf von der LINKEN: Sind wir im Landtag?)


Das ist doch kein Zufall . Die Menschen in diesem Lande
wissen, dass sie im Mai nächsten Jahres die Möglichkeit
haben, für eine bessere Politik zu stimmen, meine Damen
und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hier ist keine Landtagswahldebatte!)


– Nein . – Ich war früher Landtagsabgeordneter . Das war
auch eine wirklich gute Zeit .


(Gustav Herzog [SPD]: Das war eine Bewerbungsrede für den Landtag! – Sören Bartol [SPD]: Das ist wirklich eine seriöse fachpolitische Rede! – Andreas Rimkus [SPD]: Back to the Roots, lieber Thomas Jarzombek!)


Ich glaube, diese guten Zeiten, die wir nach 2005 mit
Jürgen Rüttgers schon einmal hatten, werden auch wie-
derkommen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Ich sage nur: „Kinder statt Inder“!)


– Ich merke, es gibt auch keine Sachargumente mehr bei
den Zwischenrufern . Das bestätigt mich in meinem Ur-
teil .


(Sören Bartol [SPD]: Rüttgers: Das war eine große Phase!)


Meine Damen und Herren, ich möchte die letzten zehn
Sekunden dafür nutzen, zu sagen: Ich freue mich, dass
wir mit diesem Haushalt viel für den Verkehr und für
die Infrastruktur in diesem Land erreicht haben . Ich bin
froh und stolz, daran mitarbeiten zu dürfen, und ich freue
mich darauf, das alles im nächsten Jahr fortzusetzen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801700

Das Wort hat nun der Kollege Matthias Gastel für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Thomas Jarzombek






(A) (C)



(B) (D)



Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818801800

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Dieser Haushaltsplanentwurf für das
Jahr 2017 liefert vielfach den Beleg, dass Versprechen
wie „Klimaschutz“, „mehr Güter auf die Schiene“, „Stär-
kung des Radverkehrs“ und viele andere leider nichts an-
deres sind als Lippenbekenntnisse oder Sonntagsreden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das zeigt sich auch mit Blick auf Ihre Bahnpolitik . Im
kombinierten Verkehr wird gekürzt . Die Investitionen in
das Bestandsnetz sind viel zu niedrig, um die Substanz zu
erhalten . Vor allem die Brücken verrotten schneller, als
sie saniert werden, und die Mittelverwendung ist über-
wiegend ziellos . Ich zitiere aus einem ganz aktuellen Be-
richt des Bundesrechnungshofes:

Außerdem fehlen Anreize, die Bundesmittel
wirtschaftlich einzusetzen . Des Weiteren gibt es
Schwachstellen bei der Finanzierung der Instand-
haltung und des Ersatzes der Bahnanlagen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es leider!)


Herr Minister, ich glaube, in Ihrem Herkunftsland
nennt man so etwas „Watschen“ . Und es sind gewalti-
ge Watschen, die Sie mit dem Bericht vom Bundesrech-
nungshof bekommen haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber der Blick in den Bundesverkehrswegeplan zeigt:
Er ist nicht viel besser . Es fehlt das Netz, um Güterzü-
ge in der Normallänge von 740 Meter fahren lassen zu
können, damit der Schienengüterverkehr gegenüber dem
Lkw-Verkehr wirtschaftlich abgewickelt werden kann .
Es fehlt das Thema Deutschland-Takt, damit die Fahr-
gäste besser umsteigen können und verlässliche Verbin-
dungen bekommen .


(Sören Bartol [SPD]: Deutschland-Takt ist drin im BVWP!)


Insgesamt ist es so, dass viele Straßen – selbst die
pop ligsten Umgehungsstraßen – darin enthalten sind,
aber zentrale Schienenprojekte wie die Gäubahn Stutt-
gart–Zürich komplett fehlen . Dazu sagen Sie, das sei al-
les nicht so wichtig .


(Sören Bartol [SPD]: Das ist doch nicht richtig!)


Das belegt aber auch der Blick auf den Fahrradver-
kehr . Von Fahrradpolitik kann man eigentlich nicht spre-
chen; die gibt es bei Ihnen überhaupt nicht . Da stehen
Sie komplett auf der Bremse, Herr Minister . Im Bundes-
verkehrswegeplan ist nicht ein einziger Radschnellweg
enthalten oder berücksichtigt worden, obwohl solche
Radwege durchaus geeignet sein können, Bundesstraßen
zu entlasten und deren Ausbau vielleicht überflüssig zu
machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Mittel für die Radwege entlang von Bundesfern-
straßen stagnieren auf niedrigstem Niveau . Sie haben
eine teure Kaufprämie für Elektroautos ausgereicht . Wie

wäre es mit etwas Vergleichbarem im Bereich der Las-
tenräder? Familien würden sich freuen, und der Bereich
Citylogistik würde klimaverträglich vorankommen . Aber
davon wollen Sie nichts wissen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben so viel Geld wie noch nie zuvor zur Verfü-
gung . Trotzdem verfallen Bahnbrücken schneller, als Sie
sanieren .


(Gustav Herzog [SPD]: Das haben Sie schon mal gesagt!)


Der Klimaschutz gerät unter die Räder . Die Zahl der
Lkw-Kolonnen auf den Autobahnen nimmt zu . Beim
Radverkehr stehen Sie auf der Bremse . Viel Geld im
Etat, wenige Ideen vom Minister! Sie haben es gewaltig
vergeigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818801900

Der Kollege Herzog erhält nun das Wort für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gustav Herzog (SPD):
Rede ID: ID1818802000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

beraten heute in erster Lesung über den Verkehrsetat für
2017 . Das ist ein guter Anlass, die Frage zu stellen: Passt
dieser Einzelplan zu der Politik, die wir als Große Koali-
tion verabredet haben, um die Mobilität in diesem Land
voranzubringen? Ja, es ist ein wichtiger und richtiger
Baustein, den wir mit diesem Haushalt setzen . Ich will
mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, etwas zitieren:

Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist eine
wesentliche Voraussetzung für soziale Teilhabe
und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes . Mit ei-
nem der feinmaschigsten Verkehrsnetze der Welt ist
Deutschland gut aufgestellt .

Ich sehe fragende Gesichter . Weiß jemand, wer das ge-
schrieben hat? – Hallo! Die Grünen . Wo bleibt der Ap-
plaus? Das Zitat stammt aus Ihrem Antrag zum Bundes-
netzplan im April dieses Jahres . So lautet der erste Satz
in Ihrem Antrag .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Kollege Kindler, entweder lesen Sie Ihre eigenen
Anträge nicht, oder Ihre Anträge sind es nicht wert, ge-
lesen zu werden . Ich wiederhole: „Mit einem der fein-
maschigsten Verkehrsnetze der Welt ist Deutschland gut
aufgestellt .“ Aber in Ihrer Rede hier sagen Sie, der Bun-
desverkehrswegeplan 2003 und seine Umsetzung seien
Murks . Sie widersprechen sich offenbar ruckzuck . Ihre
Verkehrspolitik sollten Sie neu überdenken .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Ich ärgere mich noch über etwas anderes .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich merke schon, dass Sie sich ärgern! Aber wir hätten gern mehr Substanz in Ihrer Rede!)


Sie und insbesondere die Kollegin Wilms ziehen ständig
mit einer Wünsch-Dir-was-Liste durchs Land . Schauen
Sie sich einmal an, wie viele Wünsche es von Abgeord-
neten und aus der Öffentlichkeit gibt, wie viele Wünsche
in den verschiedenen Verfahren im Rahmen des Bun-
desverkehrswegeplans abgelehnt wurden und wie vie-
le Wünsche wir im parlamentarischen Verfahren wohl
noch ablehnen werden . Nehmen Sie solche Vorwürfe
wie Wünsch-Dir-was-Liste und „Wunsch und Wolke“
zurück . Was wir machen, ist harte Arbeit . Aber dieser
wollen Sie sich nicht stellen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Da Sie die Kolleginnen und Kollegen, die sich intensiv
um ihre Wahlkreise kümmern, diffamiert und behauptet
haben, sie versuchten nur, ihre Schäfchen für den Wahl-
kreis ins Trockene zu bringen: Es ist meine Aufgabe als
direkt gewählter Abgeordneter, hier im Deutschen Bun-
destag auch die Interessen meines Wahlkreises zu vertre-
ten . Das machen alle Kolleginnen und Kollegen für Ihre
Wahlkreise genauso . Für Sie hat das wohl keine große
Bedeutung .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das Ganze im Blick zu behalten! Das ist Ihre Aufgabe!)


Ich hatte die Möglichkeit, an der Erarbeitung des Bun-
desverkehrswegeplans 2003 mitzuwirken . Vielleicht las-
sen Sie Ihrem Kollegen Albert Schmidt, der damals Ihr
verkehrspolitischer Sprecher war, Ihre Rede zukommen,
in der Sie seine Arbeit so diskreditieren .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerne!)


Ich bin Ihnen aber auch dankbar . Wenn die Opposition
umfangreiche Kleine Anfragen stellt, dann antwortet die
Regierung auch umfangreich .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


– Doch . – Schauen Sie einmal auf die Antwort auf Ihre
Kleine Anfrage zur Gesamtbilanz des Bundesverkehrs-
wegeplanes 2003. Dort finden Sie auf Seite 67 die
Längenentwicklung . Was haben wir vom Bundesver-
kehrswegeplan bis 2014 abgearbeitet? 66 Prozent beim
Autobahnausbau, 50 Prozent bei den Erweiterungen und
nur 36 Prozent bei den Bundesstraßen . Sie haben übri-
gens überwiegend nach Straßen gefragt . Die Schiene und
die Wasserstraßen waren Ihnen in Ihrer Kleinen Anfrage
nicht so wichtig .


(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist ja auch nichts drin im BVWP!)


Wenn Sie sich erinnern, dass wir damals bei der Straße
20 Prozent und bei der Schiene sogar ein Drittel als Pla-

nungsreserve hatten, dann müssen Sie zugeben, dass wir
in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet haben,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


trotz aller Schwierigkeiten und Defizite, die vorhanden
sind . Es wurde schon mehrfach in diesem Haus darauf
hingewiesen: Auch in der Vergangenheit stellte sich nicht
immer die Frage des Geldes . Wenn die Länder sich zu
Recht beklagten, gab es ein Sonderprogramm; dann wie-
der wurden die Mittel gestrichen . Ich glaube, eine der
Aufgaben, die wir gut gelöst haben, war es, für einen
kontinuierlichen, verlässlichen Anstieg der Verkehrsin-
vestitionen zu sorgen . Damit können die Länder vernünf-
tiger umgehen, als es in der Vergangenheit der Fall war .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir müssen wichtige Aufgaben für die Zukunft besser
bearbeiten, als es in der Vergangenheit passiert ist . 2003
hat zum Beispiel der Schienenlärm nicht die Rolle wie
heute gespielt . In der letzten Wahlperiode haben wir den
Schienenbonus abgeschafft . Das war ein großer Erfolg .
Wir haben die Mittel stark erhöht .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Mittel fließen nicht ab!)


Der Schienenlärm ist eines der wichtigen Themen – das
sage ich in Richtung der Linken und Grünen –, bei denen
wir für Akzeptanz sorgen müssen, indem wir uns richtig
einsetzen .


(Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss erstmal den Mittelabfluss organisieren!)


Wir können nicht nur Investitionen in die Schiene fordern,
sondern müssen uns richtig dafür engagieren . Als Rhein-
land-Pfälzer hat man da Interessen, zum Beispiel was
das Mittelrheintal angeht . Ich sehe, Kollege Sebastian
Hartmann nickt mir zu . Mit dem Rhein-Sieg-Kreis gibt
es gemeinsame Interessen, auch mit Baden-Württem-
berg, Annette Sawade . Eigentlich ist es im ganzen Land
dringend notwendig, dass wir etwas tun .


(Beifall bei der SPD)


Das machen wir mit diesem Haushalt . Wir werden das
umsetzen . Ich freue mich auf die Ausschussberatungen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818802100

Norbert Brackmann ist der nächste Redner für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1818802200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

wird heute den ganzen Morgen immer vom Verkehrs etat
und dem digitalen Anteil geredet . Wir reden hier in der
Kombination von Verkehr und digitalem Anteil über In-
frastruktur, und zwar zukunftsgerichtete Infrastruktur .

Gustav Herzog






(A) (C)



(B) (D)


Wir müssen in die Infrastruktur investieren, damit unser
Wohlstand auch in 2025, 2030 und 2035 erhalten bleibt .
Das macht die Bedeutung dieses Infrastrukturetats aus .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Minister Dobrindt hat vorhin darauf hingewiesen,
dass dies der größte Etat ist, den der Bundestag jemals
für diesen Bereich verabschiedet hat . Das ist ein Meilen-
stein . Ein weiterer Meilenstein ist, dass mit diesem Etat
nicht mehr finanzielle Engpässe dazu führen, dass wir
bestimmte Maßnahmen nicht machen können, sondern
im Gegenteil: In diesen Tagen werden die letzten Rück-
stände abgearbeitet; es ist nicht mehr so, dass baureife
Projekte nicht mehr finanziert werden könnten. Sie wer-
den alle finanziert werden können, wenn sie den gelten-
den Ansprüchen genügen . Das ist ein Riesenerfolg dieser
Koalition; denn das hat diese Koalition gemeinsam ge-
schafft . Federführend dafür steht der Bundesverkehrs-
minister Alexander Dobrindt . Deswegen ist es gut und
richtig, dass es hier im Haus eine Aufgabenteilung gibt,
nämlich dass er für die letzten drei Jahre die Verantwor-
tung trägt und Sie, Herr Kindler, die Verantwortung für
nichts tragen .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen, denen
wir uns stellen müssen . Wir müssen unsere Infrastruk-
tur natürlich an den Menschen ausrichten . Die Menschen
haben heute andere Bedürfnisse, als es noch vor 30, 50
oder 70 Jahren der Fall war . Wir haben nicht mehr die
große Akzeptanz für neue Projekte im Straßenbau, im
Schienenbau oder auch bei den Wasserstraßen . Das hat
verschiedene Ursachen . Eine der Konsequenzen ziehen
wir sowohl mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan als
auch mit diesem Haushalt, nämlich insofern, als wir die
vorhandenen Verkehrswege optimieren . Deswegen spre-
che ich auch von einer Infrastruktur, die integriert ist .

Wir müssen schauen, wie wir mit den Möglichkeiten
der Digitalisierung dazu kommen, Verkehrswege viel
besser auszulasten . Deswegen ist es richtig, dass der
Minister nicht nur mit der A 9 eine digitale Teststrecke
geschaffen hat, sondern dass diese jetzt auch auf sechs
Städte ausgedehnt wird, wobei wir immer noch nicht die
Frage beantwortet haben – das müssen die Städte auch
nicht, aber wir helfen ihnen gerne –, wie wir den Aus-
stoß von Stickoxiden und anderen Gasen dort wirksam
bekämpfen wollen . Das werden wir nur schaffen mit Di-
gitalisierung auf der einen Seite und einer entsprechen-
den Kraftstoffstrategie, die von den fossilen Brennstoffen
weggeht, auf der anderen Seite; denn immer noch wer-
den 97 Prozent des Verkehrs mit fossilen Brennstoffen
betrieben . Nur so werden wir eine gute Zukunft für die
Menschen gestalten . Das sind Herausforderungen, die
wir angehen . Deswegen sind die 4 Milliarden Euro, die
wir allein für die Digitalisierung ausgeben, genau der
richtige Weg .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Menschen wollen auch – in dieser Beziehung
setzt dieser Etat einen neuen Schwerpunkt –, dass wir die
Chancen, welche die Digitalisierung bietet, nutzen . Ich
nenne beispielhaft das europäische Zugsicherungssystem
ERTMS . Das wird mit einem ersten Aufschlag im nächs-
ten Jahr starten . Damit wird es möglich sein, Züge nicht
mehr nur im Blockabstand fahren zu lassen, sondern viel
dichter hintereinander, wodurch natürlich vermieden
wird – das hoffen wir jedenfalls –, zusätzlich neue Schie-
nenwege durch die Landschaft zu führen . Der Ansatz ist
vorhanden . Das sind die Wege, die wir gehen müssen .

Wir müssen aber sehen, dass wir auch auf anderen Ge-
bieten noch einiges machen . Dazu gehört natürlich auch,
dass wir unsere Planungen ein bisschen vorantreiben; der
Minister hat es vorhin gesagt . Lassen Sie uns einmal an-
schauen, was wir da so treiben: Wir haben ja gesehen,
wie das kleine Land Schweiz vor einiger Zeit den Gott-
hardtunnel für die Strecke Genua–Rotterdam eröffnet
hat . Nun gut, die Schweiz hat 1990 angefangen, zu pla-
nen . Wir müssen aber keine Angst haben: Wir Deutschen
sind ja schneller . Wir haben schon Mitte der 80er-Jah-
re angefangen, zu planen . Der Unterschied ist nur: Der
Gotthardtunnel ist fertig, während die Rheintalbahn – das
haben wir ja in der Eröffnungsrede von Minister Schäuble
am Dienstag gehört – jetzt die Zielmarge 2035 hat . Das
ist es, was Deutschland im Moment auszeichnet .

Das gibt es auch an anderen Stellen . Ich schaue ein-
mal – man darf das machen; man muss ja Ziele haben –
ins letzte Jahrtausend und gehe 150 Jahre zurück: Der
Dortmund-Ems-Kanal wurde von 1892 bis 1899 gebaut;
der Bau dauerte also sieben Jahre . Der Bau des Nord-Ost-
see-Kanals dauerte von 1887 bis 1895, also auch nicht
viel länger . Auch der Bau des Elbe-Lübeck-Kanals dau-
erte etwa sieben Jahre . Bei so großen Investitionen betrug
die Bauzeit damals also ungefähr sieben Jahre . – Schauen
wir uns aber einmal an, wo wir heute stehen: Wir bauen
jetzt seit 26 Jahren den Südteil des Dortmund-Ems-Ka-
nals aus .


(Gustav Herzog [SPD]: Demokratie ist ein schwieriges Geschäft!)


– Das ist nicht nur eine Frage der Demokratie; dabei geht
es auch darum, wie zielgerichtet und effizient wir sind.
Weil Sie aber das Thema Demokratie angesprochen ha-
ben: Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen, also die
Gesetzgeber, wenn sie etwas beschließen, es auch noch
erleben, dass es realisiert wird .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es sollte nicht immer so sein, dass Gesetzgeber etwas
beschließen und ganz andere Menschen weihen es dann
irgendwann ein und sagen: Was haben die Idioten damals
nur gemacht? In solchen Situationen befinden wir uns in
immer stärkerem Maße .

Ich habe diese Zahlen deshalb genannt, weil wir auch
den Bundesverkehrswegeplan bis 2030 beraten . Bis da-
hin sind es noch 14 Jahre . Wenn es in Deutschland aber
keine Projekte mehr gibt, die innerhalb von 14 Jahren
fertig werden, müssen wir uns die Frage stellen, welchen

Norbert Brackmann






(A) (C)



(B) (D)


Sinn und welchen Wert solche Planungen haben . Dage-
gen müssen wir etwas machen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sören Bartol [SPD])


Wir befinden uns ja in den Haushaltsberatungen. Na-
türlich müssen wir, auch wenn das Geld im Moment vor-
handen ist, darüber nachdenken, ob wir bei all unseren
Maßnahmen das Geld richtig ausgeben . Wenn wir das
tun, stellen wir fest, dass es in Bezug auf bestimmte Auf-
lagen Probleme gibt . Wir alle sind ja Umweltfreunde .
Ich nehme aber einmal die A 14 in Mecklenburg-Vor-
pommern: Ein Drittel der gesamten Baukosten sind reine
Umweltkosten . Darüber muss man einmal nachdenken
dürfen .


(Gustav Herzog [SPD]: Ein Drittel bei den Planungskosten!)


– Ein Drittel bei den Planungskosten .

Ich möchte noch ein Wort zu Stuttgart 21 sagen . Ent-
lang der Bahnstrecke Stuttgart–Ulm ist man auf eine
Population von rund 10 000 Mauereidechsen gestoßen .
Sonst sagt man immer: Wir wollen die Artenreinheit in
der Natur . Diese Eidechsenart – es handelt sich wohl um
eine Kreuzung italienischer und deutscher Eidechsen; so
viel zur europäischen Integration – gibt es nur dort . Die
Eidechsen werden jetzt umgesiedelt .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818802300

Herr Kollege, ich befürchte, dieser komplexe Vorgang

wird in der nicht mehr vorhandenen Redezeit nicht mehr
abschließend behandelt werden können .


Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1818802400

Immerhin kostet uns dieser Vorgang pro Eidechse

8 600 Euro, insgesamt 86 Millionen Euro . Da muss man
sich die Frage stellen, ob wir hier noch richtig aufgestellt
sind oder ob wir nicht etwas effektiver werden und etwas
kürzer planen sollten .

Mit diesem Etat modernisieren wir Deutschland . Gute
Beratung!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818802500

Andreas Rimkus von der SPD-Fraktion ist nun der

letzte Redner zu diesem Einzeletat .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Andreas Rimkus (SPD):
Rede ID: ID1818802600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich finde, das ist eine muntere Debatte bisher. –
Schnelllebigkeit betrifft uns ganz persönlich im alltägli-
chen privaten Leben, aber auch in unserem politischen
Alltag . Sich nicht vor den Karren spannen zu lassen und
sich nicht von der Schnelllebigkeit treiben zu lassen, ist
die tägliche Herausforderung, der wir uns stellen wollen
und auch müssen . Doch was nachhaltig sein soll, kann
nicht aus Aktionismus erwachsen, sondern braucht ein

stabiles Fundament . Wer zukunftsgerichtete Politik be-
treiben möchte, tut dies mit Herz, Hand und Verstand .
Den Verstand braucht man, um einen Schritt über das Be-
stehende hinaus weiterzudenken, und das Herz, um den
festen Glauben zu haben, dass es eine andere Welt gibt,
eine Welt, die besser ist als die, in der wir heute leben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der großen
Zukunftsaufgaben, von denen ich spreche, ist die Ener-
giewende . Für den Verkehr bedeutet das die Umstellung
auf emissionsarme Technologien, die nicht länger unsere
Innenstädte verschmutzen und sowohl Mensch als auch
Natur Schaden zufügen . Doch ein solcher Paradigmen-
wechsel braucht Zeit und war wohl eher selten eine Frage
von Tagen, Wochen oder Monaten . In dem vorliegenden
Haushalt drückt sich dies wohl eher trocken mit Zahlen
und Programmnamen hinterlegt aus . Dahinter steht je-
doch ein bereits lange fortschreitender Prozess, der für
mehr Lebensqualität sorgen wird und hilft, unsere so
wichtigen Klimaziele zu erreichen .

Mit der Umweltprämie haben wir eine solch wichti-
ge Maßnahme ergriffen . Insgesamt 600 Millionen Euro
stellen wir für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen
bis 2019 zur Verfügung . Mit demselben Betrag beteiligt
sich die Industrie . Das ist mir auch wichtig; denn eines
ist doch klar: Die Energiewende im Verkehr schaffen
wir nur gemeinsam mit den Beteiligten . Dazu gehört na-
türlich auch, dass wir einerseits in Forschung und Ent-
wicklung investieren, dann aber andererseits auch von
der Industrie erwarten dürfen, dass Fahrzeuge produziert
werden, die sowohl marktfähig als auch bezahlbar und
praktikabel für die Kunden sind .

Im Übrigen glaube ich, dass wir einen Fehler machen,
wenn wir die Umweltprämie zum Scheitern verurteilen,
bevor sie überhaupt richtig anlaufen konnte .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Einen Paradigmenwechsel zu begleiten, der nichts an-
deres will als eine komplette Umstellung unserer seit
100 Jahren etablierten Mobilitätstechnologie, ist nichts,
was innerhalb eines Jahres vonstattengeht oder gar gehen
könnte .

Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, haben
wir zugesagt, ein Programm aufzulegen, das mit einem
Investitionsumfang von 300 Millionen Euro den Aufbau
von Ladeinfrastruktur fördern soll, davon 200 Millionen
Euro für den Aufbau von Schnellladeinfrastruktur und
100 Millionen Euro für Normalladeinfrastruktur .

Auch beim Nationalen Innovationsprogramm Wasser-
stoff- und Brennstoffzellentechnologie haben wir etwas
geschaffen, das zum einen Forschung und Entwicklung
und zum anderen vor allen Dingen die Umsetzung von
Projekten zur Marktintegration ermöglicht .

Stichwort „MKS“ . Auch mit der Implementierung der
„Clean Power for Transport“-Richtlinie, deren Umset-
zungsrahmen wir noch im Herbst erwarten, haben wir
von Europa Vorgaben bekommen, die die so wichtige
Harmonisierung der Tank- und Ladeinfrastruktur in Eu-
ropa ermöglichen, uns aber auch mahnen, hier weiter-
zukommen, sei es im Rahmen von Erd- und Flüssiggas,
Strom und Wasserstoff oder bei den Biokraftstoffen .

Norbert Brackmann






(A) (C)



(B) (D)


Es gibt natürlich noch viel zu tun . So haben wir für
die Elektromobilität zwar wichtige Grundlagen für den
sogenannten mobilisierten Individualverkehr geschaffen,
doch werden die Stimmen lauter – und dies zu Recht,
liebe Kolleginnen und Kollegen –, dass wir vor allem zur
Reinhaltung unserer Innenstädte auch verstärkt auf den
öffentlichen Verkehr schauen müssen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Ich sehe, dass ich hier mit den Fraktionen im Haus einig
bin . – Lieber Arno Klare, wir werden gucken, dass wir in
den Haushaltsberatungen noch einiges unterbringen .

Uns ruft auch die Europäische Union dazu auf . Vielen
deutschen Großstädten drohen Vertragsverletzungsver-
fahren, weil es ihnen nicht gelingt, die NO-Grenzwer-
te einzuhalten . Daher müssen wir sehen, dass wir eine
Marktintegration emissionsarmer Busse – trotz der hö-
heren Anschaffungskosten – erreichen . Busse gehören
zu den Vielfahrern in unseren Großstädten, und der hohe
Schadstoffausstoß von Dieselbussen ist vor allem in Bal-
lungsräumen ein Problem . Daher ist es notwendig, zu
handeln und unsere Klimaziele nicht aus dem Blick zu
verlieren .

Umso mehr freue ich mich, dass wir auch einen Ein-
stieg in die Förderung des elektrischen Rades geschafft
haben . Wir bekommen jetzt die Chance, einen Haushalts-
titel zu schaffen, um Radschnellwege zu unterstützen und
zu fördern . Das ist gut, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Lassen Sie uns dranbleiben!

Vielen Dank . – Schönes Wochenende!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818802700

Ganz so weit sind wir noch nicht .


(Heiterkeit)


Aber jedenfalls liegen zu diesem Einzelplan keine wei-
teren Wortmeldungen vor, sodass ich jetzt den nächsten
Geschäftsbereich aufrufen kann .

Wir kommen also zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-
aktorsicherheit, Einzelplan 16.

Dazu erteile ich der Bundesministerin Barbara
Hendricks das Wort, sobald sich die Reihen vor dem Red-
nerpult neu sortiert haben . – Bitte sehr, Frau Ministerin .

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! An diesem Wochenende feiern wir das 30-jähri-
ge Bestehen des Bundesumweltministeriums, übrigens
mit einem großen Festival, zu dem ich Sie alle herzlich
einlade . Diese 30 Jahre sind eine große Erfolgsgeschich-
te für die Umweltpolitik in Deutschland . Sie sind eine
Erfolgsgeschichte für alle Menschen, die sich für mehr
Umweltschutz, für Natur- und Klimaschutz, für den Er-

halt der biologischen Vielfalt und für eine nachhaltige-
re, gerechtere und friedlichere Welt einsetzen . Aber die
Arbeit ist längst noch nicht getan . Der erneut gestiegene
Haushaltsansatz berücksichtigt jedenfalls, dass wir viele
Aufgaben zu lösen haben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Beginn dieser
Legislaturperiode zählen Bauen und Stadtentwicklung zu
den Kernaufgaben meines Ministeriums . Es ist vor allem
ein Thema aus diesem Bereich, nämlich der soziale Woh-
nungsbau, in den wir investieren wollen und dringend
investieren müssen . Das ist der Hauptgrund für den um
rund 20 Prozent gesteigerten Etat gegenüber 2016 .

Es ist nicht zu bestreiten: Es hat in der Vergangenheit
Einschätzungen im Zusammenhang mit der demografi-
schen Entwicklung gegeben, die wir korrigieren müssen .
Die Binnenwanderung wurde unterschätzt, ebenso die
Wohnbedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft .
Was ebenfalls nicht vorhergesehen werden konnte, waren
Zeitpunkt und Umfang der Zuwanderung von EU-Bür-
gern und von Flüchtlingen aus den Krisen- und Kriegsge-
bieten . Aus diesen und weiteren Gründen sind die Woh-
nungsmärkte in unseren Städten und Ballungsräumen
sehr angespannt . Es wird dringend neuer – und vor allem
bezahlbarer – Wohnraum gebraucht, mindestens 350 000
neue Wohnungen jährlich . Das ist die Aufgabe .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit über
180 000 Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2016
sind wir auf dem richtigen Weg, aber noch längst nicht
am Ziel . Genehmigt heißt ja auch noch nicht gebaut . Mit
der Wohnungsbau-Offensive setzen wir die Empfehlun-
gen aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen
und aus der Baukostensenkungskommission zügig um .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In der Haushaltsdebatte vor einem Jahr habe ich ge-
sagt, dass wir deutlich mehr Geld in den sozialen Woh-
nungsbau investieren müssen .


(Sören Bartol [SPD]: Das ist gelungen!)


Das tun wir jetzt – und zwar richtig!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die ursprünglichen 518 Millionen Euro für den sozialen
Wohnungsbau, die der Bund als Kompensationsmittel an
die Länder gibt, haben wir bereits mit Wirkung für dieses
Jahr, 2016, verdoppelt . Auf der Grundlage einer Verein-
barung zwischen der Bundesregierung und den Ländern
werden wir sie 2017 und 2018 verdreifacht haben, auf
dann 1,5 Milliarden Euro im Jahr .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der Links-
fraktion, dies auch dem Fraktionsvorsitzenden Dietmar
Bartsch zu übermitteln; denn es ist ihm wahrscheinlich
noch nicht bekannt . Er hatte nämlich vorgestern an dieser
Stelle wortreich mehr Geld für den sozialen Wohnungs-

Andreas Rimkus






(A) (C)



(B) (D)


bau gefordert . Damit er auf dem neuesten Stand ist, bitte
ich Sie, ihm das auszurichten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dafür ist so eine Debatte auch da!)


Neben diesen Mitteln stellen wir weitere 300 Millio-
nen Euro zusätzliche Programmmittel pro Jahr für die
Städtebauförderung zur Verfügung . Davon sind allein
200 Millionen Euro für einen neuen Investitionspakt
„Soziale Integration im Quartier“ vorgesehen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt: Wir
lassen die Menschen nicht allein, sondern sorgen für
mehr bezahlbares Wohnen . Es war und ist ein Erfolg,
dass wir den Wohnungsneubau und die Förderung des
sozialen Wohnungsbaus endlich aus dem Dornröschen-
schlaf geholt haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wie Sie wissen, gibt uns das Grundgesetz die Mög-
lichkeit zu Kompensationszahlungen nur noch bis zum
Jahr 2019 . Dann ist Schluss . Das könnte in vielen Bun-
desländern faktisch das Ende des sozialen Wohnungs-
baus bedeuten . Ich will deshalb auch von dieser Stelle
aus um Unterstützung dafür werben, im Rahmen der
Neuverhandlungen der Bund-Länder-Finanzbeziehun-
gen dem Bund wieder eine im Grundgesetz verankerte
Kompetenz für die Förderung des sozialen Wohnraums
zu geben . Ich bin überzeugt davon, dass es gut wäre,
wenn Bund und Länder dauerhaft gemeinsam dafür sor-
gen könnten, dass der soziale Wohnungsbau nicht weiter
an Boden verliert .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aus dem einen oder anderen Land wird eingewandt,
der Bund wisse doch gar nicht, wo denn Sozialwohnun-
gen entstehen müssten . Nein, das muss der Bund auch
gar nicht wissen . Es wäre schon ganz vernünftig, wenn
wir wieder eine gemeinsame Kompetenz hätten und, so
wie in anderen Politikfeldern auch, jährlich eine Verwal-
tungsvereinbarung mit den Ländern schließen würden, in
der festgelegt wird, wie und auf welche Art und Weise
das Geld ausgegeben wird . Wo es dann ausgegeben wird,
das obliegt natürlich der Steuerung in den Ländern . Dafür
braucht man dann auch die entsprechenden Investoren .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den genannten
Maßnahmen stärken wir den gesellschaftlichen Zusam-
menhalt vor Ort, in den Quartieren . Aber wir sorgen da-
mit auch für Wachstum, wir sichern Arbeitsplätze und
schaffen neue . Ich will an dieser Stelle daran erinnern,
dass sich die Bauwirtschaft bereits in der Finanz- und
Wirtschaftskrise als ein Stabilitätsanker unserer Volks-
wirtschaft erwiesen hat . Sie ist auch jetzt ein wichtiger
und verlässlicher Partner, wenn es darum geht, für be-
zahlbaren Wohnraum in Deutschland zu sorgen .

Auch die klassischen Aufgabenbereiche des Bun-
desumweltministeriums werden gestärkt, zum Beispiel
die Internationale Klimaschutzinitiative . Wir wollen un-

serem Weg treu bleiben und Vorbild im Klima- und Um-
weltschutz sein .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Bildungsetat wird dann gekürzt!)


Umwelttechnologien made in Germany helfen uns dabei,
unsere ambitionierten Ziele zu erreichen . Sie sind auch
mit das Beste, was wir in alle Welt exportieren können,
weil wir damit Wertschöpfung und Arbeit bei uns sichern,
gleichzeitig weltweit den Menschen vor Ort helfen und
so zur Lösung globaler Aufgaben beitragen .

Vor allem aber müssen wir unsere eigenen Hausaufga-
ben machen . Entwickelte Industrieländer wie Deutsch-
land müssen vorangehen, um die in Paris vereinbarten
Klimaziele zu erreichen . Das machen wir übrigens mit
dem Klimaschutzplan 2050, der jetzt ressortabgestimmt
wird .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist doch schon jetzt gescheitert!)


Es ist selbstverständlich, dass wir auf dem Weg zu einer
treibhausgasneutralen Wirtschaft Systembrüche vermei-
den wollen und den notwendigen Systemwandel mit Au-
genmaß gestalten . Das geht nur mit einem konsensualen
Prozess, an dem alle beteiligt sind:


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verlieren viele Jahre! Der ist doch weichgespült!)


Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Wirtschaft, Län-
der und Gemeinden sowie vielfältige Verbände . Der
Klimaschutzplan ist deshalb als eine Modernisierungs-
strategie angelegt, die technologieoffen den Weg aus der
fossilen Wirtschaftsweise aufzeigt .

Ich will ganz ehrlich sagen: Das Thema ist zu wich-
tig für eine polemisch geführte Debatte; das sage ich
übrigens in alle Richtungen . Wir haben eine verdammt
große Verantwortung, und der will ich für meinen nicht
ganz unerheblichen Teil gerecht werden . Ja, es ist nicht
einfach . Aber ich will etwas erreichen, und deshalb habe
ich es auch nicht zugelassen, dass wir in eine ernsthafte
Debatte mit den anderen Ressorts gar nicht erst eintreten .

Eine Anmerkung noch zu den Kolleginnen und Kolle-
gen von den Grünen:


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir gespannt!)


Es ist ein Irrtum, dass angeblich der Wirtschaftsminister
oder die Bundeskanzlerin oder sonst wer ein konkretes
Enddatum für den Kohleausstieg aus dem Entwurf gestri-
chen hätte . Es hat im Entwurf nie ein solches Enddatum
gegeben,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)


Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


weil ich es immer für richtig gehalten habe, dafür einen
breit angelegten Dialogprozess mit allen Beteiligten zu
organisieren .


(Beifall bei der SPD – Sören Bartol [SPD]: Nur so geht es!)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
haben doch immer für sich in Anspruch genommen, die
Partei der Bürgerbeteiligung zu sein . Dieser Aufgabe
muss man sich aber auch stellen .

Ich war kürzlich bei der Deutschen Post DHL, als sie
ihren 1 000 . Street Scooter vorgestellt hat . Es ist schon
ungewöhnlich, dass sich ein Unternehmen die Autos, die
es braucht, selbst bauen muss, weil es bis jetzt keinen
passenden Anbieter gibt . Insofern ist es richtig und gut,
was die Deutsche Post in Sachen Elektromobilität be-
wegt, und es ist wegweisend; denn die Elektromobilität
ist entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende im
Verkehr, nicht zuletzt im Wirtschaftsverkehr,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und sie ist eine Schlüsselfrage für den Automobilstandort
Deutschland .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie der Verkehrs-
sektor ist auch die Landwirtschaft bisher noch nicht auf
Klimaschutzkurs . Die Emissionen stagnieren auf hohem,
wie ich meine: zu hohem, Niveau . Der Klimaschutz-
plan 2050 ist auf eine breite Unterstützung – auch aus
diesen beiden Sektoren – angewiesen .

Wir dürfen die Chancen, die in der Energiewende und
im Klimaschutz für Forschung und Entwicklung, für
Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Export liegen, nicht
leichtfertig verspielen . Gerade in den Sektoren Mobilität
und Landwirtschaft sollten diese Chancen genutzt wer-
den,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber da konnten Sie sich nicht durchsetzen!)


auch um verlorengegangenes Vertrauen neu zu gewin-
nen .

Mein Ziel ist es, dass der Klimaschutzplan bis zur Kli-
makonferenz in Marrakesch beschlossen sein wird . Das
wäre erneut ein wichtiges Signal; denn es wird weltweit
beachtet, wie Deutschland als eines der großen Industrie-
länder die Herausforderungen meistert .

Unser Klimaschutzplan kann zu einem Referenzwerk
werden, an dem sich viele andere Länder orientieren .
Auch diese Chance sollten wir nutzen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818802800

Für die Fraktion Die Linke erhält nun Caren Lay das

Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818802900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist völ-

lig unstrittig: In den Großstädten erleben wir eine Mie-
tenexplosion, wie sie die Republik noch nicht erlebt hat .
Die Verdrängung aus den Innenstädten betrifft längst
nicht nur arme Menschen . Die Mietenexplosion ist längst
ein Angriff auf die Mittelschicht in diesem Land gewor-
den . Das müssen wir endlich stoppen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Darüber wird viel geredet. Ich finde, dass neben einem
guten Mieterschutz eine gute Baupolitik ein ganz wich-
tiges Instrument dafür wäre . Die Frage ist, ob nicht nur
viel darüber geredet, sondern auch alles Wichtige und
Notwendige dafür getan wird . Hier habe ich wirklich
meine Zweifel .

Frau Hendricks, Sie präsentieren sich hier gerne als
Macherin im Bereich des sozialen Wohnungsbaus . Das
freut mich als Linke sehr . Ich kann mich noch sehr gut
erinnern: Als wir Linke vor vier, fünf Jahren an dieser
Stelle einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefor-
dert haben, sind wir noch verlacht worden . Die CDU/
CSU hat dauernd „DDR“ und „Plattenbau“ dazwischen-
gerufen . Heute zweifelt niemand mehr daran, dass wir
einen Neustart im sozialen Wohnungsbau brauchen . Das
freut uns als Linke; denn es zeigt: Die Linke wirkt, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Ist klar! Die Linke hat’s gerockt!)


– Ich habe den Zwischenruf von der SPD gehört . Wir
können uns gerne die Plenardebatten daraufhin anschau-
en, wie sich Ihre Fraktion dazu verhalten hat .

Übrigens, Frau Hendricks: Wir sind in der Lage, ei-
nen Haushaltsplan zu lesen . Ich erkenne an – das haben
wir auch im letzten Jahr getan –, wenn mehr Geld für
den sozialen Wohnungsbau eingestellt wird; das ist uns
doch bekannt . Aber wir müssen uns erstens die Fra-
ge stellen, ob dieses Geld ausreicht; darauf werde ich
gleich noch eingehen . Zweitens sollten Sie fairerweise
zugeben, dass dieses Geld – 1,5 Milliarden Euro – kei-
neswegs zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau
ist . Es gibt Bundesländer wie Sachsen, in denen damit
noch keine einzige Sozialwohnung gebaut worden ist .
Auch das gehört zur Wahrheit . Es bleibt dann bei einer
freiwilligen Berichtspflicht der Länder. Ich kann Ihnen
sagen, wie das aussieht: Meine parlamentarischen An-
fragen zur Entwicklung der Zahl der Sozialwohnungen
werden gar nicht mehr beantwortet . Die Regierung sagt,
die Länder müssten nicht mehr berichten . Ich weiß nicht,
ob die Länder nicht mehr berichten wollen oder ob die
Bundesregierung Angst vor einer Negativbotschaft hat .
Aber eines muss doch klar sein: Geld, das für den sozi-
alen Wohnungsbau eingestellt wird, muss am Ende auch
für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden . Das
gilt ohne Wenn und Aber .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg . Sören Bartol [SPD])


Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks






(A) (C)



(B) (D)


Ich möchte einmal etwas dazu sagen, ob das Geld
jetzt ausreicht . Da können wir uns doch mal eine einfa-
che Rechnung ansehen: Es fehlen in Deutschland schät-
zungsweise 4,5 Millionen Sozialwohnungen . Sie wissen
ganz genau, dass jährlich circa 60 000 bis 100 000 Sozi-
alwohnungen wegfallen; sie fallen aus der Preisbindung .
2013 wurden aber gerade mal 9 000 Wohnungen neu ge-
baut . 2014 waren es dann immerhin schon 12 000 neu ge-
baute Sozialwohnungen . Aber unterm Strich bleibt doch
ein Negativsaldo . Das heißt doch nach Adam Riese, dass
50 000 bis 85 000 Sozialwohnungen Jahr für Jahr weg-
fallen . Wenn wir hier nicht deutlich mehr Anstrengungen
unternehmen, dann haben wir in 25 Jahren überhaupt kei-
ne Sozialwohnungen mehr . Das darf einfach nicht sein,
meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN – Christian Haase [CDU/CSU]: Das ist Länderzuständigkeit!)


Ich würdige Ihre Anstrengungen, Frau Hendricks . Ich
kann mir auch vorstellen, dass es nicht einfach ist, mit
diesem Koalitionspartner zu verhandeln, der bekannter-
maßen nicht die Interessen der Mieter, sondern die Inte-
ressen der Kapitalanleger vertritt .


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Sie von der CDU/CSU haben ja bisher jede Verbesse-
rung für die Mieterinnen und Mieter bekämpft, soweit es
nur ging .


(Sören Bartol [SPD]: Das ist richtig!)


Sie müssen sich hier wirklich nicht präsentieren . – Wir
als Linke sagen: Wir brauchen mindestens 5 Milliarden
Euro jährlich für einen sozialen und gemeinnützigen
Wohnungsbau . Ansonsten bekommen wir dieses Pro-
blem nicht in den Griff .


(Beifall bei der LINKEN – Christian Haase [CDU/CSU]: Wo sparen Sie dann?)


Die CDU/CSU sagt ja auch immer, es müsse mehr ge-
baut werden . Wissen Sie, ich würde mich freuen, wenn
Sie endlich mal dazu kommen würden, zu sagen: Es
muss mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden .


(Oliver Wittke [CDU/CSU]: Ja, da sind wir dafür!)


Da gab es ja kürzlich mal eine schöne Statistik, die
nachgewiesen hat, dass nur 5 Prozent aller neu gebau-
ten Wohnungen bezahlbar sind . Da sprechen wir nicht
von Sozialwohnungen; da sprechen wir über den Durch-
schnittsverdiener . Das heißt übersetzt: Nur 5 Prozent der
neu gebauten Wohnungen sind für den Durchschnitts-
verdiener erschwinglich; in Berlin sind es gerade mal
2,5 Prozent . Das ist einfach nur skandalös . Es ist auch
ein Armutszeugnis für die Baupolitik dieser Bundesre-
gierung .


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen verstehen wir als Linke auch gar nicht –
ich wundere mich, dass Sie dazu nichts gesagt haben –,
dass Sie beim Wohngeld laut Haushaltsplanentwurf fast
100 Millionen Euro einsparen wollen . Habe ich da nicht
im Ohr, dass Sie sich noch vor einem Jahr für Ihre Wohn-
geldreform gefeiert haben? 320 000 Menschen mehr hät-

ten jetzt Anspruch auf Wohngeld . Ja wie geht das denn
damit zusammen, dass Sie an dieser Stelle einsparen
wollen? Da heißt es dann, die gute Konjunktur würde da-
für sorgen . Da lachen doch wirklich die Hühner . Zeigen
Sie mir eine einzige deutsche Stadt, in der die Löhne im
gleichen Ausmaß steigen wie die Mieten! Das ist doch
einfach nur verlogen .


(Beifall des Abg . Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass der Heiz-
kostenzuschuss von Schwarz-Gelb abgeschafft wurde .
Sie, Frau Hendricks, haben lange genauso wie wir Lin-
ke gefordert, dass der Heizkostenzuschuss wieder ein-
gestellt wird . Das wäre das Gebot der Stunde . Insofern
sagen wir: nicht 100 Millionen Euro weniger, sondern
500 Millionen Euro mehr für das Wohngeld . Das wäre
eine soziale Mietenpolitik .


(Beifall bei der LINKEN)


Auch die energetische Sanierung dürfen wir nicht
vergessen . In ihrer jetzigen Form ist sie leider ein Ent-
mietungsinstrument; sie wird missbraucht . Die Mieterin-
nen und Mieter werden dadurch aus ihren Häusern ge-
schmissen . Wenn Sie es schon nicht schaffen bzw . wenn
Herr Maas es nicht schafft, hierzu endlich mal einen
Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, anstatt
dauernd nur tolle Presseerklärungen zu veröffentlichen,
dann wäre es doch das Mindeste, an dieser Stelle mehr
Geld einzustellen, um die Mieterinnen und Mieter bei
der energetischen Gebäudesanierung mitzunehmen . Seit
vielen Jahren werden hier 5 Milliarden Euro gefordert .
Dafür werden wir als Linke uns in den Haushaltsberatun-
gen starkmachen .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich möchte zu guter Letzt
noch wenige Worte zum Klimaschutzplan sagen . Dieser
Plan wurde so lange verwässert, bis er völlig untauglich
geworden ist . Er ist unverbindlich; er verzichtet auf ei-
nen klaren Fahrplan, er verzichtet auf irgendeine klare
Vorgabe für die einzelnen Sektoren . Mit diesem verwäs-
serten Klimaschutzplan werden wir die von Ihnen selbst
gesteckten Klimaschutzziele nicht erreichen . Dass Sie,
Frau Hendricks, sich auch noch hierhinstellen und diesen
Klimaschutzplan verteidigen, dafür habe ich kein Ver-
ständnis . Von einer Umweltministerin hätte ich wirklich
mehr erwartet .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803000


Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött für die
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Caren Lay






(A) (C)



(B) (D)



Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1818803100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der

Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik steht Deutsch-
land weiterhin vor zwei großen Herausforderungen .
Die erste Herausforderung: 350 000 neue Wohnungen
sind weiterhin pro Jahr zu bauen . Wir haben einen gro-
ßen Nachholbedarf beim Wohnraum für alle, nicht nur
für Flüchtlinge, nicht nur beim sozialen Wohnungsbau,
sondern mehrheitlich für Bürger, die schon immer in
Deutschland leben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Normalverdiener, zum Beispiel der Facharbeiter, die
Lehrerin oder der kaufmännische Angestellte, haben in
bestimmten Regionen Schwierigkeiten, für sich und ihre
Familie Wohnraum zu finden. Fast unmöglich wird es,
wenn Mehrkindfamilien neuen Wohnraum suchen . Das
Ziel, der Bau von 350 000 Wohnungen, wurde in keinem
der zurückliegenden Jahre erreicht .

Die zweite Herausforderung: Die Integration von über
1 Million Flüchtlingen stellt die Kommunen auch vor
große investive Aufgaben in der Infrastruktur und in der
Stadtentwicklung . Viele anerkannte Flüchtlinge werden
aller Voraussicht nach noch über Jahre in Deutschland
bleiben; ihr Leben wäre in ihrer Heimat durch Bür-
gerkrieg und Terror bedroht . Daher ist es richtig, das
Notwendige mit den Chancen für eine solide Stadtent-
wicklung zu verknüpfen . Bund, Länder und Kommunen
stehen vor der Aufgabe, diese beiden Herausforderungen
zu bewältigen .

Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf gibt die Bun-
desregierung darauf eine finanzielle Antwort. Sowohl die
Mittel für den Wohnungsbau als auch die Mittel für die
Städtebauförderung sollen deutlich erhöht werden . Da-
von können viele Menschen in Deutschland profitieren,
wenn das Geld zügig, vollständig und an der richtigen
Stelle verwendet wird . Darüber gilt es in den Haushalts-
beratungen noch einmal genau nachzudenken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie und wir ha-
ben vernommen, dass 500 Millionen Euro nun den Län-
dern als zusätzliche Mittel für die soziale Wohnraum-
förderung zur Verfügung gestellt werden sollen . Dafür
soll die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus
für Normalverdiener nicht weiterverfolgt werden . Da-
mit wurde einer der effektivsten Bausteine, aus denen
das Wohnungsbaubündnis der Bundesbauministerin be-
steht, entfernt . Frau Hendricks, wie wollen Sie nun das
Kernstück Ihrer Arbeit als Bundesbauministerin retten?
Sie wissen, dass das Bündnis ohnehin lückenhaft ist . Die
Eigenheimförderung und die Sicherung ausreichenden
Baulands sind die wesentlichen Fehlstellen des Bündnis-
ses,


(Ute Vogt [SPD]: Frechheit!)


und nun bleibt die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus
als einzige nennenswerte investive Idee übrig . Das reicht
nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch wir wollen einen wirkungsvollen sozialen Woh-
nungsbau, um das Wohnungsangebot zu stärken . Aber er
allein löst nicht alle Probleme, schon gar nicht die Pro-
bleme von Menschen in Lohn und Brot, also der Normal-
verdiener, die dringend eine Wohnung suchen und keinen
Anspruch auf Sozialwohnungen haben . Es gibt nämlich
auch Menschen, die keinen Anspruch auf Sozialwohnun-
gen haben . Frau Hendricks, Sie als Bauministerin müs-
sen nun dringend aufzeigen, wie Sie verhindern wollen,
dass Ihr Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zu
einer Ruine wird, und wie es ein Erfolg werden kann .


(Beifall bei der CDU/CSU – Sören Bartol [SPD]: Vor allem, wenn man es nicht kaputtredet!)


Daher fordere ich Sie auf, noch einmal über das Thema
Baulandgewinnung und die Förderung des selbstgenutz-
ten Wohneigentums nachzudenken .

Die Wohnungsbauprämie wurde seit Jahren nicht an
die Einkommens- und Preisentwicklung angepasst . Nun
ist auch noch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in
Kraft getreten . Damit haben sich die Finanzierungsmög-
lichkeiten für viele junge Hausbauer und ältere Hausbe-
sitzer verschlechtert . Hier hat der Bundesjustizminister,
mit Akzeptanz der Bundesbauministerin, in die falsche
Richtung gearbeitet . So wird Bauen verhindert, und so
werden die Ziele des Bündnisses für Wohnen torpediert .


(Beifall des Abg . Artur Auernhammer [CDU/ CSU])


Wir erwarten eine zügige entsprechende Anpassung der
Wohnimmobilienkreditrichtlinie . Herr Kelber, vielleicht
nehmen Sie das mit in Ihr Haus .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Vogt [SPD]: Sie wissen schon, dass Sie auch mitregieren? – Caren Lay [DIE LINKE]: Die CDU wird Oppositionsführer in der Baupolitik!)


Wir wollen, dass junge Menschen einen Anreiz haben,
frühzeitig ausreichend Eigenkapital für den Bau des ei-
genen Heims oder den Erwerb der Eigentumswohnung
anzusparen . Genau deshalb brauchen wir eine deutlich
attraktivere Wohnungsbauprämie . Viele Menschen haben
den Traum vom eigenen Haus . Wir möchten ihnen die
Chance geben, den Traum zu realisieren .

Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein wichtiger Bau-
stein für eine gedeihliche Zukunft, für ein selbstbestimm-
tes Leben, und wenn es über Generationen weitergege-
ben wird, dann ist es oft auch das Zentrum für familiären
Zusammenhalt . Damit hat das eigene Heim eine wichtige
gesellschaftspolitische Funktion . Die soziale Funktion
steht eigentlich an erster Stelle .

Haben Sie schon einmal genau hingesehen, mit wie
viel Liebe und Ideenreichtum neue Einfamilienhaussied-
lungen gebaut werden oder wie attraktiv anspruchsvoller
Geschosswohnungsbau mit Eigentumswohnungen ist?
Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein großer Beitrag zur
sozialen Stärkung ganzer Stadtteile .


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Eingebettet in eine moderne Bauleitplanung können da-
mit gute Anstöße für die Stabilisierung und Modernisie-
rung des Zusammenlebens in der Stadt gegeben werden .
Aber dazu benötigen wir eben auch ausreichend Bauland .

2010 wurde der Wohnungsbaubedarf noch auf circa
185 000 Wohnungen pro Jahr für die Zeit von 2015 bis
2020 prognostiziert . Es war damals richtig, den Versuch
zu unternehmen, den Bedarf vor allem durch eine Stär-
kung der Innenentwicklung zu decken . Heute stellen wir
natürlich fest: Ohne eine zusätzliche Inanspruchnahme
neuer Siedlungsflächen wird der prognostizierte Bedarf
von 350 000 neuen Wohnungen im Jahr nicht zu errei-
chen sein . Verdichtung ist gut, ganz bestimmt, aber zu
viel Verdichtung führt zu Widerständen . Betroffene Men-
schen wehren sich, wenn die bauliche Verdichtung das
Maß des Erträglichen überschreitet .


(Ulli Nissen [SPD]: Wo sollen die Einfamilienhäuser hin?)


Daher erwarten wir Vorschläge der Bundesregierung,
wie noch schneller Bauland auch am Ortsrand zur Verfü-
gung gestellt werden kann .


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ortsrand? Auf der grünen Wiese?)


Ein paar Worte zur Zukunft des sozialen Wohnungs-
baus ab 2020 . Die Länder wollten hier die Verantwortung
haben, und sie haben sie erhalten . Dafür stellt ihnen der
Bund einige Milliarden Euro zur Verfügung . Wir sehen,
dass die Länder mit dieser Verantwortung sehr unter-
schiedlich umgegangen sind . Ich verstehe den Diskussi-
onsbeitrag der Bundesbauministerin zur Rückholung des
sozialen Wohnungsbaus in die gemeinsame Verantwor-
tung von Bund und Ländern jedoch noch nicht .


(Ute Vogt [SPD]: Das erklärt manches!)


Frau Ministerin, ich befürchte, dass Sie dieses Problem
riskant angehen . Wo bleibt zunächst die tägliche Mah-
nung an die Länder?


(Sören Bartol [SPD]: Den Leuten ist doch egal, wer zuständig ist!)


Denn sie haben zugesagt, dass sie das Geld des Bundes
zügig und vollständig einsetzen . Für mich drehen sich
hier immer noch zu wenige Kräne .


(Michael Groß [SPD]: In NRW drehen sich massiv Kräne!)


Wir werden uns gern an der Debatte über die Zukunft
des sozialen Wohnungsbaus beteiligen . Legen Sie uns
aber doch einmal Zahlen und Fakten zu Situation und
Perspektive vor, und fordern Sie die Länder auf, das mit
ehrlichen und vollständigen Angaben zu unterstützen . Es
geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit Steu-
ergeldern .

Frau Ministerin, wir brauchen auch Vorschläge, wie
Sie die Strickfehler der sozialen Wohnraumförderung be-
seitigen wollen . Ich kann derzeit nicht die Einschätzung

teilen, dass die Länder mit der Aufgabe ab 2020 überfor-
dert wären .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann reden Sie mal mit den Ländern!)


Es könnte auch sein, dass es vor allem an der politischen
Prioritätensetzung in einigen Ländern fehlt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem in einigen unionsgeführten Ländern!)


Rot-Rot in Berlin hat damals keine neuen Sozialwohnun-
gen gebaut, Frau Lay . Erst mit der CDU ist der Wieder-
einstieg in die soziale Wohnungsbauförderung in Berlin
gelungen . Also, Frau Bundesministerin: Wir sollten ge-
meinsam und engagiert nach richtigen Antworten su-
chen . Das derzeitige Problem lösen wir nur mit Bauen,
Bauen, Bauen .


(Ulli Nissen [SPD]: Das muss auch in die Höhe, nicht nur in die Fläche!)


Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass im Ent-
wurf für den Haushalt 2017 der Klimaschutz erneut eine
herausragende Rolle spielt . Sowohl national, aber gerade
auch international haben wir einen Mittelaufwuchs zu
verzeichnen . Das ist ein wichtiges Signal für die Umset-
zung der Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris und
damit auch ein wichtiges Signal für die kommende Kli-
makonferenz im Herbst in Marrakesch .

Gerade auch mit Blick auf unsere Klimapolitik ist
es mir wichtig, daran zu erinnern, dass Deutschland ein
nationales Minderungsziel für 2020 zu erfüllen hat . Es
ist mir auch wichtig, daran zu erinnern, dass wir im De-
zember 2013 das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020
beschlossen haben . Hier müssen wir liefern .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht mal!)


Ich erwähne das, weil gerade dieses konkrete und zeitlich
nahe Ziel in den aktuellen Diskussionen über den Kli-
maschutzplan 2050 etwas in den Hintergrund geraten ist .

Meine Damen und Herren, man kann über Klimapo-
litik 2050 diskutieren, und es ist sicher auch interessant,
ein integriertes Umweltprogramm zu entwickeln, aber es
ist jetzt wichtiger, alle Kraft auf das Erreichen des Kli-
maziels 2020 zu konzentrieren . Wer international Klima-
schutzvorreiter sein will, muss das mit dem Erreichen der
Ziele 2020 zeigen, statt sich in einer Diskussion unter der
Überschrift „Schneller, höher, weiter“ für 2050 zu ver-
zetteln oder über den Plan zu diskutieren, alle Produkte
künftig in „ökologisch gut“ und „ökologisch böse“ zu
unterteilen und sie mit einem entsprechenden Stempel zu
versehen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wirklich revolutionär!)


Jetzt geht es um Kärrnerarbeit, um das Klimaziel 2020
zu erreichen . Dabei unterstützen wir Sie, Frau Ministe-

Marie-Luise Dött






(A) (C)



(B) (D)


rin, gerne, auch im Rahmen der anstehenden Haushalts-
beratungen .


(Sören Bartol [SPD]: Wenigstens an einer Stelle!)


Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803200

Das Wort hat der Kollege Christian Kühn für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen .

Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Besucherinnen
und Besucher auf der Tribüne! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Dött, ich muss wirklich
sagen: Dadurch, dass Sie 14 Minuten lang eine so nette
Oppositionsrede gehalten haben, haben Sie uns fast den
Job weggenommen;


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)


aber ob das für eine Koalitionsfraktion angemessen ist,
weiß ich wirklich nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Hendricks, Sie legen hier heute einen Haus-
haltsentwurf vor, mit dem Sie die Probleme auf den
angespannten Wohnungsmärkten nicht lösen werden .
Sie legen einen Haushaltsentwurf vor, mit dem Sie Ihr
Versprechen, das Sie uns allen hier am Anfang dieser
Legislaturperiode gegeben haben, nämlich dass Sie Bau-
politik und Umweltpolitik miteinander verbinden, nicht
einlösen . Sie scheitern mit diesem Haushalt an diesem
selbstgesteckten Ziel .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie stocken den Etat auf, bleiben aber hinter den Erwar-
tungen in den Bereichen Wohnungs-, Umwelt-, Klima-
und Baupolitik zurück . Dieser Haushalt ist ebenso wie
die anderen Haushalte ein Haushalt der verpassten Chan-
cen . Sie nehmen sehr viel Geld in die Hand, wissen zum
Teil aber gar nicht, wo Sie es ausgeben sollen .

Wenn man in den Haushaltsentwurf schaut, stellt
man fest, dass es ein Programm mit einem Volumen von
500 Millionen Euro gibt – es ist als Platzhalter tituliert –,
bei dem es um die Beseitigung sozialer Brennpunkte
geht . Man hört jetzt, dass dieses Programm ganz in die
soziale Wohnraumförderung übernommen werden soll,
aber im Haushaltsplan ist das noch nicht vorgesehen . Ich
finde, das zeigt, wie diese Regierung arbeitet: Das ist ein
bisschen geschludert und wenig durchdacht; man hat viel
Geld in die Hand genommen, es aber nicht konzeptionell
unterlegt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie loben sich jetzt für die Mittel, die Sie für die so-
ziale Wohnraumförderung ausgeben . Dabei haben doch

die Länder in dem Treffen, in dem es um die Flüchtlings-
frage ging, der Kanzlerin und dem Finanzminister diese
Gelder abgerungen . Die Länder haben doch einen Hil-
feschrei von sich gegeben und gesagt: Wir können diese
Aufgabe angesichts der jetzigen Situation nicht bewäl-
tigen. – Ich finde, Sie schmücken sich hier mit fremden
Federn . Außerdem reichen die Gelder, die Sie hierfür in
den Haushalt einstellen – das sagen auch die Vertreter der
kommunalen Spitzenverbände –, nicht aus . Die Negativ-
spirale – minus 60 000 Sozialwohnungen pro Jahr – be-
kommen Sie mit dieser Politik nicht gestoppt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Sommer waren Sie viel unterwegs . Sie haben eine
gute Pressearbeit gemacht – das kann man als Oppositi-
on mal loben –, aber man muss sich am Ende auch am
Kabinettstisch durchsetzen . Wir erwarten, dass Sie die
Ansagen zur Baupolitik, die Sie diesen Sommer gemacht
haben – zur Privilegierung von Ställen im Außenbereich
und zu anderen Fragen –, einhalten, dass Sie sich also
nicht nur medial in Szene setzen, sondern sich auch am
Kabinettstisch durchsetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben diesen Sommer eine Verfassungsänderung
im Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau gefordert;
auch hier und heute haben Sie das getan . Ich sage es
einmal so: Das kann man fordern . Dass es wirklich et-
was ändert, glaube ich aber nicht . Der Bund kann bei der
sozialen Wohnraumförderung bereits heute viel mehr
tun, als Sie sagen . Ich glaube, auf eine Verschiebung auf
den Sankt-Nimmerleins-Tag einer Verfassungsreform,
verbunden mit schwierigen Verhandlungen zwischen
Bund und Ländern, können die Menschen angesichts der
angespannten Situation auf den Wohnungsmärkten in
Deutschland nicht warten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen: Hätten Sie die Negativspirale wirklich
stoppen wollen, dann, glaube ich, hätten Sie diesen Som-
mer sagen müssen: Wir wollen, dass es in Deutschland
die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit
gibt . – Ich glaube, das wäre ein wirklich guter Debatten-
beitrag gewesen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Caren Lay [DIE LINKE] – Ulli Nissen [SPD]: Daran arbeiten wir!)


Es braucht wieder öffentliches Geld für öffentliche
Güter . Es braucht eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit .
Wir haben das abgebildet, auch in unseren Vorschlägen
zu diesem Haushalt . Wir werden diese Forderung wei-
terhin erheben . Dafür braucht es keine Verfassungsände-
rung . Hier können Sie schnell handeln . Hier können Sie
auch ein Sofortprogramm auflegen. Wir Grünen haben in
unseren Anträgen gezeigt, wie das gehen kann . Wir sa-
gen: Mit der Schaffung von 1 Million bezahlbarer Woh-
nungen in den nächsten zehn Jahren ist die Spirale zu
stoppen . – Hier sind wir ein ganzes Stück weiter als diese
Bundesregierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Marie-Luise Dött






(A) (C)



(B) (D)


Baupolitisch ist dies ein Haushalt der verpassten
Chancen. Ich finde kein Programm zur energetischen
Quartierssanierung . Michael Groß und ich haben dieses
Thema sehr oft debattiert, im Ausschuss und anderswo .
Wo in diesem Haushalt ist denn der Impuls für den Kli-
maschutz im Quartier? Ich kann ihn nicht finden. Die
Sanierungsrate liegt immer noch bei unter 1 Prozent .
Die erneuerbaren Energien im Gebäudebereich dümpeln
bei einem Anteil von unter 10 Prozent vor sich hin . Das
reicht nicht aus . Deswegen ist dieser Haushalt ein Haus-
halt der verpassten Chancen, auch beim Klimaschutz im
Gebäudebereich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Caren Lay [DIE LINKE])


Ja, auch mir fehlt eine ehrliche Analyse beim Wohn-
geld. Ich finde, dieser Haushalt ist ein Offenbarungseid.
Ich sage nur: minus 13 Prozent . Das zeigt doch, dass
Ihre Wohngeldnovelle ein Rohrkrepierer war, dass die
Dynamisierung fehlt und dass Sie nun die Kommunen
belasten, weil viele Menschen aus dem Wohngeldbe-
zug herausfallen und wieder in den Bezug der Kosten
der Unterkunft rutschen . Das belastet die Kommunen in
Deutschland, hilft denjenigen, die aus dem Wohngeldbe-
zug herausfallen, aber nicht . Deswegen, glaube ich, ist
dieses Reformprojekt in dieser Legislaturperiode ein Of-
fenbarungseid . Dieser Haushalt zeigt, dass es gescheitert
ist . Das weiß jetzt jeder .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Caren Lay [DIE LINKE])


Wir werden Ende dieses Monats HBCD, einen Brand-
hemmer, der im Wärmedämmverbundsystem verbaut
ist, als Sondermüll einstufen . Damit werden Tonnen von
Sondermüll an deutschen Wänden kleben . Diese Bundes-
regierung reagiert darauf in diesem Haushalt überhaupt
nicht, anstatt ein entsprechendes Programm aufzulegen
und deutlich zu machen, wie man ökologische, nach-
wachsende Baustoffe fördern und im Rahmen der Bau-
politik Umwelt- und Klimaschutz wirklich miteinander
verbinden will . Die Antwort auf diese Fragen bleiben Sie
schuldig. Ich finde, ein solches Programm fehlt. Deswe-
gen versagen Sie bei dieser Kernfrage auch in der Um-
welt- und Baupolitik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Dött, wer Bauland mobilisieren will, der muss
die Kategorie „urbanes Gebiet“ auf den Weg bringen .
Wir werden die Regierung, aber auch Sie von der Union
daran messen, ob Sie in dieser Frage wirklich zu Potte
kommen oder nicht . Ich hoffe, dass Sie hier nicht blo-
ckieren . Denn das ist die eigentliche Baulandfrage: Wie
kann man im Innenbereich die Nachverdichtung organi-
sieren, ohne dabei die letzten Freiflächen zu opfern? Des-
wegen braucht es das „urbane Gebiet“ . Ich hoffe, dass
die Union hier nicht, wie bei anderen bau-, klima- und
wohnungspolitischen Fragen, auf der Bremse steht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist der letzte
Haushalt in dieser Legislaturperiode . Er sagt viel über
den Zustand dieser Koalition aus . Sie sind längst beim
kleinsten gemeinsamen Nenner angekommen – dafür

ist die Rede von Frau Dött, wie ich finde, ein gutes Bei-
spiel –, Sie blockieren sich, Sie befinden sich im Dauer-
streit, und Sie bekommen in der Wohnungs- und Baupo-
litik wenig gebacken . Deswegen ist dieser Haushalt ein
Haushalt der verpassten Chancen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803300

Der Kollege Steffen-Claudio Lemme hat für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1818803400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach drei Oppositionsreden wird es Zeit, dass jemand
das Wort ergreift, der eine Rede für die Regierung hält .


(Beifall bei der SPD)


Kein anderer Einzelplan ist den Herausforderungen
unserer Zeit so gut gewachsen wie der vorgelegte Haus-
halt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit .

Lassen Sie mich das Ihnen kurz anhand eines zwei-
teiligen Beispiels erläutern . Zum einen gehören die
Umweltveränderungen und -katastrophen wie Dürren,
Hunger und Artensterben und die dadurch verschärften
Verteilungskonflikte zu den Hauptfluchtursachen. In den
Ländern, die Fluchtziele sind, führt dies zu der Notwen-
digkeit, eine neue soziale Grundausstattung bereitzu-
stellen . Natürlich ist eine Wohnung dabei die wichtigste
Grundvoraussetzung, um gesellschaftlich teilhaben, aber
eben auch ankommen zu können .

Diese einfach zu verstehenden Zusammenhänge ma-
chen deutlich, warum wir in dem von mir als Hauptbe-
richterstatter betreuten Einzelplan zu Recht den größten
Aufwuchs aller Einzelpläne verzeichnen können . Die
vorgesehenen Ausgaben steigen um rund 900 Millionen
Euro auf nunmehr circa 5,4 Milliarden Euro . Das sind im
Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent mehr .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kommen wir zum Umweltbereich . Im wichtigen Um-
weltbereich ist die internationale Klimaschutzpolitik ei-
nes der Schwerpunktthemen der Koalition . Im Jahr 2017
stehen dafür rund 387 Millionen Euro zur Verfügung .
Ab 2018 werden diese Mittel um jährlich 75 Millionen
Euro aufgestockt . Diese Steigerung ist sinnvoll, da damit
Klimaschutzprojekte in Schwellen- und Entwicklungs-
ländern unterstützt werden . Wir leisten somit nicht nur
einen Beitrag zur Erfüllung der Klimaschutzziele von Pa-
ris . Wir tragen auch zur Verbesserung der Lebensverhält-
nisse in den Schwellenländern bei . Gerade mit Blick auf
die genannten Zusammenhänge zwischen Umweltschutz
und Konflikten, die Migration auslösen, sollten wir die
Anstrengungen in diesem Bereich weiter ausbauen .

Christian Kühn (Tübingen)







(A) (C)



(B) (D)


Die Forschung spielt dabei eine zentrale Rolle . Mit In-
novationen im Umweltbereich leistet Deutschland einen
Beitrag dazu, den Menschen neue Perspektiven in ihren
Heimatländern zu bieten . Es ist daher richtig, dass wir
auch die Forschungsmittel gegenüber 2016 von 43 Mil-
lionen auf 57,5 Millionen Euro steigern können . Flanki-
eren müssen wir solche Anstrengungen auch mit einem
gezielten Export dieser Technologien . Dabei dürfen na-
türlich nicht nur rein wirtschaftliche Interessen im Vor-
dergrund stehen .

Meine Damen und Herren, lassen mich nun zur innen-
politischen Dimension kommen, deren Schwerpunkt im
Baubereich liegt . Die Lage am Wohnungsmarkt hat sich
in den vergangenen Jahren zunehmend verschärft . Des-
halb haben wir als SPD für eine satte Mittelsteigerung
im Wohnungsbau gekämpft und dies auch durchsetzen
können . In den kommenden Jahren lässt der Bund – Frau
Ministerin Hendricks wies darauf hin – circa 1,5 Milli-
arden Euro in die Wohnraumförderung fließen, ein Spit-
zenwert .


(Beifall bei der SPD)


In diesem Zusammenhang möchte ich auch daran er-
innern, dass wir uns im Parlament über eine zukünftige
praktikable Lösung für die Wohnraumförderung einig
werden müssen; denn ab 2019 darf der Bund laut Arti-
kel 143c Grundgesetz für die soziale Wohnraumförde-
rung kein Geld mehr zuschießen . Liebe Kolleginnen und
Kollegen, wir laufen hier auf eine erneute Zuspitzung der
Lage zu .


(Ulli Nissen [SPD]: Deshalb müssen wir dringend etwas ändern!)


Besonders wichtig ist mir, dass wir endlich von den
reinen Betoninvestitionen in Wohnraum wegkommen .
Ein gutes Signal ist es, dass wir unter dem Stichwort „So-
ziale Stadt“ neben der klassischen Städtebauförderung
mit 200 Millionen Euro gezielt auch Maßnahmen zur
Verbesserung der sozialen Infrastruktur fördern wollen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


also Schulen, Kitas, Bürgerhäuser, Stadtteilzentren . Die
Liste ließe sich fortführen . Natürlich kann und wird dies
nur mit einer entsprechenden personellen Ausstattung
funktionieren .

In diesem Zusammenhang wurde auch die klassische
Städtebauförderung gestärkt . Als Thüringer Abgeordne-
ter freut es mich, dass wir für das Programm „Stadtumbau
Ost“ eine Aufstockung um 15 Millionen auf 120 Millio-
nen Euro jährlich erreichen konnten . Nun ist eine Zusam-
menführung der Stadtumbauprogramme Ost und West
geplant . Der Osten darf dabei natürlich nicht schlechter
gestellt werden . Nach wie vor stehen die neuen oder noch
jungen Bundesländer vor besonderen Herausforderun-
gen. Eine davon ist sicherlich der demografische Wandel.
Wir müssen den Städtebau daran anpassen . Unsere ältere
Bevölkerung hat ein Recht darauf, dass besondere Rück-
sicht auf ihre Bedürfnisse genommen wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist gut und richtig, dass wir vor diesem Hintergrund
mehr Geld in die Hand nehmen und den privaten Ein-
bruchschutz mit 50 Millionen Euro jährlich fördern . Das
Geld kommt momentan aber noch nicht dort an, wo wir
es haben wollen, beispielsweise bei denjenigen nicht, die
mit geringem Aufwand ihre Eingangstür mit einem si-
cheren Schloss ausstatten wollen . Hier müssen wir die
Förderkonditionen noch wesentlich anpassen .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Das Förderprogramm zum Einbruchschutz ist derzeit
mit dem Förderprogramm zum altersgerechten Umbau
gekoppelt . Besser gesagt: Es war mit diesem Programm
gekoppelt . Das Finanzministerium hat hierfür nämlich
leider kein zusätzliches Geld mehr zur Verfügung ge-
stellt . Das ist für mich vollkommen unverständlich .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir hatten mit dem Förderprogramm „Altersgerecht
Umbauen“ ein Programm, mit dem wir es den Menschen
mit einfachen Mitteln ermöglichten, länger in ihren ei-
genen vier Wänden zu wohnen, indem sie zum Beispiel
ihre Türen erweitern und den Einstieg in die Badewanne
vertiefen, um nicht umständlich über den hohen Rand hi-
neinklettern zu müssen, und weitere notwendige Anpas-
sungen vornehmen . Dieses Geld war auf jeden Fall gut
investiert. Wir haben damit sogar Kosten für Pflege und
Heime gespart und ermöglicht, dass Menschen länger
in ihrem angestammten Wohnraum, ihren eigenen vier
Wänden, wohnen bleiben konnten .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Gut, dass Sie das ansprechen!)


Daher werde ich in den Verhandlungen für eine Wieder-
auflage und Fortführung des Förderprogramms „Alters-
gerecht Umbauen“ in 2017 kämpfen, damit die entspre-
chenden Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803500

Kollege Lemme, achten Sie bitte auf die Zeit .


Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1818803600

Zum Schluss darf ich mich bei Frau Ministerin Barbara

Hendricks recht herzlich bedanken, weil sie mit dem nun
aufgestellten Haushaltsplan für 2017 wesentlich zum so-
zialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beiträgt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803700

Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)


Steffen-Claudio Lemme






(A) (C)



(B) (D)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Damen und

Herren! Frau Umweltministerin Hendricks, dass die Ko-
alition für den klassischen Klimaschutz im Jahr 2017
10 Prozent, also 58 Millionen Euro, mehr bereitstellen
will, freut die Linke. Damit hätten Sie zumindest finanzi-
ell ein Viertel unserer Forderungen vom letzten Jahr er-
füllt . Das ist doch mal ein Anfang . Hier muss aber noch
mehr gehen .

In Braunsbach in Baden-Württemberg, in Ilmenau in
Thüringen und in vielen anderen Orten leiden die Be-
wohner noch heute unter den Folgen des Starkregens in
diesem Frühsommer . Frau Dött, es ist mir unverständ-
lich, wie Sie angesichts dieser Ereignisse noch mehr
Bauland und Versiegelungen in den Außenbereichen un-
serer Kommunen fordern können, ohne Maßnahmen für
den Hochwasserschutz hinzuzufügen . Das führt nämlich
beim nächsten Mal zu noch höheren Sturzfluten und noch
mehr Schäden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt aber Möglichkeiten, die Folgen von Starkre-
gen abzumildern . Der Forstbetrieb in Thüringen leistet
einen Waldumbau, um Monokulturen aus Fichten in
Laubmischwälder umzugestalten . Der Umbau dauert
Jahre . Gelingt er, dann kann der Waldboden die vierfache
Menge an Regenwasser aufnehmen und speichern, als es
ein Fichtenwald schafft . Das verringert Hochwasserspit-
zen und Sturzfluten – insbesondere in den Orten in den
Bergen .

Der Umbau kostet je nach Standort zwischen 3 000
und 6 000 Euro pro Hektar . Die rot-rot-grüne Landes-
regierung in Thüringen unterstützt ThüringenForst bei
diesem Umbau . Vielen kommunalen und privaten Wald-
besitzern fehlen aber Kenntnisse, Kraft und finanzielle
Mittel, um einen solchen Waldumbau zu stemmen . Auch
Thüringen könnte beim Waldumbau schneller vorankom-
men, gäbe es zusätzliche Unterstützung vom Bund .


(Beifall bei der LINKEN)


Ein umweltfreundlicher Waldumbau erfordert übri-
gens viel Handarbeit . Das schafft neue Arbeitsplätze .
Lassen Sie uns hier ein Förderprogramm auflegen oder
den Waldklimafonds aufstocken . Die Linken und Thürin-
gen unterstützen Sie dabei .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, selbst uns Politikern fällt
es schwer, die versteckten Risiken bei der Umsetzung
von Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP zu er-
kennen . In South Carolina wurde das Insektizid Naled
großflächig zur Mückenbekämpfung eingesetzt. In der
Folge starben neben den Mücken auch Millionen von
Bienen .

Naled ist in der EU bisher nicht zugelassen, weil es
Bienen gefährdet, es bei Menschen Allergien auslösen
kann und im Verdacht steht, toxisch auf die Nerven zu
wirken . Nach dem bisherigen Vorsorgeprinzip der EU
wird Naled in Europa nicht eingesetzt werden können –

noch nicht; denn in Kanada ist Naled erlaubt . Mit der Ra-
tifizierung von CETA ist der Einsatz von Naled in der EU
nicht mehr zu verhindern, und zwar aus zwei Gründen .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Quatsch!)


Erstens . Mit CETA erfolgt eine gegenseitige Anerken-
nung der Zulassungen .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein, nicht generell! Es gibt keine generelle Anerkennung!)


Zweitens . Der Einsatz von Naled dürfte erst verboten
werden, wenn die EU wissenschaftlich nachweist, dass
Naled mit einhundertprozentiger Sicherheit am Sterben
der Bienenvölker schuld ist, also alle anderen Möglich-
keiten des Bienensterbens ausgeschlossen sind . Das wird
teuer und dauert .

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch für den Bun-
deshaushalt können durch CETA Zusatzkosten entstehen .
Bei der Zulassung neuer Chemikalien in der EU müssen
die Herstellerfirmen nach der EU-Chemikalienrichtlinie
auf ihre Kosten den Nachweis erbringen, dass die Mittel
unbedenklich sind . Die Hersteller müssen die Untersu-
chung und die Zulassung bezahlen . Das kostet im Durch-
schnitt 100 000 Euro je Anwendung .

Mit der Ratifizierung von CETA oder TTIP ändert sich
dies . Dann müssen die Firmen den Behörden die Anwen-
dung neuer Chemikalien nur anzeigen .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: TTIP ist noch gar nicht fertig! Das ist noch gar nicht verhandelt worden!)


Nur wenn die Behörde einen wissenschaftlichen Beweis
hat, darf sie die Anwendung der Chemikalie verbieten .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja unglaublich!)


Das dauert und kostet natürlich viel Geld, Steuergeld .
Ergo: Naled könnte auch in Europa versprüht werden .
Derzeit gibt es jährlich 5 500 neue Chemikalienanwen-
dungen in der EU . Sollen die bisherigen europäischen
Standards auch mit CETA eingehalten werden, müssten
die Steuerzahler die Überprüfung bezahlen . Also, 5 500
mal 100 000 Euro: Das macht 550 Millionen Euro pro
Jahr .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,
mit der Ratifizierung von CETA ist entweder Ihr Um-
welthaushalt oder der Verbraucher- und Umweltschutz
gefährdet . Genau deshalb lehnt die Linke CETA und
TTIP ab .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir alle wollen leckeren Honig essen, am besten re-
gional erzeugten . Wir alle wollen die neue Sonnencreme
nutzen, ohne Angst vor allergischen Ausschlägen oder
Pickel zu haben . Die Linke will, dass Chemiekonzerne
weiterhin die Ungefährlichkeit ihrer Produkte auf eige-
ne Kosten nachweisen müssen . Es darf nicht sein, dass
unsere Gesellschaft diese Untersuchung bezahlt . Statt
mit CETA die Profite der Chemiekonzerne zu steigern,
will die Linke Steuergelder in Bildung, in Wohnungen, in






(A) (C)



(B) (D)


Renten, in bessere Lebensverhältnisse und auch in Wald-
umbau und Hochwasserschutz investieren .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich kann nur sagen: Wehren wir uns gemeinsam ge-
gen diese Abkommen: auf den Großdemonstrationen
am 17 . September in Hamburg, in Berlin, in Stuttgart,
in Frankfurt, in München, in Köln und in Leipzig . Liebe
Bürgerinnen und Bürger, zusammen können wir CETA
und vielleicht auch TTIP verhindern . Treffen wir uns also
am 17 . September . Ich bin in Leipzig dabei .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818803900

Das Wort hat der Kollege Christian Haase für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christian Haase (CDU):
Rede ID: ID1818804000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Herr Lenkert, es ist ja interessant, wie Sie
Naled zum neuen Chlorhühnchen machen wollen . Aber
keine Angst: Weder von CETA noch von TTIP bekommt
man in Deutschland Pickel . Also, an dieser Stelle viel-
leicht etwas ruhiger und etwas sachlicher .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich beginne direkt mit einer guten Nachricht, weil sie
heute noch gar nicht gesagt worden ist: Der ausgegliche-
ne Haushalt wird zur Normalität in Deutschland .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass wir nun eine komplette Wahlperiode und darüber
hinaus ohne neue Schulden auskommen, ist ein wichti-
ges Zeichen für die Zukunft . Klar ist aber auch, dass wir
diese schwarze Null immer wieder aufs Neue gegen die
Unverbesserlichen verteidigen müssen, die auf Kosten
der jungen Generation neue Schulden aufnehmen wollen .

Dabei haben wir wichtige Ziele noch gar nicht er-
reicht . Die Bundesrepublik Deutschland hat immer noch
einen Schuldenberg . Die Schuldenstandsquote liegt im-
mer noch 8 Prozentpunkte über der im Maastricht-Ver-
trag vorgegebenen Quote . Das heißt, es gibt noch genug
Aufgaben, bevor wir neue Schulden aufnehmen .

Im Haushalt des Bundesumweltministeriums möchte
ich zunächst auf den geplanten Stellenzuwachs eingehen:
92 neue Stellen . Ich bin froh, dass das Entfristungskon-
zept, das wir vereinbart haben, endlich umgesetzt wird .

Der hohe Bedarf an neuen Stellen ist aber auch eine
Folge der Verschiebung des Baubereiches aus dem Ver-
kehrs- zum Umweltministerium . Erst 2017 und damit
im letzten Jahr der Wahlperiode hat das BMUB genug
Personal, um die neuen Aufgaben zu bewältigen und alle
Synergieeffekte zu nutzen .

Inhaltlich will ich gar nichts gegen die Ressortver-
schiebung sagen . Sicherlich gibt es dabei gute Verschrän-
kungen, etwa beim energieeffizienten Bauen und bei der
nachhaltigen Stadtentwicklung . Aber das war vorher

zwischen den Bereichen Verkehr und Stadtentwicklung
nicht anders .

Ich möchte nur die Gelegenheit nutzen, an etwas mehr
Kontinuität zu appellieren . Die Bürgerinnen und Bürger
verlassen sich darauf, dass der Staat seine Ressourcen
verantwortungsvoll einsetzt . Daher hoffe ich darauf, dass
es in der neuen Wahlperiode nicht zu so gravierenden
Ressortverschiebungen kommt, nur weil ein Vizekanzler
Sonderwünsche hat . Mehr Zuständigkeiten alleine ma-
chen noch keinen erfolgreichen Minister aus .


(Ute Vogt [SPD]: Ihr seid ein bisschen übermütig heute!)


Noch eine Anmerkung zum Stichwort „Kontinuität“ .
Regelmäßig müssen die Mitarbeiter der Bundesministe-
rien in Bonn hören, wie hochrangige Politiker den Stand-
ort infrage stellen . Konkrete Pläne gibt es allerdings
nicht . Die Staatsdiener am Standort Bonn sind dennoch
stark verunsichert . Gerade von unserer rheinischen Mi-
nisterin und Berlin/Bonn-Beauftragten wundern mich
diese Töne . Noch in diesem Jahr soll es also eine ergeb-
nisoffene Bestandsaufnahme geben . Ich bin gespannt,
Frau Hendricks, was Sie uns dann präsentieren werden .

Im Programmhaushalt steht in diesem Jahr die Baupo-
litik zu Recht im Vordergrund . Bevor ich auf die einzel-
nen Förderprogramme zu sprechen komme, möchte ich
noch ein paar lobende Worte zu der Initiative „Reform
Bundesbau“ sagen, die Frau Hendricks in diesem Jahr
angestoßen hat . Öffentliche Großprojekte sind in Verruf
gekommen . Der letzte Neuzugang ist die Kölner Oper .
Davor stritten bereits Stuttgart 21, die Hamburger Elb-
philharmonie und der Flughafen Berlin-Brandenburg um
die Spitzenplätze bei Bauverzögerung und Kostenexplo-
sion .

Auch wenn in diesen prominenten Fällen der Bund gar
nicht der Bauherr ist, ist es natürlich sehr löblich, dass
das BMUB bei seinen Hochbauprojekten die Wirtschaft-
lichkeit erhöhen will . Das Berliner Stadtschloss zeigt,
dass Großprojekte auch funktionieren können .

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zum öffentli-
chen Hochbau ist die Städtebauförderung eine ausnahms-
lose Erfolgsgeschichte . Jeder Euro für eines der Städte-
bauprogramme ist gut investiertes Geld, auch wenn man
es natürlich übertreiben kann . In den Eckwerten gab es
ein Plus von 300 Millionen Euro: komplett – so sah es
zunächst aus – für das Programm „Soziale Stadt“ . Dabei
ist das Programm „Soziale Stadt“ bereits seit der Erhö-
hung der Mittel vor drei Jahren von 40 Millionen Euro
auf 150 Millionen Euro überfinanziert. Zuletzt mussten
2015 20 Millionen Euro an die anderen Städtebaupro-
gramme weitergegeben werden .

Deshalb bin ich heilfroh, dass jetzt immerhin 50 Mil-
lionen Euro mehr an die Programme zum Stadtumbau
gehen . Die aktuelle Evaluierung dieser Programme vom
Mai dieses Jahres zeigt, dass das Geld dort gut aufgeho-
ben ist .

Im Gegensatz dazu schwingt beim Programm „So-
ziale Stadt“ viel Ideologie mit . Ich hoffe sehr, dass die
kurz vor dem Abschluss stehende Evaluation ohne ideo-
logische Scheuklappen erfolgt ist . Auch die 40 Millionen

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


Euro plus, die der Entwurf des Bundeshaushalts immer
noch für das Programm „Soziale Stadt“ vorsieht, wären
bei den anderen Städtebauprogrammen vielleicht besser
aufgehoben . Ob für aktive Stadtzentren oder Denkmal-
schutz, ob für Stadtumbau oder kleinere Städte und Ge-
meinden: Diese Programme sind durchweg erfolgreich
und könnten mehr Mittel gut gebrauchen . Oder – das
wäre vielleicht die beste Idee – wir legen ein ganz neues
Programm zum Thema „Grün in der Stadt“ auf . Hier liegt
sicherlich die Zukunft .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt!)


In meinem Wahlkreis habe ich fünf tolle Städtebau-
projekte mit dem Ziel, die Attraktivität der Innenstädte
von Brakel, Detmold, Höxter, Steinheim und Warburg
zu erhöhen . Diese Programme ziehen erhebliche private
Investitionen nach sich . So sieht gut eingesetztes Steuer-
geld in Deutschland aus, meine Damen und Herren .

Die restlichen 200 Millionen Euro an zusätzlichen
Mitteln sind für das neue Städtebauprogramm „Soziale
Integration im Quartier“ eingeplant . Ich unterstütze die-
se Entscheidung ausdrücklich . Man muss zwar jetzt viel
Geld in die Hand nehmen, langfristig aber würden uns
Versäumnisse deutlich teurer zu stehen kommen . Die In-
tegration der zahllosen Flüchtlinge ist eine gigantische
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und der Bund leistet
selbstverständlich seinen Beitrag .

Daher ist es auch akzeptabel, dass der Bundesanteil
bei diesem Programm höher ausfallen soll als bei anderen
Städtebauprogrammen . Aber natürlich – das dürfen wir
in der ganzen Debatte im Bundestag nicht vergessen –
haben sich auch die Steuereinnahmen bei den Ländern
erhöht . Außerdem fällt die Hebelwirkung des Programms
deutlich niedriger aus, wenn Land und Kommunen, wie
bisher geplant, nur 85 Millionen Euro anstatt der ansons-
ten üblichen 400 Millionen Euro zusätzlich beisteuern .
Andererseits wissen wir um die Notlage in einigen Städ-
ten Deutschlands . Hier muss eine kluge Abwägung her .

Der Fokus im Programm „Soziale Integration im
Quartier“ muss aber eindeutig auf investiven städtebauli-
chen Maßnahmen liegen . Die Finanzierung von Personal
sollte – anders als im Programm „Soziale Stadt“ – mit
erheblichen Auflagen verbunden sein. Wir werden darauf
achten, dass die Förderung nicht nur einzelnen Großstäd-
ten, sondern auch kleineren Gemeinden zugutekommt .
Nicht zuletzt durch die Wohnsitzauflage, die von den
Ländern leider nur schleppend umgesetzt wird, gibt es
auch in ländlichen Regionen Förderbedarf beim Thema
Integration . Die anerkannten Flüchtlinge werden – wie
bekannt – den Wohnungsmangel weiter verschärfen,
wenn wir jetzt nichts unternehmen . Das „Wir“ umfasst
Bund und Länder . Aktiv wird aber nur der Bund . Zu-
sätzlich zu den Kompensationsmitteln, die wir bereits
auf 1 Milliarde Euro verdoppelt haben, stellt der Bund
ab 2017 500 Millionen Euro für ein Wohnungsbaupro-
gramm zur Vermeidung sozialer Brennpunkte zur Ver-
fügung . Die Fördergebiete sollen sich auf Regionen be-
schränken, die nachweislich Bedarf haben . Das ist gut;
denn durch eine Förderung darf nicht über Ost oder West,

Nord oder Süd und erst recht nicht über Groß oder Klein
entschieden werden .

Auch wenn der Bund jetzt aktiv wird, sollten die Län-
der ihrer Verantwortung ebenfalls gerecht werden . Das
Jahr 2020 und damit das Ende der Kompensationszah-
lungen für die soziale Wohnraumförderung rücken un-
weigerlich näher . Momentan ist die Strategie der Län-
der: Totstellen und schauen, was der Bund macht . – Es
ist kontraproduktiv, diese Strategie mit einer Forderung
nach einer Grundgesetzänderung noch zu unterstützen .
Wir müssen aber in jedem Fall die Vermengung von Ver-
antwortlichkeiten vermeiden . Der Bund zahlt, hat aber
keine Kontrolle, worin die Länder investieren oder ob sie
ihre Investitionen in gleicher Höhe reduzieren .

Sinnvolle Förderprogramme erkennt man oft an der
hohen Nachfrage . So ist das bei den KfW-Programmen
zum Einbruchschutz und zum altersgerechten Umbau .
Die CDU/CSU-Fraktion hat sich erfolgreich dafür einge-
setzt, dass wir die Zuschüsse für die Einbruchsicherung
auf 50 Millionen Euro verfünffachen und hoffentlich
über 2017 hinaus fortführen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Beim altersgerechten Umbau besteht allerdings schon
jetzt akuter Handlungsbedarf . Da muss auf dem Weg
vom Referat zur Ministerin irgendwo der Titel verloren
gegangen sein . Es kann nicht sein, dass für ein höchst
erfolgreiches Programm keine Mittel mehr für neue An-
träge vorhanden sind . Notfalls müssen wir schauen, ob
wir innerhalb des Ministeriums umschichten können . Ich
freue mich, dass Herr Lemme in die gleiche Richtung
denkt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Haushaltsberatungen eröffnen auch immer den Blick
auf das große Ganze . Als Vertreter des ländlichen Raums
erlauben Sie mir deshalb abschließend folgende Anmer-
kung: Die aktuelle Agrarmarktkrise setzt die gesamte
Landwirtschaft massiv unter Druck . Das Konjunktur-
barometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes ver-
deutlicht dies eindrücklich . Die Stimmung in der Land-
wirtschaft nähert sich dem Rekordtief von 2009 . Die
Liquidität vieler Betriebe ist stark belastet . An Investi-
tionen ist kaum noch zu denken . Doch gerade diese sind
unverzichtbar, um zukunftsfähig zu sein . Die Sicherung
einer nachhaltigen und zugleich bäuerlich-unternehmeri-
schen deutschen Landwirtschaft liegt zunächst einmal in
den Händen der Landwirte selbst und ihrer Marktpartner .
Aber auch Politik und Gesellschaft sind gefordert . Politik
steht in der Verantwortung – und das gilt parteiübergrei-
fend –, die wirtschaftlichen Realitäten zu berücksichti-
gen und der Landwirtschaft als einen bedeutenden Wirt-
schaftszweig den Rücken zu stärken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen Investitionen ermöglichen und stärken, statt
sie zu verhindern . Marktverdrängung ins Ausland hilft
bei der Erreichung unserer Ziele nicht . Ich warne aus-
drücklich davor, den Wahlkampf auf dem Rücken der
Bäuerinnen und Bauern auszutragen . Arbeiten wir mit
ihnen zusammen statt gegen sie .

Christian Haase






(A) (C)



(B) (D)


Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818804100

Die Kollegin Bärbel Höhn hat für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen das Wort .


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818804200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin Hendricks, Sie haben Ihre Rede mit
dem Hinweis auf die 30-jährige Erfolgsgeschichte des
Umweltministeriums und die Arbeit, die dort geleistet
wurde, begonnen . In der Tat haben wir uns über viele
Jahrzehnte einen guten Ruf im Umweltbereich weltweit
erwerben können . Aber wichtiger ist, zu schauen, was
in den letzten drei Jahren passiert ist . Ich will in meiner
Haushaltsrede eine Bilanz der Umwelt- und Klimapolitik
der letzten drei Jahre ziehen . Ich komme dabei zu voll-
kommen anderen Resultaten als Sie . Sie haben eben den
Klimaschutzplan in den höchsten Tönen gelobt . Als es
um den Kohleausstieg ging, haben Sie gesagt, dass davon
noch niemand zuvor geredet hat . Entschuldigen Sie, aber
Sie selber haben vor der Konferenz in Paris gesagt: Ich
halte den Kohleausstieg ohne Strukturbrüche in 20 bis
25 Jahren für möglich . – Sie haben mit dieser Aussage
recht und sollten dazu auch stehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Außerdem haben Sie danach gesagt: Wir müssen in
den nächsten 25 bis 30 Jahren aussteigen . – Auch das
ist noch ganz richtig . Ursprünglich war in Ihrem Kli-
maschutzplan immer noch die Formulierung zu finden:
Kohleausstieg deutlich vor 2050 . – Genau diese Formu-
lierung hat der Kollege Gabriel Ihnen herausgestrichen .
Die anderen Ministerien, also die Bundesregierung sel-
ber, sorgen dafür, dass Klimaschutz in der notwendigen
Form hier in Deutschland nicht stattfinden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin Dött, wenn Sie das alles der Kollegin
Hendricks in die Schuhe schieben, auch dass man die
Ziele für 2020 nicht erreichen kann, dann nehmen Sie
bitte schön auch die Minister der CDU und CSU in
die Verantwortung . Wir haben einen Verkehrsminister
Dobrindt, und wir haben einen Landwirtschaftsminister
Schmidt . Genau die müssten ihren Beitrag zum Klima-
schutz leisten, übrigens auch bis 2020, sonst schaffen wir
das nicht . Aber sie tun nichts dafür .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In jedem dieser Bereiche haben wir Probleme . Eben
ist so oft der Aufwuchs der Mittel im internationalen Kli-
maschutz gelobt worden . In der Tat, Kanzlerin Merkel
hat vor der Konferenz in Paris verkündet, die Mittel für
den internationalen Klimaschutz würden verdoppelt .
Rechnen wir doch einmal nach . Es gibt eine Erhöhung
um 50 Millionen Euro . Aber der größte Teil davon,
42 Millionen Euro, ist keine Erhöhung, sondern nur eine
Verschiebung, und zwar vom Einzelplan 23 in den Um-
weltetat .

Wenn Sie sich das am Ende ausrechnen, dann ergibt
sich eine Erhöhung nicht auf 200 Prozent, wie es die
Kanzlerin verkündet hat, sondern genau um 2,37 Pro-
zent . Das heißt, wenn Sie alles zusammenrechnen, haben
Sie keinerlei Erhöhung der Mittel für den internationalen
Klimaschutz . Das ist eine Blamage angesichts dessen,
was Sie vorher immer verkündet haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt – darauf hat der Kollege Haase hingewiesen –
in dieser Bundesregierung auch kein Konzept, wie man
die Probleme im Spannungsverhältnis zwischen Umwelt
und Landwirtschaft löst . Deshalb müssen wir in der Tat,
Herr Haase, genau darüber reden . Schauen wir uns doch
einmal die klassischen Konflikte an: Naturschutz, Was-
ser, Luft gegenüber intensiver Landwirtschaft .

Wir haben seit Jahren einen Nitrateintrag in Deutsch-
land, der einfach zu hoch ist . Auf die letzte Anfrage, die
ich in der Sommerpause an die Bundesregierung gestellt
habe, kam als Antwort zurück: 26 Prozent der Grundwas-
serkörper liegen über 50 Milligramm pro Liter . Eine Flä-
che von genau 29,3 Prozent von Deutschland ist betrof-
fen davon . Also rund 30 Prozent der Fläche Deutschlands
liegen über Grundwasserkörpern, die einen zu hohen
Nitratwert haben . Das kommt daher, weil wir zu viele
Tiere sowie zu viel Gülle haben, die über die Flächen in
das Wasser kommt . Das müssen wir ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Vor zwei Jahren hat die Ministerin dazu gesagt: Wir
haben eine Einigung erzielt, es gibt eine Hoftorbilanz,
alles wird gut . – Zwei Jahre sind vergangen . Das Einzige,
was passiert ist, ist, dass die EU zunehmend ungehaltener
wird und die nächste Stufe des Vertragsverletzungsver-
fahrens eingeleitet hat . Das ist blamabel für die Politik
dieser Bundesregierung . Am Ende siegt bei Ihnen immer
das Interesse der intensiven Landwirtschaft, nicht der
Naturschutz, nicht das Wasser und nicht die Luft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie können noch so viele Vorschläge für andere Stall-
bauten oder zum Beispiel zur ersten Säule machen, Frau
Ministerin, Sie kommen mit Ihren Vorschlägen nicht
durch . Das ist doch der Punkt . Sie machen tausend gute
Vorschläge, aber am Ende ist die Bilanz null . Die Bilanz
ist aber das, was am Ende zählt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein anderes Beispiel ist das dramatische Insekten-
sterben . Das Problem haben wir uns im Ausschuss vor-
genommen . 70 Prozent der Individuen, 25 Prozent der
Arten sind verschwunden . Die Experten sagen, dass ein
Hauptgrund Pestizide sind, vor allem Neonicotinoide .
Die neuesten Studien bestätigen genau diesen Zusam-
menhang . Frankreich hat mittlerweile ein Totalverbot
erlassen . Das ist jetzt sogar vom obersten Gerichtshof
bestätigt worden .

Was macht der Landwirtschaftsminister? Teilverbote
in bestimmten Bereichen . Dafür will er sich noch loben

Christian Haase






(A) (C)



(B) (D)


lassen . Nein, wir brauchen ein Totalverbot der Neonicoti-
noide, um die Insekten, speziell die Bienen, zu schützen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Seit Jahren haben wir schlechte Luftwerte . Die Euro-
päische Umweltagentur EEA hat jetzt Deutschland zum
Europameister der Stinker gemacht . Nur in Deutschland
wurden nach diesem Bericht 2014 bei drei der vier Luft-
schadstoffe die Grenzwerte gerissen: Stickoxide, Ammo-
niak und flüchtige organische Verbindungen. Das ist ein
trauriger Rekord . Daran müssen Sie sich messen lassen .
Machen Sie wieder Umweltpolitik, sorgen Sie wieder für
saubere Luft .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dafür müssen Sie dem Verkehrsminister auf die Füße
treten . Denn wenn die Emissionen in den Städten nicht
sinken, sind die Fußgänger, die Radfahrer und die An-
wohner die Leidtragenden . Das ist auch ein Gesundheits-
problem . Ändern Sie deshalb endlich die Politik des Ver-
kehrsministers .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss . Im Zusammenhang mit dem
Abfallbereich wurde immer vom Wertstoffgesetz gespro-
chen . Das Wertstoffgesetz wurde in der Sommerpause
beerdigt . Dann wurde auf die Verpackungsverordnung
verwiesen . In der Verpackungsverordnung haben wir
eine Mehrwegquote von 80 Prozent stehen . Sie ist auf
real 45 Prozent abgesackt . Folge: Die Ministerin hat
die Mehrwegquote nun einfach so beerdigt . Der Spiegel
schreibt dazu:

Die Bundesregierung verabschiedet sich klamm-
heimlich von einem ihrer ehrgeizigsten Umweltzie-
le .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818804300

Kommen Sie bitte zum Schluss .


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818804400

Ich habe den Eindruck, dass es eine Arbeitsteilung

gibt: Die Umweltministerin ist – in der Hoffnung, dass
die Bevölkerung sagt: „Ja super, es passiert viel“ – für die
guten Botschaften zuständig .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818804500

Sie müssen jetzt einen Punkt setzen .


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818804600

Die Minister Gabriel, Schmidt und Dobrindt dagegen

sorgen dann dafür, dass die Botschaften nicht umgesetzt
werden . Das nützt weder der Umwelt noch dem Klima .
Ändern Sie das im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818804700

Das Wort hat der Kollege Sören Bartol für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1818804800

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Lassen Sie mich zu Beginn eines sagen: Mit die-
sem Haushaltsentwurf hat die Bauministerin, was den
außergewöhnlichen Aufwuchs in diesem Einzelplan an-
geht, erfolgreich, vor allen Dingen aber konsequent die
richtige Antwort auf den großen Bedarf an bezahlbaren
Wohnungen gegeben .

Mit diesem Haushalt wird fortgesetzt, was wir in der
Vergangenheit angelegt hatten: Es kann gebaut werden .
Mit diesem Haushalt werden – das haben alle schon ge-
sagt – den Ländern ab 2017 nun sogar 1,5 Milliarden
Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau zur Verfü-
gung stehen .

Dieser Haushalt setzt aus meiner Sicht einen unge-
mein wichtigen, gewissermaßen qualitativen Schwer-
punkt . Wir sorgen nicht nur dafür, dass mehr gebaut wird .
Darüber hinaus wollen wir Zusammenleben gestalten,
Hilfe und Unterstützung organisieren und damit für gute
und stabile Nachbarschaften sorgen .

Uns geht es nicht allein nur um den Wohnungsbau, es
geht um mehr . Es geht uns um die Stadtentwicklung, um
Städte, in denen es heute und auch in Zukunft statt Prob-
lemvierteln Quartiere gibt, in denen man sich Problemen
wirklich stellt . Die Sorge um ausreichenden Wohnraum
zu bezahlbaren Mieten war und ist für uns Sozialdemo-
kratinnen und Sozialdemokraten stets von dem Bemühen
begleitet, städtebauliche Missstände und Probleme in
Vierteln und Quartieren frühzeitig zu erkennen und zu
beheben .

Wir, die Urheber des Programms „Soziale Stadt“, wis-
sen: Investitionen in Städte und Menschen zahlen sich
aus . Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass die Mit-
tel bereits 2014 vervierfacht wurden und in diesem Haus-
halt erneut aufgestockt werden .

Mit dem Investitionspaket „Soziale Integration im
Quartier“ werden die Wohnungen, die mit Mitteln für so-
zialen Wohnungsbau zusätzlich gebaut werden können,
nicht nur einfach Gebäude sein . Sie werden in das ein-
gebettet, was wir sehr technisch „soziale Infrastruktur“
nennen . Das heißt, es gibt auch Schulen, Stadtteilzen-
tren, Bürgerhäuser, Spiel- und Sportzentren sowie auch
Grünflächen. Dort kann Zusammenhalt gestiftet werden,
Sozialarbeit ansetzen und Identifikation mit dem Woh-
numfeld entstehen . So entsteht Heimat . Und wo wir uns
heimisch fühlen, da fühlen wir uns auch sicher .

Die Aufstockung und die von uns angestrebte mie-
terfreundlichere Ausgestaltung des Programms „Kri-
minalprävention durch Einbruchsicherung“ in diesem
Haushalt ist eine Reaktion auf Einbruchskriminalität und
Ängste . Den Ansatz aber, für Nachbarschaften zu sorgen,
in denen sich Menschen sicher fühlen, weil sie sich ihre
Wohnung leisten können, weil sie sich kennen, weil sie
sich für ihr Umfeld verantwortlich fühlen, halte ich für

Bärbel Höhn






(A) (C)



(B) (D)


viel weitreichender und nachhaltiger . Und dieser Haus-
halt gibt auch darauf eine Antwort .

Aus den positiven Erfahrungen mit dem Quartiersma-
nagement wissen wir, dass wir dafür nicht nur Orte der
Integration, sondern vor allen Dingen auch Menschen
brauchen, die diese gestalten: Quartiers- oder Integrati-
onsmanager, die gemeinsam mit den Kommunen sowie
den Akteurinnen und Akteuren vor Ort gute Gemeinwe-
senarbeit leisten, Probleme früh erkennen und rechtzeitig
Unterstützung organisieren; denn soziale Orte leben von
Menschen .


(Beifall bei der SPD)


Dieser Ansatz, der sich, wie das Programm „Soziale
Stadt“ ja auch zeigt, bewährt hat, darf nicht an Fragen
der Zuständigkeiten scheitern, die außerhalb des Bun-
destages eh niemanden interessieren . Deshalb sind die
10 Millionen Euro für die ressortübergreifende Strategie
auch so wichtig; so nämlich kann besser zusammenwir-
ken, was angesichts vielschichtiger Probleme auch zu-
sammengehört: Angebote für Familien, Arbeitsuchende,
Sprachkurse, Weiterbildung, für Gesundheits- und Ver-
braucherberatung, dort, wo die Menschen leben – im
Quartier .

Im Gegensatz zu vielen Ressortabstimmungen, bei
denen von guten Ideen viel zu oft leider nicht viel übrig
bleibt, müssen hier Ideen und Ansätze aus den verschie-
densten Politikbereichen zusammengebracht werden, um
am Ende die bestmögliche Wirkung zu erzielen . Genau
das wollen wir . Weil wir uns dafür verantwortlich fühlen,
dass sich Städte und Viertel gut entwickeln und nicht nur
bebaut werden, müssen wir mehr Einfluss nehmen kön-
nen, nicht weil es uns dabei um mehr Einfluss ginge, son-
dern um des Gestaltens willen . Dazu gehört auch, lieber
Kollege, dass der Bund wieder mehr Gestaltungsspiel-
raum in der Wohnungspolitik braucht, nämlich durch
eine Grundgesetzänderung .


(Beifall bei der SPD)


Lieber Koalitionspartner, dazu gehört auch, dass die
Kommunen auf Grundstücke im Eigentum des Bundes
zugreifen können, damit sie dafür sorgen können, dass
gemischte Quartiere entstehen,


(Beifall bei der SPD)


dass sich auch Leute mit niedrigen und mittleren Einkom-
men ein Leben in den Innenstädten leisten können, eben-
so wie Familien, Alleinerziehende und ältere Menschen .
Deshalb wollen wir das BImA-Gesetz ändern . Es darf bei
Grundstücksverkäufen nicht nur um Höchstpreise gehen;
es muss um gute Konzepte gehen . Liegenschaftspolitik
ist für uns am Ende auch Stadtentwicklungspolitik .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb wollen wir auch, dass das so erfolgreiche
Programm „Altersgerecht Umbauen“ auch über das
Jahr 2017 hinaus fortgeführt wird . Ich freue mich, dass
beide Haushälter das in ihrer Rede auch so gesagt haben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Es erhöht sich auf jeden Fall die Wahrscheinlichkeit, dass
das so kommt . Sie wissen, dass die Bewilligungen aus-
laufen . Obwohl bereits ein beträchtlicher Teil des alters-
gerechten Wohnungsbestandes durch diese KfW-Mittel
umgebaut wurde, ist die Versorgungslücke immer noch
bei weitem nicht geschlossen . Deswegen kann ich nur an
alle hier in diesem Hause appellieren, sich am Ende für
die Fortführung dieses Programmes einzusetzen .

Damit würden wir abrunden, wofür dieser Haushalt
für den Bereich Bau steht. Wir flankieren die immensen
und absolut notwendigen Erhöhungen für sozialen Woh-
nungsbau, indem wir uns nicht nur darum sorgen, dass
die Menschen irgendwo wohnen können, sondern auch
darum, wie wir zukünftig zusammenleben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818804900

Der Kollege Artur Auernhammer hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Artur Auernhammer (CSU):
Rede ID: ID1818805000

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-

men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
30 Jahre Bundesumweltministerium ist eine Erfolgsge-
schichte; die Ministerin hat zu Recht darauf hingewiesen .
Ich erlaube mir, zu erwähnen, dass in einigen Ländern
schon früher Umweltministerien installiert worden sind,
in Bayern 1970 .

Diese Erfolgsgeschichte kann sich auch sehen lassen .
Unsere Gewässerqualität hat sich verbessert . Unsere
Luft ist sauberer geworden, und die Biodiversität hat sich
auch verbessert . Hier gilt es auch einmal Danke zu sa-
gen allen Beteiligten, nicht nur der jeweils zuständigen
Ministerin oder dem jeweils zuständigen Minister, nicht
nur den Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Ministe-
riums, sondern vor allem den Akteuren, die im Umwelt-
bereich draußen tätig sind, die dafür sorgen, dass unsere
Umwelt intakt ist . Dazu gehören auch Bäuerinnen, Bau-
ern und auch Förster und alle Akteure, die in der Umwelt
tätig sind .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich weiß: Gerade in einer Umweltdebatte wird gern
über Landwirtschaft und Forst diskutiert, oft auch sehr
emotional . Ich möchte hier eins anmerken: Wichtig ist
immer, dass wir vernünftige Sachentscheidungen treffen .
Gerade bei der schon angesprochenen Novelle zur Dün-
geverordnung und zum Düngegesetz, bei den angespro-
chenen Novellen zum Bundesnaturschutzgesetz müssen
wir den Fokus darauf richten, wie sich etwas vor Ort in
den ländlichen Räumen auf die landwirtschaftlichen Be-
triebe auswirkt .

Ich bin dem Kollegen Haase sehr dankbar, dass er
auf die Einkommenssituation unserer Bäuerinnen und
Bauern hingewiesen hat, und er ist kein Landwirt . Man

Sören Bartol






(A) (C)



(B) (D)


merkt, dass deren Einkommenssituation im Bewusstsein
der gesamten Bevölkerung angekommen ist . Wir müssen
auch in der Umweltpolitik dem gerecht werden .

Wenn wir jetzt mit der Brechstange versuchen, das
Düngegesetz oder die Düngeverordnung zu novellie-
ren, um den scheinbar wichtigen Anforderungen der EU
gerecht zu werden, aber dadurch bewirken, dass gerade
kleinbäuerliche Betriebe überfordert werden, etwa mit
der Erstellung einer Hoftorbilanz, mit der Sicherung ih-
rer Anlagen, beschleunigen wir den Strukturwandel, und
das müssen wir vermeiden, meine sehr verehrten Damen
und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In der Diskussion um die Klimaschutzpolitik ist in den
letzten Wochen und Monaten sehr viel gesagt worden .
Es treibt mich um und macht mir auch Sorge, wenn über
die Landwirtschaft sehr einseitig diskutiert wird . Die
Landwirtschaft ist nicht das Problem in der Klimaschutz-
politik; die Landwirtschaft ist die Lösung in der Klima-
schutzpolitik . Das müssen wir endlich einmal erkennen,
auch als Umweltpolitiker .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
gerade im Bereich der erneuerbaren Energien ein großes
Potenzial . Mit der Landwirtschaft, mit der Forstwirt-
schaft können wir CO2 nicht nur einsparen; wir können
CO2 in Sauerstoff umsetzen . Keine Fabrik, kein Indus-
triebetrieb in Deutschland ist in der Lage, aus CO2 Sau-
erstoff zu produzieren. Das machen die Pflanzen auf den
Feldern, die Bäume in den Wäldern, und da sind unsere
Bäuerinnen und Bauern, unsere Waldarbeiter tätig . Das
machen die Pflanzen, und sie können es, weil die Men-
schen im ländlichen Raum so fleißig und so aktiv sind.

Allein dadurch werden in Deutschland 68 Millionen
Tonnen CO2 eingespart bzw . in Sauerstoff umgewandelt .
Ich bitte auch deswegen darum, dass man beim Klima-
schutzplan 2050 dies honoriert und berücksichtigt, dass
man auf die Belange hier Rücksicht nimmt und nicht mit
einseitigen Forderungen nach Labelling, nach Steuer-
erhöhungen und dergleichen diese Arbeit behindert .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch etwas
zum Bereich Wald . Es wurde angesprochen: Thüringen
hat ein bisschen Probleme, den Waldumbau zu finanzie-
ren . Ich möchte darauf hinweisen, dass der meiste Wald
in unserem Land im Besitz der Bundesländer ist, und ich
möchte die Bundesländer in die Verantwortung nehmen,
den Waldumbau selbst zu gestalten, selbst in die Hand zu
nehmen und nicht nach Berlin zu rufen: Bitte schickt uns
Geld, damit wir etwas machen können! – Ich bitte die
Bundesländer, hier ihre Hausaufgaben zu machen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade beim Thema „Waldumbau und Forstwirt-
schaft“ möchte ich auch zu bedenken geben: Der Wald
produziert nicht nur Sauerstoff; er ist auch ein Wirt-
schaftsfaktor in unserem Land . Wir sollten da ein Bei-
spiel geben . Mit der Verwendung von heimischem Holz
sparen wir CO2 ein . Mit unserer heimischen Forstwirt-
schaft leisten wir da einen großen Beitrag in der Bau-
wirtschaft und auch im energetischen Bereich . Wir kön-

nen vieles tun, um CO2 einzusparen und auf Importe zu
verzichten .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klima-
schutz funktioniert also nicht durch Abschaffung der
Landwirtschaft oder durch Deindustrialisierung; Klima-
schutz kann nur funktionieren, wenn wir die Interessen
bündeln, wenn unser Land auch wirtschaftlich leistungs-
fähig ist . Nur dadurch können wir es uns leisten, Klima-
schutz zu betreiben und beim Klimaschutz international
als Vorreiter dazustehen .

Ich möchte auch erwähnen: Wer war es denn, der den
Klimaschutz auf die internationale Agenda gesetzt hat?
Wer war es denn, der den Klimaschutz in der öffentlichen
Diskussion international so weit vorangebracht hat? Es
war unsere Kanzlerin Angela Merkel . Das sollten wir im-
mer wieder erwähnen und auch in dieser Frage dankbar
sein .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Thema
im Bereich Klimaschutz ist die Energiewende . Im Be-
reich der erneuerbaren Energien haben wir noch vor der
Sommerpause vernünftige Entscheidungen gefällt .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Abgewürgt wurden die Erneuerbaren!)


Da müssen wir konstruktiv weitermachen, und ich glau-
be, mit dieser Entscheidung sind wir auf einem guten
Weg .

Ich möchte aber, damit Sie nicht den Eindruck haben,
ich rede hier nur über Land- und Forstwirtschaft, auch
noch den Bereich der Städtebauförderung hervorheben .
Die Städtebauförderung leistet einen wichtigen Beitrag,
um die Attraktivität des ländlichen Raums gestalten und
weiter ausbauen zu können . Ich bin sehr dankbar, dass
wir Mittel für die Städtebauförderung bereitstellen, und
ich kenne viele positive Projekte aus meiner Heimat, wo
mit diesem Geld viel Gutes getan wird . Danke schön an
die Haushälter, und bitte so weitermachen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Men-
schen, gerade ältere Menschen, haben Angst vor Einbrü-
chen . In den letzten Jahren hat diese Angst aufgrund der
gestiegenen Zahl von Einbrüchen noch zugenommen . Es
ist sehr erfreulich, dass wir zusätzliche Finanzmittel im
Bereich der Einbruchssicherung bereitstellen .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Ich bin der KfW sehr dankbar, dass sie es aufgrund mei-
ner Intervention ermöglicht, dass Anträge nicht nur on-
line, sondern auch noch in Papierform gestellt werden
können, weil gerade die ältere Generation vielleicht noch
etwas Hemmungen im Umgang mit den neuen Medien
hat .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es sind ja nicht nur Ältere, die vor Einbrüchen Angst haben!)


Das ist ein guter Beitrag . Das ist eine gute Maßnahme,
gerade für unsere ältere Generation .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Um-
welthaushalt ist dann nachhaltig, wenn er gut finanziert

Artur Auernhammer






(A) (C)



(B) (D)


ist . Das Nachhaltigste, was wir als Parlamentarier in der
Umweltpolitik machen können, ist, dafür Sorge zu tra-
gen, dass auch dieser Gesamthaushalt ausgeglichen ist .
Ein über Jahre hinweg ausgeglichener Haushalt ist das
Nachhaltigste, was wir hier machen können .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805100

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Michael Groß

das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1818805200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war
eine interessante Debatte . Neu war für mich, dass eigent-
lich vier Oppositionsfraktionen, wenn man die Union
doppelt zählt, hier im Parlament geredet haben . Wenn
man der Ministerin Barbara Hendricks gut zugehört hat
und man verfolgt hat, was sie insbesondere in den letzten
Tagen gesagt hat, dann hat man gemerkt, dass sie eine
Ministerin ist, die dafür wirbt, niemanden zurückzulas-
sen, weder beim Thema Umweltschutz noch beim Thema
bezahlbarer Wohnraum noch beim Thema Stadtentwick-
lung . Und das ist sozialdemokratische Politik, sehr ge-
ehrte Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD)


Gestern hat die Ministerin ihr Integriertes Umwelt-
programm 2030 vorgestellt . Man höre und staune: Selbst
der Minister für Energiewende in Schleswig-Holstein hat
das Programm gestern im Deutschlandfunk gelobt . Ein
wichtiger Bestandteil dieses Programms ist natürlich – so
habe ich es beim ersten Durchlesen zumindest verstan-
den –, dass wir uns darauf einlassen müssen, weltweit
das Klima und die Umwelt zu schützen – das ist auch
gar keine Frage –, dass wir sicherlich irgendwann aus
der Kohleverstromung aussteigen müssen . Aber es ist si-
cherlich auch so, dass wir dafür sorgen müssen, dass die
Menschen das bezahlen können und dass wir eine star-
ke Wirtschaft haben, die in der Lage ist, diese Aufgaben
zu bewältigen . Dafür arbeiten wir, und wir sind Barbara
Hendricks sehr dankbar, dass sie diese Vorschläge ge-
macht hat .


(Beifall bei der SPD)


Es ist, glaube ich, auch noch einmal deutlich gewor-
den, dass das Umweltressort – da unterstütze ich Sie
besonders – ein Initiativrecht gegenüber den anderen
Geschäftsbereichen benötigt . Ich glaube, dadurch wird
deutlich, dass die Umweltpolitik eine Querschnittsaufga-
be ist . Ich kann Sie nur dabei unterstützen, dieses Initi-
ativrecht weiter zu fordern . Frau Hendricks, Sie haben
mich an Ihrer Seite .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gutes Leben im Quartier ist nicht nur eine Frage des
bezahlbaren Wohnens, sondern auch eine Frage der Um-
weltgerechtigkeit . Schutz vor Lärm, Schutz vor Emis-
sion, Zugang zu Grün, Aufenthaltsqualität im Freien:
Dafür müssen wir sorgen . Wir haben aber zurzeit auch
die Situation, dass bezahlbares Wohnen in vielen Groß-
städten nicht mehr möglich ist . Viele normale Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer mit mittleren und unteren
Einkommen finden keine Wohnung oder müssen auszie-
hen . Grund sind auch Modernisierungen, auch infolge
Energieeffizienz.

Wir haben eine sehr unterschiedliche Gemengelage .
Während in sogenannten A- oder B-Städten Wohnungen
kaum noch zu finden sind, auch Eigentum schwer zu bil-
den ist,


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Was sind denn Aoder B-Städte?)


haben wir nach Schätzung des Bundesinstituts für Bau-,
Stadt- und Raumforschung Regionen, die bis 2030 ei-
nen Wohnungsüberhang von 3 Millionen bis 4 Millionen
Wohnungen haben werden . Das heißt, wir brauchen eine
sehr differenzierte Politik . Die setzen wir um . Wir ver-
suchen, unterschiedliche Instrumente anzuwenden . Das
ist heute schon deutlich geworden . Die Verstetigung des
Programms „Soziale Stadt“ ist ein riesiger Erfolg dieser
Koalition .


(Beifall bei der SPD)


Es geht um Lebensqualität in den Stadtteilen . Es geht
um beste Kindergärten, beste Schulen, um das Zusam-
menleben der Menschen . Ich kann beim besten Willen
nicht verstehen, Herr Haase, dass man das als Ideologie
abtut . Das lehnen wir ab . Dieses Programm ist sehr er-
folgreich. Es fing in Nordrhein-Westfalen an. Dort gibt
es Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf . Fahren
Sie durch Nordrhein-Westfalen, schauen Sie sich an, was
dort gemacht wurde, wie die Menschen mitgenommen
wurden und welche Perspektiven durch das Programm
geschaffen wurden .


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte zum Schluss auf ein weiteres wichtiges
Thema zu sprechen kommen . Wir haben zurzeit zwei
große Preistreiber im Wohnungsbau, und zwar zum einen
die EnEV, die Energieeinsparverordnung . Wir wollen Kli-
maschutz. Wir wollen Energieeffizienz. Wir müssen aber,
glaube ich, einen anderen Weg gehen: technologieoffe-
ner . Niemand weiß, was in zehn Jahren im Wohnungsbau
möglich ist . Wir können heute nicht festschreiben, ob die
Wände noch 10 Zentimeter dicker werden müssen oder
wir uns mehr um die Frage der Energiegewinnung küm-
mern müssen, Stichwort „Speicherung“ .

Der andere Punkt sind die Bodenpreise . Zum Teil
steigen die Bodenpreise um 300 Prozent . Das fangen Sie
durch Baukosten, die Sie senken wollen, nicht auf . Hier
ist es neben der Frage der neuen Gemeinnützigkeit, die
aber vielleicht in 10, 15 Jahren greifen kann, aus meiner
Sicht wichtig, sehr schnell zu helfen . Wir brauchen eine
Unterstützung der gemeinwohlorientierten Unterneh-
men – das ist gar keine Frage – aber wir brauchen ins-
besondere eine Unterstützung der Kommunen . Bei einer

Artur Auernhammer






(A) (C)



(B) (D)


Kommunalbefragung hat man festgestellt: 700 kommu-
nale Wohnungsunternehmen haben circa 2,5 Millionen
Wohnungen in der Hand . 60 Prozent der Mietbindungen
sind bei kommunalen Wohnungsunternehmen . Wir müs-
sen den kommunalen Bereich, den öffentlichen Bereich
wieder mehr als Investor verstehen und deswegen die
Städte mehr unterstützen, was wir in dieser Koalition tun .

Ich glaube, die Städte müssen in die Lage versetzt
werden, Baulandvorratspolitik zu betreiben . Dafür brau-
chen sie Geld, dafür brauchen sie einen Fonds .


(Beifall des Abg . Hubertus Zdebel [DIE LINKE])


Die KfW wäre eine Möglichkeit . Sie brauchen mehr Per-
sonal, um das BauGB anzuwenden . Wir stellen ab 2018
5 Milliarden Euro zur Verfügung . Ich glaube, das ist zu
kurz gesprungen . Wir müssen mehr Geld für die Kom-
munen in die Hand nehmen .

Herzlichen Dank und Glück auf!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805300

Der Kollege Christian Hirte hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1818805400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich darf ganz herzlich auch die Be-
sucher auf der Tribüne begrüßen, vor allem die kleine
Delegation aus Tiefenort .


(Beifall)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die De-
batten dieser Woche, die Überschriften in den Gazetten
verfolgt, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass
in dieser Haushaltswoche die Hauptthemen die Wahl in
Mecklenburg-Vorpommern oder die Flüchtlingskrise sei-
en . Man konnte hören, wie verheerend die letzten zwölf
Monate waren und was alles mit der Flüchtlingskrise zer-
brochen sei: das Vertrauen der Menschen zur Politik, die
guten Sitten der Gesellschaft, das respektvolle Miteinan-
der . Es ist fast zum Sport geworden, unsere Gesellschaft
und auch die Politik in ein schlechtes Licht zu rücken .
Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, an dieser
Stelle ganz klar zu sagen: Auch die letzten zwölf Mona-
te waren gute zwölf Monate für Deutschland, jedenfalls,
wenn man zugrunde legt, was vielleicht das Wichtigste
ist, nämlich der Wohlstand und die soziale Sicherheit der
Bürger in unserem Land . Es geht der Wirtschaft und den
Bürgern in diesem Jahr besser als im letzten Jahr . Genau
das schlägt sich natürlich auch im Haushalt nieder, den
wir heute in erster Lesung beraten .

Kollege Haase hat schon darauf hingewiesen: Wir ha-
ben erneut eine schwarze Null, einen ausgeglichen Haus-
halt . Wir sind in der Lage, zu investieren – mehr als in
den vergangenen Jahren . Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen, ich denke, wir können stolz darauf sein, dass wir das
gemeinsam in dieser Weise erreicht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Ich denke, wir können froh und stolz sein, dass wir die
großen Herausforderungen, vor denen wir aktuell ste-
hen, angesichts der robusten Haushaltssituation meistern
können, dass wir eben nicht zusätzlich noch Massenar-
beitslosigkeit oder eine überspannte Haushaltssituation –
Steuerausfälle und Ähnliches – haben . Ich jedenfalls bin
auch froh und glücklich, dass sich die harte Arbeit der
Menschen und eben auch der Politik in den letzten Jahren
auszahlt und wir heute wieder Spielräume haben, wie wir
sie in den vergangenen Jahren nicht hatten . Wir müssen
Schwerpunkte setzen, aber wir können das eben auch .

Bei aller Mühsal, die manchmal die Arbeit auch inner-
halb der Koalition mit sich bringt, muss man doch sagen,
dass wir das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum gro-
ßen Teil gemeinsam erreicht haben . Wenn wir heute den
Etat für Bau, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
beraten, sehen wir, dass wir einen deutlichen Aufwuchs
haben – so wie im Übrigen in allen anderen Etats auch .
Das ist ein Zeichen der Stärke unseres Landes und auch
unserer Gesellschaft .

Ja, das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern
hat auch mich betrübt . Aber die meisten Wähler, die sich
der AfD zuwendeten, taten das nicht in Ansehung des
Wahlprogramms – das haben die meisten wahrscheinlich
gar nicht gelesen –, sondern eher aus dem unterschwel-
ligen Gefühl heraus, gegen die Globalisierung und die
Flüchtlingsfolgen ein Zeichen setzen zu wollen . Sie
wollen nicht akzeptieren, dass Staaten und Völker weit-
gehend macht- und wehrlos den unsichtbaren Mächten
der Globalisierung ausgeliefert zu sein scheinen, die ih-
nen, gleichsam als Preis für billige chinesische Handys,
Flüchtlingsströme aus allen Armuts- und Kriegsgebieten
der Welt bis vor die Haustür spülen .

Die ganze Debatte um die Flüchtlingskrise führt dazu,
dass die wahre Brisanz vielen unklar bleibt . Wenn es
um Flüchtlinge geht, denken die meisten an Krieg und
Terror . Doch weit mehr Menschen werden von Dürren,
Fluten oder Stürmen vertrieben . Auch wenn es in letz-
ter Zeit schon fast verzweifelt klingen mag, dass man
Fluchtursachen bekämpfen müsse – nichtsdestotrotz ist
es die Wahrheit . Es die einzige Möglichkeit, die hässli-
chen Begleiterscheinungen der Globalisierung und auch
des Klimawandels anzugehen . „Bekämpfung der Flucht-
ursachen und Stabilisierung der Nachbarländer“ war
übrigens der erste Punkt des von unserer gemeinsamen
Koalition verabschiedeten Flüchtlingspaketes .

Was einleuchtend klingt, ist in der Realität häufig
mühsam und auch schwierig umzusetzen . Das Auswärti-
ge Amt und auch das Bundesministerium für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung arbeiten schon
lange hart an dem Flüchtlingsthema, häufig, ohne dafür
in der Öffentlichkeit besonderen Applaus bekommen zu
haben . Dass es seit vielen Jahren auch eine „Internationa-
le Klimaschutzinitiative“ des BMUB gibt, werden wahr-
scheinlich nur ganz wenige Eingeweihte wissen . Aber
auch sie leistet einen ganz wichtigen strategischen Bei-

Michael Groß






(A) (C)



(B) (D)


trag dazu, Flüchtlingsströme zu vermeiden und gezielt an
deren Ursachen anzusetzen .

Mit der Klimaschutzinitiative der Bundesregierung
werden Projekte unterstützt, die helfen sollen, den glo-
balen Treibhauseffekt zu begrenzen und Menschen dazu
zu befähigen, mit den Folgen des Klimawandels besser
zurechtzukommen . Zwar gab es Wetterextreme zu allen
Zeiten, doch sind sich die Forscher weitgehend einig,
dass die Erderwärmung Hitzerekorde, lange Dürren,
heftige Regenfälle und Stürme häufiger werden lässt. Im
Schnitt der vergangenen acht Jahre vertrieben Naturka-
tastrophen mehr als 20 Millionen Menschen jährlich aus
ihrer Heimat . Allein 2015 traf es 19,2 Millionen Men-
schen weltweit. Vor Krieg und Gewalt flohen im letzten
Jahr circa 8,6 Millionen Menschen . Ich denke, allein die-
se Zahlen sprechen schon für sich . Die erneute Erhöhung
der Mittel für die Internationale Klimaschutzinitiative


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die sind ja nicht erhöht! Das ist ja das Problem! Sie führen richtig aus, dass die erhöht werden müssen, aber sie sind nicht erhöht! Eine Verschiebung im Haushalt!)


im Haushalt der BMUB beträgt knapp 50 Millionen
Euro; ich glaube, das tut auch not .

Selbstverständlich werden wir in Deutschland un-
seren internationalen Verpflichtungen, die wir auch in
der Klimaschutzkonferenz in Paris eingegangen sind,
nachkommen . Wie auch in den vergangenen Jahren und
Jahrzehnten werden wir in Deutschland weiterhin unse-
rer Führungsrolle und Verantwortung im internationalen
Klimaschutz nachkommen . Gut, dass jetzt auch Länder
wie China und die USA auf diesem gemeinsamen Weg
mit unterwegs sind und gerade in der vergangenen Wo-
che das Klimaschutzabkommen von Paris ratifiziert ha-
ben . Ich denke, das ist ein gutes Zeichen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dass wir die Investitionen in den nächsten Jahren
weiter verstärken müssen, daran kann kein Zweifel be-
stehen . Wir müssen dafür aber auch mehr privates Ka-
pital mobilisieren. Der von der IKI finanzierte globa-
le Klimaschutzfonds ist zum Beispiel ein Mittel dafür .
Der Fonds fördert vorrangig Geschäftsbanken und auch
Nichtbanken-Finanzinstitute wie Leasinggesellschaften
in den Zielländern . Deren Aufgabe ist es, Investitionen
für kleine und mittlere Unternehmen sowie Privatleute
in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energi-
en und Maßnahmen zur Treibhausgasvermeidung zu er-
möglichen . Hier handelt es sich um einen revolvieren-
den Fonds, dessen Kapital durch die Kreditrückzahlung
wieder aufgestockt wird . Solchen zusätzlichen Finan-
zierungsinstrumenten sollte mehr Beachtung geschenkt
werden, da sie eine sich selbst tragende Finanzierungs-
struktur beinhalten und das öffentliche Kapital als Risi-
kopuffer für private Investitionen dienen kann .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Was den nationalen Klimaschutz betrifft, sind wir gut
aufgestellt . Die Nationale Klimaschutzinitiative leistet

einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der nationalen
Ziele . Sie fördert und initiiert Projekte, die zur Senkung
der Treibhausgasemissionen beitragen . Innovative Kon-
zepte werden erprobt, weiterentwickelt und in die Breite
getragen . Ebenso werden innovative Modellprojekte für
den Klimaschutz vorangebracht . Die Bundesregierung
hat sich – es ist schon angesprochen worden – das Ziel
gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis
95 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken . Da-
für sind in der Tat gewaltige Anstrengungen notwendig,
bei denen jeder Sektor, ganz gleich, ob Industrie, Verkehr
oder auch Privathaushalte, seinen Anteil erbringen muss .

Über den Weg dahin kann man natürlich trefflich strei-
ten; auch das ist heute schon deutlich geworden . Meine
Fraktion ist der festen Überzeugung, dass in einer sozi-
alen Marktwirtschaft auch und gerade der Markt beson-
ders berücksichtigt werden muss und man sich nicht al-
lein auf das Ordnungsrecht berufen kann . Dass man sich
zum Teil auf das Ordnungsrecht beruft, ohne die Chancen
von sozialer Marktwirtschaft mit den Klimaschutzzielen
in Einklang bringen zu wollen, halten wir für hochpro-
blematisch .

In der Gesamtstrategie müssen wir also darauf achten,
Markt, Innovation und Wettbewerb in den Blick zu neh-
men . Wer, wie im BMUB erfolgt, quasi einen Blick in die
Glaskugel werfen will, um zu schauen, wie im Jahr 2050
vernünftige technologische Möglichkeiten aussehen
könnten, der verkennt, glaube ich, dass die technologi-
schen Fortschritte erstens sehr viel schneller sind, als wir
alle das erwarten, und zweitens in einer Weise erfolgen,
wie wir sie aus heutiger Sicht überhaupt nicht abschätzen
können . Bill Gates hat sicherlich vor 20 Jahren überhaupt
nicht erwartet und abschätzen können, wie sich zum Bei-
spiel das Internet bis heute entwickelt . Trotzdem „zim-
mert“ das BMUB schon jetzt eine Zukunftsvision für das
Jahr 2050 . Ich glaube, das ist problematisch .

Sehr geehrte Frau Ministerin, so wie es der Kollege
Groß gerade schon in einem anderen Bereich angespro-
chen hat, gilt auch hier: Bleiben Sie technologieoffen!
Wir haben uns auf Ziele verständigt, aber wir müssen
technologisch offen bleiben, wie wir diese Ziele errei-
chen können .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dazu wollen wir als Union gern unseren Beitrag leisten .

Ich freue mich auf die kommenden Haushaltsberatun-
gen und auf die weiteren guten Ergebnisse, die wir ganz
sicher erzielen können .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Swen Schulz [Spandau] [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805500

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen

mir nicht vor .

Wir kommen zur Schlussrunde. Um das tun zu kön-
nen, bitte ich diejenigen, die uns jetzt verlassen müssen,
dies zügig zu tun, und diejenigen, die zu uns kommen,
sich in den Fraktionen entsprechend einzuordnen . Das

Christian Hirte






(A) (C)



(B) (D)


Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/
CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1818805600


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Fazit dieser Beratungswoche ist, dass viele etwas zu
den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu sagen ge-
habt haben, ohne im Wahlkampf gewesen zu sein .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nicht alle! Nicht alle! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also ich war dort! Ich war oft dort!)


Ich rate manchem der Rednerinnen und Redner – die im
Landtag vertretenen Parteien haben insgesamt 18 Pro-
zentpunkte verloren –, sich mit etwas mehr Demut das
Wahlergebnis, auch das eigene Wahlergebnis anzugu-
cken und nicht mit dem Finger immer auf den anderen zu
zeigen; denn wenn man mit einem Finger auf die anderen
zeigt, dann zeigen drei Finger auf einen selbst zurück .


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ein zweites
Fazit ziehen, und dafür bin ich als Sprecher der CDU/
CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss dankbar . Ich kann
Johannes Kahrs nur beipflichten, wenn er sagt, dass wir
uns bemühen werden – aber wir werden uns nicht nur be-
mühen; ich gehe fest davon aus –, in einer vernünftigen
Art und Weise diesen Haushalt Mitte November in der
Bereinigungssitzung zu verabschieden . Ich hoffe, dass
danach nicht der Wahlkampf beginnt, sondern dass wir
auch im ersten Halbjahr 2017 konstruktiv zusammen-
arbeiten werden . An der Union soll es jedenfalls nicht
liegen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: War das jetzt ein Angebot?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Haushaltsbe-
ratungen wurde immer wieder vom Fetisch der schwarzen
Null gesprochen, davon, dass Schäuble das Land kaputt-
spart . Lassen Sie uns die letzten Jahre Revue passieren .
Deutschland hat die Finanzkrise 2008/2009 und die Pro-
bleme im Euro-Raum überstanden . Es ist innerhalb von
nur vier Haushaltsjahren gelungen, die Neuverschuldung
von 86 Milliarden Euro im Jahr 2010 bis 2014 auf null
zu senken, und dies übrigens ohne Steuererhöhung . Das
ist für mich kein Selbstzweck, das ist kein Fetisch, son-
dern – ich habe zwei Kinder und zwei Enkel – das ist für
mich Generationengerechtigkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es muss in Deutschland Schluss sein, dass die jetzigen
Politiker auf Kosten der nachfolgenden Generationen
Politik machen .

Ich will den SPD-Parteivorsitzenden und Vizekanzler
zitieren; ich weiß nur nicht immer, in welcher Funktion
er gerade spricht .


(Christine Lambrecht [SPD]: Er ist immer gut!)


– Das hat nichts mit gut zu tun, das hat etwas mit Verläss-
lichkeit zu tun, Frau Kollegin .


(Christine Lambrecht [SPD]: Das kommt auf das Gleiche raus!)


Er hat gesagt:

Man sollte solche Entlastungen nicht vor Wahlen
ankündigen, sondern nach Möglichkeit vor Wahlen
machen .

Das Angebot der Union, des Bundesfinanzministeriums,
wird in den nächsten Wochen auf dem Tisch liegen:
Steuerentlastungen für Familien – Stichwort Kinderfrei-
betrag, Grundfreibetrag –, Abbau der kalten Progression
mit einer gesamten Jahreswirkung von über 6 Milliarden
Euro . Ich bin hoch gespannt, wie die Bundestagsfraktion
der SPD darauf reagiert, insbesondere, wie die SPD-ge-
führten Länder darauf reagieren; denn aufgrund der Steu-
erverteilung kommen bei einer Entlastung um gut 6 Mil-
liarden Euro knapp 3 Milliarden Euro auf den Bund und
der Rest auf Länder und Gemeinden zu . Wir werden die
Probe aufs Exempel machen . Ich kann meinem Kollegen
Kahrs nur beipflichten, der in seiner Rede am Dienstag
gesagt hat: Wir werden vor den Wahlen Vorschläge auf
den Tisch legen, dann schauen wir einmal, ob wir das
gemeinsam für Familien, für niedrige und mittlere Ein-
kommen durchkriegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Kollege Kindler, Sie haben den vorliegenden Haushalt
einen Haushalt der verpassten Chancen genannt .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Wir haben noch nie so viel in Infrastruktur investiert .
Norbert Brackmann hat heute Morgen zu Recht gesagt:
Wir müssen über Infrastruktur reden . In den Breitband-
ausbau werden 4 Milliarden Euro investiert . Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, ich bin besonders froh, dass das
Breitbandprogramm für die ländlichen Räume ausgelegt
ist . Es ist nicht für Hamburg oder München ausgelegt,
sondern für die Regionen, in denen wir eine Wirtschaft-
lichkeitslücke haben . Dieses Thema ist auch für Meck-
lenburg-Vorpommern ein Thema . Ich bin fest davon
überzeugt, dass die jungen Leute, wenn sie wissen: „Hier
habe ich einen Internetanschluss, der mit dem in Bal-
lungsräumen konkurrenzfähig ist“, eher vor Ort bleiben,
ihre Zukunft im ländlichen Raum sehen und nicht weg-
ziehen. Ich finde, das Thema Breitbandausbau ist ein Zu-
kunftsthema für uns alle .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Ulrich Freese [SPD]: Das gilt nicht nur für Bayern! Sagen Sie das mal dem Dobrindt!)


– Lieber Herr Kollege Freese, ich bin ein bisschen
selbstbewusst . Mecklenburg-Vorpommern hat von den
1,3 Milliarden Euro 700 Millionen Euro in den ersten

Vizepräsidentin Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


beiden Calls bekommen, und zwar aus zwei wesentli-
chen Gründen: erstens, weil die Kommunen, die Land-
kreise fit waren, und zweitens, weil sich der für Verkehr
und Infrastruktur zuständige Minister Pegel von der SPD
nicht ganz dumm angestellt hat . Thomas Jarzombek hat
es gesagt: Mit 15 Vollzeitstellen kümmert man sich in
Mecklenburg-Vorpommern um dieses Thema. Ich finde,
die Länder, die überhaupt noch keine Förderanträge ge-
stellt haben, sollten sich erst einmal so aufstellen, dass
sie in der Lage sind, Förderanträge zu stellen – ich meine
nicht dich persönlich, Uli – und hier keine Neid- oder
Missgunstdebatte führen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zur Verkehrsinfrastruktur . Wir werden im Bereich
Straße irgendwann nur noch ganz wenige Neubaupro-
jekte haben. Im Bereich Wasserstraße fließt das Geld
insbesondere aufgrund der Klagen bezüglich Elbe und
Weser nicht im notwendigen Maße ab . Deswegen müs-
sen wir, glaube ich, eine Debatte darüber führen – ich
will das gleich an einem Beispiel deutlich machen –, wie
es uns gelingen kann, schneller Baurecht zu schaffen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich konnte im Wahl-
kampf keinem erklären, warum bei der Brücke über die
Müritz – Autobahn Berlin–Rostock, A 19 – eine Bauver-
zögerung von 18 Monaten eingetreten ist und man fast
1 Million Euro in die Hand nehmen musste, damit sieben
Fledermausarten umziehen konnten . Das kann ich kei-
nem erklären . Dann sagen die Leute: Rehberg, erklär uns
das nicht, sondern ändere das; wir verstehen das nicht .
Sven Kindler hat behauptet, dass wir bei der Brückensa-
nierung hinterherhinken .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Stimmt!)


Ich sage eines voraus: Gerade bei den alten Bahn-
brücken werden die Themen Denkmalschutz und Ar-
tenschutz eine Rolle spielen, und wir werden uns wahr-
scheinlich dafür entscheiden müssen, die Brücken nicht
zu sanieren, sondern Ersatzneubauten zu schaffen – auf-
grund des Arten- und Denkmalschutzes . – So sieht es in
dieser Republik aus . Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sollten wirklich einmal darüber nachdenken, ob das
an dieser Stelle so weitergehen kann .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es hat sich gelohnt, in Bildung und Forschung zu
investieren . Wir sind auf Platz 4 von 140 Ländern, was
den Forschungsindikator betrifft . Wir haben mittlerweile
doppelt so viele Patente pro 1 Million Einwohner wie die
USA . Deswegen ist das wirklich gut angelegtes Geld .

Einige Aussagen zogen sich wie ein roter Faden durch
diese Haushaltswoche: Der Bund muss mehr für Kitas
tun; der Bund muss mehr für Schulen tun; der Bund muss
mehr für Hochschulen tun . Wir entlasten Länder und
Kommunen in dieser Legislaturperiode mit ungebunde-
nen Mitteln in Höhe von 35 Milliarden Euro . Wenn ich
die Mittel für die Grundsicherung im Alter dazuzähle,
bin ich bei einer Entlastung von 60 Milliarden Euro .

Angesichts dessen ist doch die Frage zu stellen: Wa-
rum werden die Mittel, die zum Beispiel durch die Ent-

lastung beim BAföG frei werden, nicht für ein Schul-
sanierungsprogramm genutzt? Es sind auch Fragen im
Zusammenhang mit dem Investitionsprogramm zur Kin-
derbetreuungsfinanzierung – 2013/14 – zu stellen, für das
der Bund 580 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat;
denn laut Zahlen des Bundesfamilienministeriums haben
einige Länder gar nichts investiert, und von den 2 Mil-
liarden Euro, die von Ländern, Kommunen und freien
Trägern investiert wurden, hat allein der Freistaat Bayern
die Hälfte aufgebracht, also 1 Milliarde Euro . Wenn ich
die Investitionen Hessens hinzuzähle, muss ich feststel-
len, dass diese beiden großen, unionsgeführten Länder
60 Prozent der 2 Milliarden Euro, die insgesamt investiert
worden sind, investiert haben. Ich finde es nicht redlich,
dass Länder wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom-
mern oder Sachsen-Anhalt überhaupt keine Landesmittel
bereitgestellt haben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Absprache war:
ein Drittel Bund, ein Drittel Land, ein Drittel Sonstige .
Ich finde, so können wir nicht miteinander umgehen. Es
kann auch nicht sein, dass von den Mitteln des jetzigen
Programms, das schon seit Beginn des Jahres 2015 läuft,
gerade einmal 8,6 Prozent abgeflossen sind. Ich finde,
wenn der Bund Mittel zur Verfügung stellt, dann müssen
sie auch entsprechend den politischen Absprachen und
den Verträgen von den Ländern und Kommunen abge-
rufen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Kollege Kindler hat hier eine Verdopplung oder Ver-
dreifachung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau
gefordert .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Wir gaben im letzten Jahr 518 Millionen Euro Bundes-
mittel für den sozialen Wohnungsbau aus . Davon hätte
man ungefähr 16 000, 17 000 Sozialwohnungen finanzie-
ren können . Die politische Absprache war, dass die Län-
der ebenfalls 518 Millionen Euro dazugeben . Damit hät-
te man 30 000 bis 35 000 neue Sozialwohnungen bauen
können . Die Gesamtheit der Länder hat aber nicht einmal
15 000 neue Sozialwohnungen gebaut .

Wenn ich mir die Situation im Land Berlin, das in den
letzten zehn Jahren 330 Millionen Euro Bundesmittel
bekommen hat, ansehe, stelle ich fest: Wenn die politi-
schen Absprachen eingehalten worden wären, hätte man
660 Millionen Euro zur Verfügung gehabt . Davon hätte
man rund 120 000 neue Sozialwohnungen bauen können .
Das Land Berlin hat aber acht Jahre lang überhaupt keine
neuen Sozialwohnungen gebaut, unter Rot-Rot nicht eine
einzige . Erst in den letzten beiden Jahren wurden jeweils
1 000 neue Sozialwohnungen gebaut . Aber dann stellt
man sich hin, schimpft auf den Bund und auf die hohen
Mieten . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer in zehn
Jahren nur 2 000 neue Sozialwohnungen gebaut hat, in
der gleichen Zeit aber unter Rot-Rot Zehntausende Woh-
nungen privatisiert hat, der muss sich fragen, ob das an
dieser Stelle redliche Politik ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eckhardt Rehberg






(A) (C)



(B) (D)


Noch eine Bemerkung . Berücksichtigt man die
1 Milliarde Euro aus den Entflechtungsmitteln und die
0,5 Milliarden Euro, die wir für das nächste Jahr noch
oben draufpacken, müssten in Deutschland normaler-
weise 3 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungs-
bau zur Verfügung stehen . Das ist genug Geld für rund
100 000 neue Sozialwohnungen . Da braucht man nicht
über die Mietpreisbremse oder andere Dinge zu debattie-
ren . Zuerst einmal muss dieses Geld eingesetzt werden,
das der Bund zur Verfügung stellt und das die Länder ge-
mäß den politischen Absprachen kofinanzieren müssten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man
kann ja, wie der Kollege Oppermann,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, kann man!)


das Verhalten des Bundes beim Dragoner-Areal kriti-
sieren . Nur, dann muss man sich, glaube ich, auch gut
informieren und einmal schauen, was die BIM, die Ber-
liner Immobilienmanagement GmbH, als 100-prozenti-
ge Tochter des Landes Berlin an dieser Stelle macht . Es
geht um zwei Grundstücke in der Hedwig-Dohm-Straße
in Berlin-Schöneberg und um ein Grundstück in Ber-
lin-Lichtenberg, insgesamt um gut 32 000 Quadratmeter .
Ich zitiere:

. . . BIM . . . führt . . . bedingungsfreie Bieterverfahren
durch .

Weiter:

. . . zu jedem Zeitpunkt und ohne Angabe von Grün-
den das Verfahren zu ändern oder zu beenden .

Es gibt sogar, obwohl dort gemeinnützige Träger Mieter
sind, den Hinweis: Ein Teil der Verträge kann jährlich,
ein anderer Teil kann mit einer Zwei- bzw . Dreimonats-
frist gekündigt werden . Beim Dragoner-Areal war der
Bieter verpflichtet, die bestehenden Mietverträge fort-
zuführen, und es wurden Auflagen zum sozialen Woh-
nungsbau gemacht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Spiel mache
jedenfalls ich, machen wir von der Union nicht mit . Der
Bund wird aufgefordert, möglichst kostenlos Grundstü-
cke für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu
stellen . Gleichzeitig möchte das Land Berlin im Bieter-
verfahren Höchstpreise erzielen bzw . die Grundstücke zu
Höchstpreisen verkaufen . Dann werden aber keine neuen
Sozialwohnungen gebaut, und es wird debattiert, dass die
Mieten und die Preise für Baugrundstücke zu hoch sind .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist unred-
liche Politik . Das passt nicht zueinander .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805700

Das Wort hat die Kollegin Dr . Gesine Lötzsch für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805800

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her-

ren! Sehr geehrter Herr Kollege Rehberg, ich hätte ja gar
nicht gedacht, dass Sie hier die Koalition, und zwar die
SPD, an einer Stelle kritisieren, an der Sie absolut recht
haben .


(Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Sie waren mit in der Regierung, als keine Sozialwohnungen gebaut wurden!)


Sie haben das Dragoner-Areal angesprochen, Herr
Kollege Rehberg . Wir haben ja alle gesehen – es wurde
in den Medien in Berlin ja auch groß berichtet –, dass
der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Oppermann, ei-
nen Wahlkampftermin in Berlin gemacht hat und erklärt
hat, wie ungerecht das doch alles liefe und man müsse
doch Berlin diese Grundstücke günstig zur Verfügung
stellen . Der Witz ist nur – gut, dass Sie mir die Gele-
genheit geben, das noch einmal klarzustellen –: Als wir
im Haushaltausschuss über alle diese Fragen abgestimmt
haben – Dragoner-Areal, Großgörschenstraße; das sind
ja alles Themen, die die Berlinerinnen und Berliner gut
kennen –, da hat die SPD gemeinsam mit Ihnen von der
CDU/CSU – in dieser Frage sind Sie wenigstens ehrlich,
meine Damen und Herren von der CDU/CSU –


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wir sind immer ehrlich!)


immer gegen die Interessen der Berlinerinnen und Ber-
liner gestimmt . Jetzt stellen Sie sich auf einem Wahl-
kampftermin hin und versuchen, den Eindruck zu erwe-
cken, Sie hätten mit dem Bundestag und den Beschlüssen
des Bundestages nichts zu tun . Das ist keine ehrliche
Politik . Gut, dass wir das hier noch einmal aussprechen
können, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte auf einen Aspekt der Rede von Herrn
Schäuble vom Dienstag eingehen, der hier bisher nicht
aufgegriffen wurde . Herr Schäuble ist jetzt nicht da; er
ist bei einem anderen Termin . Aber er hat uns ja einen
Stellvertreter entsandt, der gut zuhören wird .


(Christian Haase [CDU/CSU]: Ein guter Stellvertreter!)


– Da gehen die Meinungen in den verschiedenen Frakti-
onen wahrscheinlich auseinander . Aber das ist nicht das
Thema meiner Rede .

Herr Schäuble hat gesagt, die anderen europäischen
Regierungen müssten mal ihre Hausaufgaben machen .
Das sind Sätze von deutschen Regierungen – leider
werden da auch viele Bürgerinnen und Bürger aus der
Bundesrepublik vereinnahmt, die mit solchen Sätzen gar
nichts zu tun haben –, die in anderen Ländern besonderes
schlecht ankommen, und das zu Recht; denn wir haben
in der Bundesrepublik Deutschland auch noch eine ganze
Menge zu tun und eine ganze Menge Reformen durchzu-
führen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eckhardt Rehberg






(A) (C)



(B) (D)


Aber schauen wir uns an zwei verschiedenen Beispie-
len einmal an, welche Art Strukturreform denn auch von
Deutschland aus in anderen Ländern durchgesetzt wurde .
Es ist ein bisschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit
geraten, aber blicken wir jetzt einmal nach Griechenland:
Da hat doch die Bundesregierung, Herr Schäuble an der
Spitze, dafür gesorgt, dass dort Reformen durchgesetzt
wurden, die eben den Menschen nicht nützen, die dazu
geführt haben, dass Renten und Löhne gekürzt wurden,
dass die Wirtschaft dramatisch eingebrochen ist und die
Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland weiter gestiegen
ist . Man hat Griechenland nicht geholfen, sondern man
hat Griechenland geknebelt. Das, finde ich, ist keine gute
Reform . Wir müssen etwas dagegen tun .


(Beifall bei der LINKEN)


Auf der anderen Seite könnte man ja auch, wenn
man einen solchen Einfluss hat, in Ländern mithelfen,
vernünftige Reformen umzusetzen . Nun ist ja in dieser
Woche von mehreren Kollegen, auch von den Regie-
rungsfraktionen, darüber geklagt worden, dass Apple in
Irland 0,005 Prozent Steuern zahlt, also eine lächerliche
Summe . Hinzufügen muss man, dass Apple durch diese
Steuervermeidungspolitik uns, den deutschen Staat, um
250 Millionen Euro Steuern quasi betrogen hat. Ich finde,
das sollte man deutlich sagen und erwähnen, dass wir ja
die Chance gehabt hätten, auf die Unternehmensteuerpo-
litik in Irland Einfluss zu nehmen.

Vor einigen Jahren war Irland ja auch in einem so-
genannten Rettungsprogramm, unter einem Rettungs-
schirm, und es wurde gesagt: Wir werden genau die Be-
dingungen formulieren . Wir Linke haben schon damals
gefordert: Es muss dafür gesorgt werden, dass es inner-
halb der Europäischen Union nicht möglich ist, dass man
einen Konkurrenzwettbewerb um die niedrigsten Steuern
macht; denn das ist ungerecht nicht nur den anderen Län-
dern gegenüber, sondern auch in Irland ungerecht gegen-
über der eigenen Bevölkerung . – Da müsste man einmal
Einfluss nehmen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Allerdings habe ich in der Debatte auch einige Töne
vernommen, bei denen ich davon ausgehe, dass wir,
wenn wir sie denn in den Haushaltsberatungen umsetzen,
doch zu Verbesserungen kommen . Erstes Beispiel: Ge-
sundheit . Aus den Reihen der SPD, der Grünen sowieso,
unserer Fraktion, aber auch von einigen Kolleginnen und
Kollegen der CDU haben wir gehört, dass es nicht weiter
so sein kann, dass die Krankenkassenbeiträge zum gro-
ßen Teil von den Versicherten bezahlt werden . Der Anteil
der Arbeitgeber ist ja eingefroren, und die Versicherten
sollen immer draufzahlen . – Das wäre doch ein gutes
gemeinsames Projekt . Lassen Sie uns auch nicht bis
zur Bundestagswahl warten, so etwas umzusetzen . Wir
haben ein ganzes Jahr Zeit, und dieses Jahr sollten wir
nutzen, um die Parität bei den Krankenkassenbeiträgen
wiederherzustellen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Steffen-Claudio Lemme [SPD])


Zweites Beispiel . Rente . Auch das war gestern ein
großes Thema . Ich denke, die Menschen haben nach
26 Jahren Vereinigung das Recht darauf, dass wir endlich
ein gleichwertiges Rentensystem in Ost und West haben .
Wir können hier auch eine mutige politische Entschei-
dung treffen und müssen nicht über Rosinenpickerei oder
anderen Unsinn reden . Wir brauchen endlich gleiche
Renten in Ost und West, vor allen Dingen brauchen wir
wieder ein höheres Rentenniveau, und wir brauchen eine
solidarische Mindestrente .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn hier über Steuern gesprochen wird, dann müs-
sen wir uns, glaube ich, ehrlich machen . Wir müssen
dafür sorgen, dass niedrige und mittlere Einkommen
entlastet werden . Auf der anderen Seite müssen wir aber
auch dafür sorgen, dass endlich eine große Steuerreform
durchgeführt wird, die Kapitaleinkünfte genauso besteu-
ert wie Arbeitseinkünfte, die Vermögende nicht länger
begünstigt und die Finanzspekulanten nicht weiter ihre
Geschäfte machen lässt . Eine solche Reform würde nicht
nur die Mehrheit in unserem Land, sondern auch die
Mehrheit in anderen europäischen Ländern begrüßen .

Wir haben viel Veränderungsbedarf . Lassen Sie uns
gemeinsam eine Gerechtigkeitsoffensive starten! Setzen
wir das in den Beratungen zum Haushalt um!

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818805900

Der Kollege Swen Schulz hat für die SPD-Fraktion

das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818806000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Tribü-
nen! Diese Schlussrunde gibt Gelegenheit, ein Resümee
der Anberatung des Haushaltsplanes 2017 zu ziehen .

Ich habe die Debatten aufmerksam verfolgt . Es gibt
natürlich Kritik der Opposition, wie eben von Frau
Lötzsch . Es wäre ja auch merkwürdig, wenn es anders
wäre .


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Aber mäßige Kritik, ganz mäßige! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Vor allem gab es Vorschläge! Gute Vorschläge!)


Teilweise ist diese Kritik nicht gerechtfertigt und überzo-
gen, teilweise aber auch durchaus erwägenswert .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ach!)


Da es sich hier um einen Entwurf der Regierung handelt
und wir selbstbewusste Parlamentarierinnen und Parla-
mentarier sind, werden wir sicher noch das eine oder an-
dere ändern und verbessern .

Viele Beobachter haben erwartet, dass sich die Koali-
tion bei diesen Haushaltsberatungen gewissermaßen auf

Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


offener Bühne zerfetzt . Das hat sie insgesamt gesehen
nicht getan .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Na ja!)


Und das ist auch gut so; denn die Bürgerinnen und Bür-
ger erwarten mit Recht, dass wir den Bundeshaushalt
sachgerecht, ernsthaft und anständig erörtern .

Das heißt natürlich nicht, dass wir uns hier andauernd
gegenseitig Liebeslieder in die Ohren säuseln, dass wir
hier Händchen halten und Ringelreih tanzen . Nein, die
Koalitionsparteien haben unterschiedliche Positionen
und vertreten diese auch selbstbewusst und engagiert .
Wir sind eben verschiedene Parteien, die um einen ge-
meinsamen Haushalt des nächsten Jahres ringen .

Wie ist die Lage? Sie ist jedenfalls deutlich besser als
die verbreitete Stimmung .


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das stimmt!)


Der Haushalt ist eigentlich nachgerade ein Traum: Die
Investitionen steigen, wir haben neue Rekorde bei Bil-
dung und Forschung, die Kommunen werden entlastet,
auch die sozialen Leistungen steigen – und das alles bei
Überschüssen . Das ist eine Luxussituation, um die uns
praktisch die ganze Welt beneidet .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dieser Situation kommen die unterschiedlichsten
Vorschläge dafür, wie es weitergehen soll . Ich will hier
betonen: Eine Steuersenkung, die hauptsächlich den
Spitzenverdienern nutzt, kommt für uns nicht infrage .


(Beifall bei der SPD)


Wir sprechen gerne über eine Entlastung der Bürgerinnen
und Bürger, aber drei Dinge müssen klar sein:

Erstens muss die Entlastung den unteren und mittleren
Einkommen helfen . Das geht am besten über die Sozi-
alabgaben Die nämlich drücken Familien und Durch-
schnittsverdiener viel mehr als die Steuern .

Zweitens muss eine Entlastung durch eine Belastung
der hohen und höchsten Einkommen und Vermögen ge-
genfinanziert werden.

Drittens dürfen wir nicht damit anfangen, den Haus-
halt strukturell in eine Schieflage zu bringen, nur weil die
Steuereinnahmen gerade einmal gut laufen und die Zin-
sen niedrig sind . Die Zeiten können sich schnell ändern,
und wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, gerade
wenn die Wirtschaft einmal nicht mehr so brummt .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mehr noch: Wir müssen heute die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass die Entwicklung gut weitergeht . Wir
müssen in die Zukunft investieren . Wir machen zwar eine
Menge – das ist dargestellt worden –, aber da geht noch
mehr . Das betrifft auch und gerade Bildungs- und Sozial-
investitionen .

Viel wird darüber diskutiert, auch in dieser Haus-
haltsdebatte, warum die AfD so viel Zuspruch erhält . Es
kommt einiges zusammen, die Menschen sind natürlich
sehr unterschiedlich . Aber eines ist doch klar: Da spielen

auch Sorgen und Abstiegsängste eine Rolle, das Gefühl,
dass es nicht gerecht zugeht, dass zu wenig für die nor-
malen Menschen getan wird . Was antworten wir? Dass
Ausgrenzung und Hass keine Antworten sind . Das ist
sehr richtig .

Aber wir müssen auch konkret handeln, müssen mit
Maßnahmen gegen Kinderarmut, für Alleinerziehende,
für Kitas und Schulen, für die ordentliche Bezahlung von
Krankenschwestern und Erziehern, gegen Armut im Al-
ter diese Gesellschaft gerechter gestalten .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht mal! – Gegenruf von der SPD: Machen wir!)


Es reicht eben nicht, zu sagen, dass es den Menschen im
Durchschnitt gut geht, wie ich das hier von der Union
gehört habe .

Ich empfehle Ihnen allen, das neue Buch von Marcel
Fratzscher zu lesen . Er ist der Chef des Deutschen In-
stituts für Wirtschaftsforschung, DIW, und nun wahrlich
nicht so etwas wie ein linker Spinner . Das Buch heißt
Verteilungskampf: Warum Deutschland immer unglei-
cher wird. Er legt aus wissenschaftlich-ökonomischer
Perspektive dar, dass Deutschland in den letzten Jahr-
zehnten ungleicher und ungerechter geworden ist und
dass das nicht nur ein soziales und gesellschaftliches,
sondern auch ein massives wirtschaftliches Problem ist .
Ungerechtigkeit ist eine Wachstumsbremse, meine sehr
verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Darum habe ich mich sehr gefreut, als die Bundes-
kanzlerin in der Generaldebatte gesagt hat, dass der sozi-
ale Zusammenhalt unser größtes Pfund ist und dass wir
das Soziale stärken müssen . – Ja, recht hat sie . Aber das
muss dann auch gemacht werden, da müssen konkrete
Verbesserungen her .


(Beifall des Abg . Dr . Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir Sozialdemokraten fordern das ein, setzen auch
einiges durch, wie den Mindestlohn, den sozialen Woh-
nungsbau, die Erhöhung des BAföG, die Mittel für das
Programm „Soziale Stadt“ und die Mietpreisbremse .
Aber lassen Sie es mich so sagen: Ich wünschte, es wäre
leichter in der Koalition . Eine soziale und gerechte Ge-
sellschaft mit Aufstiegschancen für alle ist die beste Vo-
raussetzung für Sicherheit . Das ist doch keine neue Er-
kenntnis . Gute Bildung ist die beste Kriminalprävention .

Viel Kritik rührt daher, dass sich die Bürgerinnen und
Bürger nicht mehr sicher fühlen . Natürlich brauchen wir
den handlungsfähigen Staat, um Sicherheit, Ordnung und
Recht durchzusetzen . Darum stocken wir die Mittel für
die Bundespolizei auf und machen Einbruchsprävention .
Die richtige Antwort ist eine klare, sachliche, lösungs-
orientierte Politik .

Was nicht hilft, ist, mit irgendwelchen Parolen der
AfD hinterherzulaufen und Scheindebatten loszutreten,
wie etwa über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren
oder über die Burka . Natürlich lehnen wir die Burka ab,

Swen Schulz (Spandau)







(A) (C)



(B) (D)


aber sie hat mit Sicherheit nichts zu tun . Das verunsi-
chert die Menschen nur noch mehr und treibt sie in die
Arme der Rechtspopulisten . Die CDU in Berlin im aktu-
ellen Wahlkampf, namentlich Innensenator Henkel, hat
dazu gehörig beigetragen . Es würde mich nicht wundern,
wenn er dafür bei den Wahlen die Quittung erhalten und
heftig abgestraft würde .

Lassen Sie mich dann bei dieser Gelegenheit etwas
näher auf Berlin eingehen. Auch wenn ich offiziell als
Spandauer Abgeordneter geführt werde, spreche ich jetzt
einfach einmal als Vertreter Berlins . Zunächst und vor al-
lem sage ich Danke . Ein riesiges Dankeschön aus Berlin
an die Adresse des Haushaltsausschusses, des Deutschen
Bundestages, der Bundesregierung und ganz Deutsch-
lands dafür, dass die Hauptstadt Berlin so toll unterstützt
wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gibt ja nicht nur den Hauptstadtfinanzierungsver-
trag, in dem eine Menge geregelt wird, sondern wirklich
jedes Jahr kommt in den Haushaltsberatungen für die
Kultur noch ordentlich etwas dazu . Aber auch die Förde-
rung der Bildung, der Wissenschaft und der Wirtschaft ist
aus Berlin gar nicht mehr wegzudenken .

So viel Dank aus Berlin ist selten; ich weiß das . Des-
wegen beeile ich mich auch, hinzuzufügen: Es darf gerne
mehr sein, muss es auch . Schließlich leistet Berlin sehr
viel für ganz Deutschland . Berlin ist ja nicht nur Haupt-
stadt, sondern auch Metropole, Zentrum, Leuchtturm: in
der Kultur, in der Wissenschaft, für Start-ups, als Werk-
statt für die Zukunft . Wenn Michael Müller Regierender
Bürgermeister bleibt, dann geht das auch gut weiter, mei-
ne sehr verehrten Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD – Christian Haase [CDU/CSU]: Wenn!)


Ich will aber in diesem Zusammenhang – ich bin beim
Thema Berlin – zu einem weiteren wichtigen Thema
kommen, nämlich zur Liegenschaftspolitik des Bundes .
Eckhardt Rehberg und Frau Lötzsch hatten sie ja bereits
angesprochen .

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die
BImA, besitzt auch und gerade in Berlin viele Grundstü-
cke und Gebäude, die der Bund nicht braucht . Sie werden
verkauft – nach aktueller Rechtslage zum höchsten Preis .
Das ist zwar gut für den Bundeshaushalt, aber schlecht
für die Stadt, weil dann eben keine bezahlbaren Wohnun-
gen entstehen bzw . keine stadtverträgliche öffentliche
Nutzung möglich ist, sondern private Investoren ihren
Gewinn maximieren . Aber bei den Problemen, die wir in
Berlin und in anderen Städten haben, darf der Bund doch
nicht das Spekulationskarussell beschleunigen, sondern
muss im Gegenteil öffentliche Interessen wahren und die
Liegenschaften zu vernünftigen Preisen an die Kommu-
nen veräußern, meine sehr verehrten Damen und Herren .


(Caren Lay [DIE LINKE]: Warum haben Sie denn dann Verkäufen zugestimmt?)


Das von dir angesprochene Beispiel, lieber Eckhardt
Rehberg, greift allerdings nicht . Denn diese Liegenschaf-

ten sind für den Wohnungsbau nicht geeignet . Berlin hat
unlängst seine Liegenschaftspolitik geändert und ist da-
mit ein Beispiel für den Bund .

Die SPD-Bundestagsfraktion hat eindeutig Position
bezogen . Im Haushaltsausschuss haben wir auch erste
Schritte in diese Richtung gemacht, etwa mit Maßnah-
men zur Flüchtlingsunterbringung oder der verbilligten
Abgabe von Grundstücken, wenn Sozialwohnungen er-
richtet werden .

Ich sage aber auch deutlich, Frau Lötzsch: Der Ver-
kauf des Dragoner-Areals in Kreuzberg zum Höchstpreis
war ein Fehler .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818806100

Lieber Herr Schulz, erlauben Sie eine Zwischenfrage

oder -bemerkung der Kollegin Lay?


Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818806200

Ja, gerne .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818806300

Schönen Tag übrigens . Es gab hier nämlich einen

Wechsel . Ich grüße Sie .


Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818806400

Vielen lieben Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulas-

sen, verehrter Herr Kollege . – Ich teile ja Ihre Einschät-
zung, dass sich die Liegenschaftspolitik des Bundes drin-
gend ändern muss und nicht mehr nach dem Höchstgebot
vergeben werden darf, weil das die Spekulation antreibt .
Vielmehr sollten wir mit unserer Liegenschaftspolitik im
Bundestag eine gute Entwicklung beim sozialen Woh-
nungsbau befördern . Auch das Dragoner-Areal muss na-
türlich an die Stadt Berlin gehen .

Aber können Sie mir bitte beantworten, warum ers-
tens Ihre Fraktion im Haushaltsausschuss des Bundes-
tages und hier im Plenum für den Verkauf des Drago-
ner-Areals an einen Großinvestor gestimmt hat, warum
zweitens Ihre Fraktion bei jeder Gelegenheit Anträge der
Linken, aber auch der Grünen, in denen gefordert wurde,
endlich das Vorkaufsrecht der Kommunen einzuführen,
abgelehnt hat? Und drittens: Stimmen Sie mir zu, dass
es doch irgendwie verdächtig ist, wenn die SPD knapp
zwei Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin
plötzlich zu einer späten Einsicht kommt .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818806500

Vielen Dank, Frau Lay, für die Zwischenfrage . – Ich

kann das aus Ihrer Sicht verstehen . Von der Oppositions-
warte aus ist immer alles klar und eindeutig . In Regie-
rungsverantwortung in einer Koalition ist das alles im-
mer ein bisschen schwieriger .

Ich kann nur noch einmal sagen: Die SPD-Bundes-
tagsfraktion hat schon länger ihre Position, was die Lie-
genschaftspolitik anbetrifft, formuliert . Der Verkauf des
Dragoner-Areals in Kreuzberg war tatsächlich ein Fehler .

Swen Schulz (Spandau)







(A) (C)



(B) (D)


Wir versuchen Schritt für Schritt, die Liegenschaftspoli-
tik des Bundes zu ändern, und hoffen, dass wir da auch
weiterkommen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818806600

Herr Schulz, Sie haben jetzt eine neue Frage oder

Bemerkung provoziert . Erlauben Sie noch eine weitere
Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Lisa Paus?


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Jetzt ist aber gut!)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818806700

Ja .


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818806800

Lieber Kollege Swen Schulz, wenn Sie jetzt zu Recht

darauf hinweisen, dass Sie sich im Bund in einer Koali-
tion mit der CDU befinden, und daraus ableiten, dass Sie
keine eigenständigen Gesetzentwürfe einbringen, kön-
nen Sie mir dann erläutern, was es wert ist, wenn doch
nur mit Zustimmung des Koalitionspartners etwas geht,
dass der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfrak-
tion, Herr Oppermann, vor zwei Wochen verkündet hat,
dass die SPD einen Gesetzentwurf einbringen möchte,
um das BImA-Gesetz zu ändern? Können Sie mir bestä-
tigen, dass Herr Oppermann das mit der CDU abgespro-
chen hat, oder könnte es sein, dass das doch Wahlkampf-
geplänkel war?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818806900

Nein, das ist kein Wahlkampfgeplänkel unseres Frak-

tionsvorsitzenden, sondern eine klare Positionierung, mit
der er deutlich gemacht hat, wie die SPD-Bundestags-
fraktion zur Liegenschaftspolitik des Bundes steht . Das
ist doch eine klare Ansage und, glaube ich, auch interes-
sant für die Bürgerinnen und Bürger, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat sich sehr bemüht!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807000

Jetzt lassen wir Herrn Schulz zum Ende seiner Rede

kommen .


Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818807100

Ich greife den Faden wieder auf . Der Verkauf des

Dragoner-Areals war ein Fehler, und ich fordere die
Bundesregierung bzw . das Finanzministerium auf, den
Kaufvertrag rückabzuwickeln . Nach dem Einspruch des
Bundesrates besteht die Möglichkeit dazu . Ich glaube,
das wäre ein guter Beitrag .

Noch eine Bemerkung: Lassen Sie die Verfahrensän-
derung beim Verkauf der Bundesimmobilien sein, Herr
Spahn . Die Verknüpfung mit den Flüchtlingskosten ist
nicht sachgerecht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider bleibt mir
nicht mehr viel Zeit, um, wie ich mir vorgenommen
hatte, ein weiteres wichtiges Thema anzusprechen, näm-
lich den vollständigen Umzug der Bundesregierung von
Bonn nach Berlin .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jeder weiß – ob hier in Berlin, im Bundestag, in der Bun-
desregierung, in den betroffenen Ministerien, ob in NRW
oder im Grunde auch in Bonn selbst –: Die örtliche Tei-
lung der Bundesregierung ist ein Auslaufmodell .


(Beifall der Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE] und Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Die Ministerien ziehen immer mehr Leute nach Berlin,
weil es sinnvoll, praktisch und kostensparend ist . Ich
höre inzwischen auch immer mehr Stimmen aus Nord-
rhein-Westfalen, die sagen: Die Bonner – hallo, Uli
Kelber! – sollen den Ball mal ruhig flachhalten; denen
geht es heute besser als je zuvor .

Es sollen ja gar nicht alle von heute auf morgen um-
ziehen . Es soll auch fair mit den Bediensteten sowie der
Stadt Bonn umgegangen werden . Dazu gehört dann aber
eben auch, dass sich alle ehrlich machen und einen Plan
aufstellen, aus dem hervorgeht, wie Schritt für Schritt der
Komplettumzug vorgenommen und Härten vermieden
werden können .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807200

Und wie Sie zum Ende Ihrer Rede kommen .


Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1818807300

Ich wollte gerade zum Schlusssatz kommen . – In die-

sem Sinne freue ich mich auf die weiteren Haushaltsbe-
ratungen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807400

Vielen Dank, Swen Schulz . – Nächste Rednerin: Ekin

Deligöz für Bündnis 90/Die Grünen .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zu Beginn meiner Rede auf etwas eingehen,
was der Kollege Ralph Brinkhaus zum Auftakt der Haus-
haltsdebatte gesagt hat . Er hat gesagt, in diesem Land zu
leben, sei wie ein Lottogewinn; nie sei es Deutschland
besser gegangen .


(Zurufe von der CDU/CSU: Richtig! Sehr gut! Recht hat er!)


Deutschland steht gut da; das haben wir in allen Debat-
ten mitbekommen . Aber, Herr Brinkhaus, wir sollten uns
davon auch nicht blenden lassen . Nicht alle Menschen
in diesem Land sind Lottogewinnerinnen und Lottoge-

Swen Schulz (Spandau)







(A) (C)



(B) (D)


winner im Brinkhaus’schen Sinn . Es gibt auch noch die
anderen Menschen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wer das ausblendet, verzichtet auf jedwede Überlegung
darüber, wie man das alles noch besser machen kann .
Das ist doch eigentlich unser Auftrag in diesem Haus:
nicht uns selbst zu loben oder zu feiern, wie Sie das tun,
indem Sie sich selbst loben und feiern, sondern uns im-
mer zu fragen, was wir besser machen können, damit es
den Menschen in diesem Land jetzt und später besser
geht, und damit auch nicht aufzuhören .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Unsere Kritik an Ihnen ist ganz eindeutig . Obwohl
es uns gut geht, obwohl die Wirtschaftsdaten gut sind,
obwohl die Zinsen niedrig sind und obwohl die Arbeits-
losigkeit niedrig ist, lassen Sie die Menschen im Regen
stehen . Die zentralen Probleme packen Sie nicht an . Das
gilt auch für die Große Koalition . Sie machen eine Poli-
tik des kleinsten gemeinsamen Nenners . Das heißt, Sie
machen nichts entschlossen, Sie führen nichts zu Ende .
Wenn überhaupt, fangen Sie die Sachen nur an . Aber bei
den Menschen kommt das am Ende nicht an . Das ist die
größte Schwäche, und das ist unser größter Kritikpunkt
bei Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Haase [CDU/CSU]: Wenn die Länder es nicht umsetzen!)


Wenn Sie mir das nicht glauben, will ich Ihnen zeigen,
dass in diesem Land nicht jeder ein Lottogewinner ist .
Ich will Ihnen die Bilder dieser Gesellschaft in Erinne-
rung rufen, die ich sehe und die uns den Auftrag erteilen,
dass noch viel in dieser Gesellschaft zu tun ist . Schauen
Sie sich einmal junge Familien an . Viele junge Famili-
en wissen nicht, wie sie tagtäglich alle Bälle des Alltags
überhaupt noch in der Luft halten können . Wenn in die-
sem Land alleinerziehend zu sein für Hunderttausende
bedeutet, dass sie automatisch in Hartz IV landen, wenn
in diesem Land ein Kind mit einem ausländischen Na-
men keine Ausbildungsstelle findet, keine Aufstiegs- und
keine Bildungschancen hat,


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch ein Zerrbild!)


wenn in diesem Land, obwohl der Arbeitsmarkt brummt,
Langzeitarbeitslose noch immer nicht vom Abstellgleis
wegkommen, wenn in diesem Land bei einer Flücht-
lingsanerkennungsquote von 47 Prozent leider noch
immer viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber im
Warteraum der Integration Platz nehmen müssen, wenn
in diesem Land Menschen nach einem soliden Arbeits-
leben Grundsicherung beziehen anstelle einer höheren
Rente – das hat auch etwas mit Würde zu tun –, wenn in
diesem Land die Kosten für das Gesundheitssystem nicht
auf alle Schultern verteilt werden, sondern nur von einem
Teil der Menschen finanziert werden,


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ich glaube, Sie leben in einem anderen Land!)


wenn in diesem Land bezahlbarer Wohnraum schwieri-
ger zu kriegen ist, als im Lotto zu gewinnen, dann hat der
Lottogewinn, von dem Sie reden, diese Menschen nicht
erreicht . Dann hat dieses Land diese Menschen im Stich
gelassen und der Lottogewinn ist an ihnen vorbeigegan-
gen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Brinkhaus, wenn Sie sagen, dass ich das Land
schlecht mache und alles dramatisiere, dann frage ich
mich, warum Sie das alles gar nicht sehen .


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, Sie müssen es differenziert machen!)


Warum sind wir diejenigen, die das immer thematisie-
ren? Warum sehen Sie das alles nicht? Ich mache das
nicht schlecht,


(Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)


sondern ich mache das, wofür ich gewählt worden bin .
Ich übernehme Verantwortung in diesem Land, und zwar
genau für diese Menschen, für Menschen, die auf der
Schattenseite stehen . Damit sollten wir uns beschäftigen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ulrike Gottschalck [SPD]: Na ja!)


Der Ökonom Marcel Fratzscher sagt in seinem Buch:
In diesem Land brauchen wir mehr Investitionen in Inte-
gration, Infrastruktur und Innovation .


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Der will die ganze Infrastruktur privatisieren!)


Er sagt: Wir haben eine Investitionslücke von 100 Mil-
liarden Euro . – Was ist Ihre Antwort? Eine Investitions-
quote von noch nicht einmal 10 Prozent; die wird in den
nächsten Jahren auf 8,8 Prozent zurückgehen . Von einer
Investitionsoffensive kann man hier wahrlich nicht spre-
chen, sondern eher von einem großen Stillstand dort, wo
wir Investitionen am meisten bräuchten .

Kollege Schulz, als ich Ihrer Rede zugehört habe,
konnte ich an ganz vielen Stellen sagen: Ja, genau, Sie
haben vollkommen recht . Dann stellte sich mir aber eine
Frage – es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Ih-
nen und mir; ich sitze in der Opposition, Ihre Partei sitzt
in der Regierung –: Warum setzen Sie Ihre Vorschläge
denn nicht um? Warum kämpfen Sie nicht dafür in der
Koalition?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich habe es schwerer!)


Dieser Haushalt ist ein Haushalt der verpassten Chan-
cen . Er ist kein Haushalt, der dafür sorgt, dass es uns
auch in Zukunft gut geht .


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Wenn Sie jetzt von Entlastungen reden, dann kann
ich Ihnen nur sagen: Schön guten Tag, darüber reden wir
doch die ganze Zeit! – Es geht nämlich um Entlastun-
gen dort, wo wir Entlastungen am meisten brauchen, im

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


Alltag, im Leben der Menschen . Ja, wir brauchen gute
Schulen, um Kindern auch morgen den sozialen Aufstieg
zu ermöglichen . Ja, wir brauchen die Investitionen dort,
wo der Schuh drückt . Dazu zählen Investitionen in be-
zahlbare Wohnungen, dazu gehört auch eine Garantie-
rente, um Altersarmut in diesem Land zu bekämpfen und
Menschen aus der Grundsicherung herauszuholen . Ja,
wir wollen Alleinerziehende nicht alleine lassen .


(Zuruf des Abg . Christian Haase [CDU/ CSU])


Ihre Vorschläge dazu sind im Moment nur verbal . De fac-
to sehen wir nichts in Ihrem Haushalt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, wir kämpfen in diesem Land nach wie vor für
saubere Energiequellen und Klimaschutz . Wir legen das
Thema nicht ad acta, weil es um Lebensqualität für die
Menschen in diesem Land geht, weil es um gutes Leben
geht . Ja, dafür setzen wir uns ein .

Wenn Sie immer noch glauben, Sie könnten sich zu-
rücklehnen, weil Deutschland ein Land der Lottogewin-
nerinnen und Lottogewinner sei, dann kann ich Ihnen nur
antworten: Das ist bequem, aber das zeugt von einer ver-
dammt verzerrten Wahrnehmung der Realität in diesem
Land .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb: Lehnen Sie unsere Anträge nicht gleich ab .
Das, was wir Ihnen vorschlagen, wird in diesem Land für
Aufbruch stehen . Das wird aber auch für eine bodenstän-
dige Politik stehen, die Verantwortung übernimmt . Das
ist die grüne Idee . Darauf würden wir gerne mit Ihnen
hinarbeiten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807600

Vielen Dank, Ekin Deligöz . – Nächster Redner: Parla-

mentarischer Staatssekretär Jens Spahn .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Thomas Jurk [SPD])


J
Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1818807700


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Damit mir nicht das Gleiche passiert wie dem Kollegen
Schulz, dass ich nämlich vor lauter Berliner Wahlkampf
gar nicht zum Eigentlichen komme, beginne ich mit dem
Grundsätzlichen und gehe dann auf ein paar Punkte ein .

Seitdem ich vor etwa 20 Jahren in die Junge Union
eingetreten bin,


(Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich dachte, das war vorgestern!)


habe ich immer dafür gekämpft, dass das Schuldenma-
chen, das Leben auf Kosten nachfolgender Generationen
endlich aufhört . Die Bundesrepublik Deutschland – das
ist nicht irgendwer; das sind am Ende alle Bürger dieses
Staates zusammen – hat 45 Jahre lang jedes Jahr Schul-

den gemacht; das ist länger, als ich auf der Welt bin . Am
Ende gab es immer einen guten Grund, warum man ge-
nau jetzt doch Schulden machen müsste, egal wie gut
oder wie schlecht die Situation gerade war .

Wenn wir einmal schauen, wo wir jetzt stehen, dann
stellen wir fest: Im Jahr 2014 haben wir zwar noch mit
Schulden geplant, konnten das Jahr aber mit einem
Überschuss abschließen . Wir haben übrigens dann auch
Schulden getilgt . Wir haben 2015, also das letzte Jahr,
mit fast 13 Milliarden Euro Überschuss abgeschlossen .
Das ist ein historischer Überschuss gewesen . Das muss
man sich auch immer wieder einmal vergegenwärtigen .
Das Jahr 2016 läuft gut . Das lässt sich nicht anders sa-
gen . Auch in diesem Jahr wird es gut aussehen . Und der
Haushaltsplan, den wir hier vorliegen haben und den wir
in den nächsten Wochen weiter beraten, sieht auch für
das Jahr 2017 und in der Finanzplanung bis 2020 kei-
ne neuen Schulden vor . Das ist, liebe Kolleginnen und
Kollegen, relativ einmalig in unserer gesamtdeutschen
Geschichte . Das ist historisch, das ist ziemlich einmalig
in Europa und in der Welt für ein Land dieser Größe . Ich
finde, das ist etwas, das man in der Schlussrunde einer
solchen Woche einmal herausarbeiten darf und worüber
man sich freuen darf .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist am Ende auch kein Fetisch oder Grützebrei,
wie ich im Laufe der Woche auch in einer Debatte hier
gehört habe, sondern wir machen das aus guten Gründen .
Ich will drei nennen:

Staatsverschuldung ist immer ein Verschieben von
Lasten in die Zukunft . Im Zweifel gibt es immer einen
guten Grund, warum man das gerade jetzt machen muss .
Diejenigen aber, die das später bezahlen müssen, hat man
nie gefragt . Das ist übrigens der Unterschied zum priva-
ten Kredit . Ein solcher Kredit geht nicht zulasten Dritter,
wo ein anderer für das bezahlt, wofür man Schulden auf-
genommen hat .

Zum Zweiten schränkt die Staatsverschuldung immer
die Spielräume für folgende Generationen ein, weil na-
türlich durch die Zinszahlungen am Ende Gelder belegt
sind, die dann nicht mehr für etwas anderes zur Verfü-
gung stehen . Ja, im Moment hilft die Phase der niedrigen
Zinsen, ohne Zweifel . Natürlich hat das auch Spielräume
bei uns im Haushalt möglich gemacht . Das ist im Übri-
gen auch das, Frau Kollegin Lötzsch, was der Minister
gemeint hat, als er in seiner Eingangsrede sagte, die Um-
stände seien günstig .

Ich kann Ihnen sagen: Andere Länder in Europa haben
auch diese günstigen Zinsen . Manch eines dieser Länder
profitiert natürlich davon, dass wir in Deutschland und
in noch einigen anderen Ländern mit einer guten wirt-
schaftlichen Situation insgesamt mithelfen, das Zinsni-
veau so niedrig zu halten . Wenn bestimmte Länder – das
ist ausgerechnet worden – ihre ersparten Zinsen genutzt
hätten – das macht natürlich bei Ländern mit sehr viel
höherer Staatsverschuldung auch entsprechend mehr
aus –, wären sie nach elf bis zwölf Jahren schuldenfrei
gewesen .

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


Es gibt im Übrigen selbst in Deutschland ein Beispiel
dafür, wie unterschiedlich man mit dieser Situation um-
gehen kann . Nehmen Sie mein Heimatbundesland Nord-
rhein-Westfalen .


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ach, und das ist kein Wahlkampf?)


Auch da sind die Steuereinnahmen hoch und die Zinsen
niedrig . Da wird aber nach dem Motto vorgegangen: Die
Zinsen sind niedrig, wir hauen noch einmal richtig ei-
nen raus! Beide Beispiele zeigen: Es macht einen Unter-
schied, wer den Finanzminister stellt und welche Finanz-
politik gemacht wird . Und genau das hat die Debatte in
dieser Woche auch gezeigt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das war ja so gar kein Wahlkampf!)


Es gibt einen dritten Grund, warum wir keine weitere
Erhöhung der Staatsverschuldung wollen . Hier geht es
um die Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähig-
keit für den Fall, dass Schocks, Veränderungen, Rezessi-
onen oder weltweite Krisen vor der Tür stehen . Es geht
uns – darüber ist hier ja gerade diskutiert worden; ich
gehe gleich auch noch einmal darauf ein – gut wie lan-
ge nicht . Die Löhne steigen, die Renten steigen so stark
wie seit 23 Jahren nicht mehr, die staatliche Nachfrage
ist hoch wie lange nicht mehr, weil der Bund sowie alle
Länder und Kommunen gut dastehen . Die Binnennach-
frage, die in den letzten Jahren gestiegen ist – das ist für
Deutschland etwas Neues –, trägt also zum ersten Mal
das Wachstum mit . In einer solchen Situation kann selbst
der überzeugteste linkeste Keynesianer nicht auf die Idee
kommen, dass das die Zeit sei, um Schulden zu machen .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Hat keiner von uns gesagt!)


Die Frage ist doch: Wann sollen wir denn mit dem Schul-
denmachen aufhören, wenn nicht in einer Zeit wie dieser?
Wann, wenn nicht jetzt? Es geht darum, das Pulver für
schlechtere Zeiten trockenzuhalten; denn diese werden
irgendwann wieder kommen . Das ist im Leben immer so .
Auch für die wirtschaftliche Entwicklung gilt das .

Ich verstehe im Übrigen nicht die Logik, die hinter
den internationalen Forderungen an Deutschland steckt –
gerade jetzt auch wieder auf dem G 20-Gipfel –, dass wir
doch unsere fiskalischen Möglichkeiten nutzen sollten,
um Impulse zu setzen . Ich glaube nicht daran, dass, wenn
wir uns jetzt verschulden, um zusätzliche Ausgaben zu
machen, es am Ende die italienische oder griechische
Wirtschaft nach vorne bringen wird . Es geht nicht da-
rum – auch das ist bei der Debatte auf dem G 20-Gipfel
deutlich geworden –, die Probleme, die wegen Schulden
entstanden sind, mit neuen Schulden zu bekämpfen . Es
geht darum, dass wir in Europa insgesamt wettbewerbs-
fähiger werden . Dafür braucht es Strukturreformen . Da-
rum, Frau Kollegin Lötzsch, geht es übrigens auch bei
den Dingen, die in Griechenland zu tun sind, wofür wir
ja auch mit Griechenland ein gemeinsames Programm
entwickelt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Obwohl wir sagen, dass wir keine neuen Schulden
machen, um all dieses möglich zu machen, können wir
gestalten . Wir haben Spielräume, weil wir wachsende
Einnahmen haben: gut 328 Milliarden Euro Einnah-
men und Ausgaben im nächsten Jahr . Damit können wir
Schwerpunkte setzen, und genau darüber ist im Laufe
dieser Woche ja auch diskutiert worden, gerade heute
Morgen noch beim Etat für Bauen und Verkehr . Bei den
Ausgaben für die Bereiche Straße und Schiene haben wir
in dieser Legislaturperiode – das ist schon ein ziemliches
Wort – eine Steigerung in Höhe von 25 Prozent . Den
Breitbandausbau werden wir in den nächsten vier Jahren
mit 4 Milliarden Euro fördern .

Das Spannende ist ja – dies ist eine neue Situation; in
der Debatte wurde gerade schon darauf hingewiesen –,
dass im Moment auch gar nicht mehr geht . Selbst wenn
sie uns 5 oder 10 Milliarden Euro zusätzlich für Baupro-
jekte des Bundes zur Verfügung stellen würden, könnten
wir sie im Moment gar nicht verbauen . Es scheitert im
Moment nicht am Geld, sondern an baureifen Projekten,
also an den Planungskapazitäten . Es müsste uns eigent-
lich ziemlich umtreiben, wenn daran am Ende das Bauen
scheitert . Es ist gut, wenn wir auf allen Ebenen kreativ
daran arbeiten, das zu verändern, liebe Kolleginnen und
Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiterer Schwerpunkt sind alle Maßnahmen rund
um die Integration insbesondere der Flüchtlinge, die für
eine bestimmte längere Zeit hier bei uns in Deutschland
bleiben werden . Darunter sind in großer Zahl viele junge
Männer . Auch darüber hat man schon öfter diskutiert . Ich
sage immer – das war jedenfalls bei mir daheim im Dorf
so –: Junge Männer in Gruppen ohne Aufgabe bringen
Ärger, egal ob sie deutsch, syrisch, albanisch oder bri-
tisch sind . Deswegen geht es darum, wie wir diesen Men-
schen möglichst schnell eine Perspektive, eine Aufgabe
geben können, sodass es klar für sie wird, wie es weiter-
geht . Es geht darum, wie wir es mit Sprachkursen, mit
Integrationskursen, mit Arbeitsmarktmaßnahmen, auch
für diejenigen, die eben nicht Ärzte oder Ingenieure sind,
möglich machen können, dass sie für sich eine Aufgabe,
eine Perspektive finden.

Wir merken: Das Geld ist da . Viele Milliarden Euro
sind in den unterschiedlichen Haushalten, um das zu tun .
Wir merken aber auch: Das umzusetzen vor Ort – das
bekommt jeder in seinem Wahlkreis mit –, ist unendlich
viel mühsamer, weil es natürlich konkreter Projekte zur
Umsetzung bedarf . Wenn es konkret wird, wird es meis-
tens schwierig . Aber die entscheidende Botschaft ist –
ich finde, auch die sollten wir deutlich machen –: Das
nötige Geld ist da . Wir arbeiten an den Strukturen – sie
sind schon deutlich anders als noch vor sechs oder neun
Monaten –, um diese große Aufgabe zu meistern; denn
wir wollen, dass an dieser Stelle Integration nicht nur,
aber auch in den Arbeitsmarkt sowie insgesamt in die-
se Gesellschaft gelingt . Auch das bildet sich in diesem
Haushalt ab, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben große Aufwüchse – darauf ist schon hin-
gewiesen worden – beispielsweise bei der inneren Si-

Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF






(A) (C)



(B) (D)


cherheit, bei der Frage der Fluchtursachenbekämpfung
oder auch beim Verteidigungsministerium . Aber eins
müssen wir auch gemeinsam feststellen – da komme ich
zu dem, was gerade diskutiert wurde –: Es gibt auch ein
paar Abers in diesem Haushalt; ein Aber ist die Frage
der Sozialquote, die mit dem, was wir gemacht haben,
verbunden ist . Ich wundere mich in der Tat darüber, wel-
ches Bild hier gezeichnet wird, auch von denjenigen, die
Unterstützung brauchen . Ich will nur mit ein paar Punk-
ten verdeutlichen, was wir alles in den letzten Jahren ge-
macht haben: BAföG erhöht, Wohngeld erhöht, Hartz IV
erhöht, Kindergeld erhöht, Kitaausbau vorangetrieben,
Pflegeleistungen massiv ausgebaut.

Ja, natürlich sind nicht alle Lottogewinner, wenn man
es wortwörtlich nehmen will; so hat es aber, glaube ich,
der Kollege Brinkhaus gar nicht gemeint .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)


Vielmehr geht es bei uns in Deutschland um einen rela-
tiven Armutsbegriff . Es geht am Ende immer um relative
Armut, nicht um absolute Armut im Sinne von „nichts zu
essen“ oder „kein Dach über dem Kopf“ – natürlich ist
auch das ein Problem; darüber brauchen wir gar nicht zu
diskutieren . Aber dass wir eines der besten Gesundheits-
systeme der Welt haben, das selbst denen, die nicht viel
haben, eine gute Versorgung sichert, dass wir unter ande-
rem mit all den Maßnahmen, die ich gerade aufgezählt
habe, auch denen, die es schwer haben, mehr Unterstüt-
zung geben, als sie in den meisten anderen Ländern der
Welt bekämen, könnten Sie ja einmal anerkennen . Genau
diese Unterstützungsleistung findet sich auch in diesem
Bundeshaushalt wieder .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insofern sollten Sie auch da kein Zerrbild der Situation
zeichnen, die wir hier im Land haben .

Mehr kann immer geleistet werden; das ist überhaupt
keine Frage . Trotzdem müssen wir darauf achten, dass
die Balance stimmt . Wir hatten 2013 im Bundeshaushalt
für Sozialausgaben 145 Milliarden Euro vorgesehen .
Nach der Finanzplanung werden es 2020 187 Milliarden
Euro sein .


(Zuruf des Abg . Dr . Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das heißt, wir haben bei den Sozialausgaben allein schon
in diesem kurzen Zeitraum eine Steigerung um über
40 Milliarden Euro .

Wenn man die Zinsausgaben herausrechnet, stellt
man fest: 1990 wurden von 100 Euro 30 Euro für So-
ziales ausgegeben . 1990! 2017 werden es von 100 Euro
55 Euro sein, die wir für Soziales ausgeben, 2020 in der
Entwicklung 57 Euro. Ich finde, da kann keiner sagen –
wir sollten diesen Eindruck in der öffentlichen Debatte
auch nicht erwecken –, dass wir gerade in diesem Haus-
halt keinen Schwerpunkt im Bereich Soziales mit viel
Geld und vielen Maßnahmen setzen . Man kann immer
darüber reden, wie etwas effizienter geht. Aber fest steht:
Solche Geldsummen, die da zur Verfügung stehen, gibt

es in wenigen Ländern auf der Welt . Da sollten wir den
Menschen auch nichts anderes einreden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sind ein Sozialstaat auf hohem Niveau, und das wird
an diesen Zahlen deutlich .

Wir müssen aber tatsächlich aufpassen, dass das nicht
dazu führt, dass wir am Ende keine Spielräume mehr
haben, etwa für Investitionen in die Zukunft und andere
Maßnahmen, die wichtig sind . Im Übrigen sagt das auch
Herr Professor Fratzscher, der hier ja mehrfach zitiert
wurde .

Ich weiß nicht, ob alle sein Buch gelesen haben . Beim
genauen Lesen seines Buches sieht man, dass er konsta-
tiert, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland
in den letzten Jahren zurückgegangen ist, weil sich bei
sinkender Arbeitslosigkeit, bei 43 Millionen Erwerbs-
tätigen, bei steigenden Löhnen und Renten die Schere
zwischen Arm und Reich wieder schließt . Wir sollten
aufhören, ständig das Märchen von der wachsenden Ein-
kommensungleichheit zu erzählen; vielmehr sollten wir
einfach einmal sagen, dass es gut gelaufen ist, übrigens
auch wegen der Reformen, die hier gemeinsam beschlos-
sen worden sind .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Thomas Jurk [SPD] – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Genau, dank Mindestlohn!)


Noch ein Wort zum Thema Ostrenten, weil das gera-
de angesprochen worden ist – einmal mehr, ich habe die
Debatte darüber in dieser Woche ja verfolgt . Es gab in
den letzten Jahren jedes Jahr Steigerungen der Ostren-
ten, die höher als die im Westen waren, weil die Lohn-
entwicklung entsprechend war . Es gab übrigens auch da
jedes Jahr Diskussionen zwischen Ost und West, weil die
Menschen das natürlich wahrnehmen . Außerdem haben
wir eine Höherwertung der Einkommen .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Umrechnung“ heißt das! Umrechnung! – Gegenruf des Abg . Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Höherwertung!)


Wir haben bei der Umrechnung eine Höherwertung der
Beiträge, die in Ostdeutschland gezahlt werden .

Jetzt schauen wir aber mal, wie die Einkommensun-
terschiede insgesamt in Deutschland sind . Sie sind auch
zwischen dem Bayerischen Wald und der Eifel einerseits
und Hamburg oder Stuttgart andererseits deutlich . Des-
wegen müssen wir sehr aufpassen – ich weiß, Sie sind am
Ende eine Ostpartei, eine Regionalpartei –, dass wir die
Spaltung in diesem Land mit der Debatte, so wie Sie sie
bei diesem Thema führen, nicht noch weiter vergrößern;


(Widerspruch des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


denn alles, was wir im Osten tun, wird natürlich im Wes-
ten wahrgenommen und umgekehrt . Deswegen geht es
darum, das in der Sache zu diskutieren und nicht so, wie
Sie das hier einmal mehr gemacht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF






(A) (C)



(B) (D)


Das bringt mich abschließend, Frau Präsidentin, zu
der Frage der Spielräume; auch das Wort ist in dieser
Woche mit Blick auf die Zukunft oft gefallen .

Zunächst: Ich habe schon bei vielen Etatdebatten er-
lebt, dass beim Wort „Spielräume“ viele Augen leuchte-
ten, weil natürlich viele schon Ideen hatten, was man mit
möglicherweise zukünftig vorhandenem Geld machen
kann . Ich will nur darauf hinweisen: Dieses Jahr läuft
gut und schließt wahrscheinlich auch sehr gut ab, aber
wir haben in der Finanzplanung für 2018 noch eine soge-
nannte globale Minderausgabe in Höhe von etwa 5 Mil-
liarden Euro . Das heißt, wir müssen noch miteinander
definieren, wie wir sie entweder durch Mehreinnahmen –
das kann vielleicht gelingen – oder durch Ausgabenkür-
zungen auflösen. Also: Wir brauchen Spielraum dafür.

Dann stellt sich die Frage – die Debatte darüber ist ja
in vollem Gange –, ob man den Spielraum nicht dafür
nutzt, um die Steuern zu senken . Ich habe gerade darauf
hingewiesen, welche Steigerungen wir im Bereich der
Sozialausgaben in den letzten Jahren gehabt haben, also
für die, die es nicht so leicht hatten . Dass wir jetzt auch
einmal diejenigen in den Blick nehmen, die den ganzen
Laden am Laufen halten, die hart arbeiten, die Kranken-
schwestern, die Polizisten, die Facharbeiter und all die
anderen, schadet, glaube ich, in der Debatte über die Fra-
ge „Wozu nutzen wir Spielräume?“ auch nicht . Deswe-
gen ist „Steuern senken“


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Abgaben! Sozialabgaben!)


ein Thema, das sich genau in diese Debatte um soziale
Gerechtigkeit einfügt, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es beginnt in einem ersten Schritt, jetzt diskutiert,
wenn es gut läuft und der Deutsche Bundestag das mit
uns machen möchte, bei der kalten Progression, beim
Kinder- und Grundfreibetrag . Wir wollen Ihnen vorschla-
gen, entsprechende Anpassungen jetzt vorzunehmen; in
bestimmtem Umfang müssen wir es ja auch .

In einem zweiten Schritt geht es darum – die Debat-
te haben der Minister und andere in dieser Woche auf-
gebracht –, wie wir, ohne Schulden machen zu müssen,
Spielräume in der Zukunft für entsprechende Steuersen-
kungen nutzen .

Zusammenfassend, liebe Kolleginnen und liebe Kol-
legen: Deutschland geht es gut wie nie . Die Umstände
sind gut . Man muss die Umstände aber auch nutzen; da-
rauf habe ich hingewiesen . Diese guten Umstände sind
wie ein heißes Eisen . Man muss es schmieden und daraus
etwas formen, was auch in der Zukunft trägt, solange es
heiß ist; denn wenn es wieder kalt ist – das sind im Zwei-
fel die schlechteren Umstände –, ist es unendlich viel
schwieriger, etwas zu verändern . In diesem Sinne freue
ich mich auf die Haushaltsberatungen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818807800

Vielen Dank, Kollege Spahn . – Der nächste Redner in

der Debatte: Michael Leutert für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818807900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Spahn, ich weiß, dass Sie bzw . der Finanz-
minister in die schwarze Null verliebt sind;


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Vermeidung von Schulden!)


aber immer wieder zu versuchen, uns dann, wenn wir das
kritisieren, in die Schuldenecke zu stellen, das halte ich
nicht für redlich .


(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Aha! Und wann?)


Ich kann es hier nur noch einmal betonen: Unser Mar-
kenzeichen und das, was wir wollen, ist eine sozial ge-
rechte Einnahmeseite . Wir wollen ein sozial gerechtes
Steuersystem und wollen das Geld dort abholen, wo es
herumliegt . Darum geht es und nicht darum, neue Schul-
den zu machen .


(Beifall bei der LINKEN)


Man merkt: Das ist Ihr letzter Etat in dieser Legislatur .
Ich hoffe, nicht bloß in dieser Legislatur, sondern gene-
rell der letzte Etat, den Sie vorlegen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vereinzeltes Klatschen!)


Man merkt schon: Da besteht Unruhe . Wir sind im Wahl-
kampf . – Das merkt man im Übrigen nicht bloß an den
Reden, die hier gehalten werden, sondern man merkt es
auch an den Zahlen . Da gibt es für die CDU/CSU einen
kräftigen Aufwuchs im Verteidigungsbereich . Für die
SPD gibt es einen kräftigen Aufwuchs im Sozialbereich .
Das sind Sachen, die Sie sich zugeschoben haben, um die
Klientel ein bisschen zu beruhigen .

Wenn man sich das dann im Detail anschaut: Hartz IV
in der heutigen Zeit um 5 Euro zu erhöhen, das halte ich
für einen absoluten Witz . Davon kann man sich nicht
mal ein Waschpulver kaufen oder ins Kino gehen oder
irgendetwas in diese Richtung machen . Diese Erhöhung
wird beim Wähler nicht so ankommen, wie Sie sich das
vielleicht vorstellen; das kann ich Ihnen schon mal sagen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Hinzu kommen noch die großen Ankündigungen .
Heute lesen wir in der Presse: Bundesminister Schäuble
sagt für die nächste Legislaturperiode eine Steuerreform
und Entlastungen um 15 Milliarden Euro voraus . – Da
frage ich mich: Erstens . Sie hatten drei Jahre Zeit, das zu
tun . Warum haben Sie es nicht gemacht? Zweitens . In der
nächsten Legislaturperiode regieren Sie gar nicht mehr .
Wie können Sie denn so etwas dem Wähler versprechen?
Sie wollen die Leute verschaukeln, und ich sage Ihnen:
Die Leute merken das .


(Beifall bei der LINKEN)


Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF






(A) (C)



(B) (D)


Natürlich: Einiges muss man auch positiv sehen . Wir
haben gestern den Familienetat debattiert . Dabei haben
wir auch die Erhöhung des Kindergeldes angesprochen .
Heute schlägt man die Zeitung auf, und siehe da, man
erfährt: Schon nächste Woche soll vom Kabinett ein Ge-
setzentwurf besprochen und beschlossen werden, der
eine Erhöhung des Kindergeldes vorsieht . Dass wir als
Opposition so eine Wirkung haben, hätte ich ja überhaupt
nicht gedacht . Allerdings gibt es, was die Höhe angeht –
2 Euro Kindergelderhöhung –, glaube ich, ein Missver-
ständnis .


(Beifall bei der LINKEN)


Das sind im Jahr 24 Euro . Davon können Sie für die
Kinder, die neu in die Schule kommen oder das nächs-
te Schuljahr beginnen, nicht einmal Turnschuhe kaufen .
Wenn das Ihre Kindergelderhöhung ist, dann muss ich
sagen: Das halte ich für absurd .

Bevor Sie solche Aktionen starten, könnte man sich
doch vielleicht auf etwas anderes einigen, was wir ges-
tern nämlich auch angesprochen haben und was uns
Linken wichtig ist . Warum gibt es eine Abstufung beim
Kindergeld – für die ersten beiden Kinder 190 Euro, für
das dritte 196 Euro und ab dem vierten 221 Euro? Wa-
rum wird nicht für alle Kinder das gleiche Kindergeld ge-
zahlt? Wir sind der Meinung: Jedes Kind muss uns gleich
viel wert sein . Das wäre eine erste wichtige Maßnahme .


(Beifall bei der LINKEN)


Unterm Strich muss man feststellen: Sie wollen hier
Almosen verteilen . Sie versuchen, damit Wahlkampf zu
machen . Sie werden aber damit keine Wahlen gewinnen .
Wir als Linke wollen ein wirklich soziales und gerechtes
Land haben . Dieser Haushalt, den Sie hier vorgelegt ha-
ben, ist dazu kein Beitrag .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808000

Das war es schon? Das passiert selten . Das müssen

wir ins Protokoll aufnehmen .


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Keine Zugabe heute! – Alois Rainer [CDU/CSU]: Wir nehmen die Minute!)


Jetzt war ich etwas überrascht . Danke schön, Kollege
Leutert .


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Ich habe alles gesagt!)


– Gut, Sie haben alles gesagt .

Dann rufe ich Ulrike Gottschalck für die SPD als
nächste Rednerin auf .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Alois Rainer [CDU/CSU])



Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1818808100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich habe mir in Vorbereitung meiner heutigen
Rede noch einmal die Erfolge der GroKo in den letzten
drei Jahren angeschaut . Und ich muss sagen: Ich bin sehr

stolz darauf, was uns gemeinsam mit den Kolleginnen
und Kollegen von SPD und Union gelungen ist, was wir
erreicht haben für die Menschen bei uns im Land .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die derzeitige Opposition ergießt sich ja gerne in
Weltuntergangsszenarien . Wir konnten es gerade eben
bei Ekin Deligöz wieder erleben. „Nach-mir-die-Sintflut-
Haushalt“ kam, glaube ich, von den Linken . „Haushalt
der verpassten Chancen“ kam mehrfach von den Grünen .
Dann sitzt man da und denkt: Donnerwetter, jetzt kommt
gleich eine tolle Rede, wo sie uns irgendetwas um die
Ohren schlagen . – Aber es kommt nichts . Es gibt außer
Worthülsen keine ernstzunehmenden Alternativen von
der Opposition .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Sozis haben das zu Oppositionszeiten anders ge-
macht . Wir haben hart an Konzepten für Deutschlands
Zukunft gearbeitet, haben dann gut in den Koalitions-
gesprächen verhandelt, und nun setzen wir einen Punkt
nach dem anderen um . Und, meine sehr geehrten Damen
und Herren, wir haben gesagt, wir wollen miteinander
die Kommunen stark machen . Genau das haben wir ge-
macht . Bis zum Jahr 2017 werden die Kommunen um
35 Milliarden Euro entlastet sein . Das tut vielen Men-
schen in unserem Land gut . Versprochen . Gehalten .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander für gute
und faire Arbeit sorgen . Mit dem Mindestlohngesetz –
wir haben es eben schon gehört – haben wir Millionen
von Menschen wieder Würde und ihrer Arbeit wieder
Wert gegeben . Und, meine sehr geehrten Damen und
Herren, wir haben die Tarifbindung gestärkt . Millionen
von Beschäftigten profitieren. Versprochen. Gehalten.

Der Wirtschaftsminister hat gestern in seiner Rede be-
richtet, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen
Arbeitsplätze steigt und dass die Beschäftigten seit Be-
ginn der Legislaturperiode im Schnitt 1 000 Euro mehr
im Geldbeutel haben . Auch das ist gut und richtig so,
meine sehr geehrten Damen und Herren .

Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander Chancen-
gleichheit für Frauen und Männer garantieren . Mit der
Quote haben wir dafür gesorgt, dass Frauen auch in den
Führungsetagen mitentscheiden . Mit dem Elterngeld
Plus können Frauen und Männer partnerschaftliche Le-
bensmodelle verwirklichen und können sich auf gute
Bildungs- und Betreuungsangebote verlassen . Verspro-
chen . Gehalten . Auch das Lohngerechtigkeitsgesetz wird
umgesetzt; denn Frauen müssen selbstverständlich den
gleichen Lohn wie Männer bekommen .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander für eine
soziale und inklusive Gesellschaft arbeiten . Mit dem
Rentenpaket haben wir Gerechtigkeitslücken geschlos-
sen . Wir haben die Kosten für das BAföG – der Kollege
Schulz hat es angesprochen – vollständig übernommen
und es um 7 Prozent erhöht .

Michael Leutert






(A) (C)



(B) (D)


Gerade in diesem Haushalt erhöhen wir die Mittel
beim Kitaausbau und bei den Sprachkitas noch einmal
ordentlich . Wir haben die Mittel für den sozialen Woh-
nungsbau verdoppelt und die Mietpreisbremse einge-
führt . Versprochen . Gehalten . Und Sie sagen allen Erns-
tes, wir würden nichts machen und es wäre der Haushalt
der verpassten Chancen. Ich finde, das geht schon fast ins
Lächerliche .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, das nächste
Projekt ist gerade in Arbeit: das Bundesteilhabegesetz .
Auch hier können Sie sich darauf verlassen, dass das ein
Gesetz wird, das den Namen „Teilhabe“ wirklich ver-
dient .

Ich könnte diese Positivliste gerne noch weiterführen
und noch wichtige Punkte hinzufügen . Aber mit Rück-
sicht auf den Gemütszustand der Opposition lasse ich
das .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerne weiter!)


Nur so viel: Wir haben das alles gemeinsam mit unse-
ren Kolleginnen und Kollegen der Union hinbekommen,
trotz der Herausforderungen der Flüchtlingskrise im letz-
ten Jahr . Wenn die Kanzlerin gesagt hat: „Wir schaffen
das“, dann teile ich diesen Satz, füge aber hinzu: Wir
müssen das auch schaffen, denn wir haben gar keine
Alternative . Um das zu schaffen, müssen wir in diesem
Haushaltsentwurf eventuell an einigen Stellschrauben
drehen und ihn ein Stück weit optimieren . Aber ich bin
mir sehr sicher, Herr Spahn, dass es uns im parlamenta-
rischen Verfahren in großer Einmütigkeit gelingt, diesen
vorliegenden Haushaltsentwurf weiter zu verbessern .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für ein sozi-
ales Miteinander könnten wir Sozis uns noch viele wei-
tere Projekte vorstellen . Wir arbeiten daran . So verdient
beispielsweise die Initiative von Ministerin Schwesig,
den Unterhaltsvorschuss auszuweiten, absolute Unter-
stützung .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Da gibt es noch Spielräume!)


Kinder kosten auch nach dem zwölften Lebensjahr
viel Geld . Das kann ich Ihnen versichern . Ich bin drei-
fache Mutter und siebenfache Großmutter . Ich weiß, wie
viel Kohle das kostet . Deshalb, denke ich, sollten wir al-
les dafür tun, dass 260 000 Kinder davon profitieren kön-
nen . Aber ich sage auch in aller Deutlichkeit – das habe
ich gestern bei der Debatte des Familienetats schon ge-
sagt –: Wir müssen uns mit aller Härte von den säumigen
Vätern die Kohle wieder zurückholen . Wer A sagt, der
muss auch -limente sagen . Er muss auch Verantwortung
übernehmen für seine Kinder .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Apropos Verantwortung: Verantwortung übernehmen
wir auch im Bereich der inneren Sicherheit . Wir haben
bereits 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei ge-
schaffen, und mindestens weitere 3 000 werden in die-

sem Haushalt hinzukommen . Man darf gespannt sein, ob
die Länder unserem positiven Beispiel folgen; denn die
Länderpolizeien sind manchmal doch recht sparsam aus-
gerüstet . Da einige Kollegen sehr intensiv Wahlkampf
mit Blick auf Berlin oder NRW gemacht haben, will ich
ein Beispiel aus Hessen anführen . In Hessen werden die
Polizeibeamten leider sehr schlecht bezahlt . Sie mussten
Kürzungen bei der Beihilfe hinnehmen und sie schieben
einen Überstundenberg von 3,5 Millionen Stunden vor
sich her .


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Unerhört!)


Ich glaube, das ist keine Motivation für unsere jungen
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, um wirklich or-
dentliche Arbeit zu leisten .


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir könnten
uns auch noch weitere Initiativen, zum Beispiel bei der
Infrastruktur, vorstellen, allerdings mit Maß und Augen-
maß; denn die Bauwirtschaft muss es auch leisten kön-
nen . Und wer in letzter Zeit auf den Autobahnen unter-
wegs war – gefahren ist oder eher gestanden hat –, wird
wohl kaum auf die Idee kommen, dass noch wesentlich
mehr Baustellen in Deutschland den Verkehr – und damit
auch den Güterverkehr – blockieren sollten . Wir haben
überhaupt nichts gegen Infrastrukturmaßnahmen – aber,
wie gesagt, mit Augenmaß .

Im Übrigen – den Schlenker kann ich mir nicht ver-
kneifen – muss ich in Richtung der Grünen sagen: Es gibt
kein Infrastrukturprojekt, bei dem die Grünen nicht als
Erste gemeinsam mit einer BI und mit der Fahne in der
Hand dagegen demonstrieren .


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich kenne das aus meiner Region und auch aus vielen
anderen Regionen . Ihr seid die Ersten, die gegen alle In-
frastrukturprojekte sind . Bei uns ging es damals mit dem
ICE los, der von den Grünen auch nicht gewollt war . Das
zieht sich durch alle möglichen Infrastrukturmaßnahmen .

Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren, halte ich fest: Uns liegt ein guter Entwurf vor, den
wir nun kooperativ beraten werden . Dann ist natürlich
auch die Opposition herzlich eingeladen, sich konstruk-
tiv zu beteiligen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808200

Vielen Dank, Ulrike Gottschalck . – Nächster Redner

in der Debatte: Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/
Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Ulrike Gottschalck, ich würde Ihnen
empfehlen, einfach mal den Reden, auch der Oppositi-

Ulrike Gottschalck






(A) (C)



(B) (D)


on, zuzuhören . Wir haben die ganze Woche Vorschläge
gemacht, wie Sie den Haushalt besser machen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Aber ich bin nett; ich zähle sie Ihnen gern noch einmal
auf .

Wir haben gesagt, es ist ein Haushalt der verpassten
Chancen, weil Sie so gute Ausgangsmöglichkeiten ha-
ben und so wenig daraus machen . Dass der soziale Woh-
nungsbau immer noch unterfinanziert ist, dass fehlendes
schnelles Internet in ländlichen Räumen ein großes Pro-
blem ist, dass der Klimaschutz nicht richtig finanziert
ist – all das haben wir Ihnen gesagt . Wir haben auch ge-
sagt, wie Sie daran etwas ändern können .

Wir haben auch gesagt: Das muss natürlich dauerhaft
und nachhaltig finanziert werden. Entsprechende Vor-
schläge haben wir Ihnen unterbreitet . Ich nenne sie gerne
noch mal: 12 Milliarden Euro kann man schnell bei den
umweltschädlichen Subventionen kürzen; man darf den
Rüstungsetat nicht weiter erhöhen, sondern muss Kür-
zungen bei Rüstungsdesastern vornehmen . Auf der Ein-
nahmeseite muss man Gerechtigkeit schaffen . Es ist nicht
erklärlich, auch nicht für die Sozialdemokratie, warum
Kapitaleinkommen deutlich weniger besteuert werden
als Arbeitseinkommen . Das muss sich ändern . – Das sind
unsere Vorschläge . Ich hoffe, Sie greifen sie in den Haus-
haltsberatungen noch auf .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Staatssekretär Spahn hat heute über die soziale Lage
in diesem Land geredet . Natürlich ist es so: Wenn man
sich mit vielen Ländern in Europa und auch in der Welt
vergleicht, dann erkennt man, dass es vielen Menschen
in Deutschland vergleichsweise gut geht . Das leugnen
wir auch gar nicht . Aber man muss zu dem großen Wohl-
stand, den Sie erwähnt haben, eben auch sagen: In der
Euro-Zone hat kein Land eine größere Ungleichheit bei
Vermögen als die Bundesrepublik Deutschland .


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1818808300
Na ja, es geht
ja um relative Armut. – Aber das finde ich ganz schön
arrogant, muss ich sagen . Schauen Sie doch mal, was die
2 Millionen armen Kinder, die zum Teil mit knurrendem
Magen in der Schule sitzen, die nicht ins Kino gehen
können, die schlechte Bildungschancen haben, davon
halten, wenn man ihnen sagt: Na ja, ihr seid ja nicht arm,
ihr seid nur relativ arm .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann machen die Eltern aber auch was falsch, oder?)


Oder reden Sie mal mit den Alleinerziehenden, wie sie
sich fühlen, wenn sie Hartz IV beantragen müssen, weil
sie keinen Kitaplatz finden und deshalb nicht arbeiten
können . Denen hilft es nicht, wenn man ihnen sagt: Ihr
seid relativ arm . – Sie sind arm, sie fühlen sich abge-
hängt; sie brauchen jetzt Unterstützung und keine Ver-
kennung der sozialen Lage .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Wenn wir schon beim Thema Kinder sind: Herr
Rehberg und Herr Spahn haben heute angekündigt, dass
das Finanzministerium einen Entwurf vorlegen will, der
anscheinend noch nicht in der Regierung abgestimmt ist .
Wenn man den Zahlen, die Der Spiegel nennt, glauben
kann, dann ist es so, dass es für arme Kinder gar nichts
geben wird, weil die Kindergelderhöhung wieder auf die
Regelsätze angerechnet wird . Für Kinder aus der Mit-
telschicht wird es demnach 2 Euro mehr Kindergeld pro
Monat geben . Für Kinder von gutverdienenden Eltern
soll es einen um 110 Euro bzw . 100 Euro höheren jährli-
chen Kinderfreibetrag geben . Wenn man ausgehend vom
Spitzensteuersatz und vom Soli berechnet, was das für
den Grenzsteuersatz bedeutet, dann kommt man auf eine
jährliche Ersparnis von rund 50 Euro, also das Doppelte
von dem, was Kinder aus der Mittelschicht bekommen,
und 50 Euro mehr, als arme Kinder bekommen. Ich fin-
de, diese Ungleichbehandlung von Familien, die Sie hier
vornehmen – Sie machen nichts gegen Kinderarmut –,
wird die soziale Spaltung bei Familien und Kindern wei-
ter verschärfen . Sie geben hier die falsche Antwort auf
die Kinderarmut .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


Kollege Spahn hat sich, ebenso wie die Koalition, vor
allen Dingen die Union, die ganze Woche wieder selbst
groß gefeiert für diese eine Zahl,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zu Recht!)


die Sie im Haushalt immer präsentieren . Er hat von „his-
torisch“ geredet und von seiner Zeit in der Jungen Union
erzählt .


(Thomas Jurk [SPD]: Immer gut zuhören!)


Meine Güte! Geht es nicht eine Nummer kleiner? Ich
würde mir angesichts der großen Aufgaben, die wir ha-
ben, ein bisschen mehr Demut wünschen, Demut auch
deshalb, weil Sie wissen, dass die Zahlen deutlich mehr
auf Glück als auf harter Arbeit im Haushalt beruhen .

Auf unsere Anfrage haben wir vom Bundesfinanzmi-
nisterium die Antwort bekommen: 122 Milliarden Euro
hat der Bundeshaushalt seit 2008 an Zinskosten gespart;
122 Milliarden Euro, die vor allen Dingen durch die Po-
litik der niedrigen Zinsen der EZB gespart worden sind .
Ich finde es immer schizophren und wohlfeil, wenn Red-
ner der Union, auch Herr Schäuble, einerseits die EZB
für diese Geldpolitik kritisieren, während sie andererseits
massiv davon profitieren. Wenn man ehrlich ist, muss
man auch feststellen: Mario Draghi hat deutlich mehr
für den ausgeglichenen Haushalt getan als Wolfgang
Schäuble .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Sollen wir das Herrn Draghi spenden, oder was?)


Ich mache mir große Sorgen um den sozialen Zusam-
menhalt in Europa; ich glaube, das tun auch viele andere
im Bundestag . Man muss in diesem Zusammenhang na-
türlich auch über die Wirtschafts- und Finanzpolitik re-

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


den . Es ist so, dass die EZB in einer schwierigen Lage ist,
in einer Zwickmühle, weil die anderen nationalen Regie-
rungen zu wenig investieren und insgesamt zu wenig fis-
kalische Impulse setzen . Das liegt unter anderem daran,
dass es eine harte Sparpolitik in Europa gab, maßgeblich
vorangetrieben von der Bundesregierung, wodurch in
den entsprechenden Ländern Europas Investitionen ge-
kürzt wurden . Das hat die Rezession, das hat die Krise in
diesen Ländern verschärft .

Jetzt sehen wir, dass der Zusammenhalt bedroht ist,
gerade der soziale Zusammenhalt, weil auch viele Sozi-
alausgaben gekürzt wurden .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist die Schuldenpolitik der Länder selbst!)


Was man jetzt machen müsste, auch in der Haushaltspo-
litik in Deutschland, ist erstens ein Kurswechsel in der
Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa; dafür muss
sich die deutsche Bundesregierung einsetzen . Zweitens
muss Deutschland als stärkste Volkswirtschaft jetzt rich-
tig investieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Investitionsquote soll nächstes Jahr bei knapp
10 Prozent liegen . Das ist schon nicht besonders viel für
Deutschland und den Bundeshaushalt . Aber sie sinkt laut
Finanzplan noch einmal auf 8,8 Prozent bis 2020. Ich fin-
de, das ist der falsche Weg . Man braucht jetzt eine große
soziale und ökologische Investitionsoffensive . Das wäre
gut für Europa und gut für den Bundeshaushalt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Fragen Sie mal in Griechenland, wie viel Geld die dafür zur Verfügung haben!)


Ich finde es übrigens auch schizophren, wenn Sie,
gerade von der Union, in anderen Ländern immer harte
Strukturreformen anmahnen . Davon gibt es richtige, wie
zum Beispiel im Bereich der Steuerverwaltung in Grie-
chenland, aber es gibt auch falsche .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Welche Steuerverwaltung in Griechenland?)


Darauf hat Gesine Lötzsch zum Teil hingewiesen . Aber
man kann das nicht von anderen Ländern fordern und
das dort vorantreiben, wenn man gleichzeitig in Deutsch-
land überhaupt nichts macht in Sachen Strukturreformen,
wenn man nichts im Haushalt macht, weder bei den Sub-
ventionen noch auf der Einnahmeseite oder beim Con-
trolling . Wir haben Kostenexplosionen in Milliardenhö-
he beim BER, bei Stuttgart 21, bei Rüstungsprojekten;
daran könnte man im Haushalt arbeiten . Da könnte der
Finanzminister sagen: So geht es nicht weiter . Wir wol-
len endlich eine gute Steuerung, ein gutes Controlling . –
Das passiert aber nicht. Ich finde, was nicht geht, ist, in
Europa Wasser zu predigen und zu Hause heimlich Wein
zu trinken . Das muss sich mit Blick auf Strukturreformen
im Haushalt ändern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808400

Kommen Sie auch zum Ende?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, ich komme zum Schluss . – Dies ist ein Haushalt der
verpassten Chancen, weil Sie aus Ihren Möglichkeiten zu
wenig machen, weil Sie im Haushalt nicht arbeiten . Wir
werden in den Haushaltsberatungen weitere Vorschläge
machen, wie man die großen Aufgaben Integration, sozi-
aler Zusammenhalt, Klimaschutz gut angehen kann, wie
man diesen Haushalt nachhaltig und gerecht gestalten
kann . Ich hoffe, dass SPD und Union dann auf unsere
Vorschläge eingehen werden .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808500

Vielen Dank, Sven-Christian Kindler . – Der nächste

Redner: Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1818808600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wirtschaftlich geht es uns in Deutschland so gut wie nie
zuvor. – Das sagte unser Bundesfinanzminister schon am
Dienstag, und das wiederholen wir immer sehr gerne .

Die gute haushaltstechnische Gesamtsituation kam
nicht einfach so . Hier spielen zum einen die guten Steu-
ereinnahmen eine wichtige Rolle . Deshalb, denke ich, ist
es heute in der Schlussrunde an der Zeit, dass wir uns
bei denjenigen bedanken, die diese guten Steuerein-
nahmen erst ermöglicht haben: bei unseren innovativen
Unternehmen, aber auch bei den vielen fleißigen Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern, die diese Steuerein-
nahmen erwirtschaften und erarbeiten . Ihnen allen ein
herzliches Dankeschön aus diesem Hohen Hause .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Zum anderen ist das natürlich auch das Ergebnis einer
vernünftigen, soliden und nachhaltigen Wirtschafts- und
Haushaltspolitik . Mit dem vorliegenden Regierungsent-
wurf und dem Finanzplan bis 2020 wird dieser nachhal-
tige Kurs fortgesetzt . Nur mit einem stabilen Haushalt,
meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es möglich,
die vor uns liegenden Aufgaben zu meistern .

Wir haben zum dritten Mal in Folge einen Bundes-
haushalt ohne Schulden im Plan . Schon 2014 machten
wir keine neuen Schulden . Alles, was wir heute nicht an
Schulden aufnehmen, muss später von den folgenden
Generationen auch nicht zurückgezahlt werden .

Lassen Sie mich über ein paar Schwerpunkte reden .
Es bleibt dabei: Es wird keinen Sparkurs in der inneren

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


Sicherheit geben, und es wird keinen Sparkurs in der äu-
ßeren Sicherheit geben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aus dem Finanzbericht der Bundesregierung geht her-
vor, dass für den Bereich innere Sicherheit Ausgaben bis
2020 von insgesamt 17,5 Milliarden Euro vorgesehen
sind . Für das Jahr 2017 ist eine Aufstockung von rund
213 Millionen Euro für Behörden wie etwa das BKA, die
Bundespolizei und das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik vorgesehen . Zudem erhält das BMI,
ohne das Bundesamt für Verfassungsschutz, insgesamt
1 923 neue Stellen, mit denen insbesondere die Bereiche
Cybersicherheit, Sicherheit der Informationstechnik, Be-
kämpfung der politisch motivierten Kriminalität, Schutz
der Bahn und des zivilen Luftverkehrs an Flughäfen und
Personenschutz gestärkt werden sollen . Zusätzlich gibt
es 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei . Ich denke,
in der jetzigen Zeit ist das notwendig .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber nicht nur in die innere Sicherheit, sondern auch
in die äußere Sicherheit investieren wir . Es mag kritisiert
werden, wenn man den Verteidigungsetat anpasst bzw .
erhöht . Aber das ist keine Klientelpolitik, sondern das ist
absolut notwendig und verbunden mit dem Ziel, unsere
Streitkräfte mit der erforderlichen Ausrüstung und mit
hochqualifiziertem Personal auszustatten.

Heute wurde viel über die Investitionsausgaben ge-
sprochen. Ich finde es gut, dass die Investitionsquote in
diesem Bundeshaushalt circa 10 Prozent beträgt . Auch
im Bereich Verkehr haben wir die Investitionen, wie je-
des Jahr, deutlich gesteigert .

Wir haben in Zukunft aber ein Problem, das uns be-
schäftigt . Die Frage ist: Können wir das Geld ausgeben,
das wir zur Verfügung stellen? Liegen am Ende des Tages
die Genehmigungen für die entsprechenden Planungen
vor? Das Problem ist nicht das Geld, das uns zur Verfü-
gung steht, sondern die Komplexität der Planungen, die
wir selbst durch eigene Gesetze mit verursacht haben .
Daran müssen wir weiter arbeiten .

Ich bin froh, dass wir in die Zukunft investieren . Bis
2020 werden rund 4 Milliarden Euro für den Breitband-
ausbau und 1,7 Milliarden Euro für das EU-Vorhaben
Mikroelektronik bereitgestellt . Das sind Investitionen
in die Zukunft . Sie sind absolut notwendig . Auch sind
zusätzliche Mittel für Investitionen im Bereich Woh-
nungsbau von 1 Milliarde Euro plus 500 Millionen Euro
jährlich vorgesehen. Das finde ich gut. Im Landwirt-
schaftsbereich wird der Bundeszuschuss für die land-
wirtschaftliche Unfallversicherung auf dem Niveau von
178 Millionen Euro fortgeschrieben .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Regie-
rungsentwurf setzt dank einer guten Einnahmesituation
und niedriger Zinsausgaben – das muss man der Ehr-
lichkeit halber so sagen – auf eine ausgewogene Ausga-
benpolitik, ohne die Vorgaben des Koalitionsvertrages
zu brechen, ohne Steuererhöhung und ganz klar: ohne
neuen Schulden . Wir werden das auch fortsetzen können .
Dabei werden viele Investitionen in den Bereichen Woh-
nungsbau, Verkehr, digitale Bildung usw . getätigt . Ich

freue mich als ehemaliger Bürgermeister vor allem, dass
in dieser Legislaturperiode die Länder und vor allem die
Kommunen so kräftig unterstützt werden .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal, wo Sie Bürgermeister waren! Nennen Sie doch mal die Stadt!)


– Haibach im Bayrischen Wald .


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Haushaltsausschussvorsitzende, das sage ich natür-
lich sehr gerne . Bei uns ist die Welt noch in Ordnung .


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Welt ist nicht in Ordnung!)


– Doch, die Welt ist in Ordnung . – Aber auch bei uns gibt
es große Herausforderungen .

Ich sage Ihnen eines: Jede Kommune, auch die kleins-
te, spürt die Entlastungen, die wir in dieser Wahlperiode
beschlossen haben . Jede einzelne Kommune spürt die
guten Steuereinnahmen, auch durch die Beteiligung an
der Einkommensteuer, deren Aufkommen sich in den
letzten zehn Jahren verdoppelt hat . Deshalb freue ich
mich, dass diese Bundesregierung die Länder und Kom-
munen unterstützt, wie es keine andere Bundesregierung
zuvor getan hat .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jede Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren,
hat ihre besonderen Herausforderungen . Wir wissen,
die Thematik „Flüchtlinge und Asyl“ ist eine große He-
rausforderung. Wir stemmen das im finanztechnischen
Bereich ohne neue Schulden – das ist meines Erachtens
wichtig – und ohne in anderen Bereichen kürzen zu müs-
sen . Wir investieren in unser Land und in unsere Men-
schen und gehen gleichzeitig verantwortungsvoll mit
unseren Steuermitteln um .

Liebe Ekin, ich habe deine Aussagen gehört . Daher
sage ich: Bitte keine Ängste schüren!


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie nicht gemacht!)


Wir haben zum Beispiel eine niedrige Arbeitslosenquote .
Wenn von Armut geredet wird – lieber Sven-Christian
Kindler, ich schätze dich ja sehr; du bist viele Jahre jün-
ger als ich –, dann denke ich an meine Jugendzeit . Da gab
es Armut und Kinderarmut .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es heute auch!)


Da gab es andere Situationen als jetzt . Ich bedanke mich
bei allen Parlamentariern, die in der langen Zeit zwischen
damals und heute viel gemacht haben, damit diese Armut
weniger wird .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir machen jetzt so viel für Familien und Kinder
wie noch nie . Ich stelle die Frage in den Raum: In wel-
chem Land in Europa geht es den Menschen besser als in
Deutschland? Darüber müssen wir reden .

Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)


Wir müssen und werden auch über verschiedene For-
men von Steuerentlastungen reden – das wollte ich noch
ansprechen, aber meine Redezeit geht zu Ende, Frau Prä-
sidentin –, sei es mit Blick auf den Solidaritätszuschlag
oder den Mittelstandsbauch . Dafür haben wir noch Zeit .
Wir sind jetzt in den Haushaltsberatungen .

Vielen Dank . Ich wünsche Ihnen allen ein schönes
Wochenende .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808700

Vielen Dank, Alois Rainer . – Nächster Redner in der

Debatte: Thomas Jurk für die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])



Thomas Jurk (SPD):
Rede ID: ID1818808800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Nun haben wir vier Tage lang hier
im Hohen Hause über den Haushaltsplanentwurf der
Bundesregierung für das Jahr 2017 diskutiert . Es ist,
wie immer, Zeit für ein Fazit . Wie dieses ausfällt, hängt
davon ab, wie man das betrachtet . Wir haben uns zwar
wechselseitig auch mal über uns geärgert, aber wir ha-
ben auch festgestellt: Es gibt viele gute Sachen in diesem
Haushalt .

Öffentliche Haushalte, auch dieser Bundeshaushalt,
gelten gemeinhin als in Zahlen gegossene Politik . Ein-
gedenk der vor uns liegenden Aufgabenstellungen muss
ein Haushaltsplan natürlich auf die damit verbundenen
Fragen die richtigen Antworten geben . Ich stelle fest,
dass das weitgehend der Fall gewesen ist, auch wenn an
der einen oder anderen Stelle mit Sicherheit noch Verän-
derungen vorgenommen werden und auch vorgenommen
werden müssen . Das ist nun unser Geschäft als Parla-
mentarier .

Ich will nicht kleinkrämerisch darauf eingehen, Kol-
lege Spahn, dass das Bundesfinanzministerium bei eini-
gen Titeln dieses Haushaltsplanentwurfs Beschlüsse des
Haushaltsausschusses vom vergangenen Herbst überse-
hen hat . Das lässt sich alles noch korrigieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das hast du gut formuliert!)


– Ja, wir wissen, worüber wir sprechen . Auch bei der
Union ist das angekommen .

Die Redner der Oppositionsfraktionen haben in den
letzten Tagen oft gesagt, dass die Großen Koalitionen
bzw . die Große Koalition – wir haben ja bloß eine hier
in Berlin – den Bundeshaushalt vernachlässigen würde .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben zwei in Berlin!)


– Sie haben recht, Herr Kindler; das lasse ich mal gelten .
Ich komme gleich noch zu Ihnen . Machen Sie sich darauf
gefasst .

Herr Kindler, ich habe – das haben Sie eingefordert –
nicht nur intensiv zugehört,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


sondern auch gleich noch im Protokoll nachgelesen .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


Das ist ja immer ein schöner Querschnitt . Man kann
sich vergewissern, ob man alles richtig gehört hat . Aus-
gerechnet Herr Kollege Kindler sprach hier davon, dass
die Investitionsquote stagniert und wir die Infrastruktur
vernachlässigen würden, und er forderte eine große In-
vestitionsoffensive im Bundeshaushalt .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Herr Kollege Bartsch kritisierte die Investitionsquote im
Finanzplan für 2020 .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Ich will deshalb mit einigen Mythen über die Investitio-
nen im Bundeshaushalt aufräumen .

Zunächst zu Herrn Bartsch . Für 2019 stand im letzten
Finanzplan, also beschlossen zur Mitte des Jahres 2015,
ein Betrag von 30,5 Milliarden Euro . Der aktuelle Fi-
nanzplan, beschlossen zur Mitte des Jahres 2016, sieht
35,1 Milliarden Euro vor . Ich bin mir sicher, die Zahl für
2020 wird sich ähnlich erhöhen . Ich empfehle daher, ein-
fach den nächsten Kabinettsbeschluss im Sommer 2017
abzuwarten .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Jetzt komme ich zum geschätzten Kollegen Kindler .
Wenn Sie mir jetzt noch zuhören und das Smartphone
weglegen würden, wäre ich ganz happy .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe die ganze Zeit zugehört!)


– Gut, Sie können beides .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Kommen wir zu den Fakten, und nehmen wir einmal die
absoluten Zahlen . Im Jahre 2013 waren im Bundeshaus-
halt Investitionen in Höhe von 24,8 Milliarden Euro vor-
gesehen .


(Zuruf des Abg . Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit wir uns recht verstehen, lieber Kollege Kindler:
Die Zahlungen an den Europäischen Stabilitätsmecha-
nismus, ESM, sind darin nicht enthalten; denn sie gehö-
ren da eigentlich nicht hinein . Im Jahre 2017 werden es
33,3 Milliarden Euro sein . Die Vergleichszahl war, wie
gesagt, 24,8 Milliarden Euro . Das entspricht einer Stei-
gerung um immerhin 34 Prozent .


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Ja!)


Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)


Beim Vergleich der relativen Zahlen, also der Investiti-
onsquote, stellen wir fest: Sie steigt von 8,06 Prozent in
2013 auf 10,13 Prozent im Jahre 2017 .


(Christine Lambrecht [SPD]: Hört! Hört!)


Das wiederum entspricht einer Steigerung von 26 Pro-
zent . Darauf können wir stolz sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Linke ist, wie ich sehe, ganz ruhig . Herr Kollege
Kindler, damit Sie sich nicht aufregen, habe ich eine Fra-
ge an Sie: Können Sie mir ein Bundesland, in dem Sie
mitregieren – es sind mittlerweile ja recht viele gewor-
den –, nennen, in dem seit 2013 ein ähnlicher Zuwachs
an Investitionsmitteln zu verzeichnen war?


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aus dem Kopf, oder was? In Hamburg oder wo? Nein!)


– Okay .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus dem Kopf? –
Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Über was genau möchten Sie denn jetzt
mit uns reden? Über den Wohnungsbau oder
einzelne ökologische Forderungen? Nur mal
als Rückfrage!)

– Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie reden so
viel durcheinander; da muss jetzt einer kommen und das
erklären .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann doch nicht nominelle Milliardenbeträge vergleichen!)


Ich will Ihnen natürlich den Hinweis nicht ersparen: Na-
türlich haben auch die Länder und Kommunen von den
Steuermehreinnahmen profitiert, und die Steuereinnah-
men sind gesprudelt; darauf hinzuweisen, gehört auch
zur Ehrlichkeit dazu .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten
Sie mir den Hinweis, dass die Investitionsquote natürlich
dann geringer ausfallen kann, wenn die Sozialleistungen
steigen . Mit Blick auf die Linke sage ich – da sind wir
uns an einer Stelle einig –: Wir wollen die Ost-West-Ren-
tenangleichung .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Zu Recht!)


Die Aufwertung bzw . Umrechnung ist,


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Umrechnung!)


wie Sie zu Recht gesagt haben, noch ein ganz anderer
Vorgang . Auch ich teile die Befürchtung, dass wir auf-
passen müssen, die innerdeutsche Solidarität nicht aufs
Spiel zu setzen . Aber alleine diese Maßnahme würde im
Jahre 2020 rund 4 Milliarden Euro mehr kosten, wenn
wir sie aus Steuermitteln bezahlen würden . Automatisch
wäre der Anteil der Sozialleistungen größer als der der

Investitionen, und damit würde die Investitionsquote sin-
ken . Ich glaube, das wollen auch Sie nicht .


(Beifall bei der SPD)


Ich komme zum Thema Investitionshochlauf . Zu dem
Begriff will ich mich jetzt gar nicht einlassen . „Investi-
tionshochlauf“ heißt für mich als Haushälter allerdings:
Man muss den Investitionsablauf organisieren .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Da, glaube ich, haben wir ein Problem mit der Geschwin-
digkeit . Deshalb ist es gut, dass wir uns Gedanken da-
rüber machen, wie wir den Investitionsablauf, das An-
kommen der Investitionen auf Schiene und Straße oder
in Schulen und Kitas, organisieren .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Gerade beim Thema Infrastruktur denke ich, dass man
sich über verschiedene Instrumente verständigen sollte,
auch über die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft
des Bundes . Allerdings gilt für Sozialdemokraten eines:
Damit ist für uns keine Privatisierung oder Teilprivatisie-
rung verbunden .


(Beifall bei der SPD)


Auch die berechtigten Interessen der in den Verwaltun-
gen tätigen Menschen sind ausdrücklich zu berücksichti-
gen . Aber hier sollte es keine Denkverbote geben .

Für mich ist eines besonders wichtig: Wir müssen das,
was wir angestoßen haben, für die Menschen sichtbar
realisieren . Ich ärgere mich vielleicht genauso wie Sie,
wenn ich auf der Autobahn im Stau stehen muss oder
wenn der Zug, in dem ich sitze, eine Umleitung fahren
muss . Aber bei der Aussicht, dass es später einmal besser
wird, nimmt man das gerne in Kauf .

Ich will aber deutlich sagen: Alles hat seine Grenzen .
Die Umsetzung von Investitionsmitteln und die damit
verbundene Verschlechterung der Verkehrsflüsse muss
man im Zusammenhang sehen . Deshalb ist für mich viel
wichtiger, dass wir über viele Jahre hinweg Kontinui-
tät erhalten . Es muss vermieden werden, dass wir einen
einzigen Hochlauf haben, dass die Mittel nach wenigen
Jahren aber wieder sinken und wir dann den Verfall der
Infrastruktur beklagen müssen, meine sehr verehrten Da-
men und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist wichtig, dass wir uns auch über das Personal
Gedanken machen . Wir brauchen Menschen, die die
erforderlichen Arbeiten qualifiziert erledigen, damit In-
vestitionen realisiert werden können . Da will ich aus
dem nachgeordneten Bereich meines Zuständigkeitsbe-
reichs – ich bin zuständig für den Einzelplan 09, Bun-
desministerium für Wirtschaft und Energie – Beispiele
bringen .

Da will ich nennen: die Bundesanstalt für Material-
forschung und -prüfung, BAM, die Physikalisch-Techni-
sche Bundesanstalt, PTB . Denen haben wir übrigens als
Haushälter dadurch geholfen, dass jetzt der Schwellen-

Thomas Jurk






(A) (C)



(B) (D)


wert für das vereinfachte Bauverfahren von 2 Millionen
auf 5 Millionen Euro angehoben wird . Das hilft denen
aber nur, wenn ausreichend Personal vorhanden ist, um
diese Baumaßnahmen zu begleiten .

Deshalb appelliere ich an alle, dafür zu sorgen, dass
insbesondere das Bundesamt für Bauwesen und Raum-
ordnung, BBR, seinen Aufgaben gerecht werden kann .
Dafür stehen jetzt 21 Stellen mehr im Haushaltsplan . Da
muss man dann schauen, wofür diese Stellen wirklich
eingesetzt werden . Es soll ja nicht so ausgehen, dass das
BBR nur noch die Regierungs- oder Bauten des Deut-
schen Bundestages begleiten kann .

Insofern war ich schon ein wenig irritiert über die
Presseberichte, dass der Bundestagsarchitekt Stephan
Braunfels seinen Auftrag zurückgegeben hat . Er hat das
kommentiert mit den Worten – Zitat –:

Das BBR ist Deutschlands größte – aber auch
Deutschlands schrecklichste Baubehörde …

Ich will das an der Stelle gar nicht weiter vertiefen .
Aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen . Ich erwarte
auch, dass ein solches Amt in die Lage versetzt wird, sei-
nen Aufgaben gerecht zu werden .

Jetzt sehe ich mit Erschrecken auf die Uhr, und ehe
Sie mich mahnen, Frau Präsidentin – Sie sind da sehr
konsequent bei der SPD; ich weiß das –, –


(Christine Lambrecht [SPD]: Du hast noch Zeit!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818808900

Nicht nur bei der SPD .


Thomas Jurk (SPD):
Rede ID: ID1818809000

– will ich darauf hinweisen, dass dieser Haushaltsplan

natürlich unter dem Stichwort der aktuellen Aufgaben-
stellung stehen muss .

Ich stelle fest, dass die Realität in unserem Land, die
ja nicht gerade einfach ist, bei allen Fraktionen irgend-
wo angekommen ist . Sicherlich gibt es unterschiedliche
Wahrnehmungen . Aber eines muss klar sein: Wenn in
Umfragen deutlich wird, dass sich mittlerweile eine gut
verdienende Schicht Gedanken macht über den sozialen
Zusammenhalt in unserem Land, auch über die Situation
derer mit kleineren und mittleren Einkommen, dann ist
das eine Situation, die geradezu danach schreit, dass wir
darauf politisch eine Antwort finden.

Sehr geehrter Herr Kollege Staatssekretär Spahn, ich
habe Ihnen zugehört . Die Euphorie des Ministers haben
Sie nicht ganz so verbreitet . Sie haben zu Recht darauf
hingewiesen, dass wir im Jahre 2018 ein kleines Problem
in Gestalt einer Lücke von 5 Milliarden Euro haben wer-
den . Das macht ja auch deutlich, dass wir sehr vorsichtig
sein müssen mit Versprechungen von Steuersenkungen .
Ich möchte uns gemeinsam auch nicht überfordern – das
ist mir wichtig –; denn ich glaube auch, dass wir in der
Großen Koalition während der Haushaltsplanberatungen
in den Ausschüssen noch einiges gemeinsam hinbekom-
men werden, was diesen Haushalt verbessert . Aber wir
sollten uns einen Steuerwahlkampf ersparen, meine sehr

verehrten Damen und Herren . Das würden die Menschen
im Land am wenigsten verstehen .

Ich freue mich auf weitere konstruktive Beratungen
zum Haushaltsplanentwurf des Bundes .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818809100

Vielen Dank, Herr Kollege Jurk . – Die letzte Rednerin

in diesem langen Marathon ist am Ende der Haushaltsde-
batte Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Bettina Hagedorn [SPD])



Kerstin Radomski (CDU):
Rede ID: ID1818809200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn
mancher der vorhergehenden Wortbeiträge an Schärfe
nichts missen ließ, möchte ich kurz vor Schluss der De-
batte unser Blickfeld noch einmal weiten und dabei auch
Einendes betonen .

In den vergangenen Tagen haben die Mitglieder des
Deutschen Bundestages insgesamt mehr als 30 Stunden
über den Bundeshaushalt für das kommende Jahr be-
raten . Auf welcher Basis haben wir diskutiert? Auf der
Grundlage, dass die wirtschaftliche Situation unseres
Landes und die Einnahmen des Staates sehr gut dastehen .
Darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir alle
mehr als stolz sein, egal ob als Regierungsmehrheit oder
auch als Opposition .

Bis vor wenigen Jahren war es lange Zeit üblich, dass
bei jedem Bundeshaushalt neue Schulden in Milliarden-
höhe hinzukamen . Nun stehen wir vor der Situation, et-
was zu verteilen, ohne dass neue Kredite aufgenommen
werden müssen . Das liegt an der Wirtschaftskraft unseres
Landes, und diese, meine Damen und Herren, steht natür-
lich auch für eine erfolgreiche Arbeit der Koalition .

Ebenso gehört dazu die sinkende Zahl von Arbeits-
losen . Seit der Wiedervereinigung hat es im Monat Au-
gust nie so wenige Arbeitslose gegeben wie in diesem
Jahr . 111 000 Menschen weniger als im Vorjahr, das
klingt als Zahl nüchtern, heißt aber in der Praxis, dass
111 000 Menschen wieder selbst für sich und ihre Fami-
lien sorgen können .

Wer profitiert von der gesteigerten Wirtschaftskraft,
Herr Freese? Die Menschen in unserem Land . Die Löhne
sind um 2,4 Prozent gewachsen, die Arbeitnehmer kön-
nen sich mehr leisten . Das ist der höchste Anstieg seit
2008 .

Wenn wir also auf dieser guten Grundlage einen Haus-
halt in Höhe von 328,7 Milliarden Euro beraten, dann
sprechen wir nicht nur über den dritten schuldenfreien
Entwurf in Folge . Wir sprechen über einen der solidesten
Haushalte, die wir jemals in unserem Land hatten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dafür gilt unserem Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble an dieser Stelle nicht nur unsere Anerkennung,

Thomas Jurk






(A) (C)



(B) (D)


sondern explizit auch unser Dank . – Hier hatte ich eigent-
lich den Applaus erwartet .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Die Koalition darf auch zweimal klatschen!)


Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition,
umso befremdlicher war es in den vergangenen Wochen,
dass Sie immer wieder kritisierten, unser Finanzminister
würde nur den Status quo verwalten


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, so ist es leider!)


und dass Wolfgang Schäuble in die schwarze Null ver-
liebt sei .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt ja auch!)


Damit verkennt die Opposition den enormen Vorteil die-
ser Haushaltspolitik . Daher möchte ich Sie alle hier im
Namen der zukünftigen Generationen auffordern, die
schwarze Null noch mehr in Ihr Herz zu schließen und
mehr Mut zum Verliebtsein zu haben;


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Ist das schlecht!)


denn bei der Vermeidung neuer Schulden in den kom-
menden Jahren geht es um Verlässlichkeit, wie die Union
und auch die Kollegen von der SPD bis auf wenige Aus-
nahmen immer wieder betonen .


(Beifall der Abg . Bettina Hagedorn [SPD])


Obwohl wir auch weiterhin an der Vermeidung neuer
Schulden festhalten, sprechen wir heute über einen Auf-
wuchs in Höhe von 11,8 Milliarden Euro . Da die Oppo-
sition fordert, dass mehr investiert werden solle, darf ich
bemerken: Die Investitionen steigen im Vergleich zum
Vorjahr um mehr als 5 Prozent auf 33,3 Milliarden Euro .


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei den Steuereinnahmen ja keine Kunst!)


Werfen wir einen Blick zurück auf den Koalitionsver-
trag von Ende 2013 . Darin waren 23 Milliarden Euro zu-
sätzlich als Investitionssumme für die Wahlperiode ver-
einbart . Diese Summe war im vergangenen Jahr schon
vollständig erreicht worden, sodass wir jetzt im Grunde
genommen mehr investieren, als wir vereinbart oder ge-
plant hatten . Das ist gut und zugleich ausreichend; denn
wie der Finanzminister bereits am Dienstag erwähnte: Es
geht nicht immer nur um die Höhe, sondern auch darum,
ob das bereitgestellte Geld auch abgerufen wird, und
zwar rechtzeitig . – Das ist leider nicht immer der Fall .

Hinzu kommt: Wir haushalten in den sonnigen Zeiten
schon für kommende regnerische Tage . Es sollen keine
neuen Schuldenberge hinterlassen werden . Wie sonst sol-
len wir unseren Kindern, soll ich meinen Töchtern erklä-
ren: „Gebt nicht mehr Geld aus, als im Geldbeutel ist?“
Das gilt nämlich für Groß und Klein .

Schauen wir uns zum Abschluss noch einmal die Pri-
oritäten an:

Gegenüber 2016 wächst das Bildungsbudget um
1,2 Milliarden Euro – Herr Schulz, Sie wissen das – und
damit um 7,1 Prozent .

Im Bereich Verkehr stehen für Investitionen im kom-
menden Jahr 12,8 Milliarden Euro bereit . Das ist ein An-
stieg um 25 Prozent .

Zudem stehen für den Breitbandausbau von 2017 bis
2020 4 Milliarden Euro zur Verfügung .

In der Jugendpolitik – sie liegt mir sehr am Herzen –
wird die Kinderbetreuung, die eigentlich Aufgabe der
Länder ist, wie wir alle wissen, vom Bund unterstützt .
Wir legen das Investitionsprogramm „Kinderbetreuungs-
finanzierung 2017 bis 2020“ auf und schaffen damit zu-
sätzliche Kitaplätze . In diesem Jahr hat die Bundesregie-
rung 226 Millionen Euro aus einem Gesamtvolumen von
1,1 Milliarden Euro dafür angesetzt .

Die Wirtschaftspolitik ist auch wichtig . Hier möch-
te ich das Programm zur Innovationsförderung für den
Mittelstand herausgreifen, Herr Jurk . Dieses wird auf
548 Millionen Euro erhöht . Damit unterstützen wir als
Bund die kleinen und mittelständischen Unternehmen
bei Forschungs- und Entwicklungsaufgaben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusam-
men: Der vorliegende Haushaltsentwurf verbindet Soli-
dität und die Vermeidung von neuen Schulden mit Inves-
titionen in die Zukunft und den richtigen Schwerpunkten .
Wir können stolz auf diesen Haushaltsentwurf und da-
rauf sein, was wir alle gemeinsam erreicht haben . Unse-
rem Land geht es gut, und dieser Haushalt ist ein weiterer
guter Baustein für die Zukunft .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818809300


Vielen Dank, Kerstin Radomski . – Damit schließe ich
die Aussprache .

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/9200 und 18/9201 an den Haus-
haltsausschuss vorgeschlagen . Sie sind sicher damit ein-
verstanden . – Dann sind die Überweisungen so beschlos-
sen .

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 21 . September 2016, 13 Uhr, ein .

Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen ein
schönes Wochenende und gute Tage .