Protokoll:
17156

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 156

  • date_rangeDatum: 27. Januar 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:00 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/156 Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18715 A 18731 B Inhaltsverzeichnis Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ländliche Entwick- 18715 B 18715 D 18717 B 18717 D 18718 D 18719 C 18720 B 18732 C 18733 D Deutscher B Stenografisch 156. Sitz Berlin, Freitag, den 2 I n h a l Tagesordnungspunkt 23: Unterrichtung durch die Bundesregierung: For- schungsagenda der Bundesregierung für den demografischen Wandel – Das Alter hat Zukunft (Drucksache 17/8103) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . N (D M M D J H D G P 18707 A 18707 B 18709 A 18710 D 18711 D 18713 B 18713 D Jan Korte, Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Alle BND-Akten zum Thema undestag er Bericht ung 7. Januar 2012 t : S-Vergangenheit offenlegen rucksachen 17/1556, 17/4468) . . . . . . . . . . anfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ichael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . r. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . an Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . abriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . atrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ 18721 C 18721 D 18723 A 18724 C 18725 C 18726 D 18728 B 18729 A 18730 A 18730 D lung und Ernährungssicherheit welt- weit verbessern (Drucksachen 17/7185, 17/8430) . . . . . . . 18734 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Januar 2012 b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Dr. Wilhelm Priesmeier, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern – zu dem Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Sahra Wagenknecht, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Thomas 18745 C 18746 C 18748 A 18749 A 18750 B und der Fraktion DIE LINKE: Hunger bekämpfen – Spekulation mit Nah- rungsmitteln beenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Gerhard Schick, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Essen spielt man nicht – Spekulation mit Agrarroh- stoffen eindämmen (Drucksachen 17/3413, 17/4533, 17/5934, 17/7414) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Doris Barnett, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kul- tur für alle – Für einen gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderung zu Kultur, Information und Kommunikation (Drucksache 17/8485) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . G o G B (D L O D O N D N A L A Z A st g D A A 18734 D 18735 B 18736 A 18737 C 18739 C 18740 C 18741 C 18742 D 18743 A 18744 B ambke, Britta Haßelmann, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN: Dienstwagenprivileg abbauen und esteuerung CO2-effizient ausrichten rucksache 17/8462) . . . . . . . . . . . . . . . . . . isa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . r. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . icolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntrags: Dienstwagenprivileg abbauen und Be- euerung CO2-effizient ausrichten (Zusatzta- esordnungspunkt 3) r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . nlage 3 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18751 A 18751 B 18752 B 18754 A 18754 C 18754 D 18755 D 18756 D 18757 A 18758 B 18759 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Januar 2012 18707 (A) ) )(B) 156. Sitz Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 10.3
  • folderAnlagen
    Anlage 2 ) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Januar 2012 18757 (A) ) )(B) Anlagen Kossendey, Thomas CDU/CSU 27.01.2012 Steinbach, Erika CDU/CSU 27.01.2012 DIE GRÜNEN Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 27.01.2012 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 27.01.2012 Dr. Schwanholz, Martin SPD 27.01.2012 Anlage 1 Liste der entschuldigte Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 27.01.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 27.01.2012 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 27.01.2012 Buchholz, Christine DIE LINKE 27.01.2012 Crone, Petra SPD 27.01.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 27.01.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 27.01.2012 Ehrmann, Siegmund SPD 27.01.2012 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 27.01.2012 Fischer (Göttingen), Hartwig CDU/CSU 27.01.2012 Freitag, Dagmar SPD 27.01.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 27.01.2012 Gerdes, Michael SPD 27.01.2012 Glos, Michael CDU/CSU 27.01.2012 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 27.01.2012 Hänsel, Heike DIE LINKE 27.01.2012 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 27.01.2012 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 27.01.2012 Hübinger, Anette CDU/CSU 27.01.2012* Kipping, Katja DIE LINKE 27.01.2012 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ 27.01.2012 K L L L L L M M M M N N N Ö P P P R R S A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten rumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 ämmel, Andreas G. CDU/CSU 27.01.2012 anfermann, Heinz FDP 27.01.2012 eutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 27.01.2012 ühmann, Kirsten SPD 27.01.2012 uksic, Oliver FDP 27.01.2012 aisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 aurer, Ulrich DIE LINKE 27.01.2012 ißfelder, Philipp CDU/CSU 27.01.2012 üller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 ešković, Wolfgang DIE LINKE 27.01.2012 eumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 27.01.2012 ink, Manfred SPD 27.01.2012 zoğuz, Aydan SPD 27.01.2012 iltz, Gisela FDP 27.01.2012 oland, Christoph CDU/CSU 27.01.2012 oß, Joachim SPD 27.01.2012 oth (Esslingen), Karin SPD 27.01.2012* upprecht (Tuchen- bach), Marlene SPD 27.01.2012* chäfer (Köln), Paul DIE LINKE 27.01.2012 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 18758 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Januar 2012 (A) ) )(B) * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Dienstwagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient aus- richten (Zusatztagesordnungspunkt 3) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Das Thema Dienst- wagenbesteuerung gehört angepackt, sofort, aus ökolo- gischen sowie steuerlichen Gründen. Daher begrüßen wir den Antrag der Grünen ausdrücklich; ein Antrag von uns folgt demnächst. Bereits im Mai 2011 bestätigte ein Gutachten des BMU die Umweltschädlichkeit des Dienstwagenprivilegs. Es wird also Zeit, dass Sie aktiv werden. Im Koalitionsvertrag steht es ja. Wie sieht denn Ihr Zeitplan aus, so denn Sie einen haben? Apropo, Zeit- plan: Diesen hätten wir auch gern zum Thema Schweizer Steuerabkommen sowie zur Mehrwertsteuerreform. Denn Sie wissen ja: Es sind nur noch 18 Monate bis zur Bundestagswahl. Was ist das Dienstwagenprivileg, und wie wirkt es? Es ist eine einfache Regelung im Steuerrecht, die aber massive ökologische wie fiskalische Auswirkungen hat. Stellt ein Unternehmen einem seiner Beschäftigten einen Dienstwagen zur Verfügung, den er dann meist auch pri- vat nutzen kann, dann muss er diesen geldwerten Vorteil nur zu 1 Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat ver- steuern. Damit sind sämtliche Kosten wie Wartung, Pflege, Versicherung, oft sogar Sprit abgedeckt. Somit können Arbeitnehmer oft Wagen der gehobenen Mittel- sowie Oberklasse nutzen, die sie sich sonst nicht an- schaffen würden. Unternehmen profitierten sogar mehrfach von dieser steuerlichen Regelung: Erstens wird die Bereitstellung des Wagens durch das Unternehmen oft als Lohnbe- standteil gesehen. Zweitens spart das Unternehmen mit dieser Praxis im Vergleich zu Lohnerhöhungen zum Bei- s fü p k 6 fu d h lo z b s u d d 7 s je te Z 1 P la S u F A A d k D M S re la F s A te d m S g fe S b 8 n e n Storjohann, Gero CDU/CSU 27.01.2012 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2012 Ulrich, Alexander DIE LINKE 27.01.2012 Veit, Rüdiger SPD 27.01.2012 Weinberg, Harald DIE LINKE 27.01.2012 Werner, Katrin DIE LINKE 27.01.2012* Dr. Westerwelle, Guido FDP 27.01.2012 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (C (D piel Sozialbeiträge. Und drittens zahlt das Unternehmen r die Aufwendungen für das Fahrzeug nur die Netto- reise, also ohne Mehrwertsteuer. Am meisten jedoch profitieren Selbstständige. Sie önnen mit der geltenden steuerlichen Regelung bis zu 0 Prozent der Kosten im Vergleich zur Privatanschaf- ng und -nutzung sparen. Im Klartext heißt das: Wür- en Arbeitnehmer sich ihren Dienstwagen privat kaufen, ätten sie bis zu 60 Prozent höhere Kosten. Durch die Progression im Einkommensteuerrecht hnt es sich für Selbstständige, eher hochpreisige Fahr- euge zu nutzen, das heißt diese steuerliche Regelung efördert letztendlich den weiterhin ungebremsten Ab- atz hochpreisiger Fahrzeuge mit hohem Spritverbrauch nd CO2-Ausstoß. Und dann ist es ja auch kein Zufall, ass der Durchschnittsverbrauch sowie der CO2-Ausstoß er Mietwagenflotte sehr hoch sind. Im Jahr 2008 hatten 7 Prozent der zugelassenen Dienstwagen einen durch- chnittlichen Emissionswert von über 200 Gramm CO2 Kilometer. Dabei gibt es genügend auch gut ausgestat- te Autos mit CO2-Werten, die deutlich darunter liegen. um Beispiel Audi A3 1,6 TDI mit einem CO2-Wert von 14 Gramm je Kilometer. Hier verschenken Sie derzeit nicht nur ein riesiges otenzial an CO2- und Kraftstoffeinsparung, nein, Sie ssen diese Umweltverschmutzung auch noch durch die teuerzahlerinnen und Steuerzahler finanzieren. Das ist mweltpolitisch unverantwortlich und ein fiskalisches iasko und letztendlich hauptsächlich im Interesse der utomobilindustrie, welche weiter große, spritfressende utos absetzen will, statt ihre ganze Innovationskraft auf en Bereich spritsparende und CO2-arme Fahrzeuge zu onzentrieren. Oder halten Sie es für vernünftig, dass ienstlimousinen der Luxusklasse wie Maybach oder ercedes S-65 AMG L oder VW Phaeton V8 von den teuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert werden? Die Mietwagen gehen übrigens nach oft wenigen Jah- n auf den Gebrauchtwagenmarkt und verhindern somit ngfristig eine flächendeckende Umstellung auf eine ahrzeugflotte mit geringem CO2-Ausstoß sowie Kraft- toffverbrauch – na dann, herzlichen Glückwunsch, tmosphäre. Hier ist also dringend Änderungsbedarf: Deshalb un- rstützen wir die Intention des grünen Antrages aus- rücklich. Die jetzige steuerliche Anreizstruktur im Steuerrecht uss derart geändert werden, dass Unternehmen wie elbstständige animiert werden, Fahrzeuge mit gerin- em CO2-Ausstoß sowie wenig Spritverbauch zu kau- n. Das wäre im Interesse der Umwelt und auch der teuerzahlerinnen und Steuerzahler. Der Antrag der Grünen geht ja sehr weit; dennoch leiben einige Fragen offen: Ist ein Zielwert von 0 Gramm je Kilometer bis 2016 realistisch? Was ist mit nicht gewinnorientierten Firmenwagen- utzern, zum Beispiel im Pflegebereich, die sich eine ntsprechende Modernisierung ihrer Fahrzeugflotte icht leisten können? Hier halten wir eine soziale Puffe- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Januar 2012 18759 (A) (C) )(B) rungskomponente für notwendig, zum Beispiel eine Dif- ferenzierung des monatlich zu versteuernden Satzes. Je schneller die Autoindustrie gesetzlich gezwungen wird, auf verbrauchsarme Pkw umzustellen, desto größer wird auch ihr zukünftiger Marktanteil sein; denn das Öl, damit der Sprit, wird teurer werden; das ist die zwingend logische Konsequenz der Endlichkeit. Das wäre dann nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die deut- sche Wirtschaft. Drucksache 17/7091 Nr. A.6 Ratsdokument 13635/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.21 EP P7_TA-PROV(2011)0376 Drucksache 17/7423 Nr. A.26 Ratsdokument 14676/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.9 Ratsdokument 15587/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.12 Ratsdokument 15577/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.13 Ratsdokument 15813/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.14 Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Ge- schäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nach- stehenden Vorlage absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Wahlkreiskommission für die 17. Wahl- periode des Deutschen Bundestages gemäß § 3 des Bun- deswahlgesetzes – Drucksachen 17/4642, 17/4917 Nr. 1.3 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.2 EuB-BReg 193/2011 Finanzausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.19 Ratsdokument 17044/11 Haushaltsausschuss Drucksache 17/7549 Nr. A.3 Ratsdokument 14879/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.8 Ratsdokument 15930/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.9 Ratsdokument 16066/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.10 Ratsdokument 16081/11 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/6407 Nr. A.15 Ratsdokument 10052/11 (D Ratsdokument 16006/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.15 Ratsdokument 16316/11 Drucksache 17/7918 Nr. A.16 Ratsdokument 16627/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.5 Ratsdokument 16318/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.6 Ratsdokument 16499/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.7 Ratsdokument 16606/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.8 Ratsdokument 16726/11 Drucksache 17/8082 Nr. A.9 Ratsdokument 16764/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.26 Ratsdokument 16175/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.27 Ratsdokument 16800/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.28 Ratsdokument 16803/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.29 Ratsdokument 17466/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.26 Ratsdokument 17489/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.33 Ratsdokument 18555/11 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/8082 Nr. A.11 Ratsdokument 16628/11 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 17/3608 Nr. A.32 Ratsdokument 13726/10 Drucksache 17/5123 Nr. A.17 Ratsdokument 6264/11 Drucksache 17/6010 Nr. A.15 Ratsdokument 9365/11 Drucksache 17/6176 Nr. A.17 EP P7_TA-PROV(2011)0231 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/7918 Nr. A.19 Ratsdokument 16210/11 156. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 23Forschungsagenda für den demografischen Wandel TOP 24BND-Akten zur NS-Vergangenheit TOP 25Weltweite Ernährungssicherheit TOP 26Barrierefreier Zugang zu Kultur ZP 3Steuerliche Behandlung von Dienstwagen Anlagen
Gesamtes Protokol
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt Ihnen si-
cherlich genau wie mir schwer, nach dieser bewegenden
Stunde zur Tagesordnung überzugehen.

Gleichwohl rufe ich den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Forschungsagenda der Bundesregierung für
den demografischen Wandel – Das Alter hat
Zukunft

– Drucksache 17/8103 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-

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ministerin Professor Dr. Schavan.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Frage, wie das Miteinander der Generatio-
nen gestaltet und organisiert wird, gehört zu den großen
Gestaltungsaufgaben einer Gesellschaft, der in ihr wir-
kenden politischen Kräfte, aber auch vieler zivilgesell-
schaftlicher Gruppen. Zu allen Prognosen gehört die
Feststellung, dass wir in eine Phase des demografischen
Wandels, der Bevölkerungsentwicklung kommen, die
mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden sein wird,
für die Städte ebenso wie für den ländlichen Raum, für
die einen wie für die anderen auf unterschiedliche Weise.

(C (D ung 7. Januar 2012 0 Uhr ieser demografische Wandel wird geprägt sein von drei eränderungen: Wir werden weniger, wir werden älter, ir werden bunter, kulturell vielfältiger. Frau Sitte meint, auch noch klüger und schöner. – Die ahlen will ich nicht alle wiederholen. Sie kennen sie. ie Bevölkerung wird schrumpfen, älter werden und ulturell vielfältiger sein. Mit diesen drei kurzen Festtellungen lässt sich der demografische Wandel bechreiben. Die Lebenserwartung der Menschen ist erfreulichereise gestiegen. Verbunden mit einer anhaltend niedrien Geburtenrate hat das zur Folge, dass das Durchchnittsalter höher sein wird. Das heißt: Das alte Bild, as sich uns allen eingeprägt hat, die Alterspyramide als ymbol für den Altersaufbau einer Gesellschaft, ist assé. Der Altersaufbau verändert sich. Bis 2030 wächst er Anteil der über 65-Jährigen auf etwa 29 Prozent, bis 060 auf etwa ein Drittel. In diesem Zeitraum wird die evölkerung in Deutschland von heute etwa 80 Millioen auf 65 Millionen zurückgehen. Die Forschungsagenda, die wir vorlegen, ist ein klasisches Beispiel für Begleitprozesse, die die neue Gestaltungsaufgabe prägen sollen, und das in vielfältiger Hinsicht. Neu ist nicht, dass sich die Gesellschaft wandelt. Neu ist auch nicht, dass sich der Bevölkerungsaufbau wandelt. Neu ist, zumindest in dieser Zuspitzung – und deshalb ist das für uns eine besondere Gestaltungsaufgabe –, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Faktoren. Sie, die Sie sich damit beschäftigen, kennen unsere Fachgruppen, unsere Forschergruppen und unsere Institute, das Max-Planck-Institut in Rostock und andere, die uns in den vergangenen Jahren wichtige Grundlageninformationen geliefert haben. Nun wird es darum gehen, auf der Grundlage dieser auch von der Forschung erarbeiteten zentralen Fragen und Aufgaben die Forschung zu verstärken und eine Entwicklung zu ermöglichen – und dies gilt sowohl für technologische Entwicklungen als auch für die Gesundheitsforschung und die Forschung für neue Arbeitswelten. Bundesministerin Dr. Annette Schavan )


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Klüger!)





(A) )

Deutlich wichtiger ist uns geworden, dass die ver-
schiedenen Disziplinen im Rahmen der vielen For-
schungsprogramme untereinander sprechen. Die Inge-
nieure und Mediziner brauchen für die interdisziplinäre
Forschung das Gespräch mit den Geistes-, den Kultur-
und den Sozialwissenschaftlern.

Die Antwort auf die Frage, wie wir diese Gesellschaft
bezeichnen, verändert sich. Wir reden sehr viel weniger
von der alternden Gesellschaft und sehr viel mehr – auch
unsere Fachleute – von der Gesellschaft des längeren Le-
bens. Wir wissen, dass es in dieser Gesellschaft des län-
geren Lebens eine Menge mentaler Veränderungen ge-
ben wird.

Ich habe in dieser Woche das Rahmenprogramm
„Forschung für die zivile Sicherheit“ für die nächsten
Jahre vorgestellt. Das ist ein Beispiel dafür, wo wir in
den nächsten Jahren sehr viele Veränderungen erleben
werden. Wie empfinden die Menschen Sicherheit? Wel-
che Erwartungen haben sie? Welche Ängste werden sich
verstärken? Was sind die Möglichkeiten der vielen ge-
sellschaftlichen Gruppen speziell auf der kommunalen
Ebene, letztlich aber auf allen politischen Ebenen, damit
nicht nur umzugehen, sondern auch Veränderungen hin
zu einer konstruktiven und positiven mentalen Verfas-
sung zu erwirken und die Vorstellung zu entwickeln,
dass nicht nur in einer bestimmten Lebensphase – im
Schnitt sind es immer die Jüngeren –, sondern in allen
Altersphasen ungenutztes wertvolles Potenzial gehoben
werden kann? Mit unserer Agenda wollen wir die Mög-
lichkeit eröffnen, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Mir ist sehr wichtig, dass wir nicht vor allem techno-
logische Entwicklungen fördern. Ein gutes Beispiel ist
das Thema Pflege. Im Rahmen der Pflegeforschung wird
die Technik nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dane-
ben müssen und werden Inhalte und Konzepte eine ganz
wichtige Rolle spielen. Dafür gibt es zum Beispiel auch
in Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen ein an-
wendungsorientiertes Forschungsprogramm zur Lebens-
qualität im Alter.

Die Programme werden von unterschiedlichen Res-
sorts verantwortet. Sie sind in einem stimmigen Konzept
gebündelt. Damit wird eine deutliche Erhöhung der For-
schungsmittel verbunden sein. Es ist ein Schwerpunkt in
den nächsten Jahren, verborgene Schätze unserer Gesell-
schaft des längeren Lebens zu heben, durch Forschung
die Entwicklung von neuen Lösungen, Produkten und
Dienstleistungen voranzutreiben und die Lebensqualität
sowie die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen zu
verbessern.

Im Rahmenprogramm „Gesundheitsforschung“ haben
wir bereits einen Schwerpunkt auf Prävention, Diagnose
und Therapie von Krankheiten gelegt, die im Alter be-
sonders häufig auftreten. In diesem Zusammenhang sage
ich auch: Die Forschungsprogramme werden das eine
sein, aber wir werden uns auch um die Weiterentwick-
lung und den Umbau von Institutionen – auch in der Ge-
sundheitsversorgung – kümmern müssen. In Deutsch-
land gibt es ganze drei Lehrstühle für Altersmedizin,
beispielsweise das große Zentrum hier in Berlin. Nach-
dem im Bereich der Palliativmedizin schon Veränderun-

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(C (D en und Weiterentwicklungen stattgefunden haben, weren wir uns auch darum kümmern müssen, welche euen Schwerpunkte in der Prioritätenliste der Medizierausbildung gesetzt werden, sodass es auch hier zu ntsprechenden Veränderungen kommen wird. Als einen Leuchtturm dieser Forschung nenne ich das eutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankunen, ein auch europaweit einmaliges Netzwerk, das hier ntstanden ist und auf großes internationales Interesse tößt. Die Spanne der Arbeit dort reicht von der Ursahenforschung bis zur Beantwortung der Frage, wie wir enschen mit Demenz am besten pflegen und betreuen önnen. Davon sind heute 1,1 Millionen Menschen in nserem Land betroffen. Bis 2050 werden es zwischen Millionen und 3,5 Millionen Menschen sein. Wenn man diese abstrakt wirkenden Zahlen auf die tadt, die Gemeinde, in der man lebt, herunterbricht, ann wird deutlich, dass damit schon auf der kommunan Ebene große Gestaltungsaufgaben und große Ver nderungen, zum Beispiel bei den öffentlichen Dienstistungen und bei der Neuorganisation der Gesundeitsversorgung, verbunden sein werden. Übrigens beifft die Neuorganisation der Gesundheitsversorgung in anz besonderer Weise die Fläche, den sogenannten ndlichen Raum. Die Forschung hat bereits vielversprechende Erfolge ervorgebracht, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter esser ermöglichen. Im November wurde an der Mediziischen Hochschule in Hannover einem Patienten der rste Herzschrittmacher implantiert, der die Pumpleisng des Herzens überwacht und die Daten via Mobilnk an den behandelnden Arzt überträgt. Das ist ein eispiel für ein ganzes Bündel an Forschungsarbeiten nd Entwicklungen, die im Moment laufen. Bei dem Förderschwerpunkt „Altersgerechte Assisnzsysteme“ werden sensitive Bodenbeläge in stationän und ambulanten Pflegeeinrichtungen zur Unterstüt ung selbstständigen Lebens im Alter entwickelt und rprobt. Ein zentraler Bereich für Forschung und Enticklung wird sein: Wie kann möglichst lange selbstbe timmtes Leben und Selbstständigkeit in der eigenen Leensund Wohnumgebung erhalten werden? Der erste rototyp eines Nothaltassistenten für das Auto wurde im ergangenen Jahr in die Testphase gebracht. Die Forschungsagenda zum demografischen Wandel ient dem Wohle aller Generationen. Sie bezieht sich in ielen Fragestellungen – das sind die Schwerpunkte – atürlich auf den großen Anteil der älteren Menschen in er Bevölkerung. Aber letztlich geht es um die Organiation des Miteinanders der Generationen unter veränerten demografischen Verhältnissen. Die Forschungsgenda konzentriert sich dabei vor allen Dingen auf die weite der drei Aussagen, dass mit einer Gesellschaft es längeren Lebens, einer Gesellschaft mit deutlich ehr älteren Menschen, einer Gesellschaft, die stärker ls in der Vergangenheit lernt – und dies bringt sie auch um Ausdruck –, wichtige Erfahrungen, Potenziale und ompetenzen verbunden sind, die für diese neue Orgaisation des Miteinanders genutzt werden sollen. Bundesministerin Dr. Annette Schavan )





(A) )

Mobilität und Kommunikation, längere Beschäfti-
gungsfähigkeit, Wohnen, Gesundheit, Pflege, gesell-
schaftliches und kulturelles Engagement, all das sind die
Fragestellungen, auf die sich die Forschungsagenda be-
zieht. In diesen Bereichen wollen wir Innovation, und
zwar nicht nur im technologischen Sinne, sondern auch
mit Blick auf die soziale und kulturelle Entwicklung, vor
allem mit Blick auf die mentale Verfassung einer künfti-
gen Gesellschaft des längeren Lebens.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600100

Das Wort hat der Kollege René Röspel für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715600200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Erlauben Sie mir eine Bemerkung, bevor ich mit meiner
Rede beginne. Ich habe kein Problem, zu bekennen, dass
ich von der Gedenkstunde und von den Worten des Zeit-
zeugen noch sehr beeindruckt bin, die wir gerade gehört
haben. Das geht mir jedes Mal so. Es fällt mir schon sehr
schwer, zur Tagesordnung überzugehen.

Ich möchte von dieser Stelle noch sagen: Alle The-
men, die wir jetzt behandeln, sind für sich wichtig. Aber
ich finde, sie verlieren dennoch an Bedeutung vor dem,
was wir vor einer knappen halben Stunde hier gehört ha-
ben. Meine Anregung an den Ältestenrat ist, zu überle-
gen, ob es nicht vielleicht klug wäre, eine solche Ge-
denkstunde für sich stehen zu lassen und das Plenum
– man sieht das an der Beteiligung – nicht weiterzufüh-
ren, sondern auszusetzen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gut, es ist, wie es ist. Wir sind aufgerufen, zum Ta-
gesordnungspunkt „Forschungsagenda der Bundesregie-
rung für den demografischen Wandel“ zu debattieren.
Ich will vorab ganz herzlich denjenigen danken, die im
Prinzip die Verursacher dieser Forschungsagenda sind.
Das sind nämlich aus meiner Fraktion die Kollegin
Sabine Bätzing-Lichtenthäler und der Kollege Franz
Müntefering. Sie haben im Juni des letzten Jahres, also
vor mehr als einem halben Jahr, eine Große Anfrage mit
sehr vielen wohlüberlegten Fragen an die Bundesregie-
rung gestellt. Nachdem es mehrere Verzögerungen gab,
ist diese Anfrage seitens der Bundesregierung vor weni-
gen Tagen, im Januar dieses Jahres, beantwortet worden.

Diese Antwort ist sehr lesenswert und enthält viele
Anregungen. Ich habe aber den Eindruck, dass die Tatsa-
che, dass es eine solche Anfrage gegeben hat, die Bun-
desregierung ein bisschen genötigt hat, auch etwas zu
machen und eine Forschungsagenda aufzulegen. Wir
waren sehr gespannt, was in dieser Forschungsagenda zu
finden ist.

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(C (D Unter dem Punkt „Ziele der Forschungsagenda“ heißt s in einer Überschrift: „Fragen bündeln“. Das ist schon inmal gut. Dann schreiben Sie: Die Bundesregierung fasst mit der vorliegenden Agenda relevante Fragestellungen der Forschung zum demografischen Wandel zusammen und zeigt wichtige Handlungsfelder auf. as war es allerdings auch. Damit ist im Prinzip alles esagt. Wir haben nichts Neues entdeckt. Auch bei unserer rüfung – Sie werden mich gleich korrigieren können – t es uns nicht gelungen, zusätzliche Mittel im Haushalt u finden, die etwas Neues belegen würden. Sie fassen rojekte und Programme zusammen, die es schon in unrschiedlichen Ministerien gibt, und verweisen darauf. Das Rahmenprogramm „Gesundheitsforschung“ resortiert in Ihrem Ministerium, aber obwohl Sie in Ihrer orschungsagenda auf Fragen bezüglich der Auswirkunen des demografischen Wandels auf den medizinischen ereich im Gesundheitsforschungsprogramm verweisen, uss ich bei einem Blick ins Gesundheitsforschungspro ramm feststellen: Fehlanzeige. An drei Stellen taucht er Begriff demografischer Wandel auf, aber die zentran Fragen, die damit einhergehen, werden nicht berührt. s wird vielmehr zu Recht darauf hingewiesen – das acht auch Sinn –, dass die großen Volkskrankheiten in eutschland untersucht werden sollen. Das ist aber ichts Neues und hat nicht spezifisch mit dem demograschen Wandel zu tun. Gut finden wir, dass es in der Bundesregierung Erenntnisse und auch Erkenntnisfortschritte gibt. Auf eite 2 schreiben Sie ausdrücklich: Wir werden die Forschungsprogramme zum lebenslangen Lernen, zur Arbeitsplatzgestaltung, zu Produktionstechnologien und zu innovativen Dienstleistungen so weiterentwickeln, dass ältere Menschen künftig ihr Wissen … einbringen können … as ist gut und richtig. Es ist seit langem eine Forderung er sozialdemokratischen Partei. Wir haben in den Hausaltsberatungen immer wieder eingefordert, dass im Beich innovative Dienstleistungen der Arbeitsforschung icht gekürzt wird, sondern dass dieser Bereich ausgeaut wird, um die Bedingungen zu schaffen, dass Menchen die Zeit an ihrem Arbeitsplatz, die durch den demorafischen Wandel länger geworden ist, gut überstehen önnen. Wir sind froh, dass Sie endlich darauf eingehen. Aber ir sind auch gespannt, was letzten Endes aus diesen nkündigungen wird. Durch Ihre Forschungsagenda zieht sich eine Reihe on spannenden Themen, wie eben schon gesagt wurde. nter der Überschrift „Mobil in der Stadt“ schreiben ie: Wir stärken diese im Alltag so wichtige Mobilität im persönlichen Umfeld, indem wir bei der Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur ein besonde René Röspel )





(A) )

res Augenmerk auf die Bedürfnisse der älteren Ge-
neration legen.

Das ist gut, aber ein Allgemeinplatz.

Dass Sie weiter unten „auf individuelle Bedarfe ange-
passte Rufbus-Systeme und eine Beförderung bis an die
Haustür“ fordern, ist ebenfalls gut, aber für eine For-
schungsagenda zu wenig; denn die eigentlichen Pro-
bleme in den Kommunen liegen darin, dass sie den
ÖPNV nicht mehr finanzieren können. Dafür brauchen
wir keine Forschungsagenda, sondern es ist schlicht eine
andere Finanzierung notwendig, die diese Bundesregie-
rung allerdings nicht gewährleisten wird. Dessen bin ich
mir sicher.


(Beifall bei der SPD)


Auf Seite 5 schreiben Sie weiter:

Wir entwickeln die Informations- und Kommunika-
tionstechnologien so weiter, dass älteren Menschen
auch auf Reisen fernab der vertrauten Pfade eine in-
tuitive Orientierung möglich wird …

Ich habe den Eindruck, Sie erfinden gerade das Handy
oder das Navi neu. Aber es ist völlig abseitig von dem,
was ich in meinem täglichen Umfeld erlebe, welche
Schwierigkeiten die Menschen durch den demografi-
schen Wandel im Pflegebereich erfahren. Das hat nichts
mit der Realität zu tun. Es ist, glaube ich, nur eine Hüll-
formel, um die Seiten Ihrer Forschungsagenda zu füllen.

Es zieht sich durch die Forschungsagenda, dass Sie
die wirklich interessanten Fragen, die die Menschen an-
gehen, nicht berühren oder nur antippen. Wie muss eine
Stadt entwickelt werden, damit sie den durch den demo-
grafischen Wandel geänderten Anforderungen gerecht
wird? Dabei geht es nicht nur ums Alter, sondern es be-
deutet vielleicht auch weniger Kinder. Gleichzeitig kür-
zen Sie aber die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“
um 60 Prozent. Ich weiß aus meiner Heimatstadt, dass
die Quartiersentwicklung, bei der es auch um Anpassung
an demografische Verhältnisse, eine veränderte Wohnstruk-
tur und ältere Menschen geht, die anders leben als noch
vor 10 oder 20 Jahren, nicht mehr möglich ist, weil die
Mittel weiter gekürzt werden.

Die Themen, die die Menschen wirklich im Bereich
der Pflegeforschung und der Versorgungsforschung inte-
ressieren, berühren Sie nicht. Dabei geht es zum Beispiel
um die Frage, wie man Angehörige von Demenzkranken
und Pflegebedürftigen entlasten und unterstützen kann.

Wir waren schon weiter. Von 2003 bis 2009 gab es
das bundesfinanzierte Modellprojekt HilDe zur Erfas-
sung der Lebensqualität von Demenzkranken und von
2002 bis 2009 das Programm LEANDER, eine Längs-
schnittstudie, die über die Belastung von Angehörigen,
die demenziell Erkrankte pflegen, Auskunft gibt. Ich bin
ehrlich: Die Tatsache, dass diese Programme während
der rot-grünen Regierungszeit aufgelegt wurden, bedeu-
tet nicht, dass wir das damals auf den Weg gebracht ha-
ben. Forschung entwickelt sich unabhängig von der je-
weiligen Regierung. Aber die Schlussfolgerungen aus
diesen Studien hätten Sie ziehen und in Ihrer For-
schungsagenda berücksichtigen können. Wenigstens das

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(C (D ätten wir erwartet. Die zweite Förderlinie zur Pflegerschung ist 2010 leider ohne Ersatz ausgelaufen. So ntgehen uns wichtige Erkenntnisse im Bereich der Pfleeforschung. Ich finde es spannend, dass Sie einige interessante ragen auslassen. Es wird zunehmend mehr alleinsteende Menschen geben, die pflegebedürftig sind und eine Familie haben. Was bedeutet das? Es wird zunehend mehr Migranten mit einem anderen kulturellen intergrund geben, die alleine leben und pflegebedürftig ind. Was bedeutet das? Wo in diesem Bereich muss gerscht werden? Was mich fast entsetzt, ist, dass an kei er Stelle Menschen mit Behinderung erwähnt werden. ir erleben die erste Generation von Menschen mit Be inderung, die die Werkstätten verlässt und in Rente eht. Diese Menschen haben zumeist keine Eltern mehr, ie sich um sie kümmern oder sie betreuen. Das stellt für ns eine neue Herausforderung dar. Aber mit keinem inzigen Wort wird das in der Forschungsagenda der undesregierung für den demografischen Wandel erähnt. Kollege Röspel, achten Sie bitte auf die Zeit. Danke, Frau Präsidentin. Das Fazit lautet: Diese Bundesregierung fasst – wie blich – Bestehendes zusammen, legt einen Wünsch-diras-Katalog vor und gibt keine zusätzlichen Mittel. Das t nicht das, was wir brauchen. Wir brauchen eine For chungsagenda, die zum Ziel hat, die Lebensbedingunen der Menschen zu verbessern. Dafür werden wir uns insetzen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Röhlinger für die DP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600300
René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715600400

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600500


Dr. Peter Röhlinger (FDP):
Rede ID: ID1715600600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demografi-
cher Wandel, Klimawandel und Energiewende, das sind
ie Megathemen, derentwegen ich im Jahr 2009 in den
undestag und nach Berlin gegangen bin. Ich bin ausge-

prochen dankbar, dass ich heute die Gelegenheit habe,
u diesem Thema hier sprechen zu dürfen. Mich bestä-
gt das in meiner Einschätzung, dass es richtig ist, sich
r diese Themen einzusetzen. Schon die Worte Wandel

nd Wende lassen auf eine hohe Dynamik schließen. Das
eißt, wir werden gemeinsam – es geht zunächst um
ichts anderes, als den Weg vorzuzeichnen – noch viel
oranbringen. Herr Röspel, ich gehe davon aus, dass uns
uf diesem Weg mehr eint als trennt. Ich glaube, darin
ind wir uns einig.





Dr. Peter Röhlinger


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Wahrscheinlich schon!)


Wir werden bei den Instrumenten sicherlich viele Ge-
meinsamkeiten finden.

Der Europäische Rat hat das Jahr 2012 zum Europäi-
schen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen
den Generationen ausgerufen. Dass wir uns heute mit
dem demografischen Wandel und seinen Folgen für un-
sere Gesellschaft befassen, wollen wir als Zeichen dieses
Hohen Hauses verstanden wissen: Das ist unser Thema!
Die Bundesregierung benennt in ihrer Forschungsagenda
die relevanten Handlungsfelder bis zum Jahre 2016. Ich
will auf zwei Erkenntnisse des Sechsten Altenberichts
aus dem Jahre 2010 hinweisen.

Erstens. Die Sachverständigen haben darauf hinge-
wiesen, dass individuelle Altersbilder eng mit dem Bil-
dungsstand zusammenhängen. Das bedeutet, dass wir
mit unserem Konzept des lebenslangen Lernens auf dem
richtigen Weg sind.

Zweitens. Mit Forschung und Innovation wollen und
können wir Lösungen für die Herausforderungen einer
älter werdenden Gesellschaft entwickeln.

Die Altersforschung ist ein außerordentlich spannen-
des Thema. Verschiedene wissenschaftliche Einrichtun-
gen haben bereits interessante Ergebnisse erarbeitet. Es
wird zum Beispiel untersucht, welche Faktoren beim Al-
tern von lebenden Zellen eine Rolle spielen. Das sind,
wie wir wissen, einerseits Umweltfaktoren; aber, wie wir
neuerdings ebenfalls wissen, sind es insbesondere auch
genetische Faktoren. Wissenschaftlich werden die mole-
kularen Mechanismen ergründet, die dem menschlichen
Alterungsprozess zugrunde liegen und zu altersbeding-
ten Krankheiten führen.

Das Ziel ist es, gesund älter zu werden. Der Wunsch,
im gesunden Zustand und mit guter physischer und men-
taler Leistungsfähigkeit ein hohes Alter zu erreichen, ist
ein großes Ziel. Aber häufig stehen dem Widerstände
entgegen, die eben auch damit zu tun haben, dass bei
Fragen von Gesundheit und Krankheit die Wissensbasis
ausbaufähig ist.

Dem trägt auch das Rahmenprogramm „Gesundheits-
forschung“ der Bundesregierung Rechnung. Die Verbes-
serung der gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen
ist ein Schwerpunkt dieses Programms. Die Erforschung
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und von Erkrankun-
gen wie Krebs, Diabetes und Demenz wird damit ebenso
schwerpunktmäßig gefördert und unterstützt wie die
Entwicklung innovativer Medizintechnik und Diagnos-
tika. In diesem Zusammenhang spielt auch das Stichwort
individualisierte Medizin für spezifische Alterserkran-
kungen eine Rolle. Auf die Chancen und Probleme, zum
Beispiel auch der Apparatemedizin, sei in diesem Zu-
sammenhang hingewiesen.

Der Sechste Altenbericht leitet aus dem demografi-
schen Wandel zwei Verpflichtungen ab. Wir können als
Gesetzgeber für die Rahmenbedingungen sorgen, die die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erlauben: Es geht

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(C (D ber auch und insbesondere für die ältere Generation um ie Wahrnehmung von Eigenverantwortung, also zum eispiel um die Beteiligung an Vorsorgeuntersuchungen der um finanzielle Vorsorge. Es ist durchaus erlaubt, ich in Bezug auf Fragen der Finanzierung Sorgen zu achen. Für mich ist das Thema Altersarmut kein Tabu, eil ich mir vorstelle, wie sich die sozialen Strukturen nerhalb der nächsten 40 bis 50 Jahre entwickeln wer en. ußerdem meine ich, dass die Wahrnehmung der Verntwortung für das eigene Leben in jedem Alter wichtig t. In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Carpe iem, nutze die Zeit – das gilt auch hier am Rednerpult. reuen Sie sich auf das Alter, meine Damen und Herren. h kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen: Es lohnt ich. Es kommen noch viele schöne Stunden auf Sie zu. enießen Sie das Gefühl, gebraucht zu werden: im Bef, in der Familie, insbesondere auch bei der Freizeitge taltung und im Ehrenamt. (René Röspel [SPD]: Das fehlt der FDP im Moment ein bisschen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


orgen Sie also vor, und unterstützen Sie diese Agenda.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600700

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Dr. Petra

itte das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will

s noch einmal sagen: Wir sprechen heute über die „For-
chungsagenda der Bundesregierung für den demografi-
chen Wandel – Das Alter hat Zukunft“, nicht über alles
ndere, was noch irgendwo in den Programmen der Bun-
esregierung steht. Das ist in der Tat ein Megathema, das
roße Erwartungen weckt. Wenn man aber genau hin-
chaut, bleibt die Bundesregierung weit hinter diesen Er-
artungen zurück, weil entscheidende Entwicklungen
eine Berücksichtigung gefunden haben. Da kann ich
errn Röspel nur zustimmen.

Dabei hätte die Bundesregierung – dass sie es nicht
etan hat, wundert mich schon – eigentlich nur ihren ei-
enen Demografiebericht umsetzen bzw. übersetzen
üssen. Dieser geht nämlich deutlich weiter und be-

chreibt fünf Entwicklungen.

Ich möchte diese fünf Entwicklungen noch einmal
ennen: ein dauerhaft zu niedriges Geburtenniveau, der
nstieg der Lebenserwartung, internationale Zu- und
bwanderung, regionale Unterschiede in der Bevölke-





Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)

rungsentwicklung – insbesondere im Osten erleben wir
einen dramatischen Bevölkerungsrückgang seit 20 Jah-
ren – und schließlich eine stetig wachsende Zahl von
Menschen mit Migrationshintergrund, die in diesem
Land nicht nur Jahrzehnte gearbeitet haben, sondern die
hier auch ihren Lebensabend in Würde verbringen wol-
len. Daran hätten Sie anknüpfen können. Ich will schon
sagen: Demografie, also die Bevölkerungswissenschaft,
ist weit mehr als Altersforschung. Man gewinnt beim
Lesen schon ein anderes Verständnis.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie jedoch greifen vor dem Hintergrund der steigenden
Lebenserwartung allein mögliche Innovationen für das
Leben Älterer auf. Wir meinen, dass das viel zu eng ge-
sehen wird, und selbst unter diesem Blickwinkel bleibt
die Forschungsagenda zu unkonkret. Wie bei anderen
Forschungsstrategien beschreiben Sie nämlich auch hier
sozusagen lyrisch nur eine Mission. Konkrete Vorhaben
oder Informationen über Mittelverteilung, Projekte und
dergleichen sucht man vergebens. Wieder wird einem
nicht klar, wohin die vielen Millionen eigentlich fließen.

Das Thema Lebenserwartung, das Sie, Frau Ministe-
rin, vorhin selber angeführt haben, beschränken Sie
weitgehend auf Teilhabe im Sinne von Mobilität und
Kommunikation älterer Menschen. Damit aber nicht ge-
nug: Auch diese Themen werden nochmals verengt und
vor allem auf technische Ansätze reduziert. Alles in al-
lem – das muss man schon einmal sagen – umfasst die
gesamte Forschungsagenda 415 Millionen Euro. Das
hört sich gewaltig an. Von diesen 415 Millionen Euro
fließen 360 Millionen Euro nur in den Bereich der Tech-
nologieentwicklung.


(René Röspel [SPD]: Aber über fünf Jahre!)


– Über fünf Jahre. Da haben Sie recht, Herr Röspel. –
Hightechhilfen bei der Fortbewegung, Navigationsgeräte,
Assistenzsysteme im Auto, Routenplanungssysteme,
Kommunikationstechnologien für die Auslandsreise, Per-
sonenerkennung in der eigenen Wohnung und technische
Erinnerungshilfen und Überwachungstechnik – das alles
mag ein selbstbestimmtes Leben unterstützen. Das ist
überhaupt keine Frage. Aber wenn man in dieser For-
schungsagenda tatsächlich davon ausgeht, dass diese
Technik alltagstauglich und bezahlbar werden soll, zuge-
schnitten auf die Interessen und Fähigkeiten der Anwen-
derinnen und Anwender, dann gehört dazu viel mehr,
nämlich auch soziale Voraussetzungen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Immerhin wird sich die Zahl von Menschen mit ver-
schiedenen Formen von Demenz von heute rund 1 Mil-
lion Menschen auf rund 2 Millionen Menschen im Jahr
2050 erhöhen. Das ist eine gigantische gesellschaftliche
Herausforderung. Ihren Themenschwerpunkten ist aber
auch zu entnehmen, dass Sie beabsichtigen, wirtschaft-
lich bedeutende Marktpotenziale zu erschließen. Es ist
kein Zufall, dass wir gerade in dieser Woche über dieses
Thema debattieren. Es findet nämlich zeitgleich eine
große, massiv industriegesponserte Leitkonferenz im In-

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(C (D ovationsfeld „Altersgerechte Assistenzsysteme“ statt. o praktisch diese Hilfen sein können, Technologieenticklung – ich habe es schon angedeutet – trifft nicht en Kern des Problems. Ältere Menschen sind doch wie lle anderen Menschen auch zuerst soziale Wesen. Daus bestimmt sich ihr Platz in der Gesellschaft. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


arauf müsste diese Forschungsagenda konsequent aus-
erichtet werden. Dann müsste auch die Mittelverteilung
nerhalb der Agenda anders erfolgen. Wir brauchen
odelle dafür, wie Ältere in die Gesellschaft integriert
erden können, wie wir vermeiden können, dass Ältere
egen ihres Alters diskriminiert werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Linke sagt: Mindestens gleichrangig muss über
oziale Innovationen, um den Begriff aufzugreifen, ge-
rscht werden. Diese spielen jedoch – ich habe es ange-

eutet – in der Agenda eine viel zu untergeordnete Rolle.
ltersexperten erwarten eine selbstbewusstere, eine ge-

ellschaftlich, kulturell und politisch aktive ältere Gene-
tion. Herr Röhlinger hat es uns gerade vorgemacht.
amit wächst die Vielfalt der Ansprüche beispielsweise

n lebenslanges Lernen. Herr Röhlinger, da haben Sie
cht. Sie haben eine Zielfunktion bestimmt, aber Sie ha-

en nicht berücksichtigt, was im Leben stattfindet. Wort
nd Tat fallen bei der Bundesregierung auseinander.


(Beifall bei der LINKEN)


2004 gab es Vorschläge einer Expertenkommission,
ie die Finanzierung gewährleistet und wie innovative
strumente in diesen Bereichen entwickelt werden kön-

en. Statt diese nun umzusetzen oder mit Inhalten zu fül-
n, kürzt die Bundesregierung – Sie wissen es, Herr
öhlinger – seit Jahren, die Mittel zur „Stärkung des
ernens im Lebenslauf“. Allein im Haushalt 2012 wer-
en wieder 40 Millionen Euro gekürzt, und das, obwohl
ringender Handlungsbedarf besteht. Wer soll die ganze
echnik im Alter denn anwenden, wenn er gar kein Ver-
tändnis davon hat? Das Ganze ist ein Fortbildungspro-
ess. Herr Altmaier durchläuft ihn im Computerbereich.

Meine Damen und Herren, wie soll eine bessere Inte-
ration ins Arbeitsleben aussehen, insbesondere wenn
an schon viele Jahre im Beruf steht? Unsicherheiten und
mbrüche im Arbeitsleben könnten reduziert werden,
enn es gelingt, in dieser Zeit tatsächlich neue Qualifika-
onen zu erwerben. Gelingen keine nahtlosen An-
chlüsse, dann reduzieren sich die Anzahl der Beitrags-
hre bzw. der anrechnungsfähigen Arbeitsjahre und
amit die Beitragszahlungen in die Rentenkasse. Daraus
rgeben sich nach heutigem Stand der Dinge viel drama-
schere Folgen für ein würdevolles Leben im Alter.
rundvoraussetzung dafür ist nämlich eine angemessene
ente. Wie wir wissen, bringt das gegenwärtige Renten-

ystem Tausende Menschen trotz jahrzehntelanger Arbeit
Altersarmut. Modelle zu entwickeln, wie dem entge-

engewirkt werden kann, sollte ebenfalls Gegenstand die-
er Forschungsagenda sein.





Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie ich angedeutet habe, benötigen wir Forschungen
zu weiteren sozialen Innovationen, Stichpunkte: Wie si-
chern wir Teilhabe an Politik, Kultur, Sport und anderen
gesellschaftlichen Feldern? Wie kann Daseinsvorsorge
für Ältere, gerade in strukturschwachen Regionen, oder
für Menschen mit Behinderungen gesichert werden?
Wie können menschenwürdige Pflege und Gesundheits-
versorgung für alle gesichert und finanziert werden? Wie
schaffen wir es, die Vielfalt in Lebensweisen und Le-
bensformen auch im Alter zu ermöglichen? Auf all die-
sen Feldern haben wir gewaltigen Forschungs- und noch
mehr Umsetzungsbedarf. Deshalb hoffe ich, dass diese
Forschungsagenda eine Erweiterung in Richtung soziale
Innovationen findet.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715600900

Kollegin Sitte, Ihre Redezeit erweitern wir aber jetzt

nicht.


Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601000

Nein. Ich habe das Wesentliche gesagt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601100

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Tabea Rößner das Wort.


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715601200

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Forschungs-
agenda für den demografischen Wandel lohnt es sich
wirklich, zweimal hinzuschauen: Auf den ersten Blick
erscheint es absolut logisch und sinnvoll, dass wir uns in
der Forschung mit den Folgen einer Gesellschaft des län-
geren Lebens beschäftigen. Der demografische Wandel
führt nicht nur dazu, dass die Bevölkerung Deutschlands
in den nächsten Jahrzehnten schrumpft oder bunter wird;
vor allem wird sich der Altersaufbau massiv verändern.
Die gesellschaftspolitischen Folgen werden beträchtlich
sein. Wir müssen deshalb planen, wie sich die verschie-
denen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche
des Landes auf die Alterung, auf das längere Leben vor-
bereiten können.

Dann schaue ich die Agenda genauer an. Ich sehe die
Forschungsvorhaben und habe ein Déjà-vu nach dem an-
deren. Denn das, was Sie uns da als neuen Vorstoß in Sa-
chen Demografiepolitik verkaufen wollen, ist nichts an-
deres als alter Wein in neuen Schläuchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Viele dieser Forschungsvorhaben laufen schon seit Jah-
ren. Allerdings wurde jetzt schnell alles, was auch nur
annähernd thematisch passte, vom Bundesbildungsmi-
nisterium zusammengeklaubt und mit neuen Etiketten

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(C (D ersehen. Manches der Projekte ist schon kein alter Wein ehr, sondern längst Essig. Das alles geschieht nur, um on einem Fakt abzulenken: Der demografische Wandel t längst da. Sie haben dazu einen Demografiebericht nd eine Forschungsagenda. Sie haben demnächst mögcherweise sogar eine Strategie. Aber eines hat die Bunesregierung nicht: einen Plan. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Schlüssige Konzepte gäbe es genug, auch von Ihren ei-
enen Institutionen. Ein Beispiel: Das Bundesinstitut für
au-, Stadt- und Raumforschung hat im Rahmen des Ak-
onsprogramms „MORO“ zahlreiche Handlungsansätze
rarbeitet, zur Infrastruktur, zur öffentlichen Daseinsvor-
orge und, und, und. Die Konzepte enthalten Empfehlun-
en, wie gesetzliche Rahmenbedingungen verändert wer-
en müssten. Anstatt diese Konzepte umzusetzen, gibt es
tzt noch ein MORO-Aktionsprogramm, dieses Mal zur
gionalen Daseinsfürsorge. Dessen Empfehlungen kön-

en Sie dann umsetzen oder eben auch – wie bisher –
icht. Sie drehen sich da gewaltig im Kreis.

Sie haben auch im Jahr 2012 noch immer keine Leit-
lanken gesetzt, um deutlich zu machen, wie Sie den de-
ografischen Wandel zusammen mit den Ländern und

en Kommunen steuern wollen.

Wissen Sie, wonach Sie wirklich einmal forschen
ollten? Danach, wo der Handlungs- und Gestaltungs-
ille dieser Bundesregierung geblieben ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


der Demografiepolitik ist er jedenfalls nicht zu finden.
trengen Sie sich da ein bisschen mehr an!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601300

Für die Unionsfraktion hat jetzt die Kollegin Ewa

lamt das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ewa Klamt (CDU):
Rede ID: ID1715601400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
ir, die heute Lebenden, werden mit großer Wahr-

cheinlichkeit älter werden als unsere Vorfahren. Das ist
rfreulich.

Wir müssen aber auch konstatieren, dass unsere Ge-
ellschaft erheblich weniger Kinder hat, und das seit
ahrzehnten. Entsprechend stellt sich diese Bundesregie-
ng den Herausforderungen des demografischen Wan-

els. Wir wollen, dass Menschen auch im Alter selbstbe-
timmt leben können. Wir wollen ihren Alltag
omfortabler und sicherer machen.

Mit der Forschungsagenda für den demografischen
andel, die den Titel „Das Alter hat Zukunft“ trägt, geht





Ewa Klamt


(A) )


)(B)

die Bundesregierung konsequent einen weiteren Schritt
voran, und das unter Federführung des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung.

Dass das Alter Zukunft hat, haben wir hier erlebt und
werden es gleich wieder erleben. Ich schaue einfach ein-
mal in die Runde: Ich sehe Franz Müntefering, Peter
Röhlinger und unseren Kollegen Nobert Geis. Diese
Kollegen sind topfit. – Wir haben Zukunft, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Forschungsagenda thematisiert erstmals die un-
terschiedlichen Facetten des demografischen Wandels in
einem umfassenden interdisziplinären Ansatz. Dass die
Geistes- und Sozialwissenschaften in der Forschungs-
agenda explizit adressiert werden, ist aus meiner Sicht
ein wichtiger, vor allem ein sozialer Gesichtspunkt; denn
bei allen Überlegungen zum demografischen Wandel
muss – davon bin ich überzeugt – der Mensch im Mittel-
punkt stehen.

Ich bin überzeugt, dass die aufgeworfenen Fragen
nicht mehr nur von Ökonomen, Ingenieuren oder Medi-
zinern beantwortet werden können, die in ihren jeweili-
gen Fachrichtungen getrennt voneinander forschen. Es
bedarf eines ganz neuen, integrierten und interdisziplinä-
ren Forschungsansatzes. Dieser muss Geisteswissen-
schaftler, Pädagogen sowie Soziologen und auch Arbeits-
forscher mit einbeziehen. Das ist die Basis, die uns
Antworten geben wird.

Entsprechend ist es die Aufgabe der neuen For-
schungsagenda, die relevanten Fragestellungen zum de-
mografischen Wandel zu bündeln und wichtige Hand-
lungsfelder aufzuzeigen.

Sehr geehrter Herr Röspel, Sie wollten uns klarma-
chen, dass die Große Anfrage der SPD zu dieser For-
schungsagenda geführt hat.


(René Röspel [SPD]: Der Eindruck ist schwer naheliegend!)


Das löst natürlich ein Schmunzeln aus, weil allgemein,
über die Fraktionsgrenzen hinweg bekannt war, dass das
Strategiepapier und die Forschungsagenda in der Fertig-
stellung waren. Zumindest die hier Anwesenden wussten
sehr genau, was dahintersteckte: Sie wollten nur ganz
schnell auf das Thema springen, das die Bundesregie-
rung längst besetzt hatte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie die Strategie schon haben, dann legen Sie sie mal vor! – René Röspel [SPD]: Die Tatsache, dass die Regierung alt ist, hat nichts mit Demografie zu tun!)


Deshalb erläutere ich nicht nur Ihnen, Herr Röspel,
sondern auch den anderen Kollegen von der Opposition
gerne noch einmal, was bereits auf den Weg gebracht
wurde, welche Mittel derzeit eingesetzt werden und was
weiterhin geplant ist. Allein das Forschungsministerium

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(C (D vestiert im Jahr 2012 84 Millionen Euro in diesen Beich. Mit 415 Millionen Euro wird sich wiederum das orschungsministerium in den nächsten Jahren an der msetzung der Agenda beteiligen. or diesem Hintergrund – Herr Röspel, es tut mir leid – t Ihre Erwartungshaltung nach weiteren Mitteln völlig nangebracht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – René Röspel [SPD]: Sagen Sie mal was Neues! Wo sind denn zusätzliche Mittel?)


(René Röspel [SPD] Das sind 80 mal 5!)


Herr Röspel, ich bin gerade dabei, Ihnen zu erläutern,
as wir alles auf den Weg gebracht haben. Schauen Sie

ich einmal die Agenda an.


(René Röspel [SPD]: Wir haben gesucht!)


Ich kann Ihnen unseren Ansatz klar benennen. Wir
aben nicht nur für 2012 erhebliche Gelder für For-
chungsmaßnahmen eingesetzt, sondern für die gesamte
örderperiode. Entsprechend starten allein in diesem
ahr 20 neue vom Forschungsministerium geförderte
orschungsprojekte für altersgerechte Assistenzsysteme.
as fanden Sie alles nicht so wichtig.


(Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Das ist sehr wichtig!)


ir wissen, dass diese Systeme etwas ganz Wichtiges
ind;


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


enn sie ermöglichen es, dass Menschen selbstbestimmt
ben können.


(Dr. Peter Röhlinger [FDP]: Das ist genau der Punkt!)


Ich nenne Ihnen gerne einige weitere Beispiele für
orschungsaktivitäten: Entwicklung technischer Assis-
nz für die ambulante Pflege in strukturschwachen Re-
ionen. Ich komme aus einer solchen Region. Ich kann
nen bestätigen, dass das ganz dringend notwendig ist.
azu gehört das Projekt „Mit 60 plus mitten im Alltags-
ben“. Kann das etwas sein, was Sie nicht interessiert?
eider würde es meine Redezeit weit überschreiten,
enn ich Ihnen alles aufzählen würde. Ich empfehle Ih-
en einen Blick auf die Homepage: www.das-alter-hat-
ukunft.de. Diese Homepage zeigt Ihnen die ganze
andbreite und Fülle aller Forschungsaktivitäten, und
as über Ressortgrenzen hinweg. Diesen Blick würde
h der Opposition dringend empfehlen; denn aus Ihrer
ritik muss ich leider die Schlussfolgerung ziehen, dass
ie wenig Kenntnisse über die Vielfalt der Forschungs-
ktivitäten im Bereich des demografischen Wandels ha-
en.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen sie ja! Das ist nichts Neues!)


Für uns ist entscheidend, dass wir in einem Handlungs-
ld, das nahezu alle Ressorts, also fast alle Ministerien





Ewa Klamt


(A) )


)(B)

betrifft, Effektivität gewährleisten und Doppelstrukturen
verhindern. Deshalb ist es richtig und sinnvoll, die Akti-
vitäten aller beteiligten Ressorts zu bündeln und unter der
Federführung eines Hauses, des Bundesforschungsminis-
teriums, zu koordinieren. Die christlich-liberale Bundes-
regierung hat den demografischen Wandel zu einem zen-
tralen Schwerpunktthema gemacht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601500

Kollegin Klamt, gestatten Sie eine Frage der Kollegin

Dittrich?


Ewa Klamt (CDU):
Rede ID: ID1715601600

Nein, ich bin jetzt fertig. – Ich würde mich freuen,

wenn auch die Opposition diese wichtige Aufgabe in Zu-
kunft konstruktiv begleiten würde.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601700

Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Dittrich

das Wort.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601800

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Leider wurde mir

die Frage von der Rednerin nicht zugestanden. Ich
möchte daher sagen: Sie haben hervorgehoben, dass alle
Älteren weiterhin topfit sind. Als Beleg für diese Aus-
sage haben sie Bundestagsabgeordnete genannt. Diese
Aussage trifft für die Mehrheit der Bevölkerung nicht
zu. Sie wissen sicherlich, dass ein Drittel der Menschen
des Geburtsjahrgangs 1945, der 2010 mit 65 Jahren in
Rente gegangen wäre, verstorben ist. Das heißt, Men-
schen sterben auch, bevor sie die Altersruhegrenze er-
reicht haben. Deshalb ist es für mich nicht akzeptabel,
ein solches Beispiel zu nennen. Im Gegenteil, selbststän-
dige Augenärzte können mit über 67 Jahren noch arbei-
ten. Sie können ihre Praxis aber auch mit 50 Jahren an
die Tochter überschreiben. Kein Beschäftigter in einem
Betrieb kann bereits mit 50 Jahren selbstbestimmt in
Rente gehen. Diesen Unterschied erklären Sie nicht. Es
gibt Arme und Reiche in der Gesellschaft. Die armen
Menschen brauchen eine soziale Mindestsicherung. Teil-
habe kann nicht nur durch Arbeiten bis zum Umfallen in
dieser Gesellschaft gesichert sein, sondern muss durch
ein gesetzliches Renteneintrittsalter und eine auskömm-
liche Rente nicht unter 900 Euro, wie sie die Linke for-
dert, ermöglicht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715601900

Das Wort zur Erwiderung hat Frau Klamt.


Ewa Klamt (CDU):
Rede ID: ID1715602000

Frau Dittrich, ich war am Ende meiner Rede und hatte

nur noch einen Satz zu sprechen. Ich beantworte Ihnen
jetzt natürlich gerne Ihre Frage.

Ich habe als Positivbeispiel für das Alter drei Kolle-
gen im Deutschen Bundestag genannt, wir könnten aber

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(C (D uch viele Kollegen oder Freunde aus unserem Kreis beennen, die gesund gealtert sind. Das ist doch gar nicht er Punkt. Der Punkt ist der: Wir freuen uns, dass viele on uns heute älter werden und dass wir das Alter genieen und auch noch berufstätig sein können. Ich habe auch die anderen Punkte angesprochen. chauen Sie doch einmal, was alles für Demenzkranke, Pflegebereich, für Assistenzen für Ältere, also für die enschen, die eben nicht so fit und gesund sind wie un ere Kollegen hier oder Freunde zu Hause, erforscht ird. Genau für diese Menschen werden die Projekte urchgeführt. Wenn Sie behaupten, dass ein normaler Mensch nicht it 50 in Rente gehen kann, dann täuschen Sie sich. Je er kann mit 50 in Rente gehen. (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Von 5 Euro Brutto!)


enn Sie genügend Ersparnisse zurückgelegt haben,
ann können Sie das tun. Der Arzt, der mit 50 in Rente
eht, wird ja auch wissen, woher sein Geld ab diesem
eitpunkt kommt. Frau Dittrich, ich fand dieses Beispiel
iemlich daneben. Darum wollen wir uns darauf konzen-
ieren, was für unsere Bevölkerung ansteht. Alter hat
ukunft!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715602100

Das Wort hat der Kollege Franz Müntefering für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715602200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as Thema Demografischer Wandel ist in der deutschen
olitik – auch bei dieser Bundesregierung – in einem Zu-
tand, der eine harte Kritik rechtfertigen würde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es ist jetzt aber nicht der Zeitpunkt, zu wüten; deshalb
ill ich meine Anmerkungen in Ratschläge kleiden.

ohannes Rau hat dazu gesagt: Ratschläge sind immer
uch Schläge. – So ist meine Rede jetzt auch gemeint,
ur damit Sie das wissen; wenngleich ich es freundlicher
rmuliere.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


Sie haben unsere Große Anfrage beantwortet. Wir
atten gefragt, mit welchem Gesellschaftsentwurf die
undesregierung für die Jahre 2050, 2060 rechnet, wo-
on sie ausgeht. Die Antwort lautete:

Die Bundesregierung geht davon aus, dass die frei-
heitliche demokratische Grundordnung sowie die
im Grundgesetz festgelegten Werte und grundle-
genden Prinzipien auch im Jahr 2050 die Grundlage
der bundesdeutschen Gesellschaft bilden werden.

Das ist richtig, geht aber dicht an eine Karikatur. Ihr
roblem ist, dass Sie keine Vorstellung davon haben, wie





Franz Müntefering


(A) )


)(B)

der Gesellschaftsentwurf für die nächsten 30 oder
50 Jahre aussehen wird.


(René Röspel [SPD]: So ist es!)


Wenn Sie das aber nicht wissen, dann werden Sie keine
nachhaltige Politik im Sinne einer demografischen Ent-
wicklung machen können. Man muss wissen, wo man
2030 oder 2050 sein will.

Wenn Sie diese Frage nicht beantworten, dann kann
das zwei Gründe haben: Entweder Sie können sich in der
Koalition nicht verständigen – ich unterstelle Ihnen
schon, dass Sie eine Vorstellung davon haben, wohin Sie
wollen –, oder Sie haben nicht den Mut, sich mit den
Ländern und Kommunen anzulegen und sozusagen die
vertikale Linie aufzumachen.

Wir werden den demografischen Wandel nur vernünf-
tig gestalten können, wenn wir gemeinsam in Bund,
Ländern und Gemeinden – auch Europa gehört dazu –
die Antwort suchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Debatte werden wir uns, auch wenn sie schwierig
ist, für die Zukunft nicht ersparen können.

Der Untertitel heißt: „Das Alter hat Zukunft“, und im
Text steht: „Im Fokus stehen ältere Menschen“. Das ist
falsch und hochgefährlich. Zum demografischen Wandel
gehören alle Generationen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir nicht verstehen – einige haben es bereits
angesprochen –, dass alle Generationen in einem Boot
sitzen, dass es um das Miteinander der Generationen
geht, dass es nicht nur um die Älteren geht, sondern um
alle, dann haben wir nicht verstanden, was demografi-
scher Wandel eigentlich bedeutet.

Deshalb ist Ihre Fokussierung nur auf die Älteren
falsch. Sie ist auch nicht im Sinne oder zum Nutzen der
Älteren. Wir müssen vielmehr die Gesellschaft in ihrer
ganzen Breite erfassen und die Entwicklung beobachten.
Diejenigen, die heute 10 Jahre sind, sind eben in 40 Jah-
ren 50. Sie haben eine Funktion. Nur dann, wenn wir in
die Köpfe und in die Herzen der Jungen investieren,
werden wir auch morgen und übermorgen noch eine Al-
terssicherung in diesem Land haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb, aber auch, weil wir den jungen Menschen eine
Chance geben wollen, müssen wir handeln.

In den Altenberichten der letzten Jahre ist bereits vieles
zu den Potenzialen der Alten und zu Altenbildern gesagt
worden. Zivilgesellschaftliches Engagement, Sicherheit
bei der Pflege, Alterssicherung durch Renten, Chancen
am Arbeitsmarkt: Das sind Bereiche, in denen man han-
deln kann. Hier muss man für die nächsten Jahre nicht neu
forschen; das ist ganz klar. Das muss auf den Punkt ge-
bracht werden.

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(C (D Die Vorschläge zu den technischen Assistenzen für lte Menschen sind gut. Wir müssen Computer und die ntsprechenden Möglichkeiten nutzen. Ich warne aber or einer Sache: Opa und Oma brauchen mit 70 oder 80 icht unbedingt einen Computer oder ein technisches erät – sie brauchen Zuwendung. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie älteren Menschen bilden eine zeitreiche Gesell-
chaft. Wir haben viele, viele Menschen, die 60, 65, 70
der 80 sind und sich um die anderen kümmern können.
ichtiger als alles andere ist, dass wir verhindern, dass

ie Menschen, die alt sind, Beschwerden haben und pfle-
ebedürftig sind, allein gelassen werden und einsam
ind. Dieses Land braucht nicht zuzulassen, dass es

enschen gibt, die einsam sind, weil sich andere nicht
m sie kümmern. Das müssen wir politisch aufnehmen,
a müssen wir reden, handeln und deutlich machen, um
as es geht.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715602300

Kollege Müntefering, gestatten Sie eine Frage oder

emerkung der Kollegin Dittrich?


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715602400

Nein, im Moment will ich meine Ratschläge weiter-

hren.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Der nächste Ratschlag bezieht sich auf die erste große
elle, die uns im Augenblick erreicht: auf die Fach- und
rbeitskräfteproblematik. Da muss man dann einmal er-
rschen: Was können wir tun, damit nicht 60 000 junge
enschen jedes Jahr ohne Abschluss von der Schule ge-

en, damit nicht 25 Prozent ihre Ausbildung abbrechen,
amit an den Universitäten nicht so viele ihr Studium ab-
rechen? Was können wir tun, damit die Frauen wirklich
ine Chance haben, in den Beruf zu kommen, damit
iese Generation junger Frauen endlich nicht nur mal
ben dabei ist, sondern wirklich mittendrin im Beruf?
ir müssen die Erwerbsquote von 75 Prozent auf 78

der 80 Prozent steigern. Das ist möglich, wenn wir die-
en jungen Frauen eine wirkliche Chance geben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


as gehört zum demografischen Wandel ganz zentral
azu.

Natürlich gehört auch dazu, dass die Älteren nicht zu
üh herausgeschubst werden. In der Antwort der Bun-
esregierung auf unsere Große Anfrage wird das Ganze
o beantwortet: Sie gehen davon aus, dass jährlich netto
00 000 bis 200 000 Menschen zuwandern. Das sind in
0 Jahren 4 oder 8 Millionen Menschen. So wollen Sie
as Problem lösen. Ich sage: Ja, wir werden auch Zu-
anderung haben; aber wenn wir nicht zunächst einmal
ie eigenen Potenziale im Lande nutzen und sie nicht
obilisieren – da beziehe ich mich in ganz besonderer





Franz Müntefering


(A) )


)(B)

Weise auf die Frauen –, werden wir dem Problem nicht
vernünftig begegnen können.


(Beifall bei der SPD)


Die Familienministerin ist bei der Forschung mit da-
bei: Sie lässt zum Wohnen im Alter und zur Demenz for-
schen. Das ist auch okay. Aber ist ihr denn nichts zur Fa-
milie, zu Frauen und zur Jugend eingefallen, nichts dazu,
dass mit jeder neuen Generation die Zahl der Mädchen
um ein Drittel sinkt, dass 33 Prozent der Männer und
Frauen, die 1970 geboren sind, keine Kinder haben? Was
können wir eigentlich tun, damit sie Kinder haben kön-
nen und wollen? Wenn man mit den 28-, 30- oder
35-Jährigen spricht und sie fragt, ob sie Kinder haben
wollen, sagen sie: Ja, aber ich habe einen Job für ein
Jahr, und meine Freundin wohnt in Hamburg; auf der
Basis wollen wir damit nicht anfangen. – Es ist ja nicht
der blanke Hedonismus, dass die jungen Menschen
keine Kinder bekommen, sondern ein praktisches Pro-
blem, das wir bisher nicht lösen. Wir müssen ihnen Si-
cherheit geben. Dann werden wir in Deutschland auch
wieder mehr Kinder haben. Das ist besser als viele An-
sätze, die Sie in Ihrem Konzept aufgeschrieben haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage abschließend: Was der Bundesminister für
Bau und Stadtentwicklung da macht, ist ein glatter Aus-
fall. Darum sollten Sie sich wirklich einmal kümmern.
Das sind keine Antworten. Die Städte und Gemeinden
liegen im Zentrum der Lösung. Wir werden das Problem
nur lösen, wenn wir die Kommunen von der Struktur
und von der Finanzkraft her stärken. Die großen Kom-
munen expandieren und wachsen, aber die kleinen sollen
es auch. Was macht der Minister? Er macht ein Pro-
gramm für 21 Modellregionen, die zwei Jahre lang bis
zu 160 000 Euro jährlich bekommen; das sind gut
300 000 Euro in zwei Jahren, 1 Euro für jede Person.
Damit sollen die Kommunen ihre Strukturen für die Zu-
kunft verbessern. Das ist doch der blanke Hohn. Ich sage
Ihnen: Wenn man die Herausforderungen bei den Kom-
munen nicht wirklich ernst nimmt und ihnen nicht hilft,
werden sie ihren Aufgaben nicht gerecht werden kön-
nen. Abschließende Bemerkung: Handeln wäre ange-
bracht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715602500

Kollege Müntefering, Sie haben die Chance auf eine

abschließende Bemerkung, wenn Sie eine Frage zulas-
sen. Ansonsten wäre Ihre Redezeit jetzt vorbei.


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715602600

Ja, das machen wir. Bitte schön.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1715602700

Geschätzter Kollege Müntefering, wollen Sie zur

Kenntnis nehmen, dass die Mittel für die Städtebauför-
derung jetzt wieder auf 455 Millionen Euro angewach-
sen sind,


(Zuruf von der SPD: „Wieder“!)


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(C (D erade ein Aufwuchs beim Programm „Soziale Stadt“ eschlossen wurde und über ein KfW-Programm 92 Milonen Euro für die Stadtquartiere zur Verfügung gestellt erden? Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die hristlich-liberale Bundesregierung und Koalition diese ittel auch gerade für die älteren Menschen zur Verfü ung stellt, um ihren Anliegen Rechnung zu tragen? (René Röspel [SPD]: Erst absenken und dann ein bisschen erhöhen!)



Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715602800

Lieber Kollege, da haben Sie ein schlechtes Beispiel

ewählt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – René Röspel [SPD]: Eigentor!)


enn Sie mit dem Programm „Soziale Stadt“ anfangen
ollen, dann sollten Sie das nicht bei mir machen. Ich
ar dabei, als wir das Programm 1998/1999 erfunden
aben, mit einem Umfang von 100 Millionen. Mit dem
rogramm soll in die sozialen Strukturen der Stadt in-
estiert werden. Sie haben die Mittel von 100 Millionen
uf 29 Millionen gesenkt; jetzt heben Sie die Mittel auf
0 Millionen an und loben sich dafür.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Das waren 100 Millionen D-Mark im Jahr 1998!)


enn Sie an der Stelle den Städten keine Möglichkeit
eben, Präventionsarbeit zu betreiben, müssen Sie sich
ber die nachfolgenden Kosten nicht wundern. Sie ent-
tehen auch wegen unzureichender Prävention. Jugend-
rbeit in den Regionen, Städten und Kiezen ist besser, als
nschließend Jugendstrafvollzugsanstalten zu bezahlen.
eshalb müssen wir den Städten und Gemeinden bessere
öglichkeiten bieten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich mache eine abschließende Bemerkung; so viel
eit habe ich ja noch.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715602900

Kollege Müntefering, ich muss Sie fragen, ob Sie eine

weite Frage zulassen, nämlich der Kollegin Dittrich.


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715603000

Bitte schön. – Ich nehme an, Sie wollen nach

artz IV fragen. Das machen Sie immer.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)



Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603100

Danke schön, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben

arüber berichtet, wie sich die Generationen gegenseitig
nterstützen wollen. Da gibt es keinen Unterschied zur
DU/CSU. Sie sind ein Politiker im Seniorenalter, der

chon viel Erfahrung gesammelt hat. Deshalb macht es





Heidrun Dittrich


(A) )


)(B)

mich stutzig, dass ausgerechnet Sie nicht mehr von den
Möglichkeiten des Sozialstaates sprechen.

Der Staat muss umgebaut werden. Die SPD hat eine
Enquete-Kommission eingerichtet. Sie sagen, ein geplan-
tes Leben mit Kindern sei nicht möglich, wenn prekäre
Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Es ist aber doch die
Koalition aus Rot und Grün gewesen, die die Hartz-IV-
Gesetze eingeführt hat, welche zu diesen nicht abgesi-
cherten Beschäftigungsverhältnissen geführt haben,


(Patrick Döring [FDP]: Wieder ein Eintrag ins Fleißkärtchen! Sehr gut!)


weshalb keine Kinder geplant werden können. Die Linke
sagt: Hier muss zurückgerudert werden, und zwar kom-
plett: mit Arbeitszeitverkürzung und mit unbefristeten
Arbeitsverträgen.

Wenn Sie die Steuereinnahmen des Staates nicht
durch eine Reichensteuer erhöhen wollen – ich will nicht
das ganze Programm aufführen –, dann kann der Sozial-
staat nicht aufgebaut werden. Verstehe ich Sie richtig,
dass die SPD es hinnimmt, dass keine Steuereinnahmen
in soziale Dienstleistungen fließen, dass die älteren und
die jüngeren Menschen sich sozusagen freiwillig enga-
gieren und sich gegenseitig helfen müssen?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603200

Frau Kollegin Dittrich, versuchen Sie, die Frage zu

formulieren.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603300

Das wäre in der Tat eine sehr große Sparmaßnahme.

Stimmen Sie mir zu, dass Sie bei einem Frühstück mit
der Diakonie, bei dem auch ich anwesend war, gesagt
haben: „Die Pflege, die jetzt zu organisieren ist, ist ein
riesengroßer Markt; wir müssen überlegen, wie wir hier
mithelfen können“?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Reden Sie getrost weiter! – Gegenruf der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU]: Nein!)



Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1715603400

Liebe Kollegin, der Sozialstaat ist ein großer mensch-

heitsgeschichtlicher Fortschritt. Wir werden diesen Weg
nicht verlassen. Sozialdemokraten – ich unterstelle ein-
mal, die anderen Demokraten auch – wissen, was sie da-
ran haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Patrick Döring [FDP])


Aber wir werden den Herausforderungen des demografi-
schen Wandels nicht begegnen können, wenn uns nicht
bewusst ist: Der Staat muss den Sozialstaat organisieren,
aber vor Ort brauchen wir die soziale Gesellschaft. Es
kommt auf die Menschen in den Städten und Gemeinden
an. Wir müssen die Städte in den Stand setzen, dies zu
organisieren. Wir brauchen Menschen, die sich in den
Städten und Gemeinden engagieren. Ohne diesen Teil ei-
ner sozialen Gesellschaft wird das nicht funktionieren.
Das ist kein Gegensatz. Das Einander-zugewandt-Sein in

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(C (D en Städten und Gemeinden, das Verhindern von Einamkeit, das Sich-um-Menschen-Kümmern kann man war in ein Gesetz schreiben; aber man kann dies nicht anktionieren, man kann es nicht durchsetzen. Die Frage t, ob es genügend Menschen gibt, die bereit sind, sich u engagieren. Ich sage: Es gibt sie, aber wir müssen sie nterstützen, wir müssen ihnen helfen. Das wird im Weentlichen in den Städten und Gemeinden vor Ort passien. Ich komme zu meinem abschließenden Satz. Wir üssen handeln. Die Forschungsagenda ist nicht falsch. ber am meisten gestutzt habe ich, Frau Schavan, als ich anz am Ende der Agenda gelesen habe, dass sie 2016 valuiert werden soll. Das müssten dann wir machen das ist klar –; das werden wir auch gut machen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


ber bis dahin muss ein bisschen passieren. Sie haben
ngekündigt, dass Sie Ende März/Anfang April ein
andlungskonzept für den demografischen Wandel vor-
gen. Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns eine Diskussion
arüber führen, was das eigentlich sein soll. Es ist wirk-
ch allerhöchste Zeit, dass die Dinge in Bewegung ge-
etzt werden. Die Dynamik und die Wirkungsweise des
emografischen Wandels sind von allergrößter Bedeu-
ng für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603500

Der Kollege Professor Dr. Martin Neumann hat sich

ntschlossen, seinen heutigen Geburtstag mit uns ge-
einsam mit einer Rede im Deutschen Bundestag zu be-

ehen. Ich gratuliere Ihnen


(Beifall)


nd gebe Ihnen das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1715603600

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Vielen Dank, liebe

olleginnen und Kollegen! Alter hat Zukunft – das sage
h nicht nur, weil ich heute Geburtstag habe, sondern

uch, weil ich mir in der Tat dessen bewusst bin, dass der
emografische Wandel vielfältige Probleme und Diskus-
ionen aufwirft. Dass von daher eine ganzheitliche Dis-
ussion zu führen ist, wie Sie es angeregt haben, Herr
üntefering, ist sicherlich unbestritten. Die heutige Dis-

ussion – das will ich an der Stelle deutlich sagen – ist
afür ein Baustein.

Doch heute und auch mir persönlich geht es um die
orschungsagenda „Das Alter hat Zukunft“, eine Agenda,
ie sich ganz bewusst auf Forschungsfragen und For-
chungsgebiete konzentriert, die bisher vereinzelt und
enig beachtet blieben. Bereits seit Anfang der 90er-





Dr. Martin Neumann (Lausitz)



(A) )


)(B)

Jahre existiert die wichtige Debatte um den demografi-
schen Wandel. 1992 gab es bereits, wenn ich es richtig
recherchiert habe, eine Enquete-Kommission im Deut-
schen Bundestag, die die Aufgabe hatte, die zukünftigen
Herausforderungen zu analysieren. Wir stellen heute fest,
dass diese Herausforderungen aktueller denn je sind und
in der tagesaktuellen Politik angekommen sind. Die stei-
gende Lebenserwartung und viele andere Dinge, die
meine Vorredner hier schon deutlich gemacht haben,
zwingen zur Anpassung in den Bereichen Fachkräfte-
potenzial, Infrastruktur, Städtebau und Wohnen.

Wenn wir heute über die steigende Lebenserwartung
und den demografischen Wandel nachdenken, stellen wir
vor allen Dingen eines fest – und das will ich in den Vor-
dergrund rücken –, nämlich dass sich das gesellschaftli-
che Bild vom Alter und vom Älterwerden geändert hat.
Heute herrscht das Bild von älteren Menschen vor, die
selbstbestimmt und unabhängig leben wollen. In einer
Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2011 wurde ermittelt, dass
zwei Drittel der über 50-Jährigen im Alter selbstständig
wohnen bleiben wollen. Knapp 90 Prozent der Befragten
äußerten, dass sie das Alter als einen aktiven und selbst-
bestimmten Lebensabschnitt betrachten. Das sind Aus-
sagen, die auch durch den Demografiebericht 2011 un-
terfüttert werden.

Die nun vorgelegte Forschungsagenda richtet sich ge-
nau nach diesem Altersbild:


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Selbstständigkeit und Selbstbestimmung sind Kernanlie-
gen. Die Forschung zum Beispiel im Bereich technische
Assistenzsysteme, die schon angesprochen wurde, schafft
wichtige Voraussetzungen dafür. Wie wollen Sie soziales
Leben organisieren, wenn technische Voraussetzungen
für Mobilität und Kommunikation nicht gegeben sind?
Für uns steht deshalb ein ganz wichtiger Ansatz im Mit-
telpunkt: ein Leben in Unabhängigkeit bei gleichzeitiger
Sicherung der Grundbedürfnisse zu fördern. Ich betone
diese Assistenzsysteme deshalb ganz besonders, weil sie
wirklich eine hohe Bedeutung und einen hohen Wert für
die Lebensqualität älterer Menschen besitzen. Wir schaf-
fen damit tatsächlich die Möglichkeit uneingeschränkter
Teilhabe an der Gesellschaft. Das ist die Kernbotschaft.
Das stellt – das möchte ich extra betonen – tatsächlich
eine neue Qualität dar und stellt vor allen Dingen die For-
schung vor neue innovative Herausforderungen.

Ich begrüße deshalb auch im Namen meiner Fraktion
ausdrücklich die uns hier vorgelegte Forschungsagenda
„Das Alter hat Zukunft“ und sehe mit großem Interesse
den Ergebnissen der geförderten Ideen und Forschungs-
projekte entgegen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603700

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

legin Elisabeth Scharfenberg das Wort.

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(C (D Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

gen! Menschen fühlen sich noch immer aufgrund ihres
lters diskriminiert. Das trifft nicht nur auf Alte, sondern

uch auf Junge zu. Das geht aus der jüngsten Umfrage
ervor, die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des
undes vorgenommen wurde. Umso bedauerlicher ist es,
ass die Forschungsagenda zum Thema Das Alter hat
ukunft, die wir soeben vorgelegt bekommen haben, das
hema Altersdiskriminierung nicht wirklich ernst
immt. Diese Agenda ist eine einzige Absichtserklärung.
iese Agenda ist ein Sammelsurium an Schlagworten
nd wohlklingenden Floskeln aus dem Bereich der ge-
ntologischen Forschung.

Uns allen, die wir hier sitzen, ist aber doch klar: Wir
ind schon längst im demografischen Wandel angekom-
en. Wir brauchen keine Agenda, die einfach nur alle
rojektansätze aller Ministerien aufzählt. Wir brauchen
eine Agenda, die uns Altbekanntes als Neues verkauft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ir brauchen vielmehr eine Demografiestrategie, eine
trategie, die festlegt, was getan werden muss, bis wann
s getan werden muss, von wem es getan werden muss
nd wie es getan werden muss. Wir brauchen ein konzer-
ertes Vorgehen der Ressorts. Nur so werden wir Dop-
elstrukturen vermeiden und dafür sorgen, dass sie gar
icht erst aufgebaut werden.

Ein Beispiel ist das Thema Demenz. Heute wird das
hema Demenz vom Gesundheitsministerium, vom For-
chungsministerium und vom Familienministerium bear-
eitet. Was fehlt, ist die wirklich ernsthafte Koordination
nd Kooperation der Ministerien. Alle wurschteln vor
ich hin. Ich hoffe, dass man sich zumindest über die Er-
ebnisse verständigt und austauscht. Sonst bringt das al-
s überhaupt nichts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Ich denke, in dieser Agenda fehlen einige zentrale
hemen. Wir müssen zum Beispiel über den Umgang mit
lteren Migrantinnen und Migranten reden. Wir müssen
ber auch darüber reden, wie wir die Kommunen als
andlungsebene vor Ort wieder stärker ins Boot holen
önnen; denn dort findet die Zukunft im Alter statt. Frau
inisterin, Sie haben das in Ihrer Rede erwähnt. Sie ha-

en das also durchaus erkannt. Aber was nützt uns der Er-
enntnisgewinn durch die Agenda, wenn die guten Ideen
icht im Alltag der Gesellschaft und vor Ort in den Kom-
unen ankommen?

Dann ist da noch ein Punkt: die Entlastung von Pfle-
ebedürftigen und Pflegenden. Herausgekommen ist da-
ei bis jetzt noch nicht viel mehr als das nutzlose Fami-
enpflegezeitgesetz von Frau Schröder,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)






Elisabeth Scharfenberg


(A) )


)(B)

ein Gesetz, das nur auf Appellen beruht und sich auf das
Wohlwollen der Wirtschaft verlässt.

In der Agenda setzt man auf Technik, auf Assistenz-
systeme. Ja, es stimmt: Diese Systeme können eine Hilfe
sein. Aber sie stehen nicht im Mittelpunkt, wenn es um
die Entlastung pflegender Angehöriger geht. Wenn Sie
pflegende Angehörige danach fragen, werden sie Ihnen
das sehr klar sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Alle Themen, die in der Agenda angesprochen werden,
sind wichtig. Aber eine Auflistung allein reicht nicht.
Wir brauchen einen Maßnahmenplan. Unter Schwarz-
Gelb erleben wir aber leider eine Politik des totalen Still-
stands.

Meine Damen und Herren, in der Süddeutschen Zei-
tung konnten wir einen treffenden Kommentar zur De-
mografiepolitik dieser Regierung lesen. Die Süddeutsche
Zeitung ist der Auffassung, Schwarz-Gelb habe mehr
Angst vor den Wählern heute als vor den Problemen
morgen. Ich zitiere das gerne:

Politik verlangt aber: Zukunft gestalten. Wenn die
Zukunft versaut ist, ist es mit der Gestaltung vorbei.

Ich denke, klarer und besser kann man das nicht ausdrü-
cken.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie müssen aber nicht alles glauben, was in der Zeitung steht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715603800

Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Norbert

Geis das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1715603900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Verehrte Frau Kollegin, ich habe längst aufgege-
ben, alles zu glauben, was in den Zeitungen steht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Dafür kriegen Sie sogar Applaus aus den eigenen Reihen!)


Ich möchte das Thema demografischer Wandel, das
uns beschäftigt, unter verschiedenen Aspekten beleuch-
ten. Es ist in der Tat so, Herr Müntefering, dass der
demografische Wandel in erster Linie durch das Älter-
werden unserer Gesellschaft bestimmt wird. Das ist au-
genfällig, und dadurch entsteht auch die Diskussion über
den demografischen Wandel.

Es ist natürlich von entscheidender Bedeutung, dass
wir die verschiedenen Phasen des Älterwerdens erfor-
schen und den Fragen nachgehen: Wie ist es möglich,
auch im Alter ein gesundes und vielleicht sogar agiles

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(C (D eben zu führen? Wie können wir älteren Menschen, die rank oder hilfsbedürftig sind – das bleibt im Alter nicht us –, beistehen? Welche Regularien und Möglichkeiten önnen wir schaffen? Ich stimme Ihnen zu, dass wir vor llen Dingen die Gemeinden mobilisieren müssen. In der at richtet sich diese Frage insbesondere an die Kommualpolitik; das ist sehr wahr. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man aber auch unterstützen!)


on Bedeutung ist allerdings auch die Phase des Älter-
erdens, in der viele Menschen rundum pflegebedürftig

ind.

Diese Themen sind, wie ich meine, noch nicht ausrei-
hend erforscht. Deswegen begrüßen wir die Initiative
er Bundesregierung, gerade diese Aspekte des demo-
rafischen Wandels zu erforschen und sich insbesondere
it diesen Themen zu beschäftigen. Wir müssen Mög-
chkeiten und Wege finden, wie diese Herausforderun-
en am besten zu bewältigen sind. Natürlich spielt auch
ie Tatsache, dass wir eine niedrige Geburtenquote ha-
en, eine entscheidende Rolle in der Diskussion über
en demografischen Wandel, auch die Frage, wie es
öglich ist, der mittleren Generation, die die ganze Last

u tragen hat, zu helfen.

Diese Fragen betreffen nicht nur Deutschland, ob-
leich wir Spitzenreiter sind; neben Japan hat Deutsch-
nd die älteste Bevölkerung. Das ist eine Frage, der sich
anz Europa stellen muss. In allen Industrieländern, ins-
esondere aber in Europa, stellen sich diese Fragen. Der
lte Kontinent Europa wird tatsächlich zu einem Land
er Alten. Wir geraten zunehmend in die Situation, dass
ns die Innovationskraft und die Kreativität der jungen
eute fehlen. Durch diesen demografischen Wandel ge-
ten wir unter Umständen in eine Winterstarre, die uns
it Sicherheit unsere führende Stellung in der globalen
elt nehmen wird.

Diesem Problem muss sich die Politik stellen. Das
önnen wir nicht einfach so über uns ergehen lassen. Wir
üssen uns vielmehr dagegen wenden und Wege finden,
otz dieser Entwicklung an der Spitze der Welt zu blei-
en. Deswegen müssen wir uns natürlich auch Gedanken
arüber machen, wie wir die Menschen, die jetzt mit 65
ahren in den Ruhestand gehen, aber noch leistungsfähig
ind – die Statistik zeigt, dass viele bis 85 leistungsfähig
ind –, heranziehen können. Wie können wir das Poten-
ial dieser älteren Menschen nutzen? Das ist eine wich-
ge Frage, der im Rahmen dieser Forschungsagenda
achgegangen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir brauchen den Einsatz der älteren Menschen in der
irtschaft, in der Politik, in der Gesellschaft, im Frei-
illigendienst.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!)


ie älteren Menschen sind auch bereit dazu. Sie wollen
ich gar nicht auf die Zuschauertribüne setzen und sich





Norbert Geis


(A) )


)(B)

aufs Beifallklatschen beschränken. Sie wollen mitspie-
len, und sie können es auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen anfangen, unser Bild von den Alten zu
ändern. Vor acht Tagen haben wir genau darüber im Ple-
num des Bundestages diskutiert. Wir müssen diese Bil-
der korrigieren. Wir haben Vorstellungen, die 20, 30
Jahre alt sind. Wir müssen berücksichtigen, dass wir eine
ganz neue Lebensphase hinzugewonnen haben, in der
wir agil und leistungsfähig sind. Dieser Frage muss sich
natürlich auch die Forschung stellen.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!)


Es ist richtig, dass wir eine zu geringe Geburtenquote
haben; dieses Lamento hören wir schon jahrelang. Dafür
gibt es viele Gründe. Ich kann die Gründe heute hier
nicht alle darlegen. Richtig ist, dass wir die Alten in Ar-
beit halten müssen. Richtig ist aber auch, dass wir Zu-
wanderung brauchen und mehr Frauen in Arbeit bringen
müssen. Wir brauchen mehr Frauen in Arbeit als derzeit,
wenn wir unseren Stand halten wollen.


(Beifall der Abg. Nicole Bracht-Bendt [FDP])


Frauen, die Vollzeit beschäftigt sind – das entspricht der
Erfahrung –, bekommen aber kein Kind oder nur noch
ein Kind.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es keine Betreuung gibt!)


Der Anteil der Männer und Frauen, die nie ein Kind er-
zogen haben, steigt immer mehr. Inzwischen sind es 20
bis 30 Prozent; darauf wurde hingewiesen. Die Tendenz
ist steigend. Damit können sich unsere Gesellschaft und
unsere Politik nicht zufriedengeben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das ist nämlich der wichtigste Grund für die Verschie-
bung bei der demografischen Entwicklung. Wir haben zu
wenige Kinder. Der Schwund bei der nachwachsenden
Generation ist der Grund für den demografischen Wan-
del, und der hat revolutionäre Ausmaße. Deswegen ist es
eine ganz entscheidende Frage, wie wir die Rahmenbe-
dingungen gestalten müssen, damit es wieder mehr Kin-
der gibt. Wir brauchen eine höhere Geburtenquote.

Ein Schlussgedanke zum Drei-Generationen-Vertrag:
Die mittlere Generation wird am meisten belastet wer-
den. Sie muss die Last der Alten tragen – sie muss die
Renten erwirtschaften –, sie muss die Last der jungen
Menschen tragen – sie muss die Kinder versorgen –, und
sie trägt die Hauptlast des Sozial- und Staatshaushalts.
Diese Last trägt die mittlere Generation vor allem durch
die Steuern, die sie zahlt. Das ist eine gewaltige Last.
Noch nie ist eine mittlere Generation so belastet worden,
wie es bei den jetzt kommenden mittleren Generationen
der Fall sein wird. Auch das ist ein Problem, dem wir
uns stellen müssen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Vielen Dank, Kollege Norbert Geis. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/8103 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein erstanden? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist ie Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Wolfgang Nešković, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Alle BND-Akten zum Thema NS-Vergangenheit offenlegen – Drucksachen 17/1556, 17/4468 – Berichterstattung: Abgeordnete Armin Schuster Michael Hartmann Hartfrid Wolff Jan Korte Wolfgang Wieland Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen iderspruch. Dann ist dies auch so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist für die raktion der CDU/CSU unser Kollege Manfred Grund. itte schön, Kollege Manfred Grund. Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten amen und Herren! Wir haben heute in einer beeindrukenden Gedenkstunde mit der Rede von Marcel Reichanicki der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Ich laube, durch diese Rede ist uns allen noch einmal deutch geworden, was dies für uns Nachgeborene bedeutet, ämlich: nie wieder Faschismus, nie wieder Totalitarisus und nie wieder Gleichschaltung. Seine Geschichte egründet unsere Verantwortung zu umfassender, tiefgeender, aber auch handwerklich solider Aufarbeitung nserer Geschichte. Einer wissenschaftlich soliden Aufarbeitung der Gechichte wollen und müssen wir uns stellen. Sie sollte ber nie losgelöst von den Umständen ihrer Zeit, den daaligen Herausforderungen und Lebensumständen, erlgen. Wer die Ereignisse der späten 40erund der 50er ahre nur aus der Flughöhe der Erkenntnisse von heute etrachtet und beurteilt, dem wird sich die Frühphase der undesrepublik Deutschland nicht gänzlich erschließen. enn bereits lange vor dem Ende des Zweiten Weltkriees und angesichts der sich abzeichnenden totalen Nieerlage des Deutschen Reiches planten und organisierten ie Siegermächte die neue Weltordnung und traten mitinander in eine Konkurrenz der Systeme. Eine neue Berohungslage entstand und prägte als Kalter Krieg die ächsten vier Jahrzehnte. Ein Eiserner Vorhang teilte Manfred Grund )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604000
Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1715604100




(A) )

Europa. Die junge Bundesrepublik Deutschland, aus den
Trümmern dieser totalen Niederlage innerhalb von weni-
gen Jahren entstanden, hatte vor diesem Hintergrund
schnell als Staatswesen zu funktionieren.

In dieser Zeit herrschte ein Mangel an Personen, die
in der Lage waren, ein Staatswesen zu organisieren, und
angesichts der totalen Durchdringung und Gleichschal-
tung des öffentlichen Dienstes durch das nationalsozia-
listische Regime zugleich unbelastet genug waren. Auch
deshalb sind beim Aufbau demokratischer Strukturen
und Institutionen Personen wieder herangezogen wor-
den, denen bei Lichte betrachtet kein Neuanfang in ei-
nem demokratischen Staatswesen mehr hätte ermöglicht
werden dürfen. So konnten neben vielen unbelasteten
und gering belasteten auch immer wieder erheblich be-
lastete Personen den Weg in die Institutionen des neuen
Staates finden. Manche gelangten durch Unachtsamkeit,
andere aber auch durch Seilschaften und Fehlverhalten
Dritter in ihre Positionen. Begünstigt wurde das dadurch,
dass die deutsche Nachkriegsgesellschaft bis weit in die
50er-Jahre hinein zu einer tiefgreifenden Aufarbeitung
des Dritten Reiches noch nicht bereit war.

Der Historiker Heinrich August Winkler beschreibt
das in seinem Buch Der lange Weg nach Westen sehr
klar – ich zitiere –:

Wohl aber kann man von einer verbreiteten Weige-
rung sprechen, sich mit der eigenen Vergangenheit
auseinanderzusetzen. Da viele Nachkriegskarrieren
davon abhingen, daß bestimmte Taten und Äuße-
rungen nicht bekannt wurden, schlug eine solche
Weigerung über kurz oder lang meist in individu-
elle Verdrängung um. Da dies eine massenhafte und
gesellschaftlich respektierte Erscheinung war, tru-
gen ihr auch Politiker und Publizisten Rechnung,
die selbst nicht „belastet“ waren. Das Ergebnis war
ein widersprüchliches Verhältnis zum Nationalso-
zialismus: Wer sich öffentlich zum „Dritten Reich“
bekannte, verletzte ein bundesdeutsches Tabu.
Doch dasselbe tat, wer bohrende Fragen nach der
Verantwortung der Überlebenden im zweiten, drit-
ten oder vierten Glied stellte.

In der Abwägung zwischen Belastung und vermeintli-
cher Fachkompetenz wurde zu oft zugunsten der Fach-
kompetenz entschieden. Zu denken ist hier auch an die
Organisation Gehlen als Vorläuferorganisation des Bun-
desnachrichtendienstes. Reinhard Gehlen, der als Gene-
ral der Wehrmacht und Leiter der Abteilung „Fremde
Heere Ost“ des deutschen Generalstabs über ausgewie-
sene Informationen über Stalins Sowjetunion verfügte,
war den westlichen Alliierten im Hinblick auf die neuen
Machtstrukturen so wichtig, dass der Kontakt noch wäh-
rend des Krieges entstand.

Der Bundesnachrichtendienst hat sich die Aufarbei-
tung seiner Vor- und Frühgeschichte zur Aufgabe ge-
macht. Der Ansatz, den der BND dabei wählt, wird von
meiner Fraktion unterstützt; denn er ist sinnvoll und an-
spruchsvoll zugleich.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ein bisschen spät!)


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(C (D o hat der damalige Präsident, Ernst Uhrlau, am 15. Feruar 2011 eine unabhängige Historikerkommission ins eben gerufen. Durch die Berufung der Professoren ülffer, Henke, Krieger und Müller konnte eine Komission gewonnen werden, die über unbestreitbare Fach xpertise verfügt und zugleich ein breites Meinungsspekum repräsentiert, welches den notwendigen Diskurs auf em Weg zu einer Darstellung und Deutung der historichen Ereignisse garantiert. Die Unabhängige Historikerommission hat sich ein hohes wissenschaftliches Ziel esetzt. Ich denke, ihr Erfolg wird durch die umfassende insichtnahme in die Aktenbestände des Bundesnachchtendienstes gewährleistet. Unterstützt wird die Historikerkommission durch eiene wissenschaftliche Mitarbeiter sowie durch die inrne Forschungsund Arbeitsgruppe „Geschichte des ND“, die aus sieben Mitarbeitern des Dienstes unter er Leitung des Historikers Bodo Hechelhammer beteht. Diese interne Arbeitsgruppe hilft, Akten aufzufinen und für die wissenschaftliche Arbeit nutzbar zu mahen. Das ist wichtig – und das muss der Öffentlichkeit inmal gesagt werden –: Der Bundesnachrichtendienst atte immer ein Archivierungswesen, das für die Erforernisse der laufenden Arbeit des Dienstes gestaltet war. as ist nicht zu vergleichen mit dem politischen Archiv es Auswärtigen Amtes, welches seit Jahrzehnten auf ie Tätigkeit von Wissenschaftlern ausgerichtet ist. eim BND müssen viele Akten und Unterlagen erst zu ammengestellt und für die wissenschaftliche Arbeit aufereitet werden. Wir unterstützen diesen ambitionierten rozess sehr nachdrücklich. Er kostet Zeit und Mühe. as Ziel aber rechtfertigt den hohen Aufwand. Hausaltsmittel in einer Höhe von 1,5 Millionen Euro sind afür vorgesehen. Der Zeitaufwand bis zum Jahr 2015 rscheint der Größe der Aufgabe angemessen. Es gilt: ründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Betrachtet man die Themen, die die einzelnen Mitlieder der Historikerkommission bearbeiten, so stellt an fest, wie umfassend vorgegangen wird. So wird die eschichte der Organisation Gehlen mit ihren Verflechngen, ihrem Berichtswesen, ihrer Zusammenarbeit mit efreundeten Diensten aufgearbeitet, und es wird der ufnahme von NS-belasteten Mitarbeitern nachgeganen. Das Verhältnis zwischen Bundesnachrichtendienst nd Bundeswehr, die innenpolitische Einflussnahme der rganisation Gehlen bzw. des BND in den 50erund 0er-Jahren, ihre Kontrolle durch die Regierung und das arlament sind weitere Themen der Kommission. Das soeben beschriebene Vorgehen bedeutet nicht, ass man bis zum Jahr 2015 weder etwas sehen noch erhren kann. So werden weitere einzelne Projekte an xterne Historiker vergeben, und auch die interne Forchungsund Arbeitsgruppe trägt mit laufenden Veröfntlichungen zu bereits abgeschlossenen Projekten zur ransparenz bei. Ferner ist es bereits heute jedermann öglich, nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes Ein icht in deklassifizierte Archivunterlagen zu nehmen. renzen – das soll nicht unerwähnt bleiben – erfährt das insichtsrecht durch gesetzliche Bestimmungen des Bunesarchivgesetzes, durch das Persönlichkeitsrecht oder urch Vorgaben des Geheimschutzes. Manfred Grund )





(A) )

Liebe Kolleginnen und Kollegen, CDU und CSU un-
terstützen den begonnenen Aufarbeitungsprozess und
das zugrundeliegende Konzept.


(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Wir auch!)


Wir lehnen den heute zur Debatte stehenden Antrag der
Linksfraktion ab. Eine solide und umfassende Aufarbei-
tung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes ist
ein Gewinn für uns alle. Das unterstützen wir. Ich denke,
dazu brauchen wir keine Ratschläge einer Linken, die
selbst aus einer totalitären Partei hervorgegangen ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604200

Vielen Dank, Kollege Manfred Grund. – Nächster

Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der So-
zialdemokraten unser Kollege Michael Hartmann. Bitte
schön, Kollege Michael Hartmann.


(Beifall bei der SPD)



Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1715604300

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Heute ist der 27. Januar, der Tag des
Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Des-
halb möchte ich ähnlich wie der Kollege Grund an dieses
Erinnern und an die Betroffenheit anknüpfen, die nach-
klingt, wenn man noch die Worte von Marcel Reich-
Ranicki im Ohr hat. So leise und schwach sie gespro-
chen waren, so anrührend und doch treffend waren sie,
was die Schilderung dieser schrecklichsten deutschen
Zeit anbelangt.

Deshalb möchte ich nicht der Versuchung nachgeben,
in die üblichen parlamentarischen rhetorischen Aus-
einandersetzungen einzusteigen, sondern darauf hinwei-
sen, dass gerade angesichts dieser Geschichte, die wir er-
lebt haben, die Lehren aus dieser dunklen deutschen Zeit
sehr wichtig und prägend für unser Grundgesetz und für
unseren politischen Alltag in dieser zweiten deutschen
Republik waren und sind, nachdem die Weimarer Repu-
blik auch daran gescheitert war, dass es in ihr zu wenige
Demokraten gab.

Deshalb ist eines klar – insofern gilt meine Anerken-
nung der Fraktion der Linken –: Jede kritische Nach-
frage ist erlaubt. Jede kritische Beschäftigung mit dem
Agieren des geheimen Nachrichtendienstes, in dem Fall
unseres Auslandsnachrichtendienstes, ist sogar geboten.
Denn in dieser Geschichte, die wir alle in unserem kol-
lektiven Unterbewusstsein haben, spielte die Anatomie
des SS-Staates – der Geheimdienst, die Gestapo und an-
dere geheime Einrichtungen – eine sehr große Rolle.
Weil wir Lehren gezogen haben und weiter Lehren zie-
hen wollen, ist eine uneingeschränkte Aufarbeitung un-
erlässlich und geboten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Ich sage allerdings genauso deutlich: Viele Konseuenzen wurden bereits gezogen. Wir haben heute ein anz anderes Nachrichtendienstwesen und ganz andere ormen der parlamentarischen Kontrolle. Bei allem, woit man vielleicht auch als Mitglied des Parlamentari chen Kontrollgremiums da und dort im Alltag unzufrieen sein muss, sehr geehrter Herr Ströbele: Diese eitgehende, sogar in der Verfassung verankerte Mögchkeit, in jeden einzelnen Vorgang der Nachrichtenienste Einsicht zu nehmen und Fragen zu stellen, der mstand, dass sich Mitarbeiter und Betroffene unmittelar an uns wenden können, und Ähnliches mehr gereihen uns zur Ehre im Reigen westlich geprägter parlaentarischer Demokratien. Das heißt aber nicht, dass alles Gold ist, was da länzt. In der Tat ist die Aufarbeitung auch aus zeitgechichtlichen Umständen und Gründen nötig. Denn wir issen, dass es da und dort eine ungute personelle Konnuität gab. Es gab – Herr Grund hat es ebenfalls angeprochen – ungute Seilschaften, die sozusagen direkt on der SS, der Waffen-SS und der NSDAP in die Orgaisation Gehlen und dann in den Bundesnachrichtenienst hineingeführt haben. Deshalb ist es wahr: Was das anbelangt, gab es in irklichkeit nach 1945 oder mit der Regierungsbildung nter Konrad Adenauer im Jahr 1949 keine Stunde null. s gab vielmehr Kontinuitäten, übrigens nicht nur in der undesrepublik Deutschland, die damals entstand, sonern auch in der entstehenden DDR, wo auch später im inisterium für Staatssicherheit und in der Stasi selbst S-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter integriert wurden nd in hohe und höchste Positionen gelangt sind. Die Aufarbeitung hat begonnen. Am 15. Februar 2011 at der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienss, Ernst Uhrlau, einen Vertrag unterzeichnet, der dem nspruch nach vier sehr kritischen Wissenschaftlern alle üren öffnet und Zugang zu den Akten – natürlich keien beliebigen, aber einen vollständigen – ermöglicht. h rate allen, die vielleicht ein altes Verständnis von em Agieren eines Dienstes in ihren Köpfen und in ihrer eele haben, nicht an eine Kameraderie im Dienst zu enken, sondern daran, dass mit den Fällen Eichmann nd Barbie und vielen anderen historischen Komplexen eitgeschichte geschrieben wird. Diese Zeitgeschichte ann nur dann korrekt geschrieben werden, wenn alle rchive offen sind und alle Akten zur Verfügung gestellt erden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])


(Beifall bei der SPD)


Ich sehe durchaus die Bereitschaft dazu. In einem Ab-
ägungsprozess müssen wir aber anerkennen, dass da
nd dort Informationen von anderen Diensten an unsere
elangen, die wir nicht einfach freigeben können. Es gibt
uch Situationen, in denen Personen um Wahrung ihrer
tegrität bitten. Aber das muss abgewogen werden und





Michael Hartmann (Wackernheim)



(A) )


)(B)

darf nicht von vornherein zugunsten des Geheimschut-
zes entschieden werden.

Die Aufarbeitung der Vergangenheit des Bundesnach-
richtendienstes, des Auswärtigen Amtes sowie oberster
und oberer Bundesbehörden hat spät begonnen; das
stimmt. Aber sie findet statt und muss stattfinden. Bei
der hervorragenden Aufarbeitung der Vergangenheit des
Bundeskriminalamtes beispielsweise ist niemand ge-
schont worden. Wenn unsere Sicherheitsbehörden heute
stark sein wollen, dann müssen sie auch so stark sein,
zuzugeben, was sowohl damals als auch in ihrer jünge-
ren und jüngsten Geschichte falsch gelaufen ist. Das
macht sie nur stärker und schwächt sie in einer offenen
und kritischen Gesellschaft keineswegs.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Ich gehöre zu jenen, die mit großer Anerkennung und
großem Respekt auf das blicken, was die Nachrichten-
dienste leisten. Gerade der BND hat sich geöffnet und
einen großen Schritt hin zur Offenheit vollzogen. So of-
fen wie derzeit war der Bundesnachrichtendienst noch
nie, auch wenn das manchem in diesem Saal niemals ge-
nügen wird.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen spät!)


Wir haben den Umzug des BND auf den Weg gebracht
und damit ein neues Kapitel der Transparenz eingeläutet.
Wir haben die alte Denkweise aus den Zeiten des Ost-
West-Konfliktes zunehmend, wenn auch nur schritt-
weise, in diesem Dienst abgebaut. Wir zeigen mit dem
angesprochenen Projekt, dass der BND von heute nicht
mehr der BND aus der Zeit des Kalten Krieges ist.

Der Bundesnachrichtendienst leistet insgesamt wert-
volle Arbeit nicht nur beim Schutz unserer Soldatinnen
und Soldaten im Ausland und dadurch, dass er uns Infor-
mationen über die Weltlage liefert, sondern auch da-
durch, dass er uns vor drohenden Angriffen von Terroris-
ten warnt. Diese Liste könnte ich beliebig fortsetzen.

Bei weitem nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter werden nach B 6, B 9 oder noch höheren Besoldungs-
gruppen bezahlt. Nichtsdestotrotz sind die Beamtinnen
und Beamten mit viel Engagement und der Bereitschaft,
für unser Land ihre Pflicht zu tun, oft in gefährlichen
Missionen unterwegs. Diesen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern möchte ich im Namen des Parlaments heute ein
Dankeschön aussprechen.

Danke sehr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604400

Vielen Dank, Kollege Michael Hartmann. – Nächster

Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege
Dr. Stefan Ruppert. Bitte schön, Kollege Dr. Ruppert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! Das Bewegende der heute Morgen von uns allen erbten Gedenkstunde war, dass der Redner Reichanicki keine Einordnung durch seine Worte vorgenomen hat, sondern den historischen Sachverhalt wie ein hronist und doch aus subjektiver Sicht – weil er eben elbst Betroffener und Beteiligter war – schlicht dargegt hat. Gerade weil keine großen Worte darüber verlon wurden, welches Leid er damals empfunden hat, hat as historische Ereignis auf uns alle unmittelbar gewirkt. as ist der Wert guter historischer Beschreibung, ob nun urch Zeitzeugen oder durch Historiker. Dieser Wert ist in Eigenwert, wie wir heute alle empfunden haben. Was bedeutet das für den Umgang mit der Geschichte nserer Behörden und Ministerien? Der Umgang mit unerer Geschichte hat mittlerweile ihre eigene Geschichte. er Historiker Norbert Frei hat im Hinblick auf die 50er ahre von Vergangenheitspolitik gesprochen. r hat in einem sehr guten Buch deutlich gemacht, dass ie junge Adenauer’sche Bundesrepublik eine eigene ergangenheitspolitik hatte, dass es bei den Bürgern ber die Parteigrenzen hinaus eine spezielle Form des mgangs mit der Vergangenheit gab, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sehr speziell!)

Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1715604500

(Jan Korte [DIE LINKE]: Guter Mann!)


ie wir heute nicht mehr teilen.

Interessanterweise hat dann Ulrich Herbert, ein weite-
r Historiker, festgestellt, dass sich nicht erst 1968, son-

ern bereits in den Jahren zuvor der Umgang mit dieser
eschichte gewandelt hat. Aber die Geschichte war für
ie Wissenschaftler und Historiker, die sich dieses The-
as widmeten – ich selbst bin Rechtshistoriker und war

m Max-Planck-Institut am Rande an der Aufarbeitung
er Geschichte des BKA beteiligt –, noch risikobehaftet.
an erinnere sich an die Arbeiten von Bernd Rüthers,

on Michael Stolleis oder auch von Alexander von
rünneck, die in frühen Habilitationen in den 60er- und
0er-Jahren die NS-Vergangenheit aufgearbeitet haben
nd dann teilweise Schwierigkeiten mit ihrer eigenen be-
flichen Karriere hatten. Damals bestand eine aufgela-

ene Situation.

Diese Form des Umgangs hat sich dann wiederum ge-
andelt, und im deutschen Historikerstreit in den 80er-

ahren ist eine Auseinandersetzung aufgeflammt, in der
s darum ging, dass einzelne Historiker – Nolte und
ndere – zu zeigen versucht haben, dass die Geschichte
es Nationalsozialismus eine spezifische Vorgeschichte
atte. Sie wollten sozusagen einen Abgleich von zwei
nrechtssystemen herbeiführen, was von vielen – zu
echt, wie ich finde – als problematisch empfunden
urde.

Heute sind wir noch einen Schritt weiter: Wir wollen
erstehen, wie diese Behörden damals funktioniert ha-
en. Wir wollen nicht zuvorderst sagen – auch wenn wir
s natürlich feststellen –: Da gibt es Kontinuitäten im
ersonal zwischen dem Nationalsozialismus und der frü-





Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

hen Bundesrepublik. Das wissen wir alle. Das ist für den
Bundesgerichtshof aufgearbeitet worden, das ist auch für
meine Partei aufgearbeitet worden. Ich kann ganz offen
sagen: In Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen
gab es personelle Kontinuitäten, und es ist wichtig, dies
zu wissen und offenzulegen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch beim Bundesgerichtshof! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/ CSU]: Das ist doch nichts Neues! Das ist doch bekannt!)


Warum ist es aber wichtig? – Da habe ich manchmal
meinen Zweifel an dem Umgang der Linken mit diesem
Thema. – Es ist wichtig, weil wir verstehen wollen, wie
solche Dinge funktionieren, weil wir verstehen wollen,
warum es diese Kontinuitäten gab, warum Menschen in
der frühen Bundesrepublik das Bedürfnis hatten, diese
Leute wieder zu integrieren. Ob das aus unserer heutigen
Sicht moralisch richtig oder falsch war, ist eine andere
Frage. Ich will verstehen, warum es solche personellen
Kontinuitäten gab.

Ich denke, diesbezüglich sind wir auf einem sehr gu-
ten Weg. Wir haben sowohl den verdrängenden Charak-
ter der frühen Bundesrepublik als auch den teilweise
vorrangig moralisierenden Drang abgelegt, den wir in
den 60er-Jahren und besonders 1968 in dieser Frage hat-
ten. Das war aus der Zeit heraus durchaus verständlich
und ist von mir gar nicht zu kritisieren. Aber heute sind
wir in Deutschland in der, wie ich finde, komfortablen
Situation, dass wir es aus der historischen Distanz wie
kein anderes Land in der Welt schaffen, uns einerseits
unserer eigenen Vergangenheit zu stellen, aber anderer-
seits auch genau aufzuarbeiten, warum es damals so war.
Dabei gibt es kein Schwarz oder Weiß, kein Moralisch
oder Unmoralisch, sondern dabei geht es einzig und al-
lein darum, nachzuweisen, wie diese Kontinuitäten aus-
sahen und wie diese Netzwerke – auch in unseren Behör-
den – funktionierten.


(Beifall bei der FDP)


Ich denke, wir tun gut daran, diesen historisierenden,
verstehenden Ansatz hochzuhalten und ihn nicht in ein
Rechts-Links-Schema zu zwängen, indem die Linkspar-
tei die Koalition anklagt, sie habe zu wenig Vergangen-
heitsbewusstsein, und wir dann sagen: Nein, das war al-
les gar nicht so schlimm. – Wir wollen es vielmehr
verstehen. Das sollten wir konsensual tun. An manchen
Stellen Ihres Antrags beschleicht mich das Gefühl, dass
dieser eher noch das politisch Wertende, Moralisierende
und uns anklagen Wollende – ich habe überhaupt kein
Problem mit diesen Verhältnissen in der frühen Bundes-
republik – anstatt die saubere historische Erkenntnis und
das Historisieren der Akten in den Vordergrund stellt.


(Zuruf von der FDP: Genau so ist es! – Jan Korte [DIE LINKE]: Aber an welcher Stelle denn?)


Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns alle einig. Da
sollten wir ansetzen. Herr Grund und auch Herr
Hartmann haben ja die bisherigen, wie ich finde, hervor-
ragenden Bemühungen geschildert. Wenn wir da Ge-

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(C (D einsamkeiten entwickeln, anstatt uns gegenseitig Verrängung oder Geheimhaltungsinteressen vorzuwerfen, ommen wir wesentlich weiter, auch im Sinne der histoschen Erkenntnis. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604600

Vielen Dank, Kollege Dr. Ruppert. – Jetzt spricht für

ie Fraktion Die Linke unser Kollege Jan Korte. Bitte
chön, Kollege Jan Korte.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715604700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Bis jetzt wurden in der Tat, so finde ich,
urchaus bedenkenswerte Beiträge geliefert.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das muss auch so bleiben!)


h glaube allerdings – da stellt sich die Frage, worüber
ir diskutieren –, dass eine kritische Vergangenheits-
olitik in der Geschichte der Bundesrepublik immer nur
ann überhaupt stattgefunden hat, wenn marginalisierte
inzelpersonen – das darf man nicht vergessen –, wie in
en 50er-Jahren, ihre Stimme erhoben haben. Ich denke
n Martin Niemöller und Eugen Kogon, Fritz Bauer
icht zu vergessen. Die standen auf einsamem Posten. In
er Tat gab es also diese Gegenposition. Das dürfen wir
icht vergessen.

Wenn man an einem Tag wie diesem an die Opfer und
re Angehörigen denkt, darf man auch nicht über die
äter, die es massenhaft gegeben hat, schweigen. Ich bin
st davon überzeugt, dass die Opfer, ihre Angehörigen,

ie Wissenschaft und die gesamte Öffentlichkeit ein
echt darauf haben, vollumfänglich zu erfahren, was aus
iesen Tätern geworden ist. Sie sind nämlich fast alle
icht vor Gericht gestellt worden, fast alle ihre Straftaten
ind nicht verfolgt worden.

In den letzten zwei Jahren kamen Namen und Vor-
änge ans Tageslicht. Ich will einige Namen nennen:
dolf Eichmann, Alois Brunner, Klaus Barbie, Walter
auff. Diese Massenmörder – das muss man sich einmal
orstellen – standen zeitweise im Sold des BND oder
urden von ihm gedeckt. Zum Teil glich damals der
ND bzw. seine Vorläuferorganisation, die Organisation
ehlen, einer einzigen großen Resozialisierungszentrale
r schwerstkriminelle Massenmörder. Das waren nicht
gendwelche Mitläufer, sondern das waren zentrale Fi-
uren in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Das
aren keine Ausnahmen; denn es war die Zeit der Rück-
ehr der alten Eliten in Amt und Würden.

Es ist kein Zufall, dass der große hessische General-
taatsanwalt Fritz Bauer – ich habe ihn eben genannt –
eine umfangreichen Ermittlungsergebnisse zum Fall
ichmann eben nicht einer deutschen Behörde überge-
en hat, sondern dass er – man kann sich das heute kaum





Jan Korte


(A) )


)(B)

mehr vorstellen – mit einem Koffer nach Israel geflogen
ist, um sie seinen israelischen Kollegen zu übergeben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht seinen Kollegen, sondern dem Mossad!)


So ist die Situation damals gewesen. Das war der große
Frieden mit den Tätern. Damit hat Ralph Giordano sehr
recht.

Seit einigen Jahren – Sie haben eben Norbert Frei und
andere genannt – gibt es in der Tat eine hervorragende
Forschungslage zum Umgang mit der NS-Vergangenheit
in der Bundesrepublik. Es ist gut, dass es sie gibt. Vor al-
lem viele junge Wissenschaftler sind auf diesem Feld ak-
tiv. Ich glaube allerdings – deswegen ist unser Antrag
notwendiger denn je –, dass die Politik der Wissenschaft
sehr hinterherhinkt, was den Willen zur Erforschung und
zur Aufarbeitung angeht. Deswegen dieser Antrag.


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht ganz konkret um die Gewährung eines freien Zu-
gangs zu all den betreffenden Akten des Bundesnach-
richtendienstes und übrigens auch des Kanzleramtes, um
das deutlich zu sagen. Auch dort gilt es, einiges aufzuar-
beiten, was diese Zeit angeht.

Ich will zwei Gründe nennen, warum dieser Antrag
ganz praktisch für Historiker und übrigens auch für die
Historikerkommission von Vorteil sein kann. Wir haben
mitbekommen, dass – am 29. November 2011 ging es
durch die Presse – offenbar 253 Personalakten vernichtet
worden sind. Das ist ein irrer Vorgang. Man setzt eine
Historikerkommission ein, die das aufarbeiten soll, und
253 Akten werden vernichtet. Was ist denn da bitte
schön los? Das Kanzleramt geht davon aus – das wurde
auf unsere mehrfache Nachfrage erklärt –, dass offenbar
1996 und 2007 Akten vernichtet wurden, die dieser
Kommission nun fehlen.

Ganz konkret gibt es offenbar den Fall von 1994, als
581 Seiten der Akte von Alois Brunner – das war die
rechte Hand von Adolf Eichmann – vernichtet worden
sind. Man muss an einem Tag wie dem heutigen im
Deutschen Bundestag danach fragen, warum diese Ak-
ten vernichtet wurden, ob das jemand politisch angeord-
net hat und wer dafür die politische Verantwortung trägt.
Auch das muss gefragt werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt zu diesem Thema Berichte der Historikerkom-
mission und Artikel im Spiegel und in der Bild-Zeitung,
die im Monatsrhythmus veröffentlicht werden. Wenn wir
parlamentarische Anfragen stellen oder wenn Historiker
Nachfragen zu diesem Thema stellen, dann gibt es zu oft
die Auskunft, dass die Akten entweder nicht gefunden
werden können oder dass sie vernichtet worden sind.
Angesichts dessen muss sich auch die Historikerkom-
mission – wenn sie denn eine unabhängige Kommission
sein will – fragen, wie lange sie diese Zustände eigent-
lich noch akzeptieren will.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D h glaube, dass das Kanzleramt als politisch verantortliche Instanz hier in der Tat am Zuge ist, diesen Hisrikern und der Öffentlichkeit einen freien und völlig nbehinderten Zugang zu gewähren. Alle, die an diesem Thema interessiert sind, sollten ie Mahnung des unumstritten hervorragenden Zeithisrikers Michael Wildt zur Kenntnis nehmen. Er fragte Spiegel im Januar 2012, ob die ganze Konstruktion on – ich zitiere – „sicherheitsüberprüften Kommissioen mit streng begrenztem Aktenzugang“ eigentlich eier unabhängigen und kritischen Wissenschaft angemesen ist. Ich glaube, er hat mit dieser Frage sehr recht. Ich schließe mit zwei Einzelfällen. Schon 1952, so eben es die bis jetzt aufgearbeiteten Akten her, wusste er BND offenbar, wo sich Adolf Eichmann aufhält – 952! Noch etwas will ich in diesem Zusammenhang saen: 1953 wurde Hans Globke Kanzleramtsminister. uch das kann man in so einem Prozess nicht außen vor ssen. Klaus Barbie wurde beim BND geführt, weil er – ich arf zitieren – „kerndeutscher Gesinnung“ und ein „entchiedener Kommunistengegner“ sei. Das sind doch Zutände, die uns hier alle gemeinsam über alle Fraktionsrenzen hinweg zutiefst empören sollten. Ich glaube, unser Antrag ist aktueller denn je. Seine erabschiedung kann für die Historikerkommission eine olitische Unterstützung sein, um sich gegenüber denjeigen, die offenbar nicht alles herausgeben wollen, polisch zur Wehr zu setzen und um wirklich Unabhängigeit zu generieren. Ich habe mit Ralph Giordano angefangen und will uch mit ihm enden. Er hat in seiner berühmten Streitchrift die Rückkehr der Funktionseliten als „die zweite chuld“ bezeichnet. Wenn wir jetzt mit großer Mehrheit afür sorgen würden, dass alles, alle Akten und alle peronellen Kontinuitäten, auf den Tisch kommt, dann önnten wir zumindest ein kleines Stückchen dieser weiten Schuld abzutragen beginnen. Es ist jetzt, im ahre 2012, wirklich an der Zeit, alles auf den Tisch zu gen und Verzögerungen und Behinderungen endlich zu nterlassen. Danke. Vielen Dank, Kollege Jan Korte. – Nächster Redner unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/ ie Grünen unser Kollege Hans-Christian Ströbele. itte schön, Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604800
Danke. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

gen! Anfang der 80er-Jahre – ich glaube, es war im
ommer 1982 – war ich in La Paz in Bolivien und habe





Hans-Christian Ströbele


(A) )


)(B)

dort vor dem Café „La Paz“ auf Klaus Barbie gewartet.
Klaus Barbie ist der „Schlächter von Lyon“. Er ist wäh-
rend der Kriegszeit in Frankreich der Chef eines SS-Jä-
gerkommandos gewesen, das Juden und Widerstands-
kämpfer im Untergrund aufgespürt und ermordet hat. Er
ist nach dem Krieg in Frankreich in Abwesenheit zum
Tode verurteilt worden, unter anderem deshalb, weil er
in Südfrankreich 44 jüdische Kinder, die in einem Kin-
derheim versteckt waren, entdeckt, in einen Waggon ver-
laden und nach Auschwitz gebracht hat. Keines von die-
sen 44 Kindern hat überlebt.

Über diesen Klaus Barbie habe ich mich in den 70er-
Jahren in Deutschland zu informieren versucht. Ich
wollte wissen, was er treibt und wo er geblieben ist. Es
gab Gerüchte, dass er sich in Südamerika aufhält, und es
gab – nicht in Deutschland, aber in Frankreich – durch
die deutsche Staatsbürgerin Beate Klarsfeld und ihren
französischen Ehemann Serge Klarsfeld Recherchen
über sein Leben, über seinen Werdegang, auch nach dem
Krieg, und über seinen Aufenthalt in Südamerika.

Ich wäre damals nie auf den Gedanken gekommen, bei
deutschen Behörden, etwa beim BND oder beim Auswär-
tigen Amt, nachzufragen. Es war für uns damals nicht nur
ganz generell völlig undenkbar, dass sie Auskunft gege-
ben hätten, sondern ich hatte schon seinerzeit in einer
französischen Zeitung gelesen, dass der Verdacht besteht,
dass der Bundesnachrichtendienst der Bundesrepublik
Deutschland noch nach dem Krieg, noch in den 60er-Jah-
ren mit Klaus Barbie zusammengearbeitet und ihn in La-
teinamerika zu einem Monatslohn von 500 D-Mark be-
schäftigt hat. Insgesamt soll er damals eine ganze Reihe
von Berichten – ich glaube, 40 oder 50 – an den Bundes-
nachrichtendienst geliefert haben.

Inzwischen wissen wir, dass das wahr ist. Durch die
Akten des Bundesnachrichtendienstes, die im Jahr 2010
durch den deutschen Historiker Hammerschmidt aufge-
deckt worden sind und die sich inzwischen im Bundes-
archiv befinden, ist belegt, dass Barbie der Agent des
Bundesnachrichtendienstes mit der Nummer 43118 in
Lateinamerika gewesen ist.

Klaus Barbie hat im Jahr 1980, also zwei Jahre bevor
ich in jenem Café auf ihn gewartet habe, den Militär-
putsch in Bolivien unterstützt, er hat für die Militärs dort
die Geheimpolizei ausgebildet, und er hat Kommandos
organisiert, die die Oppositionellen im Untergrund auf-
gespürt und zum Teil getötet haben. Das war ein Teil der
Karriere des deutschen NS-Täters Klaus Barbie nach
dem Krieg.

Ich habe damals vergeblich gewartet. Ich hatte die
Mitteilung, dass er sich in Bolivien aufhält – das stimmte
offenbar auch – und dass er fast jeden Vormittag im Café
„La Paz“ am Prado in La Paz seinen Kaffee trinkt. Ich
wollte ihn. Was ich damals gemacht hätte, wenn er ge-
kommen wäre, weiß ich nicht.

Ein halbes Jahr später ist Klaus Barbie unter anderem
aufgrund der Recherchen von Beate Klarsfeld und ihrem
Mann in Bolivien verhaftet worden. Inzwischen war die
Militärregierung gestürzt worden, und es gab eine Zivil-
regierung unter Siles Zuazo, die Klaus Barbie im Fe-

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(C (D ruar 1983 an Frankreich ausgeliefert hat, wo er erneut or Gericht gestellt werden sollte. Was zeigen dieses und viele andere solcher Beispiele? ie haben das Beispiel Eichmann genannt. Der Generaltaatsanwalt von Hessen, Fritz Bauer, einer der verdiensten Juristen der Nachkriegszeit in Deutschland, hat eine aus Unterlagen gewonnenen Erkenntnisse über den ufenthalt von Eichmann in Argentinien gerade nicht an as Bundeskriminalamt und schon gar nicht an den BND eitergegeben, sondern er hat sie nach Israel gebracht nd dort dem Mossad gegeben. Das hat dazu geführt, ass Eichmann 1960 vom Mossad aus Argentinien enthrt und in Israel vor Gericht gestellt und verurteilt orden ist. Das Ganze zeigt uns, dass es nicht nur die schrecklihe deutsche Vergangenheit bis 1945 gegeben hat, sonern dass es noch einen zweiten Teil einer schlimmen ergangenheit als Folge der Nazizeit in Deutschland geeben hat. Und die ist bis heute nicht ganz zu Ende. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ein Anlass Ihres Antrages ist – auch wir haben einen
ntrag gestellt, Akten offenzulegen, der aber noch im
nenausschuss liegt –, dass es der Journalistin Gaby
eber selbst noch im Jahr 2009, also vor wenigen Jah-
n, verweigert worden ist, die Akten zum Fall
ichmann vom BND zu bekommen. Das musste sie
ann vor dem Bundesverwaltungsgericht einklagen.
iesen Prozess hat sie gewonnen. Eigentlich sollten
400 Blatt Akten herausgegeben werden. Sie wurden

ber weiterhin geschwärzt und aussortiert und ihr bis
eute nur zum Teil zur Verfügung gestellt. Das heißt,
uch bis heute dauert die partielle Aktenverweigerung
n.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)


Deshalb sage ich zum Schluss: Deutschland wird in
er Welt für die neue Art der Aufarbeitung, nämlich bei
er deutschen Vergangenheit DDR, viel geehrt. Wir ha-
en zum Beispiel Fachleute nach Ägypten geschickt, die
as dort erklären. Aber wir Deutschen mussten uns von
en Bürgerrechtlern in der DDR sagen lassen, wie man
ie Vergangenheit aufarbeitet. Wir mussten uns geradezu
azu zwingen lassen, dass die Akten der Staatssicherheit
das wollte Herr Schäuble zum Beispiel nicht – für alle
etroffenen, vor allem für die Journalisten und Histori-
er, zur Aufarbeitung offengelegt werden.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)


ine Forderung der Bürgerrechtsbewegung, die noch of-
n ist, war, alle Akten in Deutschland, auch die der
estdeutschen Geheimdienste, offenzulegen. Das hat sie
mer wieder betont, auch nach der Erstürmung der Sta-

izentrale. Wir warten heute noch darauf, dass dieses
ersprechen wahrgemacht wird.

Ich schließe mich dem Lob für den Bundesnachrich-
ndienst an, vor allen Dingen für Herrn Uhrlau, der die
istorikerkommission eingesetzt hat. Ich habe den Ver-
ag hier. Er ist gut.






(A) )


)(B)


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715604900

Haben Sie bitte Ihre Redezeit im Auge.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Wissenschaftler, die er beauftragt hat, sind in
Ordnung. Die sollen das machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD])


Es müssen aber gleichzeitig – und das ist dringend er-
forderlich – sämtliche Akten anderen Wissenschaftlern,
Journalisten und der Bevölkerung, die sich dafür interes-
siert, offengelegt werden, wie die USA dies bereits vor
vielen Jahren mit Akten über NS-Täter getan hat. Was
die USA können, muss auch unser Geheimdienst, der
Bundesnachrichtendienst, können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715605000

Vielen Dank, Kollege Ströbele. – Nächster Redner für

die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Dr. Hans-
Peter Uhl. Bitte schön, Kollege Uhl.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1715605100

Herr Präsident! Meine verehrten Kollegen und Kolle-

ginnen! Ich habe mir gerade noch einmal den Antrag der
Linken angeschaut und der Rede des Kollegen Korte zu-
gehört. Dabei habe ich mich gefragt: Was wollen Sie ei-
gentlich für einen Eindruck hier erwecken? Was ist Ihr
Begehren? Was wollen Sie durchsetzen? Wer hindert Sie
daran? Alle Fraktionen sind sich doch einig, dass wir
alle unsere Behörden, auch den Bundesnachrichten-
dienst, auf mögliche Verstrickungen in den Jahren nach
der NS-Diktatur, in den ersten Jahren der Bundesrepu-
blik Deutschland, untersuchen und die Akten aufdecken.

So machen wir es auch hier. Mit hohem personellen,
materiellen und wissenschaftlichen Aufwand ist eine Ex-
pertenkommission tätig und wühlt sich durch den Akten-
berg der Archive, die, wie ich aus Insiderkreisen höre,
reichlich ungeordnet sind. Das ist kein Wunder. Wer je-
mals in Behörden tätig war, weiß, dass es im Archiv
meistens so zugeht. Beim Bundesnachrichtendienst
herrscht vielleicht noch etwas mehr Unordnung als in
anderen Behörden, zum Beispiel dem Grundbuchamt
oder anderen Behörden. Das ist so.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Deutsche Behörden unordentlich? – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP]: In Bayern ist alles in Ordnung!)


Das hat mehr menschliche Gründe als politische Gründe.
Ich möchte einen ganz banalen Gedanken in die Diskus-
sion der politischen Unterstellungen einführen. Wer Be-
hördenleiter ist und einen mäßig befähigten Mitarbeiter

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(C (D at – so etwas soll es geben –, der fragt sich: Wo soll der rbeiten? Im Archiv! (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Oh, Herr Uhl! – Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Das wollen wir aber nicht gehört haben!)


ir wissen, was dabei herauskommt. Man muss hinter-
er suchen, um zu finden, was man braucht.

Sie haben von der Vernichtung von Akten gespro-
hen. Sie haben das so vorgetragen, als wäre damit – das
ird natürlich insinuiert – eine politische Absicht ver-
unden gewesen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist in der Tat eine Frage!)


ieses werden die Wissenschaftler aufklären müssen
nd hoffentlich auch aufklären können. Bis zum Beweis
es Gegenteils glaube ich nicht daran, und ich möchte
ich auch nicht an anderen Verdächtigungen oder Un-
rstellungen beteiligen.

Ich möchte aber eines sagen: Nach jeder Beendigung
iner Diktatur mit großen Apparaten stellt man fest, dass
s Menschen gab, die darin auf unterschiedliche Weise
tig waren: kleine Mitläufer, Opportunisten, Engagierte,
chreibtischtäter, und das geht bis hin zu Verbrechern
ie Adolf Eichmann. Das alles hat es gegeben, auch bei
er Abwicklung der DDR. Das alles wird es immer wie-
er geben, weil es in der Natur des Menschen liegt. Die
achfolgeregierung muss sich bei jedem einzelnen Fall

ntscheiden: Wen können wir wieder verwenden und
en auf keinen Fall? Wem geben wir eine Chance?

Wir werden vermutlich am Ende der wissenschaftli-
hen Untersuchungen feststellen, dass man nach dem
nde der Nazizeit, zum Beginn des Kalten Krieges, neue
eindbilder hatte und dass vor allem die Amerikaner
roßen Wert darauf gelegt haben, Erkenntnisse zu ge-
innen über das, was sich in der Sowjetarmee getan hat
nd weiter tun wird.

Wer wusste mehr über die Sowjetarmee als Herr
ehlen mit seiner Abteilung „Fremde Heere Ost“?


(Zuruf von der LINKEN: Ach so!)


iemand wusste so viel wie er. Es lag im Interesse der
merikaner, nach der Niederschlagung der Nazidiktatur

o viel wie möglich über den neuen Gegner zu erfahren.
azu war er nützlich, einfach nützlich. Da er für die
merikaner nicht allein nützlich war, war der eine oder

ndere Mitarbeiter aus der früheren Zeit wahrscheinlich
uch nützlich.

Es würde mich also überhaupt nicht wundern, wenn
ir hier und dort auf Namen von Leuten stoßen würden,
ie wir heute garantiert niemals einstellen würden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren Massenmörder dabei! Mindestens zwei!)


Das muss alles aufgeklärt werden, Herr Ströbele.





Dr. Hans-Peter Uhl


(A) )


)(B)


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nie richtig aufgeklärt worden!)


Woran mir liegt, ist, dass hier von keiner Seite der Ein-
druck erweckt wird, als wolle jemand etwas verheimli-
chen. Weder die SPD noch die Grünen noch die Union
noch die FDP – niemand von uns allen will so etwas ver-
heimlichen.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Selbst die Linken!)


Deswegen hören Sie bitte auf, an einem Bild zu malen,
auf dem nur Sie um wirklich effektive Aufklärung
kämpfen und sonst niemand. Das ist nicht richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715605200

Kollege Dr. Uhl, gestatten Sie eine Zwischenfrage un-

seres Kollegen Jan Korte?


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1715605300

Ja, bitte.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715605400

Bitte schön, Kollege Korte.


Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715605500

Sehr geehrter Herr Kollege, ich möchte nachfragen:

Sie haben eben sinngemäß gesagt – korrigieren Sie mich
bitte, wenn ich Sie falsch wiedergebe –, dass es nach
dem Ende der Diktatur aus Gründen des Verwaltungsab-
laufs etc. pp. notwendig gewesen sei, Minderbelastete,
Opportunisten oder eben auch andere zu übernehmen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Nützlich“ hat er gesagt!)


Mich würde Folgendes interessieren: Wie schätzen
Sie es denn ein, dass das eben nicht nur für Opportunis-
ten oder andere, sondern insbesondere für die Funktions-
trägereliten des Nationalsozialismus – Auswärtiges Amt,
der komplette Justizapparat, Teile der Gestapo und ande-
res – galt?

Wie bewerten Sie in dem Zusammenhang – das ist
zeithistorisch aufgearbeitet –, dass in der Zeit gerade all
die Exilierten, die Widerstandskämpfer nicht mit roten
Teppichen empfangen wurden? Wie erklären Sie sich in
dem Zusammenhang, dass die anderen gar nicht er-
wünscht gewesen sind?


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das ist wie in den neuen Bundesländern!)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1715605600

Herr Kollege Korte, das ist die alte, uns sattsam be-

kannte SED-Propaganda, als hätte es nach der Nazizeit
zwei Sorten von Staaten gegeben:


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beantworten Sie die Frage!)


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(C (D en Nachfolgestaat der Nazidiktatur – das ist die westeutsche Bundesrepublik – und dann den DDR-Staat, er damit nichts zu tun hat. (Jan Korte [DIE LINKE]: Habe ich das gesagt?)


Nein, aber das ist die Propaganda, an der Sie hier im-
er noch arbeiten.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: So ein Unsinn!)


a ist die alte Propaganda, und die sollten Sie bitte able-
en. Diese SED-Propaganda sollten Sie ablegen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Unterirdisch!)


Beide Seiten, Ost- wie Westdeutschland, haben glei-
hermaßen eine Verantwortung zu tragen. Die NS-Ver-
recher finden Sie nach dem Ende der Nazizeit auf bei-
en Seiten, in Ostdeutschland wie in Westdeutschland,
elbst in den Kreisen, die später die DDR regiert haben.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht die Frage! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Beantworten Sie doch mal die Frage!)


eswegen sollten Sie gemeinsam mit uns allen objektiv
emüht sein, keinen Keil in die Aufklärungsarbeit zu
eiben, so als wolle die eine Seite mehr aufklären und
ie andere vertuschen


(Lachen bei der LINKEN)


der als wolle die eine Seite Akten vernichten und die
ndere Seite Akten aufdecken. Das ist nicht das Thema.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir haben
irklich ein Problem beim Thema der Aufklärung im
ereich eines Nachrichtendienstes. Es kann nicht alles in
ie Öffentlichkeit gezogen werden, es gibt zwei Ausnah-
en:

Erste Ausnahme. Es gibt einen Informanten des
achrichtendienstes, der noch lebt. Der muss natürlich
eschützt werden. Diese Akten können nicht aufgedeckt
erden.

Zweite Ausnahme: Akten, die auch mit Informationen
on westlichen oder anderen Geheimdiensten bestückt
ind. Wir dürfen zum Schutz der Zusammenarbeit mit
nderen Nachrichtendiensten diese Akten nicht ohne de-
n Zustimmung aufdecken.

Ich bitte, dies zu respektieren und damit nicht wie-
erum eine Unterstellung zu verknüpfen, als gäbe es
räfte, die an einer wahren, kompletten Aufdeckung
ein Interesse haben; das ist bei keiner Partei der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715605700

Vielen Dank, Kollege Dr. Uhl – Nächste Rednerin für

ie Fraktion der Sozialdemokraten, unsere Kollegin
abriele Fograscher. Bitte schön, Frau Kollegin
ograscher.






(A) )


)(B)


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1715605800

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich will mich auf die bewegende Rede von Marcel
Reich-Ranicki beziehen. Ich glaube, nur Zeitzeugen ge-
lingt es mit ihren authentischen Schilderungen, das Aus-
maß der Grausamkeit und der Unmenschlichkeit des na-
tionalsozialistischen Regimes zu vermitteln. Angesichts
des Grauens, das einen bei diesen Schilderungen erfasst,
fällt es schwer, jedenfalls mir, zur Tagesordnung überzu-
gehen. Herr Ströbele, auch Sie haben heute hier am Pult
gestanden; Sie sind Zeitzeuge für die Zeit nach dem Na-
tionalsozialismus. Auch das fand ich lehrreich und be-
wegend.

Wir müssen uns leider nicht nur mit der Vergangen-
heit, sondern auch mit aktuellem Rechtsextremismus
beschäftigen. Wir haben gestern einstimmig den Unter-
suchungsausschuss eingesetzt. Dieser Ausschuss soll
klären, wie die rechtsterroristische Zwickauer Zelle, an-
getrieben von Ausländerhass und brauner Ideologie,
über zehn Jahre hinweg unentdeckt morden und rauben
konnte.

Ich will den Blick auf den Bericht des Expertenkrei-
ses lenken, der sich mit Antisemitismus in Deutschland
beschäftigt und Anfang der Woche seinen Bericht vorge-
stellt hat, mit dem beunruhigenden Ergebnis, dass es in
Deutschland nach wie vor eine konstante Zahl von Men-
schen mit antisemitischen Einstellungen gibt. Der Bun-

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1715605900

20 Prozent der Menschen in Deutschland haben antise-
mitische Einstellungen; das sind 20 Prozent zu viel. Das
sehen wir genauso.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschichte lässt
uns nicht los und darf uns nicht loslassen. Wir brauchen
die historische Aufarbeitung, um zu verstehen, wie es
dazu kommen konnte, dass Anstand, Moral, Werte und
Menschlichkeit so vollständig zusammenbrachen. Die
Aufarbeitung und Aufklärung müssen weitergehen, und
das so transparent wie möglich. Diese Aufarbeitung wird
beim Bundesnachrichtendienst, in den Ministerien und
den Behörden geleistet. Viele Behörden haben unabhän-
gige Historikerkommissionen eingesetzt, so auch der
BND. Einige Ergebnisse liegen bereits vor; sie wurden
auch veröffentlicht.

Die historische Aufklärung beginnt spät – zu spät –,
und es werden Fehler gemacht. Herr Korte, Sie haben
die Akten angesprochen, die im Jahre 2007 vernichtet
wurden. Es handelte sich in der Tat um Personalakten
von Menschen, die während der NS-Zeit bei SS oder Ge-
stapo waren. Dieser Vorgang muss aufgeklärt werden. Es
gibt Bemühungen, diese Akten weitgehend zu rekonstru-
ieren. Ob jemand politisch Verantwortung dafür trägt
und, wenn ja, wer, auch das muss geklärt werden.

Aus der Aufklärung, aus dem Wissen um Vertu-
schung und personelle Kontinuität in der jungen Bundes-
republik müssen wir aber auch Konsequenzen ziehen;
wir müssen Lehren aus der Vergangenheit ziehen.

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(C (D Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie muss gernt, erfahren und gelehrt werden; sie muss täglich veridigt werden. Deshalb brauchen wir eine nachhaltige inanzierung von wirksamen Programmen und eine Unrstützung von Initiativen, die sich für Demokratie und oleranz einsetzen. Insofern ist es nach wie vor das falche Signal, wenn Frau Schröder von diesen Initiativen ine Demokratieerklärung erwartet. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


s ist Zeit, dass Frau Schröder diese Klausel streicht.

Der Expertenkreis zum Thema Antisemitismus muss
eine Arbeit fortsetzen können. Er muss zum Beispiel
er Frage nachgehen, wie antisemitische Einstellungen
eitergegeben und tradiert werden und mit welchen
irksamen Maßnahmen dem entgegengewirkt werden
ann.

Der Untersuchungsausschuss und die Bund-Länder-
xpertenkommission müssen das Versagen der Sicher-
eitsbehörden beim Erkennen rechter Gewalt aufarbei-
n und konkrete Vorschläge unterbreiten, damit solche
annen nicht mehr passieren können.

Wir brauchen eine Strategie in Politik, Institutionen
nd Gesellschaft, um Demokratie zu stärken, Antisemi-
smus, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Vorurteile zu-
ckzudrängen.

Demokratie kann nicht verordnet werden. Sie kann
icht an Politik und Politiker delegiert werden. Aber
olitik kann dazu beitragen, Demokratie und Toleranz
u fördern, zu festigen und zu verankern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


aran sollten wir als Demokratinnen und Demokraten
rbeiten. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der
ehörden der jungen Bundesrepublik Deutschland wird
inen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich Ge-
chichte nie wiederholt.

Danke sehr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715606000

Vielen Dank, Frau Kollegin Fograscher. – Nächster

edner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege
atrick Kurth. Bitte schön, Kollege Patrick Kurth.


(Beifall bei der FDP)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715606100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Die DDR war stets bestrebt, die Bundesrepublik als
ortsetzung des Dritten Reiches, nur eben unter anderem
amen, darzustellen. Wir sollten alle gemeinsam dem
ersuch widerstehen, angesichts der Fehler der Bundes-
publik am Anfang, auch bei der Fortsetzung von per-





Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

sonellen Kontinuitäten, ein ähnliches Denken anzuwen-
den oder zumindest zu konstruieren, wie das die DDR
mit der Bundesrepublik gemacht hat.

Die Bundesrepublik ist besonders heute aufgeräumt,
sie ist gesund, eine gesunde Gesellschaft. Sie stellt sich
glaubwürdig und verantwortungsvoll ihrer Geschichte.
Aus dieser Glaubwürdigkeit heraus, aus der Kraft, die
wir entwickeln können, können wir zur Aufarbeitung
schreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Aufarbeitung ist wichtig. Das tun wir, um verstehen zu
können. Lieber Herr Korte, ich würde mir wünschen,
dass Sie beispielsweise beim Thema Staatssicherheit
– bei dem wir uns auch in der Aufarbeitung befinden –
genau die Maßstäbe anlegen, die Sie bei der Aufarbei-
tung der frühen Bundesrepublik anlegen. Das wäre wirk-
lich hilfreich, auch bei der Aufarbeitung der SED-Dikta-
tur.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Wir reden über Eichmann! Das war die Aufarbeitung der SED-Diktatur!)


Die Aufarbeitung in den Bundesbehörden ist in den letz-
ten zehn Jahren gut fortgeschritten.

Herr Korte, ich habe übrigens noch einmal nachge-
schaut: Am 26. Oktober 1953 lud die DDR-Staats- und
Parteiführung zu einem offiziellen Empfang ein. Emp-
fangen wurde der Generalfeldmarschall Friedrich
Paulus, Führer der 6. Armee in Stalingrad. Er war Leiter
des Kriegsgeschichtlichen Forschungsrates der Hoch-
schule der Kasernierten Volkspolizei.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Warum erzählen Sie mir das denn jetzt?)


Was nützt es uns denn, wenn wir uns gegenseitig Bio-
grafien vorwerfen, für die Sie nichts können und für die
wir nichts können?


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wir müssen den Gesamtzusammenhang erkennen. Wir
müssen die gesamte Geschichte verstehen können. Da-
rum geht es bei der Aufarbeitung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715606200

Herr Kollege Patrick Kurth, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage unseres Kollegen von Notz?


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715606300

Ja, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Kollege, für die Möglichkeit einer
Zwischenfrage. – Gerade weil ich Ihren letzten Satz
teile, dass man nicht beginnen sollte, dem verflossenen
DDR-Regime die Versäumnisse der Vergangenheit vor-

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(C (D urechnen, würde ich Sie doch bitten, mir zu erläutern, as das Versagen Ostdeutschlands bei der Aufarbeitung er NS-Geschichte eigentlich mit unserem heutigen hema zu tun hat. Denn es geht gerade am heutigen Tag arum, dass wir uns mit unserer Geschichte auseinanderetzen. Ich finde, so wie der umgekehrte Versuch nicht gitim ist, kann man nicht versuchen, die Versäumnisse nserer Geschichte an der DDR sozusagen gerechtzustoen. (Holger Krestel [FDP]: Das hat ja auch keiner getan!)


eswegen würde ich Sie bitten, Bezug auf die Versäum-
isse Westdeutschlands zu nehmen.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715606400

Herr von Notz, wir haben hier oft über Staatssicher-

eit, SED und Aufarbeitung gesprochen. Wir gehen da
ehr tief. Wir machen Gesetze dazu. Wir geben auch sehr
iel Geld für diese Aufarbeitung aus.

Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir jetzt
in System bewerten und darüber richten, das vom eige-
en Volk gestürzt worden ist. Es muss vielmehr der Ein-
ruck entstehen, dass wir, gerade auch hier im Deut-
chen Bundestag, Aufarbeitung und Aufklärung des
eginns der Bundesrepublik leisten. Wir haben hier zwei
anz interessante Fälle: Die Bundesrepublik ist genauso
ie die DDR aus einer Katastrophe entstanden, und es
usste zu Beginn reorganisiert werden. Dazu brauchte
an Ende der 40er- und Anfang der 50er-Jahre Hand-
ngsfähigkeit in der Verwaltung und im politischen Be-
ieb. So ähnlich war es ja auch nach dem Untergang der
eutschen Demokratischen Republik. Auch da brauchte
an Handlungsfähigkeit in der politischen Verwaltung

nd im politischen Betrieb.


(Zurufe von der LINKEN)


Wir können daraus lernen, wie man mit einem Trans-
rmationsprozess umgehen kann, und können uns mit-

inander bemühen, zu verstehen, was man in einer sol-
hen Situation machen kann. Deshalb glaube ich – da
ind wir uns ja doch sehr einig –, dass bei der Aufarbei-
ng der Geschichte der frühen Bundesrepublik die DDR

ine Rolle spielen muss. Selbstverständlich! Es ist ein
esamtes Deutschland. Somit müssen wir sowohl über
ie Verwaltung der Deutschen Demokratischen Republik
ie auch über die Verwaltung der Bundesrepublik spre-

hen können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir arbeiten auf. Wir arbeiten die Stasiakten genauso
uf, wie wir es mit den BND-Akten machen,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schön wär’s! – Zurufe von der LINKEN)


it den Akten des Auswärtigen Amtes. So hat das Bun-
esministerium der Justiz jetzt eine Kommission einbe-
fen. Es gibt verschiedene Kommissionen. Das alles ist

uch nicht erst in den letzten Jahren geschehen, sondern
chon viel früher hat das Auswärtige Amt darauf hinge-





Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

wiesen, dass es eben nicht Hort des Widerstandes gegen
den nationalsozialistischen Ungeist war.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch starke Versäumnisse, Herr Kollege!)


Minister Genscher hat das Haus veranlasst, mit diesem
Mythos aufzuräumen.

Ich finde es richtig und gut, dass wir in unserer aufge-
klärten Gesellschaft auch die Kraft haben, aufzuräumen
und uns mit unserer eigenen Vergangenheit zu beschäfti-
gen. Nennen Sie mir neben diesem einen Fall, CIA, ei-
nen anderen Geheimdienst, ob in den USA, in Paris oder
in Moskau, der mit seiner eigenen Geschichte so auf-
räumt und Historikern Zugang zu seinen eigenen Akten
verschafft!


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben nun einmal keine vergleichbare Geschichte!)


Das Entscheidende ist doch, Herr von Notz: Wir ha-
ben die Kraft dazu. Das ist auch beispielgebend für die
Entwicklungen in Nordafrika und im Nahen Osten. Dort
entstehen aus diktatorischen Systemen möglicherweise
Demokratien. Wir haben Kraft und Kompetenz, dort un-
sere Erfahrungen einzubringen und darzustellen, wie wir
es hier gemacht haben. Damit können wir den Leuten
dort anbieten, auch unsere Erfahrungen zur Aufarbei-
tung dieser Systeme einzubringen.

Ich könnte hier noch stundenlang weiterreden, aber
ich möchte nicht, dass Sie jetzt noch länger hier stehen
müssen, Herr Kollege.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715606500

Der Präsident würde ansonsten dafür sorgen, dass die-

ses nicht stundenlang erfolgt. Sie haben aber noch Rede-
zeit. – Bitte schön.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715606600

Meine Damen und Herren, ich schließe daran an: Wir

wollen – das ist das Entscheidende bei der ganzen Ak-
tenaufarbeitung – verstehen, welche Rolle die Funk-
tionsträger beim Übergang gespielt haben. Wir wollen
über die Hintergründe Bescheid wissen. Waren es alte
NS-Seilschaften? Diese Vermutung liegt nahe. Wir wol-
len verstehen, wie diese Transformation von einem
staatsterroristischen System zu einem demokratischen
System vonstattenging. Der wichtigste Grund – darauf
habe ich eben schon angespielt – ist: Wir wollen aus die-
sen Erkenntnissen für die Zukunft lernen. Wir wollen
doch verstehen, was los gewesen ist, um es in Zukunft
besser zu machen, nicht nur hier in Deutschland oder in
Europa, sondern auch zum Beispiel in Nordafrika oder
in Myanmar. In diesem ASEAN-Staat passiert im Mo-
ment etwas ganz Großartiges. Dort kann man vielleicht
unsere Kompetenzen und Erfahrungen gebrauchen.

Herr Präsident, ist die Redezeit um?

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(C (D In der Tat. So schnell geht das. So schnell geht das. – Dann werde ich den Rest mei er Rede vielleicht zu Protokoll geben oder Ihnen noch inmal schriftlich übermitteln. Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715606700
Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715606800


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715606900

Letzter Redner in dieser Aussprache ist Kollege

rmin Schuster für die Fraktion der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1715607000

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
ieser Tag zeigt aufs Neue eindrucksvoll: Die deutsche
eschichte stellt uns vor besondere Herausforderungen.
ir haben die fortwährende Pflicht, sie intensiv aufzuar-

eiten und uns mit den Erkenntnissen vorbehaltlos aus-
inanderzusetzen – darüber dürfte im ganzen Haus Kon-
ens bestehen –, und zwar nicht nur, um zu wissen, was
ar, also nicht nur, um zu historisieren, sondern insbe-

ondere auch, um daraus sogar heute noch für die Zu-
unft zu lernen. Dieses Anliegen ist mir sehr wichtig.

Das gilt auch für die Geschichte der Bundesbehörden.
eshalb stellt sich der Bund – oder sollte ich sagen:

stellen wir uns alle“? – in vielfältiger Art und Weise der
ufgabe, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. Zahlrei-

he Einrichtungen unterstützen dabei. Das Bundesarchiv
Koblenz stellt zum Beispiel umfangreiche Aktenbe-

tände zur Verfügung, auch große Aktenbestände zum
undesnachrichtendienst.

Zum Wirken des BND gibt es allerdings offene Fra-
en; sie sind hier schon herausgearbeitet worden. Wir
ind uns einig: Sie müssen beantwortet werden. Dazu
ählen natürlich auch Anhaltspunkte, dass der BND
icht unwesentlich von Personen aufgebaut wurde, die
chon zur NS-Zeit nachrichtendienstliche Aufgaben in-
ehatten. Inwiefern diese personellen Kontinuitäten Ein-
uss auf die Arbeit des BND in seinen früheren Jahren
atten – wie weit gehen die „früheren Jahre“ eigentlich? –,
t bis heute nicht seriös geklärt. An Mutmaßungen
öchte ich mich aber nicht beteiligen.

Nachdem eine Initiative des BND 2008 zunächst
icht glückte, geht seit 2011 die schon angesprochene
nabhängige Historikerkommission diesen Fragen nach.
rotz aller berechtigten Kritik an der bisher eher schlep-
end verlaufenden Aufklärung, insbesondere über die
ernichtung eventuell relevanter Akten in jüngerer Zeit
Herr Korte, Sie haben es angesprochen –, gilt es an
ieser Stelle zu betonen: Wir sind froh darüber, dass wir
tzt einen gangbaren Weg gefunden haben, diese Fragen

u beantworten: mit anerkannten Wissenschaftlern, mit





Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)

der notwendigen Ausstattung, aber auch mit der nötigen
Rücksicht auf die Arbeitsweise des BND.

Ähnliche Projekte gab es bereits zur Geschichte des
BKA – was dort gemacht wurde, war sehr eindrucks-
voll – und zur Geschichte des Auswärtigen Amtes, da-
mals angestoßen von Joschka Fischer. Das Bundesamt
für Verfassungsschutz lässt derzeit ebenfalls die eigene
Historie erforschen. Erst vergangene Woche hat auch
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für
ihr Haus eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben.
In allen Projekten forschten und forschen hochrangige
Wissenschaftler, und zwar völlig unabhängig von politi-
schen und inhaltlichen Vorgaben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle in
diesem Haus dürfen mit Fug und Recht behaupten, dass
die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Bundesbe-
hörden bei der aktuellen Bundesregierung und bei min-
destens den beiden Bundesregierungen zuvor eine er-
kennbar hohe Priorität genossen hat. Das wird auch
weiterhin so sein.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Herr Korte –
jetzt hätte ich fast gesagt: wie mein „Chef“ –, Ihren An-
trag zu lesen und mich mit ihm zu beschäftigen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist schon mal gut!)


Ich zitiere aus Ihrem Antrag:

… alle Einschränkungen des freien Zugangs zu den
Akten des BND im Zusammenhang mit personellen
Kontinuitäten des BND bzw. seiner Vorgängerorga-
nisation zum NS-Regime zu beseitigen und diese
Akten insbesondere der Wissenschaft zugänglich zu
machen …


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehr gut!)


Ich habe mich gefragt, ob Sie mit „insbesondere“
meinen, dass diese Akten praktisch für jedermann frei
zugänglich sein sollten.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, warum denn nicht? – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wo wäre denn das Problem?)


Nach Ihrer Rede bin ich mir ganz sicher. Sie haben näm-
lich gesagt, dass Sie das so wollen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja! Wie in den USA! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Auch für Journalisten! Das ist doch vernünftig!)


An dieser Stelle möchte ich mich ein wenig zum An-
walt des Bundesnachrichtendienstes machen. Eine derart
öffentliche Akteneinsicht für jedermann haben wir we-
der bei der 2005 begonnenen Aufarbeitung der NS-Ver-
gangenheit im Auswärtigen Amt noch bei der im Bun-
deskriminalamt gewährt. Dafür gibt es gute Gründe. Das
wollen wir auch beim BND so halten.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Warum? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nämlich? Was sind denn die Gründe?)




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(C (D Dazu komme ich gleich. Der Bundesnachrichtendienst hat sich international in außergewöhnliches Renommee erarbeitet. Er gilt bei einen Partnern als hochprofessionell. Gleichzeitig unrliegt er wie kein anderer Nachrichtendienst der Welt er vollen parlamentarischen Kontrolle, insbesondere urch die Arbeit unseres Parlamentarischen Kontrollremiums. Diese gelungene Transparenz im demokratichen Sinne steht aber immer in einem Spannungsverältnis zur eigentlichen Aufgabe des Dienstes, nämlich Ausland sicherheitsrelevante und zumeist geheimhalngsbedürftige Erkenntnisse für die Bundesrepublik eutschland zu sammeln. Eine völlige Aktenfreigabe, uasi für jedermann, würde diese wertvolle Arbeit – icht nur die des BND, sondern auch die seiner internaonalen Partner – erheblich beeinträchtigen. Dabei ist ie hervorragend gelungene Vernetzung des BND nicht ur eines der wichtigsten Instrumente seiner Arbeit, sonern für mich sogar eine Erfolgsgeschichte. Die Balance wischen demokratischer Transparenz und internationar Reputation ist beim Bundesnachrichtendienst in ein igartiger Weise gelungen. Darauf dürfen die Mitarbeir, aber auch wir stolz sein. Herr Kollege Schuster, gestatten Sie eine Zwischen age des Kollegen Hans-Christian Ströbele? Ja. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715607100
Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1715607200
Herr Kollege Schuster, eine ganz kurze Frage, weil

ie sich dagegen wehren, dass die Akten allgemein zu-
änglich gemacht werden sollen: Ist Ihnen bekannt, dass
ie USA die Akten, die NS-Verbrecher, Leute aus der
S-Zeit betreffen, völlig freigegeben haben? Diese Ak-
n können Sie im Internet einsehen. Das heißt, man
uss nicht hingehen und fragen, ob man sich ein be-

timmtes Blatt ansehen darf, sondern Sie müssen nur die
chtigen Knöpfe an Ihrem PC drücken, dann kommen
ie an die Akten. Warum können die USA das, und wa-
m soll Deutschland das nicht können, und zwar bezo-

en auf eine Zeit, die mehr als 60 Jahre zurückliegt?


Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1715607300

Über die Motivation der USA hat der Kollege Uhl

chon etwas gesagt. Ich möchte mich auf das konzentrie-
n, was in diesen Akten steht. Die Akten, die die Ame-
kaner veröffentlicht haben, betreffen bestimmte Perso-
en und Falldaten. Eine komplette Öffnung des BND-
rchivs für jedermann


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für diese Zeit!)


ürde bedeuten, dass für jeden offengelegt würde: Wie
t die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes? Mit wem
t er vernetzt? Wir wissen heute überhaupt nicht, wie
eit diese Frühgeschichte reicht.





Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)

Ich möchte einer Historikerkommission die Chance
geben, zu beurteilen, welche Veröffentlichungen für die
aktuelle Arbeit des BND kritisch wären und welche
nicht.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach 60 Jahren! Was soll denn da noch kritisch sein? Da wird einem ja ganz mulmig!)


Wenn diese Kommission sagt: Das ist das Datenmaterial,
das man unzweifelhaft veröffentlichen kann, ohne die
Arbeit des BND zu beeinträchtigen, bin ich damit restlos
einverstanden. Ich halte das auch für einen gangbaren
Weg.

Genau deshalb hat die Bundesregierung im vergange-
nen Jahr das Forschungsprojekt so ausgestaltet, dass die
notwendige Aufklärung mit der ebenso notwendigen Ge-
heimhaltung mindestens in Teilen der vorliegenden Ak-
ten gewährleistet wird. Die Kommission, bestehend aus
vier renommierten Wissenschaftlern, sichtet die Akten
und wird ihre Erkenntnisse anschließend der Öffentlich-
keit zur Verfügung stellen. Ich bin froh darüber, dass
Ernst Uhrlau damit einen gangbaren Weg der Aufarbei-
tung eingeschlagen hat. Die für die gegenwärtige Arbeit
des BND unverzichtbare Geheimhaltung bleibt weiter-
hin gewährleistet. Ausreichend Personal, eine ausrei-
chende finanzielle Ausstattung und Zeit sind vorhanden.
Die Kommission ist allein wissenschaftlichen Grundsät-
zen verpflichtet und in der Wahl ihrer Quellen frei. Die
Bundesregierung hat den Forschern zugesagt, ihre Ersu-
chen um Akteneinsicht bei externen Stellen nach Kräften
zu unterstützen. Im Interesse der Erforschung seiner
Frühgeschichte wurde zudem nunmehr festgelegt, dass
keine weiteren für das Projekt relevanten Akten vernich-
tet werden. Herr Korte, im Gegensatz zu Ihnen möchte
ich behaupten, dass es in diesem Hause und in dieser
Bundesregierung niemanden gibt – ich beziehe Sie da
mit ein –, der die Dreistigkeit gehabt hätte, die Vernich-
tung von Personalakten, die der BND im November
2011 bestätigt hat, anzuordnen. Entschuldigung, aber
mir fehlt wirklich


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sprache! Die Vorstellungskraft! Ich bringe sie für Sie mit!)


die Vorstellungskraft, dass irgendjemand das angeordnet
haben könnte. Insofern halte ich Ihren Vorwurf für ziem-
lich abstrus.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das glaube ich nicht!)


Wir forcieren den Lernprozess Vergangenheitsbewäl-
tigung bei unseren Bundesbehörden. Nicht zuträglich ist
für mich allerdings Ihr Lamento über mangelnde Trans-
parenz beim BND. Ihre überzogene Forderung, jeder-
mann in die Akten hineinschauen zu lassen, umzusetzen,
hielte ich letztlich für fahrlässig. Wir haben den transpa-
rentesten Nachrichtendienst der Welt. Alle Fraktionen
des Deutschen Bundestages haben die Chance, dies im
Parlamentarischen Kontrollgremium ständig zu verifi-
zieren.

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(C (D (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Als Abgeordneter kann man das nicht!)


ir sind nach wie vor darauf angewiesen, dass der BND
gewohntem Maße effektive Arbeit leistet und uns bei

icherheitspolitischen Bedrohungen rechtzeitig und an-
emessen mit Informationen versorgt. Ohne einen gut
nktionierenden BND würde Deutschland außenpoli-

sch quasi ohne Radar fliegen. Deshalb wollen wir eine
leichsam seriöse wie transparente Aufbereitung der Ge-
chichte des Bundesnachrichtendienstes.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715607400

Vielen Dank, Kollege Armin Schuster.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende
er Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich
chließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-
chusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem
itel „Alle BND-Akten zum Thema NS-Vergangenheit
ffenlegen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/4468, den Antrag
er Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1556 abzu-
hnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
as sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das

ind die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grü-
en. Enthaltungen? – Die Fraktion der Sozialdemokra-
n. Die Beschlussempfehlung ist hiermit angenommen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 25 a und b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich,
Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck und der Frak-
tion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-
Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Ländliche Entwicklung und Ernährungs-
sicherheit weltweit verbessern

– Drucksachen 17/7185, 17/8430 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Helmut Heiderich
Dr. Sascha Raabe
Dr. Christiane Ratjen-Damerau
Niema Movassat
Ute Koczy

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack,

(Hei Vizepräsident Eduard Oswald )





(A) )

delberg), weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD

Spekulation mit agrarischen Rohstoffen ver-
hindern

– zu dem Antrag der Abgeordneten Niema
Movassat, Sahra Wagenknecht, Dr. Axel
Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Hunger bekämpfen – Spekulation mit Nah-
rungsmitteln beenden

– zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe,
Dr. Gerhard Schick, Ulrike Höfken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Mit Essen spielt man nicht – Spekulation mit
Agrarrohstoffen eindämmen

– Drucksachen 17/3413, 17/4533, 17/5934,
17/7414 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Röring
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Kirsten Tackmann
Friedrich Ostendorff

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sie sind da-
mit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann
ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist für die
Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Dr. Christiane
Ratjen-Damerau. Bitte schön, Frau Kollegin.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP):
Rede ID: ID1715607500

Sehr geehrter Herr Bundestagsvizepräsident! Meine

sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Partei! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Liebe Partei“?)


– Ich sammle mich.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Von wo kommen Sie? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja bei Ihrem Minister auch so!)


Also: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Iss deinen
Teller leer und denk an die hungernden Kinder in Afrika:
Ich denke, viele von uns werden sich an diese Worte ih-
rer Eltern aus der Kindheit erinnern. Doch wie die hun-
gernden Kinder auf dem afrikanischen Kontinent und die
nicht leer essen wollenden Kinder in unserer Welt zu-
sammenhängen, haben uns unsere Eltern nicht erklärt.
Meist gab es auf Nachfrage eine Begründung, die eher
emotional als sachlich war. Und doch gibt es einen Zu-
sammenhang; denn laut Statistik ist noch genug Nahrung
für alle da.

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(C (D Warum hungern dann aber 925 Millionen Menschen uf dieser Welt? Eine der Erklärungen ist, dass zu viele ahrungsmittel verschwendet werden. In der westlichen elt werden tonnenweise Lebensmittel weggeworfen. ie Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, ie FAO, hat errechnet, dass nur 60 Prozent der erzeugn Nahrungsmittel tatsächlich von der Weltbevölkerung egessen werden. Bei einigen Produkten ist die Berechung der FAO besonders erschreckend. So werden nur 2 Prozent der erzeugten Kartoffeln tatsächlich verpeist. Über zwei Drittel der Ernte geht verloren. In den Entwicklungsländern verdirbt die Ernte oftals, bevor sie geerntet oder verkauft werden kann. ichtig sind daher der Aufbau und die Erweiterung der frastruktur und der genossenschaftlichen Strukturen in iesen Ländern. Gleichzeitig müssen die Ausund Weirbildung lokaler Kleinbauern sowie die praxisbezoene und speziell auf Entwicklungsländer zugeschnitne Agrarforschung intensiviert werden. Wir müssen afür Sorge tragen, dass Nahrungsmittel in der westlihen Welt durch Zuschüsse nicht so billig werden, dass ie leichtfertig verschwendet werden. Alle handelsvererrenden Subventionen in der westlichen Welt müssen aher abgebaut werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Schlüssel zur Entwicklung in jedem Land ist die
ute Regierungsführung. Die Entwicklungsländer müs-
en die Verantwortung für die Entwicklung ihrer Länder
elbst in die Hand nehmen. Sie müssen ihre staatlichen
trukturen reformieren, sodass Wachstum, Gerechtig-
eit, gerade auch der Zugang zu Land und Wasser und
er nachhaltige Umgang mit Ressourcen gesichert wer-
en. Wir werden sie dabei unterstützen.

Ein weiteres wichtiges Thema sind die Spekulationen
it Agrarrohstoffen an Warenterminbörsen. Spekulatio-

en sind für eine vernünftige Preisbildung wichtig. Da-
er müssen wir die Anträge der Opposition ablehnen.
llerdings darf der Hunger in der Welt nicht durch Spe-
ulationen verschärft werden. Wir benötigen hier mehr
ransparenz, beispielsweise durch eine Verbesserung
nd Offenlegung der Datenlage auf den Märkten für
grarderivate.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Bundesregierung hat mit ihrer Politik in den ver-
angenen zwei Jahren dafür gesorgt, dass der ländliche
aum und seine Entwicklung in den Mittelpunkt der Ar-
uts- und Hungerbekämpfung gerückt sind. Damit ist

in Anfang gemacht. Die in meiner Rede genannten
unkte aus unserem Antrag sind weitere Schritte zur Be-
ämpfung des Hungers weltweit.

Auch wenn wir alle heute Abend unseren Teller leer
ssen, werden gegenwärtig Kinder in Somalia nicht ge-
ug zu essen haben. Aber das Verhalten jedes Einzelnen
at durchaus Auswirkungen, und langfristig werden wir
ie Weltbevölkerung nur ernähren können, wenn erstens
lle Regierungen ihre Verantwortung übernehmen, zwei-
ns die Agrarproduktion gesteigert wird und drittens
essourcen geschont werden.

Herzlichen Dank.





Dr. Christiane Ratjen-Damerau


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715607600

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist

unser Kollege Dr. Sascha Raabe für die Fraktion der So-
zialdemokraten. Bitte schön, Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1715607700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen!


(Harald Leibrecht [FDP]: Genossen?)


Ich freue mich, dass wir heute noch einmal über das
wichtige Thema ländliche Entwicklung im Plenum de-
battieren können, weil die weltweite Bekämpfung von
Hunger und Armut ohne einen großen Fortschritt im
ländlichen Raum nicht möglich ist. Wir wissen: Drei
Viertel der ärmsten Menschen leben im ländlichen
Raum. Wenn wir das Millenniumsziel, bis 2015 die Zahl
der Hungernden zu halbieren, erreichen wollen – damit
sieht es leider nicht sehr gut aus –, dann müssen wir vor
allem für die Menschen im ländlichen Raum etwas tun.
Deswegen ist es gut, dass wir uns darüber gemeinsam
Gedanken machen.

Aber wir haben in der letzten Legislatur in der Gro-
ßen Koalition bereits einen Antrag vorgelegt, der sehr
viel umfassender war als das, was Sie heute präsentieren.
Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen – nicht,
weil wir der Auffassung wären, dass das Thema nicht
wichtig ist.

Sie schreiben zu Recht in Ihrem Antrag – lieber Kol-
lege Christian Ruck, du wirst dich erinnern, das hatten
wir auch in unserem umfassenden gemeinsamen Antrag
schon kritisch festgestellt –, dass in den letzten Jahren
vonseiten der Geber, aber auch von den Entwicklungs-
ländern selbst die Investitionen in die Landwirtschaft
sehr stark zurückgefahren worden sind. Allerdings muss
man ehrlicherweise dazusagen, warum das passiert ist.
Das hat sehr viel damit zu tun, dass über Jahre durch
Überschüsse im landwirtschaftlichen Bereich ein soge-
nanntes Exportdumping stattgefunden hat. Man hat näm-
lich die Überschüsse aus den USA, aus Deutschland und
aus anderen Ländern in Europa in die Länder Afrikas ex-
portiert und damit die lokalen Märkte zerstört. Ein
Bauer, der Milchviehwirtschaft betrieben hat, konnte
also seine Milch, die er vielleicht mit zwei oder drei Kü-
hen lokal produziert hat, auf dem Markt nicht verkaufen,
weil dort Milchpulver aus Europa, das mit Wasser ver-
mischt wurde, billiger angeboten wurde. Das ist ein ganz
irrsinniges System: Auf der einen Seite machen wir Ent-
wicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite geben
wir Steuergelder für Subventionen in der Landwirtschaft
aus und reißen mit diesem Agrardumping das ein, was
wir mit der Entwicklungszusammenarbeit aufbauen.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen hätte es keinen Sinn gemacht, wenn die
vorherige Bundesregierung weiter jahrelang Milchvieh-
wirtschaft unterstützt und andere Investitionen in die

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(C (D andwirtschaft der Entwicklungsländer großflächig getigt hätte; denn wir haben erleben müssen, wie viele leinbauern und Farmen dort kaputtgegangen sind. Die eber hätten insgesamt etwas früher umschwenken könen; das ist unbestritten. Aber jetzt besteht wieder eine chte Chance, dort zu investieren, weil die Preise für grarprodukte in den Entwicklungsländern und weltweit estiegen sind. Das ist auf der einen Seite ein Problem, erade für die städtische Bevölkerung in den Entwickngsländern; auch das darf man nicht unter den Teppich ehren. Aber es ist natürlich eine Chance für all die leinbauern und Bauern, die in den Entwicklungslänern produzieren. Jetzt haben sie wieder eine reelle öglichkeit, ihre Produkte zu guten Preisen zu verkaun. Deswegen ist es sinnvoll, jetzt mehr Geld zu inveseren. Aber wir müssen auch über die Kohärenz reden. In er Vergangenheit hat die Kohärenz, also Stimmigkeit tatt eines Widerspruchs zwischen den verschiedenen olitikbereichen, zwischen dem Landwirtschaftsund andelsbereich und der Entwicklungszusammenarbeit icht gestimmt. Ich möchte hier kritisch anmerken: uch jetzt stimmt sie noch nicht. Die Europäische Union ird gemäß ihren Vorstellungen für die Jahre 2014 bis 020 435 Milliarden Euro in den Agrarsektor pumpen. avon entfallen nur 150 Millionen Euro auf Agrar xportsubventionen. Wenn Sie sich in Ihrem Antrag vor llem auf die Agrarexportsubventionen konzentrieren das macht auch die Landwirtschaftsministerin –, dann t das zu kurz gesprungen. Das sind nur 0,03 Prozent er gesamten Gelder. Natürlich verzerren auch die internen Stützungen die edingungen. Deswegen reden Sie einmal mit Ihrer andwirtschaftsministerin; denn sie versucht gerade, die ültigkeit der Zuckermarktordnung zu verlängern, die 015 auslaufen soll. Sie reißt mit ihrem Lobbyismus für re Klientel von der CSU in Bayern vieles von dem ein, as wir aufbauen. Natürlich braucht man für diese Maßnahmen Geld. ir brauchen Geld, um Beratungen für Landreformen urchzuführen. Wir müssen des Problems des Land rabbings Herr werden – auch dieses Thema kommt bei nen zu kurz –: Investoren kaufen riesige Ländereien uf, lassen aber die Erträge nicht der lokalen Bevölkeng zugutekommen, sondern exportieren sie. Notwen ig sind Maßnahmen gegen Nahrungsmittelspekulatioen. Wer mit dem Hunger in der Welt spekuliert, stellt ich abseits der Menschlichkeit. Dem sollten wir alle geeinsam die Rote Karte zeigen, meine sehr verehrten amen und Herren. Ländliche Entwicklung ist aber ein Thema, das sehr iele Aspekte umfasst. Dazu gehört auch die Bevölkengsentwicklung. Ich war vor wenigen Wochen in Äthio ien und habe dort sehen müssen, dass selbst in den grüen und fruchtbarsten Landesteilen Äthiopiens, in denen eine Dürre herrscht, durch eine immer größer werdende evölkerungszahl die Flächen, die pro Familie bewirt Dr. Sascha Raabe )


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)





(A) )

schaftet werden können, immer kleiner werden. Es gibt
den sogenannten grünen Hunger: Alles sieht grün aus,
aber die nächste Ernte folgt erst in einigen Monaten, und
die Menschen leiden Hunger. Auch darauf brauchen wir
Antworten.

Eine Antwort, die wir als Sozialdemokraten geben, ist
in Ihrem Antrag nicht enthalten: der Aufbau sozialer Si-
cherungssysteme. Wir haben mit unserer Arbeitsgruppe
– die Kollegin Karin Roth hatte das vorbereitet – erst vor
kurzem einen sehr umfassenden Antrag zum Aufbau so-
zialer Sicherungssysteme eingebracht. Es ist sehr wich-
tig, dass wir auch Menschen in der Landwirtschaft, die
kein Einkommen haben, beraten und auch Staaten bera-
ten, wie sie Familien Hilfe geben können. In Brasilien
läuft das sehr gut mit dem Null-Hunger-Programm. An-
dere Länder machen das auch. Zum Teil ist die Hilfe an
den Schulbesuch der Kinder gekoppelt: Einen Teil des
Geldes gibt es nur dann, wenn die Kinder zur Schule ge-
hen. So etwas brauchen wir.

Wenn wir die vielfältigen Maßnahmen von der Bil-
dung bis zur Gesundheit umsetzen wollen – dazu stehen
auch viele richtige Punkte im Antrag –, dann brauchen
wir Geld. Sie schreiben in Ihrem Antrag stolz, dass die
Bundesrepublik Deutschland viel Geld für diesen Sektor
ausgibt. Dagegen habe ich keine Einwände. Vorausset-
zung dafür ist aber, dass die Mittel für den Gesamttopf
erhöht werden. Wenn Sie in diesem Jahr nur mit ganz
kümmerlichen Beträgen die Entwicklungsausgaben stei-
gern und nur einen Bruchteil der von uns im Parlament
gemeinsam vereinbarten 1,2 Milliarden Euro zur Verfü-
gung stellen, dann nehmen Sie das Geld in den ebenfalls
wichtigen Bereichen Gesundheit und Bildung weg.

Deswegen reicht es nicht, wenn Sie mehr Geld für die
Landwirtschaft ausgeben wollen. Wir brauchen einen
Minister, der auch einmal leidenschaftlich für mehr Geld
in seinem Haushalt kämpft, statt nur darum zu kämpfen,
mehr Parteifreunde in seinem Ministerium unterzubrin-
gen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heinz-Peter Haustein [FDP]: So ein dummes Gewäsch! Schäm dich eins!)


Wir haben einen Minister, der sogar die Finanztransak-
tionsteuer, ein Instrument, das aus der Entwicklungspoli-
tik stammt, das die Zivilgesellschaft seit Jahren gefordert
hat und das jetzt zum Greifen nahe ist, im Kabinett ab-
lehnt, obwohl wir dieses Geld dringend für die Armuts-
bekämpfung brauchen. Das ist schäbig, Herr Minister
Niebel.


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Das ist einfach falsch, was du erzählst!)


– Das ist nicht falsch. Selbst im Kabinett gibt es damit
ein Problem. Frau Merkel kennt das Problem mit ihrem
Minister wahrscheinlich besser als ich.

Deswegen macht es keinen Sinn, wenn Sie einen
schönen Antrag schreiben und hier schöne Worte finden.
Wenn Ihnen das Thema wichtig wäre, dann wäre auch zu
überlegen gewesen, im Ministerium dafür eine eigene

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(C (D bteilung zu schaffen. Statt einer Abteilung für Ernähngssicherung und ländliche Entwicklung wird aber ine Abteilung für Planung und Kommunikation gechaffen. Wie gesagt, Ihr Minister ist stärker mit anderen ingen beschäftigt als mit der Landwirtschaft, nämlich it der Vetternwirtschaft. Deswegen werden wir Ihren ntrag ablehnen. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715607800

Vielen Dank, Kollege Dr. Raabe. – Nächster Redner

r die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Helmut
eiderich. Bitte schön, Kollege Heiderich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1715607900

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!

ehr verehrte Damen und Herren! Es gibt keine Rede
on Herrn Dr. Raabe ohne die Aufforderung an den
inister, sofort zurückzutreten.


(Beifall des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Da hat er recht! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Methode, wie Sie das erledigen können!)


h glaube, damit wiederholt er sich ein wenig. Er kann
abei nicht ganz verbergen, dass er sich mit dem Inhalt
er Anträge relativ wenig beschäftigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich an den Anfang meiner Ausführungen
in paar aktuelle Meldungen stellen. China hat 2011 eine
ndwirtschaftliche Rekordernte eingefahren. Trotzdem
at China noch nie so viel Mais ins eigene Land impor-
ert wie 2011. Auch bei Soja ist China inzwischen mit
0 Prozent der weltweit größte Importeur.

Aber auch Deutschland hat einen neuen Rekord er-
ielt. 2011 wurde von Deutschland erstmals mehr Ge-
eide importiert als exportiert.

Warum erwähne ich diese Fakten am Anfang? Ich
enke, schon diese wenigen Angaben machen deutlich,
ass sich das globale System von Ernährung und land-
irtschaftlicher Erzeugung in einem gewaltigen Um-
ruch befindet. Über Jahrzehnte waren es Agrarüber-
chüsse der Industriestaaten – Worte wie „Milchseen“
nd „Butterberge“ sind vielen sicherlich noch in Erinne-
ng –, welche in der Entwicklungspolitik eine große
olle spielten. Vor allem die Verteilung wurde als Mittel
esehen, die Unterernährung zu bekämpfen. Wie oft hat
an den Spruch gehört: „Es wird weltweit genug produ-

iert; das Problem ist nur die Verteilung“?

Das Ergebnis dieser aus meiner Sicht völlig falschen
trategie müssen wir heute konstatieren. Trotz großer
ersprechungen zu Beginn des Millenniums und des Mil-
nniumsziels 1 ist die Zahl der Hungernden, der Unter-





Helmut Heiderich


(A) )


)(B)

ernährten und der in Armut Lebenden nicht geringer, son-
dern eher größer geworden. Wenn wir eine aktuelle
Analyse der internationalen Agrarpolitik vornehmen,
dann stellen wir fest: Es gibt nichts mehr zu verteilen. Wir
brauchen in den Bereichen Landwirtschaft und Ernäh-
rung eine Neuausrichtung der politischen Konzepte. Wir
müssen erkennen, dass Hunger und Unterernährung ge-
rade dort am größten sind, wo die meisten Kleinbauern le-
ben, und zwar im ländlichen Raum. 70 Prozent der Hun-
gernden sind – so hat die FAO festgestellt – Kleinbauern.
Deshalb muss aus meiner Sicht die neue Überschrift einer
zukunftsorientierten Ernährungspolitik weltweit lauten:
Ernährung aus eigener Kraft ist das Ziel unserer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die notwendige Neuausrichtung ländlicher Entwick-
lungspolitik hat der Präsident des IFAD, Herr Nwanze,
am besten auf den Punkt gebracht, als er uns im Aus-
schuss besucht hat. Ich zitiere:

Man darf Kleinbauern nicht mehr als Charity-An-
gelegenheit betrachten, sondern als die Menschen,
die mit Innovation, Dynamik und harter Arbeit
Wohlstand für ihre Kommunen bringen und erheb-
lich zu einer erhöhten Nahrungsmittelsicherheit
beitragen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, genauer und pointierter kann man es nicht
formulieren.

Bei rund 500 Millionen Kleinbauern weltweit ist das
einerseits eine riesige Herausforderung. Andererseits ist
es unumgänglich, dort anzusetzen, wenn wir die Ernäh-
rung der Menschheit zukünftig sichern wollen. Zudem
weisen alle Fachleute darauf hin, dass investiertes Geld
nirgendwo einen so positiven Effekt auf die Minderung
von Armut und die Verbesserung der Entwicklung hat
wie in der Landwirtschaft. Das heißt ganz klar: Im länd-
lichen Raum liegt der Schlüssel für den Kampf gegen
Armut, Unterentwicklung, Hunger und Mangelernäh-
rung. Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir im vergan-
genen Sommer unseren Antrag entwickelt, um auch
unsere entwicklungspolitischen Konzepte daraufhin aus-
zurichten. Es ist hilfreich, dass das Ministerium mit der
Einrichtung einer Taskforce „Ländliche Entwicklung“
seit Mitte Oktober letzten Jahres diesen Weg begleitet,
Herr Dr. Raabe.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Solange es nicht wieder ein FDP-Mann sein muss!)


Beim Besuch des FAO-Generalsekretärs Graziano da
Silva hat der Minister übrigens ein neues Zehn-Punkte-
Programm für ländliche Entwicklung und Ernährungssi-
cherung angekündigt; das ist uns auch heute Morgen zur
Kenntnis gebracht worden. Es ist hilfreich, wenn wir als
Abgeordnete des Parlaments die Dinge in derselben
Richtung gemeinsam fortentwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ebenso hat Agrarministerin Ilse Aigner im Zusam-
menhang mit der Grünen Woche diese Thematik aufge-
griffen und intensiv vorangebracht. Unter der Überschrift


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(C (D Neue Strategien zur globalen Ernährungssicherung“ haen rund 70 Staaten auf einer internationalen Konferenz ier in Berlin festgehalten, dass die Stärkung von Landirtschaft und ländlicher Entwicklung das zentrale lement für die Nahrungssicherung und die Armutsbeämpfung bei wachsender Weltbevölkerung ist. Die Bechlüsse der G 20 hinzugenommen, sind wir auf dem chtigen Weg. Auch der neue FAO-Generalsekretär – ich abe ihn eben zitiert – hat in seiner Antrittsrede das hema Food Security zu seiner Toppriorität gemacht. Inofern befinden wir uns mit unserem Antrag genau im chtigen Umfeld. Was allerdings noch kaum berücksichtigt ist – darauf öchte ich die Kolleginnen und Kollegen hinweisen und uch um Unterstützung bitten –, ist der Einfluss der Kliaveränderung auf diese Thematik. Weder auf der Konrenz in Durban noch im Rahmen des IPCC sind die Innsivierung einer nachhaltigen Landwirtschaft und der influss der Klimaveränderung auf die Nahrungsmittelicherheit aufgegriffen worden. Ich denke, hier haben ir auch als Parlament die wichtige Aufgabe, diesen Ge ichtspunkt aus dem Deutschen Bundestag heraus für die ukunft weiter zu verstärken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Für die Opposition wäre es durchaus sinnvoll, diese
itiativen mitzutragen, anstatt, wie dies mein Vorredner

etan hat, krampfhaft im Kleingedruckten Ablehnungs-
ründe zu suchen. Auch die Bemerkung, Herr Dr. Raabe,
ass man im Jahr 2008 einmal einen Antrag eingebracht
abe und dass das sozusagen ausreiche, um die Projekte
on morgen zu begleiten, halte ich argumentativ für
icht sonderlich überzeugend.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Die Sozialdemokreten sind vorausschauend!)


enn Sie es genau wissen wollen: Die Konzepte von
estern sind aus meiner Sicht nicht die richtigen, um die
robleme von morgen zu bekämpfen. Insoweit müssten
ie sich bewegen und auch einmal einen Antrag vorle-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Das machen wir auch! Aber nicht die Aktualität, sondern die Qualität ist ausschlaggebend!)


Ich sage Ihnen auch: Die Qualität des vorliegenden
ntrags ist mit Sicherheit so hervorragend, dass es sinn-
oll ist, ihn zu unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber ich will, weil Sie das ebenfalls aufgegriffen ha-
en, darauf hinweisen, dass wir alle auch darauf achten
üssen, dass nicht Egoismen wie Nahrungsmittelspeku-
tion oder Land Grabbing die lokalen Verhältnisse aus-
utzen. Deswegen – meine verehrten Damen und Herren
on der Opposition, ich hoffe, Sie können sich erinnern –
aben wir bereits im April vergangenen Jahres einen An-
ag auf den Weg gebracht, und der Deutsche Bundestag
at diesen Antrag bereits am 20. Oktober 2011 beschlos-





Helmut Heiderich


(A) )


)(B)

sen. Justament heute Morgen – das wird Ihnen sicherlich
auch zugegangen sein – ist uns aus dem Haus ein Papier
zugeleitet worden, das die Investitionen in Land und das
Phänomen des Land Grabbing aufgreift; das heißt, das
Thema wird auch von dieser Seite mit bearbeitet.


(Iris Gleicke [SPD]: Nicht nur mit Papieren, mit Taten müssen Sie mehr agieren!)


Ich denke, auch hier hinken Sie wieder ein Stück hinter
der Entwicklung her. Sie hätten sich ruhig etwas schnel-
ler bewegen können. Aber uns dafür zu kritisieren, ist
ganz und gar der falsche Ansatz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wir haben schon seit einem Jahr einen entsprechenden Antrag! Der wird nachher abgestimmt in der Debatte!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei diesem
Thema kann man feststellen: Die Zeit drängt, die Fakten
entwickeln sich eindeutig. Nur ein Beispiel: Als ich und
einige andere Mitglieder dieses Hauses geboren wurden,
hatte jeder Mensch weltweit durchschnittlich 5 000 Qua-
dratmeter Fläche für seine Ernährung zur Verfügung.
Heute sind davon durchschnittlich noch 2 000 Quadrat-
meter pro Kopf geblieben. Wenn Sie überlegen, dass in
Kürze 2 Milliarden Menschen mehr auf dieser Erde le-
ben werden, dann können Sie sich alle ganz leicht selbst
ausrechnen, welche Bedeutung die Ernährungssicherung
hat. Die FAO hat kürzlich ganz nüchtern festgestellt: Die
landwirtschaftliche Produktion muss sich weltweit um
70 Prozent erhöhen. Ich denke, das ist ein Ziel und eine
Aufgabe, die wir auch hier ernsthaft angehen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir können nur gemeinsam mit unseren Partnerlän-
dern Fortschritte erreichen. Wichtig sind weltweit Mo-
dernisierung und Effizienzsteigerung in der Landwirt-
schaft. Ich will aber auch ausdrücklich sagen: Wir
werden diese Ziele nicht erreichen, wenn wir nicht bereit
sind, mit der Privatwirtschaft, mit großen Stiftungen und
mit internationalen Investoren dafür Sorge zu tragen,
dass wir in den unterentwickelten Ländern Wertschöp-
fungsketten aufbauen, damit wir vom Kleinbauern bis
hin zum Supermarkt eine Finanzierungskette erhalten,
damit die Landwirte vor Ort Einkommen erzielen und
die Ernte nicht zu einem großen Prozentsatz verkommt.
Das ist eine weitere Aufgabe, die wir angehen müssen.
Insoweit unterscheiden wir uns im Moment noch sehr
von der Opposition.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nicht nur darin!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich noch zwei Beispiele an das Ende meiner Ausfüh-
rung stellen, weil ich sie für sehr erfolgreich halte.

Das eine sind die Projekte der Afrikanischen Ent-
wicklungsbank, die inzwischen sehr konkret geworden
sind und die auch vor Ort fokussiert sind. Ich will nur ein
einzelnes Projekt herausnehmen: das sogenannte CAIIP-
III-Projekt. Hierbei geht es besonders um die Verbesse-
rung der Infrastruktur und darum, in ländlichen Gebieten
Marktplätze aufzubauen, damit die Produkte vor Ort ver-
kauft werden können.

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(C (D Das zweite Beispiel ist die Initiative AGRA, unter em Vorsitz von Kofi Annan und in Zusammenarbeit mit er Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die sich mit dem eeds Program der Züchtung verbesserten Saatgutes verchrieben hat. Mit unserem Antrag wollen wir die ländliche Enticklung wieder zu einem Schwerpunkt globaler Zuunftsvorsorge machen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ie diese Politik mit Ihrer Arbeit in diesem Hause untertützen würden. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollege Helmut Heiderich. – Jetzt für ie Fraktion Die Linke unser Kollege Niema Movassat. itte schön, Kollege Movassat. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Essen pielt man nicht – das weiß jedes Kind. Und doch hat gede die Spekulation mit Nahrungsmitteln in den letzten ahren enorme Ausmaße erreicht. 2003 betrug das Voluen von Fonds, die im Agrarbereich investierten, gerade inmal 13 Milliarden Dollar. 2008 betrug es schon 18 Milliarden Dollar, Tendenz weiter steigend. Nach em Platzen der US-Immobilienblase suchten sich edgefonds und Banken eine neue Spielwiese. Sie finen an, mit Nahrungsmitteln zu zocken. Sie treiben dait die Preise künstlich hoch. Für die Banken und edgefonds bedeutet das bis heute klingelnde Kassen, r Millionen von Menschen auf der Welt Hunger und od. Deshalb sagen wir als Linke in unserem Antrag, ass Nahrungsmittelspekulationen endlich unterbunden erden müssen. Oft wird behauptet, es gebe zu wenig Nahrungsmittel, m die 7 Milliarden Menschen auf der Welt zu ernähren. as ist schlichtweg gelogen. Die Wahrheit ist: Nahrung ird ausreichend produziert. Viele Hungernde können ich die Lebensmittel schlichtweg nicht mehr leisten; enn die Zockerei mit Nahrungsmitteln hat erheblich azu beigetragen, dass die Preise für Getreide, Mais oder eis seit 2007 zwischen 100 Prozent und 300 Prozent estiegen sind. Die Menschen in den ärmsten Ländern ie Bangladesch oder Burkina Faso geben 80 Prozent res Einkommens für Nahrungsmittel aus. Für sie be euten hohe Preise einen täglichen Kampf ums Überleen. Wenn wir also nicht weiter zulassen wollen, dass ie bisher alle sechs Sekunden ein Kind an Hunger tirbt, dann müssen wir Nahrungsspekulationen mit aller raft bekämpfen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] und Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715608000

(Beifall bei der LINKEN)

Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715608100

(Beifall bei der LINKEN)


SPD und Grüne haben heute ebenfalls Anträge zu die-
em wichtigen Thema vorgelegt. Wir finden ihre For-





Niema Movassat


(A) )


)(B)

derungen nicht weitreichend genug, um Spekulationen
effektiv zu begegnen, auch wenn viele wichtige Punkte
in ihren Anträgen enthalten sind. So fehlt beispielsweise
die Forderung nach einer Transaktionsteuer im Kampf
gegen Nahrungsmittelspekulationen. Auch die Koalition
weist in ihrem Antrag darauf hin, dass Land Grabbing
und Nahrungsmittelspekulation die Ernährungssituation
im Süden gefährden. Aber dann lassen Sie Ihren Worten
doch endlich einmal Taten folgen! Denn bisher tut diese
Regierung nichts gegen Nahrungsmittelspekulationen.
Sie legt keine Gesetzentwürfe vor, schafft keine Restrik-
tionen, nicht einmal für Transparenz sorgt sie. So bleiben
die schmutzigen Geschäfte weiter geheim. Da sind selbst
die USA mit einem Transparenzgesetz weiter.

Hierzulande ist die Deutsche Bank massiv in das Ge-
schäft mit dem Hunger verstrickt. Sie ist einer der
Hauptprofiteure der Spekulation mit Nahrungsmitteln.
Sie gehört zu den Top Ten im globalen Rohstoffinvest-
mentbusiness. Sie ist im Agrarbereich mit Investitionen
von fast 5 Milliarden US-Dollar weltweit die Nummer
eins. Das ist ein Rekord der Schande. Das stört diese
Bundesregierung nicht. Sie arbeitet prima mit der Deut-
schen Bank zusammen. So ist die Deutsche Bank mit
20 Millionen Euro Hauptinvestor des neuen Afrika-
Fonds zur Förderung von Handel und Landwirtschaft in
Afrika, gemeinsam mit Herrn Niebels Entwicklungsmi-
nisterium und der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Sie ist
für das Management dieses Fonds zuständig, und zwar
mit einer klaren risikoorientierten Gewinnerwartung.
Diese laut Bundesminister Niebel „neue deutsche Ent-
wicklungspolitik“ hört sich angesichts der Verstrickun-
gen der Deutschen Bank in den Bereichen Land Grab-
bing und Nahrungsmittelspekulation wie ein schlechter
Krimi an.


(Beifall bei der LINKEN)


In Anbetracht der Hungerbilder aus Ostafrika oder
der Hungerwarnungen aus Westafrika ist klar: Die neue
deutsche Entwicklungspolitik muss umgehend beendet
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Notwendig ist eine Entwicklungspolitik, die den Fokus
auf die Entwicklung ländlicher Räume gemäß den Be-
dürfnissen der lokalen Bevölkerung legt und nicht auf
die Interessen deutscher Konzerne. Notwendig ist eine
Entwicklungspolitik, die keine gemeinsame Sache mit
der Deutschen Bank macht. Stattdessen muss der Preis-
treiberei durch die Nahrungsmittelzockerei der Kampf
angesagt werden.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715608200

Vielen Dank, Kollege Niema Movassat. – Jetzt für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollege Friedrich
Ostendorff. Bitte schön, Kollege Ostendorff.

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(C (D Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

eiß nicht, Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
SU und der FDP, ob Sie angesichts der Günstlingswirt-

chaft von Minister Niebel vorhaben, Ihren Antrag auf-
chtzuerhalten, oder ob Sie nicht erst einmal die Pas-

agen zur guten Regierungsführung schwärzen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ir hätten dafür volles Verständnis.

Aber nicht nur mit dieser peinlichen und möglicher-
eise rechtswidrigen Vetternversorgungswirtschaft von
errn Niebel katapultieren Sie sich und Deutschland aus
em Konsens der internationalen Gemeinschaft heraus.
uch Ihr Grundverständnis von landwirtschaftlicher
ntwicklung ist rückständig und nicht auf der Höhe der
eit. Sie preisen in Ihrem Antrag das Prinzip der grünen
evolution. Was ist denn das Prinzip der grünen Revolu-
on? Es war der Export der energie- und kapitalinten-
iven, inputbasierten und chemiegestützten Landwirt-
chaft. Dieses Modell der Landwirtschaft besteht in
iner völligen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen,
sbesondere für die Herstellung von Mineraldünger und
grarchemie. Dieses Modell ist mitverantwortlich für
en erheblichen Beitrag der Landwirtschaft zum Klima-
andel. Dieses Modell ist mitverantwortlich für die De-
radation landwirtschaftlicher Böden und für die Ver-
rängung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den
ntwicklungsländern.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Kollege Heiderich bezog sich auf das FAO-Strategie-
apier „Save and grow“. Leider hat er es nicht vollstän-
ig gelesen. Weiter heißt es darin, Herr Heiderich:

Das derzeitige Paradigma der intensiven Pflanzen-
produktion wird den Herausforderungen des neuen
Jahrtausends nicht gerecht.

ie wahr!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dem aktuellen Papier zur Niedrigenergielandwirt-
chaft schreibt die FAO:

Die internationale Gemeinschaft ist zunehmend be-
sorgt über die große Abhängigkeit der weltweiten
Lebensmittelproduktion von fossilen Brennstoffen.

uch das begrüßen wir.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihr Mo-
ell ist überholt und wird auch nicht durch noch so viel
arme Prosa besser.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


enn es Ihnen ernst ist mit Ernährungssicherheit, ländli-
her Entwicklung, Kleinbauernförderung, aber auch
rauen in verantwortlichen Positionen in der Landwirt-





Friedrich Ostendorff


(A) )


)(B)

schaft, warum unterzeichnen Sie dann nicht einfach end-
lich den Weltagrarbericht?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Darin steht das doch alles sehr viel schlüssiger als in Ih-
rem Antrag.

Aber Sie verfolgen eben nicht das Modell der
400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an
dem Weltagrarbericht mitgearbeitet haben, sondern Sie
wollen die zweite grüne Revolution. Da steht die Agro-
gentechnik natürlich ganz vorn. Das ist so, auch wenn
Sie, Herr Heiderich, sich nicht trauen, das in Ihrem An-
trag so explizit zu benennen. Um Agrogentechnik geht
es Ihnen doch und um sonst nichts.

Ich denke, wir können die wohlfeilen Worte Ihres An-
trages getrost beiseitelegen und uns dem zuwenden, was
auch Sie erwähnten, Herr Heiderich: einem gestern er-
schienenen, weit aussagekräftigeren Dokument. Es ist
ein offenes Geheimnis, dass im BMELV nicht Frau
Aigner, sondern der Deutsche Bauernverband regiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es bedurfte aber erst der Dreistigkeit von Minister
Niebel, gemeinsam mit der Agrarlobby eine Presseerklä-
rung zu verfassen und zu zeigen, dass man in der Koali-
tion nicht einmal mehr versucht, den Anschein einer in-
dustrieunabhängigen Politik zu erwecken.

Diese Kooperation zeigt doch nur einmal mehr, wo-
hin die Reise gehen soll: Das industrielle Agrarmodell,
das uns in Deutschland Massentierhaltung und Agrar-
wüsten beschert hat, soll exportiert werden.


(Harald Leibrecht [FDP]: So ein Blödsinn!)


Bisher galt dies zum Beispiel für überschüssige Hühn-
chenteile aus deutscher Massentierhaltung. Jetzt soll es
gleich das ganze System sein, das Sie exportieren wol-
len.

Meine Damen und Herren, was wir brauchen, ist
keine technologische, sondern eine ökologische Intensi-
vierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen endlich die Wende hin zu einer sonnenba-
sierten, bäuerlichen Landwirtschaft schaffen. Wir brau-
chen die Agrarwende, und zwar weltweit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715608300

Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-

tion der FDP unser Kollege Dr. Edmund Geisen. Bitte
schön, Kollege Dr. Geisen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! as Herr Movassat in Bezug auf die Deutsche Bank und ie KfW gesagt hat, entbehrt jeder Grundlage und ist trikt zurückzuweisen. ieles von dem, was Sie, Herr Movassat und Herr stendorff gesagt haben, entbehrt jeder fachlichen rundlage. Darüber müsste man sehr lange diskutieren önnen; dafür sind drei Minuten natürlich zu wenig. Sie haben jetzt die Chance, eine Zwischenfrage des ollegen Movassat zuzulassen. Wollen Sie sie zulassen? Nein. Okay. Wir von der FDP-Fraktion sind der vollen Überzeu ung: Wer die Welternährung sichern will, muss neue ege gehen. Die Entwicklungsstrategien der vergange en Jahrzehnte haben, gelinde ausgedrückt, wenige Erlge gezeigt. Wir müssen vor allem die Investitionen in die ländlihe Infrastruktur und in die Entwicklung ländlicher äume stärken. Die FDP-Fraktion begrüßt deshalb sehr, ass Herr Minister Niebel einen neuen Weg bei der Enticklungspolitik, bei der Entwicklungsarbeit einge chlagen hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1715608400

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715608500
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1715608600
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715608700
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1715608800

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Raabe und Herr Ostendorff, im Hinblick auf das,
as Sie in diesem Zusammenhang über die Person
iebel und sein Ministerium gesagt haben, kann ich Ih-
en nur vorschlagen: Lassen Sie in allen deutschen
inisterien, auch in den Länderministerien, einmal fest-

tellen, wie viele Mitglieder Ihrer Parteien, Ihrer Farbe
ort tätig sind. Da werden Sie sich wundern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich kenne mich auch aus.

Die Agrarminister aus über 60 Staaten der Welt haben
ich hier in Berlin zur Grünen Woche getroffen. Sie alle
ehen in der Landwirtschaft das zentrale Element der Er-
ährungssicherung und der Armutsbekämpfung. Das ist
numstritten.

Meine Damen und Herren, welchen Beitrag können
ir Agrarpolitiker also leisten? Die FDP-Fraktion hat





Dr. Edmund Peter Geisen


(A) )


)(B)

hierzu letzten Sommer ein umfangreiches Positionspa-
pier vorgelegt. Wir sind, kurz gefasst, überzeugt davon,
dass der Bauer vor Ort im Fokus der Bemühungen ste-
hen muss. Seine Besitz- und Nutzungsrechte, seine Be-
triebsmittel und sein Know-how gilt es zu stärken.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dabei können wir mit unserem Wissen unterstützend
tätig werden. Insbesondere in Afrika können die beste-
henden Reserven schon durch eine produktivere Land-
wirtschaft vervierfacht werden. Beispiele wurden bereits
genannt. Das Ertragspotenzial von Äthiopien und Sim-
babwe etwa reicht aus, um den gesamten Kontinent zu
versorgen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da ist aber keine Good Governance!)


Gleichzeitig dürfen wir die Märkte natürlich nicht mit
Billigwaren überschwemmen; das ist richtig. Deshalb
freuen wir uns auch, dass sich Ministerin Aigner unserer
FDP-Forderung angeschlossen hat, die EU-Exporterstat-
tungen komplett und bedingungslos zu streichen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verehrter Herr Raabe, die EU-Zuckermarktordnung
stört die Drittlandsmärkte zurzeit überhaupt nicht. Es be-
steht vielmehr schon das Problem, dass wir in Deutsch-
land, in Polen und den anderen europäischen Ländern
mittlerweile einen großen Zuckermangel haben.

Meine Damen und Herren, es kann also nicht das Ziel
sein, ganz ohne Märkte und ganz ohne Warenbörsen aus-
kommen zu wollen. Gerade das hat in der Vergangenheit
doch die Entwicklung hin zum Besseren verhindert.

Unsere Devise lautet: Klare Rahmenbedingungen und
mehr Transparenz sowie heimische Märkte mit einem
Zugang zu den internationalen Märkten.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715608900

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP mit dem Titel „Ländliche Entwicklung und Er-
nährungssicherheit weltweit verbessern“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 17/8430, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP auf Drucksache 17/7185 anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der
Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.

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(C (D Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussmpfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtchaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/7414. er Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be chlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frakon der SPD auf Drucksache 17/3413 mit dem Titel Spekulation mit agrarischen Rohstoffen verhindern“. er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussmpfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und er FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion ei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion ündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf – – (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Wir sind noch nicht fertig! Wir haben noch zwei Abstimmungen!)


Entschuldigung. – Sehr schön, dass Sie so aufmerksam
ind, liebe Kolleginnen und Kollegen, und uns hier vor
inem großen Fehler bewahren.

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
hnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Druck-

ache 17/4533 mit dem Titel „Hunger bekämpfen – Spe-
ulation mit Nahrungsmitteln beenden“. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
er enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den

timmen der Unionsfraktion, der FDP-Fraktion und der
PD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
inke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
en angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
einer Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
7/5934 mit dem Titel „Mit Essen spielt man nicht –
pekulation mit Agrarrohstoffen eindämmen“. Wer
timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
agegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-
ng ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der
DP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und
er Fraktion Die Linke angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Schmidt (Aachen), Doris Barnett, Sören Bartol,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Kultur für alle – Für einen gleichberechtigten
Zugang von Menschen mit Behinderung zu
Kultur, Information und Kommunikation

– Drucksache 17/8485 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Ulla Schmidt für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1715609000

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Klartext reden ist etwas, was wir Politiker
sehr gern tun. Trotzdem wissen wir, dass wir es oft mit
Sachverhalten zu tun haben, die so einfach nicht zu er-
klären sind. Ich weiß noch, auf wie vielen Veranstaltun-
gen ich das Wort „morbiditätsorientierter Risikostruktur-
ausgleich“ erklären musste.


(Heiterkeit bei der SPD – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Aber jetzt klappt es!)


Denn dieser Begriff spielt im Gesundheitswesen eine
ganz wichtige Rolle.

Wenn wir heute über Barrierefreiheit im Kulturbe-
reich reden, dann müssen wir uns vergewissern, dass
man bei Barrierefreiheit nicht nur an Rollstuhlrampen,
an die Absenkung der Bordsteine oder an die Gebärden-
sprache denkt, sondern dass wir auch berücksichtigen,
dass oft allein die Sprache als solche, die ein zentraler
Bestandteil der kulturellen Teilhabe ist, Barriere sein
kann, und zwar nicht nur für Menschen, die Lern- und
Konzentrationsschwierigkeiten haben. Das ist für viele
so. Deswegen haben wir als SPD-Fraktion gesagt: Da
wir über Barrierefreiheit reden, da wir über den Zugang
zu Kultur und Sprache reden, wollen wir einmal einen
Antrag in Leichter Sprache einbringen, so wie sie Men-
schen mit Behinderungen entwickelt haben, damit sie
wirklich teilhaben können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Ich möchte mich beim Ältestenrat des Bundestages
bedanken, der es ermöglicht hat, dass wir heute diesen
Antrag in Leichter Sprache in den Bundestag einbringen
können. Ich hoffe sehr, dass dies nicht ein Einzelfall sein
wird.

In vielen Gesprächen mit Menschen mit Behinderun-
gen und ihren Verbänden im Vorfeld, während der Dis-
kussion und Entwicklung unseres Antrages haben wir
viel Zuspruch dafür erhalten, einen Antrag in Leichter
Sprache zu verfassen, aber auch zu den Inhalten, die da-
rin enthalten sind.

Wir alle wissen, dass die UN-Behindertenrechtskon-
vention ausdrücklich darauf hinweist, dass Menschen
mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen am kul-
turellen Leben teilnehmen sollen. Der Gesetzgeber soll
es ermöglichen, dass Menschen mit Behinderungen Zu-
gang zu kulturellen Gütern haben, zu Orten der kulturel-
len Darbietungen, zu Tourismusdiensten und auch zu un-
seren Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller

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(C (D edeutung. Wir wissen, dass wir dazu entsprechende eränderungen vornehmen müssen. In Leichter Sprache heißt das: Alle Menschen sollen berall mitmachen können, und alle Kulturangebote sind uch für Menschen mit Behinderungen wichtig. Aber azu braucht man barrierefreie Angebote. Auch Menchen mit Behinderungen wollen Wahlmöglichkeiten haen. Sie wollen selbst entscheiden können, wie sie ihre reizeit verbringen. Das muss die Grundlage sein für ämtliche Veränderungen. In unserem Antrag haben wir dazu konkrete Fordengen auf den Weg gebracht: Bei Ausschreibungen der bei Förderprogrammen sollten barrierefreie Zuänge verpflichtend werden. Dort, wo der Staat Förderittel zur Verfügung stellt, wollen wir Barrierefreiheit infordern. (Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


ffentliche Fernsehanstalten und Rundfunkanstalten sol-
n verpflichtet werden, Barrierefreiheit zu verwirkli-

hen. Kultur- und Medienunternehmer sollen verpflichtet
erden, mehr barrierefreie Zugänge zu schaffen. Außer-
em wollen wir dafür sorgen, dass bei den Bildungsange-
oten, auch zur Medienkompetenz, auf die Belange von
ehinderten Menschen Rücksicht genommen wird; das
eißt, auch diese Angebote müssen in Leichter Sprache
estaltet werden. Dafür müssen Menschen mit Behinde-
ngen die Unterstützung und Hilfe bekommen, die sie

rauchen. Das ist unser gemeinsames Ziel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Das sind konkrete Forderungen. In allen Gesprächen
urde deutlich: Die Zeit ist vorbei, in der wir uns nur da-
ber unterhalten, was wir eventuell tun können. Viel-
ehr ist die Zeit gekommen, im Deutschen Bundestag

erbindliche Gesetze zu beschließen. Wir als Gesetzge-
er sind die Einzigen, die den behinderten Menschen ihr
echt auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garan-
eren und durch gesetzliche Rahmenbedingungen si-
herstellen können.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


eshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir nur ein
al einen solchen Antrag einbringen, reicht das gerade

inmal für eine öffentliche Debatte. Gerade wir, die wir
Ausschuss für Kultur und Medien sitzen und die wir

eilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben
msetzen wollen, sollten uns darüber unterhalten, wie
ir als Deutscher Bundestag sicherstellen, dass auch
enschen mit Behinderungen am politischen Geschehen
ilhaben können; denn auch Menschen mit geistiger Be-
inderung haben ein Wahlrecht, und sie sind an politi-
chen Diskussionen interessiert.

Wir müssen uns überlegen, ob wir uns als Deutscher
undestag selbst verpflichten, die wichtigsten Debatten





Ulla Schmidt (Aachen)



(A) )


)(B)

und die wichtigsten Entscheidungen – vor allem die, die
behinderte Menschen betreffen – in unseren Publikatio-
nen auch immer in Leichte Sprache zu übersetzen. Das
müssen nicht alle Publikationen sein; aber wir sollten da-
mit beginnen. Darüber habe ich mit einigen Kolleginnen
und Kollegen geredet, die das ebenso sehen. Ich würde
mich freuen, wenn wir uns nach dieser Debatte, auch im
Rahmen der Beratungen in den Ausschüssen, auf Fol-
gendes einigen könnten: Die Berichterstatter im Kultur-
ausschuss setzen sich einmal zusammen und versuchen,
über alle Fraktionen hinweg einen Weg zu einer Selbst-
verpflichtung des Deutschen Bundestages zu finden,
seine Publikationen so auf den Weg zu bringen, dass alle
Menschen verstehen können, worüber wir eigentlich dis-
kutieren.

Das betrifft nicht nur geistig behinderte Menschen
oder Menschen mit Lernschwächen; das gilt auch für äl-
tere Bürgerinnen und Bürger oder Menschen, die aus an-
deren Ländern zu uns kommen und die vielleicht gerade
erst die deutsche Sprache lernen. Das wäre dann ein Ge-
winn für alle.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609100

Das Wort hat der Kollege Marco Wanderwitz für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1715609200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mehr als jeder zehnte Bürger in unserem Land muss sei-
nen Alltag mit einer Behinderung oder mehreren Behin-
derungen bewältigen. Jeder einzelne von den beispiels-
weise über 1 Million Blinden und Sehbehinderten hat
selbstverständlich das Recht auf gleichberechtigte inklu-
sive Teilnahme an allen Bereichen unserer Gesellschaft.

Die UN-Konvention über die Rechte der Menschen
mit Behinderungen ist schon von Ihnen, Frau Kollegin
Schmidt, angesprochen worden. Daran müssen sich alle
Entscheidungen, die wir hier im Haus, aber auch auf den
nachgeordneten politischen Ebenen in unserem Land
treffen, messen lassen. Die Bundesregierung hat dazu im
Juni 2011 ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den
Weg gebracht: Der Nationale Aktionsplan zur Umset-
zung der UN-Behindertenrechtskonvention beinhaltet
über 200 Vorhaben, Projekte und Aktionen. Es handelt
sich um ein Maßnahmenpaket, das vor allen Dingen da-
rauf abzielt, bestehende Lücken zwischen dem Gesetz
auf der einen Seite und der praktischen Umsetzung auf
der anderen Seite zu schließen und aufzuzeigen, wo es
im gesetzgeberischen Bereich Defizite gibt. Ich denke,
wir sind uns alle einig, dass wir diese Lücken lieber
heute als morgen schließen würden. Gleichwohl zeigen
schon allein die von mir erwähnten über 200 einzelnen
Maßnahmen, dass wir noch ein ganzes Stück Weg vor
uns haben.

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(C (D (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Die meisten sind schon abgeschlossen! Nichts Neues!)


Wir dürfen natürlich auch nicht die Augen davor ver-
chließen, dass wir es bei einer ganzen Zahl dieser Maß-
ahmen mit nicht unerheblichen Kosten zu tun haben.


(Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Hören Sie zu. Dann können wir hinterher weiterreden. –
ur um ein Beispiel vorab aufzugreifen: Es ist für jeden
aien erkennbar, dass die Schaffung von Barrierefreiheit
Gebäuden mit Ausgaben verbunden ist.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist nicht wirklich viel!)


Ich will mit Ihnen keinen Dialog führen. Führen Sie
ren Monolog weiter; ich beabsichtige, meine Rede zu

alten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir müssen natürlich schrittweise vorgehen, ganz
infach deshalb, weil wir uns in haushalterisch nicht ein-
chen Zeiten befinden; das ist uns allen bewusst. Wir

aben in der letzten Legislaturperiode die grundgesetzli-
he Schuldenbremse auf den Weg gebracht, die uns ver-
flichtet, ausgeglichene Haushalte in erfreulicherweise
icht mehr allzu ferner Zeit vorzulegen. Wir gehen die-
en Weg Jahr für Jahr.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine gefährliche Argumentation!)


as heißt, dass wir schon abschichten müssen: Was kann
an dieses Jahr tun, und was können wir vielleicht erst

ächstes Jahr tun? Denn es gibt natürlich viele wichtige
inge in unserem Land. Die Abwägung, was wir in dem

inen Jahr leisten können und was in dem anderen, was
ir in dem einen Bereich leisten können und was in dem

nderen, ist unser täglich Brot; wir müssen sie vorneh-
en, so schwer das manchmal auch ist.

Vielleicht sollten wir uns aber auch den Dingen wid-
en, die nicht in Ihrem Antrag stehen, nämlich den Din-

en, die in diesem Bereich schon in den letzten Monaten
nd Jahren erfolgreich auf den Weg gebracht worden
ind. Es ist immer die Frage, wie man das Pferd auf-
äumt. Ich will nur einige Beispiele aus dem Bereich der
ultur nennen: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
ie Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sowie die
kademie der Künste haben ihre Gebäude mittlerweile
eitestgehend barrierefrei eingerichtet: zusätzliche Fahr-

tühle, Sonderparkplätze und dergleichen mehr, im Rah-
en dessen, was unter dem Gesichtspunkt des Denkmal-

chutzes irgend möglich ist.

Wir haben bei diesen Institutionen, bei denen der
und einen gewissen Einfluss hat – mehr oder weniger,
nachdem, wie groß der finanzielle Anteil des Bundes
t –, dafür geworben, dass das Thema Teilhabe auch im
ereich der Stellenausschreibungen und -besetzungen
ine große Rolle spielt. Ein Beispiel: Mehr als 10 Pro-
ent der Mitarbeiter der Akademie der Künste sind





Marco Wanderwitz


(A) )


)
Schwerbehinderte. Es existieren verschiedene Ermäßi-
gungs- und Freikartenregelungen, selbstverständlich
auch für Begleitpersonen. Es gibt Sonderführungen bei-
spielsweise für Sehgeschädigte und Gehörlose. Es gibt
Hilfsmittel wie Tastpläne sowie Führungen in Gebärden-
sprache. Der Internetauftritt der angesprochenen Ein-
richtung ist weitgehend barrierefrei.

Ich will das Deutsche Historische Museum in Berlin
ansprechen. Es wurde jüngst für den uneingeschränkten
Zugang mit dem Signet „Berlin barrierefrei“ ausgezeich-
net. Das Haus der Geschichte ist inzwischen ebenfalls
weitgehend barrierefrei; es evaluiert die Barrierefreiheit
durch kontinuierliche Besucherbefragungen. Das Jüdi-
sche Museum ermöglicht den barrierefreien Zutritt.
Beim jüngst fertiggestellten Erweiterungsbau der Deut-
schen Nationalbibliothek in Leipzig wurde besonders
auf die Barrierefreiheit geachtet.

Diese Liste könnte man fortsetzen. Wenn wir über
solch einen Antrag diskutieren, in dem Kritik geäußert
wird und aufgezeigt wird, was noch nicht passiert ist,
sollten wir uns zumindest auch den Punkten widmen, die
wir schon umgesetzt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben in Ihrem Antrag das Thema Filmförderung
angesprochen; da schaue ich ein bisschen in Richtung
der Kollegin Krüger-Leißner, die nachher noch spricht.
Wir haben jetzt die Novelle des Filmförderungsgesetzes
vor uns. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir auf das,
was Sie dazu im Antrag geschrieben haben, achten müs-
sen. Wir haben derzeit Förderkriterien definiert, die es
möglich machen, dass im Bereich Barrierefreiheit viel
passieren kann. Bisher ist da leider noch nicht genügend
passiert.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Gar nichts!)


– „Gar nichts“ würde ich auch nicht sagen. Es gibt natür-
lich Filme, die den Förderkriterien entsprechen und die
Filmförderung in Anspruch nehmen, aber es dürften
gerne mehr sein. Wir werden das gemeinsam im Rahmen
der Novelle zum Filmförderungsgesetz beraten.

Ich komme zu meinem letzten Punkt, nämlich der an-
gesprochenen Barrierefreien Informationstechnik-Ver-
ordnung des Bundes. Der Aktionsplan war vom Juni, die
Verordnung ist vom September, jetzt haben wir Januar.
Da ist es doch naheliegend, dass sie noch nicht komplett
umgesetzt ist, dass noch nicht alle Homepages und Inter-
netseiten des Bundes und der entsprechenden Einrich-
tungen umfasst sein können.

Meine Bitte auch hier – weil es in dieselbe Richtung
geht wie bei Gebäuden –: Lassen Sie uns gemeinsam
konstatieren, dass wir eine Menge erreicht haben. Lassen
Sie uns gemeinsam festlegen, wie wir mit den restlichen
Aufgaben weiterkommen. Lassen sie uns konkrete Pro-
jekte durchführen, wie zum Beispiel wir, Frau Kollegin
Frau Krüger-Leißner, im Bereich Film. Ich hoffe zumin-
dest, dass wir künftig nicht viertel- oder halbjährlich ei-
nen Antrag vorgelegt bekommen, sondern dass wir einen
einmal vorgelegten Antrag in konkreten Einzelberatun-
gen gemeinsam bearbeiten.

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(C (D Ich habe festgestellt, dass sich der vorliegende Antrag it dem großen Antrag zur Barrierefreiheit in vielen unkten deckt, allerdings wurde vieles auf den Kulturbeich heruntergebrochen – was sicherlich legitim ist –, ber das werden wir in den Einzelberatungen klären üssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das haben wir schon gemacht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609300

Gestatten Sie mir den Hinweis: Auch das Zusammen-

lten des Redemanuskripts ersetzt nicht das pünktliche
nde einer Rede.

Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert für die Frak-
on Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-
gen von der SPD, Sie haben einen Antrag in Leichter
prache vorgelegt. À la bonne heure, meinen Respekt
afür, herzlichen Glückwunsch – das müssen wir alle
rst einmal nachmachen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eine Frage: Das ist toll. Auch inhaltlich – das will ich
leich signalisieren – werden wir in vielen Punkten mit-
ehen. Es ist eine gute Sache, die Sie da vorgelegt ha-
en: richtiger Weg, richtiges Ziel.

Damit ein solcher Antrag aber nicht zur Folklore wird
wie es einem manchmal vorkommt, wenn hier einmal
der Wahlperiode der Tagesordnungspunkt zum Thema

Sprache und Kultur nationaler Minderheiten“ aufgeru-
n wird –, ist viel mehr zu tun. Da müssen wir bei uns

elbst anfangen, in meiner eigenen Fraktion, aber auch in
llen anderen.

Das geht damit los, dass die Plenartagungen und die
ffentlichen Ausschusssitzungen des Bundestages im-
er noch nicht synchron in Gebärdensprache übertragen
erden. Warum steht hier kein Gebärdensprachdolmet-

cher? Warum gibt es keine Schriftdolmetschung, die au-
matisch mitläuft? Das wäre technisch kein Problem,

as wäre alles machbar, das gehört zur Kultur des Parla-
ents heutzutage eigentlich dazu.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Barrierefreie Angebote im Internet und die Publika-
onen des Bundestages und aller Fraktionen – ein-
chließlich meiner Fraktion – sind immer noch nicht so,
ie sie sein sollen. Wir könnten schon viel weiter sein,

uch wenn die entsprechende Verordnung noch nicht so
lt ist.

Aber in vielen dieser Punkte sieht die Bundesregie-
ng keinen Handlungsbedarf. Staatssekretär Fuchtel,

(B)






Dr. Ilja Seifert


(A) )


)(B)

der die Bundesregierung hier einsam vertritt, hat erst in
dieser Woche in der Fragestunde auf meine Frage geant-
wortet: kein Handlungsbedarf.

Es müssen auch Gesetze geändert werden – ich will
gar nicht die erwähnen, die im SPD-Antrag enthalten
sind –, zum Beispiel das Behindertengleichstellungsge-
setz des Bundes. Es verpflichtet öffentliche Einrichtun-
gen und Behörden zu barrierefreier Kommunikation mit
Gehörlosen, mit Hörgeschädigten, mit Blinden, mit Seh-
geschädigten, aber nicht mit Menschen mit sogenannter
geistiger Behinderung oder mit Lernschwierigkeiten. Es
gibt also gar keinen gesetzlichen Anspruch auf Leichte
Sprache. Wieso behauptet die Regierung, dass es keinen
Handlungsbedarf gibt?

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der Sie
betrifft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
Wir teilen nicht Ihre Feststellung, dass Sie begrüßen,
dass der Fünfzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag
von den Ländern ratifiziert worden ist. Für die Mehrheit
der Menschen mit Behinderung führt das zu einer Ge-
bührenerhöhung.


(Zuruf von der SPD)


– Ja, das ist einfach so. Das begrüßen wir nicht. In dem
Punkt sind wir ganz eindeutig unterschiedlicher Ansicht.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist auch ein echtes Problem – Sie haben es ange-
sprochen, Frau Schmidt –, wie wir es schaffen können,
dass wir in den Rundfunkräten mehr Kompetenz in die-
ser Frage haben. Gerade gestern hat die SPD in Berlin
die Chance verpasst, in den RBB-Rundfunkrat einen
Menschen mit Behinderung hineinzuwählen. Sie haben
dort doch schon zwei Vertreter. Gestern haben Sie für
Herrn Müller, der ausschied, weil er Senator wurde, wie-
der einen SPD-Abgeordneten hineingewählt. Warum
nicht einen Menschen mit Behinderung? Das wäre eine
Chance gewesen, die leider verpasst wurde.


(Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Wir haben in Berlin auch andere Chancen verpasst;
das will ich überhaupt nicht bestreiten. Das Schloss
Friedrichsfelde im Tierpark ist mit Fördergeldern in
Höhe von 3,5 Millionen Euro saniert worden. Hier gibt
es aber eine Barriere nach der anderen; es ist nicht im
Geringsten barrierefrei. Das ist auch eine Kritik, die an
meine eigene Partei geht; das will ich gar nicht bestrei-
ten. Wir haben also Chancen verpasst; wir hätten längst
etwas ändern können.

Ich will aber noch einmal festhalten: Der Antrag wird
von uns mit großer Sympathie diskutiert werden, vor al-
len Dingen, weil wir sehen, dass Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, auch lernfähig sind.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Sie kritisieren zu Recht den Nationalen Aktionsplan, der
jetzt von der Regierung vorgelegt wurde. Ich erinnere
aber: Als die UN-Behindertenrechtskonvention hier rati-
fiziert wurde, haben Sie gemeinsam mit der CDU/CSU

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(C (D ine sogenannte Denkschrift danebengelegt. In dieser tand nichts anderes als: Es gibt nichts zu denken, wir aben alles schon erledigt. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Quatsch! Das ist ja nun wirklich Pessismus pur! – Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Sehr vereinfacht!)


Nein, das ist kein Pessimismus, Frau Michalk, das ist
ptimismus, dass wir vorankommen und dass auch Sie

ines Tages lernfähig werden. – Inzwischen haben die
olleginnen und Kollegen von der SPD ja dazugelernt.
erzlichen Glückwunsch!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609500

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Reiner

eutschmann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Reiner Deutschmann (FDP):
Rede ID: ID1715609600

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

olleginnen und Kollegen! Für die FDP ist Politik für
enschen mit Behinderung durchaus Bürgerrechtspoli-

k. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachtei-
gt werden. So steht es auch in Art. 3 unseres Grundge-
etzes. Dieser Grundsatz, meine sehr verehrten Damen
nd Herren, ist uns Liberalen Richtschnur und Verpflich-
ng zugleich, sich für die Rechte und Bedürfnisse be-

inderter Menschen in diesem Land einzusetzen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


ür die von uns gewünschte tolerante, solidarische und
eltoffene Gesellschaft brauchen wir die gleichberech-
gte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftli-
hen Leben.

Bevor ich mich aber inhaltlich mit dem Antrag ausei-
andersetze, muss ich zunächst einen großen Dank an
ie Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion
chten: Mit Ihrer Idee, diesen Antrag auch in Leichte
prache zu übersetzen, sind Sie neue Wege gegangen.
as alles sollte uns Inspiration sein. Ich beglückwünsche
ie zu dieser Idee.


(Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die UN-Behinder-
nrechtskonvention ist – das wurde ja bereits erwähnt –

eit 2009 auch für Deutschland völkerrechtlich verbind-
ch. Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung
ient dazu, diese Konvention in Deutschland umzuset-
en. Unsere Fraktion begrüßt ganz ausdrücklich die
läne des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales,
sbesondere die aufgezeigten Möglichkeiten zur Teil-

abe am Arbeitsmarkt, zur Verbesserung der Barriere-
eiheit und zur Steigerung der Mobilität.





Reiner Deutschmann


(A) )


)(B)

Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich beto-
nen, dass der Aktionsplan ein erster wichtiger Baustein
ist, weitere Verbesserungen für Menschen mit Behinde-
rung zu erreichen. Er ist gewiss noch nicht das Ende der
Fahnenstange.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das ist richtig!)


Im Übrigen sollten wir dadurch nicht die Bemühungen
der Menschen schmälern, die sich seit Jahrzehnten für
Belange von Behinderten einsetzen und große Erfolge
errungen haben. Nicht umsonst ist Deutschland in seiner
Behindertenpolitik vielen anderen Ländern bereits weit
voraus. Dies sollten wir neben aller Kritik einmal positiv
zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch nicht so,
als ob die Koalitionsfraktionen die Hände in den Schoß
gelegt hätten und nichts unternähmen. Ich erinnere gerne
an unseren am 1. Dezember letzten Jahres eingebrachten
Antrag mit dem Titel „Barrierefreies Filmangebot um-
fassend ausweiten – Mehr Angebote für Hör- und Seh-
behinderte“.


(Zuruf von der FDP: Genau!)


In diesem Antrag haben wir bereits einige der Punkte
aufgegriffen, die auch Sie hinsichtlich der Barrierefrei-
heit von Film- und Fernsehangeboten fordern. Das be-
trifft unter anderem einen verstärkten Einsatz von Unter-
titelung, mehr Filme mit Audiodeskription sowie
Angebote mit Gebärdensprachanteil.

Deswegen verweisen wir auch auf die im Rundfunk-
staatsvertrag enthaltene Regelung, mehr barrierefreie
Angebote zu entwickeln, und fordern unsere öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten auf, diese Angebote auch
weiter auszubauen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zu diesem Zweck eingerichtete Runde Tisch von
BMAS und BKM wird von uns ausdrücklich begrüßt.
Was den Film angeht, so werden die Belange der Barriere-
freiheit mit Sicherheit auch bei der nächsten Novelle
zum Filmförderungsgesetz eine Rolle spielen.

Wir teilen die in Ihrem Antrag formulierte Forderung,
die Ausbildung in Kultur- und Medieneinrichtungen des
Bundes für Menschen mit Behinderung noch stärker zu
öffnen. Allerdings lehnen wir die Forderung ab, die Aus-
schreibungen des Bundes für Produkte, Dienstleistungen
und Gebäude immer an die Berücksichtigung der Barrie-
refreiheit zu knüpfen.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Schade!)


Das Vergaberecht ist nicht geeignet, die Erfüllung be-
stimmter Quoten zu erzwingen. Aspekte wie Qualität,
Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit würden dadurch an
Stellenwert verlieren.

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(C (D (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quoten können auch eine Qualität sein!)


udem wären die Existenzen kleiner und mittelständi-
cher Unternehmen gefährdet, die aufgrund ihrer dünnen
ersonaldecke oder aus finanziellen und arbeitstechni-
chen Gründen die Anforderungen der Barrierefreiheit
icht erfüllen können.

Mit der Verabschiedung der Verordnung zur Schaf-
ng barrierefreier Informationstechnik, BITV 2.0, die
r die Behörden der Bundesverwaltung gilt, sind wir

ereits auf einem guten Weg, für den Abbau von Hinder-
issen im Netz zu sorgen. Dieses Thema hat für die Bun-
esregierung einen hohen Stellenwert. Deswegen ar-
eitet sie mit hoher Priorität an der Umsetzung der
erordnung, sodass es hier keiner besonderen Aufforde-
ng durch Ihren Antrag bedarf. Welch großer zeitlicher
ufwand damit verbunden sein kann, zeigt Ihre Initia-
ve aber durchaus. Wir wissen ja: Die Übersetzung Ihres
ntrags in Leichte Sprache hat anderthalb Wochen ge-
auert. Solch einen Aufwand sollten wir uns allerdings
isten.

Thomas Hänsgen, Stiftungsratsvorsitzender und Ge-
chäftsführer „barrierefrei kommunizieren“, sagte im
achgespräch des Unterausschusses Neue Medien am
9. September letzten Jahres im Zusammenhang mit der
ITV 2.0:

Barrierefreiheit ist eine Vision. Bisher haben wir es
im besten Falle mit barrierearmen Angeboten zu
tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Auffas-
ung, dass Barrierefreiheit nur zu einem gewissen Grad
urch den Gesetzgeber gewährleistet werden kann. Was
ir zur wahren Vollendung der Teilhabe von Menschen
it Behinderung brauchen, ist ein Umdenken in unserer

esamten Gesellschaft. Wir brauchen die Aufmerksam-
eit aller Menschen sowie privater und öffentlicher Ein-
chtungen in diesem Land. Man muss sich mehr für die
elange und Erfordernisse von Menschen mit Behinde-
ng interessieren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ur wer hinsieht, erkennt, wo es in Museen an Rollstuhl-
mpen, in U-Bahnhöfen an Fahrstühlen oder an in Blin-

enschrift verfassten Schrifttafeln für sehbehinderte
enschen fehlt.

Mein Rotary Club in Kamenz hat seit Jahren eine
artnerschaft mit der Werkstatt für behinderte Menschen
St. Michael“ im Kloster St. Marienstern. Schon auf-
rund dieser persönlichen Erfahrungen ist Barrierefrei-
eit für mich kein technokratischer Begriff, sondern ge-
bte Menschlichkeit. Daran müssen wir alle gemeinsam

rbeiten. Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609700

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun

die Kollegin Tabea Rößner.


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715609800

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

Der uneingeschränkte Genuss unserer Kulturschätze
muss Menschen mit Behinderungen, egal welcher Art,
genauso möglich sein wie allen anderen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Beim Film zum Beispiel scheitert dies am Angebot.
Mit Audiodeskriptionen versehene Fassungen von Fil-
men wie „Die Päpstin“ oder „Lippels Traum“ sind leider
Ausnahmen. Sie zeigen gleichzeitig, was möglich wäre,
wenn man barrierefreie Filmfassungen stärker fördern
würde. Hier hängt Deutschland hinter anderen Ländern
weit zurück, was besonders unverständlich ist, wenn
man bedenkt, wie wenig zum Beispiel Untertitelungen
im Verhältnis zum Gesamtbudget eines Films kosten. Ich
frage mich, was die Veränderungen im Zuge der letzten
Novelle zum Filmförderungsgesetz tatsächlich gebracht
haben, wenn Sie, Herr Wanderwitz, selber feststellen,
dass nichts passiert ist.

Vor diesem Hintergrund fordern wir ein Sofortpro-
gramm „Barrierefreier Film“. So könnten wir sicherstel-
len, dass bei Filmen, die mit Bundesmitteln gefördert
werden, ein barrierefreies Angebot bald zu einer Selbst-
verständlichkeit wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


Die Digitalisierung schafft gerade für Menschen mit Be-
einträchtigungen zahlreiche neue Teilhabechancen.
Wenn digitale Angebote jedoch nicht barrierefrei sind,
grenzen wir genau diese Menschen aus.

Die Deutsche Digitale Bibliothek wird zukünftig ei-
nen nie zuvor dagewesenen Zugang zu Kultur- und Wis-
sensgütern bieten. Auch dieses Angebot muss allen
Menschen offenstehen. Wir fordern daher in einem An-
trag zur Deutschen Digitalen Bibliothek, schriftliche
Werke bereits bei der Digitalisierung mit einer Audio-
funktion zu kombinieren, um Blinden die Teilhabe zu er-
möglichen. Für hörbeeinträchtigte und gehörlose Men-
schen müssen audiovisuelle Werke generell mit
Untertiteln versehen werden, falls möglich auch mit Ge-
bärdensprache.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU], Ulla Schmidt [Aachen] [SPD] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Ich frage Sie von der Koalition: Warum berücksichtigen
Sie diese wichtigen Partizipationsmöglichkeiten für
Menschen mit Behinderungen in Ihrem Antrag zur Deut-
schen Digitalen Bibliothek nicht?

Alle digitalen Angebote sollten zukünftig so gestaltet
werden, dass sie sich intuitiv über verschiedene Wege er-

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(C (D chließen lassen. Die Zugänglichkeit muss für möglichst iele Menschen gewährleistet sein, ohne spezielle oder eparierende Lösungen. „Universal Design“ ist hier das tichwort. Der Bund muss dort, wo er zum Beispiel oftoder Hardware zur Bereitstellung von Internetpräenzen beschafft, bei Ausschreibungen darauf achten, ass Schnittstellen, Software und Angebote den Vorgaen des Universal Designs entsprechen. Außerdem müsen Menschen mit Behinderungen im IT-Planungsrat beiligt sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die BITV 2.0, die die Barrierefreiheit von Behörden-
eiten regeln soll, kam drei Jahre zu spät, und sie wird

mer noch nicht umgesetzt. Wenn sie irgendwann end-
ch einmal Standard sein sollte, ist sie womöglich schon
ieder veraltet. Unsere Nachbarländer, zum Beispiel Ita-
en und Österreich, machen das ganz anders. Sie neh-
en die international abgestimmten Richtlinien für bar-
erefreie Inhalte direkt in ihre Gesetze auf.

Als Medienpolitikerin fordere ich auch die öffentlich-
chtlichen Rundfunkanstalten auf, möglichst durchge-

end barrierefreie Angebote bereitzustellen. Immerhin
lant die ARD ab 2013 eine konsequente Untertitelung.
ie Öffentlich-Rechtlichen müssen hier mit gutem Bei-

piel vorangehen, insbesondere wenn Menschen mit Be-
inderungen zukünftig Rundfunkbeiträge zahlen müs-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ber auch private Medienunternehmen müssen ihr An-
ebot gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention und
em Behindertengleichstellungsgesetz barrierefrei ge-
talten. Damit hat die SPD in ihrem Antrag ganz recht.
as nehmen diese Medienunternehmen nicht ernst ge-
ug.

Wir alle – das wurde schon erwähnt – müssen uns
ber an die eigene Nase fassen; da nehme ich unsere
raktion nicht aus. In meiner Zeit hier im Bundestag
abe ich jedenfalls noch keinen Antrag gesehen, der in
eichte Sprache übersetzt wurde. Ich finde es daher vor-
ildlich, dass die SPD diesen Antrag so vorgelegt hat.
h weiß, dass es das in Rheinland-Pfalz auch schon gab.
leichzeitig finde ich es aber auch sehr schade, dass ich
as herausstellen muss; denn aus meiner Sicht sollte das
ine Selbstverständlichkeit sein.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


ir alle sollten über Barrierefreiheit eben nicht nur re-
en.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715609900

Das Wort hat die Kollegin Maria Michalk für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1715610000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Antrag „Kultur für alle“ in Bildsprache, in Leichter
Sprache ist tatsächlich eine Premiere hier im Deutschen
Bundestag. Vor einigen Jahren hat unser Kollege
Börnsen durchgesetzt, dass wir eine Debatte über alle
Minderheitensprachen Deutschlands im Deutschen Bun-
destag führen. Jetzt ist von der SPD-Fraktion dieser Im-
puls gekommen. Das zeigt, dass der Kulturausschuss
sehr munter ist und die Vielfalt unseres Kulturguts Spra-
che herausarbeitet. Ich finde, auch das gehört dazu.
Leichte Sprache gehört zu unserem Kulturgut. Insofern
ein Lob am Anfang.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


Eine Gruppe hervorzuheben und ihren Bedürfnissen
entgegenzukommen, ist immer wieder notwendig und
legitim. Ich begrüße es, dass die SPD mit diesem Antrag
Menschen mit einer geistigen Behinderung entgegen-
kommt. Wir alle wissen aber, dass zum Beispiel Men-
schen mit einer Sehbehinderung andere Vorkehrungen
brauchen. Wer sich bei der Herstellung von Barrierefrei-
heit an den Bedürfnissen einer Gruppe orientiert,
schließt eventuell eine andere aus. Das müssen wir be-
rücksichtigen. Immer wieder ist das richtige Maß zu fin-
den. Ein ausgewogenes und einbeziehendes Agieren ist
die Kunst des täglichen Lebens. Dieser Aufgabe muss
sich jeder stellen, innerhalb und außerhalb des Bundesta-
ges. Letztlich muss der Inklusionsprozess genau so ge-
staltet werden.

Friedrich Hebbel, ein deutscher Dramatiker des
19. Jahrhunderts, hat den Satz geprägt:

Die Freude verallgemeinert, der Schmerz individu-
alisiert den Menschen.

Er mahnt uns damit, niemanden auszugrenzen, nicht ig-
norant zu sein und damit Schmerz zuzufügen, nicht die
Defizite eines Menschen zu betrachten, sondern viel-
mehr seine Kompetenzen und Fähigkeiten. Das ist das
Motto der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei all diesen
Fragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir unterstützen den Nationalen Aktionsplan der
Bundesregierung, der den Leitgedanken hat: Menschen
mit Behinderung und ihre Belange werden von Anfang
an mit einbezogen. Deshalb würden wir den Titel Ihres
Antrages gerne ergänzen: Kultur für alle mit allen. Wir
legen großen Wert auf diese Ergänzung.


(Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


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(C (D Das schließt neben dem Zugang zu kulturellem Mateal in entsprechenden Formaten – davon war jetzt schon ie Rede – den Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmnd Theaterveranstaltungen, Museen, Kinos, Bibliotheen, Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller edeutung ein. Aber das schließt auch ein, dass sie elbst die Möglichkeit haben, ihr kreatives, künstleriches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu utzen – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die esellschaft. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Guter Gedanke!)


Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung ist
in Maßnahmenpaket, kein Gesetzespaket. Dass die Um-
etzung dieses Maßnahmenpaketes ernst genommen
ird, auch durch den BKM, unseren Staatsminister für
ultur und Medien, zeigt sich daran, dass alle dauerhaft
eförderten Einrichtungen des Bundes sofort nach Ver-
bschiedung des Nationalen Aktionsplanes schriftlich
it der ständigen Aufgabe betraut wurden, Art. 30 der
N-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Sie wur-
en angemahnt, diese Herausforderung anzunehmen.

Staatliches Handeln ist das eine, das Engagement vor
rt und in den Einrichtungen ist das andere. Gerade am
eutigen Tag will ich noch einmal das schöne Beispiel
er Gedenkstätte Hadamar erwähnen. Seitdem die Aus-
tellungstexte in ganz verständlicher Form angebracht
urden – sie wurden sehr einfach formuliert –, es eine
essere Ausschilderung und für Menschen mit einer
ehbehinderung auch einen Aufzug gibt, der vor allen
ingen auch funktioniert, sind mehr als 2 000 Menschen
it einer geistigen Behinderung in der Gedenkstätte ge-
esen und haben sich selbst über die NS-Euthanasiever-
rechen informiert und damit auseinandergesetzt. Ich
nde, solche Beispiele müssen wir in der Öffentlichkeit
tärker wahrnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])


Das gemeinsame Erleben von Kunst und Kultur durch
enschen mit und ohne Behinderung ist, so glaube ich,

nsere gemeinsame Aufgabe. Hier haben wir keinen
treit. Wir sagen allerdings: Das geht nicht per Anord-
ung, sondern muss im Dialog und im ständigen Bemü-
en ein Bedürfnis und eine Selbstverständlichkeit wer-
en.

Liebe Frau Schmidt, das, was Sie in Ihrem Antrag als
weite Forderung formulieren, dass nämlich private Kul-
r- und Medienunternehmer durch verhältnismäßige Re-

elungen verpflichtet werden sollen, in größerem Um-
ng als bisher barrierefreie Zugänge zu ihren Angeboten

u ermöglichen, funktioniert nicht.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Warum nicht?)


Wir als Union sagen ganz einfach: Wer nicht erkennt,
ass uns die Demografie lehrt, auf wirkliche Barriere-
eiheit zu achten, der schließt Kunden aus und beraubt

ich selbst seines Erfolges. Auf diese Kräfte setzen wir
or allen Dingen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Maria Michalk


(A) )


)(B)

Wir setzen auf die Kraft der Erkenntnis und nicht auf
Zwang.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das könnte zu langsam sein!)


Deshalb will ich Ihnen auch noch einmal sagen, dass
ich es schön finde, dass wir hier gemahnt werden, uns
gelegentlich auch einmal mit dem Behördendeutsch aus-
einanderzusetzen. Nicht nur wir stolpern nämlich da-
rüber. Hier gibt es durchaus die Mahnung, uns in unse-
rem täglichen Politikerleben zu bemühen – das gehört
für mich auch zum Kulturgut –, eine einfache Sprache
und keine ellenlangen Sätze zu sprechen und unsere Bot-
schaften in einfachen, klaren Sätzen herüberzubringen.

Deswegen sage ich: Inklusion bedeutet, selbst auf an-
dere zuzugehen und eigene Grenzen zu verschieben. In-
klusion bezieht sich immer auf die Gemeinschaft. Inklu-
sion heißt, Veränderungsprozesse können besonders
kreativ sein, wenn sie so gestaltet werden, dass jeder ei-
nen Vorteil davon hat. Deshalb lautet mein letzter Satz:
Inklusion ist genau genommen eine Haltung. Üben wir
uns also in dieser Haltung!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715610100

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Angelika

Krüger-Leißner das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1715610200

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Präsidentin!

Eigentlich ist es sehr schade, dass bei der Premiere die-
ses bisher einmaligen Antrages nur so wenige Kollegen
hier sind. Aber eine Premiere ist ja der Auftakt für künf-
tiges Handeln, sodass ich hier Hoffnung habe.

Wir wollen Kultur für alle! Das zeigen wir durch
Form und Inhalt. Im Nationalen Aktionsplan der Bun-
desregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechts-
konvention können wir ein ähnlich formuliertes Ziel er-
kennen. Da heißt es:

Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der alle
Menschen mitmachen können.

So die Ministerin. Ich denke, das können wir alle unter-
schreiben.

Wenn wir aber im Aktionsplan weiterblättern, zum
Beispiel auf die Seite 107, finden wir eine Aussage, die
deutlich zeigt, dass die Bundesregierung die Handlungs-
notwendigkeiten verkennt. Das ist übrigens für diesen
Aktionsplan symptomatisch. Da heißt es nämlich, das
Filmförderungsgesetz sei beispielhaft dafür, wie Barrie-
refreiheit in allen Lebensbereichen durchgesetzt werden
kann. Ich bin richtig froh, dass Herr Wanderwitz in sei-
nen Aussagen ein bisschen realistischer war. Ich sage Ih-
nen: Genau das Gegenteil ist beim Filmförderungsgesetz
der Fall.

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(C (D So gut und wichtig das Filmförderungsgesetz für das ilmschaffen in Deutschland und den deutschen Film ist, o wirkungslos ist das FFG beim Durchsetzen von Barerefreiheit. Die Zahlen sprechen für sich. Mir ist keine ilmproduktion bekannt, die aufgrund der Förderung urch die Filmförderungsanstalt mit einer Audiodeskripon oder Untertitelung versehen wurde. Auch meine achfrage beim Vorstand der FFA hat keine andere Erenntnis ergeben. Auch die Effekte der Kinoförderung urch das FFG sind mehr als dürftig: Nur 6 Prozent aller inosäle in Deutschland sind für unsere schwerhörigen itmenschen ausgestattet. Das ist eindeutig zu wenig. (Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


ir wissen doch: Millionen Menschen sind auf diese be-
onderen technischen Einrichtungen angewiesen, um am
emeinschaftserlebnis Kino teilhaben zu können.

Dieser Misserfolg lässt sich auch nicht schönreden;
enn er steht ganz deutlich im Widerspruch zu Art. 30
er UN-Behindertenrechtskonvention. Darin wird die
olle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behin-
erungen am kulturellen Leben gefordert, und zwar ohne
inschränkung.


(Beifall bei der SPD – Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


Noch einmal zu den Fakten. Das FFG in seiner der-
eitigen Fassung vermag es nicht, wirksame Anreize zu
etzen, damit mehr seh- oder hörbehinderte Menschen
m Filmerlebnis teilhaben können. Als wir das FFG vor
rei Jahren so beschlossen haben, haben wir uns von
em Gedanken leiten lassen, dass auch die Filmbranche
re gesellschaftliche Verantwortung gegenüber unseren

ehinderten Menschen wahrnimmt. Das war leider eine
äuschung.

In der Produktionsförderung ist vorgesehen, dass we-
igstens eine Endfassung eines geförderten Films in einer
ersion mit deutscher Audiodeskription für Sehbehin-
erte und mit deutschen Untertiteln für Hörgeschädigte
ergestellt wird. Allerdings ist das nur eine von acht Be-
ingungen, von denen drei erfüllt werden müssen, damit
ördergelder fließen. Genau das ist der Haken. In der Pra-
is haben nämlich die Produzenten, sicherlich aus Kos-
ngründen, andere Voraussetzungen gewählt. Hier und

n anderen Stellen im FFG müssen wir einfach nachbes-
ern. Die Förderbedingungen sind offensichtlich zu weich
rmuliert.


(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD] und Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Die SPD-Bundestagsfraktion fordert hier eine ganz
lare Regelung, die nicht mehr zu umgehen ist. Das
eißt, Förderungshilfen müssen verbindlich an die Vo-
ussetzung gebunden werden, dass wenigstens eine
ndfassung mit Audiodeskription und Untertiteln herge-
tellt wird.


(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


ir fordern das auch von den Länderförderern.





Angelika Krüger-Leißner


(A) )


)(B)

Noch ein Hinweis zum Schluss. Mit der Digitalisie-
rung wird die barrierefreie Ausgestaltung zukünftig noch
einfacher und kostengünstiger. Also, warum sollten wir
es nicht tun? Vielleicht, Herr Wanderwitz, schaffen wir
es sogar vor 2014, gemeinsam zu prüfen, ob wir nicht
über Übergangsregelungen, zum Beispiel über unterge-
setzliche Richtlinienänderungen, einen Weg finden. Ich
bin dafür. Lassen Sie uns das angehen.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715610300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8485 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Lisa
Paus, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Dienstwagenprivileg abbauen und Besteue-
rung CO2-effizient ausrichten

– Drucksache 17/8462 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Lisa Paus für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715610400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer im

vergangenen Jahr einen neuen VW Passat Variant mit ei-
nem Listenpreis von 30 000 Euro von seiner Firma als
Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekam, den kostete
dieses Auto alles inklusive bis zu 1 500 Euro.


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Das stimmt gar nicht!)


Wer das gleiche Fahrzeug privat angeschafft und genutzt
hat, der hatte im selben Zeitraum Kosten von mindestens
7 500 Euro, also 6 000 Euro mehr. Diese Zahlen stam-
men nicht von mir, sondern vom ADAC.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Aber nur wenn er es privat nutzt! 100 Prozent!)


– Genau, wenn man eben nicht in den Genuss eines
Dienstwagens kommt. So ist es.

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(C (D Ein Porsche Cayenne mit einem Listenpreis von 17 000 Euro kostet, berücksichtigt man Anschaffungs-, etriebsund Versicherungskosten, nach Schätzungen es ADAC pro Jahr 24 000 Euro, wenn man ihn nur rivat erwerben kann. Fährt jemand das gleiche Fahreug als Dienstwagen, dann spart er ganze 18 000 Euro ro Jahr. Je teurer das Auto, desto höher die Subventioierung. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sind richtig naheliegende Beispiele aus dem wahren Leben!)


Das sogenannte Dienstwagenprivileg ist ungerecht,
nd deswegen wollen wir es ändern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Ran an die Porschefahrer!)


as Dienstwagenprivileg ist auch unökologisch. Auch
eswegen wollen wir es ändern und haben dazu einen
ntrag vorgelegt. Denn der Porsche Cayenne Turbo ist
icht nur teuer, sondern mit einem CO2-Ausstoß von
70 Gramm pro Kilometer auch eine Emissionsschleu-
er.

Die steuerliche Regelung für Dienstwagen in
eutschland entwickelt sich auch zu einem ökonomi-

chen Problem. Denn die Absatzförderung für Sprit-
chleudern steht im Gegensatz nicht nur zu grünen öko-
gischen Zielen, sondern auch im Gegensatz zu

eltenden Regeln in Europa.

Mit Beginn dieses Jahres dürfen die neu zugelassenen
ahrzeugflotten in Stufen bis 2015 im Durchschnitt nur
och 130 Gramm pro Kilometer ausstoßen. Die deutsche
euwagenflotte ist jedoch mit 151 Gramm CO2 je Kilo-
eter noch weit von diesem Zielwert entfernt. So hat

uch das DIW im November 2011 empfohlen, geeignete
strumente für Anreize zur Effizienzsteigerung zu su-

hen. Ich zitiere:

Gerade Firmenwagen wären hier ein wichtiges und
bisher mit falschen Anreizen versehenes Segment.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir Grünen schlagen mit dem vorliegenden Antrag
or, einen Klimafaktor in die bestehenden Regelungen
inzuführen: Je mehr man das Klima schädigt, desto we-
iger kann man steuerlich geltend machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


ür Fahrzeuge bis 120 Gramm pro Kilometer ändert sich
ichts. Liegt der Verbrauch jedoch darüber, wie zum
eispiel beim Passat Variant um 13 Prozent, dann kann
as Unternehmen die Anschaffungs- und Betriebskosten
m 13 Prozent weniger geltend machen, und die privaten
utzer müssen einen 13 Prozent höheren geldwerten
orteil zahlen.

Um dauerhaft Effizienzanreize zu setzen, wird der
ielwert, also die 120 Gramm, bis 2016 in Schritten auf





Lisa Paus


(A) )


)(B)

80 Gramm gesenkt. Fahrzeuge unter 60 Gramm werden
vollständig von der Besteuerung befreit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Es gibt
vor allem zwei Gegenargumente. Das erste Argument
ist: Es hat sich doch schon viel getan. – Das stimmt fast.
Es hat sich ein bisschen was getan, aber es ist deutlich zu
wenig.

Die Deutsche Umwelthilfe beispielsweise hat 153 Un-
ternehmen unter die Lupe genommen. Lediglich vier
Unternehmen konnte sie eine Grüne Karte ausstellen,
und auch nur mit gutem Willen. Die meisten Unterneh-
men haben immer noch Dienstwagenflotten mit einem
höheren CO2-Ausstoß als 140 Gramm pro Kilometer.
Das ist Best Practice in Deutschland. Das ist zu wenig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das zweite Gegenargument ist – das war damals Ihr
Argument, Herr Gutting; Sie haben gleich Gelegenheit,
darauf einzugehen –: Das ist steuersystematisch nicht
möglich. Dazu stelle ich fest: Es geht doch. Das zeigt ein
Blick ins europäische Ausland. In Österreich und Frank-
reich gibt es klare Grenzen für die Absetzbarkeit:
40 000 Euro in Österreich und 18 700 Euro in Frank-
reich.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Welche Autos werden denn in Österreich produziert?)


Auch in der Schweiz dürfen Luxusdienstwagen nur teil-
weise abgesetzt werden. In Belgien gibt es bereits eine
Staffelung nach CO2-Ausstoß.

Deswegen bitte ich Sie, sich diesmal ernsthaft mit un-
serem Antrag auseinanderzusetzen. Steigen Sie mit uns
in eine konstruktive Debatte ein! Ich freue mich auf die
Beratungen im Ausschuss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715610500

Das Wort hat der Kollege Olav Gutting für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1715610600

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Werte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie
hatten bereits im Jahre 2008 einen fast wortgleichen An-
trag eingebracht. Auch damals ging es vorrangig um das
Schüren einer Neiddebatte gegen die Nutzer und Nut-
zerinnen von Firmenwagen der Mittel- und Oberklasse
sowie insbesondere der SUVs. Ihren heutigen Angriff
verstecken Sie zusätzlich unter dem Deckmantel des Kli-
maschutzes. Aber es bleibt bei einem Angriff gegen die
deutsche Automobilindustrie und die Firmenwagennut-
zer.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Lassen Sie mich gleich feststellen: Bei der Dienstwaenbesteuerung und den hierzu einschlägigen Abschreiungsregelungen handelt es sich nicht um Privilegien, ondern um allgemein anerkannte Besteuerungsgrundätze. Die Abschreibung zeichnet lediglich – genauso ie bei anderen Wirtschaftsgütern – den jährlichen ertverlust des Firmenvermögens nach. Die Besteueng von Dienstund Firmenwagen ist auch keine Sub ention, wie Sie es darstellen, sondern folgt ertragsteuerchen Grundsätzen. Mit dem Herumdoktern an den Abschreibungsregengen und der Verknüpfung mit dem CO2-Ausstoß der ahrzeuge wollen Sie die Unternehmen umerziehen. ber ein Großteil der neu zugelassenen deutschen Firenwagen, fast 90 Prozent, sind geleast. Fast alle Lea ingfahrzeuge werden beim Leasinggeber und nicht eim nutzenden Unternehmen bilanziert. Folglich weren sie auch beim Leasinggeber abgeschrieben. Ihr Vorchlag, die Abschreibung an Bedingungen wie CO2usstoß zu koppeln, trifft also gar nicht die Unternehen, welche Firmenwagen im Bestand haben, sondern ie Leasingunternehmen. Was werden diese dann mahen? Diese würden die durch die verschlechterten Abchreibungsmöglichkeiten verursachten Mehrkosten auf ie Leasingraten umlegen, welche die Unternehmen, die iese Raten zahlen, richtigerweise zu 100 Prozent als etriebsausgaben absetzen. Sie treffen also nicht die utzenden Unternehmen, sondern die Leasingunternehen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist der Sinn der Sache!)


re Umerziehungsbestrebungen erreichen also gar nicht
ie entsprechenden Unternehmen.

Jedem, der nur ein bisschen Gefühl für Steuerrecht
at,


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Oder im Betrieb gewesen ist!)


erursachen Ihre Vorschläge regelrecht körperliche
chmerzen. Ihr Bestreben, das AfA-System ökologisch
uszurichten, widerspricht einfach den Grundsätzen un-
eres Steuerrechts. Das würde zu einer enormen Ver-
omplizierung des Steuerrechts führen. Es ist wider-
innig, zwei in Anschaffungspreis und Nutzungsdauer
leiche Wirtschaftsgüter nur deshalb steuerlich unter-
chiedlich zu behandeln, weil das eine einen höheren
raftstoffverbrauch oder einen höheren CO2-Ausstoß
at.

Wie wollen Sie andere Maschinen steuerlich behan-
eln? Sie konzentrieren sich in Ihrem Antrag nur auf Au-
s. Wollen Sie sämtliche Maschinen mit erhöhtem
trom- und Brennstoffbedarf bei der steuerlichen Ab-
chreibung unterschiedlich behandeln? Wie soll es dann
eitergehen? Wollen Sie dann auch der Lebensmittel-
dustrie verbieten, ungesunde Zutaten wie Zucker und
ett steuerlich abzusetzen? Sie wollen gängeln und vor-
chreiben. Ich bin froh, dass es im deutschen Ertragsteu-
rrecht keine Unterscheidung zwischen guten und
chlechten Kosten gibt. Ich will auch nicht in einem





Olav Gutting


(A) )


)(B)

Land leben, in dem eine kleine Minderheit entscheidet,
was gute und schlechte Kosten sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Rechnung, die Sie vorhin aufgemacht haben,
stimmt nicht. Die von Ihnen monierte 1-Prozent-Rege-
lung betreffend die private Nutzung von Dienstfahrzeu-
gen stellt kein steuerliches Privileg dar. Es handelt sich
vielmehr um eine allgemein anerkannte, sachgerechte
und seit vielen Jahren erfolgreiche Vereinfachungsrege-
lung, die sich bewährt hat. Der Vorteil der Pkw-Gestel-
lung durch den Arbeitgeber wird dem Arbeitslohn hinzu-
gerechnet. Die Privatnutzung des Dienstfahrzeuges ist
zum persönlichen Steuersatz zu versteuern. Da gibt es
keine Subvention. Hier gilt: Wer viel verdient und einem
höheren Steuersatz unterliegt, muss auch mehr zahlen.

Größere Fahrzeuge, in Ihrem Antrag despektierlich
als Statussymbole bezeichnet, haben einen höheren Lis-
tenpreis; das ist richtig. Dieser höhere Listenpreis wird
auch entsprechend höher besteuert.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man ein größeres Auto fährt, stößt dieses auch mehr CO2 aus!)


Wer also ein größeres Auto fährt, trägt eine höhere
Steuer. Wer ein größeres Auto fährt und vielleicht einen
höheren Verbrauch hat, zahlt im Übrigen auch an der
Tankstelle mehr.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn an der Tankstelle muss er die Kraftstoffpreise be-
zahlen, und wir alle wissen, dass circa 70 Prozent des
Kraftstoffpreises heute schon aus Steuern und Abgaben
bestehen.

Man kann also zusammenfassen, dass die Nutzung
von Firmenfahrzeugen insbesondere der deutschen Pre-
miumhersteller zu Mehreinnahmen beim Staat führt:
über die Kraftstoffsteuer an der Tankstelle, über die hö-
here Kfz-Steuer, bei einem höheren Listenpreis auch
über eine höhere Zurechnung bei der 1-Prozent-Rege-
lung und – was wir nicht vergessen dürfen – über die
Einkommen- bzw. die Lohnsteuer vieler Hunderttausen-
der Menschen, die in der deutschen Automobilindustrie
beschäftigt sind.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also doch ein Absatzprogramm!)


Es ist schön, dass Sie in Ihrem Antrag konkret werden
und konkrete Beispiele nennen. Damit kann sich jeder
Firmenwagennutzer selbst ausrechnen, welche Mehrbe-
lastung auf ihn zukommt.

Sie haben vorhin ein Beispiel vorgetragen. Nehmen
wir also den BMW 325 Diesel. Das ist bestimmt kein
Riesenoberklassenfahrzeug. Wenn ein gut verdienender
Außendienstmitarbeiter dieses Fahrzeug nutzt, muss er
nach Ihrem Vorschlag über die Gesamtnutzungsdauer
ungefähr 3 000 Euro mehr bezahlen.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er kann ja den Audi A 2 fahren! – Gegenruf D fa u n d m s Ic z li in d d h E v im s n m w z g B d ru ß S d n Im is b ti v L S „ s (C (D des Abg. Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Er kann auch das Fahrrad nehmen!)


as ist eine Stange Geld. Das wird ihm sicher nicht ge-
llen. Er könnte natürlich auch Ihrem Vorschlag folgen

nd auf einen Toyota Prius ausweichen. Dann würde er
icht mehr bezahlen. – Allerdings muss ich immer wie-
er staunen. In Ihrem Antrag haben Sie dieses Fahrzeug
ehrmals erwähnt. Geradezu penetrant hofieren Sie die-

en Fahrzeugtyp Toyota Prius.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider gibt es kein entsprechendes deutsches Fahrzeug! Daran müssen wir arbeiten! Deshalb unser Antrag!)


h frage mich manchmal, ob die Grünen von Toyota be-
ahlt werden. Jedenfalls ist klar, worum es Ihnen eigent-
ch geht. Es geht Ihnen darum, die deutsche Automobil-
dustrie zu schädigen. Dies ist ein Angriff gegen die

eutsche Automobilindustrie. Da nützt es auch nichts,
ass Ihr ehemaliger Außenminister und Parteikollege
eute die Firma BMW berät.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Auto-Lobbyist! Sie bekämpfen die Dienstwagen, bis sie selber einen haben!)


s geht Ihnen darum, den Menschen das Autofahren zu
ermiesen, es geht Ihnen darum, den Individualverkehr

mer weiter einzuschränken. Die über 750 000 Be-
chäftigten in der deutschen Automobilindustrie sind Ih-
en schlicht egal.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715610700

Kollege Gutting, gestatten Sie eine Frage oder Be-

erkung des Kollegen Gambke?


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1715610800

Nein, ich mache weiter. Wir wollen ja alle irgend-

ann nach Hause.

Verbieten und gängeln – das sind jedenfalls die Re-
epte der Grünen. Das deckt sich auch mit den Äußerun-
en des grünen Ministerpräsidenten Kretschmann aus
aden-Württemberg. Er hat ja gerade bekannt gegeben,
ass in Baden-Württemberg unter der jetzigen Regie-
ng bzw. in den nächsten acht Jahren keine neuen Stra-

en mehr gebaut werden. Er sagt wortwörtlich, die
traße müsse zukünftig zu einem „knappen Gut“ wer-
en. Ich hoffe nur, dass sich die Menschen, wenn sie das
ächste Mal im Stau stehen, an diese Aussage erinnern.

Übrigen will ich Ihnen sagen: In Baden-Württemberg
t die Straße bereits ein knappes Gut.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weniger Autos wären da besser!)


Es geht noch weiter. Ich bleibe bei Baden-Württem-
erg und dem Ministerpräsidenten, den ich erneut zi-
ere. Er sagt: Jeder Landrat und jeder Bürgermeister und
iele junge Unternehmer verlangen von der grün-roten
andesregierung immerzu die Unterstützung für neue
traßenprojekte, diese Mentalität gilt es zu knacken. –
Diese Mentalität gilt es zu knacken.“ Das muss man
ich einmal überlegen. Alleine diese Wortwahl! Für





Olav Gutting


(A) )


)(B)

mich klingt das nach Ökodiktatur. Das, was hier propa-
giert wird, ist Gehirnwäsche.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen wohl alle in diesem Haus, dass unsere
Kinder in einer gesunden und sicheren Umwelt aufwach-
sen. Das gilt gerade auch für uns in der Unionsfraktion.
Wir legen großen Wert auf die Bewahrung der Schöp-
fung. Aber Ihr Antrag trägt außer zu einer immensen
Verkomplizierung des ohnehin schon umfangreichen
Steuerrechts nichts zu diesem Ziel bei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Er ist steuerlich systemwidrig, er ist sachfremd, und er
ist deswegen unnötig.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715610900

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Gambke

das Wort.


(Zuruf von der FDP: Aber bitte kurz, Herr Kollege!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Gutting, Sie haben die Zwischenfrage nicht zu-
gelassen. – Sie haben einen Gegensatz zwischen der Au-
tomobilindustrie auf der einen und den Grünen auf der
anderen Seite aufgebaut.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Sie haben eine Firma genannt: die Bayerischen Moto-
ren Werke. Nun trägt es sich zu, dass diese Firma dicht
an meinem Wahlkreis sehr aktiv ist und ich auch gele-
gentlich mit den Herrschaften dort rede.

Wie stellen Sie sich zu der Aussage des führenden
Managers der Dingolfinger Fabrik, der größten Fabrik,
die BMW unterhält, der deutlich bei seinem letzten Ab-
geordnetengespräch gesagt hat, er wäre sehr dankbar,
wenn der Deutsche Bundestag die Bemühungen der
deutschen Automobilindustrie, niedrige Verbräuche und
damit niedrigere CO2-Ausstöße zu erreichen, auch durch
seine Steuergesetzgebung unterstützen würde?


(Dr. Daniel Volk [FDP]: Das ist aber keine steuerliche Unterstützung, die ihr vorhabt in dem Antrag!)


Er sieht sich alleine gelassen. Diese Firma unternimmt
sehr große Bemühungen, um das Ziel zu erreichen, das
nicht nur die Grünen erreichen wollen. Dieses Ziel ist
allgemeiner Konsens. Er fordert, dass wir das mit niedri-
gen Grenzwerten verbinden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715611000

Sie haben das Wort, Kollege Gutting.

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(C (D Vielen Dank, Herr Kollege, für die Frage. – Wir tun ereits einiges dafür, und zwar an der Tankstelle. Ich ann es wiederholen: Menschen, die Fahrzeuge fahren, ie einen niedrigen Verbrauch haben, werden an der ankstelle belohnt, Menschen, die Spaß daran haben, ein roßes Auto zu fahren, oder einfach nicht anders könen, werden an der Tankstelle bestraft. Im Übrigen gibt s noch ein weiteres Lenkungselement, nämlich die Kfzteuer, durch die emissionsarme Fahrzeuge extrem beünstigt werden. Lassen Sie die Finger von den Abchreibungen! Sie machen damit ein Fass auf. Ich habe orher die Kritikpunkte benannt: Wo fangen Sie an? Wo ören Sie auf? Ich werfe Ihnen vor, dass Sie einen Punkt herausgrein, nämlich die Dienstwagen, und Neid und Missgunst chüren. Das geht gegen die deutschen Hersteller von remiumwagen. Ich kann sie nennen: In Baden-Württemerg ist es Mercedes, in Bayern sind es BMW und Volksagen. Selbst der VW Passat Variant ist in Ihren Augen chon ein spritschluckendes Ungetüm. Diesen Weg gehen ir jedenfalls nicht mit. Wir stehen zu den deutschen Areitsplätzen. Das Wort hat die Kollegin Nicolette Kressl für die PD-Fraktion. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Ich finde, bei dieser wichtigen Frage wäre igentlich Abrüstung auf beiden Seiten angesagt geween. Herr Gutting, Ihre steuersystematischen Ausführunen, mit denen Sie Ihre Rede begonnen haben, sind dann och sehr stark ins Ideologische abgedriftet. Das muss an ehrlich sagen. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ideologisch stimmt ja gar nicht! – Dr. Daniel Volk [FDP]: Mit Ideologie tun Sie sich besser!)

Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1715611100

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715611200

(Beifall bei der SPD)

Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1715611300

Erlauben Sie mir den Hinweis, dass, was Baden-
ürttemberg angeht, ein Blick in den Koalitionsvertrag

elfen würde. Darin ist, anders als Sie hier behauptet ha-
en, der Ausbau von Straßen ausdrücklich nicht ausge-
chlossen. Die Problematik ist nur, dass die schwarz-
elbe Vorgängerregierung den Erhalt von bestehenden
traßen so sträflich vernachlässigt hat, dass es jetzt bei
em begrenzten Volumen an Geldern sehr schwer ist,
ittel in den Neubau zu stecken. Insofern wären ein bis-

chen Fairness und Objektivität bei der Frage durchaus
ngebracht gewesen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, dass die Diskussion darüber, ob wir über
teuerliche Anreize eine Motivation geben können, ener-
iesparendere und CO2-einsparende Autos zu entwi-
keln, durchaus sinnvoll ist. Es ergibt keinen Sinn, wenn





Nicolette Kressl


(A) )


)(B)

eine Seite eine Maßnahme als den Weg schlechthin be-
zeichnet und eine andere Seite ebendiese Maßnahme als
Teufelszeug betrachtet. Die Frage, wie wir erreichen
können, dass ökologischere Autos produziert werden,
was im Übrigen am Ende im Sinne der Verbraucherinnen
und Verbraucher sein wird, muss gestellt werden. Die
Frage, ob wir diese Entwicklung durch steuerliche Maß-
nahmen ein Stück weit beeinflussen können, muss man
aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.

So zu tun, Frau Paus, als ginge es nur um die fetten
Cayenne-Dienstwagen, die privat genutzt würden, ist
nicht die ganze Wahrheit.


(Dr. Daniel Volk [FDP]: Genau!)


Den Forderungen in Ihrem Antrag zu entsprechen,
würde auch bedeuten, Firmenwagen von kleinen und
mittelständischen Unternehmen und von Handwerkern
zu belasten. Die stellen aber die Mehrheit. Zu tun, als ob
wir hier nur über die Luxusschlitten reden würden, wird
dem Problem nicht gerecht. Das halte ich für einen fal-
schen Weg.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Die Frage, ob wir eine ökologische Lenkung durch
Abschreibungsmöglichkeiten erreichen können, darf
nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern sie muss auch
aus verfassungsrechtlicher Sicht betrachtet werden. Wir
reden hier von Betriebsausgaben – übrigens ist davon in
Ihrem Antrag sehr wohl die Rede –; wir reden vom Net-
tokostenprinzip. Das ist gerade dann wichtig, wenn es
um die Belange der mittelständischen Wirtschaft geht.
Dort spielt es nicht nur bei der Gewinnerzielung, son-
dern vor allem beim Erarbeiten des Existenzminimums
eine Rolle; man betrachte in diesem Zusammenhang bei-
spielsweise Handwerker. Das Nettokostenprinzip ist
nicht beliebig einschränkbar; deshalb muss man es sich
genau anschauen. Das muss uns klar sein.

Nächster Punkt. Auch ich möchte, dass wir die wirt-
schaftliche Wirkung und die Auswirkungen auf die Ar-
beitsplätze in Deutschland betrachten.

Ich glaube, wir sind verpflichtet, bei der Behandlung
dieses Themas alle genannten Aspekte zu berücksichti-
gen.

Ich will ausdrücklich sagen, dass die SPD die Mög-
lichkeit der Einschränkung beim Betriebsausgabenabzug
durchaus für sinnvoll hält. Was die Vorgaben, die Sie in
Ihrem Antrag formuliert haben, angeht: Aus meiner
Sicht ist es völlig unrealistisch, den CO2-Zielwert in der
vorgegebenen Zeit auf 80 Gramm pro Kilometer zu sen-
ken. Ich will es einmal so formulieren: Wenn man das
Kind mit dem Bade ausschüttet, dann kann man sein Ziel
auch insgesamt diskreditieren.

Meine dringende Bitte ist, dass man bei der Behand-
lung dieses Themas bezüglich des Einsatzes der Instru-
mente realistisch ist und dass man nicht sagt: Das ist
unsere Idealvorstellung; daran orientiert sich unsere
steuerpolitische Vorgabe, die für jeden gelten soll, egal
was für arbeitsmarktpolitische Auswirkungen, egal was
für Auswirkungen auf deutsche Automobilhersteller das

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(C (D at. Da sollten wir uns alle gemeinsam zu einer vernünfgen Betrachtung durchringen. Ich will noch zwei Punkte ansprechen, mit denen ich robleme habe. Wenn ich Ihren Antrag richtig verstanden abe, beziehen Sie Ihre Vorstellungen hinsichtlich der inschränkung der Abschreibungen nicht nur auf Neuwaen, sondern auch auf Bestandswagen. Man muss einmal edanklich durchspielen, was das für einen kleinen Mitlständler bedeutet. Anders als manchmal vermittelt ird, hat er womöglich keinen so üppigen Gewinn, dass r sich einen fetten Dienstwagen leistet; vielmehr ist er ventuell auf das Auto angewiesen, das er bereits besitzt. m sollte man nicht sagen: Bis 2016 orientierst du dich m CO2-Zielwert von 80 Gramm pro Kilometer, und aufe dir ganz schnell ein neues, teures Auto. Dieser Mitlständler muss zur Einkommenserzielung vielmehr die öglichkeit haben, sich – genauso wie die Automobilin ustrie bei ihren Produktionslinien – in einem bestimmn Zeitraum auf Vorgaben entsprechend einzustellen. Ich sage ausdrücklich: Einen solchen Ansatz kann ich Ihrem Antrag angesichts der geforderten Umsetzungs eschwindigkeit und der sonstigen Vorgaben – sie sind on der Realität weit entfernt – nicht erkennen. Ich gehe avon aus, dass wir über die Einzelheiten in diesem Anag gemeinsam diskutieren werden. Ich halte es für sinnoll, mit den verschiedenen Experten ein Fachgespräch u führen. Man sollte gemeinsam die Fragen „mögliche enkungswirkungen“, „schädliche Auswirkungen“, „Wie önnen wir realistisch vorgehen?“ behandeln. Noch eine Anmerkung. Im Übrigen sollte man sich inmal die Frage der verwaltungsmäßigen Umsetzbareit anschauen. Allein die Beispielrechnungen in Ihrem ntrag zeigen, dass wir damit noch nicht einmal, um es orsichtig zu formulieren, ansatzweise zu einem einfaheren Steuerrecht kommen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Genau so ist das! – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Belgien gibt es eine ähnliche Regelung!)


Ich sage ausdrücklich: Wir teilen Ihre Zielvorgabe.
ir halten steuerliche Lenkungsimpulse für richtig. Wir

lauben nicht, dass der beschriebene Weg richtig ist.
ber die Details können wir im Ausschuss hoffentlich

achverständig und weniger ideologisch miteinander dis-
utieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715611400

Das Wort hat der Kollege Dr. Daniel Volk für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Daniel Volk (FDP):
Rede ID: ID1715611500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Das Ansinnen der Grünen bezüglich einer Än-
erung der steuerlichen Behandlung von Firmenwagen
t wieder einmal ein klassisches Beispiel dafür, warum





Dr. Daniel Volk


(A) )



(B)

wir in den letzten Jahrzehnten ein immer komplizierteres
Steuerrecht bekommen haben. Sie stellen ein wunderbar
klingendes Ziel in den Raum – die Verringerung des
CO2-Ausstoßes – und meinen, dass dieses Ziel über steu-
erliche Sonderregelungen erreicht werden kann. Die
steuerlichen Sonderregelungen, die Sie allerdings vor-
schlagen, bedeuten, bei Lichte betrachtet, eine solche
Verkomplizierung des Steuerrechts, dass wir sie uns
nicht leisten können.

Sie schlagen eine unterschiedliche steuerliche Be-
handlung der Fahrzeuge – auch bei den Betriebsausga-
ben – anhand von Grenzwerten des CO2-Ausstoßes vor.
Bei einem CO2-Ausstoß von bis zu 120 Gramm pro Ki-
lometer sollen die Kosten steuerlich absetzbar sein.
Oberhalb von 120 Gramm pro Kilometer soll das dann in
Abhängigkeit von einem Quotienten anders sein. Ferner
schlagen Sie noch vor, die Grenzwerte jährlich zu sen-
ken. Das heißt, dass die Steuerveranlagung jährlich im-
mer wieder angepasst werden muss. Dies ist ganz sicher
kein Beitrag zur Vereinfachung des Steuerrechts. Es ist
vielmehr eine Verkomplizierung, die wir, wie ich finde,
den Steuerpflichtigen nicht zumuten können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie sprechen von Dienstwagen. Der Ehrlichkeit hal-
ber müsste man aber von Firmenwagen sprechen, also
von allen unternehmerisch genutzten Fahrzeugen. In Ih-
rem Antrag stellen Sie als Beispiele immer Pkw dar. Sie
sprechen zum Beispiel vom 3er BMW oder von großen
Porsche-SUVs. Was Sie aber vollkommen vergessen,
das sind die Firmenwagen, die zum Beispiel ein Hand-
werksunternehmen braucht, etwa Transporter, um Mate-
rial zum Auftragsort zu bringen, und Ähnliches. Hierzu
verlieren Sie überhaupt kein Wort.

An anderer Stelle Ihres Antrags heißt es aber – gera-
dezu mit einem freudigen Unterton –, dass Sie bei Ein-
führung Ihres Modells von Steuermehreinnahmen in
Höhe von 3,5 Milliarden Euro ausgehen. Sie machen das
Steuerrecht also nicht nur komplizierter – bis hin zur Un-
anwendbarkeit –, sondern Sie belasten die Steuerpflichti-
gen in Deutschland auch noch zusätzlich in Höhe von
3,5 Milliarden Euro. Wenn das die Antwort der Grünen
auf Fragen der Steuerpolitik ist, dann haben sie sich von
einer vernünftigen Steuerpolitik komplett verabschiedet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich möchte jetzt einmal versuchen, mit einer Mär auf-
zuräumen: Sie tun so, als würde das deutsche Steuer-
recht den einzelnen Unternehmer oder Arbeitnehmer ge-
radezu provozieren, einen Spritfresser zu kaufen. Unter
steuerlichen Gesichtspunkten könne man sich gar nichts
Schöneres vorstellen, als so viel Sprit wie möglich zu
verbrauchen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist leider so!)


Ein ehrlicher Blick ins Steuerrecht zeigt aber ein an-
deres Ergebnis: Mit der pauschalen Versteuerung der pri-

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(C (D aten Nutzung von Firmenwagen in Höhe von 1 Prozent es Listenpreises pro Monat werden gerade die teureren ahrzeuge stärker belastet als die weniger teuren. Ich enke, es besteht Einigkeit darin, dass umso eher eine endenz zu höherem Spritverbrauch besteht, je teurer in Fahrzeug ist. Wir haben also bereits in der jetzigen Steuersystemak einen Anreiz, sich weniger stark spritfressende Fahreuge anzuschaffen. Das, was Sie als Ziel formulieren, aben wir im geltenden Steuerrecht bereits erreicht. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denken Sie noch mal nach, Herr Volk! Dann kommen Sie auch darauf!)


Letztlich ist das auch eine Neiddebatte, die Sie hier
ufmachen. Sie sprechen von großen Dienstwagen, von
er Mercedes-Benz S-Klasse und dem 7er BMW. Aber
s ist eben auch der mittlere Angestellte, der als Beloh-
ung für seine langjährige engagierte Tätigkeit für das
nternehmen seines Arbeitgebers einen Dienstwagen
estellt bekommt. Das wird dann aber keine S-Klasse
nd auch kein Porsche Cayenne sein. Das wird eher ein
er BMW sein, den Sie in Ihrem Antrag übrigens aus-
rücklich erwähnen. Diesen Angestellten, der als Beloh-
ung für sein langjähriges Engagement für seinen Ar-
eitgeber einen Dienstwagen gestellt bekommt, wollen
ie zusätzlich bestrafen. Sie zeigen mit Ihrem Antrag
eshalb auch, dass Sie insgesamt leistungsfeindlich ge-
rägt sind.

Ihr Antrag enthält drei Punkte: Sie verkomplizieren
as Steuerrecht, Sie erhöhen die Steuerbelastung, und
ie zeigen eine Leistungsfeindlichkeit. Das werden wir
icherlich nicht unterstützen. Deshalb werden wir Ihren
ntrag ablehnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715611600

Die Rede der Kollegin Dr. Barbara Höll aus der Frak-

on Die Linke nehmen wir zu Protokoll.1)

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/8462 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 8. Februar 2012, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.