Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alleherzlich . Wir setzen unsere Haushaltsberatungen – Ta-gesordnungspunkt 1 – fort:a) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2017
Drucksache 18/9200Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungFinanzplan des Bundes 2016 bis 2020Drucksache 18/9201Überweisungsvorschlag: HaushaltsausschussFür die heutige Aussprache haben wir eine Redezeitvon insgesamt vier Minuten – – 4 Stunden und 48 Minu-ten beschlossen .
– Das hätte ja auch einen gewissen Reiz . Vor allen Din-gen stelle ich mir jetzt die panischen Bemühungen derGeschäftsführer zur Aufteilung der dann jeweils auf dieFraktionen entfallenden Redezeiten vor .
– Gut . Alleine die Freude, dass euch das erspart bleibt,führt euch doch auf grandiose Weise ins Wochenende .Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mitdem Geschäftsbereich des Bundesministeriums fürVerkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12.Ich erteile dazu das Wort dem zuständigen Bundesmi-nister Alexander Dobrindt .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heuteüber einen neuen Investitionsrekord und starten die Be-ratung über den größten Infrastrukturhaushalt, der jemalsin den Bundestag eingebracht wurde: fast 14 MilliardenEuro für die Infrastruktur in 2017, 10 Prozent mehr als2016, Rekordmittelaufwuchs um 40 Prozent bis 2018 .
Das ist die Bilanz der Großen Koalition in unseremHaushalt, meine Damen und Herren .
Die 18 . Wahlperiode hat einen klaren Schwerpunkt;da geht es um Zukunftsinvestitionen in die Infrastruktur .Wir orientieren uns damit wieder an der Wohlstandspy-ramide moderner Volkswirtschaften und dem klaren öko-nomischen Grundprinzip: Mobilität schafft Prosperität,bzw . Wohlstand entsteht dort, wo die Infrastruktur funk-tioniert .
Das lässt sich auch an unseren Erfolgen ablesen . Dasifo-Institut zeigt diese Woche auf: Deutschland wird2016 wieder Exportweltmeister und lässt China hintersich . Die Weltbank erklärt uns zum wiederholten Malezum Logistikweltmeister, und beim Weltwirtschaftsfo-rum stellt man fest: Deutschland ist das stärkste Landder Welt . Das gemeinsame Fundament dafür ist unsereInfrastruktur . Deswegen gilt das bewährte Prinzip: In-vestitionen in Infrastruktur sind zwar keine Garantie für
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Wachstum und Wohlstand, aber ohne Investitionen in dieInfrastruktur gibt es beides garantiert nicht . Deswegenleisten wir diese Investitionen .
Ich will noch einmal daran erinnern, wo wir am An-fang dieser Wahlperiode standen: Wir sind 2014 mit10 Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur ge-startet . Wir hatten eine Investitionslücke von 3 Milliar-den Euro . Wir haben in der Koalition vereinbart, dasswir in dieser Wahlperiode 5 Milliarden Euro zusätzlichaufwenden werden . Wir wussten allerdings, dass dieseSumme sehr knapp bemessen ist und für die Erfüllungder Aufgaben, die sich in der Infrastruktur stellen, nichtausreichen wird . Das war die Ausgangsposition .Jetzt haben wir mit diesem Haushalt die Investitions-wende vollzogen . Unser Haushalt wächst bis 2018 aufüber 14,4 Milliarden Euro auf; damit knacken wir in mei-nem Haushalt die Investitionsquote von 60 Prozent . Dasist ein Riesenerfolg der Großen Koalition .
Wir haben damit übrigens nicht nur die Investitionslückegeschlossen, sondern auch alle Forderungen der Kom-missionen – Daehre-Kommission, Bodewig-I-Kommis-sion, Bodewig-II-Kommission und wie sie alle geheißenhaben – deutlich übererfüllt . Das ist ein Erfolg des Inves-titionshochlaufs, und das ist das Ergebnis des Rekord-haushalts für die Infrastruktur .Es gehört allerdings auch zur Wahrheit, dass Rekord-mittel alleine kein Selbstzweck sind, sondern es auch da-rum geht, sie gezielt einzusetzen .
Dafür haben wir mit dem Bundesverkehrswegeplan2030, den das Bundeskabinett beschlossen hat, dieGrundlage gelegt . Mit einer Investitionssumme in Höhevon 270 Milliarden Euro und über 1 000 Projekten ister das stärkste Infrastrukturprogramm, das es je gab .Zusammen mit den Rekordmitteln aus unserem Investi-tionshochlauf ist er ein wirksames Instrument auch derdeutschen Wirtschaftspolitik . Wir geben übrigens erst-mals mit unserem Bundesverkehrswegeplan eine klareFinanzierungsperspektive und können so die Maßnah-men, die der Bundesverkehrswegeplan beinhaltet, nichtnur entwickeln, sondern auch umsetzen .
Das Nadelöhr sind nicht mehr die Finanzen, meine Da-men und Herren, sondern es sind die Planungen .
Meine Baufreigabenrunde zeigt jedes Jahr massiveUnterschiede, auch zwischen den Bundesländern, bei derPlanung; auch das zu sagen, gehört zur Wahrheit dazu .Die Dynamik, aber auch die Planungsvorräte sind sehrunterschiedlich verteilt . Da gibt es ein paar echte infra-strukturpolitische Sorgenkinder . Darauf darf man hinwei-sen . Allerdings stehen nicht nur die Länder, sondern auchder Bund in der Verantwortung, wenn es um Planungen,Planungskapazitäten und auch Planungsbeschleunigunggeht . Deswegen habe ich eine Kommission eingesetzt,die aktuell eine Strategie zur Planungsbeschleunigung er-arbeitet . Dabei gibt es übrigens keine Denkverbote . AlleVorschläge kommen auf den Tisch . Es kann schlichtwegnicht sein, dass wir Rekordmittel bereitstellen, eine Infra-strukturoffensive beschließen, dann aber wichtige Vorha-ben im Paragrafendschungel gebremst werden . Das darfnicht so bleiben .
Ich habe übrigens schon einen Vorschlag gemacht:die Gründung einer Autobahngesellschaft, mit der wirdie zwischen Bund und Ländern geteilten Kompetenzenbündeln, mit dem Ziel,
Planung, Bau und Finanzierung in eine Hand und eineVerantwortlichkeit zu geben .
Ich glaube, dass es notwendig ist, darauf hinzuweisen,dass es Planungsdefizite gibt. Aber genauso notwendigist es, Lösungsvorschläge zu machen . Wenn es, wie wirja jetzt wissen, eine ungleiche Verteilung von Planungs-kapazitäten in Deutschland gibt, kann man das langfristignicht akzeptieren; da muss auch der Bund aktiv werden .Deswegen ist es richtig, die Kompetenzen zu bündelnund eine Bundesautobahngesellschaft einzufordern, mei-ne Damen und Herren .
Ich weiß natürlich, lieber Herr Kindler, dass den grü-nen Verkehrspessimisten unser Infrastruktur-Upgradeenorme Probleme bereitet,
nicht nur, weil Sie das Mehr an Mobilität, das mit unserenRekordinvestitionen möglich ist, in Wahrheit nicht wol-len und auch vieles dafür tun, damit das nicht passiert,
sondern auch deswegen, weil es Ihnen besonders weh-tut, dass wir mit diesem Bundesverkehrswegeplan zumersten Mal Ökonomie und Ökologie zusammenbringen .
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Das können Sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen .Deswegen ist klar, warum Sie in den letzten Wochen totalverzweifelt Kritik daran geübt haben .
Ich muss Ihnen aber an dieser Stelle deutlich sagen:
Was da von Ihnen zum Bundesverkehrswegeplan zu hö-ren ist, ist selbst für die Grünen ein neuer Rekord auf derMinusskala .
Ihr ehemaliger Verkehrspolitiker Toni Hofreiter hatgesagt, der Bundesverkehrswegeplan bringe nichts fürden Klimaschutz .
Richtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Bun-desverkehrswegeplan 2003, den Sie vorgelegt haben, alsSie in der Regierungsverantwortung standen, fällt beimÖkologievergleich mit meinem Bundesverkehrswege-plan, dem Bundesverkehrswegeplan der Großen Koali-tion, gnadenlos durch . Da können Sie ganz sicher sein .
– Die SPD würde gerne mitklatschen in dem Moment,zögert aber noch etwas . – Sie hatten 2003 mehr als dieHälfte der Projekte auf der Straße, wir investieren mehrals die Hälfte in Schiene und Wasserwege .
Sie hatten einen Erhaltungsanteil von 56 Prozent, wir ge-ben 70 Prozent der Mittel in den Erhalt . Sie haben denRadverkehr übrigens mit keinem Wort erwähnt . Wir ha-ben im Bundesverkehrswegeplan klar formuliert, dasswir uns in Zukunft stärker am Bau von Radschnellwegenbeteiligen
und investieren jetzt schon jedes Jahr 100 Millionen Euroin Radwege an Bundesstraßen . Ich sage: Ihre Kritik istjämmerliche Heuchelei und sonst gar nichts .
– Ich bedanke mich für den Beifall der Kollegen von derSPD .Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt 2017ist nicht nur der größte Haushalt für die Verkehrsinfra-struktur, sondern auch für die digitale Infrastruktur . Wirinvestieren in die Gigabitgesellschaft der Zukunft undstecken Milliarden in die Digitalisierung unseres Landes .
Unser Kernprojekt ist der Aufbau einer leistungsfähigendigitalen Infrastruktur . Dafür habe ich zu Beginn derWahlperiode eine Gigabitstrategie gestartet . Ich habe dieNetzallianz Digitales Deutschland initiiert, in der sichalle investitions- und innovationswilligen Unternehmenzu einer gemeinsamen Initiative zusammengeschlossenhaben, die übrigens in diesem Jahr, in 2016, gemeinsam8 Milliarden Euro in den Ausbau unserer Netze inves-tieren .Wir haben außerdem im November letzten Jahres dasBundesprogramm für superschnelles Breitband aufge-setzt – für den Anschluss von bisher unterversorgten Ge-bieten, Landkreisen und Kommunen . Wir haben auch damit 2,7 Milliarden Euro den Startschuss gegeben . Jetzthaben wir im Haushalt festgelegt, dass der Bund 4 Milli-arden Euro an dieser Stelle investiert . Damit machen wirden Sprung in die Gigabitgesellschaft . Das hat absolutePriorität für uns .Wahr ist, dass die Vereinbarung aus dem Koalitions-vertrag, 50 Mbit/s bis 2018 zu erreichen,
natürlich nur ein Zwischenschritt dabei sein kann . Wirwollen Gigabit, wir wollen die Gigabitgesellschaft .
Mit unseren Investitionen ist dies auch heute schon inTeilen möglich . Ich sage Ihnen auch ganz klar: Das Zielvon 1 Gigabit für 2025 ist mir letztlich zu wenig ambi-tioniert . Wir müssen und wir können deutlich schnellersein an dieser Stelle, und wir legen die Grundlagen dafür .
Schauen Sie, ich habe Anfang letzter Woche die zwei-te Runde Förderbescheide übergeben . Das heißt, dass wirin nur zehn Monaten seit Start unseres Förderprogrammsbereits über 800 Kommunen und Landkreise unterstützthaben, ihren Anschluss an das Highspeed-Netz zu orga-nisieren . Wir investieren bereits heute in dieser zweitenFörderbescheidrunde 1,3 Milliarden Euro in die Kommu-Bundesminister Alexander Dobrindt
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nen und bringen damit über 1 Million Haushalte und Ge-werbebetriebe an das superschnelle Internet heran . Dabeibauen wir 120 000 Kilometer neue Glasfaser aus . Damitverdoppeln wir auf einen Schlag das gesamte Glasfaser-netz in Deutschland . Das ist die Wahrheit .
Meine Damen und Herren, mit der klassischen undder digitalen Infrastruktur schaffen wir die Grundlagenfür das global-digitale Zeitalter . Mit Investitionen in In-novation stärken wir unsere Spitzenposition bei Schlüs-seltechnologien und Digitalisierung . Wir investieren80 Millionen Euro in das automatisierte und vernetzteFahren und stellen uns damit an die Spitze bei der Mo-bilität 4 .0 .
Wir haben auf der Autobahn A 9 in Bayern das Digi-tale Testfeld Autobahn errichtet . Dort erproben und ent-wickeln Automobilindustrie und Digitalwirtschaft Inno-vationen wie das automatisierte und vernetzte Fahren imRealverkehr . Dazu haben wir die Strecke mit einem Mo-bilfunkstandard nahe 5G ausgestattet . Das heißt, Echt-zeitkommunikation zwischen Auto und Infrastruktur istmöglich . Wir haben hochpräzise Kartensysteme erstelltund die Strecke digitalisiert . Wir rüsten sie mit moderns-ter Sensorik aus, die in der Lage ist, die Situation aufder Straße beispielsweise mit Radartechnik dezidiert zuerfassen, eigene Daten herzustellen und sie zur Kommu-nikation entsprechend zur Verfügung zu stellen .Dieses Projekt ist weltweit einzigartig und schafftauch international ein Prädikat, das für den Technolo-giefortschritt in Deutschland von großer Bedeutung ist .Tested on German Autobahn – das ist ein Leuchtturm-projekt, das viele Unternehmen gerne annehmen, ger-ne ausprobieren, um ihre Produkte auf unseren Straßenmarktreif zu machen für eine automatisierte Gesellschaft .
Wir arbeiten jetzt daran, dieses Digitale Testfeld aufStädte zu erweitern, um die deutlich komplexeren Fahr-situationen, wie sie im urbanen Umfeld herrschen, besserzu erfassen und stärker zu erproben .Des Weiteren stellen wir Gründern 100 MillionenEuro zur Verfügung und schaffen das beste Ökosystemfür Mobility-Start-ups . Wir haben mit dem mFUND, demMobility-Fund, einen neuen Förderfonds für die früheEntwicklung digitaler Innovationen im Bereich Mobili-tät gestartet, damit neue Anwendungen nicht nur hier inDeutschland genutzt werden, sondern auch hier entwi-ckelt werden, damit diejenigen, welche die innovativenIdeen haben, auch hier bleiben, um ihre Produkte markt-reif zu gestalten .Insgesamt stellen wir also 100 Millionen Euro bereit,um Gründer und Start-ups bei der Umsetzung ihrer Ideenzu unterstützen und sie bis zur Marktreife zu begleiten .Das ist doch ein bedeutender Beitrag, mit dem wir geradeder jungen Generation sagen: Ihr müsst, um erfolgreichzu sein, mit euren Produkten nicht in die USA, ins Sili-con Valley gehen . Ihr könnt in Deutschland bleiben . DiePolitik steht an eurer Seite und fördert euch finanziell,damit ihr eure Ideen bis zur Marktreife entwickeln könnt .
Wir investieren 300 Millionen Euro in eine flächen-deckende Ladeinfrastruktur für Elektromobilität . Damitlösen wir das Henne-Ei-Problem . Es werden 15 000 La-desäulen in ganz Deutschland aufgebaut . Jetzt geht esdarum, unsere Digitaloffensive, das Erfolgsmodell einersozialen Marktwirtschaft mit digitalen Elementen weiter-zuentwickeln. Das heißt, sie auch digital neu zu definie-ren . Dazu brauchen wir allerdings auch auf europäischerEbene ein Umdenken . Wir brauchen einen europäischendigitalen Binnenmarkt .Wenn man mit jungen Unternehmern spricht, die ihrStart-up beispielsweise im Silicon Valley aufgebaut ha-ben, sagen diese, dass sie nicht deshalb da hingegangensind, weil die Infrastruktur dort besonders gut ausgeprägtist . In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Ein 5-Mbit/s-Anschluss kostet in San Francisco 50 Dollar – mal ganzabgesehen von der Straßeninfrastruktur . Die Unterneh-men, die sich dort befinden, haben nur ein Interesse,nämlich ihr Geschäftsmodell ohne große bürokratischeHürden zu entwickeln und auf einem riesigen Markt ska-lieren zu können . Das kann Europa auch schaffen . Des-wegen müssen wir darangehen, diesen digitalen Binnen-markt in Europa durchzusetzen .
Herr Minister, denken Sie bitte an die Redezeiten, dieIhren Kollegen verbleiben .
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehrund digitale Infrastruktur:Danke schön . – Meine Damen und Herren, wir brau-chen ein Wettbewerbsrecht 4 .0 . Wir dürfen digitale Märk-te nicht mit analogen Regeln organisieren . Marktmachtist im digitalen Zeitalter lediglich eine Momentaufnahmeund als alleiniger zentraler Maßstab im Kartellrecht nichtmehr zeitgemäß . Wir brauchen ein Wettbewerbsrecht,das Kooperationen zwischen Unternehmen nicht ver-hindert, sondern die Entstehung von Digitalkonzernenermöglicht, die international in der Lage sind, eine kriti-sche Größe zu erreichen .Wir brauchen das, was wir bei den Mobility-Start-upsmachen, nämlich die Erzeugung eines optimalen Ökosys-tems, auch in anderen Bereichen . Gerade in der frühenEntwicklungsphase, in der sogenannten Early Stage, istBundesminister Alexander Dobrindt
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es für Gründer schwer, an Kapital zu kommen . Hier müs-sen wir unterstützen, damit die Wertschöpfung der Start-ups bei uns und nirgendwo anders entsteht . Da haben wirnoch einen Handlungsauftrag, den wir gerne umsetzenwollen .Ich bin überzeugt, dass Deutschland mit seiner Infra-struktur, mit den Investitionen, mit den Möglichkeiten,die wir gerade auch jungen Unternehmen geben, in derLage ist, ein digitales Wirtschaftswunder zu erzeugen .Der Rekordhaushalt 2017 schafft dafür die Voraussetzun-gen und stärkt die drei großen I: Investition, Innovationund Infrastruktur . Das ist die Grundlage für unseren er-folgreichen Haushalt .
Roland Claus ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-desminister, ich wollte Sie schon wegen Ihrer vergleichs-weise bescheidenen Rede hier loben; aber dass Sie amSchluss von einem „digitalen Wirtschaftswunder“ ge-sprochen haben, erschien mir doch ein bisschen dick auf-getragen .
Meine Damen und Herren, der größte Investitionsetatdes Bundes ist bekanntlich uns allen hier im Parlamentlieb und teuer . Die Koalition und auch die Bundesregie-rung sollten dabei nicht vergessen, dass es oftmals auchdie Opposition ist, die schwierige Investitionsentschei-dungen mitträgt . Fast 27 Milliarden Euro sind im Regie-rungsentwurf veranschlagt, und es sollen, wie wir gehörthaben, noch mehr werden; aber das Mehrwerden liegt jain der Hand des Parlaments .Unser Problem dabei ist, dass wir als Haushaltsge-setzgeber auf zwei Funktionen reduziert sind: Wir kön-nen hier zum einen das viele Geld bereitstellen, und wirhaben zum anderen – auch das muss gesagt sein – nichtunerhebliche Möglichkeiten, die Verwendung dieserMittel zu kontrollieren . Was dazwischenliegt, fällt in dieexekutive Verantwortung . Damit haben wir – das sageich ausdrücklich – ein Problem . Warum, Herr Bundes-minister Dobrindt, muss Ihnen der BundesrechnungshofJahr für Jahr ins Stammbuch schreiben, dass Investitions-mittel nicht nur bereitzustellen, sondern – ich zitiere –„zielgerichtet und wirtschaftlich einzusetzen“ sind? Dasheißt doch, dass Sie ausdrücklich dafür kritisiert werden,dass Sie Investitionsmittel nicht zielgerichtet einsetzenund die Wirtschaftlichkeit Ihrer Investitionen nicht imGriff haben . Das ist Ihr Problem, das wir Jahr für Jahr zukritisieren haben .
Investitionen des Bundes erfolgen nahezu regelmäßigverspätet und überteuert . In Sachen „schlechte Haus-haltsdisziplin“ ist dieses Bundesministerium leider Spit-zenreiter; auch das muss festgestellt werden .
Es heißt in einem Text dieses Bundesministeriums:Die Bundesregierung hat deshalb eine Investitions-wende eingeleitet und einen 5-Punkte-Investitions-hochlauf gestartet . . .Ja, geht denn das noch, was hier an Übertreibung betrie-ben wird? Die Staus werden länger, die Brücken werdenmaroder, die Bahn wird teurer – und die Investitionsquoteim Bundeshaushalt sinkt . Sie aber, Herr Bundesminister,verkünden hier die heile Welt . Ein bisschen mehr Demutwäre angebracht .
Wir wollen nicht vergessen, dass es am Montag die-ser Sitzungswoche, am 5 . September 2016, inzwischenzehn Jahre her ist, dass der Spatenstich für den Bau desFlughafens BER vollzogen wurde – zehn Jahre! Ich musssagen: Der Stand, den wir jetzt erreicht haben, ist beschä-mend für die Bundesregierung, und eigentlich ist er be-schämend für uns alle .Sie haben angekündigt, in Ihrem Etat die Einbindungprivaten Kapitals in öffentliche Infrastrukturinvestitionenzu verstärken . Die Linke sagt dazu: Das geht in Ordnung .Der kleine Unterschied ist dabei: Sie wollen bei den Pri-vaten und Reichen betteln gehen und mit ihnen Geschäf-te machen, wir dagegen wollen sie mit einer gerechtenBesteuerung dazu heranziehen, sich an DeutschlandsZukunft investiv zu beteiligen . Das macht den kleinenUnterschied aus .
Herr Minister, wer ständig Neues verkünden will,muss natürlich auch Vergangenes erklären . Noch vorzweieinhalb Jahren haben Sie bei der Einbringung desEinzelplanes 12 hier lauthals erklärt: Am 1 . Januar 2016wird die Pkw-Maut – Sie haben sie damals noch Infra-strukturabgabe genannt – scharf gestellt . – Die Linke unddie Kanzlerin waren bekanntlich schon immer dagegen .Die letzte Meldung aus dem Hause Dobrindt zur Pkw-Maut stammt vom 18 . Juni 2015 . Der Minister wurde davon einer großen Zeitung gefragt: „Stoppt Brüssel jetztdie Pkw-Maut?“ Der Minister antwortete: „Nein . DiePkw-Maut wird kommen .“ Außerdem sagte er: „Ich habefür das Vorgehen der Kommission … kein Verständnis .“Was ist denn nun Ihr Plan vom Glück, Herr Minister?Machen Sie sich doch mal ehrlich! – Fehlanzeige! Da-bei könnten Sie diese unselige Idee hier verbal beerdigenBundesminister Alexander Dobrindt
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und dem Parlament mal sagen: Jetzt ist das Ding vomTisch . – Den Mut haben Sie nicht aufgebracht . So ent-steht aber Frust durch Politik .
An einer Stelle betritt dieser Etat in der Tat Neuland .Wir haben immer kritisiert, dass für das „I“ in der Über-schrift des Namens Ihres Ministeriums, das für „digitaleInfrastruktur“ steht, bislang zu wenig oder keine Mittelhinterlegt sind . Das soll sich nun ändern . Sie haben amDienstag dieser Woche, glaube ich, ganztägig Fördermit-tel verteilt – vielleicht geht das auch mit der Post –; dasspricht dafür, dass wir auf diesem Wege wirklich einenneuen Schritt gehen .Jetzt sollen weitere 650 Millionen Euro für den Breit-bandausbau draufgelegt werden . Wir möchten Ihnen denVorschlag machen: Diese zusätzlichen Mittel bitte vor-wiegend für den ländlichen Raum!
Wer nämlich auf dem Dorf keine Schule, keinen Ladenund keine Kneipe mehr hat, der sollte wenigstens via In-ternet den Zugang zur Öffentlichkeit haben . Das ist soetwas wie eine Wiedergutmachung für unterbliebene Da-seinsvorsorge, meine Damen und Herren . Deshalb aus-drücklich dieser Vorschlag .
Herr Bundesminister, wir alle hier im Parlament, aberauch in den Ministerien sollten nicht vergessen: Es sinddie Gelder der Bürgerinnen und Bürger, über die wir hierberaten . Deshalb, Herr Minister, etwas mehr Demut undweniger Hochmut!
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina
Hagedorn das Wort .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Dieser letzte gemeinsame Haushalt dieser Großen Koa-lition, der Haushalt für das kommende Jahr, unterstreichtgerade im Verkehrsbereich noch einmal ganz deutlich,wofür wir gemeinsam stehen, nämlich dass wir mitei-nander Dinge angepackt haben, die dringend erforderlichwaren, über die in dieser Republik auch lange geredetwurde, zum Beispiel das Thema Digitales . Jetzt habenwir hier, und zwar nicht erst in diesem Haushaltsjahr,sondern schon kontinuierlich in den vergangenen Haus-haltsjahren, einen Mittelaufwuchs, und das ist ein richtiggutes Signal .
Der Minister hat die Zahl genannt: Es sind fast 27 Mil-liarden Euro, die in diesem Jahr insgesamt zur Verfügungstehen . Es ist nicht alles frisches Geld . 4,35 MilliardenEuro hatten wir schon im Mai letzten Jahres mit demZukunftsinvestitionsprogramm beschlossen . Diese Mit-tel waren bisher in einem Extraetat, aber jetzt sind sievollumfänglich, Herr Minister, in Ihrem Etat angekom-men und verstärken, wie von uns gewollt, insbesonderedie Bereiche Straße, Schiene, Wasserwege, aber auch –darauf will ich kurz zu sprechen kommen – den BereichDigitales .Eines ist mir wichtig: Wenn wir hier alle miteinanderfeststellen, wie viel Geld wir für diesen Etat bereitgestellthaben, wie erfolgreich wir da waren, dann lautet logi-scherweise die Wahrheit aber auch: Privates Geld brau-chen wir nicht . Das schaffen wir öffentlich-rechtlich .
Darum nur ein Wort zu der Infrastrukturplanungsge-sellschaft; auch Sie, Herr Minister, haben das Wort in denMund genommen . Dazu gibt es offensichtlich verschie-dene Vorstellungen zwischen Ihrem Haus und dem Hausvon Herrn Schäuble; auch die 16 Länder wollen eigent-lich gar nicht, dass sich irgendetwas verändert .
Das finde ich ein bisschen schade, weil wir schon drin-genden Optimierungsbedarf in diesem Bereich haben .Eines will ich aber festhalten: Für die SPD ist ganz klar –da haben wir eine Beschlusslage mit Haushältern, mitVerkehrs- und Wirtschaftspolitikern –,
dass, wenn es zu einer solchen Gesellschaft kommensollte, auf jeden Fall gelten muss: null Privatisierungin diesem Bereich . Das bleibt in öffentlich-rechtlicherHand . – Vor allen Dingen wollen wir in hervorragenderWeise Herstellung von Transparenz, Steuerung und Kon-trolle durch das Parlament, und das geht nur, wenn es inöffentlicher Hand bleibt . – Dazu also eine klare Ansage .
Im Zusammenhang mit dem Aufwuchs im Bereich Di-gitales will ich auch erwähnen, dass mit den 4 MilliardenEuro, die wir in der Summe in dieser Legislatur bereit-stellen, auch die Hälfte der Erlöse aus der Versteigerungder Frequenzen im letzten Jahr – 650 Millionen Euroround about – an die Länder gegangen ist, damit auch dieLänder ihren Teil zu dieser Offensive, die wir gemeinsammachen, beitragen können und sie in Ländern, die finan-ziell nicht so viel vor der Brust haben, nicht ins Stockenkommt .Herr Kollege Claus, Sie haben hier angemahnt, dassdringend in den ländlichen Raum investiert werdenRoland Claus
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müsste . Ich weiß nicht, ob Sie da vielleicht etwas ver-passt haben: Wir machen dieses Programm für den länd-lichen Raum .
Das haben wir von Anfang an im Koalitionsvertrag sofestgeschrieben, und das tun wir auch . „By the way“: Al-lein in diesem Jahr sind bis zum Sommer, obwohl dieFörderrichtlinie ja erst im Herbst des letzten Jahres veröf-fentlicht worden ist, 651 Förderbescheide ergangen . Wirinvestieren also in den ländlichen Raum . Das ist docheine gute Botschaft .
Wir müssen nun allerdings auch sicherstellen – dastun wir mit diesem Haushalt –, dass die Kommunen, diejetzt schon gefördert werden, um in die Planung einzu-steigen, das Geld nachher auch wirklich kriegen, undzwar dann, wenn die Planungen beendet sind und gebautwerden kann . Ja, auch aus Sicht der SPD-Fraktion wärees wünschenswert, dass ganz viel in Glasfaser investiertwird . Trotzdem ist es richtig, dass die Kommunen unddie Zweckverbände, die das planen, dies eigenständig tunkönnen . Darum wird es eben auch Kupfer und Vectoringgeben .
Wir hätten uns nur Glasfaser gewünscht . Aber wichtigist, dass wir überall in den ländlichen Bereichen endlichvon der Stelle kommen, und das schaffen wir .
In diesem Haushalt gibt es aber auch noch andereBereiche, die manchmal angesichts der Investitionen inStraße, Schiene und Wasserwege, die im Fokus stehen,ein bisschen zu wenig betrachtet werden . Ein Beispiel istdie Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, in der wir ganzbewusst auf Innovationen setzen, in der es um LNG geht,in der es neben Investitionen für Fahrzeuge wie Lkw oderBusse, die auf der Straße verkehren, auch um Schiffe undum Innovationen bei der Hafeninfrastruktur geht . Dashaben wir schon im letzten Haushalt so beschlossen . Indiesem Bereich stellen wir enorme Mittel zur Verfügung .Wir hoffen natürlich, dass diese auch abgerufen werden .Das Gleiche gilt für das NIP; das ist das NationaleInnovationsprogramm Wasserstoff und Brennstoffzellen-technologie, das, wie der Name schon sagt, nach vornegerichtet ist . Das sind Investitionen in die Zukunft, beidenen es auch darum geht, Anreize zu setzen, damit wirdas Know-how in diesem Bereich und unsere Marktfüh-rerschaft weltweit an dieser Stelle weiter ausbauen undverstärken können; denn das sind die richtigen Signale –auch für die Fachkräfte, die wir in diesem Bereich haben .
Stichwort „Fachkräfte“ . Das ist das wirklich großeNadelöhr an dieser Stelle . Herr Minister, natürlich müs-sen wir hier auch über die größte Bundesbehörde reden,die wir im Bereich Verkehr haben: die Wasserstraßen-und Schifffahrtsverwaltung mit über 12 000 Beschäftig-ten . Das ist ein Dauerthema in dieser Großen Koalition .Ich will noch einmal daran erinnern, dass es diesbezüg-lich unter Herrn Ramsauer gemeinsam mit der FDP eineganz unselige Weichenstellung gegeben hat . Die nanntesich Reform, war aber keine, sondern war in Wahrheit eingezielter Kahlschlag bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern . Wir haben die Weichen umgestellt und machendas rückgängig . Aber leider stellen wir fest, dass das na-türlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schonSpuren hinterlassen hat, was ihr Vertrauen anbelangt, wasihre Bereitschaft anbelangt, positive Reformprozesse mituns zu gestalten. Ich finde, da muss noch mehr passieren.Wir müssen uns vor allen Dingen um Fachkräfte wieIngenieure kümmern, die wir im Bereich Technik drin-gend brauchen . Wir Haushälter haben da in den letztenJahren finanziell immer noch eine Schippe draufgelegt –zu Recht –, und zwar in der Fläche und nicht bei derGDWS in Bonn . Herr Minister, wir würden uns natür-lich wünschen, dass Sie unsere Beschlüsse auch noch einbisschen – wie soll ich sagen? – zielgerichteter umset-zen. Das Konzept zur außertariflichen Bezahlung, das derHaushaltsausschuss bereits 2015 beschlossen hat, gibt Ih-nen die Chance, gerade in diesem technischen Bereich imBereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltungkonsequent Leute anzuwerben, die man besser bezahlenmuss, damit man sie überhaupt noch kriegt . Da ist nichtso richtig viel passiert, um das zurückhaltend zu sagen .Wir, lieber Norbert Brackmann, haben im letztenNovember allein zehn Ingenieursstellen beschlossen,um zielgerichtet – nicht nur im Hafen Rostock, sondernauch beim Schiffshebewerk in Scharnebeck oder beimNord-Ostsee-Kanal – die vielen Investitionen, die wirvorhaben, auch wirklich voranzubringen . Es nützt unsnichts, wenn Geld bereitsteht, das nicht ausgegeben wer-den kann, weil es nicht vorangeht . Als wir Haushälter imMärz auf unsere Nachfrage schriftlich informiert wur-den, dass das Verkehrsministerium jetzt die Wasserstra-ßen- und Schifffahrtsverwaltung angewiesen hätte, eineDienstpostenbeschreibung zu erstellen, haben wir schonSchnappatmung bekommen .
Wenn wir die dringend benötigten Stellen endlich ermög-lichen und sie drei Monate später nicht nur nicht besetzt,sondern auch nicht ausgeschrieben sind und es nicht ein-mal eine Dienstpostenbeschreibung gibt, dann zeigt dies,wo dringend etwas geschehen muss . Hier sind wir an Ih-rer Seite .Bei den Investitionen, die vorgesehen sind – alsSchleswig-Holsteinerin nenne ich hier explizit denNord-Ostsee-Kanal; er ist die größte Wasserstraße derWelt und hat mehr Volumen als Suez- und Panamaka-nal zusammen –, haben wir in dieser Legislatur zu Rechtüber 850 Millionen Euro bereitgestellt, um einen riesigenInvestitionsstau für diesen über 100 Jahre alten Kanalaufzuarbeiten . Aber die Zeitpläne, die wir uns gemein-Bettina Hagedorn
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sam vorgenommen haben – das sage ich ganz vorsich-tig –, stocken . Wir müssen hier einen Zahn zulegen . Da-rum, Herr Minister, wenn Sie hier etwas tun wollen, dannsind wir an Ihrer Seite .In diesem Sinne sage ich: Alles Gute! Ich freue michauf die Haushaltsberatungen .
Sven-Christian Kindler ist der nächste Redner für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Dobrindt, wir reden jetztzum vierten Mal über Ihren Haushalt, zum Glück denletzten Haushalt, den Sie verantworten werden .
Sie hatten drei Jahre Zeit in der Verkehrspolitik . Es istnun Zeit, Bilanz zu ziehen, wie ich finde.Ich habe mich am Anfang natürlich gefragt: Was ha-ben Sie eigentlich mit Verkehrspolitik zu tun?
Hatten Sie nicht, aber man kann sich ja einarbeiten . Mankann ja auch im Amt wachsen und Leidenschaft, Interesseentwickeln . Wir haben gewartet, gewartet und gewartet,dass das passiert . Es ist leider nicht passiert . Die großenAufgaben – das hat man auch in Ihrer Rede gemerkt –,vor denen die Verkehrspolitik steht – vernetzte Mobilität,ländliche Räume, Kostenkontrolle bei Großprojekten,Klimaschutz –, interessieren Sie leider nicht wirklich .Man muss feststellen: Wenn man im Parlament fakten-freie Bierzeltreden hält, dann ist man nicht wirklich imMinisteramt angekommen, Herr Dobrindt .
Natürlich habe ich mich auch gefragt: Woran liegt daseigentlich? Man merkt ja auch, wo Sie wirklich Leiden-schaft entwickeln, leider nicht als Fachminister, sonderndann, wenn Sie sozusagen als CSU-Generalsekretär inWarteschleife agieren . Das ist beispielsweise der Fall,wenn Sie die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik vonrechts kritisieren, wenn Sie hier gegen die Grünen pol-tern – ich meine etwas billig, aber so ist die CSU eben –und wenn Sie hier Verkehrspolitik betreiben, dann hat-ten Sie ein großes Projekt . Das war die Ausländermautder CSU . Ich muss feststellen: Diese Ausländermaut derCSU ist genauso krachend gescheitert wie Sie als Ver-kehrsminister .
Ihr wichtigstes Projekt, das jetzt ansteht und in denHaushaltsberatungen mitberaten wird, ist der Bundesver-kehrswegeplan .
Völlig richtig ist: Der alte Bundesverkehrswegeplan warnicht gut .
Man hätte ja aus den Fehlern lernen und wirklich etwasanderes machen können . Sie haben behauptet, Ihr Bun-desverkehrswegeplan hätte etwas mit Klimaschutz zutun . Dass ich nicht lache . Fragen Sie doch mal die Bun-desumweltministerin, was sie dazu sagt . Sie hat ihn mas-siv kritisiert . Sie hat gesagt, ihr Ministerium war nichteingebunden . Das Umweltministerium hat von Trick-serei, von Klüngelwirtschaft geredet . Der BUND klagtgerade bei der EU-Kommission gegen den Bundesver-kehrswegeplan .
Mit Klimaschutz hat der Plan überhaupt nichts zu tun,Herr Dobrindt .
Er ist übrigens auch nicht durchfinanziert. Das liegtzum Beispiel daran, dass Sie Baupreissteigerungen, dieso sicher kommen werden wie das Amen in der Kirche,nicht mit einbezogen haben . Die Baupreissteigerungenim alten Bundesverkehrswegeplan betrugen 27 Prozent .Der Bundesrechnungshof hat Ihnen vorgeworfen, dassSie willkürlich Projekte schöngerechnet haben . Wir ha-ben ein Nutzen-Kosten-Verhältnis auf Basis der Berech-nung von 2012 . Der Plan ist im Großen und Ganzen nichtdurchfinanziert. Es bleibt eine unfinanzierbare Wünsch-dir-was-Liste . Das ist kein guter Plan für die Verkehrspo-litik . Wir fordern: Dieser Plan muss gestoppt werden undim Parlament völlig neu konzipiert werden .
Bei einem ganz wichtigen Zukunftsthema sind Sieauch gescheitert, Herr Dobrindt: Das ist die Elektromo-bilität – Stichwort „Kaufprämie für Elektroautos“ . DerStern hat jetzt aufgedeckt: Das Umweltministerium hatganz früh darauf hingewiesen, dass eine solche Kauf-prämie nur funktioniert, wenn man gleichzeitig eineBonus-malus-Regelung für neue Spritschlucker einführtund die Autoindustrie verpflichtet, feste Quoten für dieNeuzulassung von Elektroautos einzuhalten . Dagegenhat die Automobillobby erfolgreich bei Herrn Dobrindtprotestiert; der Unionskollege Herr Wissmann hat das ge-macht, und Herr Dobrindt ist ihm gefolgt . Das Ergebnissehen wir jetzt: Es sind gerade mal 3 000 Anträge gestelltworden . So wird das nie etwas mit 1 Million ElektroautosBettina Hagedorn
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bis 2020 . Diese Kaufprämie ist genauso gescheitert wieSie als Minister, Herr Dobrindt .
Ich sage Ihnen auch: Im Kern haben Sie Elektromo-bilität gar nicht verstanden . Es geht zwar auch um dasAuto, aber eben nicht nur . Es geht darum, dass es Elek-tromobilität eigentlich für alle geben muss: für Busse inden Städten, für Fahrräder, auch für Lastenräder in denStädten . Auch im Bereich der Schiene – wir haben immernoch viel zu viele Dieselloks – brauchen wir mehr Elek-tromobilität . Deswegen wäre es jetzt angebracht, sichnicht nur auf das Auto zu konzentrieren . Wir brauchenin diesem Haushalt eine umfassende Strategie für Elek-tromobilität .
Das passiert aber nicht, weil Herr Dobrindt natürlich derSchutzpatron der Autoindustrie ist .Stichwort „Abgasskandal“ . Es ist kein Zufall, dassnicht das Kraftfahrt-Bundesamt die kriminellen Machen-schaften bei VW aufgedeckt hat, sondern dass sie in denUSA aufgedeckt wurden; denn bei uns wurde konsequentweggeschaut .
Schon 2009 hat die EU-Kommission in einer Verord-nung abschreckende Sanktionen gegen Abschaltmani-pulationen gefordert . Rumänien hat zum Beispiel harteBußgelder vorgesehen, Deutschland nicht . Selbst nachder Aufdeckung des Skandals hat Herr Dobrindt es nichtfür nötig befunden, Sanktionen einzuführen. Ich finde, esist ein großer Skandal, dass Herr Dobrindt immer nochnichts gegen diese kriminellen Machenschaften unter-nimmt .
Das ist auch ein Affront gegenüber allen Autofahrern, diesich ein Auto in dem guten Glauben gekauft haben, dasses weniger Sprit verbrauchen würde .Apropos Affront gegenüber Autofahrern: Sie habenheute wieder für eine Bundesautobahngesellschaft plä-diert, mit der Sie die Bundesautobahnen privatisierenwollen; wir alle kennen Ihre Pläne . Wir Grüne leugnenauch gar nicht, dass es Reformbedarf zwischen Bundund Ländern bei der Straßenbauverwaltung als Auftrags-verwaltung gibt . Aber wir sagen: Das kann man nichtdadurch lösen, dass man die Bundesautobahnen privati-siert; das kann man nicht dadurch lösen, dass man einengroßen Schattenhaushalt schafft; das kann man nicht da-durch lösen, dass man nachher die Schuldenbremse um-geht und neue ÖPP-Projekte durchführt; das kann manauch nicht dadurch lösen, dass es zu einer teuren Ver-schuldung ohne Staatsgarantie kommt, wovon nachhergroße Versicherungskonzerne wie die Allianz und AXAoder die Deutsche Bank profitieren.
Deswegen sagen wir: Diese Privatisierung ist falsch; dasmuss beendet werden .Ich könnte jetzt noch lange weiter über die Projektereden, bei denen Sie ebenfalls gescheitert sind .
Nein, Herr Kindler, können Sie leider nicht .
Das weiß ich . – Ich nenne nur Stichpunkte: Klima-
schutz, öffentlicher Verkehr, Kostenexplosion beim BER,
bei Stuttgart 21, Lärmschutz an der Schiene, Versagen
bei Toll Collect, unterfinanzierter Breitbandausbau, zu
wenig beim Brückenerhalt – die Liste ist lang .
Sehen Sie, Herr Präsident, ich komme jetzt zum Ende .
Ich halte fest: Der Verkehrsminister ist mit seinem Haus-
halt gescheitert .
Vielen Dank .
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Reinhold Sendker das Wort .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirsind tatsächlich in einer Verkehrsdebatte, nicht in einerUmweltdebatte .
Alle wesentlichen Haushaltsdaten unterstreichen, dasssich unser Land weiter auf einem soliden Wachstumspfadbefindet. Logistikweltmeister, bald wieder Exportwelt-meister – das sind großartige Auszeichnungen . Sie sinddas Ergebnis der Arbeit der Menschen im Lande, aberauch das Ergebnis hervorragender Politik der Regierunghier in Berlin . Das möchte ich einmal deutlich feststellen .
Dass der Verkehrssektor, die Verkehrsinfrastruktur,eines der wichtigsten Fundamente jeglicher volkswirt-schaftlicher Prosperität ist, muss ich hier nicht weiterbetonen . Folglich gilt es, den Verkehrssektor weiter zu-kunftsfähig zu gestalten . Mit Blick auf diese Zielsetzung,liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir in den letztenJahren ganz enorm vorangekommen: erstens durch eineSven-Christian Kindler
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grundlegende Modernisierung der Verkehrspolitik, zwei-tens durch deutlich mehr Geld für Erhalt und Ausbau derVerkehrsanlagen und drittens – vom Minister deutlichherausgestellt – durch den Ausbau unserer digitalen Leis-tungsfähigkeit . Diese positiven Veränderungen sind dasErgebnis der Arbeit unserer Koalition . Ganz besonderssteht dafür unser Minister Alexander Dobrindt .
Die Große Koalition kann im Übrigen auf eine ganzeLatte erfolgreicher Entscheidungen verweisen . So stei-gen die Verkehrsinvestitionen im Haushaltsjahr 2017 aufein neues Rekordniveau . Mit der Erweiterung der Maut-pflicht Mitte 2018 stärken wir ausdrücklich die Nutzer-finanzierung. Für dringende Brückensanierung undSubstanzerhaltung wurden mit einem Sonderprogrammdie Finanzmittel deutlich erhöht . Wenn zwei Drittel desGeldes für den Erhalt eingesetzt werden, ist dies genaudas richtige Signal für den Erhalt und die Instandsetzungunserer Verkehrsanlagen . Diese Erhaltungsmaßnahmensind dringend erforderlich .
Unter anderem dienen die Mittel auch der Reduzierungder Lärmemissionen, einem Kernanliegen unserer Poli-tik, dem ja auch die Leistungs- und Finanzierungsverein-barung LuFV II dient .Zu den sehr begrüßenswerten Veränderungen im Rah-men der Haushaltswirtschaft zählt nicht nur die Her-stellung der Überjährigkeit, um die wir lange gerungenhaben . Ein weiterer Baustein ist die Komplettbewirt-schaftung aller Mittel des Bundesfernstraßenausbausdurch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesell-schaft, unserer VIFG, mit dem Ergebnis, dass es deutlichmehr Transparenz sowie Haushaltsklarheit undwahrheitgibt . Das schon gestartete Bundesförderprogramm fürden Breitbandausbau ergänzt diese Erfolgsliste .Dies und noch mehr steht für die positive Entwicklungder letzten Jahre, steht für den Wendepunkt in der Inves-titions- und Haushaltspolitik im Bereich von Verkehr unddigitaler Infrastruktur . Dafür hat es übrigens von fast al-len Fachverbänden viel Beifall gegeben . Ja, es sind dierichtigen Aufschläge für eine zukunftsfähige Verkehrsin-frastruktur, die unser Land tatsächlich voranbringen wer-den . Da bin ich ganz sicher .
Zu dem vorliegenden Rekordhaushalt im Bereich Ver-kehr und digitale Infrastruktur habe ich bisher in der De-batte von der Opposition einiges an Kritik gehört, wennauch nur wenig fundamentale Kritik .
Ich möchte Sie bitten, einmal die Bewertungen unse-rer europäischen Nachbarn zur Kenntnis zu nehmen .Von ihnen erfahren wir beste Kommentare, allen voranvon unseren französischen Kolleginnen und Kollegen,die sagten: Wir wären gerne so gut aufgestellt wie Siein Deutschland . – Das haben wir anlässlich unseres Ob-leuteaufenthaltes vor einem Jahr erfahren . Ich stelle fest:Das ist hohe Anerkennung unserer Arbeit und damit auchAnerkennung der Arbeit unseres Ministers, der diesenKurswechsel erfolgreich mit uns eingeleitet hat .
Die Verkehrsinfrastruktur unseres Landes befindetsich folglich in einer fundamentalen Umbruchphase mitder Zielsetzung eines digitalisierten, nachhaltigen undglobalisierten Verkehrssektors . Dabei ist zu beachten,dass die Verkehre weiter wachsen werden . Dies bestä-tigt auch die Verkehrsprognose 2030, wonach allein dieSchwerlastverkehre einen Anstieg von 40 Prozent erfah-ren werden . Eben dafür ist ein Upgrade unserer Verkehrs-infrastruktur erforderlich . Dies geschieht unter anderemdurch den Bundesverkehrswegeplan 2030 und durch dieAusbaugesetze, die demnächst bei uns auf der Tagesord-nung stehen .Es geht hier um die Festigung der Leistungsfähigkeitdes Gesamtnetzes . Es geht um das Prinzip „Erhalt vorNeubau“, und es geht um klare Priorisierung für unserezukünftigen Verkehrsinvestitionen . Deshalb, liebe Kolle-gin Valerie Wilms, ist die hier vorgelegte Planung keineWünsch-dir-was-Liste zur Beglückung der Wahlkreisab-geordneten aus der Großen Koalition,
sondern sie ist sachlich absolut zielführend und zukunfts-weisend . Ich stelle fest: Das ist moderne und gute Ver-kehrspolitik .
Darüber hinaus gibt es mit dem Bundesverkehrswe-geplan 2030 auch eine realistische Finanzierungsper-spektive – das betone ich –, die es so noch nie gegebenhat . Wir haben ein nationales Prioritätenkonzept zureffektiven Mittelverteilung mit Rekordinvestitionen inHöhe von nunmehr insgesamt 270 Milliarden Euro fürdie leistungsfähigen Verkehrsnetze in Deutschland . Ichunterstreiche: Das ist so noch nie dagewesen . Da sindnicht Kritik und Lamento, sondern viel Beifall angesagt .
Wer sich überdies einmal die Bedarfsplanauflistungbaureifer Verkehrsprojekte in Deutschland ansieht, er-kennt, dass es eklatante Unterschiede zwischen Bayern,Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern gibt .Er stellt aber auch fest, dass wir in Deutschland derzeitviel weniger ein Finanzierungs- als ein Planungsproblemhaben . Darüber müssen wir in der Fachdiskussion weiterreden .Zum Investitionshochlauf in diesen Jahren trägt unteranderem auch die Nutzerfinanzierung bei. Sie wird sichReinhold Sendker
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erhöhen durch die Ausweitung der Lkw-Maut um jähr-lich 2 Milliarden Euro abzüglich der Systemkosten .Insgesamt stehen bei Haushalts- und Nutzerfinanzie-rung schon im nächsten Jahr für Investitionen in die klas-sischen Verkehrsträger Straße, Schiene und Bundeswas-serwege knapp 13 Milliarden Euro zur Verfügung . Dasist erkennbar ein neues Finanzierungshoch, will heißen –wenn man auf das Jahr 2009 zurückblickt –: 40 Prozentmehr für unsere Verkehrsanlagen . Das sind Finanzmit-tel, die schwerpunktmäßig neben Erhalt und Ausbauauch für neue Impulse benötigt werden, zum Beispielzur Bekämpfung des Schienenlärms und zur Schaffungbarrierefreier Bahnhöfe . Im Jahr 2018 wird die Investiti-onslinie auf 14 Milliarden Euro ansteigen . Ich stelle fest:Diese Entwicklung kann sich, weiß Gott, sehen lassen .Mir ist es wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen,an dieser Stelle Bilanz zu ziehen . Für zusätzliche Fi-nanzmittel, die das Delta der Unterfinanzierung, das wirimmer beklagt haben, endlich schließen, haben wir alsVerkehrspolitiker lange Jahre gekämpft .
Schauen wir auf das, was die Große Koalition in die-ser Legislaturperiode geleistet hat: zusätzliche Mittel inHöhe von 5 Milliarden Euro im Koalitionsvertrag, danndas Zukunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung,es folgt die Erweiterung der Mautpflicht und nun weitereFördermittel für den Bereich der Breitbandversorgung .Diese aktuellen und validen Haushaltsdaten sind das Er-gebnis unseres Einsatzes, und sie sind – das stelle ich hierfest – ein klarer und großer Erfolg unserer Koalition .So gratuliere ich unserem Minister zur Steigerung derInvestitionen in den Breitbandausbau auf nunmehr 4 Mil-liarden Euro für den ländlichen Raum . Für die unversorg-ten Regionen brauchen wir in der Tat mehr Geld . Mit denFördermitteln soll bekanntlich das politische Ziel erreichtwerden, das Minister Alexander Dobrindt hier eben aus-geführt hat . Das ist wichtig für die Menschen und für diemittelständischen Betriebe in der ländlichen Region, inder es bestimmt nicht weniger Innovation als anderswogibt . Daher kann ich diese Entwicklung als Abgeordneteraus einer solchen Region nur ausdrücklich begrüßen .Mit den Worten „The time is now“ hat ein frühererUS-Präsident seine Politik begründet . Ja, hier und jetztist es Zeit, mehr Geld für die Förderung digitaler Infra-struktur in den ländlichen Räumen bereitzustellen . LieberKollege Claus, genau das tut unsere Bundesregierung .
Gerade zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit – ich be-tone: überall – in Deutschland, war das die absolut richti-ge Entscheidung . Vielen herzlichen Dank, Herr Minister .Schließlich ist es eine weitere erfreuliche Nachricht,dass im Rahmen der Haushaltsaufstellung sämtliche par-lamentarischen Beschlüsse zum Haushalt 2016 dauerhaftausfinanziert worden sind, vom automatisierten und ver-netzten Fahren, von den innovativen Verkehrstechnolo-gien bis hin zur Förderung der alternativen Kraftstoffin-frastruktur .Zum Abschluss . Liebe Kolleginnen und Kollegen, derVerkehrshaushalt für 2017 – das muss hier klar gesagtwerden – ist schon im Entwurf ein rundum starker Auf-schlag .
Die Unionsfraktion begrüßt ausdrücklich die sehr posi-tiven Entwicklungen, die ich angesprochen habe . Dankmoderner Verkehrspolitik ist Deutschland bestens auf-gestellt . So freue ich mich auf die Beratung des Einzel-plans 12 im Fachausschuss und danke Ihnen allen fürIhre Aufmerksamkeit .Vielen Dank .
Sabine Leidig erhält nun das Wort für die Fraktion Die
Linke .
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu-hörerinnen und Zuhörer! Es gibt unendlich viele Mög-lichkeiten, mit 14 Milliarden Euro oder weniger einenUmbau des Verkehrssektors in Richtung mehr Komfort,mehr Lebensqualität und weniger Umweltzerstörunghinzubekommen . Leider habe ich vom Minister keineneinzigen Vorschlag dazu gehört . Ich möchte hier dreiVorschläge unterbreiten, wie so etwas möglich wäre; wiralle würden dabei sogar noch Geld sparen .Erstens . Wir brauchen zusätzliches Geld für die Bahn .Wir müssen umsteuern, damit Bahnfahren komfortabler,preiswerter und überall zugänglich wird . Wir müssen zu-gleich dafür sorgen, dass die Lkw-Lawinen auf den Au-tobahnen abschmelzen und nicht weiter anwachsen, wiesich der Minister das vorstellt .
Dafür gibt es eine Idee, die nicht nur von mir hier vor-getragen wird – sie wurde vom Verband Deutscher Ver-kehrsunternehmen in die Diskussion eingebracht –: Wirverdoppeln die Einnahmen durch die Lkw-Maut, indemwir sie auf alle Straßen ausweiten, und lasten die Kosten,die durch den Lkw-Verkehr verursacht werden, vor allenDingen im Bereich des Gesundheitswesens, denen an,die sie verursachen. Ich finde, das ist eine hervorragen-de Idee . Im Gegenzug – das ist das Charmante an dieserIdee – werden die Trassenpreise – das ist quasi die Mautfür die Schienenwege – halbiert . Das würde bedeuten,dass die Länder viel mehr Schienennahverkehr bestellenkönnten, weil die Preise für die bestellten Züge sinkenwürden . Das würde bedeuten, dass die Fahrpreise für dieReisenden sinken würden . Damit hätten wir zwei Fliegenmit einer Klappe geschlagen .
Reinhold Sendker
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– Nein, das verstößt nicht gegen EU-Recht, weil die EUexplizit zulässt, dass deutlich mehr externe Kosten demLkw-Verkehr angelastet werden, als das bisher gemachtwird .
Die EU hat außerdem überhaupt nichts dagegen, dass wiralle Straßen bemauten
und auch kleinere Lkws einbeziehen, sodass insgesamtmehr Lkws bemautet werden .Zweitens . Es gibt schon lange die Forderung der Um-weltverbände, der wir uns anschließen, die unsinnigeSubvention von Dieseltreibstoff zu beenden . 18 Centpro Liter zahlen diejenigen, die Diesel tanken, wenigerals die Leute, die normalen Treibstoff tanken . Diese Dif-ferenz summiert sich auf eine gigantische Summe von7 Milliarden Euro jedes Jahr, die uns als Einnahme feh-len . Das sind Einnahmen, auf die wir verzichten, die wiraber gut gebrauchen könnten, um andere Dinge damit zutun . Stellen Sie sich einmal vor, was man damit machenkönnte: Mit 7 Milliarden Euro könnte man beispielswei-se jede Menge Fahrradwege bauen, die in den Kommu-nen dringend gebraucht werden . Mit 7 Milliarden Eurokönnte der öffentliche Nahverkehr deutlich stärker aus-gebaut werden, als wir das bisher tun .Es gibt noch eine naheliegende Idee: Die FAZ hatkürzlich getitelt: „Bahn lässt Alte stehen“ . Sie hat erläu-tert, dass der Seniorenverband in einer breiten Befragungherausgefunden hat, dass viele alte Leute die Bahn nichtbenutzen, zum Beispiel weil die Bahnsteige zu steil, alsonicht barrierefrei sind und weil kein Personal an denBahnhöfen ist . Stellen Sie sich einmal vor, Sie subventi-onieren den Diesel nicht mehr und nutzen nur eine halbeMilliarde von diesen 7 Milliarden Euro für die Einstel-lung von Servicepersonal bei der Bahn . Sie könnten miteiner halben Milliarde Euro 10 000 gut bezahlte Arbeits-plätze schaffen und dafür sorgen, dass es an den Bahnhö-fen wieder Servicepersonal gibt . Die alten Leute würdendie Bahn dann lieber nutzen und die jungen Leute auch .
Das ist eine Idee, wie man wirklich weiterkommt .Drittens . Die Bahnhöfe brauchen nicht nur einenbesseren Service, sondern müssen in vielen Fällen auchrenoviert werden . Ein Viertel der 5 400 Bahnhöfe inDeutschland ist nicht zugänglich für Leute, die einenRollator oder Rollstuhl benutzen müssen oder einen Kin-derwagen mit sich führen . Anstatt Milliarden in Stuttgartzu versenken – noch mehr Milliarden –, könnten Sie un-zählige Bahnhöfe im Land fit machen.Wir erwarten in diesen Tagen den Bericht des Bundes-rechnungshofs zu Stuttgart 21, der jetzt endlich vorgelegtwird . Sie alle wissen im Grunde, was drinsteht, nämlichdass dieses unsinnige Projekt nicht 6,5 Milliarden Eurokosten wird – diese Summe liegt deutlich über den ge-planten Kosten, und schon damit ist das Projekt unwirt-schaftlich –, sondern 10 Milliarden Euro . Es gibt einhervorragendes Umstiegskonzept, das in Stuttgart erar-beitet worden ist . Ich bitte Sie alle, sich das zu Gemüte zuführen . Das ist eine Idee, wie man mit den vorhandenenBaustellen etwas Sinnvolles machen kann . Dabei würdeman 5 Milliarden Euro übrig behalten . Mit 5 MilliardenEuro könnten Sie unzählige Bahnhöfe fit machen, damitalle im Land etwas davon haben . Das ist ein hervorra-gender Ansatz, um die Mobilität bürgernah zu verbes-sern und zugleich die Umwelt zu schonen . Mit solchenVorschlägen kommt man der volkswirtschaftlichen Sinn-haftigkeit und der ökologischen Vernunft wirklich näher,aber nicht mit einem Investitionshochlauf, der uns nur innoch mehr Beton führt .Danke .
Ich erteile das Wort dem Kollegen Sören Bartol für die
SPD-Fraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beginnenheute mit den Beratungen des Verkehrshaushaltes . AmEnde werden wir im Bundestag entscheiden, wie vielGeld wir in die Verkehrswege investieren . Wir werdenfestlegen, mit wie vielen Mitteln wir den Breitbandaus-bau fördern wollen . Wir werden auch darüber beraten,wie wir neue Technologien in der Mobilität fördern oderwie viel wir für die Verkehrssicherheit ausgeben wollen .Wir werden festlegen, ob die Länder und Kommunenmehr oder weniger Geld bekommen, um Busse und Bah-nen zu bestellen . Das bedeutet: Wir entscheiden, wie sichMobilität in unserem Land entwickeln wird .Schon in der heutigen Debatte wird, glaube ich, allenklar werden, wer hier im Parlament für was steht . DieGrünen – das ist normal – regen sich natürlich, wie im-mer, auf .
Sie schaffen es sogar, den besten Bundesverkehrswege-plan aller Zeiten schlechtzureden .
Sie versuchen es zumindest; sie schaffen es natürlichnicht .
Die Linken erklären uns in drei Punkten Ideen, die, schonwenn man den ersten Satz hört, vollkommen unrealistischsind und bei denen am Ende wieder herauskommt: WirSabine Leidig
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brauchen eigentlich eine Behördenbahn, und der Staatkann alles besser . – Am Ende werden wir auch unserenlieben Koalitionspartner überzeugen müssen, dass natür-lich nicht alles so bleiben kann, wie es ist . Wir Sozialde-mokraten kämpfen dafür, dass Mobilität bezahlbar bleibtund im digitalen Zeitalter effizienter organisiert wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokra-tinnen und Sozialdemokraten wollen bezahlbare Mobili-tät für alle . Ob jemand den Bus, den Zug oder das Autobenutzt, ist immer auch von der Höhe des persönlichenEinkommens abhängig . Wer in seinem Job wenig ver-dient, kann sich häufig eben kein eigenes Auto leistenund ist damit von Bus und Bahn abhängig .
Häufig ist selbst das Monatsticket zu teuer.
Der ÖPNV und der Schienenpersonennahverkehr sind inhohem Maße von der Finanzierung durch den Steuerzah-ler abhängig .
Wir haben hier eine besondere Verantwortung, dafürzu sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihreMobilität leisten können .
Das gilt für den Pendler, der morgens zur Arbeit fährt,das gilt für die Rentnerin, die mittags zum Einkaufen indie nahe Kleinstadt fährt, das gilt für den Jugendlichen,der nachmittags zum Fußballtraining will, und das giltnatürlich auch für das junge Paar, das abends mit Freun-den in die Kneipe will .
Daher war es richtig, dass wir die Mittel für den Schie-nenpersonennahverkehr, die sogenannten Regionalisie-rungsmittel, auf 8,2 Milliarden Euro erhöht haben .
Das sorgt dafür, Kollege Kindler, dass mehr Züge fahren .Das verhindert, dass die Ticketpreise am Ende explodie-ren .
Das verbessert den Service und die Zuverlässigkeit .
Jetzt erwarte ich, dass wir auch das, was noch fehlt, end-lich beschließen, um Rechtssicherheit zu schaffen .Zur Bezahlbarkeit der Mobilität gehört aber auch, dasswir den Menschen ihr Auto nicht verbieten oder weg-nehmen . Besonders Bürgerinnen und Bürger in struk-turschwachen Regionen sind einfach immer noch aufihr Auto angewiesen, um zur Arbeit zu kommen . Dabeipendeln sie nun einmal häufig in die Städte hinein. Dahersollten wir mit Fahrverboten und dem Aussperren vonAutos sehr, sehr vorsichtig sein .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da, wo einige Mit-glieder der Grünen beim Schutz der Umwelt über dasZiel hinausschießen, spielen einige Kollegen von unse-rem Koalitionspartner oft das Spiel von Vogel Strauß;sie ignorieren die Folgen des Verkehrs für Mensch undUmwelt .
Die negativen Auswirkungen unserer Mobilität aufdas Klima sind einfach nicht zu leugnen . Ich erinneregern noch einmal daran: Es war die Bundeskanzlerin, diein Paris ein internationales Klimaschutzabkommen un-terschrieben hat . Damit hat sie auch zugestimmt, dass wirunsere Mobilität bis 2050 anders organisieren müssen .
Das Ziel ist, bis 2050 kein Gramm Kohlendioxid im Ver-kehrsbereich mehr zu produzieren .
Ich sage ganz ernsthaft, Kollege Kindler: Das wirdnicht einfach . Aber an der Losung „Weg vom Öl“ führtkein Weg vorbei . Dabei kann man, wie die Grünen, unre-alistische Ziele ausgeben
und davon träumen, dass bereits in 14 Jahren kein einzi-ges Auto mit konventionellem Antrieb mehr zugelassenwird . Das wird dann aber dazu führen, dass sich nur nochSören Bartol
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Reiche teure Autos aus der Wüste von Nevada leistenkönnen .
Ich bin der festen Überzeugung: Wir brauchen einenneuen Mobilitätskonsens 2030, ein Bündnis von Verbrau-chern, Mobilitätsanbietern, Industrie, Umweltvertreternund Politik, das gemeinsam einen realistischen und ver-bindlichen Fahrplan für die Verkehrswende vereinbart .Das funktioniert nicht, wenn die Politik voranprescht undam Ende für den Verbraucher die Kosten explodieren unddie Industrie auch einfach nicht liefern kann .Der Entwurf für den Haushalt 2017 zeigt, dass wiruns an dieser Stelle bereits auf den Weg gemacht haben .Wir setzen auf Elektromobilität . Wir unterstützen dieMarkteinführung von Elektrofahrzeugen auf der Straßegemeinsam in einem Bündnis mit der Industrie mit insge-samt 1,6 Milliarden Euro . Dazu gehört der Ausbau einesTankstellennetzes von Ladesäulen . Dazu gehört natürlichauch die Umweltprämie als Unterstützung für den Kaufeines Elektroautos . Dazu gehört aber auch die Unterstüt-zung der Forschung in diesem Bereich . Da, wo anderemit Verboten und mit Steuererhöhungen den Mobilitäts-wandel erzwingen wollen, setzen wir gezielt Anreize undinvestieren in die Zukunft der Mobilität in Deutschland .Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Schienefunktioniert die Elektromobilität schon seit Jahrzehnten .Die Eisenbahn ist der umweltfreundlichste Verkehrsträ-ger, den wir haben . Wir werden die bezahlbare und um-weltfreundliche Mobilität der Zukunft nur organisierenkönnen, wenn wir massiv in die Schiene investieren .
Ohne eine starke Schiene werden wir den Weg wegvom Öl bis 2050 zu bezahlbaren Preisen nicht schaffen .Guter Service bei attraktiven Preisen, Pünktlichkeit undZuverlässigkeit müssen dabei das Markenzeichen der Ei-senbahn in Deutschland sein .Unsere Aufgabe ist es, die notwendige Schieneninfra-struktur zur Verfügung zu stellen . Wir investieren daherbis 2019 die Rekordsumme von rund 28 Milliarden Euroin den Erhalt der bestehenden Schieneninfrastruktur .
Gleichzeitig werden wir in den weiteren Ausbau desSchienennetzes investieren .Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu brauchen wirauch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger . Dahermüssen wir mehr Bürgerbeteiligung wagen und zusätz-lich in den Lärmschutz investieren .
Unser Ziel ist die weitere Erhöhung der Mittel für denfreiwilligen Lärmschutz an bestehenden Strecken .
Außerdem brauchen wir das absolute Durchfahrtsverbotfür laute Güterwagen ab 2020 . Hier brauchen wir einfachein intelligentes Regelwerk, dem auch am Ende die Eu-ropäische Union zustimmen kann, wobei eines klar ist:Eine reine Blockade durch die EU-Kommission werdenwir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht akzeptieren .
Mobilität kann nur funktionieren, wenn die dafür not-wendige Infrastruktur vorhanden ist . Wir bauen deswe-gen nicht einfach den Verkehrsströmen hinterher . Wirsetzen jetzt kluge Prioritäten und investieren dort, woPendlerinnen und Pendler und auch Waren tagtäglich imStau stehen .Wenn wir die Chancen der vernetzten Mobilität nut-zen, können wir unsere Verkehre auch besser, effizienterund sicherer organisieren . Daher setzen wir auch auf dieDigitalisierung der Mobilität . Wir fördern die intelligen-te, die vernetzte Mobilität von morgen . Im Haushaltsent-wurf sind 20 Millionen Euro für die Umsetzung der Stra-tegie „Automatisiertes Fahren“ vorgesehen .Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir helfen dabei, dieneuen Technologien im Alltag zu testen . Das hilft, umneue Erfahrungen zu sammeln, um Vorbehalte abzubau-en . Dabei rate ich aber uns allen auch dazu, die Debatteeinfach sehr vorsichtig zu führen . Schnell sind wir andieser Stelle bei ethischen Fragen, die wir nicht einfachso im Vorbeigehen beantworten sollten .Der Schritt in die digitale Zukunft unserer Mobilitätwird nur gelingen, wenn wir nicht im Datenstau auf derDatenautobahn stecken bleiben . Daher investieren wir –die Zahl ist schon genannt worden – insgesamt massivin den Breitbandausbau . Bis 2020 werden wir insgesamt4 Milliarden Euro in den flächendeckenden Ausbau in-vestieren, besonders in den unterversorgten Gebieten,in den ländlichen Regionen . Das sind mit diesem Haus-haltsentwurf 1,3 Milliarden Euro mehr als bisher einge-plant .Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer über die Zu-kunft der Mobilität redet, der redet darüber, wie wir ei-nen wichtigen Teil unseres Alltags organisieren wollen .Mobilität ist ein wichtiges Stück Lebensqualität . Dabeiwollen wir mit den Geldern, die uns der Steuerzahler unddie Steuerzahlerin zur Verfügung gestellt haben, dafürsorgen, dass Mobilität bezahlbar bleibt, ihre Folgen fürMensch und Umwelt gering sind und wir den Sprung indie digitale Mobilität des 21 . Jahrhunderts schaffen .Der vorliegende Entwurf des Bundeshaushalts 2017setzt dafür bereits die richtigen Schwerpunkte .
Wir investieren damit in die bezahlbare und klimaneu-trale Mobilität im digitalen Zeitalter . Jetzt schauen wir –das ist ja das Gute an Haushaltsberatungen – gemeinsam,Sören Bartol
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an welcher Stelle wir noch zu positiven Veränderungenkommen können .Vielen Dank .
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Stephan
Kühn nun das Wort .
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen! Lieber Sören Bartol, wenn man im
Klimaschutzaktionsplan 2050 die konkreten Ziele zur
Treibhausgasminimierung über Bord wirft,
dokumentiert man nur eindrucksvoll, dass die Verkehrs-
politik ein klimapolitisch blinder Fleck dieser Regierung
ist . Nichts anderes dokumentiert man damit .
Im Haushalt sieht es nicht anders aus . Wir bräuchten
eine Innovations- und vor allen Dingen Investitionsoffen-
sive für klimaverträgliche Mobilität . Die Elektromobili-
tät müsste verkehrsträgerübergreifend gefördert werden .
Schaut man sich den Haushalt an, dann sieht man: Es
geht nur um das Auto . Sie wollen 2017 knapp 200 Mil-
lionen Euro in die Kaufprämie für Elektroautos inves-
tieren, haben für CO2-arme Nutzfahrzeuge aber gerade
einmal läppische 10 Millionen Euro übrig . Das ist nicht
mehr als ein Feigenblatt .
Stattdessen müssten wir Kommunen unterstützen, die
im innerstädtischen Logistikbereich auf Elektro-Lkws
umstellen und ihre Flotten umrüsten . Wir brauchen ein
Marktanreizprogramm für Elektrobusse, und wir brau-
chen ein Elektrifizierungsprogramm für die Schiene, da-
mit wir die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene und vor
allen Dingen das Angebot der Bahn in der Fläche verbes-
sern können .
Auch beim Nahverkehr tickt die Uhr weiter . Wir brau-
chen in den nächsten Jahren umfangreiche Investitionen
in Fahrzeuge und Infrastruktur . Das GVFG-Bundespro-
gramm läuft 2019 aus . Vor etwa einem Jahr wurde be-
schlossen, es zu verlängern . Doch diese Regierung hat es
auch nach einem Jahr nicht geschafft, den dafür notwen-
digen gesetzgeberischen Prozess auf den Weg zu bringen .
Leidtragende dieser Politik des Aussitzens sind einmal
mehr die Fahrgäste, die auf attraktive Angebote warten .
Wir Grünen wollen ein „Zukunftsprogramm Nahver-
kehr“ mit jährlich 1 Milliarde Euro auflegen. Wir wollen
die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur deutlich
aufstocken, um neu und auszubauen und dem vorhande-
nen Sanierungsstau zu begegnen .
Für uns ist auch das Thema Barrierefreiheit wichtig .
Hier müsste viel mehr als in der Vergangenheit investiert
werden, wenn Mobilität für alle verfügbar sein soll .
Herr Minister Dobrindt, Sie haben die Digitalisierung
und Automatisierung angesprochen . Bei Ihnen steht bis-
her aber nur das autonom fahrende Auto im Fokus . Es
gibt ein Testfeld Straße . Nach Anwendungsforschung
für die Schiene und den öffentlichen Verkehr im Bereich
„automatisiertes und vernetztes Fahren“ werden Sie in
diesem Haushalt vergeblich suchen .
Ich habe im Haushalt 8 Millionen Euro für ein Projekt
gefunden, das nie kommen wird, nämlich die Ausländer-
maut für Pkws .
Es wäre viel klüger, wenn wir diese 8 Millionen Euro
nehmen und ein Leuchtturmprojekt – am besten mehrere
Leuchtturmprojekte – für das automatisierte und vernetz-
te Fahren bei Bahn und Bus schaffen würden . Das wäre
in die Zukunft investiert .
Nun hat Thomas Jarzombek für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube,heute ist ein guter Zeitpunkt, auch einmal auf die letzteLegislaturperiode zurückzublicken . Wir haben damalsals Verkehrspolitiker Jahr für Jahr hier gestanden und umunsere Investitionslinie gekämpft . Unser Ziel war es da-mals immer: Wir wollen die Investitionslinie von 10 Mil-liarden Euro halten . Das war ein schwieriger Kampf, undwir waren am Ende der Legislaturperiode wirklich frohund glücklich und zufrieden mit unserer Arbeit, weil wires geschafft hatten .In dieser Legislaturperiode – auch heute, in dieserHaushaltsberatung – reden wir über ein ganz anderes Fi-nanzierungsniveau . Nicht mehr 10 Milliarden Euro sinddie Ziellatte, sondern wir reden jetzt über 16 MilliardenEuro . Das ist ein unglaublich großer Erfolg für den Ver-Sören Bartol
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kehrsminister, diese Koalition, den Finanzminister undinsbesondere alle Verkehrsteilnehmer in Deutschland .
Da das Thema Maut hier schon einmal angesprochenworden ist: Dazu gehört auch, dass die Lkw-Maut, fastunbemerkt von der Öffentlichkeit, sehr effizient und er-folgreich neu aufgestellt worden ist . 1 000 weitere Kilo-meter an Bundesfernstraßen werden jetzt bemautet . DieVorbereitungen laufen, die Maut auch auf allen Fernstra-ßen zu erheben und damit ein weiteres Einnahmepoten-zial von bis zu 2 Milliarden Euro pro Jahr zu erschlie-ßen . Wenn ich mich zurückerinnere, wie schwierig derBeginn mit Toll Collect gewesen ist, dann kann ich auchhier der Bundesregierung und dem Minister, die es ge-räuschlos und effizient geschafft haben, die Lkw-Maut,diese wichtige Einnahmequelle, so auszubauen, nur einKompliment machen .
Meine Damen und Herren, damit sind jetzt Dingemöglich, die in der Vergangenheit nahezu unmöglich er-schienen . Der Kollege Wittke und ich sind als überzeug-te Radfahrer, auch wenn das in Berlin eine gefährlicheSache ist, begeistert, dass jetzt zum ersten Mal auch dieRadwege mit gefördert werden .
Dabei haben wir fast Gero Storjohann vergessen . – Siesehen, es gibt viele aktive Alltagsradler in unserer Frak-tion . Insofern sind die Ziele der neuen Mobilität in derTat erfüllt .Was wir insbesondere in dieser Legislaturperiode ge-schafft haben, ist, dass wir das Thema der digitalen In-frastruktur nach vorne gebracht haben . Erinnern Sie sichzurück: In der letzten Legislaturperiode war das ThemaBreitbandausbau Aufgabe des Wirtschaftsministeriums .Ich könnte jetzt irgendjemanden fragen, ob er sich daranerinnern kann, was da an Erfolgen erzielt worden ist . Dawird ihm nicht besonders viel einfallen .Ich glaube, dass es gut ist – die Entscheidung war dierichtige –, zu sagen: Da, wo Straßen, Wasserwege undSchienenwege geplant werden, können auch gut digitaleVerkehrswege geplant werden . Diese Änderung hat sichbewährt, als das Verkehrsministerium begonnen hat, mitseiner Kompetenz im Tiefbau und in der Planung vonInfrastrukturen hier einen ganz neuen Ansatz zu fahren .Der Minister hat es schon gesagt: Wir haben mit2,7 Milliarden Euro begonnen . Das war das erste För-derprogramm des Bundes überhaupt, das es bisher fürden Breitbandausbau gegeben hat . Wir haben diesesProgramm inzwischen auf 4 Milliarden Euro erhöht . Ichdarf heute sagen: Ich persönlich halte es für eine wichti-ge Aufgabe, das auch in der Zukunft fortzuführen . DieFörderung des Breitbandausbaus, insbesondere in denländlichen Regionen, in denen der Markt das eigenwirt-schaftlich nicht leisten kann, muss und wird auch in derZukunft eine Aufgabe bleiben; denn die 50 Megabit, dieheute das Ziel sind, werden in fünf oder zehn Jahren nichtmehr der geeignete technische Maßstab sein . Deshalbmüssen wir dieses Programm auch in die Zukunft führen .
Wir haben zusätzlich ein Programm für Gewerbege-biete aufgelegt . Im Koalitionsvertrag und in der Debat-te war immer die Rede davon, dass alle „Haushalte“ inDeutschland einen Zugang zum Netz brauchen: ein klei-ner, aber feiner Unterschied, insbesondere in den Förder-richtlinien . Die 300 Millionen Euro für die Anbindungvon Gewerbegebieten sind ebenfalls die richtige Maß-nahme .
– Nicht nur im ländlichen Raum .
Sie werden lachen, Frau Kollegin . Es gibt mitten in Düs-seldorf, im Hafen, Gebiete, die unerschlossen sind . Dabrauchen Sie gar nicht so sehr in den ländlichen Raum zugucken. Die Erschließung muss überall dort stattfinden,wo es einen Bedarf gibt .
Da wir schon beim Düsseldorfer Hafen sind, kann ichauch etwas anderes ansprechen: Was mich sorgt, ist dieFrage, wie diese Mittel verteilt werden und wo sie dannverwendet werden . Ich glaube, es ist ein großer Erfolgfür die Regierung – ich lese einmal die Zahlen vor –,dass wir im Rahmen dieses Programms schon am heu-tigen Tag 717 Anträge genehmigt haben . Förderzusagenund Bescheide in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro sindherausgegangen, und 120 000 Kilometer neue Glasfasernwerden verbaut . Aber, meine Damen und Herren, dieVerteilung ist asymmetrisch . Das kennen wir schon ausdem Verkehrsbereich: Immer dann, wenn es ein Investi-tionsprogramm gab – ich erinnere an das Konjunkturpro-gramm II –, gab es Bundesländer, die fertige Planungenvorliegen hatten und einen sehr großen Anteil an denMitteln bekommen haben . Andere Bundesländer habenes schlicht und ergreifend verpennt, zu planen, und stan-den ziemlich blank da .Als Rheinländer tut es mir im Herzen weh, zu sagen:Nordrhein-Westfalen gehörte in den letzten Jahren leiderimmer zu den Schlafmützen .
– Kollege, Sie können ja dem Kollegen Wittke eine Zwi-schenfrage stellen .
Thomas Jarzombek
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Das war der einzige Verkehrsminister in NRW, der in die-sem Bereich neue Stellen geschaffen und ein paar Leutemit der Planung beauftragt hat .
Manche träumen ja davon, er würde es wieder tun . Ichglaube, die Wähler in Nordrhein-Westfalen sind schlaugenug, zu wissen, wie Verkehrspolitik vernünftig läuft .
Jetzt wiederholt sich das gleiche Drama beim Breit-bandausbau . Ich lese Ihnen einmal die Zahlen vor: Vonden insgesamt 717 Bescheiden sind gerade einmal 7 – 7von 717 – nach Nordrhein-Westfalen gegangen . Das liegtnicht daran, dass hier irgendjemand unfair geurteilt hat,sondern daran, dass gar nicht mehr beantragt wurde .
Es gab zwar noch ein paar mehr Anträge, aber im We-sentlichen ist das Problem ein Antragsproblem .
– Richtig, nach Mecklenburg-Vorpommern . 457 Millio-nen Euro gingen in der letzten Legislaturperiode nachMecklenburg-Vorpommern .
Ich habe die Frage gestellt: Wie kommt das eigentlich?Die Antwort ist relativ verblüffend: Mecklenburg-Vor-pommern, ein Land mit 1,6 Millionen Einwohnern, be-schäftigt 15 Leute in Vollzeit, die die Kommunen dabeiberaten, solche Förderanträge zu stellen . 15 Vollzeitstel-len bei 1,6 Millionen Einwohnern! Nordrhein-Westfalenhat 18 Millionen Einwohner . Das ist das Elffache . Ra-ten Sie einmal, wie viele Stellen es dafür in der ganzenStaatskanzlei gibt .
– Drei! Drei Stellen in Nordrhein-Westfalen mit 18 Mil-lionen Einwohnern versus 15 Stellen bei 1,6 MillionenEinwohnern .
Ich glaube nicht an Zufälle . Ich glaube auch nicht da-ran, dass irgendeiner bei den Kommunen nicht schlaugenug ist. Wir haben fleißige Landräte und Oberbürger-meister .
– Nein . Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Landes-regierung, der das schlicht und ergreifend scheißegal ist .Entschuldigen Sie meinen unparlamentarischen Aus-druck .
Das reiht sich leider in eine unendliche Reihe von Ver-säumnissen in Nordrhein-Westfalen ein .Wir sind ja in den Haushaltsberatungen . Wir habenjetzt im Bund den vierten Haushalt in Folge ohne neueSchulden .
Und mit den gleichen Steuereinnahmen und den gleichenniedrigen Zinsen hat Nordrhein-Westfalen die höchstenSchulden aller Zeiten .
Das ist doch kein Zufall . Die Menschen in diesem Landewissen, dass sie im Mai nächsten Jahres die Möglichkeithaben, für eine bessere Politik zu stimmen, meine Damenund Herren .
– Nein . – Ich war früher Landtagsabgeordneter . Das warauch eine wirklich gute Zeit .
Ich glaube, diese guten Zeiten, die wir nach 2005 mitJürgen Rüttgers schon einmal hatten, werden auch wie-derkommen .
– Ich merke, es gibt auch keine Sachargumente mehr beiden Zwischenrufern . Das bestätigt mich in meinem Ur-teil .
Meine Damen und Herren, ich möchte die letzten zehnSekunden dafür nutzen, zu sagen: Ich freue mich, dasswir mit diesem Haushalt viel für den Verkehr und fürdie Infrastruktur in diesem Land erreicht haben . Ich binfroh und stolz, daran mitarbeiten zu dürfen, und ich freuemich darauf, das alles im nächsten Jahr fortzusetzen .Vielen Dank .
Das Wort hat nun der Kollege Matthias Gastel für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen .Thomas Jarzombek
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Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Dieser Haushaltsplanentwurf für das
Jahr 2017 liefert vielfach den Beleg, dass Versprechen
wie „Klimaschutz“, „mehr Güter auf die Schiene“, „Stär-
kung des Radverkehrs“ und viele andere leider nichts an-
deres sind als Lippenbekenntnisse oder Sonntagsreden .
Das zeigt sich auch mit Blick auf Ihre Bahnpolitik . Im
kombinierten Verkehr wird gekürzt . Die Investitionen in
das Bestandsnetz sind viel zu niedrig, um die Substanz zu
erhalten . Vor allem die Brücken verrotten schneller, als
sie saniert werden, und die Mittelverwendung ist über-
wiegend ziellos . Ich zitiere aus einem ganz aktuellen Be-
richt des Bundesrechnungshofes:
Außerdem fehlen Anreize, die Bundesmittel
wirtschaftlich einzusetzen . Des Weiteren gibt es
Schwachstellen bei der Finanzierung der Instand-
haltung und des Ersatzes der Bahnanlagen .
Herr Minister, ich glaube, in Ihrem Herkunftsland
nennt man so etwas „Watschen“ . Und es sind gewalti-
ge Watschen, die Sie mit dem Bericht vom Bundesrech-
nungshof bekommen haben .
Aber der Blick in den Bundesverkehrswegeplan zeigt:
Er ist nicht viel besser . Es fehlt das Netz, um Güterzü-
ge in der Normallänge von 740 Meter fahren lassen zu
können, damit der Schienengüterverkehr gegenüber dem
Lkw-Verkehr wirtschaftlich abgewickelt werden kann .
Es fehlt das Thema Deutschland-Takt, damit die Fahr-
gäste besser umsteigen können und verlässliche Verbin-
dungen bekommen .
Insgesamt ist es so, dass viele Straßen – selbst die
pop ligsten Umgehungsstraßen – darin enthalten sind,
aber zentrale Schienenprojekte wie die Gäubahn Stutt-
gart–Zürich komplett fehlen . Dazu sagen Sie, das sei al-
les nicht so wichtig .
Das belegt aber auch der Blick auf den Fahrradver-
kehr . Von Fahrradpolitik kann man eigentlich nicht spre-
chen; die gibt es bei Ihnen überhaupt nicht . Da stehen
Sie komplett auf der Bremse, Herr Minister . Im Bundes-
verkehrswegeplan ist nicht ein einziger Radschnellweg
enthalten oder berücksichtigt worden, obwohl solche
Radwege durchaus geeignet sein können, Bundesstraßen
zu entlasten und deren Ausbau vielleicht überflüssig zu
machen .
Die Mittel für die Radwege entlang von Bundesfern-
straßen stagnieren auf niedrigstem Niveau . Sie haben
eine teure Kaufprämie für Elektroautos ausgereicht . Wie
wäre es mit etwas Vergleichbarem im Bereich der Las-
tenräder? Familien würden sich freuen, und der Bereich
Citylogistik würde klimaverträglich vorankommen . Aber
davon wollen Sie nichts wissen .
Sie haben so viel Geld wie noch nie zuvor zur Verfü-
gung . Trotzdem verfallen Bahnbrücken schneller, als Sie
sanieren .
Der Klimaschutz gerät unter die Räder . Die Zahl der
Lkw-Kolonnen auf den Autobahnen nimmt zu . Beim
Radverkehr stehen Sie auf der Bremse . Viel Geld im
Etat, wenige Ideen vom Minister! Sie haben es gewaltig
vergeigt .
Der Kollege Herzog erhält nun das Wort für die
SPD-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirberaten heute in erster Lesung über den Verkehrsetat für2017 . Das ist ein guter Anlass, die Frage zu stellen: Passtdieser Einzelplan zu der Politik, die wir als Große Koali-tion verabredet haben, um die Mobilität in diesem Landvoranzubringen? Ja, es ist ein wichtiger und richtigerBaustein, den wir mit diesem Haushalt setzen . Ich willmit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, etwas zitieren:Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist einewesentliche Voraussetzung für soziale Teilhabeund die Wettbewerbsfähigkeit des Landes . Mit ei-nem der feinmaschigsten Verkehrsnetze der Welt istDeutschland gut aufgestellt .Ich sehe fragende Gesichter . Weiß jemand, wer das ge-schrieben hat? – Hallo! Die Grünen . Wo bleibt der Ap-plaus? Das Zitat stammt aus Ihrem Antrag zum Bundes-netzplan im April dieses Jahres . So lautet der erste Satzin Ihrem Antrag .
Herr Kollege Kindler, entweder lesen Sie Ihre eigenenAnträge nicht, oder Ihre Anträge sind es nicht wert, ge-lesen zu werden . Ich wiederhole: „Mit einem der fein-maschigsten Verkehrsnetze der Welt ist Deutschland gutaufgestellt .“ Aber in Ihrer Rede hier sagen Sie, der Bun-desverkehrswegeplan 2003 und seine Umsetzung seienMurks . Sie widersprechen sich offenbar ruckzuck . IhreVerkehrspolitik sollten Sie neu überdenken .
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Ich ärgere mich noch über etwas anderes .
Sie und insbesondere die Kollegin Wilms ziehen ständigmit einer Wünsch-Dir-was-Liste durchs Land . SchauenSie sich einmal an, wie viele Wünsche es von Abgeord-neten und aus der Öffentlichkeit gibt, wie viele Wünschein den verschiedenen Verfahren im Rahmen des Bun-desverkehrswegeplans abgelehnt wurden und wie vie-le Wünsche wir im parlamentarischen Verfahren wohlnoch ablehnen werden . Nehmen Sie solche Vorwürfewie Wünsch-Dir-was-Liste und „Wunsch und Wolke“zurück . Was wir machen, ist harte Arbeit . Aber dieserwollen Sie sich nicht stellen .
Da Sie die Kolleginnen und Kollegen, die sich intensivum ihre Wahlkreise kümmern, diffamiert und behauptethaben, sie versuchten nur, ihre Schäfchen für den Wahl-kreis ins Trockene zu bringen: Es ist meine Aufgabe alsdirekt gewählter Abgeordneter, hier im Deutschen Bun-destag auch die Interessen meines Wahlkreises zu vertre-ten . Das machen alle Kolleginnen und Kollegen für IhreWahlkreise genauso . Für Sie hat das wohl keine großeBedeutung .
Ich hatte die Möglichkeit, an der Erarbeitung des Bun-desverkehrswegeplans 2003 mitzuwirken . Vielleicht las-sen Sie Ihrem Kollegen Albert Schmidt, der damals Ihrverkehrspolitischer Sprecher war, Ihre Rede zukommen,in der Sie seine Arbeit so diskreditieren .
Ich bin Ihnen aber auch dankbar . Wenn die Oppositionumfangreiche Kleine Anfragen stellt, dann antwortet dieRegierung auch umfangreich .
– Doch . – Schauen Sie einmal auf die Antwort auf IhreKleine Anfrage zur Gesamtbilanz des Bundesverkehrs-wegeplanes 2003. Dort finden Sie auf Seite 67 dieLängenentwicklung . Was haben wir vom Bundesver-kehrswegeplan bis 2014 abgearbeitet? 66 Prozent beimAutobahnausbau, 50 Prozent bei den Erweiterungen undnur 36 Prozent bei den Bundesstraßen . Sie haben übri-gens überwiegend nach Straßen gefragt . Die Schiene unddie Wasserstraßen waren Ihnen in Ihrer Kleinen Anfragenicht so wichtig .
Wenn Sie sich erinnern, dass wir damals bei der Straße20 Prozent und bei der Schiene sogar ein Drittel als Pla-nungsreserve hatten, dann müssen Sie zugeben, dass wirin der Vergangenheit gute Arbeit geleistet haben,
trotz aller Schwierigkeiten und Defizite, die vorhandensind . Es wurde schon mehrfach in diesem Haus daraufhingewiesen: Auch in der Vergangenheit stellte sich nichtimmer die Frage des Geldes . Wenn die Länder sich zuRecht beklagten, gab es ein Sonderprogramm; dann wie-der wurden die Mittel gestrichen . Ich glaube, eine derAufgaben, die wir gut gelöst haben, war es, für einenkontinuierlichen, verlässlichen Anstieg der Verkehrsin-vestitionen zu sorgen . Damit können die Länder vernünf-tiger umgehen, als es in der Vergangenheit der Fall war .
Wir müssen wichtige Aufgaben für die Zukunft besserbearbeiten, als es in der Vergangenheit passiert ist . 2003hat zum Beispiel der Schienenlärm nicht die Rolle wieheute gespielt . In der letzten Wahlperiode haben wir denSchienenbonus abgeschafft . Das war ein großer Erfolg .Wir haben die Mittel stark erhöht .
Der Schienenlärm ist eines der wichtigen Themen – dassage ich in Richtung der Linken und Grünen –, bei denenwir für Akzeptanz sorgen müssen, indem wir uns richtigeinsetzen .
Wir können nicht nur Investitionen in die Schiene fordern,sondern müssen uns richtig dafür engagieren . Als Rhein-land-Pfälzer hat man da Interessen, zum Beispiel wasdas Mittelrheintal angeht . Ich sehe, Kollege SebastianHartmann nickt mir zu . Mit dem Rhein-Sieg-Kreis gibtes gemeinsame Interessen, auch mit Baden-Württem-berg, Annette Sawade . Eigentlich ist es im ganzen Landdringend notwendig, dass wir etwas tun .
Das machen wir mit diesem Haushalt . Wir werden dasumsetzen . Ich freue mich auf die Ausschussberatungen .Vielen Dank .
Norbert Brackmann ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eswird heute den ganzen Morgen immer vom Verkehrs etatund dem digitalen Anteil geredet . Wir reden hier in derKombination von Verkehr und digitalem Anteil über In-frastruktur, und zwar zukunftsgerichtete Infrastruktur .Gustav Herzog
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Wir müssen in die Infrastruktur investieren, damit unserWohlstand auch in 2025, 2030 und 2035 erhalten bleibt .Das macht die Bedeutung dieses Infrastrukturetats aus .
Minister Dobrindt hat vorhin darauf hingewiesen,dass dies der größte Etat ist, den der Bundestag jemalsfür diesen Bereich verabschiedet hat . Das ist ein Meilen-stein . Ein weiterer Meilenstein ist, dass mit diesem Etatnicht mehr finanzielle Engpässe dazu führen, dass wirbestimmte Maßnahmen nicht machen können, sondernim Gegenteil: In diesen Tagen werden die letzten Rück-stände abgearbeitet; es ist nicht mehr so, dass baureifeProjekte nicht mehr finanziert werden könnten. Sie wer-den alle finanziert werden können, wenn sie den gelten-den Ansprüchen genügen . Das ist ein Riesenerfolg dieserKoalition; denn das hat diese Koalition gemeinsam ge-schafft . Federführend dafür steht der Bundesverkehrs-minister Alexander Dobrindt . Deswegen ist es gut undrichtig, dass es hier im Haus eine Aufgabenteilung gibt,nämlich dass er für die letzten drei Jahre die Verantwor-tung trägt und Sie, Herr Kindler, die Verantwortung fürnichts tragen .
Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen, denenwir uns stellen müssen . Wir müssen unsere Infrastruk-tur natürlich an den Menschen ausrichten . Die Menschenhaben heute andere Bedürfnisse, als es noch vor 30, 50oder 70 Jahren der Fall war . Wir haben nicht mehr diegroße Akzeptanz für neue Projekte im Straßenbau, imSchienenbau oder auch bei den Wasserstraßen . Das hatverschiedene Ursachen . Eine der Konsequenzen ziehenwir sowohl mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan alsauch mit diesem Haushalt, nämlich insofern, als wir dievorhandenen Verkehrswege optimieren . Deswegen spre-che ich auch von einer Infrastruktur, die integriert ist .Wir müssen schauen, wie wir mit den Möglichkeitender Digitalisierung dazu kommen, Verkehrswege vielbesser auszulasten . Deswegen ist es richtig, dass derMinister nicht nur mit der A 9 eine digitale Teststreckegeschaffen hat, sondern dass diese jetzt auch auf sechsStädte ausgedehnt wird, wobei wir immer noch nicht dieFrage beantwortet haben – das müssen die Städte auchnicht, aber wir helfen ihnen gerne –, wie wir den Aus-stoß von Stickoxiden und anderen Gasen dort wirksambekämpfen wollen . Das werden wir nur schaffen mit Di-gitalisierung auf der einen Seite und einer entsprechen-den Kraftstoffstrategie, die von den fossilen Brennstoffenweggeht, auf der anderen Seite; denn immer noch wer-den 97 Prozent des Verkehrs mit fossilen Brennstoffenbetrieben . Nur so werden wir eine gute Zukunft für dieMenschen gestalten . Das sind Herausforderungen, diewir angehen . Deswegen sind die 4 Milliarden Euro, diewir allein für die Digitalisierung ausgeben, genau derrichtige Weg .
Die Menschen wollen auch – in dieser Beziehungsetzt dieser Etat einen neuen Schwerpunkt –, dass wir dieChancen, welche die Digitalisierung bietet, nutzen . Ichnenne beispielhaft das europäische ZugsicherungssystemERTMS . Das wird mit einem ersten Aufschlag im nächs-ten Jahr starten . Damit wird es möglich sein, Züge nichtmehr nur im Blockabstand fahren zu lassen, sondern vieldichter hintereinander, wodurch natürlich vermiedenwird – das hoffen wir jedenfalls –, zusätzlich neue Schie-nenwege durch die Landschaft zu führen . Der Ansatz istvorhanden . Das sind die Wege, die wir gehen müssen .Wir müssen aber sehen, dass wir auch auf anderen Ge-bieten noch einiges machen . Dazu gehört natürlich auch,dass wir unsere Planungen ein bisschen vorantreiben; derMinister hat es vorhin gesagt . Lassen Sie uns einmal an-schauen, was wir da so treiben: Wir haben ja gesehen,wie das kleine Land Schweiz vor einiger Zeit den Gott-hardtunnel für die Strecke Genua–Rotterdam eröffnethat . Nun gut, die Schweiz hat 1990 angefangen, zu pla-nen . Wir müssen aber keine Angst haben: Wir Deutschensind ja schneller . Wir haben schon Mitte der 80er-Jah-re angefangen, zu planen . Der Unterschied ist nur: DerGotthardtunnel ist fertig, während die Rheintalbahn – dashaben wir ja in der Eröffnungsrede von Minister Schäubleam Dienstag gehört – jetzt die Zielmarge 2035 hat . Dasist es, was Deutschland im Moment auszeichnet .Das gibt es auch an anderen Stellen . Ich schaue ein-mal – man darf das machen; man muss ja Ziele haben –ins letzte Jahrtausend und gehe 150 Jahre zurück: DerDortmund-Ems-Kanal wurde von 1892 bis 1899 gebaut;der Bau dauerte also sieben Jahre . Der Bau des Nord-Ost-see-Kanals dauerte von 1887 bis 1895, also auch nichtviel länger . Auch der Bau des Elbe-Lübeck-Kanals dau-erte etwa sieben Jahre . Bei so großen Investitionen betrugdie Bauzeit damals also ungefähr sieben Jahre . – Schauenwir uns aber einmal an, wo wir heute stehen: Wir bauenjetzt seit 26 Jahren den Südteil des Dortmund-Ems-Ka-nals aus .
– Das ist nicht nur eine Frage der Demokratie; dabei gehtes auch darum, wie zielgerichtet und effizient wir sind.Weil Sie aber das Thema Demokratie angesprochen ha-ben: Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen, also dieGesetzgeber, wenn sie etwas beschließen, es auch nocherleben, dass es realisiert wird .
Es sollte nicht immer so sein, dass Gesetzgeber etwasbeschließen und ganz andere Menschen weihen es dannirgendwann ein und sagen: Was haben die Idioten damalsnur gemacht? In solchen Situationen befinden wir uns inimmer stärkerem Maße .Ich habe diese Zahlen deshalb genannt, weil wir auchden Bundesverkehrswegeplan bis 2030 beraten . Bis da-hin sind es noch 14 Jahre . Wenn es in Deutschland aberkeine Projekte mehr gibt, die innerhalb von 14 Jahrenfertig werden, müssen wir uns die Frage stellen, welchenNorbert Brackmann
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Sinn und welchen Wert solche Planungen haben . Dage-gen müssen wir etwas machen .
Wir befinden uns ja in den Haushaltsberatungen. Na-türlich müssen wir, auch wenn das Geld im Moment vor-handen ist, darüber nachdenken, ob wir bei all unserenMaßnahmen das Geld richtig ausgeben . Wenn wir dastun, stellen wir fest, dass es in Bezug auf bestimmte Auf-lagen Probleme gibt . Wir alle sind ja Umweltfreunde .Ich nehme aber einmal die A 14 in Mecklenburg-Vor-pommern: Ein Drittel der gesamten Baukosten sind reineUmweltkosten . Darüber muss man einmal nachdenkendürfen .
– Ein Drittel bei den Planungskosten .Ich möchte noch ein Wort zu Stuttgart 21 sagen . Ent-lang der Bahnstrecke Stuttgart–Ulm ist man auf einePopulation von rund 10 000 Mauereidechsen gestoßen .Sonst sagt man immer: Wir wollen die Artenreinheit inder Natur . Diese Eidechsenart – es handelt sich wohl umeine Kreuzung italienischer und deutscher Eidechsen; soviel zur europäischen Integration – gibt es nur dort . DieEidechsen werden jetzt umgesiedelt .
Herr Kollege, ich befürchte, dieser komplexe Vorgang
wird in der nicht mehr vorhandenen Redezeit nicht mehr
abschließend behandelt werden können .
Immerhin kostet uns dieser Vorgang pro Eidechse
8 600 Euro, insgesamt 86 Millionen Euro . Da muss man
sich die Frage stellen, ob wir hier noch richtig aufgestellt
sind oder ob wir nicht etwas effektiver werden und etwas
kürzer planen sollten .
Mit diesem Etat modernisieren wir Deutschland . Gute
Beratung!
Andreas Rimkus von der SPD-Fraktion ist nun der
letzte Redner zu diesem Einzeletat .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich finde, das ist eine muntere Debatte bisher. –Schnelllebigkeit betrifft uns ganz persönlich im alltägli-chen privaten Leben, aber auch in unserem politischenAlltag . Sich nicht vor den Karren spannen zu lassen undsich nicht von der Schnelllebigkeit treiben zu lassen, istdie tägliche Herausforderung, der wir uns stellen wollenund auch müssen . Doch was nachhaltig sein soll, kannnicht aus Aktionismus erwachsen, sondern braucht einstabiles Fundament . Wer zukunftsgerichtete Politik be-treiben möchte, tut dies mit Herz, Hand und Verstand .Den Verstand braucht man, um einen Schritt über das Be-stehende hinaus weiterzudenken, und das Herz, um denfesten Glauben zu haben, dass es eine andere Welt gibt,eine Welt, die besser ist als die, in der wir heute leben .Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der großenZukunftsaufgaben, von denen ich spreche, ist die Ener-giewende . Für den Verkehr bedeutet das die Umstellungauf emissionsarme Technologien, die nicht länger unsereInnenstädte verschmutzen und sowohl Mensch als auchNatur Schaden zufügen . Doch ein solcher Paradigmen-wechsel braucht Zeit und war wohl eher selten eine Fragevon Tagen, Wochen oder Monaten . In dem vorliegendenHaushalt drückt sich dies wohl eher trocken mit Zahlenund Programmnamen hinterlegt aus . Dahinter steht je-doch ein bereits lange fortschreitender Prozess, der fürmehr Lebensqualität sorgen wird und hilft, unsere sowichtigen Klimaziele zu erreichen .Mit der Umweltprämie haben wir eine solch wichti-ge Maßnahme ergriffen . Insgesamt 600 Millionen Eurostellen wir für die Anschaffung von Elektrofahrzeugenbis 2019 zur Verfügung . Mit demselben Betrag beteiligtsich die Industrie . Das ist mir auch wichtig; denn einesist doch klar: Die Energiewende im Verkehr schaffenwir nur gemeinsam mit den Beteiligten . Dazu gehört na-türlich auch, dass wir einerseits in Forschung und Ent-wicklung investieren, dann aber andererseits auch vonder Industrie erwarten dürfen, dass Fahrzeuge produziertwerden, die sowohl marktfähig als auch bezahlbar undpraktikabel für die Kunden sind .Im Übrigen glaube ich, dass wir einen Fehler machen,wenn wir die Umweltprämie zum Scheitern verurteilen,bevor sie überhaupt richtig anlaufen konnte .
Einen Paradigmenwechsel zu begleiten, der nichts an-deres will als eine komplette Umstellung unserer seit100 Jahren etablierten Mobilitätstechnologie, ist nichts,was innerhalb eines Jahres vonstattengeht oder gar gehenkönnte .Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, habenwir zugesagt, ein Programm aufzulegen, das mit einemInvestitionsumfang von 300 Millionen Euro den Aufbauvon Ladeinfrastruktur fördern soll, davon 200 MillionenEuro für den Aufbau von Schnellladeinfrastruktur und100 Millionen Euro für Normalladeinfrastruktur .Auch beim Nationalen Innovationsprogramm Wasser-stoff- und Brennstoffzellentechnologie haben wir etwasgeschaffen, das zum einen Forschung und Entwicklungund zum anderen vor allen Dingen die Umsetzung vonProjekten zur Marktintegration ermöglicht .Stichwort „MKS“ . Auch mit der Implementierung der„Clean Power for Transport“-Richtlinie, deren Umset-zungsrahmen wir noch im Herbst erwarten, haben wirvon Europa Vorgaben bekommen, die die so wichtigeHarmonisierung der Tank- und Ladeinfrastruktur in Eu-ropa ermöglichen, uns aber auch mahnen, hier weiter-zukommen, sei es im Rahmen von Erd- und Flüssiggas,Strom und Wasserstoff oder bei den Biokraftstoffen .Norbert Brackmann
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Es gibt natürlich noch viel zu tun . So haben wir fürdie Elektromobilität zwar wichtige Grundlagen für densogenannten mobilisierten Individualverkehr geschaffen,doch werden die Stimmen lauter – und dies zu Recht,liebe Kolleginnen und Kollegen –, dass wir vor allem zurReinhaltung unserer Innenstädte auch verstärkt auf denöffentlichen Verkehr schauen müssen .
– Ich sehe, dass ich hier mit den Fraktionen im Haus einigbin . – Lieber Arno Klare, wir werden gucken, dass wir inden Haushaltsberatungen noch einiges unterbringen .Uns ruft auch die Europäische Union dazu auf . Vielendeutschen Großstädten drohen Vertragsverletzungsver-fahren, weil es ihnen nicht gelingt, die NO-Grenzwer-te einzuhalten . Daher müssen wir sehen, dass wir eineMarktintegration emissionsarmer Busse – trotz der hö-heren Anschaffungskosten – erreichen . Busse gehörenzu den Vielfahrern in unseren Großstädten, und der hoheSchadstoffausstoß von Dieselbussen ist vor allem in Bal-lungsräumen ein Problem . Daher ist es notwendig, zuhandeln und unsere Klimaziele nicht aus dem Blick zuverlieren .Umso mehr freue ich mich, dass wir auch einen Ein-stieg in die Förderung des elektrischen Rades geschaffthaben . Wir bekommen jetzt die Chance, einen Haushalts-titel zu schaffen, um Radschnellwege zu unterstützen undzu fördern . Das ist gut, liebe Kolleginnen und Kollegen .Lassen Sie uns dranbleiben!Vielen Dank . – Schönes Wochenende!
Ganz so weit sind wir noch nicht .
Aber jedenfalls liegen zu diesem Einzelplan keine wei-teren Wortmeldungen vor, sodass ich jetzt den nächstenGeschäftsbereich aufrufen kann .Wir kommen also zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Re-aktorsicherheit, Einzelplan 16.Dazu erteile ich der Bundesministerin BarbaraHendricks das Wort, sobald sich die Reihen vor dem Red-nerpult neu sortiert haben . – Bitte sehr, Frau Ministerin .Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! An diesem Wochenende feiern wir das 30-jähri-ge Bestehen des Bundesumweltministeriums, übrigensmit einem großen Festival, zu dem ich Sie alle herzlicheinlade . Diese 30 Jahre sind eine große Erfolgsgeschich-te für die Umweltpolitik in Deutschland . Sie sind eineErfolgsgeschichte für alle Menschen, die sich für mehrUmweltschutz, für Natur- und Klimaschutz, für den Er-halt der biologischen Vielfalt und für eine nachhaltige-re, gerechtere und friedlichere Welt einsetzen . Aber dieArbeit ist längst noch nicht getan . Der erneut gestiegeneHaushaltsansatz berücksichtigt jedenfalls, dass wir vieleAufgaben zu lösen haben .Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Beginn dieserLegislaturperiode zählen Bauen und Stadtentwicklung zuden Kernaufgaben meines Ministeriums . Es ist vor allemein Thema aus diesem Bereich, nämlich der soziale Woh-nungsbau, in den wir investieren wollen und dringendinvestieren müssen . Das ist der Hauptgrund für den umrund 20 Prozent gesteigerten Etat gegenüber 2016 .Es ist nicht zu bestreiten: Es hat in der VergangenheitEinschätzungen im Zusammenhang mit der demografi-schen Entwicklung gegeben, die wir korrigieren müssen .Die Binnenwanderung wurde unterschätzt, ebenso dieWohnbedürfnisse einer älter werdenden Gesellschaft .Was ebenfalls nicht vorhergesehen werden konnte, warenZeitpunkt und Umfang der Zuwanderung von EU-Bür-gern und von Flüchtlingen aus den Krisen- und Kriegsge-bieten . Aus diesen und weiteren Gründen sind die Woh-nungsmärkte in unseren Städten und Ballungsräumensehr angespannt . Es wird dringend neuer – und vor allembezahlbarer – Wohnraum gebraucht, mindestens 350 000neue Wohnungen jährlich . Das ist die Aufgabe .Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit über180 000 Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2016sind wir auf dem richtigen Weg, aber noch längst nichtam Ziel . Genehmigt heißt ja auch noch nicht gebaut . Mitder Wohnungsbau-Offensive setzen wir die Empfehlun-gen aus dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauenund aus der Baukostensenkungskommission zügig um .
In der Haushaltsdebatte vor einem Jahr habe ich ge-sagt, dass wir deutlich mehr Geld in den sozialen Woh-nungsbau investieren müssen .
Das tun wir jetzt – und zwar richtig!
Die ursprünglichen 518 Millionen Euro für den sozialenWohnungsbau, die der Bund als Kompensationsmittel andie Länder gibt, haben wir bereits mit Wirkung für diesesJahr, 2016, verdoppelt . Auf der Grundlage einer Verein-barung zwischen der Bundesregierung und den Ländernwerden wir sie 2017 und 2018 verdreifacht haben, aufdann 1,5 Milliarden Euro im Jahr .
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von der Links-fraktion, dies auch dem Fraktionsvorsitzenden DietmarBartsch zu übermitteln; denn es ist ihm wahrscheinlichnoch nicht bekannt . Er hatte nämlich vorgestern an dieserStelle wortreich mehr Geld für den sozialen Wohnungs-Andreas Rimkus
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bau gefordert . Damit er auf dem neuesten Stand ist, bitteich Sie, ihm das auszurichten .
Neben diesen Mitteln stellen wir weitere 300 Millio-nen Euro zusätzliche Programmmittel pro Jahr für dieStädtebauförderung zur Verfügung . Davon sind allein200 Millionen Euro für einen neuen Investitionspakt„Soziale Integration im Quartier“ vorgesehen .Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das zeigt: Wirlassen die Menschen nicht allein, sondern sorgen fürmehr bezahlbares Wohnen . Es war und ist ein Erfolg,dass wir den Wohnungsneubau und die Förderung dessozialen Wohnungsbaus endlich aus dem Dornröschen-schlaf geholt haben .
Wie Sie wissen, gibt uns das Grundgesetz die Mög-lichkeit zu Kompensationszahlungen nur noch bis zumJahr 2019 . Dann ist Schluss . Das könnte in vielen Bun-desländern faktisch das Ende des sozialen Wohnungs-baus bedeuten . Ich will deshalb auch von dieser Stelleaus um Unterstützung dafür werben, im Rahmen derNeuverhandlungen der Bund-Länder-Finanzbeziehun-gen dem Bund wieder eine im Grundgesetz verankerteKompetenz für die Förderung des sozialen Wohnraumszu geben . Ich bin überzeugt davon, dass es gut wäre,wenn Bund und Länder dauerhaft gemeinsam dafür sor-gen könnten, dass der soziale Wohnungsbau nicht weiteran Boden verliert .
Aus dem einen oder anderen Land wird eingewandt,der Bund wisse doch gar nicht, wo denn Sozialwohnun-gen entstehen müssten . Nein, das muss der Bund auchgar nicht wissen . Es wäre schon ganz vernünftig, wennwir wieder eine gemeinsame Kompetenz hätten und, sowie in anderen Politikfeldern auch, jährlich eine Verwal-tungsvereinbarung mit den Ländern schließen würden, inder festgelegt wird, wie und auf welche Art und Weisedas Geld ausgegeben wird . Wo es dann ausgegeben wird,das obliegt natürlich der Steuerung in den Ländern . Dafürbraucht man dann auch die entsprechenden Investoren .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den genanntenMaßnahmen stärken wir den gesellschaftlichen Zusam-menhalt vor Ort, in den Quartieren . Aber wir sorgen da-mit auch für Wachstum, wir sichern Arbeitsplätze undschaffen neue . Ich will an dieser Stelle daran erinnern,dass sich die Bauwirtschaft bereits in der Finanz- undWirtschaftskrise als ein Stabilitätsanker unserer Volks-wirtschaft erwiesen hat . Sie ist auch jetzt ein wichtigerund verlässlicher Partner, wenn es darum geht, für be-zahlbaren Wohnraum in Deutschland zu sorgen .Auch die klassischen Aufgabenbereiche des Bun-desumweltministeriums werden gestärkt, zum Beispieldie Internationale Klimaschutzinitiative . Wir wollen un-serem Weg treu bleiben und Vorbild im Klima- und Um-weltschutz sein .
Umwelttechnologien made in Germany helfen uns dabei,unsere ambitionierten Ziele zu erreichen . Sie sind auchmit das Beste, was wir in alle Welt exportieren können,weil wir damit Wertschöpfung und Arbeit bei uns sichern,gleichzeitig weltweit den Menschen vor Ort helfen undso zur Lösung globaler Aufgaben beitragen .Vor allem aber müssen wir unsere eigenen Hausaufga-ben machen . Entwickelte Industrieländer wie Deutsch-land müssen vorangehen, um die in Paris vereinbartenKlimaziele zu erreichen . Das machen wir übrigens mitdem Klimaschutzplan 2050, der jetzt ressortabgestimmtwird .
Es ist selbstverständlich, dass wir auf dem Weg zu einertreibhausgasneutralen Wirtschaft Systembrüche vermei-den wollen und den notwendigen Systemwandel mit Au-genmaß gestalten . Das geht nur mit einem konsensualenProzess, an dem alle beteiligt sind:
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Wirtschaft, Län-der und Gemeinden sowie vielfältige Verbände . DerKlimaschutzplan ist deshalb als eine Modernisierungs-strategie angelegt, die technologieoffen den Weg aus derfossilen Wirtschaftsweise aufzeigt .Ich will ganz ehrlich sagen: Das Thema ist zu wich-tig für eine polemisch geführte Debatte; das sage ichübrigens in alle Richtungen . Wir haben eine verdammtgroße Verantwortung, und der will ich für meinen nichtganz unerheblichen Teil gerecht werden . Ja, es ist nichteinfach . Aber ich will etwas erreichen, und deshalb habeich es auch nicht zugelassen, dass wir in eine ernsthafteDebatte mit den anderen Ressorts gar nicht erst eintreten .Eine Anmerkung noch zu den Kolleginnen und Kolle-gen von den Grünen:
Es ist ein Irrtum, dass angeblich der Wirtschaftsministeroder die Bundeskanzlerin oder sonst wer ein konkretesEnddatum für den Kohleausstieg aus dem Entwurf gestri-chen hätte . Es hat im Entwurf nie ein solches Enddatumgegeben,
Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks
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weil ich es immer für richtig gehalten habe, dafür einenbreit angelegten Dialogprozess mit allen Beteiligten zuorganisieren .
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,haben doch immer für sich in Anspruch genommen, diePartei der Bürgerbeteiligung zu sein . Dieser Aufgabemuss man sich aber auch stellen .Ich war kürzlich bei der Deutschen Post DHL, als sieihren 1 000 . Street Scooter vorgestellt hat . Es ist schonungewöhnlich, dass sich ein Unternehmen die Autos, diees braucht, selbst bauen muss, weil es bis jetzt keinenpassenden Anbieter gibt . Insofern ist es richtig und gut,was die Deutsche Post in Sachen Elektromobilität be-wegt, und es ist wegweisend; denn die Elektromobilitätist entscheidend für eine erfolgreiche Energiewende imVerkehr, nicht zuletzt im Wirtschaftsverkehr,
und sie ist eine Schlüsselfrage für den AutomobilstandortDeutschland .Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie der Verkehrs-sektor ist auch die Landwirtschaft bisher noch nicht aufKlimaschutzkurs . Die Emissionen stagnieren auf hohem,wie ich meine: zu hohem, Niveau . Der Klimaschutz-plan 2050 ist auf eine breite Unterstützung – auch ausdiesen beiden Sektoren – angewiesen .Wir dürfen die Chancen, die in der Energiewende undim Klimaschutz für Forschung und Entwicklung, fürWertschöpfung, Arbeitsplätze und Export liegen, nichtleichtfertig verspielen . Gerade in den Sektoren Mobilitätund Landwirtschaft sollten diese Chancen genutzt wer-den,
auch um verlorengegangenes Vertrauen neu zu gewin-nen .Mein Ziel ist es, dass der Klimaschutzplan bis zur Kli-makonferenz in Marrakesch beschlossen sein wird . Daswäre erneut ein wichtiges Signal; denn es wird weltweitbeachtet, wie Deutschland als eines der großen Industrie-länder die Herausforderungen meistert .Unser Klimaschutzplan kann zu einem Referenzwerkwerden, an dem sich viele andere Länder orientieren .Auch diese Chance sollten wir nutzen .Herzlichen Dank .
Für die Fraktion Die Linke erhält nun Caren Lay das
Wort .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist völ-lig unstrittig: In den Großstädten erleben wir eine Mie-tenexplosion, wie sie die Republik noch nicht erlebt hat .Die Verdrängung aus den Innenstädten betrifft längstnicht nur arme Menschen . Die Mietenexplosion ist längstein Angriff auf die Mittelschicht in diesem Land gewor-den . Das müssen wir endlich stoppen .
Darüber wird viel geredet. Ich finde, dass neben einemguten Mieterschutz eine gute Baupolitik ein ganz wich-tiges Instrument dafür wäre . Die Frage ist, ob nicht nurviel darüber geredet, sondern auch alles Wichtige undNotwendige dafür getan wird . Hier habe ich wirklichmeine Zweifel .Frau Hendricks, Sie präsentieren sich hier gerne alsMacherin im Bereich des sozialen Wohnungsbaus . Dasfreut mich als Linke sehr . Ich kann mich noch sehr guterinnern: Als wir Linke vor vier, fünf Jahren an dieserStelle einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefor-dert haben, sind wir noch verlacht worden . Die CDU/CSU hat dauernd „DDR“ und „Plattenbau“ dazwischen-gerufen . Heute zweifelt niemand mehr daran, dass wireinen Neustart im sozialen Wohnungsbau brauchen . Dasfreut uns als Linke; denn es zeigt: Die Linke wirkt, meineDamen und Herren .
– Ich habe den Zwischenruf von der SPD gehört . Wirkönnen uns gerne die Plenardebatten daraufhin anschau-en, wie sich Ihre Fraktion dazu verhalten hat .Übrigens, Frau Hendricks: Wir sind in der Lage, ei-nen Haushaltsplan zu lesen . Ich erkenne an – das habenwir auch im letzten Jahr getan –, wenn mehr Geld fürden sozialen Wohnungsbau eingestellt wird; das ist unsdoch bekannt . Aber wir müssen uns erstens die Fra-ge stellen, ob dieses Geld ausreicht; darauf werde ichgleich noch eingehen . Zweitens sollten Sie fairerweisezugeben, dass dieses Geld – 1,5 Milliarden Euro – kei-neswegs zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbauist . Es gibt Bundesländer wie Sachsen, in denen damitnoch keine einzige Sozialwohnung gebaut worden ist .Auch das gehört zur Wahrheit . Es bleibt dann bei einerfreiwilligen Berichtspflicht der Länder. Ich kann Ihnensagen, wie das aussieht: Meine parlamentarischen An-fragen zur Entwicklung der Zahl der Sozialwohnungenwerden gar nicht mehr beantwortet . Die Regierung sagt,die Länder müssten nicht mehr berichten . Ich weiß nicht,ob die Länder nicht mehr berichten wollen oder ob dieBundesregierung Angst vor einer Negativbotschaft hat .Aber eines muss doch klar sein: Geld, das für den sozi-alen Wohnungsbau eingestellt wird, muss am Ende auchfür den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden . Dasgilt ohne Wenn und Aber .
Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks
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Ich möchte einmal etwas dazu sagen, ob das Geldjetzt ausreicht . Da können wir uns doch mal eine einfa-che Rechnung ansehen: Es fehlen in Deutschland schät-zungsweise 4,5 Millionen Sozialwohnungen . Sie wissenganz genau, dass jährlich circa 60 000 bis 100 000 Sozi-alwohnungen wegfallen; sie fallen aus der Preisbindung .2013 wurden aber gerade mal 9 000 Wohnungen neu ge-baut . 2014 waren es dann immerhin schon 12 000 neu ge-baute Sozialwohnungen . Aber unterm Strich bleibt dochein Negativsaldo . Das heißt doch nach Adam Riese, dass50 000 bis 85 000 Sozialwohnungen Jahr für Jahr weg-fallen . Wenn wir hier nicht deutlich mehr Anstrengungenunternehmen, dann haben wir in 25 Jahren überhaupt kei-ne Sozialwohnungen mehr . Das darf einfach nicht sein,meine Damen und Herren .
Ich würdige Ihre Anstrengungen, Frau Hendricks . Ichkann mir auch vorstellen, dass es nicht einfach ist, mitdiesem Koalitionspartner zu verhandeln, der bekannter-maßen nicht die Interessen der Mieter, sondern die Inte-ressen der Kapitalanleger vertritt .
– Sie von der CDU/CSU haben ja bisher jede Verbesse-rung für die Mieterinnen und Mieter bekämpft, soweit esnur ging .
Sie müssen sich hier wirklich nicht präsentieren . – Wirals Linke sagen: Wir brauchen mindestens 5 MilliardenEuro jährlich für einen sozialen und gemeinnützigenWohnungsbau . Ansonsten bekommen wir dieses Pro-blem nicht in den Griff .
Die CDU/CSU sagt ja auch immer, es müsse mehr ge-baut werden . Wissen Sie, ich würde mich freuen, wennSie endlich mal dazu kommen würden, zu sagen: Esmuss mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden .
Da gab es ja kürzlich mal eine schöne Statistik, dienachgewiesen hat, dass nur 5 Prozent aller neu gebau-ten Wohnungen bezahlbar sind . Da sprechen wir nichtvon Sozialwohnungen; da sprechen wir über den Durch-schnittsverdiener . Das heißt übersetzt: Nur 5 Prozent derneu gebauten Wohnungen sind für den Durchschnitts-verdiener erschwinglich; in Berlin sind es gerade mal2,5 Prozent . Das ist einfach nur skandalös . Es ist auchein Armutszeugnis für die Baupolitik dieser Bundesre-gierung .
Deswegen verstehen wir als Linke auch gar nicht –ich wundere mich, dass Sie dazu nichts gesagt haben –,dass Sie beim Wohngeld laut Haushaltsplanentwurf fast100 Millionen Euro einsparen wollen . Habe ich da nichtim Ohr, dass Sie sich noch vor einem Jahr für Ihre Wohn-geldreform gefeiert haben? 320 000 Menschen mehr hät-ten jetzt Anspruch auf Wohngeld . Ja wie geht das denndamit zusammen, dass Sie an dieser Stelle einsparenwollen? Da heißt es dann, die gute Konjunktur würde da-für sorgen . Da lachen doch wirklich die Hühner . ZeigenSie mir eine einzige deutsche Stadt, in der die Löhne imgleichen Ausmaß steigen wie die Mieten! Das ist docheinfach nur verlogen .
Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass der Heiz-kostenzuschuss von Schwarz-Gelb abgeschafft wurde .Sie, Frau Hendricks, haben lange genauso wie wir Lin-ke gefordert, dass der Heizkostenzuschuss wieder ein-gestellt wird . Das wäre das Gebot der Stunde . Insofernsagen wir: nicht 100 Millionen Euro weniger, sondern500 Millionen Euro mehr für das Wohngeld . Das wäreeine soziale Mietenpolitik .
Auch die energetische Sanierung dürfen wir nichtvergessen . In ihrer jetzigen Form ist sie leider ein Ent-mietungsinstrument; sie wird missbraucht . Die Mieterin-nen und Mieter werden dadurch aus ihren Häusern ge-schmissen . Wenn Sie es schon nicht schaffen bzw . wennHerr Maas es nicht schafft, hierzu endlich mal einenGesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, anstattdauernd nur tolle Presseerklärungen zu veröffentlichen,dann wäre es doch das Mindeste, an dieser Stelle mehrGeld einzustellen, um die Mieterinnen und Mieter beider energetischen Gebäudesanierung mitzunehmen . Seitvielen Jahren werden hier 5 Milliarden Euro gefordert .Dafür werden wir als Linke uns in den Haushaltsberatun-gen starkmachen .
Meine Damen und Herren, ich möchte zu guter Letztnoch wenige Worte zum Klimaschutzplan sagen . DieserPlan wurde so lange verwässert, bis er völlig untauglichgeworden ist . Er ist unverbindlich; er verzichtet auf ei-nen klaren Fahrplan, er verzichtet auf irgendeine klareVorgabe für die einzelnen Sektoren . Mit diesem verwäs-serten Klimaschutzplan werden wir die von Ihnen selbstgesteckten Klimaschutzziele nicht erreichen . Dass Sie,Frau Hendricks, sich auch noch hierhinstellen und diesenKlimaschutzplan verteidigen, dafür habe ich kein Ver-ständnis . Von einer Umweltministerin hätte ich wirklichmehr erwartet .Vielen Dank .
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött für dieCDU/CSU-Fraktion .
Caren Lay
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In derWohnungs- und Stadtentwicklungspolitik steht Deutsch-land weiterhin vor zwei großen Herausforderungen .Die erste Herausforderung: 350 000 neue Wohnungensind weiterhin pro Jahr zu bauen . Wir haben einen gro-ßen Nachholbedarf beim Wohnraum für alle, nicht nurfür Flüchtlinge, nicht nur beim sozialen Wohnungsbau,sondern mehrheitlich für Bürger, die schon immer inDeutschland leben .
Normalverdiener, zum Beispiel der Facharbeiter, dieLehrerin oder der kaufmännische Angestellte, haben inbestimmten Regionen Schwierigkeiten, für sich und ihreFamilie Wohnraum zu finden. Fast unmöglich wird es,wenn Mehrkindfamilien neuen Wohnraum suchen . DasZiel, der Bau von 350 000 Wohnungen, wurde in keinemder zurückliegenden Jahre erreicht .Die zweite Herausforderung: Die Integration von über1 Million Flüchtlingen stellt die Kommunen auch vorgroße investive Aufgaben in der Infrastruktur und in derStadtentwicklung . Viele anerkannte Flüchtlinge werdenaller Voraussicht nach noch über Jahre in Deutschlandbleiben; ihr Leben wäre in ihrer Heimat durch Bür-gerkrieg und Terror bedroht . Daher ist es richtig, dasNotwendige mit den Chancen für eine solide Stadtent-wicklung zu verknüpfen . Bund, Länder und Kommunenstehen vor der Aufgabe, diese beiden Herausforderungenzu bewältigen .Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf gibt die Bun-desregierung darauf eine finanzielle Antwort. Sowohl dieMittel für den Wohnungsbau als auch die Mittel für dieStädtebauförderung sollen deutlich erhöht werden . Da-von können viele Menschen in Deutschland profitieren,wenn das Geld zügig, vollständig und an der richtigenStelle verwendet wird . Darüber gilt es in den Haushalts-beratungen noch einmal genau nachzudenken .
Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie und wir ha-ben vernommen, dass 500 Millionen Euro nun den Län-dern als zusätzliche Mittel für die soziale Wohnraum-förderung zur Verfügung gestellt werden sollen . Dafürsoll die steuerliche Förderung des Mietwohnungsbausfür Normalverdiener nicht weiterverfolgt werden . Da-mit wurde einer der effektivsten Bausteine, aus denendas Wohnungsbaubündnis der Bundesbauministerin be-steht, entfernt . Frau Hendricks, wie wollen Sie nun dasKernstück Ihrer Arbeit als Bundesbauministerin retten?Sie wissen, dass das Bündnis ohnehin lückenhaft ist . DieEigenheimförderung und die Sicherung ausreichendenBaulands sind die wesentlichen Fehlstellen des Bündnis-ses,
und nun bleibt die Stärkung des sozialen Wohnungsbausals einzige nennenswerte investive Idee übrig . Das reichtnicht .
Auch wir wollen einen wirkungsvollen sozialen Woh-nungsbau, um das Wohnungsangebot zu stärken . Aber erallein löst nicht alle Probleme, schon gar nicht die Pro-bleme von Menschen in Lohn und Brot, also der Normal-verdiener, die dringend eine Wohnung suchen und keinenAnspruch auf Sozialwohnungen haben . Es gibt nämlichauch Menschen, die keinen Anspruch auf Sozialwohnun-gen haben . Frau Hendricks, Sie als Bauministerin müs-sen nun dringend aufzeigen, wie Sie verhindern wollen,dass Ihr Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zueiner Ruine wird, und wie es ein Erfolg werden kann .
Daher fordere ich Sie auf, noch einmal über das ThemaBaulandgewinnung und die Förderung des selbstgenutz-ten Wohneigentums nachzudenken .Die Wohnungsbauprämie wurde seit Jahren nicht andie Einkommens- und Preisentwicklung angepasst . Nunist auch noch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie inKraft getreten . Damit haben sich die Finanzierungsmög-lichkeiten für viele junge Hausbauer und ältere Hausbe-sitzer verschlechtert . Hier hat der Bundesjustizminister,mit Akzeptanz der Bundesbauministerin, in die falscheRichtung gearbeitet . So wird Bauen verhindert, und sowerden die Ziele des Bündnisses für Wohnen torpediert .
Wir erwarten eine zügige entsprechende Anpassung derWohnimmobilienkreditrichtlinie . Herr Kelber, vielleichtnehmen Sie das mit in Ihr Haus .
Wir wollen, dass junge Menschen einen Anreiz haben,frühzeitig ausreichend Eigenkapital für den Bau des ei-genen Heims oder den Erwerb der Eigentumswohnunganzusparen . Genau deshalb brauchen wir eine deutlichattraktivere Wohnungsbauprämie . Viele Menschen habenden Traum vom eigenen Haus . Wir möchten ihnen dieChance geben, den Traum zu realisieren .Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein wichtiger Bau-stein für eine gedeihliche Zukunft, für ein selbstbestimm-tes Leben, und wenn es über Generationen weitergege-ben wird, dann ist es oft auch das Zentrum für familiärenZusammenhalt . Damit hat das eigene Heim eine wichtigegesellschaftspolitische Funktion . Die soziale Funktionsteht eigentlich an erster Stelle .Haben Sie schon einmal genau hingesehen, mit wieviel Liebe und Ideenreichtum neue Einfamilienhaussied-lungen gebaut werden oder wie attraktiv anspruchsvollerGeschosswohnungsbau mit Eigentumswohnungen ist?Selbstgenutztes Wohneigentum ist ein großer Beitrag zursozialen Stärkung ganzer Stadtteile .
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Eingebettet in eine moderne Bauleitplanung können da-mit gute Anstöße für die Stabilisierung und Modernisie-rung des Zusammenlebens in der Stadt gegeben werden .Aber dazu benötigen wir eben auch ausreichend Bauland .2010 wurde der Wohnungsbaubedarf noch auf circa185 000 Wohnungen pro Jahr für die Zeit von 2015 bis2020 prognostiziert . Es war damals richtig, den Versuchzu unternehmen, den Bedarf vor allem durch eine Stär-kung der Innenentwicklung zu decken . Heute stellen wirnatürlich fest: Ohne eine zusätzliche Inanspruchnahmeneuer Siedlungsflächen wird der prognostizierte Bedarfvon 350 000 neuen Wohnungen im Jahr nicht zu errei-chen sein . Verdichtung ist gut, ganz bestimmt, aber zuviel Verdichtung führt zu Widerständen . Betroffene Men-schen wehren sich, wenn die bauliche Verdichtung dasMaß des Erträglichen überschreitet .
Daher erwarten wir Vorschläge der Bundesregierung,wie noch schneller Bauland auch am Ortsrand zur Verfü-gung gestellt werden kann .
Ein paar Worte zur Zukunft des sozialen Wohnungs-baus ab 2020 . Die Länder wollten hier die Verantwortunghaben, und sie haben sie erhalten . Dafür stellt ihnen derBund einige Milliarden Euro zur Verfügung . Wir sehen,dass die Länder mit dieser Verantwortung sehr unter-schiedlich umgegangen sind . Ich verstehe den Diskussi-onsbeitrag der Bundesbauministerin zur Rückholung dessozialen Wohnungsbaus in die gemeinsame Verantwor-tung von Bund und Ländern jedoch noch nicht .
Frau Ministerin, ich befürchte, dass Sie dieses Problemriskant angehen . Wo bleibt zunächst die tägliche Mah-nung an die Länder?
Denn sie haben zugesagt, dass sie das Geld des Bundeszügig und vollständig einsetzen . Für mich drehen sichhier immer noch zu wenige Kräne .
Wir werden uns gern an der Debatte über die Zukunftdes sozialen Wohnungsbaus beteiligen . Legen Sie unsaber doch einmal Zahlen und Fakten zu Situation undPerspektive vor, und fordern Sie die Länder auf, das mitehrlichen und vollständigen Angaben zu unterstützen . Esgeht um einen verantwortungsvollen Umgang mit Steu-ergeldern .Frau Ministerin, wir brauchen auch Vorschläge, wieSie die Strickfehler der sozialen Wohnraumförderung be-seitigen wollen . Ich kann derzeit nicht die Einschätzungteilen, dass die Länder mit der Aufgabe ab 2020 überfor-dert wären .
Es könnte auch sein, dass es vor allem an der politischenPrioritätensetzung in einigen Ländern fehlt .
Rot-Rot in Berlin hat damals keine neuen Sozialwohnun-gen gebaut, Frau Lay . Erst mit der CDU ist der Wieder-einstieg in die soziale Wohnungsbauförderung in Berlingelungen . Also, Frau Bundesministerin: Wir sollten ge-meinsam und engagiert nach richtigen Antworten su-chen . Das derzeitige Problem lösen wir nur mit Bauen,Bauen, Bauen .
Meine Damen und Herren, wir begrüßen, dass im Ent-wurf für den Haushalt 2017 der Klimaschutz erneut eineherausragende Rolle spielt . Sowohl national, aber geradeauch international haben wir einen Mittelaufwuchs zuverzeichnen . Das ist ein wichtiges Signal für die Umset-zung der Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris unddamit auch ein wichtiges Signal für die kommende Kli-makonferenz im Herbst in Marrakesch .Gerade auch mit Blick auf unsere Klimapolitik istes mir wichtig, daran zu erinnern, dass Deutschland einnationales Minderungsziel für 2020 zu erfüllen hat . Esist mir auch wichtig, daran zu erinnern, dass wir im De-zember 2013 das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020beschlossen haben . Hier müssen wir liefern .
Ich erwähne das, weil gerade dieses konkrete und zeitlichnahe Ziel in den aktuellen Diskussionen über den Kli-maschutzplan 2050 etwas in den Hintergrund geraten ist .Meine Damen und Herren, man kann über Klimapo-litik 2050 diskutieren, und es ist sicher auch interessant,ein integriertes Umweltprogramm zu entwickeln, aber esist jetzt wichtiger, alle Kraft auf das Erreichen des Kli-maziels 2020 zu konzentrieren . Wer international Klima-schutzvorreiter sein will, muss das mit dem Erreichen derZiele 2020 zeigen, statt sich in einer Diskussion unter derÜberschrift „Schneller, höher, weiter“ für 2050 zu ver-zetteln oder über den Plan zu diskutieren, alle Produktekünftig in „ökologisch gut“ und „ökologisch böse“ zuunterteilen und sie mit einem entsprechenden Stempel zuversehen .
Jetzt geht es um Kärrnerarbeit, um das Klimaziel 2020zu erreichen . Dabei unterstützen wir Sie, Frau Ministe-Marie-Luise Dött
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rin, gerne, auch im Rahmen der anstehenden Haushalts-beratungen .
Vielen Dank .
Das Wort hat der Kollege Christian Kühn für die Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen .Christian Kühn (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Besucherinnenund Besucher auf der Tribüne! Werte Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Frau Dött, ich muss wirklichsagen: Dadurch, dass Sie 14 Minuten lang eine so netteOppositionsrede gehalten haben, haben Sie uns fast denJob weggenommen;
aber ob das für eine Koalitionsfraktion angemessen ist,weiß ich wirklich nicht .
Frau Hendricks, Sie legen hier heute einen Haus-haltsentwurf vor, mit dem Sie die Probleme auf denangespannten Wohnungsmärkten nicht lösen werden .Sie legen einen Haushaltsentwurf vor, mit dem Sie IhrVersprechen, das Sie uns allen hier am Anfang dieserLegislaturperiode gegeben haben, nämlich dass Sie Bau-politik und Umweltpolitik miteinander verbinden, nichteinlösen . Sie scheitern mit diesem Haushalt an diesemselbstgesteckten Ziel .
Sie stocken den Etat auf, bleiben aber hinter den Erwar-tungen in den Bereichen Wohnungs-, Umwelt-, Klima-und Baupolitik zurück . Dieser Haushalt ist ebenso wiedie anderen Haushalte ein Haushalt der verpassten Chan-cen . Sie nehmen sehr viel Geld in die Hand, wissen zumTeil aber gar nicht, wo Sie es ausgeben sollen .Wenn man in den Haushaltsentwurf schaut, stelltman fest, dass es ein Programm mit einem Volumen von500 Millionen Euro gibt – es ist als Platzhalter tituliert –,bei dem es um die Beseitigung sozialer Brennpunktegeht . Man hört jetzt, dass dieses Programm ganz in diesoziale Wohnraumförderung übernommen werden soll,aber im Haushaltsplan ist das noch nicht vorgesehen . Ichfinde, das zeigt, wie diese Regierung arbeitet: Das ist einbisschen geschludert und wenig durchdacht; man hat vielGeld in die Hand genommen, es aber nicht konzeptionellunterlegt .
Sie loben sich jetzt für die Mittel, die Sie für die so-ziale Wohnraumförderung ausgeben . Dabei haben dochdie Länder in dem Treffen, in dem es um die Flüchtlings-frage ging, der Kanzlerin und dem Finanzminister dieseGelder abgerungen . Die Länder haben doch einen Hil-feschrei von sich gegeben und gesagt: Wir können dieseAufgabe angesichts der jetzigen Situation nicht bewäl-tigen. – Ich finde, Sie schmücken sich hier mit fremdenFedern . Außerdem reichen die Gelder, die Sie hierfür inden Haushalt einstellen – das sagen auch die Vertreter derkommunalen Spitzenverbände –, nicht aus . Die Negativ-spirale – minus 60 000 Sozialwohnungen pro Jahr – be-kommen Sie mit dieser Politik nicht gestoppt .
Im Sommer waren Sie viel unterwegs . Sie haben einegute Pressearbeit gemacht – das kann man als Oppositi-on mal loben –, aber man muss sich am Ende auch amKabinettstisch durchsetzen . Wir erwarten, dass Sie dieAnsagen zur Baupolitik, die Sie diesen Sommer gemachthaben – zur Privilegierung von Ställen im Außenbereichund zu anderen Fragen –, einhalten, dass Sie sich alsonicht nur medial in Szene setzen, sondern sich auch amKabinettstisch durchsetzen .
Sie haben diesen Sommer eine Verfassungsänderungim Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau gefordert;auch hier und heute haben Sie das getan . Ich sage eseinmal so: Das kann man fordern . Dass es wirklich et-was ändert, glaube ich aber nicht . Der Bund kann bei dersozialen Wohnraumförderung bereits heute viel mehrtun, als Sie sagen . Ich glaube, auf eine Verschiebung aufden Sankt-Nimmerleins-Tag einer Verfassungsreform,verbunden mit schwierigen Verhandlungen zwischenBund und Ländern, können die Menschen angesichts derangespannten Situation auf den Wohnungsmärkten inDeutschland nicht warten .
Deswegen: Hätten Sie die Negativspirale wirklichstoppen wollen, dann, glaube ich, hätten Sie diesen Som-mer sagen müssen: Wir wollen, dass es in Deutschlanddie Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeitgibt . – Ich glaube, das wäre ein wirklich guter Debatten-beitrag gewesen .
Es braucht wieder öffentliches Geld für öffentlicheGüter . Es braucht eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit .Wir haben das abgebildet, auch in unseren Vorschlägenzu diesem Haushalt . Wir werden diese Forderung wei-terhin erheben . Dafür braucht es keine Verfassungsände-rung . Hier können Sie schnell handeln . Hier können Sieauch ein Sofortprogramm auflegen. Wir Grünen haben inunseren Anträgen gezeigt, wie das gehen kann . Wir sa-gen: Mit der Schaffung von 1 Million bezahlbarer Woh-nungen in den nächsten zehn Jahren ist die Spirale zustoppen . – Hier sind wir ein ganzes Stück weiter als dieseBundesregierung .
Marie-Luise Dött
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Baupolitisch ist dies ein Haushalt der verpasstenChancen. Ich finde kein Programm zur energetischenQuartierssanierung . Michael Groß und ich haben diesesThema sehr oft debattiert, im Ausschuss und anderswo .Wo in diesem Haushalt ist denn der Impuls für den Kli-maschutz im Quartier? Ich kann ihn nicht finden. DieSanierungsrate liegt immer noch bei unter 1 Prozent .Die erneuerbaren Energien im Gebäudebereich dümpelnbei einem Anteil von unter 10 Prozent vor sich hin . Dasreicht nicht aus . Deswegen ist dieser Haushalt ein Haus-halt der verpassten Chancen, auch beim Klimaschutz imGebäudebereich .
Ja, auch mir fehlt eine ehrliche Analyse beim Wohn-geld. Ich finde, dieser Haushalt ist ein Offenbarungseid.Ich sage nur: minus 13 Prozent . Das zeigt doch, dassIhre Wohngeldnovelle ein Rohrkrepierer war, dass dieDynamisierung fehlt und dass Sie nun die Kommunenbelasten, weil viele Menschen aus dem Wohngeldbe-zug herausfallen und wieder in den Bezug der Kostender Unterkunft rutschen . Das belastet die Kommunen inDeutschland, hilft denjenigen, die aus dem Wohngeldbe-zug herausfallen, aber nicht . Deswegen, glaube ich, istdieses Reformprojekt in dieser Legislaturperiode ein Of-fenbarungseid . Dieser Haushalt zeigt, dass es gescheitertist . Das weiß jetzt jeder .
Wir werden Ende dieses Monats HBCD, einen Brand-hemmer, der im Wärmedämmverbundsystem verbautist, als Sondermüll einstufen . Damit werden Tonnen vonSondermüll an deutschen Wänden kleben . Diese Bundes-regierung reagiert darauf in diesem Haushalt überhauptnicht, anstatt ein entsprechendes Programm aufzulegenund deutlich zu machen, wie man ökologische, nach-wachsende Baustoffe fördern und im Rahmen der Bau-politik Umwelt- und Klimaschutz wirklich miteinanderverbinden will . Die Antwort auf diese Fragen bleiben Sieschuldig. Ich finde, ein solches Programm fehlt. Deswe-gen versagen Sie bei dieser Kernfrage auch in der Um-welt- und Baupolitik .
Frau Dött, wer Bauland mobilisieren will, der mussdie Kategorie „urbanes Gebiet“ auf den Weg bringen .Wir werden die Regierung, aber auch Sie von der Uniondaran messen, ob Sie in dieser Frage wirklich zu Pottekommen oder nicht . Ich hoffe, dass Sie hier nicht blo-ckieren . Denn das ist die eigentliche Baulandfrage: Wiekann man im Innenbereich die Nachverdichtung organi-sieren, ohne dabei die letzten Freiflächen zu opfern? Des-wegen braucht es das „urbane Gebiet“ . Ich hoffe, dassdie Union hier nicht, wie bei anderen bau-, klima- undwohnungspolitischen Fragen, auf der Bremse steht .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist der letzteHaushalt in dieser Legislaturperiode . Er sagt viel überden Zustand dieser Koalition aus . Sie sind längst beimkleinsten gemeinsamen Nenner angekommen – dafürist die Rede von Frau Dött, wie ich finde, ein gutes Bei-spiel –, Sie blockieren sich, Sie befinden sich im Dauer-streit, und Sie bekommen in der Wohnungs- und Baupo-litik wenig gebacken . Deswegen ist dieser Haushalt einHaushalt der verpassten Chancen .
Der Kollege Steffen-Claudio Lemme hat für die
SPD-Fraktion das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Nach drei Oppositionsreden wird es Zeit, dass jemanddas Wort ergreift, der eine Rede für die Regierung hält .
Kein anderer Einzelplan ist den Herausforderungenunserer Zeit so gut gewachsen wie der vorgelegte Haus-halt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau undReaktorsicherheit .Lassen Sie mich das Ihnen kurz anhand eines zwei-teiligen Beispiels erläutern . Zum einen gehören dieUmweltveränderungen und -katastrophen wie Dürren,Hunger und Artensterben und die dadurch verschärftenVerteilungskonflikte zu den Hauptfluchtursachen. In denLändern, die Fluchtziele sind, führt dies zu der Notwen-digkeit, eine neue soziale Grundausstattung bereitzu-stellen . Natürlich ist eine Wohnung dabei die wichtigsteGrundvoraussetzung, um gesellschaftlich teilhaben, abereben auch ankommen zu können .Diese einfach zu verstehenden Zusammenhänge ma-chen deutlich, warum wir in dem von mir als Hauptbe-richterstatter betreuten Einzelplan zu Recht den größtenAufwuchs aller Einzelpläne verzeichnen können . Dievorgesehenen Ausgaben steigen um rund 900 MillionenEuro auf nunmehr circa 5,4 Milliarden Euro . Das sind imVergleich zum Vorjahr 20 Prozent mehr .
Kommen wir zum Umweltbereich . Im wichtigen Um-weltbereich ist die internationale Klimaschutzpolitik ei-nes der Schwerpunktthemen der Koalition . Im Jahr 2017stehen dafür rund 387 Millionen Euro zur Verfügung .Ab 2018 werden diese Mittel um jährlich 75 MillionenEuro aufgestockt . Diese Steigerung ist sinnvoll, da damitKlimaschutzprojekte in Schwellen- und Entwicklungs-ländern unterstützt werden . Wir leisten somit nicht nureinen Beitrag zur Erfüllung der Klimaschutzziele von Pa-ris . Wir tragen auch zur Verbesserung der Lebensverhält-nisse in den Schwellenländern bei . Gerade mit Blick aufdie genannten Zusammenhänge zwischen Umweltschutzund Konflikten, die Migration auslösen, sollten wir dieAnstrengungen in diesem Bereich weiter ausbauen .Christian Kühn
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618648
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Die Forschung spielt dabei eine zentrale Rolle . Mit In-novationen im Umweltbereich leistet Deutschland einenBeitrag dazu, den Menschen neue Perspektiven in ihrenHeimatländern zu bieten . Es ist daher richtig, dass wirauch die Forschungsmittel gegenüber 2016 von 43 Mil-lionen auf 57,5 Millionen Euro steigern können . Flanki-eren müssen wir solche Anstrengungen auch mit einemgezielten Export dieser Technologien . Dabei dürfen na-türlich nicht nur rein wirtschaftliche Interessen im Vor-dergrund stehen .Meine Damen und Herren, lassen mich nun zur innen-politischen Dimension kommen, deren Schwerpunkt imBaubereich liegt . Die Lage am Wohnungsmarkt hat sichin den vergangenen Jahren zunehmend verschärft . Des-halb haben wir als SPD für eine satte Mittelsteigerungim Wohnungsbau gekämpft und dies auch durchsetzenkönnen . In den kommenden Jahren lässt der Bund – FrauMinisterin Hendricks wies darauf hin – circa 1,5 Milli-arden Euro in die Wohnraumförderung fließen, ein Spit-zenwert .
In diesem Zusammenhang möchte ich auch daran er-innern, dass wir uns im Parlament über eine zukünftigepraktikable Lösung für die Wohnraumförderung einigwerden müssen; denn ab 2019 darf der Bund laut Arti-kel 143c Grundgesetz für die soziale Wohnraumförde-rung kein Geld mehr zuschießen . Liebe Kolleginnen undKollegen, wir laufen hier auf eine erneute Zuspitzung derLage zu .
Besonders wichtig ist mir, dass wir endlich von denreinen Betoninvestitionen in Wohnraum wegkommen .Ein gutes Signal ist es, dass wir unter dem Stichwort „So-ziale Stadt“ neben der klassischen Städtebauförderungmit 200 Millionen Euro gezielt auch Maßnahmen zurVerbesserung der sozialen Infrastruktur fördern wollen,
also Schulen, Kitas, Bürgerhäuser, Stadtteilzentren . DieListe ließe sich fortführen . Natürlich kann und wird diesnur mit einer entsprechenden personellen Ausstattungfunktionieren .In diesem Zusammenhang wurde auch die klassischeStädtebauförderung gestärkt . Als Thüringer Abgeordne-ter freut es mich, dass wir für das Programm „StadtumbauOst“ eine Aufstockung um 15 Millionen auf 120 Millio-nen Euro jährlich erreichen konnten . Nun ist eine Zusam-menführung der Stadtumbauprogramme Ost und Westgeplant . Der Osten darf dabei natürlich nicht schlechtergestellt werden . Nach wie vor stehen die neuen oder nochjungen Bundesländer vor besonderen Herausforderun-gen. Eine davon ist sicherlich der demografische Wandel.Wir müssen den Städtebau daran anpassen . Unsere ältereBevölkerung hat ein Recht darauf, dass besondere Rück-sicht auf ihre Bedürfnisse genommen wird .
Es ist gut und richtig, dass wir vor diesem Hintergrundmehr Geld in die Hand nehmen und den privaten Ein-bruchschutz mit 50 Millionen Euro jährlich fördern . DasGeld kommt momentan aber noch nicht dort an, wo wires haben wollen, beispielsweise bei denjenigen nicht, diemit geringem Aufwand ihre Eingangstür mit einem si-cheren Schloss ausstatten wollen . Hier müssen wir dieFörderkonditionen noch wesentlich anpassen .
Das Förderprogramm zum Einbruchschutz ist derzeitmit dem Förderprogramm zum altersgerechten Umbaugekoppelt . Besser gesagt: Es war mit diesem Programmgekoppelt . Das Finanzministerium hat hierfür nämlichleider kein zusätzliches Geld mehr zur Verfügung ge-stellt . Das ist für mich vollkommen unverständlich .
Wir hatten mit dem Förderprogramm „AltersgerechtUmbauen“ ein Programm, mit dem wir es den Menschenmit einfachen Mitteln ermöglichten, länger in ihren ei-genen vier Wänden zu wohnen, indem sie zum Beispielihre Türen erweitern und den Einstieg in die Badewannevertiefen, um nicht umständlich über den hohen Rand hi-neinklettern zu müssen, und weitere notwendige Anpas-sungen vornehmen . Dieses Geld war auf jeden Fall gutinvestiert. Wir haben damit sogar Kosten für Pflege undHeime gespart und ermöglicht, dass Menschen längerin ihrem angestammten Wohnraum, ihren eigenen vierWänden, wohnen bleiben konnten .
Daher werde ich in den Verhandlungen für eine Wieder-auflage und Fortführung des Förderprogramms „Alters-gerecht Umbauen“ in 2017 kämpfen, damit die entspre-chenden Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden .
Kollege Lemme, achten Sie bitte auf die Zeit .
Zum Schluss darf ich mich bei Frau Ministerin Barbara
Hendricks recht herzlich bedanken, weil sie mit dem nun
aufgestellten Haushaltsplan für 2017 wesentlich zum so-
zialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft beiträgt .
Vielen Dank .
Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Frak-tion Die Linke .
Steffen-Claudio Lemme
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18649
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Damen undHerren! Frau Umweltministerin Hendricks, dass die Ko-alition für den klassischen Klimaschutz im Jahr 2017 10 Prozent, also 58 Millionen Euro, mehr bereitstellenwill, freut die Linke. Damit hätten Sie zumindest finanzi-ell ein Viertel unserer Forderungen vom letzten Jahr er-füllt . Das ist doch mal ein Anfang . Hier muss aber nochmehr gehen .In Braunsbach in Baden-Württemberg, in Ilmenau inThüringen und in vielen anderen Orten leiden die Be-wohner noch heute unter den Folgen des Starkregens indiesem Frühsommer . Frau Dött, es ist mir unverständ-lich, wie Sie angesichts dieser Ereignisse noch mehrBauland und Versiegelungen in den Außenbereichen un-serer Kommunen fordern können, ohne Maßnahmen fürden Hochwasserschutz hinzuzufügen . Das führt nämlichbeim nächsten Mal zu noch höheren Sturzfluten und nochmehr Schäden .
Es gibt aber Möglichkeiten, die Folgen von Starkre-gen abzumildern . Der Forstbetrieb in Thüringen leisteteinen Waldumbau, um Monokulturen aus Fichten inLaubmischwälder umzugestalten . Der Umbau dauertJahre . Gelingt er, dann kann der Waldboden die vierfacheMenge an Regenwasser aufnehmen und speichern, als esein Fichtenwald schafft . Das verringert Hochwasserspit-zen und Sturzfluten – insbesondere in den Orten in denBergen .Der Umbau kostet je nach Standort zwischen 3 000und 6 000 Euro pro Hektar . Die rot-rot-grüne Landes-regierung in Thüringen unterstützt ThüringenForst beidiesem Umbau . Vielen kommunalen und privaten Wald-besitzern fehlen aber Kenntnisse, Kraft und finanzielleMittel, um einen solchen Waldumbau zu stemmen . AuchThüringen könnte beim Waldumbau schneller vorankom-men, gäbe es zusätzliche Unterstützung vom Bund .
Ein umweltfreundlicher Waldumbau erfordert übri-gens viel Handarbeit . Das schafft neue Arbeitsplätze .Lassen Sie uns hier ein Förderprogramm auflegen oderden Waldklimafonds aufstocken . Die Linken und Thürin-gen unterstützen Sie dabei .
Meine Damen und Herren, selbst uns Politikern fälltes schwer, die versteckten Risiken bei der Umsetzungvon Freihandelsabkommen wie CETA oder TTIP zu er-kennen . In South Carolina wurde das Insektizid Naledgroßflächig zur Mückenbekämpfung eingesetzt. In derFolge starben neben den Mücken auch Millionen vonBienen .Naled ist in der EU bisher nicht zugelassen, weil esBienen gefährdet, es bei Menschen Allergien auslösenkann und im Verdacht steht, toxisch auf die Nerven zuwirken . Nach dem bisherigen Vorsorgeprinzip der EUwird Naled in Europa nicht eingesetzt werden können –noch nicht; denn in Kanada ist Naled erlaubt . Mit der Ra-tifizierung von CETA ist der Einsatz von Naled in der EUnicht mehr zu verhindern, und zwar aus zwei Gründen .
Erstens . Mit CETA erfolgt eine gegenseitige Anerken-nung der Zulassungen .
Zweitens . Der Einsatz von Naled dürfte erst verbotenwerden, wenn die EU wissenschaftlich nachweist, dassNaled mit einhundertprozentiger Sicherheit am Sterbender Bienenvölker schuld ist, also alle anderen Möglich-keiten des Bienensterbens ausgeschlossen sind . Das wirdteuer und dauert .Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, auch für den Bun-deshaushalt können durch CETA Zusatzkosten entstehen .Bei der Zulassung neuer Chemikalien in der EU müssendie Herstellerfirmen nach der EU-Chemikalienrichtlinieauf ihre Kosten den Nachweis erbringen, dass die Mittelunbedenklich sind . Die Hersteller müssen die Untersu-chung und die Zulassung bezahlen . Das kostet im Durch-schnitt 100 000 Euro je Anwendung .Mit der Ratifizierung von CETA oder TTIP ändert sichdies . Dann müssen die Firmen den Behörden die Anwen-dung neuer Chemikalien nur anzeigen .
Nur wenn die Behörde einen wissenschaftlichen Beweishat, darf sie die Anwendung der Chemikalie verbieten .
Das dauert und kostet natürlich viel Geld, Steuergeld .Ergo: Naled könnte auch in Europa versprüht werden .Derzeit gibt es jährlich 5 500 neue Chemikalienanwen-dungen in der EU . Sollen die bisherigen europäischenStandards auch mit CETA eingehalten werden, müsstendie Steuerzahler die Überprüfung bezahlen . Also, 5 500mal 100 000 Euro: Das macht 550 Millionen Euro proJahr .Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,mit der Ratifizierung von CETA ist entweder Ihr Um-welthaushalt oder der Verbraucher- und Umweltschutzgefährdet . Genau deshalb lehnt die Linke CETA undTTIP ab .
Wir alle wollen leckeren Honig essen, am besten re-gional erzeugten . Wir alle wollen die neue Sonnencremenutzen, ohne Angst vor allergischen Ausschlägen oderPickel zu haben . Die Linke will, dass Chemiekonzerneweiterhin die Ungefährlichkeit ihrer Produkte auf eige-ne Kosten nachweisen müssen . Es darf nicht sein, dassunsere Gesellschaft diese Untersuchung bezahlt . Stattmit CETA die Profite der Chemiekonzerne zu steigern,will die Linke Steuergelder in Bildung, in Wohnungen, in
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618650
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Renten, in bessere Lebensverhältnisse und auch in Wald-umbau und Hochwasserschutz investieren .
Ich kann nur sagen: Wehren wir uns gemeinsam ge-gen diese Abkommen: auf den Großdemonstrationenam 17 . September in Hamburg, in Berlin, in Stuttgart,in Frankfurt, in München, in Köln und in Leipzig . LiebeBürgerinnen und Bürger, zusammen können wir CETAund vielleicht auch TTIP verhindern . Treffen wir uns alsoam 17 . September . Ich bin in Leipzig dabei .
Das Wort hat der Kollege Christian Haase für die
CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Herr Lenkert, es ist ja interessant, wie SieNaled zum neuen Chlorhühnchen machen wollen . Aberkeine Angst: Weder von CETA noch von TTIP bekommtman in Deutschland Pickel . Also, an dieser Stelle viel-leicht etwas ruhiger und etwas sachlicher .
Ich beginne direkt mit einer guten Nachricht, weil sieheute noch gar nicht gesagt worden ist: Der ausgegliche-ne Haushalt wird zur Normalität in Deutschland .
Dass wir nun eine komplette Wahlperiode und darüberhinaus ohne neue Schulden auskommen, ist ein wichti-ges Zeichen für die Zukunft . Klar ist aber auch, dass wirdiese schwarze Null immer wieder aufs Neue gegen dieUnverbesserlichen verteidigen müssen, die auf Kostender jungen Generation neue Schulden aufnehmen wollen .Dabei haben wir wichtige Ziele noch gar nicht er-reicht . Die Bundesrepublik Deutschland hat immer nocheinen Schuldenberg . Die Schuldenstandsquote liegt im-mer noch 8 Prozentpunkte über der im Maastricht-Ver-trag vorgegebenen Quote . Das heißt, es gibt noch genugAufgaben, bevor wir neue Schulden aufnehmen .Im Haushalt des Bundesumweltministeriums möchteich zunächst auf den geplanten Stellenzuwachs eingehen:92 neue Stellen . Ich bin froh, dass das Entfristungskon-zept, das wir vereinbart haben, endlich umgesetzt wird .Der hohe Bedarf an neuen Stellen ist aber auch eineFolge der Verschiebung des Baubereiches aus dem Ver-kehrs- zum Umweltministerium . Erst 2017 und damitim letzten Jahr der Wahlperiode hat das BMUB genugPersonal, um die neuen Aufgaben zu bewältigen und alleSynergieeffekte zu nutzen .Inhaltlich will ich gar nichts gegen die Ressortver-schiebung sagen . Sicherlich gibt es dabei gute Verschrän-kungen, etwa beim energieeffizienten Bauen und bei dernachhaltigen Stadtentwicklung . Aber das war vorherzwischen den Bereichen Verkehr und Stadtentwicklungnicht anders .Ich möchte nur die Gelegenheit nutzen, an etwas mehrKontinuität zu appellieren . Die Bürgerinnen und Bürgerverlassen sich darauf, dass der Staat seine Ressourcenverantwortungsvoll einsetzt . Daher hoffe ich darauf, dasses in der neuen Wahlperiode nicht zu so gravierendenRessortverschiebungen kommt, nur weil ein VizekanzlerSonderwünsche hat . Mehr Zuständigkeiten alleine ma-chen noch keinen erfolgreichen Minister aus .
Noch eine Anmerkung zum Stichwort „Kontinuität“ .Regelmäßig müssen die Mitarbeiter der Bundesministe-rien in Bonn hören, wie hochrangige Politiker den Stand-ort infrage stellen . Konkrete Pläne gibt es allerdingsnicht . Die Staatsdiener am Standort Bonn sind dennochstark verunsichert . Gerade von unserer rheinischen Mi-nisterin und Berlin/Bonn-Beauftragten wundern michdiese Töne . Noch in diesem Jahr soll es also eine ergeb-nisoffene Bestandsaufnahme geben . Ich bin gespannt,Frau Hendricks, was Sie uns dann präsentieren werden .Im Programmhaushalt steht in diesem Jahr die Baupo-litik zu Recht im Vordergrund . Bevor ich auf die einzel-nen Förderprogramme zu sprechen komme, möchte ichnoch ein paar lobende Worte zu der Initiative „ReformBundesbau“ sagen, die Frau Hendricks in diesem Jahrangestoßen hat . Öffentliche Großprojekte sind in Verrufgekommen . Der letzte Neuzugang ist die Kölner Oper .Davor stritten bereits Stuttgart 21, die Hamburger Elb-philharmonie und der Flughafen Berlin-Brandenburg umdie Spitzenplätze bei Bauverzögerung und Kostenexplo-sion .Auch wenn in diesen prominenten Fällen der Bund garnicht der Bauherr ist, ist es natürlich sehr löblich, dassdas BMUB bei seinen Hochbauprojekten die Wirtschaft-lichkeit erhöhen will . Das Berliner Stadtschloss zeigt,dass Großprojekte auch funktionieren können .Meine Damen und Herren, im Gegensatz zum öffentli-chen Hochbau ist die Städtebauförderung eine ausnahms-lose Erfolgsgeschichte . Jeder Euro für eines der Städte-bauprogramme ist gut investiertes Geld, auch wenn manes natürlich übertreiben kann . In den Eckwerten gab esein Plus von 300 Millionen Euro: komplett – so sah eszunächst aus – für das Programm „Soziale Stadt“ . Dabeiist das Programm „Soziale Stadt“ bereits seit der Erhö-hung der Mittel vor drei Jahren von 40 Millionen Euroauf 150 Millionen Euro überfinanziert. Zuletzt mussten2015 20 Millionen Euro an die anderen Städtebaupro-gramme weitergegeben werden .Deshalb bin ich heilfroh, dass jetzt immerhin 50 Mil-lionen Euro mehr an die Programme zum Stadtumbaugehen . Die aktuelle Evaluierung dieser Programme vomMai dieses Jahres zeigt, dass das Geld dort gut aufgeho-ben ist .Im Gegensatz dazu schwingt beim Programm „So-ziale Stadt“ viel Ideologie mit . Ich hoffe sehr, dass diekurz vor dem Abschluss stehende Evaluation ohne ideo-logische Scheuklappen erfolgt ist . Auch die 40 MillionenRalph Lenkert
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18651
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Euro plus, die der Entwurf des Bundeshaushalts immernoch für das Programm „Soziale Stadt“ vorsieht, wärenbei den anderen Städtebauprogrammen vielleicht besseraufgehoben . Ob für aktive Stadtzentren oder Denkmal-schutz, ob für Stadtumbau oder kleinere Städte und Ge-meinden: Diese Programme sind durchweg erfolgreichund könnten mehr Mittel gut gebrauchen . Oder – daswäre vielleicht die beste Idee – wir legen ein ganz neuesProgramm zum Thema „Grün in der Stadt“ auf . Hier liegtsicherlich die Zukunft .
In meinem Wahlkreis habe ich fünf tolle Städtebau-projekte mit dem Ziel, die Attraktivität der Innenstädtevon Brakel, Detmold, Höxter, Steinheim und Warburgzu erhöhen . Diese Programme ziehen erhebliche privateInvestitionen nach sich . So sieht gut eingesetztes Steuer-geld in Deutschland aus, meine Damen und Herren .Die restlichen 200 Millionen Euro an zusätzlichenMitteln sind für das neue Städtebauprogramm „SozialeIntegration im Quartier“ eingeplant . Ich unterstütze die-se Entscheidung ausdrücklich . Man muss zwar jetzt vielGeld in die Hand nehmen, langfristig aber würden unsVersäumnisse deutlich teurer zu stehen kommen . Die In-tegration der zahllosen Flüchtlinge ist eine gigantischegesamtgesellschaftliche Aufgabe, und der Bund leistetselbstverständlich seinen Beitrag .Daher ist es auch akzeptabel, dass der Bundesanteilbei diesem Programm höher ausfallen soll als bei anderenStädtebauprogrammen . Aber natürlich – das dürfen wirin der ganzen Debatte im Bundestag nicht vergessen –haben sich auch die Steuereinnahmen bei den Ländernerhöht . Außerdem fällt die Hebelwirkung des Programmsdeutlich niedriger aus, wenn Land und Kommunen, wiebisher geplant, nur 85 Millionen Euro anstatt der ansons-ten üblichen 400 Millionen Euro zusätzlich beisteuern .Andererseits wissen wir um die Notlage in einigen Städ-ten Deutschlands . Hier muss eine kluge Abwägung her .Der Fokus im Programm „Soziale Integration imQuartier“ muss aber eindeutig auf investiven städtebauli-chen Maßnahmen liegen . Die Finanzierung von Personalsollte – anders als im Programm „Soziale Stadt“ – miterheblichen Auflagen verbunden sein. Wir werden daraufachten, dass die Förderung nicht nur einzelnen Großstäd-ten, sondern auch kleineren Gemeinden zugutekommt .Nicht zuletzt durch die Wohnsitzauflage, die von denLändern leider nur schleppend umgesetzt wird, gibt esauch in ländlichen Regionen Förderbedarf beim ThemaIntegration . Die anerkannten Flüchtlinge werden – wiebekannt – den Wohnungsmangel weiter verschärfen,wenn wir jetzt nichts unternehmen . Das „Wir“ umfasstBund und Länder . Aktiv wird aber nur der Bund . Zu-sätzlich zu den Kompensationsmitteln, die wir bereitsauf 1 Milliarde Euro verdoppelt haben, stellt der Bundab 2017 500 Millionen Euro für ein Wohnungsbaupro-gramm zur Vermeidung sozialer Brennpunkte zur Ver-fügung . Die Fördergebiete sollen sich auf Regionen be-schränken, die nachweislich Bedarf haben . Das ist gut;denn durch eine Förderung darf nicht über Ost oder West,Nord oder Süd und erst recht nicht über Groß oder Kleinentschieden werden .Auch wenn der Bund jetzt aktiv wird, sollten die Län-der ihrer Verantwortung ebenfalls gerecht werden . DasJahr 2020 und damit das Ende der Kompensationszah-lungen für die soziale Wohnraumförderung rücken un-weigerlich näher . Momentan ist die Strategie der Län-der: Totstellen und schauen, was der Bund macht . – Esist kontraproduktiv, diese Strategie mit einer Forderungnach einer Grundgesetzänderung noch zu unterstützen .Wir müssen aber in jedem Fall die Vermengung von Ver-antwortlichkeiten vermeiden . Der Bund zahlt, hat aberkeine Kontrolle, worin die Länder investieren oder ob sieihre Investitionen in gleicher Höhe reduzieren .Sinnvolle Förderprogramme erkennt man oft an derhohen Nachfrage . So ist das bei den KfW-Programmenzum Einbruchschutz und zum altersgerechten Umbau .Die CDU/CSU-Fraktion hat sich erfolgreich dafür einge-setzt, dass wir die Zuschüsse für die Einbruchsicherungauf 50 Millionen Euro verfünffachen und hoffentlichüber 2017 hinaus fortführen .
Beim altersgerechten Umbau besteht allerdings schonjetzt akuter Handlungsbedarf . Da muss auf dem Wegvom Referat zur Ministerin irgendwo der Titel verlorengegangen sein . Es kann nicht sein, dass für ein höchsterfolgreiches Programm keine Mittel mehr für neue An-träge vorhanden sind . Notfalls müssen wir schauen, obwir innerhalb des Ministeriums umschichten können . Ichfreue mich, dass Herr Lemme in die gleiche Richtungdenkt .
Haushaltsberatungen eröffnen auch immer den Blickauf das große Ganze . Als Vertreter des ländlichen Raumserlauben Sie mir deshalb abschließend folgende Anmer-kung: Die aktuelle Agrarmarktkrise setzt die gesamteLandwirtschaft massiv unter Druck . Das Konjunktur-barometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes ver-deutlicht dies eindrücklich . Die Stimmung in der Land-wirtschaft nähert sich dem Rekordtief von 2009 . DieLiquidität vieler Betriebe ist stark belastet . An Investi-tionen ist kaum noch zu denken . Doch gerade diese sindunverzichtbar, um zukunftsfähig zu sein . Die Sicherungeiner nachhaltigen und zugleich bäuerlich-unternehmeri-schen deutschen Landwirtschaft liegt zunächst einmal inden Händen der Landwirte selbst und ihrer Marktpartner .Aber auch Politik und Gesellschaft sind gefordert . Politiksteht in der Verantwortung – und das gilt parteiübergrei-fend –, die wirtschaftlichen Realitäten zu berücksichti-gen und der Landwirtschaft als einen bedeutenden Wirt-schaftszweig den Rücken zu stärken .
Wir müssen Investitionen ermöglichen und stärken, stattsie zu verhindern . Marktverdrängung ins Ausland hilftbei der Erreichung unserer Ziele nicht . Ich warne aus-drücklich davor, den Wahlkampf auf dem Rücken derBäuerinnen und Bauern auszutragen . Arbeiten wir mitihnen zusammen statt gegen sie .Christian Haase
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 201618652
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Danke schön .
Die Kollegin Bärbel Höhn hat für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin Hendricks, Sie haben Ihre Rede mitdem Hinweis auf die 30-jährige Erfolgsgeschichte desUmweltministeriums und die Arbeit, die dort geleistetwurde, begonnen . In der Tat haben wir uns über vieleJahrzehnte einen guten Ruf im Umweltbereich weltweiterwerben können . Aber wichtiger ist, zu schauen, wasin den letzten drei Jahren passiert ist . Ich will in meinerHaushaltsrede eine Bilanz der Umwelt- und Klimapolitikder letzten drei Jahre ziehen . Ich komme dabei zu voll-kommen anderen Resultaten als Sie . Sie haben eben denKlimaschutzplan in den höchsten Tönen gelobt . Als esum den Kohleausstieg ging, haben Sie gesagt, dass davonnoch niemand zuvor geredet hat . Entschuldigen Sie, aberSie selber haben vor der Konferenz in Paris gesagt: Ichhalte den Kohleausstieg ohne Strukturbrüche in 20 bis25 Jahren für möglich . – Sie haben mit dieser Aussagerecht und sollten dazu auch stehen .
Außerdem haben Sie danach gesagt: Wir müssen inden nächsten 25 bis 30 Jahren aussteigen . – Auch dasist noch ganz richtig . Ursprünglich war in Ihrem Kli-maschutzplan immer noch die Formulierung zu finden:Kohleausstieg deutlich vor 2050 . – Genau diese Formu-lierung hat der Kollege Gabriel Ihnen herausgestrichen .Die anderen Ministerien, also die Bundesregierung sel-ber, sorgen dafür, dass Klimaschutz in der notwendigenForm hier in Deutschland nicht stattfinden kann.
Frau Kollegin Dött, wenn Sie das alles der KolleginHendricks in die Schuhe schieben, auch dass man dieZiele für 2020 nicht erreichen kann, dann nehmen Siebitte schön auch die Minister der CDU und CSU indie Verantwortung . Wir haben einen VerkehrsministerDobrindt, und wir haben einen LandwirtschaftsministerSchmidt . Genau die müssten ihren Beitrag zum Klima-schutz leisten, übrigens auch bis 2020, sonst schaffen wirdas nicht . Aber sie tun nichts dafür .
In jedem dieser Bereiche haben wir Probleme . Ebenist so oft der Aufwuchs der Mittel im internationalen Kli-maschutz gelobt worden . In der Tat, Kanzlerin Merkelhat vor der Konferenz in Paris verkündet, die Mittel fürden internationalen Klimaschutz würden verdoppelt .Rechnen wir doch einmal nach . Es gibt eine Erhöhungum 50 Millionen Euro . Aber der größte Teil davon,42 Millionen Euro, ist keine Erhöhung, sondern nur eineVerschiebung, und zwar vom Einzelplan 23 in den Um-weltetat .Wenn Sie sich das am Ende ausrechnen, dann ergibtsich eine Erhöhung nicht auf 200 Prozent, wie es dieKanzlerin verkündet hat, sondern genau um 2,37 Pro-zent . Das heißt, wenn Sie alles zusammenrechnen, habenSie keinerlei Erhöhung der Mittel für den internationalenKlimaschutz . Das ist eine Blamage angesichts dessen,was Sie vorher immer verkündet haben .
Es gibt – darauf hat der Kollege Haase hingewiesen –in dieser Bundesregierung auch kein Konzept, wie mandie Probleme im Spannungsverhältnis zwischen Umweltund Landwirtschaft löst . Deshalb müssen wir in der Tat,Herr Haase, genau darüber reden . Schauen wir uns docheinmal die klassischen Konflikte an: Naturschutz, Was-ser, Luft gegenüber intensiver Landwirtschaft .Wir haben seit Jahren einen Nitrateintrag in Deutsch-land, der einfach zu hoch ist . Auf die letzte Anfrage, dieich in der Sommerpause an die Bundesregierung gestellthabe, kam als Antwort zurück: 26 Prozent der Grundwas-serkörper liegen über 50 Milligramm pro Liter . Eine Flä-che von genau 29,3 Prozent von Deutschland ist betrof-fen davon . Also rund 30 Prozent der Fläche Deutschlandsliegen über Grundwasserkörpern, die einen zu hohenNitratwert haben . Das kommt daher, weil wir zu vieleTiere sowie zu viel Gülle haben, die über die Flächen indas Wasser kommt . Das müssen wir ändern .
Vor zwei Jahren hat die Ministerin dazu gesagt: Wirhaben eine Einigung erzielt, es gibt eine Hoftorbilanz,alles wird gut . – Zwei Jahre sind vergangen . Das Einzige,was passiert ist, ist, dass die EU zunehmend ungehaltenerwird und die nächste Stufe des Vertragsverletzungsver-fahrens eingeleitet hat . Das ist blamabel für die Politikdieser Bundesregierung . Am Ende siegt bei Ihnen immerdas Interesse der intensiven Landwirtschaft, nicht derNaturschutz, nicht das Wasser und nicht die Luft .
Sie können noch so viele Vorschläge für andere Stall-bauten oder zum Beispiel zur ersten Säule machen, FrauMinisterin, Sie kommen mit Ihren Vorschlägen nichtdurch . Das ist doch der Punkt . Sie machen tausend guteVorschläge, aber am Ende ist die Bilanz null . Die Bilanzist aber das, was am Ende zählt .
Ein anderes Beispiel ist das dramatische Insekten-sterben . Das Problem haben wir uns im Ausschuss vor-genommen . 70 Prozent der Individuen, 25 Prozent derArten sind verschwunden . Die Experten sagen, dass einHauptgrund Pestizide sind, vor allem Neonicotinoide .Die neuesten Studien bestätigen genau diesen Zusam-menhang . Frankreich hat mittlerweile ein Totalverboterlassen . Das ist jetzt sogar vom obersten Gerichtshofbestätigt worden .Was macht der Landwirtschaftsminister? Teilverbotein bestimmten Bereichen . Dafür will er sich noch lobenChristian Haase
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 188 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 9 . September 2016 18653
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lassen . Nein, wir brauchen ein Totalverbot der Neonicoti-noide, um die Insekten, speziell die Bienen, zu schützen .
Seit Jahren haben wir schlechte Luftwerte . Die Euro-päische Umweltagentur EEA hat jetzt Deutschland zumEuropameister der Stinker gemacht . Nur in Deutschlandwurden nach diesem Bericht 2014 bei drei der vier Luft-schadstoffe die Grenzwerte gerissen: Stickoxide, Ammo-niak und flüchtige organische Verbindungen. Das ist eintrauriger Rekord . Daran müssen Sie sich messen lassen .Machen Sie wieder Umweltpolitik, sorgen Sie wieder fürsaubere Luft .
Dafür müssen Sie dem Verkehrsminister auf die Füßetreten . Denn wenn die Emissionen in den Städten nichtsinken, sind die Fußgänger, die Radfahrer und die An-wohner die Leidtragenden . Das ist auch ein Gesundheits-problem . Ändern Sie deshalb endlich die Politik des Ver-kehrsministers .
Ich komme zum Schluss . Im Zusammenhang mit demAbfallbereich wurde immer vom Wertstoffgesetz gespro-chen . Das Wertstoffgesetz wurde in der Sommerpausebeerdigt . Dann wurde auf die Verpackungsverordnungverwiesen . In der Verpackungsverordnung haben wireine Mehrwegquote von 80 Prozent stehen . Sie ist aufreal 45 Prozent abgesackt . Folge: Die Ministerin hatdie Mehrwegquote nun einfach so beerdigt . Der Spiegelschreibt dazu:Die Bundesregierung verabschiedet sich klamm-heimlich von einem ihrer ehrgeizigsten Umweltzie-le .
Kommen Sie bitte zum Schluss .
Ich habe den Eindruck, dass es eine Arbeitsteilung
gibt: Die Umweltministerin ist – in der Hoffnung, dass
die Bevölkerung sagt: „Ja super, es passiert viel“ – für die
guten Botschaften zuständig .
Sie müssen jetzt einen Punkt setzen .
Die Minister Gabriel, Schmidt und Dobrindt dagegen
sorgen dann dafür, dass die Botschaften nicht umgesetzt
werden . Das nützt weder der Umwelt noch dem Klima .
Ändern Sie das im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit .
Danke schön .
Das Wort hat der Kollege Sören Bartol für die SPD .
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Lassen Sie mich zu Beginn eines sagen: Mit die-sem Haushaltsentwurf hat die Bauministerin, was denaußergewöhnlichen Aufwuchs in diesem Einzelplan an-geht, erfolgreich, vor allen Dingen aber konsequent dierichtige Antwort auf den großen Bedarf an bezahlbarenWohnungen gegeben .Mit diesem Haushalt wird fortgesetzt, was wir in derVergangenheit angelegt hatten: Es kann gebaut werden .Mit diesem Haushalt werden – das haben alle schon ge-sagt – den Ländern ab 2017 nun sogar 1,5 MilliardenEuro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau zur Verfü-gung stehen .Dieser Haushalt setzt aus meiner Sicht einen unge-mein wichtigen, gewissermaßen qualitativen Schwer-punkt . Wir sorgen nicht nur dafür, dass mehr gebaut wird .Darüber hinaus wollen wir Zusammenleben gestalten,Hilfe und Unterstützung organisieren und damit für guteund stabile Nachbarschaften sorgen .Uns geht es nicht allein nur um den Wohnungsbau, esgeht um mehr . Es geht uns um die Stadtentwicklung, umStädte, in denen es heute und auch in Zukunft statt Prob-lemvierteln Quartiere gibt, in denen man sich Problemenwirklich stellt . Die Sorge um ausreichenden Wohnraumzu bezahlbaren Mieten war und ist für uns Sozialdemo-kratinnen und Sozialdemokraten stets von dem Bemühenbegleitet, städtebauliche Missstände und Probleme inVierteln und Quartieren frühzeitig zu erkennen und zubeheben .Wir, die Urheber des Programms „Soziale Stadt“, wis-sen: Investitionen in Städte und Menschen zahlen sichaus . Deshalb haben wir auch dafür gesorgt, dass die Mit-tel bereits 2014 vervierfacht wurden und in diesem Haus-halt erneut aufgestockt werden .Mit dem Investitionspaket „Soziale Integration imQuartier“ werden die Wohnungen, die mit Mitteln für so-zialen Wohnungsbau zusätzlich gebaut werden können,nicht nur einfach Gebäude sein . Sie werden in das ein-gebettet, was wir sehr technisch „soziale Infrastruktur“nennen . Das heißt, es gibt auch Schulen, Stadtteilzen-tren, Bürgerhäuser, Spiel- und Sportzentren sowie auchGrünflächen. Dort kann Zusammenhalt gestiftet werden,Sozialarbeit ansetzen und Identifikation mit dem Woh-numfeld entstehen . So entsteht Heimat . Und wo wir unsheimisch fühlen, da fühlen wir uns auch sicher .Die Aufstockung und die von uns angestrebte mie-terfreundlichere Ausgestaltung des Programms „Kri-minalprävention durch Einbruchsicherung“ in diesemHaushalt ist eine Reaktion auf Einbruchskriminalität undÄngste . Den Ansatz aber, für Nachbarschaften zu sorgen,in denen sich Menschen sicher fühlen, weil sie sich ihreWohnung leisten können, weil sie sich kennen, weil siesich für ihr Umfeld verantwortlich fühlen, halte ich fürBärbel Höhn
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viel weitreichender und nachhaltiger . Und dieser Haus-halt gibt auch darauf eine Antwort .Aus den positiven Erfahrungen mit dem Quartiersma-nagement wissen wir, dass wir dafür nicht nur Orte derIntegration, sondern vor allen Dingen auch Menschenbrauchen, die diese gestalten: Quartiers- oder Integrati-onsmanager, die gemeinsam mit den Kommunen sowieden Akteurinnen und Akteuren vor Ort gute Gemeinwe-senarbeit leisten, Probleme früh erkennen und rechtzeitigUnterstützung organisieren; denn soziale Orte leben vonMenschen .
Dieser Ansatz, der sich, wie das Programm „SozialeStadt“ ja auch zeigt, bewährt hat, darf nicht an Fragender Zuständigkeiten scheitern, die außerhalb des Bun-destages eh niemanden interessieren . Deshalb sind die10 Millionen Euro für die ressortübergreifende Strategieauch so wichtig; so nämlich kann besser zusammenwir-ken, was angesichts vielschichtiger Probleme auch zu-sammengehört: Angebote für Familien, Arbeitsuchende,Sprachkurse, Weiterbildung, für Gesundheits- und Ver-braucherberatung, dort, wo die Menschen leben – imQuartier .Im Gegensatz zu vielen Ressortabstimmungen, beidenen von guten Ideen viel zu oft leider nicht viel übrigbleibt, müssen hier Ideen und Ansätze aus den verschie-densten Politikbereichen zusammengebracht werden, umam Ende die bestmögliche Wirkung zu erzielen . Genaudas wollen wir . Weil wir uns dafür verantwortlich fühlen,dass sich Städte und Viertel gut entwickeln und nicht nurbebaut werden, müssen wir mehr Einfluss nehmen kön-nen, nicht weil es uns dabei um mehr Einfluss ginge, son-dern um des Gestaltens willen . Dazu gehört auch, lieberKollege, dass der Bund wieder mehr Gestaltungsspiel-raum in der Wohnungspolitik braucht, nämlich durcheine Grundgesetzänderung .
Lieber Koalitionspartner, dazu gehört auch, dass dieKommunen auf Grundstücke im Eigentum des Bundeszugreifen können, damit sie dafür sorgen können, dassgemischte Quartiere entstehen,
dass sich auch Leute mit niedrigen und mittleren Einkom-men ein Leben in den Innenstädten leisten können, eben-so wie Familien, Alleinerziehende und ältere Menschen .Deshalb wollen wir das BImA-Gesetz ändern . Es darf beiGrundstücksverkäufen nicht nur um Höchstpreise gehen;es muss um gute Konzepte gehen . Liegenschaftspolitikist für uns am Ende auch Stadtentwicklungspolitik .
Deshalb wollen wir auch, dass das so erfolgreicheProgramm „Altersgerecht Umbauen“ auch über dasJahr 2017 hinaus fortgeführt wird . Ich freue mich, dassbeide Haushälter das in ihrer Rede auch so gesagt haben .
Es erhöht sich auf jeden Fall die Wahrscheinlichkeit, dassdas so kommt . Sie wissen, dass die Bewilligungen aus-laufen . Obwohl bereits ein beträchtlicher Teil des alters-gerechten Wohnungsbestandes durch diese KfW-Mittelumgebaut wurde, ist die Versorgungslücke immer nochbei weitem nicht geschlossen . Deswegen kann ich nur analle hier in diesem Hause appellieren, sich am Ende fürdie Fortführung dieses Programmes einzusetzen .Damit würden wir abrunden, wofür dieser Haushaltfür den Bereich Bau steht. Wir flankieren die immensenund absolut notwendigen Erhöhungen für sozialen Woh-nungsbau, indem wir uns nicht nur darum sorgen, dassdie Menschen irgendwo wohnen können, sondern auchdarum, wie wir zukünftig zusammenleben .Vielen Dank .
Der Kollege Artur Auernhammer hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!30 Jahre Bundesumweltministerium ist eine Erfolgsge-schichte; die Ministerin hat zu Recht darauf hingewiesen .Ich erlaube mir, zu erwähnen, dass in einigen Ländernschon früher Umweltministerien installiert worden sind,in Bayern 1970 .Diese Erfolgsgeschichte kann sich auch sehen lassen .Unsere Gewässerqualität hat sich verbessert . UnsereLuft ist sauberer geworden, und die Biodiversität hat sichauch verbessert . Hier gilt es auch einmal Danke zu sa-gen allen Beteiligten, nicht nur der jeweils zuständigenMinisterin oder dem jeweils zuständigen Minister, nichtnur den Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Ministe-riums, sondern vor allem den Akteuren, die im Umwelt-bereich draußen tätig sind, die dafür sorgen, dass unsereUmwelt intakt ist . Dazu gehören auch Bäuerinnen, Bau-ern und auch Förster und alle Akteure, die in der Umwelttätig sind .
Ich weiß: Gerade in einer Umweltdebatte wird gernüber Landwirtschaft und Forst diskutiert, oft auch sehremotional . Ich möchte hier eins anmerken: Wichtig istimmer, dass wir vernünftige Sachentscheidungen treffen .Gerade bei der schon angesprochenen Novelle zur Dün-geverordnung und zum Düngegesetz, bei den angespro-chenen Novellen zum Bundesnaturschutzgesetz müssenwir den Fokus darauf richten, wie sich etwas vor Ort inden ländlichen Räumen auf die landwirtschaftlichen Be-triebe auswirkt .Ich bin dem Kollegen Haase sehr dankbar, dass erauf die Einkommenssituation unserer Bäuerinnen undBauern hingewiesen hat, und er ist kein Landwirt . ManSören Bartol
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merkt, dass deren Einkommenssituation im Bewusstseinder gesamten Bevölkerung angekommen ist . Wir müssenauch in der Umweltpolitik dem gerecht werden .Wenn wir jetzt mit der Brechstange versuchen, dasDüngegesetz oder die Düngeverordnung zu novellie-ren, um den scheinbar wichtigen Anforderungen der EUgerecht zu werden, aber dadurch bewirken, dass geradekleinbäuerliche Betriebe überfordert werden, etwa mitder Erstellung einer Hoftorbilanz, mit der Sicherung ih-rer Anlagen, beschleunigen wir den Strukturwandel, unddas müssen wir vermeiden, meine sehr verehrten Damenund Herren .
In der Diskussion um die Klimaschutzpolitik ist in denletzten Wochen und Monaten sehr viel gesagt worden .Es treibt mich um und macht mir auch Sorge, wenn überdie Landwirtschaft sehr einseitig diskutiert wird . DieLandwirtschaft ist nicht das Problem in der Klimaschutz-politik; die Landwirtschaft ist die Lösung in der Klima-schutzpolitik . Das müssen wir endlich einmal erkennen,auch als Umweltpolitiker .Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir habengerade im Bereich der erneuerbaren Energien ein großesPotenzial . Mit der Landwirtschaft, mit der Forstwirt-schaft können wir CO2 nicht nur einsparen; wir könnenCO2 in Sauerstoff umsetzen . Keine Fabrik, kein Indus-triebetrieb in Deutschland ist in der Lage, aus CO2 Sau-erstoff zu produzieren. Das machen die Pflanzen auf denFeldern, die Bäume in den Wäldern, und da sind unsereBäuerinnen und Bauern, unsere Waldarbeiter tätig . Dasmachen die Pflanzen, und sie können es, weil die Men-schen im ländlichen Raum so fleißig und so aktiv sind.Allein dadurch werden in Deutschland 68 MillionenTonnen CO2 eingespart bzw . in Sauerstoff umgewandelt .Ich bitte auch deswegen darum, dass man beim Klima-schutzplan 2050 dies honoriert und berücksichtigt, dassman auf die Belange hier Rücksicht nimmt und nicht miteinseitigen Forderungen nach Labelling, nach Steuer-erhöhungen und dergleichen diese Arbeit behindert .Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch etwaszum Bereich Wald . Es wurde angesprochen: Thüringenhat ein bisschen Probleme, den Waldumbau zu finanzie-ren . Ich möchte darauf hinweisen, dass der meiste Waldin unserem Land im Besitz der Bundesländer ist, und ichmöchte die Bundesländer in die Verantwortung nehmen,den Waldumbau selbst zu gestalten, selbst in die Hand zunehmen und nicht nach Berlin zu rufen: Bitte schickt unsGeld, damit wir etwas machen können! – Ich bitte dieBundesländer, hier ihre Hausaufgaben zu machen .
Gerade beim Thema „Waldumbau und Forstwirt-schaft“ möchte ich auch zu bedenken geben: Der Waldproduziert nicht nur Sauerstoff; er ist auch ein Wirt-schaftsfaktor in unserem Land . Wir sollten da ein Bei-spiel geben . Mit der Verwendung von heimischem Holzsparen wir CO2 ein . Mit unserer heimischen Forstwirt-schaft leisten wir da einen großen Beitrag in der Bau-wirtschaft und auch im energetischen Bereich . Wir kön-nen vieles tun, um CO2 einzusparen und auf Importe zuverzichten .Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klima-schutz funktioniert also nicht durch Abschaffung derLandwirtschaft oder durch Deindustrialisierung; Klima-schutz kann nur funktionieren, wenn wir die Interessenbündeln, wenn unser Land auch wirtschaftlich leistungs-fähig ist . Nur dadurch können wir es uns leisten, Klima-schutz zu betreiben und beim Klimaschutz internationalals Vorreiter dazustehen .Ich möchte auch erwähnen: Wer war es denn, der denKlimaschutz auf die internationale Agenda gesetzt hat?Wer war es denn, der den Klimaschutz in der öffentlichenDiskussion international so weit vorangebracht hat? Eswar unsere Kanzlerin Angela Merkel . Das sollten wir im-mer wieder erwähnen und auch in dieser Frage dankbarsein .Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Themaim Bereich Klimaschutz ist die Energiewende . Im Be-reich der erneuerbaren Energien haben wir noch vor derSommerpause vernünftige Entscheidungen gefällt .
Da müssen wir konstruktiv weitermachen, und ich glau-be, mit dieser Entscheidung sind wir auf einem gutenWeg .Ich möchte aber, damit Sie nicht den Eindruck haben,ich rede hier nur über Land- und Forstwirtschaft, auchnoch den Bereich der Städtebauförderung hervorheben .Die Städtebauförderung leistet einen wichtigen Beitrag,um die Attraktivität des ländlichen Raums gestalten undweiter ausbauen zu können . Ich bin sehr dankbar, dasswir Mittel für die Städtebauförderung bereitstellen, undich kenne viele positive Projekte aus meiner Heimat, womit diesem Geld viel Gutes getan wird . Danke schön andie Haushälter, und bitte so weitermachen!Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele Men-schen, gerade ältere Menschen, haben Angst vor Einbrü-chen . In den letzten Jahren hat diese Angst aufgrund dergestiegenen Zahl von Einbrüchen noch zugenommen . Esist sehr erfreulich, dass wir zusätzliche Finanzmittel imBereich der Einbruchssicherung bereitstellen .
Ich bin der KfW sehr dankbar, dass sie es aufgrund mei-ner Intervention ermöglicht, dass Anträge nicht nur on-line, sondern auch noch in Papierform gestellt werdenkönnen, weil gerade die ältere Generation vielleicht nochetwas Hemmungen im Umgang mit den neuen Medienhat .
Das ist ein guter Beitrag . Das ist eine gute Maßnahme,gerade für unsere ältere Generation .Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Um-welthaushalt ist dann nachhaltig, wenn er gut finanziertArtur Auernhammer
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ist . Das Nachhaltigste, was wir als Parlamentarier in derUmweltpolitik machen können, ist, dafür Sorge zu tra-gen, dass auch dieser Gesamthaushalt ausgeglichen ist .Ein über Jahre hinweg ausgeglichener Haushalt ist dasNachhaltigste, was wir hier machen können .Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Michael Groß
das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wareine interessante Debatte . Neu war für mich, dass eigent-lich vier Oppositionsfraktionen, wenn man die Uniondoppelt zählt, hier im Parlament geredet haben . Wennman der Ministerin Barbara Hendricks gut zugehört hatund man verfolgt hat, was sie insbesondere in den letztenTagen gesagt hat, dann hat man gemerkt, dass sie eineMinisterin ist, die dafür wirbt, niemanden zurückzulas-sen, weder beim Thema Umweltschutz noch beim Themabezahlbarer Wohnraum noch beim Thema Stadtentwick-lung . Und das ist sozialdemokratische Politik, sehr ge-ehrte Damen und Herren .
Gestern hat die Ministerin ihr Integriertes Umwelt-programm 2030 vorgestellt . Man höre und staune: Selbstder Minister für Energiewende in Schleswig-Holstein hatdas Programm gestern im Deutschlandfunk gelobt . Einwichtiger Bestandteil dieses Programms ist natürlich – sohabe ich es beim ersten Durchlesen zumindest verstan-den –, dass wir uns darauf einlassen müssen, weltweitdas Klima und die Umwelt zu schützen – das ist auchgar keine Frage –, dass wir sicherlich irgendwann ausder Kohleverstromung aussteigen müssen . Aber es ist si-cherlich auch so, dass wir dafür sorgen müssen, dass dieMenschen das bezahlen können und dass wir eine star-ke Wirtschaft haben, die in der Lage ist, diese Aufgabenzu bewältigen . Dafür arbeiten wir, und wir sind BarbaraHendricks sehr dankbar, dass sie diese Vorschläge ge-macht hat .
Es ist, glaube ich, auch noch einmal deutlich gewor-den, dass das Umweltressort – da unterstütze ich Siebesonders – ein Initiativrecht gegenüber den anderenGeschäftsbereichen benötigt . Ich glaube, dadurch wirddeutlich, dass die Umweltpolitik eine Querschnittsaufga-be ist . Ich kann Sie nur dabei unterstützen, dieses Initi-ativrecht weiter zu fordern . Frau Hendricks, Sie habenmich an Ihrer Seite .
Gutes Leben im Quartier ist nicht nur eine Frage desbezahlbaren Wohnens, sondern auch eine Frage der Um-weltgerechtigkeit . Schutz vor Lärm, Schutz vor Emis-sion, Zugang zu Grün, Aufenthaltsqualität im Freien:Dafür müssen wir sorgen . Wir haben aber zurzeit auchdie Situation, dass bezahlbares Wohnen in vielen Groß-städten nicht mehr möglich ist . Viele normale Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer mit mittleren und unterenEinkommen finden keine Wohnung oder müssen auszie-hen . Grund sind auch Modernisierungen, auch infolgeEnergieeffizienz.Wir haben eine sehr unterschiedliche Gemengelage .Während in sogenannten A- oder B-Städten Wohnungenkaum noch zu finden sind, auch Eigentum schwer zu bil-den ist,
haben wir nach Schätzung des Bundesinstituts für Bau-,Stadt- und Raumforschung Regionen, die bis 2030 ei-nen Wohnungsüberhang von 3 Millionen bis 4 MillionenWohnungen haben werden . Das heißt, wir brauchen einesehr differenzierte Politik . Die setzen wir um . Wir ver-suchen, unterschiedliche Instrumente anzuwenden . Dasist heute schon deutlich geworden . Die Verstetigung desProgramms „Soziale Stadt“ ist ein riesiger Erfolg dieserKoalition .
Es geht um Lebensqualität in den Stadtteilen . Es gehtum beste Kindergärten, beste Schulen, um das Zusam-menleben der Menschen . Ich kann beim besten Willennicht verstehen, Herr Haase, dass man das als Ideologieabtut . Das lehnen wir ab . Dieses Programm ist sehr er-folgreich. Es fing in Nordrhein-Westfalen an. Dort gibtes Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf . FahrenSie durch Nordrhein-Westfalen, schauen Sie sich an, wasdort gemacht wurde, wie die Menschen mitgenommenwurden und welche Perspektiven durch das Programmgeschaffen wurden .
Ich möchte zum Schluss auf ein weiteres wichtigesThema zu sprechen kommen . Wir haben zurzeit zweigroße Preistreiber im Wohnungsbau, und zwar zum einendie EnEV, die Energieeinsparverordnung . Wir wollen Kli-maschutz. Wir wollen Energieeffizienz. Wir müssen aber,glaube ich, einen anderen Weg gehen: technologieoffe-ner . Niemand weiß, was in zehn Jahren im Wohnungsbaumöglich ist . Wir können heute nicht festschreiben, ob dieWände noch 10 Zentimeter dicker werden müssen oderwir uns mehr um die Frage der Energiegewinnung küm-mern müssen, Stichwort „Speicherung“ .Der andere Punkt sind die Bodenpreise . Zum Teilsteigen die Bodenpreise um 300 Prozent . Das fangen Siedurch Baukosten, die Sie senken wollen, nicht auf . Hierist es neben der Frage der neuen Gemeinnützigkeit, dieaber vielleicht in 10, 15 Jahren greifen kann, aus meinerSicht wichtig, sehr schnell zu helfen . Wir brauchen eineUnterstützung der gemeinwohlorientierten Unterneh-men – das ist gar keine Frage – aber wir brauchen ins-besondere eine Unterstützung der Kommunen . Bei einerArtur Auernhammer
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Kommunalbefragung hat man festgestellt: 700 kommu-nale Wohnungsunternehmen haben circa 2,5 MillionenWohnungen in der Hand . 60 Prozent der Mietbindungensind bei kommunalen Wohnungsunternehmen . Wir müs-sen den kommunalen Bereich, den öffentlichen Bereichwieder mehr als Investor verstehen und deswegen dieStädte mehr unterstützen, was wir in dieser Koalition tun .Ich glaube, die Städte müssen in die Lage versetztwerden, Baulandvorratspolitik zu betreiben . Dafür brau-chen sie Geld, dafür brauchen sie einen Fonds .
Die KfW wäre eine Möglichkeit . Sie brauchen mehr Per-sonal, um das BauGB anzuwenden . Wir stellen ab 2018 5 Milliarden Euro zur Verfügung . Ich glaube, das ist zukurz gesprungen . Wir müssen mehr Geld für die Kom-munen in die Hand nehmen .Herzlichen Dank und Glück auf!
Der Kollege Christian Hirte hat für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Ich darf ganz herzlich auch die Be-sucher auf der Tribüne begrüßen, vor allem die kleineDelegation aus Tiefenort .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die De-batten dieser Woche, die Überschriften in den Gazettenverfolgt, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dassin dieser Haushaltswoche die Hauptthemen die Wahl inMecklenburg-Vorpommern oder die Flüchtlingskrise sei-en . Man konnte hören, wie verheerend die letzten zwölfMonate waren und was alles mit der Flüchtlingskrise zer-brochen sei: das Vertrauen der Menschen zur Politik, dieguten Sitten der Gesellschaft, das respektvolle Miteinan-der . Es ist fast zum Sport geworden, unsere Gesellschaftund auch die Politik in ein schlechtes Licht zu rücken .Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, an dieserStelle ganz klar zu sagen: Auch die letzten zwölf Mona-te waren gute zwölf Monate für Deutschland, jedenfalls,wenn man zugrunde legt, was vielleicht das Wichtigsteist, nämlich der Wohlstand und die soziale Sicherheit derBürger in unserem Land . Es geht der Wirtschaft und denBürgern in diesem Jahr besser als im letzten Jahr . Genaudas schlägt sich natürlich auch im Haushalt nieder, denwir heute in erster Lesung beraten .Kollege Haase hat schon darauf hingewiesen: Wir ha-ben erneut eine schwarze Null, einen ausgeglichen Haus-halt . Wir sind in der Lage, zu investieren – mehr als inden vergangenen Jahren . Liebe Kolleginnen und Kolle-gen, ich denke, wir können stolz darauf sein, dass wir dasgemeinsam in dieser Weise erreicht haben .
Ich denke, wir können froh und stolz sein, dass wir diegroßen Herausforderungen, vor denen wir aktuell ste-hen, angesichts der robusten Haushaltssituation meisternkönnen, dass wir eben nicht zusätzlich noch Massenar-beitslosigkeit oder eine überspannte Haushaltssituation –Steuerausfälle und Ähnliches – haben . Ich jedenfalls binauch froh und glücklich, dass sich die harte Arbeit derMenschen und eben auch der Politik in den letzten Jahrenauszahlt und wir heute wieder Spielräume haben, wie wirsie in den vergangenen Jahren nicht hatten . Wir müssenSchwerpunkte setzen, aber wir können das eben auch .Bei aller Mühsal, die manchmal die Arbeit auch inner-halb der Koalition mit sich bringt, muss man doch sagen,dass wir das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum gro-ßen Teil gemeinsam erreicht haben . Wenn wir heute denEtat für Bau, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitberaten, sehen wir, dass wir einen deutlichen Aufwuchshaben – so wie im Übrigen in allen anderen Etats auch .Das ist ein Zeichen der Stärke unseres Landes und auchunserer Gesellschaft .Ja, das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommernhat auch mich betrübt . Aber die meisten Wähler, die sichder AfD zuwendeten, taten das nicht in Ansehung desWahlprogramms – das haben die meisten wahrscheinlichgar nicht gelesen –, sondern eher aus dem unterschwel-ligen Gefühl heraus, gegen die Globalisierung und dieFlüchtlingsfolgen ein Zeichen setzen zu wollen . Siewollen nicht akzeptieren, dass Staaten und Völker weit-gehend macht- und wehrlos den unsichtbaren Mächtender Globalisierung ausgeliefert zu sein scheinen, die ih-nen, gleichsam als Preis für billige chinesische Handys,Flüchtlingsströme aus allen Armuts- und Kriegsgebietender Welt bis vor die Haustür spülen .Die ganze Debatte um die Flüchtlingskrise führt dazu,dass die wahre Brisanz vielen unklar bleibt . Wenn esum Flüchtlinge geht, denken die meisten an Krieg undTerror . Doch weit mehr Menschen werden von Dürren,Fluten oder Stürmen vertrieben . Auch wenn es in letz-ter Zeit schon fast verzweifelt klingen mag, dass manFluchtursachen bekämpfen müsse – nichtsdestotrotz istes die Wahrheit . Es die einzige Möglichkeit, die hässli-chen Begleiterscheinungen der Globalisierung und auchdes Klimawandels anzugehen . „Bekämpfung der Flucht-ursachen und Stabilisierung der Nachbarländer“ warübrigens der erste Punkt des von unserer gemeinsamenKoalition verabschiedeten Flüchtlingspaketes .Was einleuchtend klingt, ist in der Realität häufigmühsam und auch schwierig umzusetzen . Das Auswärti-ge Amt und auch das Bundesministerium für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung arbeiten schonlange hart an dem Flüchtlingsthema, häufig, ohne dafürin der Öffentlichkeit besonderen Applaus bekommen zuhaben . Dass es seit vielen Jahren auch eine „Internationa-le Klimaschutzinitiative“ des BMUB gibt, werden wahr-scheinlich nur ganz wenige Eingeweihte wissen . Aberauch sie leistet einen ganz wichtigen strategischen Bei-Michael Groß
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trag dazu, Flüchtlingsströme zu vermeiden und gezielt anderen Ursachen anzusetzen .Mit der Klimaschutzinitiative der Bundesregierungwerden Projekte unterstützt, die helfen sollen, den glo-balen Treibhauseffekt zu begrenzen und Menschen dazuzu befähigen, mit den Folgen des Klimawandels besserzurechtzukommen . Zwar gab es Wetterextreme zu allenZeiten, doch sind sich die Forscher weitgehend einig,dass die Erderwärmung Hitzerekorde, lange Dürren,heftige Regenfälle und Stürme häufiger werden lässt. ImSchnitt der vergangenen acht Jahre vertrieben Naturka-tastrophen mehr als 20 Millionen Menschen jährlich ausihrer Heimat . Allein 2015 traf es 19,2 Millionen Men-schen weltweit. Vor Krieg und Gewalt flohen im letztenJahr circa 8,6 Millionen Menschen . Ich denke, allein die-se Zahlen sprechen schon für sich . Die erneute Erhöhungder Mittel für die Internationale Klimaschutzinitiative
im Haushalt der BMUB beträgt knapp 50 MillionenEuro; ich glaube, das tut auch not .Selbstverständlich werden wir in Deutschland un-seren internationalen Verpflichtungen, die wir auch inder Klimaschutzkonferenz in Paris eingegangen sind,nachkommen . Wie auch in den vergangenen Jahren undJahrzehnten werden wir in Deutschland weiterhin unse-rer Führungsrolle und Verantwortung im internationalenKlimaschutz nachkommen . Gut, dass jetzt auch Länderwie China und die USA auf diesem gemeinsamen Wegmit unterwegs sind und gerade in der vergangenen Wo-che das Klimaschutzabkommen von Paris ratifiziert ha-ben . Ich denke, das ist ein gutes Zeichen .
Dass wir die Investitionen in den nächsten Jahrenweiter verstärken müssen, daran kann kein Zweifel be-stehen . Wir müssen dafür aber auch mehr privates Ka-pital mobilisieren. Der von der IKI finanzierte globa-le Klimaschutzfonds ist zum Beispiel ein Mittel dafür .Der Fonds fördert vorrangig Geschäftsbanken und auchNichtbanken-Finanzinstitute wie Leasinggesellschaftenin den Zielländern . Deren Aufgabe ist es, Investitionenfür kleine und mittlere Unternehmen sowie Privatleutein den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energi-en und Maßnahmen zur Treibhausgasvermeidung zu er-möglichen . Hier handelt es sich um einen revolvieren-den Fonds, dessen Kapital durch die Kreditrückzahlungwieder aufgestockt wird . Solchen zusätzlichen Finan-zierungsinstrumenten sollte mehr Beachtung geschenktwerden, da sie eine sich selbst tragende Finanzierungs-struktur beinhalten und das öffentliche Kapital als Risi-kopuffer für private Investitionen dienen kann .
Was den nationalen Klimaschutz betrifft, sind wir gutaufgestellt . Die Nationale Klimaschutzinitiative leisteteinen wichtigen Beitrag zur Erreichung der nationalenZiele . Sie fördert und initiiert Projekte, die zur Senkungder Treibhausgasemissionen beitragen . Innovative Kon-zepte werden erprobt, weiterentwickelt und in die Breitegetragen . Ebenso werden innovative Modellprojekte fürden Klimaschutz vorangebracht . Die Bundesregierunghat sich – es ist schon angesprochen worden – das Zielgesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis95 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken . Da-für sind in der Tat gewaltige Anstrengungen notwendig,bei denen jeder Sektor, ganz gleich, ob Industrie, Verkehroder auch Privathaushalte, seinen Anteil erbringen muss .Über den Weg dahin kann man natürlich trefflich strei-ten; auch das ist heute schon deutlich geworden . MeineFraktion ist der festen Überzeugung, dass in einer sozi-alen Marktwirtschaft auch und gerade der Markt beson-ders berücksichtigt werden muss und man sich nicht al-lein auf das Ordnungsrecht berufen kann . Dass man sichzum Teil auf das Ordnungsrecht beruft, ohne die Chancenvon sozialer Marktwirtschaft mit den Klimaschutzzielenin Einklang bringen zu wollen, halten wir für hochpro-blematisch .In der Gesamtstrategie müssen wir also darauf achten,Markt, Innovation und Wettbewerb in den Blick zu neh-men . Wer, wie im BMUB erfolgt, quasi einen Blick in dieGlaskugel werfen will, um zu schauen, wie im Jahr 2050vernünftige technologische Möglichkeiten aussehenkönnten, der verkennt, glaube ich, dass die technologi-schen Fortschritte erstens sehr viel schneller sind, als wiralle das erwarten, und zweitens in einer Weise erfolgen,wie wir sie aus heutiger Sicht überhaupt nicht abschätzenkönnen . Bill Gates hat sicherlich vor 20 Jahren überhauptnicht erwartet und abschätzen können, wie sich zum Bei-spiel das Internet bis heute entwickelt . Trotzdem „zim-mert“ das BMUB schon jetzt eine Zukunftsvision für dasJahr 2050 . Ich glaube, das ist problematisch .Sehr geehrte Frau Ministerin, so wie es der KollegeGroß gerade schon in einem anderen Bereich angespro-chen hat, gilt auch hier: Bleiben Sie technologieoffen!Wir haben uns auf Ziele verständigt, aber wir müssentechnologisch offen bleiben, wie wir diese Ziele errei-chen können .
Dazu wollen wir als Union gern unseren Beitrag leisten .Ich freue mich auf die kommenden Haushaltsberatun-gen und auf die weiteren guten Ergebnisse, die wir ganzsicher erzielen können .Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegenmir nicht vor .Wir kommen zur Schlussrunde. Um das tun zu kön-nen, bitte ich diejenigen, die uns jetzt verlassen müssen,dies zügig zu tun, und diejenigen, die zu uns kommen,sich in den Fraktionen entsprechend einzuordnen . DasChristian Hirte
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Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg für die CDU/CSU-Fraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Das Fazit dieser Beratungswoche ist, dass viele etwas zuden Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern zu sagen ge-habt haben, ohne im Wahlkampf gewesen zu sein .
Ich rate manchem der Rednerinnen und Redner – die imLandtag vertretenen Parteien haben insgesamt 18 Pro-zentpunkte verloren –, sich mit etwas mehr Demut dasWahlergebnis, auch das eigene Wahlergebnis anzugu-cken und nicht mit dem Finger immer auf den anderen zuzeigen; denn wenn man mit einem Finger auf die anderenzeigt, dann zeigen drei Finger auf einen selbst zurück .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will ein zweitesFazit ziehen, und dafür bin ich als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss dankbar . Ich kannJohannes Kahrs nur beipflichten, wenn er sagt, dass wiruns bemühen werden – aber wir werden uns nicht nur be-mühen; ich gehe fest davon aus –, in einer vernünftigenArt und Weise diesen Haushalt Mitte November in derBereinigungssitzung zu verabschieden . Ich hoffe, dassdanach nicht der Wahlkampf beginnt, sondern dass wirauch im ersten Halbjahr 2017 konstruktiv zusammen-arbeiten werden . An der Union soll es jedenfalls nichtliegen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Haushaltsbe-ratungen wurde immer wieder vom Fetisch der schwarzenNull gesprochen, davon, dass Schäuble das Land kaputt-spart . Lassen Sie uns die letzten Jahre Revue passieren .Deutschland hat die Finanzkrise 2008/2009 und die Pro-bleme im Euro-Raum überstanden . Es ist innerhalb vonnur vier Haushaltsjahren gelungen, die Neuverschuldungvon 86 Milliarden Euro im Jahr 2010 bis 2014 auf nullzu senken, und dies übrigens ohne Steuererhöhung . Dasist für mich kein Selbstzweck, das ist kein Fetisch, son-dern – ich habe zwei Kinder und zwei Enkel – das ist fürmich Generationengerechtigkeit .
Es muss in Deutschland Schluss sein, dass die jetzigenPolitiker auf Kosten der nachfolgenden GenerationenPolitik machen .Ich will den SPD-Parteivorsitzenden und Vizekanzlerzitieren; ich weiß nur nicht immer, in welcher Funktioner gerade spricht .
– Das hat nichts mit gut zu tun, das hat etwas mit Verläss-lichkeit zu tun, Frau Kollegin .
Er hat gesagt:Man sollte solche Entlastungen nicht vor Wahlenankündigen, sondern nach Möglichkeit vor Wahlenmachen .Das Angebot der Union, des Bundesfinanzministeriums,wird in den nächsten Wochen auf dem Tisch liegen:Steuerentlastungen für Familien – Stichwort Kinderfrei-betrag, Grundfreibetrag –, Abbau der kalten Progressionmit einer gesamten Jahreswirkung von über 6 MilliardenEuro . Ich bin hoch gespannt, wie die Bundestagsfraktionder SPD darauf reagiert, insbesondere, wie die SPD-ge-führten Länder darauf reagieren; denn aufgrund der Steu-erverteilung kommen bei einer Entlastung um gut 6 Mil-liarden Euro knapp 3 Milliarden Euro auf den Bund undder Rest auf Länder und Gemeinden zu . Wir werden dieProbe aufs Exempel machen . Ich kann meinem KollegenKahrs nur beipflichten, der in seiner Rede am Dienstaggesagt hat: Wir werden vor den Wahlen Vorschläge aufden Tisch legen, dann schauen wir einmal, ob wir dasgemeinsam für Familien, für niedrige und mittlere Ein-kommen durchkriegen .
Kollege Kindler, Sie haben den vorliegenden Haushalteinen Haushalt der verpassten Chancen genannt .
Wir haben noch nie so viel in Infrastruktur investiert .Norbert Brackmann hat heute Morgen zu Recht gesagt:Wir müssen über Infrastruktur reden . In den Breitband-ausbau werden 4 Milliarden Euro investiert . Liebe Kol-leginnen und Kollegen, ich bin besonders froh, dass dasBreitbandprogramm für die ländlichen Räume ausgelegtist . Es ist nicht für Hamburg oder München ausgelegt,sondern für die Regionen, in denen wir eine Wirtschaft-lichkeitslücke haben . Dieses Thema ist auch für Meck-lenburg-Vorpommern ein Thema . Ich bin fest davonüberzeugt, dass die jungen Leute, wenn sie wissen: „Hierhabe ich einen Internetanschluss, der mit dem in Bal-lungsräumen konkurrenzfähig ist“, eher vor Ort bleiben,ihre Zukunft im ländlichen Raum sehen und nicht weg-ziehen. Ich finde, das Thema Breitbandausbau ist ein Zu-kunftsthema für uns alle .
– Lieber Herr Kollege Freese, ich bin ein bisschenselbstbewusst . Mecklenburg-Vorpommern hat von den1,3 Milliarden Euro 700 Millionen Euro in den erstenVizepräsidentin Petra Pau
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beiden Calls bekommen, und zwar aus zwei wesentli-chen Gründen: erstens, weil die Kommunen, die Land-kreise fit waren, und zweitens, weil sich der für Verkehrund Infrastruktur zuständige Minister Pegel von der SPDnicht ganz dumm angestellt hat . Thomas Jarzombek hates gesagt: Mit 15 Vollzeitstellen kümmert man sich inMecklenburg-Vorpommern um dieses Thema. Ich finde,die Länder, die überhaupt noch keine Förderanträge ge-stellt haben, sollten sich erst einmal so aufstellen, dasssie in der Lage sind, Förderanträge zu stellen – ich meinenicht dich persönlich, Uli – und hier keine Neid- oderMissgunstdebatte führen .
Zur Verkehrsinfrastruktur . Wir werden im BereichStraße irgendwann nur noch ganz wenige Neubaupro-jekte haben. Im Bereich Wasserstraße fließt das Geldinsbesondere aufgrund der Klagen bezüglich Elbe undWeser nicht im notwendigen Maße ab . Deswegen müs-sen wir, glaube ich, eine Debatte darüber führen – ichwill das gleich an einem Beispiel deutlich machen –, wiees uns gelingen kann, schneller Baurecht zu schaffen .Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich konnte im Wahl-kampf keinem erklären, warum bei der Brücke über dieMüritz – Autobahn Berlin–Rostock, A 19 – eine Bauver-zögerung von 18 Monaten eingetreten ist und man fast1 Million Euro in die Hand nehmen musste, damit siebenFledermausarten umziehen konnten . Das kann ich kei-nem erklären . Dann sagen die Leute: Rehberg, erklär unsdas nicht, sondern ändere das; wir verstehen das nicht .Sven Kindler hat behauptet, dass wir bei der Brückensa-nierung hinterherhinken .
Ich sage eines voraus: Gerade bei den alten Bahn-brücken werden die Themen Denkmalschutz und Ar-tenschutz eine Rolle spielen, und wir werden uns wahr-scheinlich dafür entscheiden müssen, die Brücken nichtzu sanieren, sondern Ersatzneubauten zu schaffen – auf-grund des Arten- und Denkmalschutzes . – So sieht es indieser Republik aus . Liebe Kolleginnen und Kollegen,wir sollten wirklich einmal darüber nachdenken, ob dasan dieser Stelle so weitergehen kann .
Es hat sich gelohnt, in Bildung und Forschung zuinvestieren . Wir sind auf Platz 4 von 140 Ländern, wasden Forschungsindikator betrifft . Wir haben mittlerweiledoppelt so viele Patente pro 1 Million Einwohner wie dieUSA . Deswegen ist das wirklich gut angelegtes Geld .Einige Aussagen zogen sich wie ein roter Faden durchdiese Haushaltswoche: Der Bund muss mehr für Kitastun; der Bund muss mehr für Schulen tun; der Bund mussmehr für Hochschulen tun . Wir entlasten Länder undKommunen in dieser Legislaturperiode mit ungebunde-nen Mitteln in Höhe von 35 Milliarden Euro . Wenn ichdie Mittel für die Grundsicherung im Alter dazuzähle,bin ich bei einer Entlastung von 60 Milliarden Euro .Angesichts dessen ist doch die Frage zu stellen: Wa-rum werden die Mittel, die zum Beispiel durch die Ent-lastung beim BAföG frei werden, nicht für ein Schul-sanierungsprogramm genutzt? Es sind auch Fragen imZusammenhang mit dem Investitionsprogramm zur Kin-derbetreuungsfinanzierung – 2013/14 – zu stellen, für dasder Bund 580 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat;denn laut Zahlen des Bundesfamilienministeriums habeneinige Länder gar nichts investiert, und von den 2 Mil-liarden Euro, die von Ländern, Kommunen und freienTrägern investiert wurden, hat allein der Freistaat Bayerndie Hälfte aufgebracht, also 1 Milliarde Euro . Wenn ichdie Investitionen Hessens hinzuzähle, muss ich feststel-len, dass diese beiden großen, unionsgeführten Länder60 Prozent der 2 Milliarden Euro, die insgesamt investiertworden sind, investiert haben. Ich finde es nicht redlich,dass Länder wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom-mern oder Sachsen-Anhalt überhaupt keine Landesmittelbereitgestellt haben .Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Absprache war:ein Drittel Bund, ein Drittel Land, ein Drittel Sonstige .Ich finde, so können wir nicht miteinander umgehen. Eskann auch nicht sein, dass von den Mitteln des jetzigenProgramms, das schon seit Beginn des Jahres 2015 läuft,gerade einmal 8,6 Prozent abgeflossen sind. Ich finde,wenn der Bund Mittel zur Verfügung stellt, dann müssensie auch entsprechend den politischen Absprachen undden Verträgen von den Ländern und Kommunen abge-rufen werden .
Kollege Kindler hat hier eine Verdopplung oder Ver-dreifachung der Mittel für den sozialen Wohnungsbaugefordert .
Wir gaben im letzten Jahr 518 Millionen Euro Bundes-mittel für den sozialen Wohnungsbau aus . Davon hätteman ungefähr 16 000, 17 000 Sozialwohnungen finanzie-ren können . Die politische Absprache war, dass die Län-der ebenfalls 518 Millionen Euro dazugeben . Damit hät-te man 30 000 bis 35 000 neue Sozialwohnungen bauenkönnen . Die Gesamtheit der Länder hat aber nicht einmal15 000 neue Sozialwohnungen gebaut .Wenn ich mir die Situation im Land Berlin, das in denletzten zehn Jahren 330 Millionen Euro Bundesmittelbekommen hat, ansehe, stelle ich fest: Wenn die politi-schen Absprachen eingehalten worden wären, hätte man660 Millionen Euro zur Verfügung gehabt . Davon hätteman rund 120 000 neue Sozialwohnungen bauen können .Das Land Berlin hat aber acht Jahre lang überhaupt keineneuen Sozialwohnungen gebaut, unter Rot-Rot nicht eineeinzige . Erst in den letzten beiden Jahren wurden jeweils1 000 neue Sozialwohnungen gebaut . Aber dann stelltman sich hin, schimpft auf den Bund und auf die hohenMieten . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer in zehnJahren nur 2 000 neue Sozialwohnungen gebaut hat, inder gleichen Zeit aber unter Rot-Rot Zehntausende Woh-nungen privatisiert hat, der muss sich fragen, ob das andieser Stelle redliche Politik ist .
Eckhardt Rehberg
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Noch eine Bemerkung . Berücksichtigt man die1 Milliarde Euro aus den Entflechtungsmitteln und die0,5 Milliarden Euro, die wir für das nächste Jahr nochoben draufpacken, müssten in Deutschland normaler-weise 3 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungs-bau zur Verfügung stehen . Das ist genug Geld für rund100 000 neue Sozialwohnungen . Da braucht man nichtüber die Mietpreisbremse oder andere Dinge zu debattie-ren . Zuerst einmal muss dieses Geld eingesetzt werden,das der Bund zur Verfügung stellt und das die Länder ge-mäß den politischen Absprachen kofinanzieren müssten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mankann ja, wie der Kollege Oppermann,
das Verhalten des Bundes beim Dragoner-Areal kriti-sieren . Nur, dann muss man sich, glaube ich, auch gutinformieren und einmal schauen, was die BIM, die Ber-liner Immobilienmanagement GmbH, als 100-prozenti-ge Tochter des Landes Berlin an dieser Stelle macht . Esgeht um zwei Grundstücke in der Hedwig-Dohm-Straßein Berlin-Schöneberg und um ein Grundstück in Ber-lin-Lichtenberg, insgesamt um gut 32 000 Quadratmeter .Ich zitiere: . . . BIM . . . führt . . . bedingungsfreie Bieterverfahrendurch .Weiter: . . . zu jedem Zeitpunkt und ohne Angabe von Grün-den das Verfahren zu ändern oder zu beenden .Es gibt sogar, obwohl dort gemeinnützige Träger Mietersind, den Hinweis: Ein Teil der Verträge kann jährlich,ein anderer Teil kann mit einer Zwei- bzw . Dreimonats-frist gekündigt werden . Beim Dragoner-Areal war derBieter verpflichtet, die bestehenden Mietverträge fort-zuführen, und es wurden Auflagen zum sozialen Woh-nungsbau gemacht .Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Spiel machejedenfalls ich, machen wir von der Union nicht mit . DerBund wird aufgefordert, möglichst kostenlos Grundstü-cke für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zustellen . Gleichzeitig möchte das Land Berlin im Bieter-verfahren Höchstpreise erzielen bzw . die Grundstücke zuHöchstpreisen verkaufen . Dann werden aber keine neuenSozialwohnungen gebaut, und es wird debattiert, dass dieMieten und die Preise für Baugrundstücke zu hoch sind .Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das ist unred-liche Politik . Das passt nicht zueinander .Herzlichen Dank .
Das Wort hat die Kollegin Dr . Gesine Lötzsch für die
Fraktion Die Linke .
Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her-ren! Sehr geehrter Herr Kollege Rehberg, ich hätte ja garnicht gedacht, dass Sie hier die Koalition, und zwar dieSPD, an einer Stelle kritisieren, an der Sie absolut rechthaben .
Sie haben das Dragoner-Areal angesprochen, HerrKollege Rehberg . Wir haben ja alle gesehen – es wurdein den Medien in Berlin ja auch groß berichtet –, dassder Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Oppermann, ei-nen Wahlkampftermin in Berlin gemacht hat und erklärthat, wie ungerecht das doch alles liefe und man müssedoch Berlin diese Grundstücke günstig zur Verfügungstellen . Der Witz ist nur – gut, dass Sie mir die Gele-genheit geben, das noch einmal klarzustellen –: Als wirim Haushaltausschuss über alle diese Fragen abgestimmthaben – Dragoner-Areal, Großgörschenstraße; das sindja alles Themen, die die Berlinerinnen und Berliner gutkennen –, da hat die SPD gemeinsam mit Ihnen von derCDU/CSU – in dieser Frage sind Sie wenigstens ehrlich,meine Damen und Herren von der CDU/CSU –
immer gegen die Interessen der Berlinerinnen und Ber-liner gestimmt . Jetzt stellen Sie sich auf einem Wahl-kampftermin hin und versuchen, den Eindruck zu erwe-cken, Sie hätten mit dem Bundestag und den Beschlüssendes Bundestages nichts zu tun . Das ist keine ehrlichePolitik . Gut, dass wir das hier noch einmal aussprechenkönnen, meine Damen und Herren .
Ich möchte auf einen Aspekt der Rede von HerrnSchäuble vom Dienstag eingehen, der hier bisher nichtaufgegriffen wurde . Herr Schäuble ist jetzt nicht da; erist bei einem anderen Termin . Aber er hat uns ja einenStellvertreter entsandt, der gut zuhören wird .
– Da gehen die Meinungen in den verschiedenen Frakti-onen wahrscheinlich auseinander . Aber das ist nicht dasThema meiner Rede .Herr Schäuble hat gesagt, die anderen europäischenRegierungen müssten mal ihre Hausaufgaben machen .Das sind Sätze von deutschen Regierungen – leiderwerden da auch viele Bürgerinnen und Bürger aus derBundesrepublik vereinnahmt, die mit solchen Sätzen garnichts zu tun haben –, die in anderen Ländern besonderesschlecht ankommen, und das zu Recht; denn wir habenin der Bundesrepublik Deutschland auch noch eine ganzeMenge zu tun und eine ganze Menge Reformen durchzu-führen, meine Damen und Herren .
Eckhardt Rehberg
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Aber schauen wir uns an zwei verschiedenen Beispie-len einmal an, welche Art Strukturreform denn auch vonDeutschland aus in anderen Ländern durchgesetzt wurde .Es ist ein bisschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeitgeraten, aber blicken wir jetzt einmal nach Griechenland:Da hat doch die Bundesregierung, Herr Schäuble an derSpitze, dafür gesorgt, dass dort Reformen durchgesetztwurden, die eben den Menschen nicht nützen, die dazugeführt haben, dass Renten und Löhne gekürzt wurden,dass die Wirtschaft dramatisch eingebrochen ist und dieJugendarbeitslosigkeit in Griechenland weiter gestiegenist . Man hat Griechenland nicht geholfen, sondern manhat Griechenland geknebelt. Das, finde ich, ist keine guteReform . Wir müssen etwas dagegen tun .
Auf der anderen Seite könnte man ja auch, wennman einen solchen Einfluss hat, in Ländern mithelfen,vernünftige Reformen umzusetzen . Nun ist ja in dieserWoche von mehreren Kollegen, auch von den Regie-rungsfraktionen, darüber geklagt worden, dass Apple inIrland 0,005 Prozent Steuern zahlt, also eine lächerlicheSumme . Hinzufügen muss man, dass Apple durch dieseSteuervermeidungspolitik uns, den deutschen Staat, um250 Millionen Euro Steuern quasi betrogen hat. Ich finde,das sollte man deutlich sagen und erwähnen, dass wir jadie Chance gehabt hätten, auf die Unternehmensteuerpo-litik in Irland Einfluss zu nehmen.Vor einigen Jahren war Irland ja auch in einem so-genannten Rettungsprogramm, unter einem Rettungs-schirm, und es wurde gesagt: Wir werden genau die Be-dingungen formulieren . Wir Linke haben schon damalsgefordert: Es muss dafür gesorgt werden, dass es inner-halb der Europäischen Union nicht möglich ist, dass maneinen Konkurrenzwettbewerb um die niedrigsten Steuernmacht; denn das ist ungerecht nicht nur den anderen Län-dern gegenüber, sondern auch in Irland ungerecht gegen-über der eigenen Bevölkerung . – Da müsste man einmalEinfluss nehmen, meine Damen und Herren.
Allerdings habe ich in der Debatte auch einige Tönevernommen, bei denen ich davon ausgehe, dass wir,wenn wir sie denn in den Haushaltsberatungen umsetzen,doch zu Verbesserungen kommen . Erstes Beispiel: Ge-sundheit . Aus den Reihen der SPD, der Grünen sowieso,unserer Fraktion, aber auch von einigen Kolleginnen undKollegen der CDU haben wir gehört, dass es nicht weiterso sein kann, dass die Krankenkassenbeiträge zum gro-ßen Teil von den Versicherten bezahlt werden . Der Anteilder Arbeitgeber ist ja eingefroren, und die Versichertensollen immer draufzahlen . – Das wäre doch ein gutesgemeinsames Projekt . Lassen Sie uns auch nicht biszur Bundestagswahl warten, so etwas umzusetzen . Wirhaben ein ganzes Jahr Zeit, und dieses Jahr sollten wirnutzen, um die Parität bei den Krankenkassenbeiträgenwiederherzustellen .
Zweites Beispiel . Rente . Auch das war gestern eingroßes Thema . Ich denke, die Menschen haben nach26 Jahren Vereinigung das Recht darauf, dass wir endlichein gleichwertiges Rentensystem in Ost und West haben .Wir können hier auch eine mutige politische Entschei-dung treffen und müssen nicht über Rosinenpickerei oderanderen Unsinn reden . Wir brauchen endlich gleicheRenten in Ost und West, vor allen Dingen brauchen wirwieder ein höheres Rentenniveau, und wir brauchen einesolidarische Mindestrente .
Wenn hier über Steuern gesprochen wird, dann müs-sen wir uns, glaube ich, ehrlich machen . Wir müssendafür sorgen, dass niedrige und mittlere Einkommenentlastet werden . Auf der anderen Seite müssen wir aberauch dafür sorgen, dass endlich eine große Steuerreformdurchgeführt wird, die Kapitaleinkünfte genauso besteu-ert wie Arbeitseinkünfte, die Vermögende nicht längerbegünstigt und die Finanzspekulanten nicht weiter ihreGeschäfte machen lässt . Eine solche Reform würde nichtnur die Mehrheit in unserem Land, sondern auch dieMehrheit in anderen europäischen Ländern begrüßen .Wir haben viel Veränderungsbedarf . Lassen Sie unsgemeinsam eine Gerechtigkeitsoffensive starten! Setzenwir das in den Beratungen zum Haushalt um!Vielen Dank .
Der Kollege Swen Schulz hat für die SPD-Fraktion
das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Tribü-nen! Diese Schlussrunde gibt Gelegenheit, ein Resümeeder Anberatung des Haushaltsplanes 2017 zu ziehen .Ich habe die Debatten aufmerksam verfolgt . Es gibtnatürlich Kritik der Opposition, wie eben von FrauLötzsch . Es wäre ja auch merkwürdig, wenn es anderswäre .
Teilweise ist diese Kritik nicht gerechtfertigt und überzo-gen, teilweise aber auch durchaus erwägenswert .
Da es sich hier um einen Entwurf der Regierung handeltund wir selbstbewusste Parlamentarierinnen und Parla-mentarier sind, werden wir sicher noch das eine oder an-dere ändern und verbessern .Viele Beobachter haben erwartet, dass sich die Koali-tion bei diesen Haushaltsberatungen gewissermaßen aufDr. Gesine Lötzsch
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offener Bühne zerfetzt . Das hat sie insgesamt gesehennicht getan .
Und das ist auch gut so; denn die Bürgerinnen und Bür-ger erwarten mit Recht, dass wir den Bundeshaushaltsachgerecht, ernsthaft und anständig erörtern .Das heißt natürlich nicht, dass wir uns hier andauerndgegenseitig Liebeslieder in die Ohren säuseln, dass wirhier Händchen halten und Ringelreih tanzen . Nein, dieKoalitionsparteien haben unterschiedliche Positionenund vertreten diese auch selbstbewusst und engagiert .Wir sind eben verschiedene Parteien, die um einen ge-meinsamen Haushalt des nächsten Jahres ringen .Wie ist die Lage? Sie ist jedenfalls deutlich besser alsdie verbreitete Stimmung .
Der Haushalt ist eigentlich nachgerade ein Traum: DieInvestitionen steigen, wir haben neue Rekorde bei Bil-dung und Forschung, die Kommunen werden entlastet,auch die sozialen Leistungen steigen – und das alles beiÜberschüssen . Das ist eine Luxussituation, um die unspraktisch die ganze Welt beneidet .
In dieser Situation kommen die unterschiedlichstenVorschläge dafür, wie es weitergehen soll . Ich will hierbetonen: Eine Steuersenkung, die hauptsächlich denSpitzenverdienern nutzt, kommt für uns nicht infrage .
Wir sprechen gerne über eine Entlastung der Bürgerinnenund Bürger, aber drei Dinge müssen klar sein:Erstens muss die Entlastung den unteren und mittlerenEinkommen helfen . Das geht am besten über die Sozi-alabgaben Die nämlich drücken Familien und Durch-schnittsverdiener viel mehr als die Steuern .Zweitens muss eine Entlastung durch eine Belastungder hohen und höchsten Einkommen und Vermögen ge-genfinanziert werden.Drittens dürfen wir nicht damit anfangen, den Haus-halt strukturell in eine Schieflage zu bringen, nur weil dieSteuereinnahmen gerade einmal gut laufen und die Zin-sen niedrig sind . Die Zeiten können sich schnell ändern,und wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, geradewenn die Wirtschaft einmal nicht mehr so brummt .
Mehr noch: Wir müssen heute die Voraussetzungendafür schaffen, dass die Entwicklung gut weitergeht . Wirmüssen in die Zukunft investieren . Wir machen zwar eineMenge – das ist dargestellt worden –, aber da geht nochmehr . Das betrifft auch und gerade Bildungs- und Sozial-investitionen .Viel wird darüber diskutiert, auch in dieser Haus-haltsdebatte, warum die AfD so viel Zuspruch erhält . Eskommt einiges zusammen, die Menschen sind natürlichsehr unterschiedlich . Aber eines ist doch klar: Da spielenauch Sorgen und Abstiegsängste eine Rolle, das Gefühl,dass es nicht gerecht zugeht, dass zu wenig für die nor-malen Menschen getan wird . Was antworten wir? DassAusgrenzung und Hass keine Antworten sind . Das istsehr richtig .Aber wir müssen auch konkret handeln, müssen mitMaßnahmen gegen Kinderarmut, für Alleinerziehende,für Kitas und Schulen, für die ordentliche Bezahlung vonKrankenschwestern und Erziehern, gegen Armut im Al-ter diese Gesellschaft gerechter gestalten .
Es reicht eben nicht, zu sagen, dass es den Menschen imDurchschnitt gut geht, wie ich das hier von der Uniongehört habe .Ich empfehle Ihnen allen, das neue Buch von MarcelFratzscher zu lesen . Er ist der Chef des Deutschen In-stituts für Wirtschaftsforschung, DIW, und nun wahrlichnicht so etwas wie ein linker Spinner . Das Buch heißtVerteilungskampf: Warum Deutschland immer unglei-cher wird. Er legt aus wissenschaftlich-ökonomischerPerspektive dar, dass Deutschland in den letzten Jahr-zehnten ungleicher und ungerechter geworden ist unddass das nicht nur ein soziales und gesellschaftliches,sondern auch ein massives wirtschaftliches Problem ist .Ungerechtigkeit ist eine Wachstumsbremse, meine sehrverehrten Damen und Herren .
Darum habe ich mich sehr gefreut, als die Bundes-kanzlerin in der Generaldebatte gesagt hat, dass der sozi-ale Zusammenhalt unser größtes Pfund ist und dass wirdas Soziale stärken müssen . – Ja, recht hat sie . Aber dasmuss dann auch gemacht werden, da müssen konkreteVerbesserungen her .
Wir Sozialdemokraten fordern das ein, setzen aucheiniges durch, wie den Mindestlohn, den sozialen Woh-nungsbau, die Erhöhung des BAföG, die Mittel für dasProgramm „Soziale Stadt“ und die Mietpreisbremse .Aber lassen Sie es mich so sagen: Ich wünschte, es wäreleichter in der Koalition . Eine soziale und gerechte Ge-sellschaft mit Aufstiegschancen für alle ist die beste Vo-raussetzung für Sicherheit . Das ist doch keine neue Er-kenntnis . Gute Bildung ist die beste Kriminalprävention .Viel Kritik rührt daher, dass sich die Bürgerinnen undBürger nicht mehr sicher fühlen . Natürlich brauchen wirden handlungsfähigen Staat, um Sicherheit, Ordnung undRecht durchzusetzen . Darum stocken wir die Mittel fürdie Bundespolizei auf und machen Einbruchsprävention .Die richtige Antwort ist eine klare, sachliche, lösungs-orientierte Politik .Was nicht hilft, ist, mit irgendwelchen Parolen derAfD hinterherzulaufen und Scheindebatten loszutreten,wie etwa über den Einsatz der Bundeswehr im Innerenoder über die Burka . Natürlich lehnen wir die Burka ab,Swen Schulz
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aber sie hat mit Sicherheit nichts zu tun . Das verunsi-chert die Menschen nur noch mehr und treibt sie in dieArme der Rechtspopulisten . Die CDU in Berlin im aktu-ellen Wahlkampf, namentlich Innensenator Henkel, hatdazu gehörig beigetragen . Es würde mich nicht wundern,wenn er dafür bei den Wahlen die Quittung erhalten undheftig abgestraft würde .Lassen Sie mich dann bei dieser Gelegenheit etwasnäher auf Berlin eingehen. Auch wenn ich offiziell alsSpandauer Abgeordneter geführt werde, spreche ich jetzteinfach einmal als Vertreter Berlins . Zunächst und vor al-lem sage ich Danke . Ein riesiges Dankeschön aus Berlinan die Adresse des Haushaltsausschusses, des DeutschenBundestages, der Bundesregierung und ganz Deutsch-lands dafür, dass die Hauptstadt Berlin so toll unterstütztwird .
Es gibt ja nicht nur den Hauptstadtfinanzierungsver-trag, in dem eine Menge geregelt wird, sondern wirklichjedes Jahr kommt in den Haushaltsberatungen für dieKultur noch ordentlich etwas dazu . Aber auch die Förde-rung der Bildung, der Wissenschaft und der Wirtschaft istaus Berlin gar nicht mehr wegzudenken .So viel Dank aus Berlin ist selten; ich weiß das . Des-wegen beeile ich mich auch, hinzuzufügen: Es darf gernemehr sein, muss es auch . Schließlich leistet Berlin sehrviel für ganz Deutschland . Berlin ist ja nicht nur Haupt-stadt, sondern auch Metropole, Zentrum, Leuchtturm: inder Kultur, in der Wissenschaft, für Start-ups, als Werk-statt für die Zukunft . Wenn Michael Müller RegierenderBürgermeister bleibt, dann geht das auch gut weiter, mei-ne sehr verehrten Damen und Herren .
Ich will aber in diesem Zusammenhang – ich bin beimThema Berlin – zu einem weiteren wichtigen Themakommen, nämlich zur Liegenschaftspolitik des Bundes .Eckhardt Rehberg und Frau Lötzsch hatten sie ja bereitsangesprochen .Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, dieBImA, besitzt auch und gerade in Berlin viele Grundstü-cke und Gebäude, die der Bund nicht braucht . Sie werdenverkauft – nach aktueller Rechtslage zum höchsten Preis .Das ist zwar gut für den Bundeshaushalt, aber schlechtfür die Stadt, weil dann eben keine bezahlbaren Wohnun-gen entstehen bzw . keine stadtverträgliche öffentlicheNutzung möglich ist, sondern private Investoren ihrenGewinn maximieren . Aber bei den Problemen, die wir inBerlin und in anderen Städten haben, darf der Bund dochnicht das Spekulationskarussell beschleunigen, sondernmuss im Gegenteil öffentliche Interessen wahren und dieLiegenschaften zu vernünftigen Preisen an die Kommu-nen veräußern, meine sehr verehrten Damen und Herren .
Das von dir angesprochene Beispiel, lieber EckhardtRehberg, greift allerdings nicht . Denn diese Liegenschaf-ten sind für den Wohnungsbau nicht geeignet . Berlin hatunlängst seine Liegenschaftspolitik geändert und ist da-mit ein Beispiel für den Bund .Die SPD-Bundestagsfraktion hat eindeutig Positionbezogen . Im Haushaltsausschuss haben wir auch ersteSchritte in diese Richtung gemacht, etwa mit Maßnah-men zur Flüchtlingsunterbringung oder der verbilligtenAbgabe von Grundstücken, wenn Sozialwohnungen er-richtet werden .Ich sage aber auch deutlich, Frau Lötzsch: Der Ver-kauf des Dragoner-Areals in Kreuzberg zum Höchstpreiswar ein Fehler .
Lieber Herr Schulz, erlauben Sie eine Zwischenfrage
oder -bemerkung der Kollegin Lay?
Ja, gerne .
Schönen Tag übrigens . Es gab hier nämlich einen
Wechsel . Ich grüße Sie .
Vielen lieben Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulas-
sen, verehrter Herr Kollege . – Ich teile ja Ihre Einschät-
zung, dass sich die Liegenschaftspolitik des Bundes drin-
gend ändern muss und nicht mehr nach dem Höchstgebot
vergeben werden darf, weil das die Spekulation antreibt .
Vielmehr sollten wir mit unserer Liegenschaftspolitik im
Bundestag eine gute Entwicklung beim sozialen Woh-
nungsbau befördern . Auch das Dragoner-Areal muss na-
türlich an die Stadt Berlin gehen .
Aber können Sie mir bitte beantworten, warum ers-
tens Ihre Fraktion im Haushaltsausschuss des Bundes-
tages und hier im Plenum für den Verkauf des Drago-
ner-Areals an einen Großinvestor gestimmt hat, warum
zweitens Ihre Fraktion bei jeder Gelegenheit Anträge der
Linken, aber auch der Grünen, in denen gefordert wurde,
endlich das Vorkaufsrecht der Kommunen einzuführen,
abgelehnt hat? Und drittens: Stimmen Sie mir zu, dass
es doch irgendwie verdächtig ist, wenn die SPD knapp
zwei Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin
plötzlich zu einer späten Einsicht kommt .
Vielen Dank, Frau Lay, für die Zwischenfrage . – Ichkann das aus Ihrer Sicht verstehen . Von der Oppositions-warte aus ist immer alles klar und eindeutig . In Regie-rungsverantwortung in einer Koalition ist das alles im-mer ein bisschen schwieriger .Ich kann nur noch einmal sagen: Die SPD-Bundes-tagsfraktion hat schon länger ihre Position, was die Lie-genschaftspolitik anbetrifft, formuliert . Der Verkauf desDragoner-Areals in Kreuzberg war tatsächlich ein Fehler .Swen Schulz
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Wir versuchen Schritt für Schritt, die Liegenschaftspoli-tik des Bundes zu ändern, und hoffen, dass wir da auchweiterkommen .
Herr Schulz, Sie haben jetzt eine neue Frage oder
Bemerkung provoziert . Erlauben Sie noch eine weitere
Zwischenfrage oder -bemerkung der Kollegin Lisa Paus?
Ja .
Lieber Kollege Swen Schulz, wenn Sie jetzt zu Recht
darauf hinweisen, dass Sie sich im Bund in einer Koali-
tion mit der CDU befinden, und daraus ableiten, dass Sie
keine eigenständigen Gesetzentwürfe einbringen, kön-
nen Sie mir dann erläutern, was es wert ist, wenn doch
nur mit Zustimmung des Koalitionspartners etwas geht,
dass der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfrak-
tion, Herr Oppermann, vor zwei Wochen verkündet hat,
dass die SPD einen Gesetzentwurf einbringen möchte,
um das BImA-Gesetz zu ändern? Können Sie mir bestä-
tigen, dass Herr Oppermann das mit der CDU abgespro-
chen hat, oder könnte es sein, dass das doch Wahlkampf-
geplänkel war?
Nein, das ist kein Wahlkampfgeplänkel unseres Frak-
tionsvorsitzenden, sondern eine klare Positionierung, mit
der er deutlich gemacht hat, wie die SPD-Bundestags-
fraktion zur Liegenschaftspolitik des Bundes steht . Das
ist doch eine klare Ansage und, glaube ich, auch interes-
sant für die Bürgerinnen und Bürger, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren .
Jetzt lassen wir Herrn Schulz zum Ende seiner Rede
kommen .
Ich greife den Faden wieder auf . Der Verkauf des
Dragoner-Areals war ein Fehler, und ich fordere die
Bundesregierung bzw . das Finanzministerium auf, den
Kaufvertrag rückabzuwickeln . Nach dem Einspruch des
Bundesrates besteht die Möglichkeit dazu . Ich glaube,
das wäre ein guter Beitrag .
Noch eine Bemerkung: Lassen Sie die Verfahrensän-
derung beim Verkauf der Bundesimmobilien sein, Herr
Spahn . Die Verknüpfung mit den Flüchtlingskosten ist
nicht sachgerecht .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider bleibt mir
nicht mehr viel Zeit, um, wie ich mir vorgenommen
hatte, ein weiteres wichtiges Thema anzusprechen, näm-
lich den vollständigen Umzug der Bundesregierung von
Bonn nach Berlin .
Jeder weiß – ob hier in Berlin, im Bundestag, in der Bun-
desregierung, in den betroffenen Ministerien, ob in NRW
oder im Grunde auch in Bonn selbst –: Die örtliche Tei-
lung der Bundesregierung ist ein Auslaufmodell .
Die Ministerien ziehen immer mehr Leute nach Berlin,
weil es sinnvoll, praktisch und kostensparend ist . Ich
höre inzwischen auch immer mehr Stimmen aus Nord-
rhein-Westfalen, die sagen: Die Bonner – hallo, Uli
Kelber! – sollen den Ball mal ruhig flachhalten; denen
geht es heute besser als je zuvor .
Es sollen ja gar nicht alle von heute auf morgen um-
ziehen . Es soll auch fair mit den Bediensteten sowie der
Stadt Bonn umgegangen werden . Dazu gehört dann aber
eben auch, dass sich alle ehrlich machen und einen Plan
aufstellen, aus dem hervorgeht, wie Schritt für Schritt der
Komplettumzug vorgenommen und Härten vermieden
werden können .
Und wie Sie zum Ende Ihrer Rede kommen .
Ich wollte gerade zum Schlusssatz kommen . – In die-
sem Sinne freue ich mich auf die weiteren Haushaltsbe-
ratungen .
Herzlichen Dank .
Vielen Dank, Swen Schulz . – Nächste Rednerin: Ekin
Deligöz für Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte zu Beginn meiner Rede auf etwas eingehen,was der Kollege Ralph Brinkhaus zum Auftakt der Haus-haltsdebatte gesagt hat . Er hat gesagt, in diesem Land zuleben, sei wie ein Lottogewinn; nie sei es Deutschlandbesser gegangen .
Deutschland steht gut da; das haben wir in allen Debat-ten mitbekommen . Aber, Herr Brinkhaus, wir sollten unsdavon auch nicht blenden lassen . Nicht alle Menschenin diesem Land sind Lottogewinnerinnen und Lottoge-Swen Schulz
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winner im Brinkhaus’schen Sinn . Es gibt auch noch dieanderen Menschen .
Wer das ausblendet, verzichtet auf jedwede Überlegungdarüber, wie man das alles noch besser machen kann .Das ist doch eigentlich unser Auftrag in diesem Haus:nicht uns selbst zu loben oder zu feiern, wie Sie das tun,indem Sie sich selbst loben und feiern, sondern uns im-mer zu fragen, was wir besser machen können, damit esden Menschen in diesem Land jetzt und später bessergeht, und damit auch nicht aufzuhören .
Unsere Kritik an Ihnen ist ganz eindeutig . Obwohles uns gut geht, obwohl die Wirtschaftsdaten gut sind,obwohl die Zinsen niedrig sind und obwohl die Arbeits-losigkeit niedrig ist, lassen Sie die Menschen im Regenstehen . Die zentralen Probleme packen Sie nicht an . Dasgilt auch für die Große Koalition . Sie machen eine Poli-tik des kleinsten gemeinsamen Nenners . Das heißt, Siemachen nichts entschlossen, Sie führen nichts zu Ende .Wenn überhaupt, fangen Sie die Sachen nur an . Aber beiden Menschen kommt das am Ende nicht an . Das ist diegrößte Schwäche, und das ist unser größter Kritikpunktbei Ihnen .
Wenn Sie mir das nicht glauben, will ich Ihnen zeigen,dass in diesem Land nicht jeder ein Lottogewinner ist .Ich will Ihnen die Bilder dieser Gesellschaft in Erinne-rung rufen, die ich sehe und die uns den Auftrag erteilen,dass noch viel in dieser Gesellschaft zu tun ist . SchauenSie sich einmal junge Familien an . Viele junge Famili-en wissen nicht, wie sie tagtäglich alle Bälle des Alltagsüberhaupt noch in der Luft halten können . Wenn in die-sem Land alleinerziehend zu sein für Hunderttausendebedeutet, dass sie automatisch in Hartz IV landen, wennin diesem Land ein Kind mit einem ausländischen Na-men keine Ausbildungsstelle findet, keine Aufstiegs- undkeine Bildungschancen hat,
wenn in diesem Land, obwohl der Arbeitsmarkt brummt,Langzeitarbeitslose noch immer nicht vom Abstellgleiswegkommen, wenn in diesem Land bei einer Flücht-lingsanerkennungsquote von 47 Prozent leider nochimmer viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber imWarteraum der Integration Platz nehmen müssen, wennin diesem Land Menschen nach einem soliden Arbeits-leben Grundsicherung beziehen anstelle einer höherenRente – das hat auch etwas mit Würde zu tun –, wenn indiesem Land die Kosten für das Gesundheitssystem nichtauf alle Schultern verteilt werden, sondern nur von einemTeil der Menschen finanziert werden,
wenn in diesem Land bezahlbarer Wohnraum schwieri-ger zu kriegen ist, als im Lotto zu gewinnen, dann hat derLottogewinn, von dem Sie reden, diese Menschen nichterreicht . Dann hat dieses Land diese Menschen im Stichgelassen und der Lottogewinn ist an ihnen vorbeigegan-gen .
Herr Brinkhaus, wenn Sie sagen, dass ich das Landschlecht mache und alles dramatisiere, dann frage ichmich, warum Sie das alles gar nicht sehen .
Warum sind wir diejenigen, die das immer thematisie-ren? Warum sehen Sie das alles nicht? Ich mache dasnicht schlecht,
sondern ich mache das, wofür ich gewählt worden bin .Ich übernehme Verantwortung in diesem Land, und zwargenau für diese Menschen, für Menschen, die auf derSchattenseite stehen . Damit sollten wir uns beschäftigen .
Der Ökonom Marcel Fratzscher sagt in seinem Buch:In diesem Land brauchen wir mehr Investitionen in Inte-gration, Infrastruktur und Innovation .
Er sagt: Wir haben eine Investitionslücke von 100 Mil-liarden Euro . – Was ist Ihre Antwort? Eine Investitions-quote von noch nicht einmal 10 Prozent; die wird in dennächsten Jahren auf 8,8 Prozent zurückgehen . Von einerInvestitionsoffensive kann man hier wahrlich nicht spre-chen, sondern eher von einem großen Stillstand dort, wowir Investitionen am meisten bräuchten .Kollege Schulz, als ich Ihrer Rede zugehört habe,konnte ich an ganz vielen Stellen sagen: Ja, genau, Siehaben vollkommen recht . Dann stellte sich mir aber eineFrage – es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Ih-nen und mir; ich sitze in der Opposition, Ihre Partei sitztin der Regierung –: Warum setzen Sie Ihre Vorschlägedenn nicht um? Warum kämpfen Sie nicht dafür in derKoalition?
Dieser Haushalt ist ein Haushalt der verpassten Chan-cen . Er ist kein Haushalt, der dafür sorgt, dass es unsauch in Zukunft gut geht .
Wenn Sie jetzt von Entlastungen reden, dann kannich Ihnen nur sagen: Schön guten Tag, darüber reden wirdoch die ganze Zeit! – Es geht nämlich um Entlastun-gen dort, wo wir Entlastungen am meisten brauchen, imEkin Deligöz
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Alltag, im Leben der Menschen . Ja, wir brauchen guteSchulen, um Kindern auch morgen den sozialen Aufstiegzu ermöglichen . Ja, wir brauchen die Investitionen dort,wo der Schuh drückt . Dazu zählen Investitionen in be-zahlbare Wohnungen, dazu gehört auch eine Garantie-rente, um Altersarmut in diesem Land zu bekämpfen undMenschen aus der Grundsicherung herauszuholen . Ja,wir wollen Alleinerziehende nicht alleine lassen .
Ihre Vorschläge dazu sind im Moment nur verbal . De fac-to sehen wir nichts in Ihrem Haushalt .
Ja, wir kämpfen in diesem Land nach wie vor fürsaubere Energiequellen und Klimaschutz . Wir legen dasThema nicht ad acta, weil es um Lebensqualität für dieMenschen in diesem Land geht, weil es um gutes Lebengeht . Ja, dafür setzen wir uns ein .Wenn Sie immer noch glauben, Sie könnten sich zu-rücklehnen, weil Deutschland ein Land der Lottogewin-nerinnen und Lottogewinner sei, dann kann ich Ihnen nurantworten: Das ist bequem, aber das zeugt von einer ver-dammt verzerrten Wahrnehmung der Realität in diesemLand .
Deshalb: Lehnen Sie unsere Anträge nicht gleich ab .Das, was wir Ihnen vorschlagen, wird in diesem Land fürAufbruch stehen . Das wird aber auch für eine bodenstän-dige Politik stehen, die Verantwortung übernimmt . Dasist die grüne Idee . Darauf würden wir gerne mit Ihnenhinarbeiten .
Vielen Dank, Ekin Deligöz . – Nächster Redner: Parla-
mentarischer Staatssekretär Jens Spahn .
J
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Damit mir nicht das Gleiche passiert wie dem KollegenSchulz, dass ich nämlich vor lauter Berliner Wahlkampfgar nicht zum Eigentlichen komme, beginne ich mit demGrundsätzlichen und gehe dann auf ein paar Punkte ein .Seitdem ich vor etwa 20 Jahren in die Junge Unioneingetreten bin,
habe ich immer dafür gekämpft, dass das Schuldenma-chen, das Leben auf Kosten nachfolgender Generationenendlich aufhört . Die Bundesrepublik Deutschland – dasist nicht irgendwer; das sind am Ende alle Bürger diesesStaates zusammen – hat 45 Jahre lang jedes Jahr Schul-den gemacht; das ist länger, als ich auf der Welt bin . AmEnde gab es immer einen guten Grund, warum man ge-nau jetzt doch Schulden machen müsste, egal wie gutoder wie schlecht die Situation gerade war .Wenn wir einmal schauen, wo wir jetzt stehen, dannstellen wir fest: Im Jahr 2014 haben wir zwar noch mitSchulden geplant, konnten das Jahr aber mit einemÜberschuss abschließen . Wir haben übrigens dann auchSchulden getilgt . Wir haben 2015, also das letzte Jahr,mit fast 13 Milliarden Euro Überschuss abgeschlossen .Das ist ein historischer Überschuss gewesen . Das mussman sich auch immer wieder einmal vergegenwärtigen .Das Jahr 2016 läuft gut . Das lässt sich nicht anders sa-gen . Auch in diesem Jahr wird es gut aussehen . Und derHaushaltsplan, den wir hier vorliegen haben und den wirin den nächsten Wochen weiter beraten, sieht auch fürdas Jahr 2017 und in der Finanzplanung bis 2020 kei-ne neuen Schulden vor . Das ist, liebe Kolleginnen undKollegen, relativ einmalig in unserer gesamtdeutschenGeschichte . Das ist historisch, das ist ziemlich einmaligin Europa und in der Welt für ein Land dieser Größe . Ichfinde, das ist etwas, das man in der Schlussrunde einersolchen Woche einmal herausarbeiten darf und worüberman sich freuen darf .
Das ist am Ende auch kein Fetisch oder Grützebrei,wie ich im Laufe der Woche auch in einer Debatte hiergehört habe, sondern wir machen das aus guten Gründen .Ich will drei nennen:Staatsverschuldung ist immer ein Verschieben vonLasten in die Zukunft . Im Zweifel gibt es immer einenguten Grund, warum man das gerade jetzt machen muss .Diejenigen aber, die das später bezahlen müssen, hat mannie gefragt . Das ist übrigens der Unterschied zum priva-ten Kredit . Ein solcher Kredit geht nicht zulasten Dritter,wo ein anderer für das bezahlt, wofür man Schulden auf-genommen hat .Zum Zweiten schränkt die Staatsverschuldung immerdie Spielräume für folgende Generationen ein, weil na-türlich durch die Zinszahlungen am Ende Gelder belegtsind, die dann nicht mehr für etwas anderes zur Verfü-gung stehen . Ja, im Moment hilft die Phase der niedrigenZinsen, ohne Zweifel . Natürlich hat das auch Spielräumebei uns im Haushalt möglich gemacht . Das ist im Übri-gen auch das, Frau Kollegin Lötzsch, was der Ministergemeint hat, als er in seiner Eingangsrede sagte, die Um-stände seien günstig .Ich kann Ihnen sagen: Andere Länder in Europa habenauch diese günstigen Zinsen . Manch eines dieser Länderprofitiert natürlich davon, dass wir in Deutschland undin noch einigen anderen Ländern mit einer guten wirt-schaftlichen Situation insgesamt mithelfen, das Zinsni-veau so niedrig zu halten . Wenn bestimmte Länder – dasist ausgerechnet worden – ihre ersparten Zinsen genutzthätten – das macht natürlich bei Ländern mit sehr vielhöherer Staatsverschuldung auch entsprechend mehraus –, wären sie nach elf bis zwölf Jahren schuldenfreigewesen .Ekin Deligöz
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Es gibt im Übrigen selbst in Deutschland ein Beispieldafür, wie unterschiedlich man mit dieser Situation um-gehen kann . Nehmen Sie mein Heimatbundesland Nord-rhein-Westfalen .
Auch da sind die Steuereinnahmen hoch und die Zinsenniedrig . Da wird aber nach dem Motto vorgegangen: DieZinsen sind niedrig, wir hauen noch einmal richtig ei-nen raus! Beide Beispiele zeigen: Es macht einen Unter-schied, wer den Finanzminister stellt und welche Finanz-politik gemacht wird . Und genau das hat die Debatte indieser Woche auch gezeigt .
Es gibt einen dritten Grund, warum wir keine weitereErhöhung der Staatsverschuldung wollen . Hier geht esum die Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähig-keit für den Fall, dass Schocks, Veränderungen, Rezessi-onen oder weltweite Krisen vor der Tür stehen . Es gehtuns – darüber ist hier ja gerade diskutiert worden; ichgehe gleich auch noch einmal darauf ein – gut wie lan-ge nicht . Die Löhne steigen, die Renten steigen so starkwie seit 23 Jahren nicht mehr, die staatliche Nachfrageist hoch wie lange nicht mehr, weil der Bund sowie alleLänder und Kommunen gut dastehen . Die Binnennach-frage, die in den letzten Jahren gestiegen ist – das ist fürDeutschland etwas Neues –, trägt also zum ersten Maldas Wachstum mit . In einer solchen Situation kann selbstder überzeugteste linkeste Keynesianer nicht auf die Ideekommen, dass das die Zeit sei, um Schulden zu machen .
Die Frage ist doch: Wann sollen wir denn mit dem Schul-denmachen aufhören, wenn nicht in einer Zeit wie dieser?Wann, wenn nicht jetzt? Es geht darum, das Pulver fürschlechtere Zeiten trockenzuhalten; denn diese werdenirgendwann wieder kommen . Das ist im Leben immer so .Auch für die wirtschaftliche Entwicklung gilt das .Ich verstehe im Übrigen nicht die Logik, die hinterden internationalen Forderungen an Deutschland steckt –gerade jetzt auch wieder auf dem G 20-Gipfel –, dass wirdoch unsere fiskalischen Möglichkeiten nutzen sollten,um Impulse zu setzen . Ich glaube nicht daran, dass, wennwir uns jetzt verschulden, um zusätzliche Ausgaben zumachen, es am Ende die italienische oder griechischeWirtschaft nach vorne bringen wird . Es geht nicht da-rum – auch das ist bei der Debatte auf dem G 20-Gipfeldeutlich geworden –, die Probleme, die wegen Schuldenentstanden sind, mit neuen Schulden zu bekämpfen . Esgeht darum, dass wir in Europa insgesamt wettbewerbs-fähiger werden . Dafür braucht es Strukturreformen . Da-rum, Frau Kollegin Lötzsch, geht es übrigens auch beiden Dingen, die in Griechenland zu tun sind, wofür wirja auch mit Griechenland ein gemeinsames Programmentwickelt haben .
Obwohl wir sagen, dass wir keine neuen Schuldenmachen, um all dieses möglich zu machen, können wirgestalten . Wir haben Spielräume, weil wir wachsendeEinnahmen haben: gut 328 Milliarden Euro Einnah-men und Ausgaben im nächsten Jahr . Damit können wirSchwerpunkte setzen, und genau darüber ist im Laufedieser Woche ja auch diskutiert worden, gerade heuteMorgen noch beim Etat für Bauen und Verkehr . Bei denAusgaben für die Bereiche Straße und Schiene haben wirin dieser Legislaturperiode – das ist schon ein ziemlichesWort – eine Steigerung in Höhe von 25 Prozent . DenBreitbandausbau werden wir in den nächsten vier Jahrenmit 4 Milliarden Euro fördern .Das Spannende ist ja – dies ist eine neue Situation; inder Debatte wurde gerade schon darauf hingewiesen –,dass im Moment auch gar nicht mehr geht . Selbst wennsie uns 5 oder 10 Milliarden Euro zusätzlich für Baupro-jekte des Bundes zur Verfügung stellen würden, könntenwir sie im Moment gar nicht verbauen . Es scheitert imMoment nicht am Geld, sondern an baureifen Projekten,also an den Planungskapazitäten . Es müsste uns eigent-lich ziemlich umtreiben, wenn daran am Ende das Bauenscheitert . Es ist gut, wenn wir auf allen Ebenen kreativdaran arbeiten, das zu verändern, liebe Kolleginnen undKollegen .
Ein weiterer Schwerpunkt sind alle Maßnahmen rundum die Integration insbesondere der Flüchtlinge, die füreine bestimmte längere Zeit hier bei uns in Deutschlandbleiben werden . Darunter sind in großer Zahl viele jungeMänner . Auch darüber hat man schon öfter diskutiert . Ichsage immer – das war jedenfalls bei mir daheim im Dorfso –: Junge Männer in Gruppen ohne Aufgabe bringenÄrger, egal ob sie deutsch, syrisch, albanisch oder bri-tisch sind . Deswegen geht es darum, wie wir diesen Men-schen möglichst schnell eine Perspektive, eine Aufgabegeben können, sodass es klar für sie wird, wie es weiter-geht . Es geht darum, wie wir es mit Sprachkursen, mitIntegrationskursen, mit Arbeitsmarktmaßnahmen, auchfür diejenigen, die eben nicht Ärzte oder Ingenieure sind,möglich machen können, dass sie für sich eine Aufgabe,eine Perspektive finden.Wir merken: Das Geld ist da . Viele Milliarden Eurosind in den unterschiedlichen Haushalten, um das zu tun .Wir merken aber auch: Das umzusetzen vor Ort – dasbekommt jeder in seinem Wahlkreis mit –, ist unendlichviel mühsamer, weil es natürlich konkreter Projekte zurUmsetzung bedarf . Wenn es konkret wird, wird es meis-tens schwierig . Aber die entscheidende Botschaft ist –ich finde, auch die sollten wir deutlich machen –: Dasnötige Geld ist da . Wir arbeiten an den Strukturen – siesind schon deutlich anders als noch vor sechs oder neunMonaten –, um diese große Aufgabe zu meistern; dennwir wollen, dass an dieser Stelle Integration nicht nur,aber auch in den Arbeitsmarkt sowie insgesamt in die-se Gesellschaft gelingt . Auch das bildet sich in diesemHaushalt ab, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Wir haben große Aufwüchse – darauf ist schon hin-gewiesen worden – beispielsweise bei der inneren Si- Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF
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cherheit, bei der Frage der Fluchtursachenbekämpfungoder auch beim Verteidigungsministerium . Aber einsmüssen wir auch gemeinsam feststellen – da komme ichzu dem, was gerade diskutiert wurde –: Es gibt auch einpaar Abers in diesem Haushalt; ein Aber ist die Frageder Sozialquote, die mit dem, was wir gemacht haben,verbunden ist . Ich wundere mich in der Tat darüber, wel-ches Bild hier gezeichnet wird, auch von denjenigen, dieUnterstützung brauchen . Ich will nur mit ein paar Punk-ten verdeutlichen, was wir alles in den letzten Jahren ge-macht haben: BAföG erhöht, Wohngeld erhöht, Hartz IVerhöht, Kindergeld erhöht, Kitaausbau vorangetrieben,Pflegeleistungen massiv ausgebaut.Ja, natürlich sind nicht alle Lottogewinner, wenn manes wortwörtlich nehmen will; so hat es aber, glaube ich,der Kollege Brinkhaus gar nicht gemeint .
Vielmehr geht es bei uns in Deutschland um einen rela-tiven Armutsbegriff . Es geht am Ende immer um relativeArmut, nicht um absolute Armut im Sinne von „nichts zuessen“ oder „kein Dach über dem Kopf“ – natürlich istauch das ein Problem; darüber brauchen wir gar nicht zudiskutieren . Aber dass wir eines der besten Gesundheits-systeme der Welt haben, das selbst denen, die nicht vielhaben, eine gute Versorgung sichert, dass wir unter ande-rem mit all den Maßnahmen, die ich gerade aufgezählthabe, auch denen, die es schwer haben, mehr Unterstüt-zung geben, als sie in den meisten anderen Ländern derWelt bekämen, könnten Sie ja einmal anerkennen . Genaudiese Unterstützungsleistung findet sich auch in diesemBundeshaushalt wieder .
Insofern sollten Sie auch da kein Zerrbild der Situationzeichnen, die wir hier im Land haben .Mehr kann immer geleistet werden; das ist überhauptkeine Frage . Trotzdem müssen wir darauf achten, dassdie Balance stimmt . Wir hatten 2013 im Bundeshaushaltfür Sozialausgaben 145 Milliarden Euro vorgesehen .Nach der Finanzplanung werden es 2020 187 MilliardenEuro sein .
Das heißt, wir haben bei den Sozialausgaben allein schonin diesem kurzen Zeitraum eine Steigerung um über40 Milliarden Euro .Wenn man die Zinsausgaben herausrechnet, stelltman fest: 1990 wurden von 100 Euro 30 Euro für So-ziales ausgegeben . 1990! 2017 werden es von 100 Euro55 Euro sein, die wir für Soziales ausgeben, 2020 in derEntwicklung 57 Euro. Ich finde, da kann keiner sagen –wir sollten diesen Eindruck in der öffentlichen Debatteauch nicht erwecken –, dass wir gerade in diesem Haus-halt keinen Schwerpunkt im Bereich Soziales mit vielGeld und vielen Maßnahmen setzen . Man kann immerdarüber reden, wie etwas effizienter geht. Aber fest steht:Solche Geldsummen, die da zur Verfügung stehen, gibtes in wenigen Ländern auf der Welt . Da sollten wir denMenschen auch nichts anderes einreden .
Wir sind ein Sozialstaat auf hohem Niveau, und das wirdan diesen Zahlen deutlich .Wir müssen aber tatsächlich aufpassen, dass das nichtdazu führt, dass wir am Ende keine Spielräume mehrhaben, etwa für Investitionen in die Zukunft und andereMaßnahmen, die wichtig sind . Im Übrigen sagt das auchHerr Professor Fratzscher, der hier ja mehrfach zitiertwurde .Ich weiß nicht, ob alle sein Buch gelesen haben . Beimgenauen Lesen seines Buches sieht man, dass er konsta-tiert, dass die Einkommensungleichheit in Deutschlandin den letzten Jahren zurückgegangen ist, weil sich beisinkender Arbeitslosigkeit, bei 43 Millionen Erwerbs-tätigen, bei steigenden Löhnen und Renten die Scherezwischen Arm und Reich wieder schließt . Wir solltenaufhören, ständig das Märchen von der wachsenden Ein-kommensungleichheit zu erzählen; vielmehr sollten wireinfach einmal sagen, dass es gut gelaufen ist, übrigensauch wegen der Reformen, die hier gemeinsam beschlos-sen worden sind .
Noch ein Wort zum Thema Ostrenten, weil das gera-de angesprochen worden ist – einmal mehr, ich habe dieDebatte darüber in dieser Woche ja verfolgt . Es gab inden letzten Jahren jedes Jahr Steigerungen der Ostren-ten, die höher als die im Westen waren, weil die Lohn-entwicklung entsprechend war . Es gab übrigens auch dajedes Jahr Diskussionen zwischen Ost und West, weil dieMenschen das natürlich wahrnehmen . Außerdem habenwir eine Höherwertung der Einkommen .
Wir haben bei der Umrechnung eine Höherwertung derBeiträge, die in Ostdeutschland gezahlt werden .Jetzt schauen wir aber mal, wie die Einkommensun-terschiede insgesamt in Deutschland sind . Sie sind auchzwischen dem Bayerischen Wald und der Eifel einerseitsund Hamburg oder Stuttgart andererseits deutlich . Des-wegen müssen wir sehr aufpassen – ich weiß, Sie sind amEnde eine Ostpartei, eine Regionalpartei –, dass wir dieSpaltung in diesem Land mit der Debatte, so wie Sie siebei diesem Thema führen, nicht noch weiter vergrößern;
denn alles, was wir im Osten tun, wird natürlich im Wes-ten wahrgenommen und umgekehrt . Deswegen geht esdarum, das in der Sache zu diskutieren und nicht so, wieSie das hier einmal mehr gemacht haben .
Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF
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Das bringt mich abschließend, Frau Präsidentin, zuder Frage der Spielräume; auch das Wort ist in dieserWoche mit Blick auf die Zukunft oft gefallen .Zunächst: Ich habe schon bei vielen Etatdebatten er-lebt, dass beim Wort „Spielräume“ viele Augen leuchte-ten, weil natürlich viele schon Ideen hatten, was man mitmöglicherweise zukünftig vorhandenem Geld machenkann . Ich will nur darauf hinweisen: Dieses Jahr läuftgut und schließt wahrscheinlich auch sehr gut ab, aberwir haben in der Finanzplanung für 2018 noch eine soge-nannte globale Minderausgabe in Höhe von etwa 5 Mil-liarden Euro . Das heißt, wir müssen noch miteinanderdefinieren, wie wir sie entweder durch Mehreinnahmen –das kann vielleicht gelingen – oder durch Ausgabenkür-zungen auflösen. Also: Wir brauchen Spielraum dafür.Dann stellt sich die Frage – die Debatte darüber ist jain vollem Gange –, ob man den Spielraum nicht dafürnutzt, um die Steuern zu senken . Ich habe gerade daraufhingewiesen, welche Steigerungen wir im Bereich derSozialausgaben in den letzten Jahren gehabt haben, alsofür die, die es nicht so leicht hatten . Dass wir jetzt aucheinmal diejenigen in den Blick nehmen, die den ganzenLaden am Laufen halten, die hart arbeiten, die Kranken-schwestern, die Polizisten, die Facharbeiter und all dieanderen, schadet, glaube ich, in der Debatte über die Fra-ge „Wozu nutzen wir Spielräume?“ auch nicht . Deswe-gen ist „Steuern senken“
ein Thema, das sich genau in diese Debatte um sozialeGerechtigkeit einfügt, liebe Kolleginnen und Kollegen .
Es beginnt in einem ersten Schritt, jetzt diskutiert,wenn es gut läuft und der Deutsche Bundestag das mituns machen möchte, bei der kalten Progression, beimKinder- und Grundfreibetrag . Wir wollen Ihnen vorschla-gen, entsprechende Anpassungen jetzt vorzunehmen; inbestimmtem Umfang müssen wir es ja auch .In einem zweiten Schritt geht es darum – die Debat-te haben der Minister und andere in dieser Woche auf-gebracht –, wie wir, ohne Schulden machen zu müssen,Spielräume in der Zukunft für entsprechende Steuersen-kungen nutzen .Zusammenfassend, liebe Kolleginnen und liebe Kol-legen: Deutschland geht es gut wie nie . Die Umständesind gut . Man muss die Umstände aber auch nutzen; da-rauf habe ich hingewiesen . Diese guten Umstände sindwie ein heißes Eisen . Man muss es schmieden und darausetwas formen, was auch in der Zukunft trägt, solange esheiß ist; denn wenn es wieder kalt ist – das sind im Zwei-fel die schlechteren Umstände –, ist es unendlich vielschwieriger, etwas zu verändern . In diesem Sinne freueich mich auf die Haushaltsberatungen .
Vielen Dank, Kollege Spahn . – Der nächste Redner in
der Debatte: Michael Leutert für die Linke .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Spahn, ich weiß, dass Sie bzw . der Finanz-minister in die schwarze Null verliebt sind;
aber immer wieder zu versuchen, uns dann, wenn wir daskritisieren, in die Schuldenecke zu stellen, das halte ichnicht für redlich .
Ich kann es hier nur noch einmal betonen: Unser Mar-kenzeichen und das, was wir wollen, ist eine sozial ge-rechte Einnahmeseite . Wir wollen ein sozial gerechtesSteuersystem und wollen das Geld dort abholen, wo esherumliegt . Darum geht es und nicht darum, neue Schul-den zu machen .
Man merkt: Das ist Ihr letzter Etat in dieser Legislatur .Ich hoffe, nicht bloß in dieser Legislatur, sondern gene-rell der letzte Etat, den Sie vorlegen .
Man merkt schon: Da besteht Unruhe . Wir sind im Wahl-kampf . – Das merkt man im Übrigen nicht bloß an denReden, die hier gehalten werden, sondern man merkt esauch an den Zahlen . Da gibt es für die CDU/CSU einenkräftigen Aufwuchs im Verteidigungsbereich . Für dieSPD gibt es einen kräftigen Aufwuchs im Sozialbereich .Das sind Sachen, die Sie sich zugeschoben haben, um dieKlientel ein bisschen zu beruhigen .Wenn man sich das dann im Detail anschaut: Hartz IVin der heutigen Zeit um 5 Euro zu erhöhen, das halte ichfür einen absoluten Witz . Davon kann man sich nichtmal ein Waschpulver kaufen oder ins Kino gehen oderirgendetwas in diese Richtung machen . Diese Erhöhungwird beim Wähler nicht so ankommen, wie Sie sich dasvielleicht vorstellen; das kann ich Ihnen schon mal sagen .
Hinzu kommen noch die großen Ankündigungen .Heute lesen wir in der Presse: Bundesminister Schäublesagt für die nächste Legislaturperiode eine Steuerreformund Entlastungen um 15 Milliarden Euro voraus . – Dafrage ich mich: Erstens . Sie hatten drei Jahre Zeit, das zutun . Warum haben Sie es nicht gemacht? Zweitens . In dernächsten Legislaturperiode regieren Sie gar nicht mehr .Wie können Sie denn so etwas dem Wähler versprechen?Sie wollen die Leute verschaukeln, und ich sage Ihnen:Die Leute merken das .
Jens Spahn, Parl. Staatssekretär BMF
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Natürlich: Einiges muss man auch positiv sehen . Wirhaben gestern den Familienetat debattiert . Dabei habenwir auch die Erhöhung des Kindergeldes angesprochen .Heute schlägt man die Zeitung auf, und siehe da, manerfährt: Schon nächste Woche soll vom Kabinett ein Ge-setzentwurf besprochen und beschlossen werden, dereine Erhöhung des Kindergeldes vorsieht . Dass wir alsOpposition so eine Wirkung haben, hätte ich ja überhauptnicht gedacht . Allerdings gibt es, was die Höhe angeht –2 Euro Kindergelderhöhung –, glaube ich, ein Missver-ständnis .
Das sind im Jahr 24 Euro . Davon können Sie für dieKinder, die neu in die Schule kommen oder das nächs-te Schuljahr beginnen, nicht einmal Turnschuhe kaufen .Wenn das Ihre Kindergelderhöhung ist, dann muss ichsagen: Das halte ich für absurd .Bevor Sie solche Aktionen starten, könnte man sichdoch vielleicht auf etwas anderes einigen, was wir ges-tern nämlich auch angesprochen haben und was unsLinken wichtig ist . Warum gibt es eine Abstufung beimKindergeld – für die ersten beiden Kinder 190 Euro, fürdas dritte 196 Euro und ab dem vierten 221 Euro? Wa-rum wird nicht für alle Kinder das gleiche Kindergeld ge-zahlt? Wir sind der Meinung: Jedes Kind muss uns gleichviel wert sein . Das wäre eine erste wichtige Maßnahme .
Unterm Strich muss man feststellen: Sie wollen hierAlmosen verteilen . Sie versuchen, damit Wahlkampf zumachen . Sie werden aber damit keine Wahlen gewinnen .Wir als Linke wollen ein wirklich soziales und gerechtesLand haben . Dieser Haushalt, den Sie hier vorgelegt ha-ben, ist dazu kein Beitrag .
Das war es schon? Das passiert selten . Das müssen
wir ins Protokoll aufnehmen .
Jetzt war ich etwas überrascht . Danke schön, Kollege
Leutert .
– Gut, Sie haben alles gesagt .
Dann rufe ich Ulrike Gottschalck für die SPD als
nächste Rednerin auf .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich habe mir in Vorbereitung meiner heutigenRede noch einmal die Erfolge der GroKo in den letztendrei Jahren angeschaut . Und ich muss sagen: Ich bin sehrstolz darauf, was uns gemeinsam mit den Kolleginnenund Kollegen von SPD und Union gelungen ist, was wirerreicht haben für die Menschen bei uns im Land .
Die derzeitige Opposition ergießt sich ja gerne inWeltuntergangsszenarien . Wir konnten es gerade ebenbei Ekin Deligöz wieder erleben. „Nach-mir-die-Sintflut-Haushalt“ kam, glaube ich, von den Linken . „Haushaltder verpassten Chancen“ kam mehrfach von den Grünen .Dann sitzt man da und denkt: Donnerwetter, jetzt kommtgleich eine tolle Rede, wo sie uns irgendetwas um dieOhren schlagen . – Aber es kommt nichts . Es gibt außerWorthülsen keine ernstzunehmenden Alternativen vonder Opposition .
Wir Sozis haben das zu Oppositionszeiten anders ge-macht . Wir haben hart an Konzepten für DeutschlandsZukunft gearbeitet, haben dann gut in den Koalitions-gesprächen verhandelt, und nun setzen wir einen Punktnach dem anderen um . Und, meine sehr geehrten Damenund Herren, wir haben gesagt, wir wollen miteinanderdie Kommunen stark machen . Genau das haben wir ge-macht . Bis zum Jahr 2017 werden die Kommunen um35 Milliarden Euro entlastet sein . Das tut vielen Men-schen in unserem Land gut . Versprochen . Gehalten .
Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander für guteund faire Arbeit sorgen . Mit dem Mindestlohngesetz –wir haben es eben schon gehört – haben wir Millionenvon Menschen wieder Würde und ihrer Arbeit wiederWert gegeben . Und, meine sehr geehrten Damen undHerren, wir haben die Tarifbindung gestärkt . Millionenvon Beschäftigten profitieren. Versprochen. Gehalten.Der Wirtschaftsminister hat gestern in seiner Rede be-richtet, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigenArbeitsplätze steigt und dass die Beschäftigten seit Be-ginn der Legislaturperiode im Schnitt 1 000 Euro mehrim Geldbeutel haben . Auch das ist gut und richtig so,meine sehr geehrten Damen und Herren .Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander Chancen-gleichheit für Frauen und Männer garantieren . Mit derQuote haben wir dafür gesorgt, dass Frauen auch in denFührungsetagen mitentscheiden . Mit dem ElterngeldPlus können Frauen und Männer partnerschaftliche Le-bensmodelle verwirklichen und können sich auf guteBildungs- und Betreuungsangebote verlassen . Verspro-chen . Gehalten . Auch das Lohngerechtigkeitsgesetz wirdumgesetzt; denn Frauen müssen selbstverständlich dengleichen Lohn wie Männer bekommen .
Wir haben gesagt: Wir wollen miteinander für einesoziale und inklusive Gesellschaft arbeiten . Mit demRentenpaket haben wir Gerechtigkeitslücken geschlos-sen . Wir haben die Kosten für das BAföG – der KollegeSchulz hat es angesprochen – vollständig übernommenund es um 7 Prozent erhöht .Michael Leutert
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Gerade in diesem Haushalt erhöhen wir die Mittelbeim Kitaausbau und bei den Sprachkitas noch einmalordentlich . Wir haben die Mittel für den sozialen Woh-nungsbau verdoppelt und die Mietpreisbremse einge-führt . Versprochen . Gehalten . Und Sie sagen allen Erns-tes, wir würden nichts machen und es wäre der Haushaltder verpassten Chancen. Ich finde, das geht schon fast insLächerliche .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das nächsteProjekt ist gerade in Arbeit: das Bundesteilhabegesetz .Auch hier können Sie sich darauf verlassen, dass das einGesetz wird, das den Namen „Teilhabe“ wirklich ver-dient .Ich könnte diese Positivliste gerne noch weiterführenund noch wichtige Punkte hinzufügen . Aber mit Rück-sicht auf den Gemütszustand der Opposition lasse ichdas .
Nur so viel: Wir haben das alles gemeinsam mit unse-ren Kolleginnen und Kollegen der Union hinbekommen,trotz der Herausforderungen der Flüchtlingskrise im letz-ten Jahr . Wenn die Kanzlerin gesagt hat: „Wir schaffendas“, dann teile ich diesen Satz, füge aber hinzu: Wirmüssen das auch schaffen, denn wir haben gar keineAlternative . Um das zu schaffen, müssen wir in diesemHaushaltsentwurf eventuell an einigen Stellschraubendrehen und ihn ein Stück weit optimieren . Aber ich binmir sehr sicher, Herr Spahn, dass es uns im parlamenta-rischen Verfahren in großer Einmütigkeit gelingt, diesenvorliegenden Haushaltsentwurf weiter zu verbessern .Meine sehr geehrten Damen und Herren, für ein sozi-ales Miteinander könnten wir Sozis uns noch viele wei-tere Projekte vorstellen . Wir arbeiten daran . So verdientbeispielsweise die Initiative von Ministerin Schwesig,den Unterhaltsvorschuss auszuweiten, absolute Unter-stützung .
Kinder kosten auch nach dem zwölften Lebensjahrviel Geld . Das kann ich Ihnen versichern . Ich bin drei-fache Mutter und siebenfache Großmutter . Ich weiß, wieviel Kohle das kostet . Deshalb, denke ich, sollten wir al-les dafür tun, dass 260 000 Kinder davon profitieren kön-nen . Aber ich sage auch in aller Deutlichkeit – das habeich gestern bei der Debatte des Familienetats schon ge-sagt –: Wir müssen uns mit aller Härte von den säumigenVätern die Kohle wieder zurückholen . Wer A sagt, dermuss auch -limente sagen . Er muss auch Verantwortungübernehmen für seine Kinder .
Apropos Verantwortung: Verantwortung übernehmenwir auch im Bereich der inneren Sicherheit . Wir habenbereits 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei ge-schaffen, und mindestens weitere 3 000 werden in die-sem Haushalt hinzukommen . Man darf gespannt sein, obdie Länder unserem positiven Beispiel folgen; denn dieLänderpolizeien sind manchmal doch recht sparsam aus-gerüstet . Da einige Kollegen sehr intensiv Wahlkampfmit Blick auf Berlin oder NRW gemacht haben, will ichein Beispiel aus Hessen anführen . In Hessen werden diePolizeibeamten leider sehr schlecht bezahlt . Sie musstenKürzungen bei der Beihilfe hinnehmen und sie schiebeneinen Überstundenberg von 3,5 Millionen Stunden vorsich her .
Ich glaube, das ist keine Motivation für unsere jungenPolizeibeamtinnen und Polizeibeamten, um wirklich or-dentliche Arbeit zu leisten .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir könntenuns auch noch weitere Initiativen, zum Beispiel bei derInfrastruktur, vorstellen, allerdings mit Maß und Augen-maß; denn die Bauwirtschaft muss es auch leisten kön-nen . Und wer in letzter Zeit auf den Autobahnen unter-wegs war – gefahren ist oder eher gestanden hat –, wirdwohl kaum auf die Idee kommen, dass noch wesentlichmehr Baustellen in Deutschland den Verkehr – und damitauch den Güterverkehr – blockieren sollten . Wir habenüberhaupt nichts gegen Infrastrukturmaßnahmen – aber,wie gesagt, mit Augenmaß .Im Übrigen – den Schlenker kann ich mir nicht ver-kneifen – muss ich in Richtung der Grünen sagen: Es gibtkein Infrastrukturprojekt, bei dem die Grünen nicht alsErste gemeinsam mit einer BI und mit der Fahne in derHand dagegen demonstrieren .
Ich kenne das aus meiner Region und auch aus vielenanderen Regionen . Ihr seid die Ersten, die gegen alle In-frastrukturprojekte sind . Bei uns ging es damals mit demICE los, der von den Grünen auch nicht gewollt war . Daszieht sich durch alle möglichen Infrastrukturmaßnahmen .Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, halte ich fest: Uns liegt ein guter Entwurf vor, denwir nun kooperativ beraten werden . Dann ist natürlichauch die Opposition herzlich eingeladen, sich konstruk-tiv zu beteiligen .Vielen Dank .
Vielen Dank, Ulrike Gottschalck . – Nächster Rednerin der Debatte: Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Ulrike Gottschalck, ich würde Ihnenempfehlen, einfach mal den Reden, auch der Oppositi-Ulrike Gottschalck
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on, zuzuhören . Wir haben die ganze Woche Vorschlägegemacht, wie Sie den Haushalt besser machen können .
Aber ich bin nett; ich zähle sie Ihnen gern noch einmalauf .Wir haben gesagt, es ist ein Haushalt der verpasstenChancen, weil Sie so gute Ausgangsmöglichkeiten ha-ben und so wenig daraus machen . Dass der soziale Woh-nungsbau immer noch unterfinanziert ist, dass fehlendesschnelles Internet in ländlichen Räumen ein großes Pro-blem ist, dass der Klimaschutz nicht richtig finanziertist – all das haben wir Ihnen gesagt . Wir haben auch ge-sagt, wie Sie daran etwas ändern können .Wir haben auch gesagt: Das muss natürlich dauerhaftund nachhaltig finanziert werden. Entsprechende Vor-schläge haben wir Ihnen unterbreitet . Ich nenne sie gernenoch mal: 12 Milliarden Euro kann man schnell bei denumweltschädlichen Subventionen kürzen; man darf denRüstungsetat nicht weiter erhöhen, sondern muss Kür-zungen bei Rüstungsdesastern vornehmen . Auf der Ein-nahmeseite muss man Gerechtigkeit schaffen . Es ist nichterklärlich, auch nicht für die Sozialdemokratie, warumKapitaleinkommen deutlich weniger besteuert werdenals Arbeitseinkommen . Das muss sich ändern . – Das sindunsere Vorschläge . Ich hoffe, Sie greifen sie in den Haus-haltsberatungen noch auf .
Staatssekretär Spahn hat heute über die soziale Lagein diesem Land geredet . Natürlich ist es so: Wenn mansich mit vielen Ländern in Europa und auch in der Weltvergleicht, dann erkennt man, dass es vielen Menschenin Deutschland vergleichsweise gut geht . Das leugnenwir auch gar nicht . Aber man muss zu dem großen Wohl-stand, den Sie erwähnt haben, eben auch sagen: In derEuro-Zone hat kein Land eine größere Ungleichheit beiVermögen als die Bundesrepublik Deutschland .
Na ja, es gehtja um relative Armut. – Aber das finde ich ganz schönarrogant, muss ich sagen . Schauen Sie doch mal, was die2 Millionen armen Kinder, die zum Teil mit knurrendemMagen in der Schule sitzen, die nicht ins Kino gehenkönnen, die schlechte Bildungschancen haben, davonhalten, wenn man ihnen sagt: Na ja, ihr seid ja nicht arm,ihr seid nur relativ arm .
Oder reden Sie mal mit den Alleinerziehenden, wie siesich fühlen, wenn sie Hartz IV beantragen müssen, weilsie keinen Kitaplatz finden und deshalb nicht arbeitenkönnen . Denen hilft es nicht, wenn man ihnen sagt: Ihrseid relativ arm . – Sie sind arm, sie fühlen sich abge-hängt; sie brauchen jetzt Unterstützung und keine Ver-kennung der sozialen Lage .
Wenn wir schon beim Thema Kinder sind: HerrRehberg und Herr Spahn haben heute angekündigt, dassdas Finanzministerium einen Entwurf vorlegen will, deranscheinend noch nicht in der Regierung abgestimmt ist .Wenn man den Zahlen, die Der Spiegel nennt, glaubenkann, dann ist es so, dass es für arme Kinder gar nichtsgeben wird, weil die Kindergelderhöhung wieder auf dieRegelsätze angerechnet wird . Für Kinder aus der Mit-telschicht wird es demnach 2 Euro mehr Kindergeld proMonat geben . Für Kinder von gutverdienenden Elternsoll es einen um 110 Euro bzw . 100 Euro höheren jährli-chen Kinderfreibetrag geben . Wenn man ausgehend vomSpitzensteuersatz und vom Soli berechnet, was das fürden Grenzsteuersatz bedeutet, dann kommt man auf einejährliche Ersparnis von rund 50 Euro, also das Doppeltevon dem, was Kinder aus der Mittelschicht bekommen,und 50 Euro mehr, als arme Kinder bekommen. Ich fin-de, diese Ungleichbehandlung von Familien, die Sie hiervornehmen – Sie machen nichts gegen Kinderarmut –,wird die soziale Spaltung bei Familien und Kindern wei-ter verschärfen . Sie geben hier die falsche Antwort aufdie Kinderarmut .
Kollege Spahn hat sich, ebenso wie die Koalition, vorallen Dingen die Union, die ganze Woche wieder selbstgroß gefeiert für diese eine Zahl,
die Sie im Haushalt immer präsentieren . Er hat von „his-torisch“ geredet und von seiner Zeit in der Jungen Unionerzählt .
Meine Güte! Geht es nicht eine Nummer kleiner? Ichwürde mir angesichts der großen Aufgaben, die wir ha-ben, ein bisschen mehr Demut wünschen, Demut auchdeshalb, weil Sie wissen, dass die Zahlen deutlich mehrauf Glück als auf harter Arbeit im Haushalt beruhen .Auf unsere Anfrage haben wir vom Bundesfinanzmi-nisterium die Antwort bekommen: 122 Milliarden Eurohat der Bundeshaushalt seit 2008 an Zinskosten gespart;122 Milliarden Euro, die vor allen Dingen durch die Po-litik der niedrigen Zinsen der EZB gespart worden sind .Ich finde es immer schizophren und wohlfeil, wenn Red-ner der Union, auch Herr Schäuble, einerseits die EZBfür diese Geldpolitik kritisieren, während sie andererseitsmassiv davon profitieren. Wenn man ehrlich ist, mussman auch feststellen: Mario Draghi hat deutlich mehrfür den ausgeglichenen Haushalt getan als WolfgangSchäuble .
Ich mache mir große Sorgen um den sozialen Zusam-menhalt in Europa; ich glaube, das tun auch viele andereim Bundestag . Man muss in diesem Zusammenhang na-türlich auch über die Wirtschafts- und Finanzpolitik re-Sven-Christian Kindler
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den . Es ist so, dass die EZB in einer schwierigen Lage ist,in einer Zwickmühle, weil die anderen nationalen Regie-rungen zu wenig investieren und insgesamt zu wenig fis-kalische Impulse setzen . Das liegt unter anderem daran,dass es eine harte Sparpolitik in Europa gab, maßgeblichvorangetrieben von der Bundesregierung, wodurch inden entsprechenden Ländern Europas Investitionen ge-kürzt wurden . Das hat die Rezession, das hat die Krise indiesen Ländern verschärft .Jetzt sehen wir, dass der Zusammenhalt bedroht ist,gerade der soziale Zusammenhalt, weil auch viele Sozi-alausgaben gekürzt wurden .
Was man jetzt machen müsste, auch in der Haushaltspo-litik in Deutschland, ist erstens ein Kurswechsel in derWirtschafts- und Finanzpolitik in Europa; dafür musssich die deutsche Bundesregierung einsetzen . Zweitensmuss Deutschland als stärkste Volkswirtschaft jetzt rich-tig investieren .
Die Investitionsquote soll nächstes Jahr bei knapp10 Prozent liegen . Das ist schon nicht besonders viel fürDeutschland und den Bundeshaushalt . Aber sie sinkt lautFinanzplan noch einmal auf 8,8 Prozent bis 2020. Ich fin-de, das ist der falsche Weg . Man braucht jetzt eine großesoziale und ökologische Investitionsoffensive . Das wäregut für Europa und gut für den Bundeshaushalt .
Ich finde es übrigens auch schizophren, wenn Sie,gerade von der Union, in anderen Ländern immer harteStrukturreformen anmahnen . Davon gibt es richtige, wiezum Beispiel im Bereich der Steuerverwaltung in Grie-chenland, aber es gibt auch falsche .
Darauf hat Gesine Lötzsch zum Teil hingewiesen . Aberman kann das nicht von anderen Ländern fordern unddas dort vorantreiben, wenn man gleichzeitig in Deutsch-land überhaupt nichts macht in Sachen Strukturreformen,wenn man nichts im Haushalt macht, weder bei den Sub-ventionen noch auf der Einnahmeseite oder beim Con-trolling . Wir haben Kostenexplosionen in Milliardenhö-he beim BER, bei Stuttgart 21, bei Rüstungsprojekten;daran könnte man im Haushalt arbeiten . Da könnte derFinanzminister sagen: So geht es nicht weiter . Wir wol-len endlich eine gute Steuerung, ein gutes Controlling . –Das passiert aber nicht. Ich finde, was nicht geht, ist, inEuropa Wasser zu predigen und zu Hause heimlich Weinzu trinken . Das muss sich mit Blick auf Strukturreformenim Haushalt ändern .
Kommen Sie auch zum Ende?
Ja, ich komme zum Schluss . – Dies ist ein Haushalt der
verpassten Chancen, weil Sie aus Ihren Möglichkeiten zu
wenig machen, weil Sie im Haushalt nicht arbeiten . Wir
werden in den Haushaltsberatungen weitere Vorschläge
machen, wie man die großen Aufgaben Integration, sozi-
aler Zusammenhalt, Klimaschutz gut angehen kann, wie
man diesen Haushalt nachhaltig und gerecht gestalten
kann . Ich hoffe, dass SPD und Union dann auf unsere
Vorschläge eingehen werden .
Vielen Dank .
Vielen Dank, Sven-Christian Kindler . – Der nächste
Redner: Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Wirtschaftlich geht es uns in Deutschland so gut wie niezuvor. – Das sagte unser Bundesfinanzminister schon amDienstag, und das wiederholen wir immer sehr gerne .Die gute haushaltstechnische Gesamtsituation kamnicht einfach so . Hier spielen zum einen die guten Steu-ereinnahmen eine wichtige Rolle . Deshalb, denke ich, istes heute in der Schlussrunde an der Zeit, dass wir unsbei denjenigen bedanken, die diese guten Steuerein-nahmen erst ermöglicht haben: bei unseren innovativenUnternehmen, aber auch bei den vielen fleißigen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern, die diese Steuerein-nahmen erwirtschaften und erarbeiten . Ihnen allen einherzliches Dankeschön aus diesem Hohen Hause .
Zum anderen ist das natürlich auch das Ergebnis einervernünftigen, soliden und nachhaltigen Wirtschafts- undHaushaltspolitik . Mit dem vorliegenden Regierungsent-wurf und dem Finanzplan bis 2020 wird dieser nachhal-tige Kurs fortgesetzt . Nur mit einem stabilen Haushalt,meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es möglich,die vor uns liegenden Aufgaben zu meistern .Wir haben zum dritten Mal in Folge einen Bundes-haushalt ohne Schulden im Plan . Schon 2014 machtenwir keine neuen Schulden . Alles, was wir heute nicht anSchulden aufnehmen, muss später von den folgendenGenerationen auch nicht zurückgezahlt werden .Lassen Sie mich über ein paar Schwerpunkte reden .Es bleibt dabei: Es wird keinen Sparkurs in der innerenSven-Christian Kindler
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Sicherheit geben, und es wird keinen Sparkurs in der äu-ßeren Sicherheit geben .
Aus dem Finanzbericht der Bundesregierung geht her-vor, dass für den Bereich innere Sicherheit Ausgaben bis2020 von insgesamt 17,5 Milliarden Euro vorgesehensind . Für das Jahr 2017 ist eine Aufstockung von rund213 Millionen Euro für Behörden wie etwa das BKA, dieBundespolizei und das Bundesamt für Sicherheit in derInformationstechnik vorgesehen . Zudem erhält das BMI,ohne das Bundesamt für Verfassungsschutz, insgesamt1 923 neue Stellen, mit denen insbesondere die BereicheCybersicherheit, Sicherheit der Informationstechnik, Be-kämpfung der politisch motivierten Kriminalität, Schutzder Bahn und des zivilen Luftverkehrs an Flughäfen undPersonenschutz gestärkt werden sollen . Zusätzlich gibtes 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei . Ich denke,in der jetzigen Zeit ist das notwendig .
Aber nicht nur in die innere Sicherheit, sondern auchin die äußere Sicherheit investieren wir . Es mag kritisiertwerden, wenn man den Verteidigungsetat anpasst bzw .erhöht . Aber das ist keine Klientelpolitik, sondern das istabsolut notwendig und verbunden mit dem Ziel, unsereStreitkräfte mit der erforderlichen Ausrüstung und mithochqualifiziertem Personal auszustatten.Heute wurde viel über die Investitionsausgaben ge-sprochen. Ich finde es gut, dass die Investitionsquote indiesem Bundeshaushalt circa 10 Prozent beträgt . Auchim Bereich Verkehr haben wir die Investitionen, wie je-des Jahr, deutlich gesteigert .Wir haben in Zukunft aber ein Problem, das uns be-schäftigt . Die Frage ist: Können wir das Geld ausgeben,das wir zur Verfügung stellen? Liegen am Ende des Tagesdie Genehmigungen für die entsprechenden Planungenvor? Das Problem ist nicht das Geld, das uns zur Verfü-gung steht, sondern die Komplexität der Planungen, diewir selbst durch eigene Gesetze mit verursacht haben .Daran müssen wir weiter arbeiten .Ich bin froh, dass wir in die Zukunft investieren . Bis2020 werden rund 4 Milliarden Euro für den Breitband-ausbau und 1,7 Milliarden Euro für das EU-VorhabenMikroelektronik bereitgestellt . Das sind Investitionenin die Zukunft . Sie sind absolut notwendig . Auch sindzusätzliche Mittel für Investitionen im Bereich Woh-nungsbau von 1 Milliarde Euro plus 500 Millionen Eurojährlich vorgesehen. Das finde ich gut. Im Landwirt-schaftsbereich wird der Bundeszuschuss für die land-wirtschaftliche Unfallversicherung auf dem Niveau von178 Millionen Euro fortgeschrieben .Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Regie-rungsentwurf setzt dank einer guten Einnahmesituationund niedriger Zinsausgaben – das muss man der Ehr-lichkeit halber so sagen – auf eine ausgewogene Ausga-benpolitik, ohne die Vorgaben des Koalitionsvertrageszu brechen, ohne Steuererhöhung und ganz klar: ohneneuen Schulden . Wir werden das auch fortsetzen können .Dabei werden viele Investitionen in den Bereichen Woh-nungsbau, Verkehr, digitale Bildung usw . getätigt . Ichfreue mich als ehemaliger Bürgermeister vor allem, dassin dieser Legislaturperiode die Länder und vor allem dieKommunen so kräftig unterstützt werden .
– Haibach im Bayrischen Wald .
Frau Haushaltsausschussvorsitzende, das sage ich natür-lich sehr gerne . Bei uns ist die Welt noch in Ordnung .
– Doch, die Welt ist in Ordnung . – Aber auch bei uns gibtes große Herausforderungen .Ich sage Ihnen eines: Jede Kommune, auch die kleins-te, spürt die Entlastungen, die wir in dieser Wahlperiodebeschlossen haben . Jede einzelne Kommune spürt dieguten Steuereinnahmen, auch durch die Beteiligung ander Einkommensteuer, deren Aufkommen sich in denletzten zehn Jahren verdoppelt hat . Deshalb freue ichmich, dass diese Bundesregierung die Länder und Kom-munen unterstützt, wie es keine andere Bundesregierungzuvor getan hat .
Jede Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren,hat ihre besonderen Herausforderungen . Wir wissen,die Thematik „Flüchtlinge und Asyl“ ist eine große He-rausforderung. Wir stemmen das im finanztechnischenBereich ohne neue Schulden – das ist meines Erachtenswichtig – und ohne in anderen Bereichen kürzen zu müs-sen . Wir investieren in unser Land und in unsere Men-schen und gehen gleichzeitig verantwortungsvoll mitunseren Steuermitteln um .Liebe Ekin, ich habe deine Aussagen gehört . Dahersage ich: Bitte keine Ängste schüren!
Wir haben zum Beispiel eine niedrige Arbeitslosenquote .Wenn von Armut geredet wird – lieber Sven-ChristianKindler, ich schätze dich ja sehr; du bist viele Jahre jün-ger als ich –, dann denke ich an meine Jugendzeit . Da gabes Armut und Kinderarmut .
Da gab es andere Situationen als jetzt . Ich bedanke michbei allen Parlamentariern, die in der langen Zeit zwischendamals und heute viel gemacht haben, damit diese Armutweniger wird .
Wir machen jetzt so viel für Familien und Kinderwie noch nie . Ich stelle die Frage in den Raum: In wel-chem Land in Europa geht es den Menschen besser als inDeutschland? Darüber müssen wir reden .Alois Rainer
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Wir müssen und werden auch über verschiedene For-men von Steuerentlastungen reden – das wollte ich nochansprechen, aber meine Redezeit geht zu Ende, Frau Prä-sidentin –, sei es mit Blick auf den Solidaritätszuschlagoder den Mittelstandsbauch . Dafür haben wir noch Zeit .Wir sind jetzt in den Haushaltsberatungen .Vielen Dank . Ich wünsche Ihnen allen ein schönesWochenende .
Vielen Dank, Alois Rainer . – Nächster Redner in der
Debatte: Thomas Jurk für die SPD-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Nun haben wir vier Tage lang hierim Hohen Hause über den Haushaltsplanentwurf derBundesregierung für das Jahr 2017 diskutiert . Es ist,wie immer, Zeit für ein Fazit . Wie dieses ausfällt, hängtdavon ab, wie man das betrachtet . Wir haben uns zwarwechselseitig auch mal über uns geärgert, aber wir ha-ben auch festgestellt: Es gibt viele gute Sachen in diesemHaushalt .Öffentliche Haushalte, auch dieser Bundeshaushalt,gelten gemeinhin als in Zahlen gegossene Politik . Ein-gedenk der vor uns liegenden Aufgabenstellungen mussein Haushaltsplan natürlich auf die damit verbundenenFragen die richtigen Antworten geben . Ich stelle fest,dass das weitgehend der Fall gewesen ist, auch wenn ander einen oder anderen Stelle mit Sicherheit noch Verän-derungen vorgenommen werden und auch vorgenommenwerden müssen . Das ist nun unser Geschäft als Parla-mentarier .Ich will nicht kleinkrämerisch darauf eingehen, Kol-lege Spahn, dass das Bundesfinanzministerium bei eini-gen Titeln dieses Haushaltsplanentwurfs Beschlüsse desHaushaltsausschusses vom vergangenen Herbst überse-hen hat . Das lässt sich alles noch korrigieren .
– Ja, wir wissen, worüber wir sprechen . Auch bei derUnion ist das angekommen .Die Redner der Oppositionsfraktionen haben in denletzten Tagen oft gesagt, dass die Großen Koalitionenbzw . die Große Koalition – wir haben ja bloß eine hierin Berlin – den Bundeshaushalt vernachlässigen würde .
– Sie haben recht, Herr Kindler; das lasse ich mal gelten .Ich komme gleich noch zu Ihnen . Machen Sie sich daraufgefasst .Herr Kindler, ich habe – das haben Sie eingefordert –nicht nur intensiv zugehört,
sondern auch gleich noch im Protokoll nachgelesen .
Das ist ja immer ein schöner Querschnitt . Man kannsich vergewissern, ob man alles richtig gehört hat . Aus-gerechnet Herr Kollege Kindler sprach hier davon, dassdie Investitionsquote stagniert und wir die Infrastrukturvernachlässigen würden, und er forderte eine große In-vestitionsoffensive im Bundeshaushalt .
Herr Kollege Bartsch kritisierte die Investitionsquote imFinanzplan für 2020 .
Ich will deshalb mit einigen Mythen über die Investitio-nen im Bundeshaushalt aufräumen .Zunächst zu Herrn Bartsch . Für 2019 stand im letztenFinanzplan, also beschlossen zur Mitte des Jahres 2015,ein Betrag von 30,5 Milliarden Euro . Der aktuelle Fi-nanzplan, beschlossen zur Mitte des Jahres 2016, sieht35,1 Milliarden Euro vor . Ich bin mir sicher, die Zahl für2020 wird sich ähnlich erhöhen . Ich empfehle daher, ein-fach den nächsten Kabinettsbeschluss im Sommer 2017abzuwarten .
Jetzt komme ich zum geschätzten Kollegen Kindler .Wenn Sie mir jetzt noch zuhören und das Smartphoneweglegen würden, wäre ich ganz happy .
– Gut, Sie können beides .
Kommen wir zu den Fakten, und nehmen wir einmal dieabsoluten Zahlen . Im Jahre 2013 waren im Bundeshaus-halt Investitionen in Höhe von 24,8 Milliarden Euro vor-gesehen .
Damit wir uns recht verstehen, lieber Kollege Kindler:Die Zahlungen an den Europäischen Stabilitätsmecha-nismus, ESM, sind darin nicht enthalten; denn sie gehö-ren da eigentlich nicht hinein . Im Jahre 2017 werden es33,3 Milliarden Euro sein . Die Vergleichszahl war, wiegesagt, 24,8 Milliarden Euro . Das entspricht einer Stei-gerung um immerhin 34 Prozent .
Alois Rainer
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Beim Vergleich der relativen Zahlen, also der Investiti-onsquote, stellen wir fest: Sie steigt von 8,06 Prozent in2013 auf 10,13 Prozent im Jahre 2017 .
Das wiederum entspricht einer Steigerung von 26 Pro-zent . Darauf können wir stolz sein .
Die Linke ist, wie ich sehe, ganz ruhig . Herr KollegeKindler, damit Sie sich nicht aufregen, habe ich eine Fra-ge an Sie: Können Sie mir ein Bundesland, in dem Siemitregieren – es sind mittlerweile ja recht viele gewor-den –, nennen, in dem seit 2013 ein ähnlicher Zuwachsan Investitionsmitteln zu verzeichnen war?
– Okay .
NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus dem Kopf? –Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Über was genau möchten Sie denn jetztmit uns reden? Über den Wohnungsbau odereinzelne ökologische Forderungen? Nur malals Rückfrage!)– Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie reden soviel durcheinander; da muss jetzt einer kommen und daserklären .
Ich will Ihnen natürlich den Hinweis nicht ersparen: Na-türlich haben auch die Länder und Kommunen von denSteuermehreinnahmen profitiert, und die Steuereinnah-men sind gesprudelt; darauf hinzuweisen, gehört auchzur Ehrlichkeit dazu .Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestattenSie mir den Hinweis, dass die Investitionsquote natürlichdann geringer ausfallen kann, wenn die Sozialleistungensteigen . Mit Blick auf die Linke sage ich – da sind wiruns an einer Stelle einig –: Wir wollen die Ost-West-Ren-tenangleichung .
Die Aufwertung bzw . Umrechnung ist,
wie Sie zu Recht gesagt haben, noch ein ganz andererVorgang . Auch ich teile die Befürchtung, dass wir auf-passen müssen, die innerdeutsche Solidarität nicht aufsSpiel zu setzen . Aber alleine diese Maßnahme würde imJahre 2020 rund 4 Milliarden Euro mehr kosten, wennwir sie aus Steuermitteln bezahlen würden . Automatischwäre der Anteil der Sozialleistungen größer als der derInvestitionen, und damit würde die Investitionsquote sin-ken . Ich glaube, das wollen auch Sie nicht .
Ich komme zum Thema Investitionshochlauf . Zu demBegriff will ich mich jetzt gar nicht einlassen . „Investi-tionshochlauf“ heißt für mich als Haushälter allerdings:Man muss den Investitionsablauf organisieren .
Da, glaube ich, haben wir ein Problem mit der Geschwin-digkeit . Deshalb ist es gut, dass wir uns Gedanken da-rüber machen, wie wir den Investitionsablauf, das An-kommen der Investitionen auf Schiene und Straße oderin Schulen und Kitas, organisieren .
Gerade beim Thema Infrastruktur denke ich, dass mansich über verschiedene Instrumente verständigen sollte,auch über die Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaftdes Bundes . Allerdings gilt für Sozialdemokraten eines:Damit ist für uns keine Privatisierung oder Teilprivatisie-rung verbunden .
Auch die berechtigten Interessen der in den Verwaltun-gen tätigen Menschen sind ausdrücklich zu berücksichti-gen . Aber hier sollte es keine Denkverbote geben .Für mich ist eines besonders wichtig: Wir müssen das,was wir angestoßen haben, für die Menschen sichtbarrealisieren . Ich ärgere mich vielleicht genauso wie Sie,wenn ich auf der Autobahn im Stau stehen muss oderwenn der Zug, in dem ich sitze, eine Umleitung fahrenmuss . Aber bei der Aussicht, dass es später einmal besserwird, nimmt man das gerne in Kauf .Ich will aber deutlich sagen: Alles hat seine Grenzen .Die Umsetzung von Investitionsmitteln und die damitverbundene Verschlechterung der Verkehrsflüsse mussman im Zusammenhang sehen . Deshalb ist für mich vielwichtiger, dass wir über viele Jahre hinweg Kontinui-tät erhalten . Es muss vermieden werden, dass wir eineneinzigen Hochlauf haben, dass die Mittel nach wenigenJahren aber wieder sinken und wir dann den Verfall derInfrastruktur beklagen müssen, meine sehr verehrten Da-men und Herren .
Es ist wichtig, dass wir uns auch über das PersonalGedanken machen . Wir brauchen Menschen, die dieerforderlichen Arbeiten qualifiziert erledigen, damit In-vestitionen realisiert werden können . Da will ich ausdem nachgeordneten Bereich meines Zuständigkeitsbe-reichs – ich bin zuständig für den Einzelplan 09, Bun-desministerium für Wirtschaft und Energie – Beispielebringen .Da will ich nennen: die Bundesanstalt für Material-forschung und -prüfung, BAM, die Physikalisch-Techni-sche Bundesanstalt, PTB . Denen haben wir übrigens alsHaushälter dadurch geholfen, dass jetzt der Schwellen-Thomas Jurk
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wert für das vereinfachte Bauverfahren von 2 Millionenauf 5 Millionen Euro angehoben wird . Das hilft denenaber nur, wenn ausreichend Personal vorhanden ist, umdiese Baumaßnahmen zu begleiten .Deshalb appelliere ich an alle, dafür zu sorgen, dassinsbesondere das Bundesamt für Bauwesen und Raum-ordnung, BBR, seinen Aufgaben gerecht werden kann .Dafür stehen jetzt 21 Stellen mehr im Haushaltsplan . Damuss man dann schauen, wofür diese Stellen wirklicheingesetzt werden . Es soll ja nicht so ausgehen, dass dasBBR nur noch die Regierungs- oder Bauten des Deut-schen Bundestages begleiten kann .Insofern war ich schon ein wenig irritiert über diePresseberichte, dass der Bundestagsarchitekt StephanBraunfels seinen Auftrag zurückgegeben hat . Er hat daskommentiert mit den Worten – Zitat –:Das BBR ist Deutschlands größte – aber auchDeutschlands schrecklichste Baubehörde …Ich will das an der Stelle gar nicht weiter vertiefen .Aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen . Ich erwarteauch, dass ein solches Amt in die Lage versetzt wird, sei-nen Aufgaben gerecht zu werden .Jetzt sehe ich mit Erschrecken auf die Uhr, und eheSie mich mahnen, Frau Präsidentin – Sie sind da sehrkonsequent bei der SPD; ich weiß das –, –
Nicht nur bei der SPD .
– will ich darauf hinweisen, dass dieser Haushaltsplan
natürlich unter dem Stichwort der aktuellen Aufgaben-
stellung stehen muss .
Ich stelle fest, dass die Realität in unserem Land, die
ja nicht gerade einfach ist, bei allen Fraktionen irgend-
wo angekommen ist . Sicherlich gibt es unterschiedliche
Wahrnehmungen . Aber eines muss klar sein: Wenn in
Umfragen deutlich wird, dass sich mittlerweile eine gut
verdienende Schicht Gedanken macht über den sozialen
Zusammenhalt in unserem Land, auch über die Situation
derer mit kleineren und mittleren Einkommen, dann ist
das eine Situation, die geradezu danach schreit, dass wir
darauf politisch eine Antwort finden.
Sehr geehrter Herr Kollege Staatssekretär Spahn, ich
habe Ihnen zugehört . Die Euphorie des Ministers haben
Sie nicht ganz so verbreitet . Sie haben zu Recht darauf
hingewiesen, dass wir im Jahre 2018 ein kleines Problem
in Gestalt einer Lücke von 5 Milliarden Euro haben wer-
den . Das macht ja auch deutlich, dass wir sehr vorsichtig
sein müssen mit Versprechungen von Steuersenkungen .
Ich möchte uns gemeinsam auch nicht überfordern – das
ist mir wichtig –; denn ich glaube auch, dass wir in der
Großen Koalition während der Haushaltsplanberatungen
in den Ausschüssen noch einiges gemeinsam hinbekom-
men werden, was diesen Haushalt verbessert . Aber wir
sollten uns einen Steuerwahlkampf ersparen, meine sehr
verehrten Damen und Herren . Das würden die Menschen
im Land am wenigsten verstehen .
Ich freue mich auf weitere konstruktive Beratungen
zum Haushaltsplanentwurf des Bundes .
Vielen Dank, Herr Kollege Jurk . – Die letzte Rednerin
in diesem langen Marathon ist am Ende der Haushaltsde-
batte Kerstin Radomski für die CDU/CSU-Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wennmancher der vorhergehenden Wortbeiträge an Schärfenichts missen ließ, möchte ich kurz vor Schluss der De-batte unser Blickfeld noch einmal weiten und dabei auchEinendes betonen .In den vergangenen Tagen haben die Mitglieder desDeutschen Bundestages insgesamt mehr als 30 Stundenüber den Bundeshaushalt für das kommende Jahr be-raten . Auf welcher Basis haben wir diskutiert? Auf derGrundlage, dass die wirtschaftliche Situation unseresLandes und die Einnahmen des Staates sehr gut dastehen .Darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir allemehr als stolz sein, egal ob als Regierungsmehrheit oderauch als Opposition .Bis vor wenigen Jahren war es lange Zeit üblich, dassbei jedem Bundeshaushalt neue Schulden in Milliarden-höhe hinzukamen . Nun stehen wir vor der Situation, et-was zu verteilen, ohne dass neue Kredite aufgenommenwerden müssen . Das liegt an der Wirtschaftskraft unseresLandes, und diese, meine Damen und Herren, steht natür-lich auch für eine erfolgreiche Arbeit der Koalition .Ebenso gehört dazu die sinkende Zahl von Arbeits-losen . Seit der Wiedervereinigung hat es im Monat Au-gust nie so wenige Arbeitslose gegeben wie in diesemJahr . 111 000 Menschen weniger als im Vorjahr, dasklingt als Zahl nüchtern, heißt aber in der Praxis, dass111 000 Menschen wieder selbst für sich und ihre Fami-lien sorgen können .Wer profitiert von der gesteigerten Wirtschaftskraft,Herr Freese? Die Menschen in unserem Land . Die Löhnesind um 2,4 Prozent gewachsen, die Arbeitnehmer kön-nen sich mehr leisten . Das ist der höchste Anstieg seit2008 .Wenn wir also auf dieser guten Grundlage einen Haus-halt in Höhe von 328,7 Milliarden Euro beraten, dannsprechen wir nicht nur über den dritten schuldenfreienEntwurf in Folge . Wir sprechen über einen der solidestenHaushalte, die wir jemals in unserem Land hatten .
Dafür gilt unserem Bundesfinanzminister WolfgangSchäuble an dieser Stelle nicht nur unsere Anerkennung,Thomas Jurk
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sondern explizit auch unser Dank . – Hier hatte ich eigent-lich den Applaus erwartet .
Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition,umso befremdlicher war es in den vergangenen Wochen,dass Sie immer wieder kritisierten, unser Finanzministerwürde nur den Status quo verwalten
und dass Wolfgang Schäuble in die schwarze Null ver-liebt sei .
Damit verkennt die Opposition den enormen Vorteil die-ser Haushaltspolitik . Daher möchte ich Sie alle hier imNamen der zukünftigen Generationen auffordern, dieschwarze Null noch mehr in Ihr Herz zu schließen undmehr Mut zum Verliebtsein zu haben;
denn bei der Vermeidung neuer Schulden in den kom-menden Jahren geht es um Verlässlichkeit, wie die Unionund auch die Kollegen von der SPD bis auf wenige Aus-nahmen immer wieder betonen .
Obwohl wir auch weiterhin an der Vermeidung neuerSchulden festhalten, sprechen wir heute über einen Auf-wuchs in Höhe von 11,8 Milliarden Euro . Da die Oppo-sition fordert, dass mehr investiert werden solle, darf ichbemerken: Die Investitionen steigen im Vergleich zumVorjahr um mehr als 5 Prozent auf 33,3 Milliarden Euro .
Werfen wir einen Blick zurück auf den Koalitionsver-trag von Ende 2013 . Darin waren 23 Milliarden Euro zu-sätzlich als Investitionssumme für die Wahlperiode ver-einbart . Diese Summe war im vergangenen Jahr schonvollständig erreicht worden, sodass wir jetzt im Grundegenommen mehr investieren, als wir vereinbart oder ge-plant hatten . Das ist gut und zugleich ausreichend; dennwie der Finanzminister bereits am Dienstag erwähnte: Esgeht nicht immer nur um die Höhe, sondern auch darum,ob das bereitgestellte Geld auch abgerufen wird, undzwar rechtzeitig . – Das ist leider nicht immer der Fall .Hinzu kommt: Wir haushalten in den sonnigen Zeitenschon für kommende regnerische Tage . Es sollen keineneuen Schuldenberge hinterlassen werden . Wie sonst sol-len wir unseren Kindern, soll ich meinen Töchtern erklä-ren: „Gebt nicht mehr Geld aus, als im Geldbeutel ist?“Das gilt nämlich für Groß und Klein .Schauen wir uns zum Abschluss noch einmal die Pri-oritäten an:Gegenüber 2016 wächst das Bildungsbudget um1,2 Milliarden Euro – Herr Schulz, Sie wissen das – unddamit um 7,1 Prozent .Im Bereich Verkehr stehen für Investitionen im kom-menden Jahr 12,8 Milliarden Euro bereit . Das ist ein An-stieg um 25 Prozent .Zudem stehen für den Breitbandausbau von 2017 bis2020 4 Milliarden Euro zur Verfügung .In der Jugendpolitik – sie liegt mir sehr am Herzen –wird die Kinderbetreuung, die eigentlich Aufgabe derLänder ist, wie wir alle wissen, vom Bund unterstützt .Wir legen das Investitionsprogramm „Kinderbetreuungs-finanzierung 2017 bis 2020“ auf und schaffen damit zu-sätzliche Kitaplätze . In diesem Jahr hat die Bundesregie-rung 226 Millionen Euro aus einem Gesamtvolumen von1,1 Milliarden Euro dafür angesetzt .Die Wirtschaftspolitik ist auch wichtig . Hier möch-te ich das Programm zur Innovationsförderung für denMittelstand herausgreifen, Herr Jurk . Dieses wird auf548 Millionen Euro erhöht . Damit unterstützen wir alsBund die kleinen und mittelständischen Unternehmenbei Forschungs- und Entwicklungsaufgaben .Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusam-men: Der vorliegende Haushaltsentwurf verbindet Soli-dität und die Vermeidung von neuen Schulden mit Inves-titionen in die Zukunft und den richtigen Schwerpunkten .Wir können stolz auf diesen Haushaltsentwurf und da-rauf sein, was wir alle gemeinsam erreicht haben . Unse-rem Land geht es gut, und dieser Haushalt ist ein weitererguter Baustein für die Zukunft .Vielen Dank .
Vielen Dank, Kerstin Radomski . – Damit schließe ich
die Aussprache .
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 18/9200 und 18/9201 an den Haus-
haltsausschuss vorgeschlagen . Sie sind sicher damit ein-
verstanden . – Dann sind die Überweisungen so beschlos-
sen .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 21 . September 2016, 13 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen . Ich wünsche Ihnen ein
schönes Wochenende und gute Tage .