Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2006
– Drucksachen 16/750, 16/1348 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009
– Drucksachen 16/751, 16/1348, 16/1327 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Steffen Kampeter
Carsten Schneider
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
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Redet
Wir beginnen mit den gestern vertagten Abstimmun-
gen zum Einzelplan 06 und zum Zusatzpunkt 3. Wir
kommen zunächst zur Abstimmung über den Einzelplan 06
in der Ausschussfassung – Tagesordnungspunkt I.11 –:
Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern
– Drucksachen 16/1306, 16/1324 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Hagedorn
Dr. Michael Luther
Norbert Barthle
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Alexander Bonde
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3678 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
ochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisberhard Giengerichael Glosalf GöbelMMMKOHGUUMBEPRKFJAHSDABHSABSVEJJJKMNDHTMGDDJDADKD
olker Kauderckart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerens Koeppenristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenr. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerunther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannohann-HenrichKrummacherr. Hermann Kuesndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertatharina Landgrafr. Max Lehmer
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3679
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerWolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelLaurenz Meyer
Maria MichalkHans MichelbachPhilipp MißfelderDr. Eva MöllringMarlene MortlerCarsten Müller
Stefan Müller
Bernward Müller
Hildegard MüllerBernd Neumann
Henry NitzscheMichaela NollDr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteRita PawelskiDr. Peter PaziorekUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaDaniela RaabThomas RachelDr. Peter RamsauerPeter RauenEckhardt RehbergKatherina Reiche
Klaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerJohannes RöringKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckPeter RzepkaAnita Schäfer
Hermann-Josef ScharfDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteDr. Annette SchavanKarl SchiewerlingNorbert SchindlerGeorg SchirmbeckBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Ingo Schmitt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianKurt SegnerBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian Freiherr von StettenGAMTLMADAVAGMKMPGInKAKWEMDWWSDGGNInREDKSSDUKDUPLVKGDKWBEMUMDCMDKMDero Storjohannndreas Stormax Straubingerhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenntje Tillmannr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard Wächterarco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinbergeter Weiß
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go Wellenreutherarl-Georg Wellmannnette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschilly Wimmer
lisabeth Winkelmeier-Beckeratthias Wissmannagmar Wöhrlolfgang Zöllerilli ZylajewPDr. Lale Akgünregor Amannerd Andresiels Annengrid Arndt-Brauerainer Arnoldrnst Bahr
oris Barnettlaus Barthelören Bartolabine Bätzingirk Beckerwe Beckmeyerlaus Uwe Benneterr. Axel Bergte Bergetra Bierwirthothar Binding
olker Blumentritturt Bodewigerd Bollmannr. Gerhard Botzlaus Brandnerilli Braseernhard Brinkmann
delgard Bulmahnarco Bülowlla Burchardtartin Burkertr. Michael Bürschhristian Carstensenarion Caspers-Merkr. Herta Däubler-Gmelinarl Dillerartin Dörmannr. Carl-Christian DresselEDSHGPKAEGRGDPSMIGRADMKGAWWHBKAMNHRRDGPGPGIFECLBJJJUDUCHADFKRAENVAlvira Drobinski-Weißetlef Dzembritzkiebastian Edathyans Eichelernot Erleretra Ernstbergerarin Evers-Meyernnette Faßelke Fernerabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitageter Friedrichigmar Gabrielartin Gersterris Gleickeünter Gloserenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
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3680 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerStimmen der CDU/CSU und der SPD bei Gegenstimmender Fraktion Die Linke, des Bündnisses 90/Die Grünenund der FDP angenommen.Zusatzpunkt 3:Bundesministerium für Arbeit und Soziales– Drucksachen 16/1311, 16/1324 –Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud LehnBeratung des AntragsBurgbacher, Sabine LeuGisela Piltz, weiterer Abtion der FDPKonsequenzen ziehenEuropäischen Gerichtzur Weitergabe euroan die Vereinigten Staa– Drucksache 16/1876 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft undAusschuss für Verkehr, Bau unAusschuss für TourismusAusschuss für die AngelegenhInterfraktionell wird ÜberwDrucksache 16/1876 an die inführten Ausschüsse vorgeschlaverstanden? – Das ist der Fall. Dso beschlossen.der Abgeordneten Ernsttheusser-Schnarrenberger,geordneter und der Frak- aus dem Urteil desshofs vom 30. Mai 2006päischer Fluggastdatenten von AmerikaTechnologied Stadtentwicklungeiten der Europäischen Unioneisung der Vorlage aufder Tagesordnung aufge-gen. Sind Sie damit ein-ann ist die ÜberweisungDsdkgHvkHans-Joachim FuchtelDr. Claudia WintersteinDr. Gesine LötzschAnja HajdukHierzu liegen zwei Änderuie Linke vor. Über den Ändache 16/1866 werden wir späteNach einer interfraktionelleie Aussprache zwei Stundeneinen Widerspruch. Dann ist dIch eröffne die Aussprache.in Dr. Claudia Winterstein, FD
DP):hr verehrten Damen und der Bundesrechnungshoflen Handlungsunfähig-Rolf SchwanitzRita Schwarzelühr-SutterWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltLudwig StieglerRolf StöckelChristoph SträsserDr. Peter StruckJoachim StünkerDr. Rainer TabillionJörg TaussJella TeuchnerDr. h.c. Wolfgang ThierseJörn ThießenFranz ThönnesHans-Jürgen UhlRüdiger VeitSimone ViolkaJörg VogelsängerDr. Marlies VolkmerHedi WegenerPetra WeisGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Dr. Rainer WendLydia WestrichDr. Margrit WetzelAndrea WickleinEngelbert WistubaDr. Wolfgang WodargWaltraud Wollf
Heidi WrightUta ZapfManfred ZöllmerEnthaltenFDPJens AckermannDr. Karl AddicksChristian AhrendtDaniel Bahr
Uwe BarthRainer BrüderleAngelika BrunkhorstEPMJUOHDHMJDEBMDHGJHSHIMMWir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-plan 06 – Bundesministerium des Innern – in der Aus-schussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 06 ist mit den
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Ich bitte, die Gespräche auf der Regierungsbank ein-
zustellen.
Unter Rot-Grün explodierten im Jahr 2005 die Kostenvon 14,6 Milliarden Euro auf 25 Milliarden Euro. UnterSchwarz-Rot werden in diesem Jahr etwa 27 MilliardenEuro gebraucht. Das ist die Fortsetzung rot-grüner Miss-wirtschaft.
Der Arbeitsminister hat nun versucht, uns vorzurechnen,dass der Haushaltsansatz für Hartz IV reicht. Er hat unserklärt, die Ausgaben für Hartz IV lägen stabil bei2,25 Milliarden Euro im Monat. Das macht nach AdamRiese 27 Milliarden Euro im Jahr. Eingeplant sind abernur 24,4 Milliarden Euro. Wollen wir jetzt darüber strei-tneEdr5zSvRFedjmggh4thizbdmAJkMbwBttVWShds
,5 Millionen Menschen sind arbeitslos. Die gegenwär-ige minimale Besserung darf kein Anlass zur Zufrieden-eit sein. Denn was die Arbeitsplätze betrifft, so istmmer noch ein Rückgang und kein Zuwachs zu ver-eichnen. Wirklich helfen kann uns nur die Schaffungesserer Perspektiven für Unternehmen, die dazu führen,ass sie bereit sind, neue Arbeitskräfte einzustellen. Hieruss der Arbeitsminister seinen Schwerpunkt setzen.
ber was erleben wir? Die „FAZ“ vom 24. Mai diesesahres bringt es auf den Punkt:Münteferings Bemühungen zur Bekämpfung derArbeitslosigkeit sind im besten Fall teuer und nutz-los …
Die Vorschläge der FDP liegen auf dem Tisch: Sen-ung der Steuern und der Lohnnebenkosten, damit dieenschen netto mehr in der Tasche haben, Lockerungeneim Kündigungsschutz, damit Einstellungshemmnisseegfallen, flexiblere Tarifgestaltung, damit Betriebe undelegschaften auch schwierige Situationen besser meis-ern können, Freigabe der Höhe der Ausbildungsvergü-ungen, damit mehr Lehrstellen angeboten werden, underzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung, damit dieirtschaft 2007 nicht abgewürgt wird. Aber das wolltenie ja nicht.Wie sehr die Koalition in die falsche Richtung denkt,at auch die Diskussion über die Überschüsse der Bun-esagentur für Arbeit gezeigt. Hier wurden die ver-chiedensten Ideen entwickelt, wie der Bund aus diesem
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3682 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Dr. Claudia WintersteinTopf etwas für sich abzweigen könnte. Die verfassungs-rechtlichen Probleme sind dabei völlig außer Acht gelas-sen worden.Ich will für die FDP ganz deutlich sagen: Über-schüsse, die bei der Bundesagentur entstehen, müssengenutzt werden, um die Beiträge und damit die Lohn-nebenkosten zu senken.
Das Beitragsaufkommen aus den Taschen der Arbeitge-ber und Arbeitnehmer darf nicht zum Selbstbedienungs-laden der Bundesregierung werden.Dass der Haushalt des Arbeitsministers keinen Bei-trag zur Konsolidierung leistet, will ich an einem weite-ren Beispiel deutlich machen: Sie sperren bei den Ein-gliederungsmaßnahmen 1,1 Milliarden Euro, weil dortmehr Geld veranschlagt worden ist, als sinnvollerweiseausgegeben werden kann. Sie sparen dieses Geld abernicht ein. Im Gegenteil, Sie wollen es gleich mehrfachausgeben: Erstens soll dieser Puffer die Mehrkostenbeim Arbeitslosengeld II decken; allein dafür ist dieseSumme aber viel zu gering. Zweitens möchte die Unionaus diesem Topf auch noch Mittel für den geplantenKombilohn abzweigen. Aber zweimal können auch Sie,meine Damen und Herren, dieses Geld nicht ausgeben.
Für die Eingliederungsmaßnahmen sind knapp6,5 Milliarden Euro vorgesehen. Im vergangenen Jahrlagen diese Ausgaben bei 3,5 Milliarden Euro. Im erstenDrittel dieses Jahres sind 1,14 Milliarden Euro abgeflos-sen. Nichts spricht also dafür, dass es in diesem Jahrmehr als 3,5 Milliarden Euro werden.
Deswegen hat die FDP beantragt, diesen Titel auf3,5 Milliarden Euro zu kürzen und mit den eingesparten3 Milliarden Euro einen Beitrag zur Haushaltskonsoli-dierung zu leisten. Unser Antrag hätte also zur Folge,dass die Eingliederungsmaßnahmen in gleicher Höhewie im Vorjahr fortgeführt würden. Alles, was gestern zudiesem Punkt gesagt worden ist, ist schlichtweg falsch.
Mit unserem „Liberalen Sparbuch“ haben wir Ihnenmit fast 500 Anträgen Sparvorschläge in einer Größen-ordnung von 8,3 Milliarden Euro geliefert. Sie haben sieabgelehnt. Sie denken nicht ans Sparen. Hätten Sie un-sere Vorschläge aufgegriffen, hätten Sie die Maastricht-kriterien einhalten können. Dass Sie das nicht geschaffthaben, stört Sie aber nicht. Der Stabilitätspakt wird 2006wieder verletzt. Der Haushalt 2006 ist wieder verfas-sungswidrig. Sämtliche Anstandsgrenzen der Haushalts-politik sind also verletzt. Die Regierung verfährt nachdem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz un-geniert.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten heuteber fast 45 Prozent des gesamten Haushalts. Von insge-amt 262 Milliarden Euro geben wir 119,5 Milliardenuro, also 45 Prozent, nur für den SozialbereichEinzelplan 11 – aus. Nimmt man die rund 10 Milliar-en Euro hinzu, die wir an anderer Stelle an Sozialaus-aben leisten, dann bedeutet das, dass wir von 100 Euroteuern, die wir von den Menschen in diesem Land er-alten, 72 Euro an sie zurückgeben – allein für Sozial-eistungen!
enn man sich das vor Augen führt, merkt man sehrchnell, dass für die übrigen Bereiche zu wenig Geld üb-ig bleibt. Das ist sicherlich nicht gut.
ber wir arbeiten an einer positiven Entwicklung, weni-er spektakulär als vermutet, aber sehr geradlinig undehr konsequent. Für den Sozialhaushalt bedeutet das:Erstens. Wir brauchen eine Balance zwischen dem,as der Staat für diejenigen leisten muss, die wirklicharauf angewiesen sind, und dem, was er insgesamt aus-eben kann. Also müssen entweder die Einnahmen stei-en oder die Ausgaben sinken – am besten beides, sagech.
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Waltraud LehnZweitens. Die zukünftigen Generationen, unsere Kin-der und Enkel, brauchen eigene Handlungsmöglichkei-ten. Deshalb müssen die Schulden abgebaut werden, siedürfen nicht erhöht werden. Wir brauchen mehr Geld fürBildung und Forschung; das sind Investitionen in un-sere Kinder und damit in unsere Zukunft.Drittens. Die Sicherung des Sozialstaates ist die besteGarantie für den sozialen Frieden und für Wachstumund Beschäftigung. Deshalb sind alle den Prinzipiendes Sozialstaates verpflichtet, auch diejenigen, die sichhier gelegentlich als nicht – oder ich sage besser: nichtmehr – zuständig empfinden.Diese drei Grundgedanken müssen wir berücksichti-gen, wenn wir über die Ausgaben für den Sozialstaat re-den. Das müssen auch diejenigen wissen, die die Hilfedes Staates beanspruchen. Sie müssen sich fragen lassen,ob sie wirklich alles getan haben, um sich selbst zu hel-fen, und ob sie wirklich alles einbringen, was ihnenmöglich ist. Es geht nicht, zunächst einmal zu schauen,was beim Staat zu holen ist, und sich erst dann darum zukümmern, was man selbst tun muss.
Aber, meine Damen und Herren, eine solche Haltunghat sich in den letzten Jahrzehnten auch deshalb, viel-leicht vor allem deshalb entwickelt, weil sowohl einigeProminente – da sind manche ehemalige Fußballspielernicht ausgenommen –
als auch manche Unternehmen in diesem Land alles,aber auch wirklich alles dafür tun, um sich von Steuer-zahlungen zu befreien.
Das exzessive Suchen und Ausnutzen von Steuer-schlupflöchern ist zu einer Selbstverständlichkeit, jaschon fast zu einem Sport geworden. Das hat nicht zu-letzt dazu geführt, dass auch die Menschen mit kleinemEinkommen nach Mitnahmemöglichkeiten suchen.Bei den Haushaltsberatungen ist die Finanzierung desBereichs Arbeit zugegebenermaßen der Bereich, der unszurzeit Sorgen bereitet. Wie schon im vergangenen Jahrliegen die Ausgaben beim Arbeitslosengeld II in die-sem Jahr voraussichtlich über dem ursprünglich ange-nommenen Wert. Grund dafür ist nach wie vor die hoheZahl an Bedarfsgemeinschaften sowie die steigende Zahlderjenigen Hilfebezieher, die ergänzend zum Arbeitslo-sengeld I oder ergänzend zu dem, was sie an Arbeitslohnerhalten, Arbeitslosengeld II erhalten müssen.Um den wahrscheinlichen Mehrbedarf hier ohne zu-sätzliche Neuverschuldung auszugleichen, haben wir beiden veranschlagten Ausgaben für die Eingliederung vonEmpfängern des Arbeitslosengelds II eine Sperre inHöhe von 1,1 Milliarden Euro vereinbart. Das ist unsnicht leicht gefallen; denn im Gegensatz zu dem, was Siegesagt haben, Frau Winterstein, sind bereits heute, wiedsMrnAtdnKncfSbbjwsdbSln–wdEiUsFgs
Frau Kollegin, weil ich vorgestern vom Bundesfi-
anzminister darauf keine Antwort erhalten habe, versu-
he ich es bei Ihnen – ermutigt auch von Ihrer klaren,
ast zu Ende geführten Andeutung. Könnte es sein, dass
ie mit den Fußballern auch den Kaiser Franz Becken-
auer meinen? Denn in der Presse steht, dass er in Kitz-
ühel seinen Steuerwohnsitz hat.
Der Finanzminister hat nicht geantwortet. So geht es
edenfalls durch die Presse: Ich hatte einmal ausnahms-
eise nicht nur nach der Steuermeidung durch Deut-
che Bank, BMW und Daimler-Chrysler gefragt, son-
ern eben auch nach Franz Beckenbauer. Wie kommt es
ei den Menschen an – um deren Steuersolidität haben
ie ja hier geworben –, wenn sich die Frau Bundeskanz-
erin in der Öffentlichkeit Tag für Tag, Stunde für Stunde
eben Franz Beckenbauer präsentiert?
Wir zahlen ordentlich unsere Steuern. Das erwarten
ir auch von dem, der als oberster Repräsentant der
eutschen Sportkultur fungieren möchte.
Ich will gerne auf die Frage eingehen.
Ich glaube, dass es falsch ist, wenn man hier nachinzelpersonen schaut, weil es ein kollektives Problemst. Es ist ein Problem von Menschen, die es ohne jedesnrechtsbewusstsein für selbstverständlich erachten, zuchauen, wie sie möglichst viel von ihrem Geld an derinanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben vorbei ir-endwohin transferieren können, wohin immer das auchein mag. Die Frage, ob das Herr Beckenbauer macht,
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Waltraud Lehnkann ich Ihnen überhaupt nicht beantworten. Ich kannIhnen aber eines sagen: Wir wissen, dass sich promi-nente Einzelpersonen so verhalten.Ich glaube, es war Herr Müller von der Firma, die dieMüller-Milch herstellt, der gesagt hat: Ich gehe in dieSchweiz, damit meine Erben von meinem großen Ver-mögen möglichst viel behalten. Solche Aussagen gibt esalso. Sie werden in den Medien nicht angegriffen und ih-nen wird meiner Meinung nach nicht mit der gebotenenSkepsis begegnet. Ich denke, dass diejenigen, die in die-sem Land davon profitieren, dass wir einen hohen Stan-dard haben und dass hier nach wie vor viele gut ausge-bildete Menschen arbeiten, insgesamt und jeden Tageine Verpflichtung gegenüber diesen Menschen und die-sem Land haben; denn es kann nicht sein, nur zu jubeln,wenn ein Tor für Deutschland geschossen wird.
Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage
des Kollegen Dehm?
Nein, ich denke, das sollten wir nicht tun, weil esdann ein Dialog wird. Am Rande des Plenums stehe ichaber gerne zu jedem Gespräch zur Verfügung.
– Ja, genau.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die In-strumente für den Arbeitsmarkt mit dem Ziel korrigiert,weniger Arbeitslose, längere Erwerbszeiten, einen weni-ger großzügigen Gestaltungsspielraum und eine Ein-schränkung der Möglichkeiten zum Missbrauch zu errei-chen. Ich sage aber noch einmal: Es sind weniger dieMissbräuche als die Gestaltungsmöglichkeiten, die unsProbleme machen. Um unser Ziel zu erreichen, brauchenwir Unternehmen, die ihrer Verantwortung endlich nach-kommen und nicht wie bisher trotz hoher Renditen Ent-lassungen vornehmen und Ausbildungsplätze streichen.
Durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosen-versicherung zum 1. Januar 2007 haben wir einen wich-tigen Impuls für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ge-schaffen. In den Wirtschaftsgutachten aller Institute– das hat man ja selten – wird bestätigt, dass die Rah-menbedingungen für eine kräftige Entspannung auf demArbeitsmarkt seit Jahren nicht so gut gewesen sind wiederzeit. Jetzt kommt es aber darauf an, dass die Wirt-schaft ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahr-nimmt.Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche-rung führt zu einer realen Entlastung der Arbeitgeberund der Beschäftigten um jeweils 2,8 Milliarden Euro.DBÜam1AdMidvdHmkwrZsASdctddDmEnbtBnHSUznnWw
Am Beispiel des Arbeitsmarkts wird deutlich, dasser Staat auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, umenschen zu unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen. Erst auch ein Beispiel dafür, dass wir bei knapper werden-en Haushaltsmitteln und bei großen Haushaltsdefizitenor den sicherlich unangenehmen Fragen stehen, waser Staat sinnvollerweise überhaupt leisten kann, welcheilfe politisch gewollt ist und wie sie ausgestaltet seinuss. Nur so werden wir den Sozialstaat sicher haltenönnen.
Wir stehen aber auch vor den Fragen, welche Verant-ortung der Einzelne hat und welche Verantwortung ge-ade auch die Wirtschaft und Unternehmen in diesemusammenhang haben. Ich halte es für einen ganz be-onderen Skandal, dass es Unternehmen gibt, die keineusbildungsplätze anbieten.
ie handeln damit nicht nur grob fahrlässig gegenüberen jungen Menschen, die einen Ausbildungsplatz su-hen, sondern sie schaffen mit dieser Verweigerungshal-ung Arbeitslose und somit die finanziellen Belastungenieses Landes von morgen.
Wir alle sind gefordert: die Politik, die Unternehmen,ie Gewerkschaften, aber auch jede und jeder Einzelne.ie Leistungsfähigkeit unseres Staates ist begrenzt. Wirüssen die hohe Staatsverschuldung von 1,4 Billionenuro abbauen. Die Bewegungsfreiheit kommender Ge-erationen darf nicht von einem engen Schuldenkorsettestimmt werden und wir müssen in die Zukunft inves-ieren.Wir müssen aber auch Verlässlichkeit schaffen, zumeispiel für die alten Menschen, die Rentner und Rent-erinnen und die Kranken, das heißt für diejenigen, dieilfe brauchen. Die Verlässlichkeit muss aber für beideeiten gelten. Die Menschen müssen wissen, dass sienterstützung erhalten, wenn sie sie brauchen. Gleich-eitig braucht der Staat die Gewissheit, dass seine Hilfeur dann in Anspruch genommen wird, wenn Selbsthilfeicht möglich ist.
ir brauchen Unternehmen, die ihr Heil nicht nur in Ge-innmaximierung suchen, sondern die sich ihrer gesell-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3685
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Waltraud Lehnschaftlichen Verantwortung bewusst sind und ihr gerechtwerden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping, Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauLehn, Sie haben viele Punkte angesprochen, bei denenwir von der Linken klatschen konnten. Aber man musssich in einer Haushaltsdebatte auch mit den Gesetzenauseinander setzen, die Sie in den letzten Wochen mitdurchgedrückt haben. Diese sprechen leider eine andereSprache.
Sie sprechen folgende Sprache: In dem Wahn, denschwarzen Peter für die Massenarbeitslosigkeit den Er-werbslosen in die Schuhe zu schieben, hat die große Ko-alition bisher leider vor nichts zurückgeschreckt, auchnicht vor der Verfassung. Verfassungsmäßig geschützteRechte und Prinzipien wurden leichtfertig geopfert.
Dies spiegelt sich auch im vorliegenden Haushalt wider.Darin sind bereits Kürzungen eingeplant, die durch dieVerschärfung der Hartz-IV-Regelungen erreicht werdensollen. Das möchte ich an drei Beispielen erläutern.Erstens. Die Umkehr der Beweislast bei denBedarfsgemeinschaften ist ein Angriff auf den Rechts-staat.
„Im Zweifel für den Angeklagten“ ist ein rechtsstaatli-ches Prinzip, das hierzulande selbst für Mörder gilt.Aber für Erwerbslose, die in einer Wohngemeinschaft le-ben, soll dies künftig außer Kraft gesetzt werden.
Der Bundessozialrichter Ulrich Werner hat diese Be-weislastumkehr zu Recht als völlig verkehrt bezeichnet.Ich zitiere seine Begründung:Weil zwei Personen im Rechtssinne nicht beweisenkönnen, dass sie einander nicht in einer eheähnli-chen Gemeinschaft verbunden sind, kann ihnenauch keine entsprechende Beweislastumkehr aufer-legt werden.Wir fordern die Koalition deswegen auf: Nehmen Sie dieBeweislastumkehr zurück!rGAsDsDbmngtUaIsgpdd–DdssUsnud
Wenn Sie sich so über unsere Kritik aufregen, dannöchte ich Sie daran erinnern, dass wir mit dieser Kritikicht alleine stehen. Namhafte Bürgerrechtsvereinigun-en wie der Republikanische Anwälteverein, das Komi-ee für Grundrechte und Demokratie, die Humanistischenion und viele andere kritisieren diese Entwicklungufs Schärfste.
n dem von ihnen verfassten Grundrechte-Report findenie ziemlich klare Worte zu den aktuellen Entwicklun-en. Darin heißt es:Hartz IV schafft Arbeitszwang statt Berufsfreiheitund pauschaliert die Menschenwürde.
Bei der Vorstellung des aktuellen Grundrechte-Re-orts in Karlsruhe fand die frühere Präsidentin des Bun-esverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, klare Worte fürie ständig am Kochen gehaltene Missbrauchsdebatte.Solch eine Geisteshaltung so Limbach zu der Missbrauchsunterstellung –mache unempfindlich für die Grund- und Men-schenrechte der sozial und ökonomisch Schwachen.
as ist das Urteil einer ehemaligen Präsidentin des Bun-esverfassungsgerichtes zu Ihrer Politik!Drittens. CDU, CSU und SPD rütteln am Sozial-taatsprinzip. Bei nicht willfährigem Verhalten könnenowohl das Arbeitslosengeld II als auch die Kosten dernterkunft um bis zu 100 Prozent gekürzt werden undelbst die Sachleistungen wie Lebensmittelkarten sindur eine Kannregelung und nicht definitiv garantiert.Wenn also Menschen im Zweifelsfall zum Hungernnd Frieren freigegeben werden,
ann ist das Sozialstaatsprinzip nun wahrlich gefährdet.
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3686 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Katja Kipping– Nein, es handelt sich eben nicht um Arbeitsplätze. Eswird gefordert, dass sie jedes, aber auch jedes Angebotannehmen müssen, jeden 1-Euro-Job und jede andereZwangsmaßnahme, die Sie sich einfallen lassen. An-sonsten können die Leistungen um 100 Prozent gekürztwerden. Sie sollten einmal Ihre eigenen Änderungsan-träge lesen.
Meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD,die Gewährung eines Existenzminimums für jedenMenschen ist keine Entscheidung, die unserer Laune ob-liegt, und auch nicht ein Akt besonderer Großzügigkeitoder Mildtätigkeit. Bei der Gewährung eines Existenz-minimums für jeden hier lebenden Menschen handelt essich schlicht und ergreifend um ein Verfassungsgebot –ein Verfassungsgebot, das wir ernst nehmen müssen undzu verteidigen haben.
Denn das Sozialstaatsprinzip genießt innerhalb unsererVerfassung einen besonderen Rang, schließlich ist esdurch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Grundgesetz ga-rantiert.Während Millionen Menschen in diesem Land nunmehr Armut und mehr Repressionen bange entgegense-hen, planen CDU und CSU weiteren Sozialraub. Offen-sichtlich sind inzwischen alle moralischen Dämme ge-brochen. Zumindest wird dieser Eindruck erweckt, wennman an die aktuellen Forderungen des arbeitsmarktpoli-tischen Sprechers Stefan Müller von der CDU/CSUdenkt. Er schlug vor, alle Langzeitarbeitslosen zu einemGemeinschaftsdienst zu verpflichten. Mit diesem Vor-stoß beweisen Sie eines ganz klar, nämlich dass Ihnendie Verfassung egal ist. Denn in Art. 12 Abs. 3 heißt eseindeutig:Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich verordne-ten Freiheitsentziehung zulässig.Als dieser menschenverachtende Vorstoß in der Zei-tung erschien, rief bei mir ganz aufgeregt eine Arbeitslo-sengeld-II-Bezieherin an und fragte mich, wann dieserArbeitsdienst eingerichtet werde. Ich muss sagen, es istverwunderlich, dass aus den Reihen von CDU/CSU zudiesem menschenverachtenden Vorstoß nur ein Satz zuhören war: Dies sei nicht abgestimmt. Als ob dieser Vor-stoß besser werden würde, wenn er abgestimmt wordenwäre. Deshalb fordern wir ganz klar: Distanzieren Siesich von dieser Zwangsmaßnahme!
Vor kurzem forderte der SPD-Vorsitzende Beck vonArmen und Erwerbslosen mehr Anstand ein. Man müsseja nicht alles herausholen, was einem zustehe. So Beckin Richtung der Erwerbslosen.Ja, mit vollem Bauch und gut gefülltem Konto lässtsich leicht Verzicht von denjenigen einfordern, denen esnicht so gut geht. Da drängt sich natürlich die Gegen-frage auf: Herr Beck, auf welche Steuervergünstigungenverzichten Sie denn in Zukunft freiwillig und selbstlos?
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Wenn bereits 51 Prozent der Ausgaben für Sozialesingesetzt werden, dann muss man sich doch fragen, obamit nicht ein ganz gewaltiges Zeichen für diesen So-ialstaat gesetzt worden ist.
Vielleicht sagen Sie einmal Ihren Leuten, dass wir da-an arbeiten müssen, dass jeder, der eine Arbeit angebo-en bekommt, diese auch annimmt; denn es sind auchhre Wähler als Arbeitnehmer, die an der Aufbringunger Mittel mittragen und die dafür mit zahlen müssen,ass andere eine Leistung bekommen können. Vielleichtagen Sie das Ihren Leuten einmal, wenn Sie hier schono großspurig auftreten.
Ich möchte auf die positiven Aspekte des Haushaltsu sprechen kommen; sie sind gewaltig. Der gewaltigstest, dass wir zum ersten Mal nach 21 Jahren keinen Bun-eszuschuss für die Bundesagentur für Arbeit benöti-en. Das ist eine Weichenstellung besonderer Art, und
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3687
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Hans-Joachim Fuchteldies bereits nach sieben Monaten große Koalition, FrauKollegin Winterstein.
Genauso wichtig sind die Weichenstellungen zuguns-ten von Beitragssenkungen im nächsten Jahr. Die Wei-chen wurden dabei so gestellt, dass die Bundesagenturfür Arbeit die Vorgabe von 1 Prozent tatsächlich bewälti-gen kann. Damit entfällt ein Risiko für den Bundeshaus-halt, wenn die Beitragssenkungen wirksam werden. Dasist ein ganz wichtiger Punkt.Nebenbei gesagt: Im Hinblick auf die prognostizierteEntwicklung der Rentenversicherung müssen wir unsebenfalls keine Sorgen um den Bundeshaushalt machen.Das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn es darum geht,die Zukunft zu gestalten.
Hier sind ordnungspolitische Fragen angesprochenworden. Die Arbeitslosenversicherung ist in allerersterLinie eine Risikoversicherung. Deswegen muss alles an-dere, was nicht der Risikoabsicherung dient, vom Steu-erzahler finanziert werden. Dementsprechend müssenwir unsere Politik gestalten. Das tun wir mit dem vorlie-genden Haushalt auch.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Entlastung derBeitragszahler. Leistung muss sich wieder lohnen. Wirsorgen dafür, indem wir die Beiträge senken. Es wird unsmit dem vorliegenden Haushalt gelingen, im nächstenJahr die Quote der Sozialabgaben auf unter 40 Prozentzu senken. Man hat sich dieses Ziel schon sehr lange ge-setzt, aber nie erreicht. Aber dieses Mal wird es gelin-gen, und dies bereits nach sieben Monaten große Koali-tion, Frau Winterstein.
Ich bin der Auffassung, dass trotz aller Problemewichtige und positive Signale von dem vorliegendenHaushalt ausgehen werden, und zwar auch für den erstenArbeitsmarkt; darauf kommt es an. Die Einschätzung istsicherlich richtig, dass durch die Umgestaltung der Ich-AG zu effektiveren, transparenteren und preisgünstige-ren Lösungen ein weiterer Beitrag zur Entlastung desHaushalts der Bundesagentur für Arbeit geleistet wirdund dass damit eine Sicherung gegeben ist, die dafürsorgt, dass wir keine Überraschungen erleben müssen,und zwar weder in diesem noch im nächsten Jahr. Somuss es weitergehen.In diesem Zusammenhang ist für meine Fraktion fol-gender Punkt sehr wichtig: Sollte die Bundesagentur fürArbeit Überschüsse erwirtschaften, dann sind sie in al-lererster Linie für weitere Beitragssenkungen zu verwen-den; denn nur auf diese Weise werden wir das Ziel errei-chen, die Beitragslast auf das Niveau von vor 1989 zureduzieren.
Wir sind auf einem guten Weg; er muss fortgesetzt wer-den. Mit einem Beitragssatz in der Arbeitslosenversiche-r1trLgdVwvnwha1ddwntbDwwAwtUatEdcstklzlwtgwdirsan
msetzung der beschlossenen Maßnahmen und Nutzungller Einsparungspotenziale, zunächst einmal im Verwal-ungsbereich, im Gesetzesvollzug und beim Missbrauch.s kann nicht so sein, dass sich die einen die Steuer undie anderen Hartz IV gestalten und dazwischen die ehrli-hen Steuerzahler und Leistungsempfänger sind. Wirind auf der Seite der ehrlichen Steuerzahler und Leis-ungsempfänger.
Deswegen muss Missbrauch mit aller Kraft be-ämpft werden. Missbrauch darf nicht länger ein Kava-iersdelikt sein. Es kann nicht sein, dass Missbrauchwar zur Anzeige gebracht wird, aber nicht zur Verurtei-ung führt, da die Verfahren in großem Stil eingestellterden. Sozialleistungsmissbrauch, egal wer ihn be-reibt, muss bekämpft werden. Daran muss stärker untereneralpräventiven Gesichtspunkten herangegangenerden, damit wir den Ehrlichen und den Schwachen,er die Leistung braucht, besser in Schutz nehmen undhm die Leistung auch gewähren können.In diesem Zusammenhang wird es natürlich auch da-auf ankommen, zu klären, wer bei den Arbeitsgemein-chaften künftig den Hut aufhat. Mir sagen die Kollegenus Thüringen beispielsweise, dass die Optionskommu-en wesentlich bessere Ergebnisse bringen als andere.
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3688 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Hans-Joachim Fuchtel
Ich höre, dass Arbeitsgemeinschaften mehr Selbststän-digkeit wünschen, um besser voranzukommen, die Spar-ziele besser einzuhalten und mehr Treffsicherheit zu er-reichen.Die Diskussion um Hartz IV ist noch nicht am Ende.Es gibt noch sehr viele Potenziale. Es wird uns gelingen,hier zu niedrigeren Ausgaben zu kommen, ohne dass wirden Leuten gleich etwas wegnehmen müssen. Das mussdie erste Zielsetzung bei dem Ganzen sein.Es kann nicht sein, dass die Leistung gewährt wird,sechs Monate lang nichts geschieht und dann die ersteMaßnahme beginnt. Wir müssen für Folgendes sorgen:Derjenige, der eine Leistung bekommt, muss unverzüg-lich und unmittelbar ein Angebot zur Arbeitsaufnahmeoder wenigstens zur Erprobung erhalten. Wenn wir daserreichen, werden die Leute von selbst daran interessiertsein, dass sie möglichst schnell aus dieser Situation he-rauskommen. Dann werden sich die Probleme auch sehrschnell etwas reduzieren.
Die Probleme sind da. Man muss wissen, dass bei-spielsweise 15 Prozent der Beratungsgespräche ausfal-len. Hier würden wir uns nichts vergeben, wenn wir dieLeute, die einfach nicht erscheinen, mit einer Säumnis-gebühr belegen würden.
So etwas muss einfach gemacht werden, um Zeichen zusetzen.
– Da schreien Sie. Ist es in Ordnung, wenn man einfachnicht erscheint und der Apparat stillsteht? Ihrer Ansichtnach macht das alles wohl nichts. Dieser Schlendriandarf aber nicht sein; sonst werden wir nie in eine entspre-chende finanzielle Situation kommen.
Ich möchte mich einem weiteren Punkt widmen, denauch schon die Kollegin Lehn angesprochen hat, näm-lich den Ausgaben für die Eingliederungshilfe. Hier un-terscheidet sich die Position der Union von jener derFDP. Man kann nicht einfach das Geld streichen undsagen: Dann gibt es halt nichts mehr. Aufgrund derbesonders hohen Arbeitslosigkeit in manchen Bereichenin Deutschland müssen wir sorgfältig mit den Einglie-derungsmaßnahmen umgehen. Richtig ist, dass 50 Pro-zent der Ausgaben in Richtung Ostdeutschland fließen,weil dort die Probleme am größten sind.Wir werden das Geld aber nicht unüberlegt unter dieLeute bringen, sondern gemeinsam mit dem Ministersehr sorgfältig darauf achten, dass effektiv gearbeitetwird und dass derjenige, der eine solche Leistung benö-tigt, die Chance hat, sie auch zu bekommen. Das Ganzedarf nicht nur fiskalisch betrachtet werden, sondern derMensch muss im Mittelpunkt stehen. Das ist christlich-dztgdddrswsnZBih4seBzAdw7h–PwatSücwVSissiÄ
Nächste Rednerin ist Kollegin Anja Hajduk, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohneweifel kann man an dem Etat Arbeit und Soziales vonundesminister Müntefering erkennen, wie schwierig esst, den Bundeshaushalt in Ordnung zu bringen. Es istier schon gesagt worden: Arbeit und Soziales machen5 Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt aus. Dasind keinesfalls schlechte Ausgaben; auch das sollte maninmal sagen. Aber es ist eine große Masse. Der größterocken davon ist die Rente mit 78 Milliarden Euro. Anweiter Stelle steht mit knapp 40 Milliarden Euro dierbeitsmarktpolitik im weiteren Sinne.Ich möchte ganz kurz etwas zur Rente sagen, weil unsieser Punkt auch in Zukunft sehr stark beschäftigenird. So richtig ich es finde, dass Sie die Rente ab7 Jahren – Entschuldigung, ab 67 Jahren – eingeführtaben
das wäre auch wirklich falsch –, so muss ich doch aufrobleme hinweisen, die noch ungelöst sind. Ich er-ähne dieses Thema, obwohl es unpopulär ist. Ich habeber gerade wieder feststellen können, mit wie viel posi-iver Herausforderung die Rentenreform in Finnland undchweden angegangen wurde. Dort wurde ebenfallsber die Verlängerung der Lebensarbeitszeit gespro-hen. Es ging auch um eine freiwillige Verlängerung;er es sich leisten kann, kann früher aufhören. Aber dieerlängerung der Lebensarbeitszeit wird dort auch alsicherung des Lebensstandards im Alter begriffen. Dasst eine vernünftige Richtung. Ich will Ihnen gerne zuge-tehen, Herr Müntefering, dass es nicht immer leicht ist,o etwas öffentlich zu vermitteln. Aber es ist ehrlich undm sozialen Sinne mit Blick auf den Lebensstandard vonlteren notwendig und richtig.
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Anja HajdukWie sieht die Lage bei der Rentenversicherung aus?Sie haben einen Rentenversicherungsbericht vorgelegt,der den Zeitraum bis 2019 umfasst. Außerdem haben Siesich das Ziel gesetzt, die Rentenausgaben im Haushaltzu entdynamisieren. Da kann ich nur sagen: Sie habeneine Mogelpackung gebunden. Sie wissen schon jetzt,dass aus dem Haushalt 600 Millionen Euro zusätzlichgezahlt werden müssen, damit der Rentenbeitrag imJahr 2008 nicht erneut steigt. Die Prognose im Renten-bericht zeigt: Die Rentenleistungen sind nur konstant zuhalten, wenn wir Lohnzuwächse von 2,5 Prozent, eindurchschnittliches Wachstum von 1,7 Prozent – waswünschenswert wäre – und eine geringe Arbeitslosen-zahl voraussetzen. Ich nenne diese drei Bedingungen,damit wir wissen – das ist ehrlich –, nur wenn diese Be-dingungen erfüllt werden, sind die Renten finanziert.Das heißt, dass in der Rentenfinanzierung immer nochgroße Risiken bestehen und weitere Reformanstrengun-gen nötig sein werden.
Dies macht deutlich: Wenn wir die Rente sichern wol-len, dann muss unsere Arbeitsmarktpolitik erfolgreicherwerden. Hierin besteht ein elementarer Zusammenhangim Hinblick auf die Finanzierung der Renten, aber auchim Hinblick auf eine erfolgreiche Gesellschaftspolitik.Jetzt komme ich zum Thema Arbeitsmarkt und zudem, was die große Koalition in diesem Zusammenhangtut. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag wird um2 Prozentpunkte gesenkt. Herr Fuchtel, zur Souveränitätder CDU/CSU sollte es auch gehören, anzuerkennen,dass, wenn die Bundesagentur für Arbeit dieses Jahrkeinen Zuschuss braucht und sie letztes Jahr nur einensehr geringen benötigt hat, dies die Reformdividende ei-ner vernünftigen rot-grünen Arbeitsmarktpolitik ist. Siesollten die Souveränität haben, dies anzuerkennen; dennSie profitieren in der großen Koalition davon. Da siehtman: Arbeitsmarktreformen brauchen manchmal Zeitund haben zum Beispiel in diesem Fall Erfolg; dasmöchte ich an dieser Stelle feststellen.
Dann möchte ich darauf eingehen, was getan werdenmuss, wenn das so bleiben soll. Man muss der Ehrlich-keit halber sagen: Dass die Bundesagentur in Zukunftkeinen Zuschuss mehr braucht, hat mit einer schwierigenMaßnahme zu tun. Wir haben entschieden: Die maxi-male Bezugsdauer wird beim Arbeitslosengeld I von32 Monate auf 18 bzw. zwölf Monate gekürzt. Nochheute wettert Herr Rüttgers dagegen.Aber wenn Sie es befürworten, die Bundesagentur fürArbeit ohne einen Zuschuss im Haushalt zu balancieren,dann war auch diese unpopuläre Maßnahme richtig. Esgeht letztlich um Steuergeld, das ansonsten falsch einge-setzt würde. Es ist vernünftig, dass diese unpopuläreMaßnahme getroffen wurde. Das ist eine zweite erfolg-reiche Maßnahme, die wir unter Rot-Grün beschlossenhaben und auf die Sie, Herr Müntefering, aufbauen kön-nen. Ich möchte das heute ausdrücklich feststellen.–Sfr2AzdibRu4dEnaenKwMdUAggsmfrriEumShzKfsch
Ich freue mich über Applaus aus der SPD an diesertelle; das ist auch selbstverständlich.Jetzt komme ich zum Thema Hartz IV. Was war dasür eine Diskussion über die Kostenexplosion im Be-eich Hartz IV? Man muss einmal genauer hinschauen:004, also vor der Reform, haben sich – das hat uns derrbeitsminister vorgerechnet – die Ausgaben für die So-ialhilfe und die alte Arbeitslosenhilfe auf 38,6 Milliar-en Euro summiert. Wenn man davon ausgeht, dass wirn 2005 und auch heute mehr Leistungsempfänger ha-en, und diese Zahlen nach den Bestimmungen der altenechtslage hochrechnet, kommt man für Bund, Ländernd Gemeinden auf Ausgaben in Höhe von ungefähr3 Milliarden Euro. Die tatsächlichen Ausgaben nacher neuen Gesetzgebung lagen in 2005 bei 44 Milliardenuro. Die Behauptung einer Kostenexplosion ist alsoicht richtig,
uch wenn die Höhe der Kosten ein Problem ist.Das Argument der Kostenexplosion wird benutzt, umine Missbrauchsdebatte führen zu können. Ich muss Ih-en sagen: Daran erkennt man die tiefe Spaltung deroalition in einer der wichtigsten politischen Fragen, dieir in Deutschland zu lösen haben. Diejenigen, die dieissbrauchsdebatte forcieren, zielen darauf, Einschnitteurchzusetzen. Das kommt stark aus dem Bereich dernion. Damit hat die SPD natürlich ein großes Problem.uch wenn sich Herr Beck in dieser Sache entsprechendeäußert hat, weiß ich, dass der Minister entschieden ge-en diese Missbrauchsdebatte argumentiert.Hier wird sehr deutlich: Sie haben zwei ganz unter-chiedliche Konzepte in Bezug auf das Thema, wie wirit der Langzeitarbeitslosigkeit umgehen sollten. Es istür das Land ein Problem, dass Sie an dieser Stelle nichtichtig zusammenkommen und deswegen keine erfolg-eichen Lösungen vorschlagen können.
Ich muss in diesem Zusammenhang ergänzen – dennch will nicht behaupten, dass, wenn wir 44 Milliardenuro für diesen Bereich ausgeben, dies keine Steigerungnd dies in Ordnung sei –: Aber wenn wir in der Arbeits-arktpolitik Erfolg haben, dann erreichen wir auch eineenkung der Ausgaben in diesem Bereich. Aber Erfolgat man nicht, wenn man einfach Leistungen streicht.
Zum Abschluss komme ich auf den Kern der Sacheu sprechen. Die große Koalition hat sich jetzt zu einemompromiss durchgerungen, der den hundertprozentigalschen Akzent setzt. Sie haben entschieden: Wenn die-es Jahr die Mittel für das Arbeitslosengeld II nicht rei-hen, dann ziehen wir dafür die Eingliederungshilfeneran. So kann man argumentieren; Frau Winterstein
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3690 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Anja Hajdukvon der FDP hat dies vorgeschlagen. Ich halte es für diefalsche, alte deutsche Arbeitsmarktpolitik,
Transferzahlungen zu gewährleisten und billigend keineFördermittel auszugeben.
Wir müssen wissen: Fördern und Fordern gehören zu-sammen. Aber auch Fordern muss ein Angebot beinhal-ten. Herr Fuchtel, wenn Sie zugestehen, –
Frau Kollegin!
– ich komme zum Schluss –, dass es zu wenig Ein-
gliederungsgespräche und zu wenig Angebote gibt, dann
ist der Vorwurf des Missbrauchs haltlos und der Mangel
an Fördern Ihre politische Fehlentscheidung. Damit
kommen wir in Zukunft nicht weiter.
Frau Lehn, ich weiß, dass Sie mir an dieser Stelle zu-
stimmen.
Frau Kollegin, Sie sprechen auf Kosten der Redezeit
Ihres Kollegen.
Mein allerletzter Satz. – Ich muss eines noch sagen:
Die Kollegin Lehn hat gemeint, die Opposition sei in
drei unterschiedliche Lager gespalten. Wissen Sie, was
das Problem ist? Diese Regierung ist in Bezug auf die
Arbeitsmarktpolitik in zwei tief gespaltene Lager aus-
einander gefallen. Das ist das Problem für die Arbeits-
marktpolitik in Zukunft in Deutschland.
Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention der Kol-
legin Claudia Winterstein.
Frau Hajduk, ich denke, Sie haben mich da vorhin
völlig falsch verstanden. Es bestehen in dieser Frage in-
sofern zwischen uns überhaupt keine Differenzen, im
Gegenteil: Ich habe das angeprangert und habe gesagt,
ich halte es für fatal, wenn eine Summe in andere Berei-
che geschoben wird, die dort überhaupt nicht hingehört.
Ich habe mich dagegen ausgesprochen, dass diese
1,1 Milliarden Euro, wenn sie denn dann mit einem
Sperrvermerk versehen werden, für andere Bereiche ver-
wendet werden. Da haben Sie mich völlig falsch verstan-
den.
Um das noch einmal deutlich zu machen: Wir haben
orhin davon gesprochen, dass wir eine Summe von
,5 Milliarden Euro für richtig halten; das ist die
umme, die wir im letzten Jahr in diesem Bereich ausge-
eben haben. Insofern wollen wir den eingeschlagenen
eg fortsetzen. Wir haben festgestellt, dass in diesem
ahr 1,1 Milliarden Euro ausgegeben worden sind und
ass wir mit dieser Summe auch in Zukunft auskommen
erden.
In Bezug auf das, was Sie hinsichtlich der Eingliede-
ungshilfen gesagt haben, habe ich gesagt, ich halte es
icht für richtig, dass man in diesem Bereich einen
perrvermerk vorsieht und diesen Betrag letztendlich für
ndere Dinge verwendet und eventuell entstandene Lö-
her damit ausfüllt. Das war der entscheidende Punkt.
Frau Kollegin Winterstein, an dem einen Punkt will
ch zugestehen – so habe ich das auch verstanden –, dass
ie von einer Deckungsfähigkeit zwischen den Mitteln
ür die Eingliederungshilfen und denen für das
rbeitslosengeld II nichts halten. Das nehme ich zur
enntnis und das deckt sich auch mit meiner Erinne-
ung. Aber Sie haben ja parallel einen Kürzungsvor-
chlag für die Eingliederungsmittel eingebracht. Das war
ein Punkt. Da haben wir eine Differenz. Sie wollen,
ass in diesem Bereich insgesamt Einsparmöglichkeiten
ealisiert werden; wir wollen zweierlei: Wir wollen, dass
as Fördern gelingt, weil wir davon ausgehen, dass dann
eim Arbeitslosengeld II in der Folge viel mehr einge-
part wird, da die Leute wieder in Beschäftigung kom-
en. Das hat ja auch das durchgeführte Benchmarking
it anderen Ländern gezeigt und der Bundesrechnungs-
of hat gesagt: Die Hauptschwierigkeit bei der Bundes-
gentur – sie hieß damals noch „Bundesanstalt“ – liegt in
er Qualität der Vermittlung; das muss verbessert wer-
en. Die große Koalition betätigt in dieser Frage gerade
ie Bremse; ich will ja noch nicht sagen, sie legt den
ückwärtsgang ein. Aber eine deutliche Bremswirkung
st es schon, weil die diesbezüglichen Vorstellungen von
DU/CSU und SPD sehr weit auseinander gehen. Das
eigt auch, dass wir bei der Arbeitsmarktpolitik leider
ine Zukunft vor uns haben, von der ich mir nicht viel
erspreche.
Die FDP hat in dieser Frage ein ganz anderes Konzept
ls die Grünen; das kann ja auch so stehen bleiben.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe,DU/CSU-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3691
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir reden bei diesem Einzelplan über rund die Hälfte
des Bundeshaushalts. Ich finde, es ist sinnvoll, einige
Zahlen und Fakten zur Entwicklung auf dem Arbeits-
markt in Erinnerung zu rufen. Wir haben natürlich im-
mer noch zu viele Arbeitslose in Deutschland – das
macht es notwendig, im Bereich Arbeit und Soziales
noch viel Geld auszugeben –, aber wir haben ausweis-
lich der Maizahlen, die uns vorliegen, 350 000 Arbeits-
lose weniger als im Vorjahresmonat. Das ist der stärkste
Rückgang in einem Mai seit der Wiedervereinigung. Wir
haben bei den Jüngeren einen Rückgang der Arbeitslo-
sigkeit um 85 000 gegenüber dem Vorjahresmonat. Die
Zahl der Erwerbstätigen insgesamt ist gegenüber dem
Vorjahresmonat um 6 000 gestiegen. Wir haben den
Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten fast gestoppt. Es ist allerdings keine gute
Nachricht, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten unter 26 Millionen liegt. Diese negative
Entwicklung müssen wir nicht nur stoppen, sondern wir
müssen in diesem Bereich zu einem Aufwuchs kommen.
Wir sind da auf dem richtigen Weg. Denn wir haben ei-
nen bemerkenswert hohen Zuwachs an offenen Stellen.
Im Jahresvergleich stieg die Zahl der offenen Stellen um
83 000 auf 405 000. Wenn man die Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt betrachtet, zeigt sich: Wir sind noch lange
nicht am Ziel. Aber diese große Koalition ist nach sieben
Monaten auf dem richtigen Weg in der Arbeitsmarkt-
politik und bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Wir haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, mit
denen wir diese Entwicklung in der Zukunft flankieren
werden. Ich will nur auf den neu geschaffenen Grün-
dungszuschuss verweisen, der dafür sorgen wird, dass
wir mit weniger Geld sehr viel effektiver Existenzgrün-
dungen fördern können, als dies in der Vergangenheit
der Fall gewesen ist.
Wir haben auch festzustellen, dass wir im so genann-
ten Hartz-IV-Bereich, mit dem SGB-II-Änderungsgesetz
und dem SGB-II-Fortentwicklungsgesetz eine ganze
Menge geschafft haben. Wir können realistischerweise
davon ausgehen, dass wir durch eine Konzentration der
Hilfe auf diejenigen, die diese Hilfe wirklich brauchen,
und durch eine Verbesserung im organisatorischen Be-
reich vom nächsten Jahr an knapp 4 Milliarden Euro im
Jahr einsparen werden. Wir erreichen dies nicht durch
Kahlschlag, sondern, wie gesagt, durch die Konzentra-
tion der Hilfe auf diejenigen, die sie wirklich brauchen.
Das ist unser Anspruch. Da stehen wir an der Seite der
gesamten Bundesregierung.
Heute vor einem Jahr – da stimmen sogar Kollege van
Essen und andere Freie Demokraten zu – war ein guter
Tag für Nordrhein-Westfalen.
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Das bedeutet auch, dass wir uns nicht auf dem Er-
eichten ausruhen. Wir haben uns vorgenommen, dass
ir im Herbst dieses Jahres ein Kombilohnmodell vorle-
en werden. Es ist ganz selbstverständlich, dass wir uns
n diesem Zusammenhang beispielsweise mit der Zuver-
ienstregelung beschäftigen müssen, die es in unserem
ozialsystem, insbesondere beim Arbeitslosengeld II,
ibt. Man muss feststellen, dass es im Moment in diesem
ystem relativ unkompliziert ist – das wird auch gerne in
nspruch genommen –, zum Arbeitslosengeld II ein we-
ig hinzuzuverdienen. Aber es gibt aufgrund des von uns
eschaffenen Transfersystems zu wenige Anreize, über
eringfügige Beschäftigung – beispielsweise 400-Euro-
obs – hinaus in Vollzeitarbeit zu kommen.
Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung haben
ir die Situation, dass viele Leistungen, die die Sozial-
ilfeempfänger früher bekommen haben, deutlich ausge-
eitet wurden. Wir haben also keinen Kahlschlag
emacht, sondern wir haben in vielen Bereichen eine
eutliche Leistungsausweitung durchgeführt. Diesen
unkt, Frau Kollegin Hajduk, bitte ich doch zur Kennt-
is zu nehmen: Es geht nicht um die Kostenexplosion.
ls Sie noch an der Regierung waren, haben Sie sich bei
en Kosten im Vergleich zum Ansatz um einen zweistel-
igen Milliardenbetrag verschätzt.
as machen wir jetzt anders. Jetzt rechnen wir solide,
uch wenn das zu schwierigen Einsparoperationen führt.
as ist der Unterschied zu früher.
Wir werden uns im Rahmen des Kombilohnmodells
nd der Neuordnung des Niedriglohnbereichs auch mit
er Frage beschäftigen müssen, wie wir die Zuverdienst-
egelungen so gestalten können, dass es für die Betroffe-
en sinnvoll ist, nicht nur ein wenig hinzuzuverdienen,
ondern durch eigene Anstrengungen aus dem System
es Transferbezugs herauszukommen. Das werden wir
naufgeregt und zielorientiert machen.
Herr Kollege Brauksiepe, gestatten Sie eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Kurth?
Aber gerne. Denn gleich kann er nicht mehr so langeeden, weil die Kollegin Hajduk dies schon vor ihm ge-an hat. Bitte.
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3692 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Herr Brauksiepe, Sie bringen mich dazu, zu fragen,
ob Ihnen bekannt ist, dass von den gut 800 000 Men-
schen, die zum Arbeitslosengeld II hinzuverdienen, im-
merhin die Hälfte, nämlich mehr als 400 000, nach Erhe-
bungen der BA tatsächlich mehr als 400 Euro verdient.
Diese Menschen verdienen sehr wohl über die Geringfü-
gigkeitsgrenze hinaus.
Stimmen Sie mir auch zu, dass es bei der früheren Ar-
beitslosenhilfe einen Freibetrag beim Zuverdienst von
165 Euro gab und dass jetzt beim Arbeitslosengeld II
erst bei einem Zuverdienst von 400 Euro ein Freibetrag
von 160 Euro erreicht wird, wir also das Niveau der Zu-
verdienstmöglichkeiten gerade einmal gehalten und kei-
neswegs unmäßig ausgedehnt haben, damals übrigens
– daran darf ich Sie erinnern – mithilfe einer Interven-
tion der Grünen?
Herr Kollege Kurth, ich denke, wir stimmen in derFeststellung überein, dass es einen hohen Zuwachs so-wohl bei Bedarfsgemeinschaften als auch bei so genann-ten Aufstockern gibt. Es muss uns doch, wie ich finde,gemeinsam darum gehen, diejenigen zu unterstützen, dieauf die Stunde bezogen wenig verdienen, und nicht die-jenigen, die die Möglichkeit haben, die Anzahl ihrer Ar-beitsstunden zu reduzieren, und sich dann das fehlendeGeld vom Staat holen. Es muss dazu kommen, dass sichjeder fragt: „Was kann ich selber tun, um eigene Hilfebe-dürftigkeit zu reduzieren und abzubauen?“, und nicht:„Wie viel darf ich dazuverdienen, damit ich weiterhinGeld vom Staat erhalte?“ Darum geht es doch.
Wir brauchen uns nicht über Zahlen zu streiten, vielmehrmuss es um das Ziel gehen. Es geht doch nicht darum, zuverhindern, dass einer etwas dazu verdienen kann, son-dern darum, die Zuverdienstmöglichkeiten so zu gestal-ten, dass ein Anreiz für die Menschen besteht, reguläreArbeit aufzunehmen.Etwas anderes, Herr Kurth, ist doch auch klar: Wenndie Bundesagentur 405 000 offene Stellen meldet – Sielesen doch auch diese Meldungen – und zugleich davonausgeht, dass ihr nur ein Drittel der offenen Stellen ge-meldet werden, dann müsste es 1,2 Millionen Stellen ge-ben, die zu besetzen sind. Diese müssten auch von Men-schen besetzt werden können, die jetzt als AufstockerTransferleistungen vom Staat bekommen, obwohl sieohne diese Transferleistungen auskommen könnten. Dasist jedenfalls unsere Überzeugung. Deswegen arbeitenwir auch an diesem Punkt, liebe Kolleginnen und Kolle-gen.
Es geht also nicht darum, dass man bei denen kürzt,die mit den Leistungen gemäß Regelsatz auskommenmüssen. Diese sind nicht hoch; das ist wahr. Es gehtvielmehr darum, dass wir die Schwachen, die wirklichder Hilfe bedürfen, von denjenigen trennen, die, obwohlsie eigentlich, wie es die Bundeskanzlerin schon in ihrerRasZMjtkuRdfHflNbrSRnwtsrAddamddhwsFWwguszudrgsjF
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,as haben Sie, nachdem die von Ihnen mitgetragene Re-ierung bis acht Tage vor dem Stichtag nichts getan hat,m den Rentenbericht vorzulegen, versucht, zu skandali-ieren, dass die neue Regierung den Bericht nicht bisum Stichtag vorgelegt hat. Als wir ihn dann vorgelegtnd diskutiert haben, ist Ihnen von den Grünen nichts zuiesem Thema eingefallen. Als wir einen solide vorbe-eiteten Bericht vorgelegt haben, ist gar nichts von Ihnenekommen, nachdem Sie vorher Zeter und Mordio ge-chrien haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ista schon erstaunlich, wie bei Ihnen die Diskussion zurrage Rente mit 67 verläuft. Der Kollege Kolb hat mit
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3693
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Dr. Ralf Brauksiepeeinigen anderen Getreuen auf dem FDP-Bundesparteitageinen Antrag mit dem Ziel vorgelegt, das Renteneintritts-alter auf 67 Jahre zu erhöhen. Der FDP-Parteitag hat die-sen Antrag des Kollegen Kolb und anderer abgelehnt.Die Begründung – vorgetragen vom BundesvorsitzendenWesterwelle – lautete, das wäre nur eine fette Rentenkür-zung. Der Antrag ist abgelehnt worden. Lieber Herr Kol-lege Kolb, ich war kürzlich auf einer Veranstaltung, aufder zur Rente mit 67 so wie bei Ihnen in der FDP argu-mentiert worden ist. Das war der DGB-Kongress. Das,was Guido Westerwelle zum Nein zur Rente mit 67 sagt,höre ich hier sonst nur von Ursula Engelen-Kefer.
Das ist wirklich ein tolles Paar, das sich da in der Ren-tenpolitik gefunden hat.
In einer Agenturmeldung war zu lesen: GuidoWesterwelle und Dirk Niebel warnten erfolgreich vor ei-nem derartigen Beschluss, weil er die FDP in Mithaftungfür das Vorhaben von Arbeitsminister Franz Münteferingnehmen würde, das letztlich auf Rentenkürzung hinaus-liefe. Der Kollege Kolb mahnte vergeblich die FDP zurEhrlichkeit. – So ist es, Herr Kollege Kolb.
Sie haben es versucht, aber mit Ihrem Versuch, Ehrlich-keit in Ihre Partei zu bringen, sind Sie leider gescheitert.Deswegen seien Sie ganz sicher, Herr Kollege Kolb: Wirwerden solchen populistischen Versuchungen widerste-hen. Wir werden weiter eine solide Rentenpolitik ma-chen. Wir werden die gesetzliche Rente so fortentwi-ckeln, dass sie nicht die alleinige, so bedeutende Säulewie zurzeit bleibt, aber dass sich die Menschen auf dieseSäule der Alterssicherung verlassen können. Das ist keinpopulärer Weg, aber wir werden ihn gemeinsam im Inte-resse der Menschen gehen, die diesen Weg mit uns ge-hen wollen.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Brauksiepe, auf die Rentenfrage komme ich imLaufe meiner Rede selbstverständlich zurück. Ich willaber zunächst einmal wiederholen, was schon gesagtworden ist. Wir reden über 46 Prozent des Bundeshaus-haltes, wenn wir über den Einzelplan 11 diskutieren. Esist noch nicht gesagt worden, dass die Ausgaben in die-sem Bereich in 2006 um 4 Prozent ansteigen – in absolu-ten Zahlen sind das 4,8 Milliarden Euro – und diesesomit deutlich stärker als das Bruttoinlandsprodukt stei-gen, für das in diesem Jahr ein Plus von 1,6 Prozent er-wartet wird. Die Konsequenz daraus ist – das will ich andqtaaidvSgrtdE3gdMSnadddknsHdbsmTnwsks1cwgwd2dsDnnnmstj
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3694 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Darüber haben wir auf unserem Parteitag offen diskutiertund am Schluss eine entsprechende Entscheidung getrof-fen.An Leistungskürzungen – Herr Brauksiepe, das istein Punkt, bei dem Sie zuhören sollten –,
die bei schwacher Konjunktur das Defizit allein be-grenzen könnten, trauen Sie sich nicht heran, obwohl sieIhnen vom Sachverständigenrat nahe gelegt wurden. DieFrage ist, ob man bei den arbeitsmarktbedingten Er-werbsminderungsrenten jährlich 1,7 Milliarden Euroeinsparen will oder nicht. Müssen Teilerwerbsgemin-derte – wir stellen uns dieser Frage; Sie sollten das auchtun – wirklich volle Erwerbsminderungsrenten erhalten?Der Sachverständigenrat weist auch darauf hin, dassbei den Hinterbliebenenrenten jährlich 4,5 MilliardenEuro eingespart werden könnten, wenn diese Renten erstab dem 60. Lebensjahr und nicht bereits ab dem45. Lebensjahr gezahlt würden. Die Frage ist, ob es nochdem Bild moderner Eigenverantwortlichkeit entspricht,wenn Regelungen, die auf die Gesellschaftsverhältnissevon vor 40 Jahren zugeschnitten sind, weiterhin gelten.Der Sachverständigenrat jedenfalls weist ausdrücklichdarauf hin, dass es sich hierbei um eine versicherungs-fremde Leistung handelt, die durch den Bundeszuschussbisher nicht abgedeckt ist.Ich warne davor, Erfolge auf dem Arbeitsmarkt zuverkünden – Herr Brauksiepe, Sie haben das getan –;denn an dieser Front gibt es allem Schönreden zum Trotzweiterhin keine Entwarnung. Die sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung – das ist das Maß der Dinge,wenn wir über die Sicherung der sozialen Systemereden – unterschreitet weiterhin Monat für Monat dasVorjahresniveau. Nach ersten, vorläufigen Hochrech-nungen lag die Anzahl der Arbeitsplätze im März bei25,91 Millionen. Das waren erneut 88 000 Arbeitsplätzeweniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Dasentspricht einem Verlust von zwar durchschnittlich nurnoch 1 700 Arbeitsplätzen pro Kalenderwoche; einenüberragenden arbeitsmarktpolitischen Erfolg kann ichdarin aber nicht sehen.sBbHgsgwtBeseGdeJ2MerSrkHadDnhGdrvrgldlhSwlg
err Brandner, es ist absehbar, dass dieser Trend weiter-eht und auch die Insolvenzen bei den kleinen Betriebenind im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Ver-leichszeitraum um 9 Prozent gestiegen. Das heißt, dassir bei großen wie bei kleinen Betrieben von einer posi-iven wirtschaftlichen Entwicklung weit entfernt sind.
Ich will noch etwas zu Hartz IV sagen. Herrrandner, auch hier steuern Sie zu spät und zu wenigntschieden gegen. Im Haushaltsvollzug des Jahres 2005ind die Kosten klar angestiegen. Nach den Zahlen desrsten Quartals ist bereits klar, dass die vorgesehenenelder auch 2006 nicht reichen werden. Herr Brandner,eswegen bleibt Harzt IV das Haushaltsrisiko Nummerins. Ihre Planung lässt vollkommen offen, wie Sie imahr 2007 eine Reduktion der Leistungsausgaben auf0,6 Milliarden Euro erreichen wollen.
it dem SGB-II-Änderungsgesetz und dem SGB-II-Fort-ntwicklungsgesetz werden Sie das jedenfalls nicht er-eichen. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann solltenie es wenigstens Herrn Rappe glauben, unserem frühe-en Kollegen und heutigen Ombudsmann, der klipp undlar gesagt hat, dass das nicht so schnell gehen wird, wieerr Müntefering glaubt.
Wir brauchen eine grundlegende Reform. Das sagenuch einige aus den Reihen der großen Koalition. Was heißtas? Man muss nicht nur an den Missbrauch herangehen.as ist zwar auch ein Thema, auf das der Bundesrech-ungshof hinweist. Am Ende ist das Leistungsvolumen voneute aber das Ergebnis gewollter Entscheidungen desesetzgebers. Der Gesetzgeber muss andere Entschei-ungen treffen. Er muss prüfen, ob er die Leistungsvo-aussetzungen wieder dem Niveau annähern will, dasor der Reform geherrscht hat, beispielsweise im Be-eich der Sozialhilfe. Der Gesetzgeber muss auch denrundsätzlichen Konstruktionsfehler beseitigen, näm-ich die ungeklärte Kompetenzverteilung zwischen Bun-esagentur, Kommunen und Arbeitsgemeinschaften.Wenn beides nicht geleistet wird, ist das keine grund-egende Reform. Ohne eine grundlegende Reform, dieoffentlich im Herbst kommen wird – ich hoffe, dass diechritte dann nicht so halbherzig sein werden wie bisher –,ird die Konsolidierung im Bereich Hartz IV nicht ge-ingen können.Insgesamt kann man sagen: Ohne einen durchschla-enden Erfolg am Arbeitsmarkt werden wir die Pro-
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Dr. Heinrich L. Kolbbleme im Bereich der sozialen Sicherung nicht in denGriff bekommen, werden die Haushaltsrisiken, die sichaus dem Einzelplan 11 ergeben – ich habe versucht, dasan den Beispielen Rente und Hartz IV deutlich zu ma-chen –, weiterhin als Damoklesschwert über der Haus-haltskonsolidierung hängen. Dazu braucht es aber einevernünftige Arbeitsmarktpolitik mit einer Steuerreformund mit Änderungen der Arbeitsmarktrahmenbedingun-gen. Wenn Sie dies verweigern – ich sehe hier keinenKonsens in der großen Koalition –, wird es keine echtenErfolge geben können.
Herr Kollege Kolb!
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Der Einzel-
plan 11 bleibt auf der Agenda. Schon im Herbst werden
Sie zeigen müssen, ob Sie wirklich bereit sind, hier
nachzubessern oder nicht. Wir werden das mit Interesse
beobachten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner, SPD-Frak-
tion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Oberstes Ziel der Koalition ist dieSchaffung von mehr Beschäftigung in Deutschland. Dasist keine Frage nur eines einzelnen Politikbereiches, son-dern eine Gesamtaufgabe für mehr Wachstum und mehrBeschäftigung.Wir dürfen der Opposition heute einmal ganz klar zurKenntnis geben, dass sich die Perspektiven für mehrWachstum und für mehr Beschäftigung in Deutschlanddeutlich aufgehellt haben.
Wir haben ein dynamisches Wachstum. Damit wer-den wir von unseren europäischen Nachbarländern wie-der als Konjunkturlokomotive wahrgenommen. Wir soll-ten uns das von der FDP mit ihrer Risikodebatte, HerrKolb, nicht kleinreden lassen.
Mich freut es – das sage ich hier ganz deutlich –,wenn die OECD und einige Institute sagen, dass diesesWachstum von der Mehrwertsteuererhöhung im nächs-ten Jahr nicht nachhaltig gebremst wird. Die OECD pro-gnostiziert für das nächste Jahr ein Wachstum von1KwdDusgsaGvSBnshGFnPmsWdttEmB–wrAgunIVhwWdggw
Was ein positiver Schwung in den Köpfen alles zu be-irken vermag, das erleben wir zurzeit ganz konkret inen Stadien, auf den Straßen und auf den Plätzen ineutschland. Wir brauchen diese Aufbruchstimmungnd, wenn es sein darf, auch ein wenig Euphorie statttändiges Lamentieren, dass dies oder jenes nicht schnellenug geht.
Dies möchte ich auch als Hinweis an die Wirt-chaftsverbände richten, die wieder einmal in unnach-hmlicher Art ein zu geringes Reformtempo beklagen.erade ihnen möchte ich sagen: Machen Sie erst einmalor Ihrer Haustür Platz, machen Sie Ihre Hausaufgaben!orgen Sie lieber für die Einhaltung Ihrer Zusagen, zumeispiel im Rahmen des Ausbildungspakts! Damit kön-en Sie Freude auslösen. Damit können Sie jungen Men-chen eine Perspektive schaffen. Eines lassen Sie sicheute ganz klipp und klar sagen: Wir werden Ihnen denefallen nicht tun, Sie anschließend öffentlich überachkräftemangel klagen zu lassen, wenn Sie sich heuteicht verantwortlich an der Ausbildungsfront zeigen.olitik ist kein Ausputzer für eigene Versäumnisse. Dasuss in einer Haushaltsdebatte über arbeitsmarktpoliti-che Fragen deutlich gesagt werden.
Wir haben eine positive Stimmung in diesem Land.ir haben mit unserer Politik, wie ich finde, erheblichazu beigetragen: mit dem Wachstumspakt mit Investi-ionen in Höhe von 25 Milliarden Euro, mit dem Innova-ionspakt mit Investitionen in Höhe von 6 Milliardenuro, mit der Verbreiterung der Gewerbesteuerbasis undit der Förderung der Ganztagsschulen, um nur einigeeispiele zu nennen.Auf dem Arbeitsmarkt kommt diese EntwicklungKollege Brauksiepe hat sehr detailliert darauf hinge-iesen – allmählich an. Unsere Politik ist in diesem Be-eich erfolgreich. Im Mai dieses Jahres ist die Zahl derrbeitslosen saisonbereinigt um 93 000 zurückgegan-en. Auch die Zahl der Erwerbstätigen steigt wieder an,m 10 000 im letzten Monat, Herr Kolb.Man kann einwenden, es gehe alles nicht schnell ge-ug. Es müssen aber auch alle Beteiligten mitmachen.ch will das sagen, ohne auf die gesamtwirtschaftlicheerantwortung der Unternehmen und deren Gewinneinzuweisen. Mittlerweile sollten alle in diesem Landissen, dass eine Angebotspolitik zur Steigerung derettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht alleinazu dienen sollte, die Unternehmensgewinne zu stei-ern, sondern auch dazu, für mehr Arbeitsplätze zu sor-en und bestehende Arbeitsplätze zu erhalten. Das, wasir gerade über die Allianz und andere gehört haben, ist
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Klaus Brandnerein nicht willkommener Akt. Das muss an dieser Stelleeinmal deutlich gesagt werden.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen: diekommunalen Investitionen. Die finanzielle Entlastungdurch den Bund hat erheblich dazu beigetragen, dass dieGewerbesteuereinnahmen in weiten Teilen des Landessprudeln. Insofern haben nun auch die Kommunen einengewissen Spielraum, diese zusätzlichen Einnahmennicht nur zum Sparen und Entschulden zu nutzen, son-dern sie auch für kommunale Investitionen und damitzur Förderung von Wachstum und zur Stärkung der Bin-nennachfrage einzusetzen. Deshalb fände ich es richtig,wenn die Kommunen diese Mehreinnahmen für mehr In-vestitionen nutzen würden. Diejenigen, die auf kommu-naler Ebene Verantwortung tragen, fordere ich auf: Neh-men Sie Ihre wachstumspolitische Verantwortung auchin Ihrem eigenen Interesse wahr!
Lassen Sie mich etwas zum Haushalt des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales sagen. WaltraudLehn, unsere Berichterstatterin, hat darauf hingewiesen,dass dieser Haushalt von besonderer Relevanz ist. Ermacht 46 Prozent des gesamten Bundeshaushalts aus.Damit setzen wir sozialpolitische Prioritäten. Deshalbbin ich sehr irritiert, wenn ich zur Kenntnis nehmenmuss, dass der Haushalt für Arbeit und Soziales von vie-len allein unter dem Aspekt des Sparens betrachtet wird.An dieser Stelle nimmt die Diskussion, wie wir es auchheute wieder erleben konnten, mitunter bizarre Konturenan. Da werden einerseits die Leistungen beim Regelsatzoder bei den pauschalierten Einmalzahlungen gekürztund andererseits die Arbeitssuchenden unter Generalver-dacht gestellt, und das alles nur, weil man sparenmöchte.Um es an dieser Stelle klipp und klar zu sagen: Das istund wird kein Ansatz der SPD werden. Wir sagen Neinzur allgemeinen Diffamierung der Arbeitssuchenden.Wir sagen Nein zur ideenlosen Kürzung von Leistungen.Und wir sagen Nein zur weiteren Verunsicherung derMenschen in unserem Land.
Für die SPD sind die Arbeitsmarktpolitik und die So-zialpolitik mehr als nur Debatten über Kosten und Miss-brauch. Wir stehen für bessere und schnellere Vermitt-lung und für bessere und schnellere Qualifizierung derArbeitssuchenden. In diesem Zusammenhang will ichbetonen: Wer morgen mehr Innovationen haben möchte,muss die Menschen heute qualifizieren. Diese Binsen-weisheit sollten alle beachten, die die Mittel, die für dieQualifizierung zur Verfügung stehen, für zweifelhafteKombilohnprojekte ausgeben wollen. Die Qualifizie-rung der Menschen ist für den nachhaltigen Abbau derAnWdtgUdOkbslddfnfd–KdpBtnHezsfDrJBstwbdwnhbd
Dies gilt im Übrigen auch für das Arbeitslosengeld I.ir freuen uns, dass die Vermittlung von Arbeitsloseneutlich verbessert worden ist und dass die Bundesagen-ur für Arbeit Überschüsse erzielt. Auch das ist ein Er-ebnis unserer Reformpolitik und ihrer erfolgreichenmsetzung durch die Bundesagentur für Arbeit.An dieser Stelle gilt allen Beschäftigten der BA under Arbeitsgemeinschaften sowie den Aktiven in denptionskommunen mein Dank dafür, dass sie diesenomplizierten Umbauprozess mit so viel Engagementegleiten. Denn gerade sie sorgen dafür, dass die Men-chen gar nicht erst in die Langzeitarbeitslosigkeit ent-assen werden. Es war schon immer unser erklärtes Ziel,afür zu sorgen, dass die Vermittlung schnell erfolgt undass diese schnelle Vermittlung zu Effizienzgewinnenührt und dadurch Beitragssenkungen möglich werden.In der letzten Legislaturperiode haben wir die dafürotwendigen Reformen vorbereitet. Jetzt setzen wir sieort. Ich möchte ganz deutlich sagen, dass die Senkunger Lohnnebenkosten für uns auch weiterhin ein Zielich betone: ein Ziel – bleibt, um die Wirtschaft vonosten zu befreien und den Arbeitnehmern netto mehr iner Tasche zu verschaffen. Das ist unzweifelhaft einositiver Beitrag zur Schaffung von mehr Wachstum undeschäftigung. Es ist allerdings irritierend, dass die ers-en Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik von Einzelnen ge-utzt werden, um weitere Beitragssenkungen zu fordern.ierfür brauchen wir zunächst eine solide Finanzbasis;inmalige Überschüsse reichen nicht aus.Klar ist – damit bin ich wieder beim Thema Qualifi-ierung –: Auch für Arbeitslosengeld-I-Empfänger müs-en wir mehr, bessere und teilweise auch längere Quali-izierungsmaßnahmen auf den Weg bringen.
eshalb fordern wir die BA auf, mehr für die Qualifizie-ung dieser Menschen zu tun, und zwar schon im erstenahr ihrer Arbeitslosigkeit. Es kommt darauf an, dass dieetreuungskunden schon im ersten Jahr ihrer Arbeitslo-igkeit die erforderlichen Qualifizierungsangebote erhal-en. Hier darf nicht an der falschen Stelle gesparterden. Es muss sichergestellt werden, dass Langzeitar-eitslosigkeit von vornherein vermieden wird.
Ich möchte unsere Position zur gegenwärtigen Spar-ebatte auf den Punkt bringen: Wir müssen sparen undir müssen alles tun, um nicht gewollte Leistungsmit-ahmen zu vermeiden. Aber im Zentrum unserer Bemü-ungen muss die qualitative Arbeitsmarktpolitik stehen:essere Vermittlung und bessere Qualifizierung.Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der iner öffentlichen Debatte eine Rolle spielt: die Grund-
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Klaus Brandnerrevision, von der auch Herr Fuchtel heute Morgen einigeFacetten angesprochen hat. Besonders aus den Reihender Länder kommt die Forderung nach einer solchenGeneralrevision von Hartz IV. Für mich ist es schonerstaunlich, wer hierbei populistisch über Land zieht unddurch die Medien geistert. Das sind dieselben Herren,die die gegenwärtigen Organisationsstrukturen im Ver-mittlungsausschuss erst eingeführt haben.
Jetzt, ein Jahr nach der Einführung, wollen sie alles überBord werfen und sich aus der gemeinsamen Verantwor-tung stehlen.
Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass wir in derArbeitsmarktpolitik sowohl bei den Organisationsstruk-turen als auch bei weiteren Reformmaßnahmen keineSchnellschüsse gebrauchen können. Was die FDP fordert– die Abschaffung der Arbeitsagenturen –, ist nichts an-deres als eine weitere Verunsicherung der Menschen indiesem Land. Aber auch die Debatte, wer denn nun denHut aufhat, sollten wir sehr sorgfältig führen. Wir solltendie Ergebnisse der Evaluation abwarten; dann könnenwir zielgenau einzelne Absprachen treffen, KollegeFuchtel.In diesem Zusammenhang will ich klar sagen: Ichfinde es gut, dass Sie dem Minister die volle Unterstüt-zung zugesichert haben für eine sachpolitische Ausein-andersetzung; denn was uns heute an Daten vorliegt, istviel zu wenig, um jetzt schon bewerten zu können, werdie Arbeitsvermittlung besser oder schöner oder noch ef-fizienter betreiben kann. Wir sind darauf angewiesen,zunächst einmal eine solide Datenbasis zu erarbeiten,aufgrund derer wir entscheiden können, wer die Arbeits-marktpolitik letztlich effizienter voranbringen kann.Deshalb bitte ich darum, dass man diesen Prozess inaller Sorgfalt angeht und am Ende nicht ideologisch ent-scheidet, sondern seine Entscheidung unter Berücksich-tigung der in den ersten Jahren gewonnenen Erkennt-nisse trifft.
Zur Rente werden wir noch vieles sagen müssen; mirist die Zeit ein bisschen weggelaufen.
– Ihnen auch. – Deshalb will ich nur sagen: 78 Milliar-den Euro für die verschiedenen Leistungen der gesetzli-chen Rentenversicherung sind ein Posten, der die Fanta-sie vieler anregt und sie fragen lässt, ob da nicht etwasgestrichen oder gekürzt werden kann. Als verantwor-tungsvoller Sozialpolitiker will ich an dieser Stelle deut-lich sagen: Da kann man nur den Kopf schütteln. An dergefundenen Klarheit in der Rentenpolitik darf man nichtherumbasteln; denn man muss wissen, wofür es denBundeszuschuss gibt, nämlich zur Finanzierung nichtbeitragsgedeckter Ausgaben.uvtbklkuDbHSukAlAIkIlBdsBwEsgu
Das Wort hat die Kollegin Kornelia Möller, Fraktion
ie Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichleibe dabei: Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz.artz IV muss weg.
tatt Arbeitsplätze zu schaffen, treten Sie, meine Damennd Herren von der großen Koalition, eine Missbrauchs-ampagne gegen Menschen los, die Ihre Politik erst insbseits gestellt hat. Welch ein Hohn!Ich freue mich natürlich, zu hören, dass sich der Kol-ege Brandner davon distanziert.
ber, Herr Kollege Brandner, auch ich kenne – um aufhre Rede zurückzukommen – den schönen Spruch: Traueiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.
ch finde, Sie sollten das hier in diesem Hause außen vorassen und nicht erzählen, die BA gibt weniger aus, dieA hat Überschüsse, wenn Sie nicht gleichzeitig sagen,ass die Leistungen um zwei Drittel gekürzt wordenind.
Mein Eindruck ist, dass ein unqualifiziertes Aus-dem-auch-heraus-Handeln, ohne Fakten zu berücksichtigen,eiter Einzug in die Arbeit dieser Koalition hält.Ich finde, der „Spiegel“ vom 12. Juni 2006 hat Recht.r nennt die Arbeit der großen Koalition einen „Schmal-purbetrieb im Bundestag“, bei dem es vorrangig um dasroße Freizeitangebot in Berlin, die Segelmöglichkeitennd nette Wanderungen zu gehen scheint.
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Kornelia MöllerNicht, dass ich Ihnen das Segeln neiden würde, HerrRunde. Aber ich habe gestern mit einer allein erziehen-den Mutter gesprochen, die ihren Kindern wieder sagenmusste: In diesem Monat fällt das Kino aus. Das tut weh.Diesen Zustand muss Politik ändern.
Es kann nicht sein, dass über Schicksale Politiker undPolitikerinnen entscheiden, von denen manche augen-scheinlich jeden Bezug zur Realität verloren haben
und die für einen Cappuccino im Nobelrestaurant mehrbezahlen, als ein Jungerwachsener am ganzen Tag fürNahrung ausgeben kann.
Jetzt zu einem aus dem Hause der CDU-Scharfma-cher. In einem Interview vom 30. Mai 2006 in der „Mit-telbayerischen Zeitung“ las ich, dass Sie, HerrBrauksiepe, eine nachhaltige, verantwortungsbewussteHaushaltspolitik im Auge hätten. Es mag ja sein, dassSie etwas im Auge haben, etwas, das Sie blind macht fürdie Würde arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger diesesLandes, etwas, das Sie blind macht für die Wichtigkeitder Ankurbelung der Binnennachfrage und für eine zu-kunftsweisende Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspoli-tik. Eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik ist es je-doch nicht, die Sie im Auge haben.
Seit 1999 hat Rot-Grün Steuerschenkungsgesetzefür Großindustrie und Spitzenverdiener verabschiedet,die unsere Volkswirtschaft jährlich über 20 MilliardenEuro kosten. Aus vollem Hals haben Sie angekündigt:So werden Arbeitsplätze entstehen. Nur, wo sind dieMillionen Arbeitsplätze? Und wo sind die MillionenEuro, die Sie den Konzernen geschenkt haben? Dochmanche sind unbelehrbar. Aus den Reihen von CDU undCSU ist immer wieder zu hören, dass die gemachtenSteuergeschenke nicht reichen; Pläne für weitere Schen-kungen liegen bereits in schwarz-roten Schubladen.Sie haben gänzlich übersehen, dass in diesem Landdie klein- und mittelständischen Unternehmen circa60 Prozent der Arbeitsplätze und circa 70 Prozent derAusbildungsplätze schaffen. Doch statt die klein- undmittelständischen Unternehmen zu unterstützen, indemSie Gesetze verabschieden, die die Binnennachfrage undKaufkraft stärken, schwächen Sie weiter die Binnen-nachfrage, von der diese Unternehmen abhängig sind.Sie, meine Damen und Herren der großen Koalition,kommen mir vor wie Zauberlehrlinge.Um Ihnen fachlich unter die Arme zu greifen, schla-gen wir, die Linksfraktion im Bundestag, zur verfahre-nen Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün, fortentwickeltdurch Schwarz-Rot, folgende Alternativen vor: dieNachfrage nach Arbeit stärken, Maßnahmen zur Stär-kung der Binnennachfrage und damit der Kaufkraft eta-blieren. Schauen Sie dabei in unseren Antrag für einengBpsuluesudfmalarhbagguksrusUdudtsfTMsf
un Sie endlich etwas dafür!Soziale Gerechtigkeit beginnt und endet da, wo derensch und die Menschenwürde das Maß aller Dingeind. Das gilt auch für Sie, für Herrn Müntefering undür Frau Merkel.Ich danke Ihnen.
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Nächster Redner ist der Kollege Markus Kurth, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte mit etwas Grundsätzlichem beginnen. Wirreden hier über einen Einzelplan, der nicht nur 45 Pro-zent des Gesamthaushalts ausmacht, sondern durch denfür Millionen von Menschen, die ihren Lebensunterhaltzumeist nicht, nicht vollständig, nicht mehr oder vo-rübergehend nicht aus eigener Arbeit oder Vermögen be-streiten können, nämlich für Rentnerinnen und Rentner,Arbeitslose und zum Teil auch Menschen mit Behinde-rungen, auch sozialstaatliche Leistungsgarantien ge-geben werden. Man muss sich in Erinnerung rufen: Fastjede Person in Deutschland ist auf diese sozialstaatlichenLeistungsgarantien angewiesen. Für die meisten gilt dasspätestens aufgrund der Rente im Alter, für viele gilt dasaber auch einmal oder häufiger aufgrund von Arbeitslo-sigkeit während ihres Erwerbslebens.Wegen dieser elementaren Bedeutung ist das Sozial-staatsprinzip ebenso wie das Rechtstaatprinzip als funda-mentales Prinzip im Grundgesetz verankert. Ich glaube,in einer Zeit und einem Klima, in dem leichtfertig ver-fassungsmäßige Grundsätze wie etwa auch das Existenz-minimum infrage gestellt werden, ohne dass die Hinter-gründe bekannt oder politisch thematisiert werden, mussman einmal grundsätzlich an diese Tatsachen erinnern.
Beispiele für dieses Infragestellen sind Legion, und zwarvorwiegend von der Union. Zum Beispiel stellt derHaushaltsexperte Kampeter den Regelsatz einfach ein-mal so freihändig infrage.Nun sind – das will ich hier insgesamt gerne zugeste-hen – sozialstaatliche Garantien nicht in Stein gemeißeltund natürlich immer auch Gegenstand von politischenVerhandlungen, bei der die Finanzbasis des Staates undseine Stabilität mitberücksichtigt werden müssen. DieMenschen, die aktuell oder möglicherweise in Zukunftauf diese sozialstaatlichen Garantien angewiesen sind,können aber erwarten, dass ihre Abgeordneten, ihre Ver-treterinnen und Vertreter hier auf einer rationalen Grund-lage nüchtern und vor allen Dingen tatsachengestütztüber die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips redenund verhandeln. Genau das geschieht im Moment nicht.
Herr Kauder von der Union unterstellt den Arbeitslo-sen, sie wollten den ganzen Tag im Bett liegen. HerrMüller von der CSU
möchte alle morgens zum Appell antreten lassen.
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Herr Kauder hat indirekt angedeutet, dass die Arbeits-osen den ganzen Tag im Bett lägen.
Es wird auch nicht dadurch besser, dass Herr Becken Eindruck erweckt, im Rahmen des bestehenden Re-elsatzes gäbe es noch Einsparpotenziale und manönnte auf das eine oder andere verzichten. Zur Redlich-eit gehört auch, nicht so zu tun, als gäbe es an diesertelle noch Spielräume.Frau Lehn, auch Sie haben diese Argumentation ver-reten. Die Sache wird aber nicht dadurch besser, dassan auf diejenigen verweist, die legale Mittel nutzen,m Steuern zu sparen oder zu verkürzen. Ich frage mich,o ich eigentlich bin, wenn der Gesetzgeber von diesemult aus die Bürgerinnen und Bürger, die das Gesetz zuhren Gunsten nutzen, auffordert, dies nicht zu tun.
ir sind der Gesetzgeber. Wenn wir bestimmte Mög-ichkeiten der Steuerverkürzung nicht wollen, dann müs-en wir eben die Gesetze entsprechend ändern,
tatt den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, dassie als Bettelmönche herumlaufen sollen.
Zur Redlichkeit gehört auch – das ist die Basis derolitik –, den Hintergrund der so genannten Miss-rauchs- bzw. Schmarotzerdebatte zu betrachten. Sehrnteressant fand ich eine Meldung, die erst gestern voner Bundesagentur für Arbeit bekannt gegeben wurde.ie Bundesagentur und die Job-Center haben 3,2 Millio-en Datensätze verglichen. Ich kann Ihnen sagen, wieiele Missbrauchsfälle bei dem in diesem Umfang bisherinmaligen Datenabgleich aufgedeckt worden sind. Esind insgesamt 22 900 Fälle, in denen Betrug oder einetraftat wegen falscher Angaben vermutet worden ist.as ist noch nicht einmal 1 Prozent der Leistungsbezie-er.Es wird für Sie noch bitterer, meine Damen und Her-en von der großen Koalition. Sie glauben, bei den Miss-rauchsfällen wahnsinnig viel einsparen zu können. Das
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Markus KurthVolumen der Rückforderungen von zu Unrecht gezahl-ten Leistungen beträgt aber nicht einmal 36 MillionenEuro. Das bewegt sich im Verhältnis zu den Gesamtaus-gaben im Promillebereich.
Das macht auf dramatische Weise deutlich, dass Siein eine völlig falsche Richtung steuern. Sie konzentrie-ren sich auf eine Missbrauchsdebatte, obwohl der eigent-liche Skandal darin besteht, dass das Fördern ausbleibt.Herr Brandner, Sie haben Ihre guten Absichten erklärtund dargestellt, was Sie tun wollen.
Aber ich frage Sie: Warum gibt es immer noch zahllose1-Euro-Jobs? Warum führen Sie keine Umstellung aufdie Deckungsfähigkeit von aktiven und passiven Leis-tungen durch, um mit den Mitteln des Arbeitslosengel-des II auch sozialversicherungspflichtige Jobs zu schaf-fen? Warum ändern Sie nicht die Strukturen hinsichtlichder Qualifikation?Nicht der Missbrauch ist ein Skandal, sondern dieTatsache, dass die Fördermittel von Ihnen eingefrorenwerden und nicht mit der notwendigen Vehemenz – dazuist auch vom Minister wenig zu hören; vielleicht könnenSie gleich noch etwas dazu sagen – darauf hingewiesenwird, dass wir nicht nur eine Mehraufwandsentschädi-gung, sondern Förderung wollen und dass wir denMenschen in Arbeitslosigkeit eine realistische Perspek-tive bieten wollen. Wir wollen aber keine ziellose Miss-brauchsdebatte, die weder in unserem Sinne, noch imSinne der Menschen in diesem Land etwas bringt.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Meckelburg
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Mich stört an der Debatte, Herr Kurth,dass die gesamte Diskussion über das Arbeitslosen-geld II und alle damit verbundenen Instrumente undMöglichkeiten von Ihnen und auch den Linken auf dieFrage des Missbrauchs und die vermeintliche Absichtder großen Koalition reduziert wird, Menschen in Armutzu bringen.
Es ist aber Unsinn, die Debatte darauf zu reduzieren.Es geht doch darum, den Prozess, den wir über politi-sche Grenzen hinweg angefangen haben, fortzusetzenursSzwwRed3Mzsmeste1BsAks4mkgbgdpkSm1snsWPae1kwH
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Wenn wir über Kombilohn, Mindestlohn und diesenganzen Themenbereich diskutieren, will ich einmal derpolitischen Diskussion sozusagen für die zweite Halbzeitnoch ein paar Vorlagen geben.
– Ich weiß nicht, ob wir das alles mit Ihnen schnellerhinbekommen hätten, mit den Voraussetzungen, die Sieuns finanziell erlaubt hätten.Wenn wir über Kombilohn und Mindestlohn spre-chen, dann kann man doch nicht über diese Fragen dis-kutieren, wenn man nicht parallel über die FrageArbeitslosengeld und Hinzuverdienst redet.
– Und Mindestlohn. Das habe ich gerade gesagt. Daswurde ja vereinbart. Ich will nur sagen, worüber wirdann auch sprechen müssen. Wir müssen in diesem Zu-sHMidlheEdfssvtVfbAAsnbfFdWzGddfdEGsowpReiSsgg
in Kombilohn besteht für mich jedenfalls aus Lohn aufem ersten Arbeitsmarkt plus ein bisschen Zusatztrans-er. Aber viele Menschen scheinen noch nicht so weit zuein. Oft wird nur danach gefragt, was einem staatlicher-eits zusteht und wie viel man bei Sozialtransfer hinzu-erdienen darf. Ziel muss aber sein, eine Politik zu be-reiben, die der Integration auf dem ersten Arbeitsmarktorfahrt gibt. Das ist die wichtigste Aufgabe, die wir er-üllen müssen.
Wir müssen außerdem über das offensichtliche Pro-lem des Aufstockens reden. Jemand, der Anspruch aufrbeitslosengeld I hat, kann es auf das Niveau desrbeitslosengeldes II aufstocken, wenn das Arbeitslo-engeld I niedriger ist. Das kann man sozialpolitischoch vertreten. Jemand, der einen Job auf dem ersten Ar-eitsmarkt hat und nicht genügend verdient, kann eben-alls auf das ALG-II-Niveau aufstocken. Aber das hatormen angenommen, die vermuten lassen, dass es beier gegenwärtigen Mentalität zu Missbrauch kommt.ir, der Gesetzgeber, haben hier offenbar etwas produ-iert, über dessen Richtigkeit wir nachdenken sollten.enau das ist gemeint, wenn wir über eine Revision re-en.
Zum Schluss möchte ich noch eine Brücke schlagen,amit wir das in der großen Koalition gemeinsam schaf-en. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, siehties genauso. Er sagt:Das Verbleiben in der Arbeitslosigkeit muss unat-traktiver werden im Vergleich zu einer Beschäfti-gungsaufnahme – und zwar insbesondere im Hin-blick auf solche Arbeitsverhältnisse, die auch dieregistrierte Arbeitslosigkeit verringern.r fügt hinzu, dass das Arbeitslosengeld II nicht alsrundsicherung für diejenigen gedacht sei, „die kein Be-chäftigungsinteresse haben“. Darüber muss man dochffen reden dürfen, ohne dass man sich dauernd den Vor-urf zuzieht, man wolle nur kürzen. Wir müssen über-rüfen, ob die Regelungen funktionieren, egal ob imahmen einer Totalrevision oder in einem länger dau-rnden Prozess. Zielrichtung muss sein, mehr Menschenn den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Einen erstenchritt hat die große Koalition gemacht. Ich glaube, wirind auf einem guten Weg und werden gemeinsam genü-end Kraft tanken, um auch die strittigen Themen anzu-ehen.
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Wolfgang Meckelburg
Das Wort hat jetzt der Bundesminister FranzMüntefering.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undSoziales:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte mich zuerst beim gesamten Parlament sowie ins-besondere beim Haushaltsausschuss und beim Fachaus-schuss für die gute Zusammenarbeit bedanken. Wir ha-ben manche Stunde darauf verwandt. Aber ich glaube, eshat sich gelohnt. Wir haben einen guten, überzeugendenund zukunftsfähigen Haushalt vorgelegt. Wir wissen,dass wir in den nächsten Jahren über die richtigen Ent-scheidungen heftig zu streiten haben. Aber ich denke,die Debatte lohnt sich.Ich bin über die Argumente von der linken und derrechten Seite ein bisschen enttäuscht. Ich frage mich,warum wir überhaupt eine solche Debatte führen. Ent-weder verstehen Sie nicht oder Sie wollen nicht verste-hen oder ich habe mich missverständlich ausgedrückt;das kann natürlich sein. Ich will das – ganz bescheiden –offen lassen. Ich bin jedenfalls ein bisschen verwundert.Die Qualität einer Opposition kann man immer daran er-kennen, ob auf die Argumente der Regierung eingegan-gen wird oder ob einfach Reden gehalten werden, dieman schon seit einem halben Jahr kennt. Ich denke je-denfalls, wir sind ein ganzes Stück weitergekommen.
Diese große Koalition hat auch zum Bereich Arbeitund Soziales ein schlüssiges, vernünftiges und belastba-res Konzept vorgelegt. Wir sind mit der Umsetzung die-ses Konzeptes in der Zeit. Manche sprechen mich an undsagen: Ihr müsst viel schneller machen. Diesen sage ich:Das geht nicht; denn wir müssen Zeit haben, nachzuden-ken und die Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten.Manche Wissenschaftler warnen mich vor Aktionismusund empfehlen, abzuwarten; es kläre sich alles vonselbst. Diesen sage ich: Es klärt sich nicht alles vonselbst. Es kommt darauf an, dass wir das richtige Tempound den richtigen Rhythmus haben, wenn es darum geht,die Dinge zu entscheiden.Ich will ein paar Punkte ansprechen, von denen ichmeine, dass man sich mit ihnen sehr gut sehen lassenkann:Die Arbeitslosenzahl liegt um etwa 350 000 unterden Zahlen von vor einem Jahr. Das ist kein Grund fürEuphorie. Wir haben auch keine Jubelgesänge ange-stimmt. Aber 350 000 sind auch keine Kleinigkeit. Beiden arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren sind es85 000 weniger. Bei den über 50-Jährigen sind es etwa50 000 weniger. Es bewegt sich was in Deutschland. Dasist nicht zufällig. Das ist lange vorbereitet worden, auchvon dieser Koalition vorbereitet worden.SlrrebazMwbAANwznvjdsawzsmeASrSdwgEtdhdddddgg8knWvnvtet
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Nur als Stichwort – einige Kollegen haben es schonangesprochen –: Ich halte die Zurückhaltung, die derzeitnoch auf dem Ausbildungsmarkt herrscht, nicht nur fürschade, sondern für fast skandalös.
Die jungen Leute, die jetzt aus den Schulen kommen,müssen eine Chance haben. Die Einstellung, die manche– auch große – Unternehmen vermitteln, indem sie sa-gen: „Wir bilden nicht aus, weil wir die Auszubildendenin drei Jahren nicht einstellen können“, ist falsch. Werausgebildet ist, hat eine größere Chance. Man kann dieZahl der Ausbildungsplätze in den Unternehmen nichtan der Zahl der Arbeitnehmer messen, die die Unterneh-men selbst nach drei Jahren benötigen. Sie müssen viel-mehr allen eine Chance geben. Zwei Drittel der jungenMenschen, die arbeitslos sind, sind ohne Ausbildung.Wer keine Ausbildung hat, hat fast keine Chance.Deshalb appelliere ich von hier aus noch einmal analle diejenigen, die dabei mithelfen können: Sorgt dafür,dass die jungen Leute eine Chance haben!DsckHEd5sFNMseBeszcIDSgmzBbmndhdmswDMm„zsmdSmn
en jungen Leuten sage ich: Versucht, nicht nur an dempeziellen Interesse festzuhalten, das ihr habt! Es gibt si-her auch andere Ausbildungen, die für euch infrageommen.Im Stakkato der Zeitplan: Jetzt geht es um denaushalt 2006. Noch vor der Sommerpause werden wirckpunkte zur Initiative 50 plus vorlegen. Wir wissen,ass wir die Verantwortung dafür haben, dass die 50- und5-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr so abge-choben werden, wie das in den vergangenen Jahren derall war. Wir werden im Herbst eine Debatte über deniedriglohn, den Mindestlohn und den Kombilohn, überini- und Midijobs führen und darüber, wie das alles zu-ammenpasst.In diesem Zusammenhang werden wir natürlich auchine Diskussion über das Verhältnis dieses Themas zumereich des Arbeitslosengeldes II zu führen haben. Denns ist klar: In der allgemeinen, öffentlichen Debatte be-teht die Gefahr, dass das Arbeitslosengeld II in die „So-ialhilferisierung“ – wenn ich das Wort einmal gebrau-hen darf – abrutscht. Das Arbeitslosengeld II ist einnstrument, das sich auf den Arbeitsmarkt orientiert.iejenigen, die es erhalten, sollen auf den Arbeitsmarkt.ie sollen sich nicht dauerhaft mit dem Arbeitslosen-eld II einrichten. Wir wollen das nicht. Wir wollen viel-ehr, dass es für sie Impulse gibt, auf den Arbeitsmarktu kommen. Wir müssen aufpassen, dass an dieser Stelleewegung entsteht.Herr Kurth hat hier sehr lange über angeblichen Miss-rauch in diesem Zusammenhang gesprochen. Es fälltir leicht, darauf einzugehen. Mich können Sie damiticht gemeint haben; ich spreche nicht davon. Wenn Sieas, was da stattfindet, nicht wollen, dann müssen Sieelfen, das Gesetz zu verändern. Das habe ich getan undas tue ich auch. Wenn man Missbrauch nicht will, dannuss man entsprechenden Gesetzesänderungen auch zu-timmen. Dann darf man sie nicht auch noch bekämpfen,enn sie auf der Tagesordnung stehen.
a wird noch einiges zu tun sein.Wenn jemand seit fünf Jahren mit einem anderenenschen in einem Haus bzw. auf einem Flur zusam-enwohnt und sie gemeinsame Kinder haben, aber sagt:Eine Partnerschaft besteht bei uns nicht; wir wollen alswei Bedarfsgemeinschaften anerkannt werden“, dannage ich dazu: Das ist doch Wahnsinn. Es muss dochöglich sein, zu sagen: Das müsst ihr beweisen. Das istie Umkehr der Beweislast. Dies ist übrigens keinechnüffelei. Dies werden wir zu Ende führen. Dazuuss man mal ein deutliches Wort sagen; das kann dochicht sein.
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Bundesminister Franz MünteferingWenn ein Selbstständiger sagt: „Ich habe in den letz-ten Monaten nicht genug Geschäfte gemacht und bittedarum, meine Einkünfte mit Arbeitslosengeld II aufzu-füllen“ und ihm wird eine Beschäftigung angeboten, dieer aber mit der Begründung ablehnt, dass er seine ge-samte Arbeitszeit für die Akquisition im Rahmen seinesBetriebes benötige, dann muss man sich fragen: Ist dasSinn der Veranstaltung, die wir da machen? Darübermüssen wir sprechen. Wir werden Wege finden, das einStück weit zu korrigieren.Ich will abschließend feststellen: Das, was ich zu die-sem Haushalt gesagt habe, klingt zuversichtlich; ichweiß das. Ich will aber ausdrücklich festhalten: Wir wer-den in den nächsten Jahren erhebliche Schwierigkeitenhaben, mit unseren finanziellen Herausforderungen klar-zukommen. Ich stehe voll hinter dem Finanzminister.Wir werden nicht von der Linie abgehen, Art. 115 desGrundgesetzes und die Maastrichtkriterien zu erfüllen.Denn wir dürfen und wir können uns das nicht leisten.Das wäre insgesamt für dieses Land schlecht.Deshalb sage ich: Das wird riesige Herausforderun-gen mit sich bringen, und zwar für alle Bereiche undnicht nur für diesen Etat, der nun einmal im Haushalt ei-nen großen Raum einnimmt. Für dieses Jahr haben wireine gute, reelle und insgesamt akzeptable Leistung indiesem Haushalt für diesen Bereich aufgestellt.Wir werden in den nächsten Jahren auf allen Ebenenzusätzliche Anstrengungen brauchen; das kann manschon heute absehen. Deshalb sage ich: Die Anstrengun-gen werden auch in den nächsten Jahren bleiben. Aberich bin ganz sicher: Wir werden in dieser Koalition ge-meinsam vernünftige Wege finden, um unsere Ziele zuerreichen. Das erste Ziel ist, die Menschen in Arbeit zubringen – das ist das Wichtigste überhaupt –, ihnen eineChance zu geben, dass sie arbeiten können. Dann wer-den sich viele Probleme bei den sozialen Sicherungssys-temen, insbesondere bei der Rentenversicherung, lösen.Ich bin mit dem, was wir in dieser Koalition bis jetzterreicht haben, hoch zufrieden. Ich sage noch einmal:Das Konzept stimmt. Wir liegen voll im Zeitplan. Wirwerden in diesem Herbst nach einer intensiven Diskus-sion weitere wichtige Schritte tun.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat der Kol-
lege Max Straubinger von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Bundesminister Franz Müntefering hat bereits die Wei-chenstellungen dargelegt, die wir in der Koalition in denvergangenen sieben Monaten vorgenommen haben, umArbeit für die Menschen in Deutschland zu schaffen undstAMerasbglgtasbgstzdsqbdmnDcdDswBDuesblusduwzDssuFdm
as kann man nicht unter moralischen Gesichtspunktenehen. Aber offensichtlich gibt es in diesem Bereich einetarke Doppelmoral. Ich möchte jetzt die Kolleginnennd Kollegen der Fraktion der Linken oder der PDS-raktion oder der WASG oder der SED – die wechseln jaie Namen so häufig, dass im Vergleich dazu ein Cha-äleon fast ein uniformes Tier ist –
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Max Straubinger
fragen, wieso dann die SED-Millionen nach Österreichverschoben worden sind. Das muss ich Sie schon fragen.
Dass gerade Sie auf diese Weise moralisch über andereurteilen, ist meines Erachtens fehl am Platze.
Herr Kollege Straubinger, darf ich Sie einen Moment
unterbrechen? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte
Sie, trotz der folgenden namentlichen Abstimmung et-
was mehr Ruhe zu bewahren und Ihre Aufmerksamkeit
dem Kollegen Max Straubinger zu widmen, der Wichti-
ges zu sagen hat.
Bitte schön, Herr Straubinger.
Danke schön, Herr Präsident.
Ich glaube, es ist vor allen Dingen entscheidend, dass
wir die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstand-
ortes stärken. Da haben wir sicherlich noch einige Bau-
stellen zu bearbeiten.
Es geht aber noch um einen anderen Punkt; auch das
ist heute bereits angeklungen. Natürlich beklagen wir
den Verlust jedes Arbeitsplatzes, sowohl in kleinen als
auch in großen Unternehmen. Aber bei den Entscheidun-
gen der Unternehmen geht es darum, den Bestand dieser
Unternehmen für die Zukunft zu sichern. Wenn sie in der
Zukunft nämlich nicht bestehen könnten, dann hätten
wir noch eine weit höhere Arbeitslosigkeit zu verzeich-
nen. Dies zu verhindern, muss unsere gemeinsame Auf-
gabe sein.
Ich möchte mich auch mit einem der beiden Ände-
rungsanträge der Linken auseinander setzen, der vorder-
gründig den Eindruck vermittelt, man brauche nur nach
Geld zu rufen und es dann zu verteilen. Wenn dieser An-
trag für den Bundeshaushalt wirksam würde, dann hätten
wir Mehrausgaben in Höhe von 2 Milliarden bis
3 Milliarden Euro. Sie sagen natürlich nicht, woher das
Geld kommen soll.
Allein die Forderung, die Regelsätze auf 420 Euro zu
erhöhen, würde Mehrkosten von über 2 Milliarden Euro
verursachen. Ich bin überzeugt, dass es mit dieser Rege-
lung noch viel uninteressanter würde, gering bezahlte
Tätigkeiten in unserem Lande aufzunehmen. Das kann
es nicht sein. Beim Arbeitsamt meines Wahlkreises ha-
ben sich 300 ALG-II-Bezieher freiwillig für eine land-
wirtschaftliche Tätigkeit gemeldet. 64 davon haben die
Arbeit angetreten. Aber einen Tag später sind nur noch
20 übrig geblieben. Man muss sich also durchaus fragen,
ob hier eine Arbeitswilligkeit vorhanden ist. Wir müssen
uns verstärkt darum bemühen, dass es Anreize zur Ar-
beitsaufnahme gibt.
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Sie fordern zusätzlich unabhängige Sozialberatungs-
tellen. Das bedeutet aber: Sie unterstellen letztendlich
nseren staatlichen Sozialberatungsstellen und den Mit-
rbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur für
rbeit bzw. den Argen, dass sie nicht objektiv beraten
zw. Ratsuchende nicht unterstützen. Diese Forderung in
hrem Antrag ist unerträglich.
Ich bin überzeugt: Diese Koalition ist auf einem guten
eg. Der Herr Bundesminister hat bereits sehr viele
egweisende Maßnahmen besonders im Bereich der
ente dargestellt. Ich spreche mich dafür aus, dass bei
er Rente die private Vorsorge der Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer gestärkt wird. Ich wünsche mir auch,
ass das Wohneigentum bei der Förderung hinsichtlich
er privaten Vorsorge einen besonderen Stellenwert be-
ommt.
Wir werden mit unseren Vorschlägen den Sozialstaat
eiter festigen und im Sinne der Hilfebedürftigen in un-
erem Land weiter ausbauen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales –n der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Ände-ungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wiruerst abstimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/1867? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthältich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen allerraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke ab-elehnt.Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion Dieinke auf Drucksache 16/1866. Zu diesem Änderungs-ntrag ist namentliche Abstimmung beantragt.Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, dieorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen be-etzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstim-ung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihretimmkarte abgegeben? – Noch nicht.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsDr. Norman PaechGeorg Fahrenschon
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachVEJJJKMNolker Kauderckart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerens Koeppenristina Köhler
anfred Kolbeorbert KönigshofenRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerPeter RauenEckhardt RehbergPetra Pau Dr. Hans Georg Faust Schwenningen) Beatrix PhilippIch glaube, jetzt haben alle Kihre Stimmkarte abgegeben. Icund bitte, mit der Auszählung zliegen des Ergebnisses der naunterbreche ich die Sitzung.
mbDlrank Spiethr. Kirsten Tackmannr. Axel Troostörn Wunderlichaktionslosert WinkelmeiereinDU/CSUlrich Adamse Aignereter Albacheter Altmaierhomas Bareißorbert Barthler. Wolf Bauerünter Baumannrnst-Reinhard Beck
eronika Bellmanntto Bernhardtlemens Binningerarl-Eduard von Bismarckenate Blanketer Bleserntje Blumenthalr. Maria Böhmerochen Borchertolfgang Börnsen
laus Brähmigichael Brandelmut Brandtr. Ralf Brauksiepeonika Brüningitta Connemanneo Dautzenbergubert Deittertlexander Dobrindthomas Dörflingerarie-Luise Döttaria EichhornHDJDHDNEMRDJDURHMMMMKOHGUUMBERKFJAHSDDABHSABVizepräsident Dr. HermanDie unterbrochene Sitzung isIch gebe das Ergebnis deung bekannt: Abgegebene Sen gestimmt 49, mit Nein 5er Änderungsantrag der Frakehnt.erbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
ochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisberhard Giengerichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhnerosef Göppelr. Wolfgang Götzerte Granoldeinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersarl-Theodor Freiherr zuGuttenberglav Guttingolger Haibacherda Hasselfeldtrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichernd Heynemannrnst Hinskenobert Hochbaumlaus Hofbauerranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Hans-Heinrich Jordanndreas Jung
artholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard KasterDHTMGDDJDADKDPInEDDSWDDLMHPDMCSBHBHMDFEHRDUDS
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3708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3709
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Bundesministerium fFrauen und Jugend– Drucksache 16/1324 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Frank SDr. Ole SchröderOtto FrickeRoland ClausAnna Lührmannb) Erste Beratung des vonCSU und der SPD eingGesetzes zur Einführu– Drucksache 16/1889 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, SeniorInnenausschussng. Wer stimmt dafür? –? – Der Einzelplan 11 istonsfraktionen gegen dier Fraktion Die Linke und0/Die Grünen angenom-unkt I.13 auf:ür Familie, Senioren,chmidtden Fraktionen der CDU/ebrachten Entwurfs einesng des Elterngeldesen, Frauen und Jugend
Ausschuss für Wirtschaft undAusschuss für Ernährung, LanVerbraucherschutzAusschuss für Arbeit und SozVerteidigungsausschussAusschuss für GesundheitAusschuss für Verkehr, Bau unAusschuss für Bildung, ForschTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftlicheEntwicklungAusschuss für die AngelegenhHaushaltsausschuss gemäß § 9c) Beratung des AntragsDeligöz, Krista Sager, Krer Abgeordneter und dNISSES 90/DIE GRÜNKinder fördern und Vund Familie stärkenKindertagesbetreuung– Drucksache 16/1673 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, SeniorFinanzausschussAusschuss für Bildung, ForschTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschussTechnologiedwirtschaft undialesd Stadtentwicklungung undZusammenarbeit undeiten der Europäischen Union6 GOder Abgeordneten Ekinai Boris Gehring, weite-er Fraktion des BÜND-ENereinbarkeit von Beruf– Rechtsanspruch auf ausweitenen, Frauen und Jugend
ung undHeidemarie Wieczorek-ZeulEngelbert WistubaDr. Wolfgang WodargWaltraud Wollf
Heidi WrightUta ZapfManfred ZöllmerBrigitte ZypriesFDPJens AckermannDr. Karl AddicksChristian AhrendtDaniel Bahr
Uwe BarthRainer BrüderleAngelika BrunkhorstErnst BurgbacherPatrick DöringMechthild DyckmansJörg van EssenUlrike FlachOtto FrickeHorst Friedrich
Dr. Edmund Peter GeisenHans-Michael GoldmannMiriam GrußJoachim Günther
Dr. Christel Happach-KasanElke HoffBirgit HomburgerMichael KauchDr. Heinrich L. KolbHellmut KönigshausGudrun KoppJürgen KoppelinHeinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtIna LenkeMichael Link
Markus LöningHorst MeierhoferPatrick MeinhardtJan MückeBurkhardt Müller-SönksenHans-Joachim Otto
Detlef ParrCornelia PieperGisela PiltzJörg RohdeFrank SchäfflerDr. Konrad SchilyMarina SchusterDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerDCFCDDDHMBGKMCBMGAEDDHKABWPU
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3710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Was wir heute erleben, kann als Tauschgeschäft zu-asten von Familien in Deutschland beschrieben werden.as Gesetz zur Einführung des Elterngeldes, über dasir heute beraten, soll die familienfreundliche und kin-erfreundliche Politik der großen Koalition postulieren.as ist aber nur ein Baustein, der allein nicht greifenird. Die Forderung nach einer bundesweit qualitativuten Kinderbetreuung hat für viele Familien und El-ern einen höheren Stellenwert als die Zahlung eines El-erngeldes für die Dauer von zwölf Monaten, wenn dienschließende Kinderbetreuung fehlt. Ohne anschlie-ende Kinderbetreuung wird das Elterngeld nur ein net-es Starterpaket für Familien sein. Danach schnappt dieinderbetreuungsfalle zu.Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits im April die-es Jahres einen Antrag dazu eingebracht. Was wir brau-hen, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist eine Allianzür Familien mit Wahlfreiheit bei der Lebensgestaltungnd mehr Freiraum für Familien mit Kindern.
ie bisherige Organisation der staatlichen Kinderbetreu-ng ohne Markt und Wettbewerb hat zu starren Öff-ungszeiten geführt, die zu den flexiblen Arbeitszeiten,ie wir heute haben, überhaupt nicht passen. Das ist inen neuen Bundesländern etwas anders. Wir schauenanches Mal sehr neidisch dorthin. Wer als Mutter ausem Büro zum Kindergarten hastet,
eil dieser mittags pünktlich schließt, kennt den Druck,em Eltern tagtäglich ausgesetzt sind.
Frau von der Leyen, wenn Ihr Ziel der Dreiklang ausuter Infrastruktur, familienfreundlicher Arbeitswelt undassgenauen finanziellen Leistungen sein soll, dann hät-en Sie heute neben dem Konzept zum Elterngeld einonzept zur Anschlussbetreuung vorlegen müssen.
In unserem Antrag fordern wir die Bundesregierunguf, endlich einen Kinderbetreuungsgipfel einzuberu-en. Die Bundesregierung, die Bundesländer, die kom-unalen Spitzenverbände und Kommunen haben sichange genug gegenseitig den schwarzen Peter zugescho-en, und das auf dem Rücken der jungen Eltern.Ein Wort zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen,er die Forderung nach mehr Kinderbetreuung enthält.amit kommen Sie zwei Legislaturperioden zu spät.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3711
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Ina Lenke
Sie haben in der rot-grünen Bundesregierung anschei-nend geschlafen und wachen erst in der Opposition auf.
Die FDP-Bundestagsfraktion erwartet von der Bun-desregierung, dass die gesamte Familienförderung aufden Prüfstand gestellt wird. Sie muss vereinfacht undtransparent werden. Obwohl in Deutschland mehr als100 Milliarden Euro für Leistungen für Familien ausge-geben und erbracht werden, haben wir in Europa eineder niedrigsten Geburtenraten.Frau von der Leyen, ich sage auch für mich persön-lich: Die ersten Informationen zum Elterngeld klangensehr viel versprechend. Denn der Idee einer Lohnersatz-leistung für Berufstätige stehe ich grundsätzlich positivgegenüber. Doch ein Paradigmenwechsel in der Fami-lienpolitik ist das nicht.Weshalb?Erstens. Teilzeit in der Erziehungszeit wird zu zweiDritteln auf das Elterngeld angerechnet. Das Ergebnisist, dass wir nur eine scheinbare Wahlfreiheit haben.Denn kaum jemand wird für ein Drittel des Nettolohnesin der Elternzeit arbeiten gehen wollen.Zweitens. Das Elterngeld als Lohnersatzleistung: Die-ses Prinzip wird oft durchbrochen. Festbeträge werdenals Mindestelterngeld gezahlt. Bei ALG-II-Empfänge-rinnen greift das Elterngeldprinzip – Sie nennen es: Ent-lohnung, um das Kind zu Hause zu betreuen – nicht. Obdas richtig ist und damit richtigerweise in dieses Gesetzaufgenommen wurde, wage ich zu bezweifeln.Drittens. Unverheiratete Paare mit Kindern sowie Al-leinerziehende werden durch dieses Gesetz nur mit600 Euro beglückt, während Ehepaare zusätzlich zu denje 300 Euro monatlich in den Genuss der Vorteile ausdem Ehegattensplitting kommen.Wir haben die Kritik gehört, dass es als Ergebnis desElterngeldes zu Einsparungen bei ärmeren Familienkommt. Mit welcher Begründung greift bei der Geburtdes zweiten Kindes innerhalb von 24 Monaten eine neueElterngeldberechnung? Warum orientieren Sie sich nichtan der Arbeitsplatzgarantie von 36 Monaten, die Frauendie Rückkehr in den Beruf absichern soll?Hinsichtlich der Stichtagsregelung kritisieren vieleEltern eine fehlende Übergangsregelung. Die Geringver-dienerregelung – ich hätte sie Ihnen gern vorgelesen,aber die Zeit reicht dafür nicht aus – ist derart bürokra-tisch, dass man sich wirklich darüber kaputtlachen kann.
Der Prozentsatz erhöht sich von 67 Prozent um0,1 Prozent für je 2 Euro, um die das maßgebliche Ein-kommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, aufbis zu 100 Prozent. Dazu wird es extra ein Buch mit40 bis 50 Seiten geben müssen, damit die Leute dieseRdieFAscnvFhJDtddDGslKSwbdGgpz2rsE4düt3sIwDw
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Dr. Ursulaon der Leyen.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin füramilie, Senioren, Frauen und Jugend:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haus-alt des Bundesfamilienministeriums hat für das nächsteahr einen Aufwuchs von 1 Milliarde Euro bekommen.as ist ein Quantensprung. Als ich die Debatten der letz-en Tage verfolgt habe, habe ich wahrgenommen, dassiese Mehrausgaben in Höhe von 1 Milliarde Euro füras Elterngeld teilweise von Kritik begleitet wurden.en Kritikern sei gesagt: Allein durch den Rückgang dereburtenrate haben die Finanzminister dieses Landeseit dem Jahre 1997 stillschweigend weit über 1 Mil-iarde Euro gespart, und zwar deswegen, weil wenigerindergeld gezahlt werden musste. Von kindbezogenenozialleistungen, Freibeträgen und Ausbildungskostenill ich gar nicht erst sprechen. Da kommen Milliarden-eträge zusammen. Aber um welchen Preis? Es geht umie Lebensoptionen und Zukunftsvorstellungen eineresellschaft. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die richti-en Schwerpunkte zu setzen. Das erfordert haushalts-olitisch einen Kraftakt. Aber das ist die richtige undeitgemäße Investition.
Zu den Zahlen: Das Erziehungsgeld hat im Jahre005 – das sind die jüngsten Zahlen, die vorliegen –und 2,9 Milliarden Euro gekostet. Für das Jahr 2007ind die Ausgaben für das Elterngeld mit 3,5 Milliardenuro beziffert; wir liegen also unter Soll. In 2008 sind,4 Milliarden Euro eingeplant, weil sich in diesem Jahras auslaufende Erziehungsgeld und das Elterngeldberlagern. Das ist aber ein Einmaleffekt. Ab 2009 be-ragen die Kosten für das Elterngeld, wie verabredet,,9 Milliarden Euro.Weil ich des Öfteren die Kritik gehört habe, das Ge-amtvolumen des Elterngeldes könne steigen, sage ichhnen: Sollte es in späteren Jahren tatsächlich steigen,äre das das Beste, was diesem Land passieren kann.enn das würde bedeuten, dass mehr Kinder geborenerden und ihre Eltern Arbeit haben.
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3712 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
Herr Westerwelle hat gestern darauf hingewiesen,dass jedes Kind gleich viel wert ist. Da hat er völligRecht. Aber das Elterngeld ist keine kindbezogene Leis-tung.
Es ist kein Kindergeld, sondern eine elternbezogeneLeistung.
Es berücksichtigt den Umstand, dass junge Menschen,die ein Kind bekommen und sich für ihr Kind Zeit neh-men, im Vergleich zu ihren Berufskollegen Einkommenverlieren.
Die Einführung des Elterngeldes verdeutlicht, dass Kin-der nicht nur ein großes Glück für ihre Eltern und Ge-schwister sind, sondern auch ein großer Gewinn für die-ses Land. Wenn sich – aus welchen Gründen auch immer –nicht mehr alle Menschen für Kinder entscheiden, aberalle auf die nachwachsenden Generationen bauen, dannkönnen auch alle aus Steuermitteln dazu beitragen, dassder Einkommensverlust der Eltern am Anfang der Erzie-hungszeit ausgeglichen wird.
Herr Gysi hat gestern von den Besserverdienendengesprochen. Ich möchte darum bitten, auch in diesemZusammenhang erst einmal die Realität zur Kenntnis zunehmen:
98 Prozent aller Frauen, die sich im 30. Lebensjahr be-finden – im Durchschnitt bringen Frauen in Deutschlandin diesem Alter ihr erstes Kind zur Welt –, haben Netto-einkommen, die unterhalb der Obergrenze liegen, die fürdie Förderung durch das Elterngeld vorgesehen ist. Sogering sind eben die Einkommen am Anfang des Berufs-lebens. Dennoch werden die Kinder in diesem Alter ge-boren. Durch das Elterngeld wird dieser Einkommensein-bruch abgefangen. Das ist richtig.
Ich bin froh, dass es uns – auch dank der breiten Un-terstützung aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik – ge-meinsam gelungen ist, das Elterngeld auf den Weg zubringen. Es wird allen Eltern nützen, die sich im erstenLebensjahr ihres Kindes Zeit für ihr Neugeborenes neh-men und auf Einkommen verzichten. Die Einführungdes Elterngeldes ist aber auch ein klares Signal, dass esvon der Gesellschaft akzeptiert ist, Kontakt zum Berufs-leben zu halten und später in den Beruf zurückzukehren.Grundsätzlich sind Eltern zunächst einmal selbst fürdie Sicherung des Lebensunterhalts der Kinder ver-antwortlich. Nur dann, wenn sie dies nicht selbst schaf-fnKmuEwPlSduvPkl1cDDscndmEgvBd1dcdcvwcivtdmbe
as ist auch gewollt; denn in einer modernen Gesell-chaft werden Kinder ihre Väter im Alltag genauso brau-hen wie ihre Mütter.Damit erweitert sich die Interpretation des so viel ge-utzten Begriffs der Wahlfreiheit. Die Möglichkeit, beien Kindern zu sein oder zu arbeiten, diese Wahlfreiheitüssen beide Geschlechter haben.
chte Wahlfreiheit kommt vor allem den Kindern zu-ute; denn sie haben mehr von beiden Elternteilen.Frau Lenke, das Elterngeld steht nicht alleine; das istöllig richtig. Ebenso wichtig ist die Kinderbetreuung.eides muss Hand in Hand gehen. Wenn man sich Län-er anschaut wie Schweden, wo das Elterngeld vor rund0 Jahren eingeführt worden ist, muss man feststellen,ass die Kinderbetreuung damals auch dort noch sehr lü-kenhaft war. Erst das Elterngeld und die Diskussionarüber haben den entscheidenden Schub zu einem flä-hendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung gebracht,on dem wir alle wissen, wer für ihn die primäre Verant-ortung hat. Es war ganz interessant, in den letzten Wo-hen und Monaten zu beobachten, wie diese Diskussionnzwischen auch bei uns eingesetzt hat, und zwar mitoller Vehemenz. Es wird gar nicht mehr darüber disku-iert, ob wir überhaupt Kinderbetreuung brauchen, son-ern nur noch, wie und wann wir sie für alle Kinder er-öglichen können.
Frau von der Leyen, darf ich Sie einen Moment unter-rechen? – Die Frau Kollegin Haßelmann würde gerneine Zwischenfrage stellen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3713
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Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Ich habe nur noch vier Minuten und noch den ganzenEinzelplan vor mir.
Die Zeit wird gestoppt.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Dann ist es gut.
Bitte schön, Frau Haßelmann.
Frau von der Leyen, Sie vermitteln uns gerade dieVorzüge des Elterngeldes,
auch in Bezug auf die gerechte Verteilung von Eltern-arbeit und Erziehungsarbeit zwischen Frauen und Män-nern. Sie haben innerhalb der CDU/CSU ja sehr langegebraucht, bis Sie das erkannt haben.
Meine Frage ist: Wieso unterscheiden Sie bei der vorge-sehenen Regelung zwischen arbeitenden Eltern, die sichdie Erziehung teilen wollen – sie sollen 14 Monate An-spruch haben, nämlich 12 plus zwei –, und Arbeitslo-sengeld II beziehenden Eltern, die sich die Erziehungteilen wollen und nur 12 Monate lang Elterngeld bekom-men? Empfinden Sie diese Regelung nicht als zutiefstungerecht?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Die Kernzeit ist frei aufteilbar, wie immer man esmöchte. Das gilt für alle. Der 13. und 14. Monat sindeine echte Option. Ich sagte es bereits: Man kann sienehmen oder es lassen. Das heißt, es gibt für niemanden300 Euro Mindestelterngeld – für niemanden –, der dieseZeit nicht nimmt, und es wird in der Tat nur ausfallendesEinkommen ersetzt. Wenn kein Einkommen ausfällt,dann wird im 13. und 14. Monat auch kein Einkommenersetzt.
Die Kernzeit von 12 Monaten bleibt unangetastet.
nAkEeEsurHFffKiezzaKvudmncwzdndiksipsjindD2rptimsL
n dem Menschen ganz vieler Kulturen friedlich zusam-enleben. Das soll so bleiben. Wir wollen demokrati-ches Verhalten und ziviles Engagement in unseremand nachhaltig stärken. Themen wie Rechtsextremis-
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3714 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyenmus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und jedeForm von Extremismus dürfen keine Chance haben.
Die bisherigen Programme laufen plangemäß 2006aus. Aber wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt,wird die Bundesregierung ab 2007 mit einem neuen Pro-gramm den Weg zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz undDemokratie sowie gegen Rechtsextremismus konse-quent weitergehen. Im Rahmen der Aufstellung desHaushalts 2007 planen wir mit einem gleich hohen Be-trag wie in 2006.
Abschließend darf ich zusammenfassen: Ich denke,der Haushalt des Einzelplans 17 setzt die richtigenSchwerpunkte für Kinder, für Eltern und für den Zusam-menhalt der Generationen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich von der
Fraktion Die Linke.
Verehrter Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Liebe Zuschauer auf den Rängen und zu Hause!
Enttäuschend, Frau Ministerin von der Leyen! Ich habe
Ihnen mehrfach versprochen – und ich halte mich an
Versprechen – sowohl Ihre Worte als auch Ihre Taten ei-
ner gründlichen Überprüfung zu unterziehen. Die Ein-
führung des Elterngeldes als Lohnersatzleistung ist
prinzipiell eine positive Entwicklung in der Familien-
politik und findet unsere Unterstützung. Aber eine Neu-
orientierung in der Familienpolitik darf nicht aus einer
Umverteilung von Arm nach Reich bestehen.
Deshalb bekräftige ich mit Nachdruck unsere Forderung:
Das Gesetz zur Einführung eines Elterngeldes muss wei-
ter sozial ausgestaltet werden.
Mit dem Elterngeld soll die berufliche Eigenständig-
keit der Frauen gestärkt und gesichert werden, die Väter
sollen für die Betreuung von Kindern in die Pflicht ge-
nommen werden. Deshalb ist das Elterngeld weder eine
Kinderförderung noch eine Kinderprämie. Ich erwähne
das an dieser Stelle, weil das in den Medien immer gerne
vermengt wird. Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleis-
tung; sie beträgt zwei Drittel des bisherigen Nettolohns.
Etwas mehr Mühe bedarf es schon, die gut verpackten
Unzulänglichkeiten im Elterngeldgesetz herauszufinden.
Frau von der Leyen, das Elterngeldkonzept ist eine fami-
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arüber verlieren Sie in der Öffentlichkeit allerdings
ein Wort. Diese Unehrlichkeit wird mit Aussprüchen
epaart wie „Eins zu null für die Familien: Das Eltern-
eld kommt“
der „Heute ist ein guter Tag für Familien“.
as zeigt, wie arrogant Macht sein kann. Der zuletzt zi-
ierte Satz hat mich doch stark an den Ausspruch des
achverständigen Hartz erinnert, der bei der Vorstellung
einer Gesetzesinitiativen gesagt hat: Ein guter Tag für
rbeitslose. – Was daraus geworden ist, können wir alle
ier unumwunden sehen.
s gab Nachbesserungen und Verschärfungen zulasten
er Betroffenen. Ein solcher Satz ist ein Schlag ins Ge-
icht der Betroffenen und an Zynismus kaum zu überbie-
en.
Petitionen, die von mehr als 10 000 Bürgerinnen und
ürgern mitgetragen werden und Unmengen an Briefen,
ails und Stellungnahmen belegen, dass der Umfang
er Regelungen zum Elterngeld schon jetzt Unsicherheit
ei den Eltern hervorruft. Sie aber, Frau von der Leyen,
ehen wie immer charmant lächelnd darüber hinweg,
bwohl diese Ungerechtigkeiten nach wie vor auf der
agesordnung sind.
Herr Kollege Wunderlich, erlauben Sie eine Zwi-
chenfrage der Kollegin Kressl?
Aber gerne.
Bitte schön, Frau Kressl.
Herr Kollege Wunderlich, ich finde sehr interessant,ass Sie darauf hinweisen, dass es mehrere tausend Peti-ionen zum Elterngeld gibt. Ich hoffe, es ist Ihnen be-usst, dass alle diese Petentinnen und Petenten wollen,ass sie das Elterngeld so schnell wie möglich bekom-en. Ich bitte Sie dringend, hier nicht den Eindruck zurwecken, als sei die Anzahl dieser Petenten ein Indizafür, dass sie mit unserer Regelung unzufrieden sind.as Gegenteil ist der Fall.
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Sie dürfen aber nicht übersehen, dass ein sehr großer
Prozentsatz gerade die Stichtagsregelung anprangert.
Darauf komme ich nachher noch zu sprechen. Es wird
aber auch kritisch gefragt: Was ist mit dem Elterngeld?
Wieso werde ich schlechter gestellt? Warum bekomme
ich nicht die Leistungen, die andere bekommen? – Man
muss die Petitionen und die Schriftstücke auch einmal
lesen.
Diese Fragen stellt sich zum Beispiel ein Empfänger
von ALG II, der bisher 24 Monate lang 300 Euro mo-
natlich an Erziehungsgeld bekam und jetzt plötzlich nur
noch 12 Monate lang 300 Euro Elterngeld erhält, ohne
dabei die Aussicht auf Arbeit zu haben.
– Ja. Sie selbst sagen aber, der Grundbetrag werde als
Anerkennung für die Erziehungsleistung gezahlt.
Die Anerkennung der Erziehungsleistung von Emp-
fängern des Arbeitslosengeldes II scheint also weniger
wert zu sein. Das gilt auch für die Erziehung der Kinder,
die vor dem 1. Januar 2007 geboren wurden bzw. wer-
den.
Das Elterngeld gibt jungen Müttern – ich zitiere un-
sere Ministerin – einen Schonraum, sich ohne finanziel-
len Druck Zeit für ihr Neugeborenes zu nehmen.
– Frau Humme, ich kenne Ihre Meinung. – Am stärksten
benachteiligt ist doch die allein erziehende Empfängerin
von ALG II. Sie kann sich noch nicht einmal auf die
Ausnahmeregelung, die Möglichkeit der Verlängerung,
berufen. Das haben Sie vorhin ja noch einmal ausge-
führt, Frau von der Leyen. Ich frage Sie: Wie muss sich
diese Betroffene fühlen?
Ich wiederhole es mit Nachdruck: Das Elterngeld
bleibt sozial unausgewogen. 15 Prozent aller jungen ost-
deutschen Mütter sind arbeitslos und suchen eine Be-
schäftigung, finden aber keine. Mit dem Elterngeldgesetz
wird ihnen zusätzlich die Hälfte der sozialen Sicherheit,
nämlich die Hälfte der Leistungen nach dem gegenwärti-
gen Bundeskindergeldgesetz, genommen. Zusätzlich er-
höht die Regierung ab Januar 2007 die Mehrwertsteuer,
ohne auch nur im Geringsten über Ausgleichsleistungen
nachzudenken. Eins zu null, Frau von der Leyen. Ich
frage mich nur: Für wen?
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ir haben immer angemahnt, dass Frauen, die bereits
chwanger sind – Frau von der Leyen, ich gehe einmal
avon aus, dass Sie wissen, wie lange eine Schwanger-
chaft dauert; das weiß sogar ich –, nicht wissen, was ab
em 1. Januar 2007 auf sie zukommt. Sie haben sich Zeit
enommen. Das Thema war in der Diskussion, aber es
am keine Information, wann was passiert. Jetzt aber
oll das Gesetz ruckzuck vor der Sommerpause be-
chlossen werden, ohne jede Übergangsregelung für
onder- und Extremfälle.
Herr Kollege Wunderlich, erlauben Sie noch eine
wischenfrage des Kollegen Kucharczyk von der SPD?
Ja.
Bitte.
Herr Kollege Wunderlich, teilen Sie die Auffassung,
ass die Zielsetzung von Kindergeld und Elterngeld un-
erschiedlich gelagert ist?
Ja. Vom Kindergeld rede ich hier auch nicht.
Aber Sie verwechseln scheinbar etwas.
Nein, ich verwechsele nichts.
Es hört sich so an.
Gucken Sie in die Statistik und fragen Sie im Ministe-ium nach!Frau von der Leyen, was hindert Sie in Ihrem Demo-ratieverständnis daran, ein Wahlrecht zwischen der bis-erigen Regelung und dem Elterngeld einzuräumen?Beim Mindestelterngeld fordern wir mit allemachdruck eine Anhebung und Nachbesserung. Greifenie aber dabei nicht wieder, wie es bislang immer wiedereschehen ist, den Ärmsten in die Tasche!
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Jörn Wunderlich
– Mein Gott, Frau Humme, Sie wissen ja schon selbernicht mehr, was Sie tun.
Aber was soll man von der Regierung auch anderes er-warten? Bei der satten Mehrheit in allen Gremien undAusschüssen ist Kritik im Grunde aussichtslos; sie wirdabgebügelt.
– Doch, der kommt noch. Die Frage ist nur, bei wem.Wenn Sie immer wieder halbherzig auf unsere Nach-barländer verweisen, zum Beispiel auf Schweden, dannkönnen Sie das nicht einfach aus dem Kontext herausrei-ßen.
Erwähnen Sie bitte alles. In Schweden ist das Elterngeldnämlich eine Versicherungsleistung, in Deutschland istes steuerfinanziert. Sie verschweigen, dass die finan-zielle Unterstützung hier immer wieder vom Geldbeutelder Eltern abhängig gemacht wird. – Eins zu null für dieFamilie. Fragt sich nur, für welche.Wie klingt denn Ihr ständig zitierter Dreiklang zurFamilienpolitik, Frau von der Leyen? Bei dem vorlie-genden Gesetzesentwurf ist es gegenwärtig für mich bes-tenfalls eine Kakophonie. Selbstredend macht das El-terngeld allein noch keine gute Familienpolitik aus. Esmuss darum gehen, gesellschaftliche Verantwortung fürFamilien mit zu übernehmen. Notwendig ist eine kosten-lose und hochwertige Ganztagsbetreuung für Kinderund Jugendliche.
Das ist nicht nur eine Frage der Vereinbarkeit von Fami-lie und Beruf, sondern ein bildungspolitisches Muss.
Elternschaft muss lebbar werden. Das heißt auch,über Arbeitszeitverkürzung und das neue Leitbild derpartnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Fami-lienarbeit zu reden.Noch eine Bemerkung zu den so genannten Papa-Mo-naten.
Ich schlage das Wort „Wickelvolontariat“ – OriginaltonRamsauer – zur Wahl des Unwortes 2006 vor. So wie Siederzeit Familienpolitik betreiben, Frau von der Leyen,wird sie nicht zu einer stärkeren Familienfreundlichkeitführen.Danke schön.
SHFvdrTSgSwüsihOepStdrzneWgeunbfdgGmAKZ
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Wunderlich, es ist wirklich verwunderlich, dass Sieunktion und Sinn des Elterngelds offensichtlich nichterstanden haben. Denn obwohl Sie einerseits sagen,ass eine Lohnersatzleistung – was es nun einmal ist –ichtig ist, sprechen Sie andererseits davon, dass es eineransferleistung sein soll. Das passt nicht zusammen.
ie haben offensichtlich nicht verstanden, um was eseht und welche Zielrichtung wir verfolgen.Aber ich möchte jetzt auf den Haushalt für Familien,enioren, Frauen und Jugend zu sprechen kommen, denir heute beraten. Dieser Haushalt zeichnet sich gegen-ber fast allen anderen Einzelplänen dadurch aus, dasso gut wie keine Kürzungen vorgenommen wurden. Diesst eine klare Zielsetzung der Koalition, die ihre Gründeat: Wir wollen eine konsequente und – das ist für diepposition sicherlich etwas weniger problematisch –ine solide finanzierte Fortentwicklung der Familien-olitik. Das ist ein Markenzeichen auch dieser Koalition.
Im Übrigen leben wir – auch darauf muss an diesertelle hingewiesen werden – in einer gewissen Kontinui-ät. Uns Sozialdemokraten freut es natürlich besonders,ass dies eine konsequente Fortentwicklung der erfolg-eichen Politik von Renate Schmidt darstellt. Ich willwei Beispiele für diese Kontinuität anführen.Zum einen gibt es schon an 564 Standorten 308 Teil-ehmer an lokalen Bündnissen für Familien. Das istin Erfolg. Das zeigt: Es ist ein erfolgreiches Programm.ir haben es gestartet. Es wird fortgeführt und das istut so.
Was uns Sozialdemokraten bei der Familienpolitikbenfalls freut, ist die Tatsache, dass das Tagesbetreu-ngsausbaugesetz heute von allen, auch von unsereneuen Freunden, wie es so schön heißt, gern hervorgeho-en und nach außen hin positiv dargestellt wird. Dasreut uns; denn es zeigt, dass das Gezocke, das es einmalarum gegeben hat – das hat uns wirklich lange Nächteekostet –, nun von Erfolg gekrönt ist. Es ist ein gutesesetz. Die Ausgestaltung wird die Koalition vorneh-en.
Wichtig ist auch, dass mit dem Haushalt 2006 einigekzente gesetzt werden. Wir sind zum einen, wie imoalitionsvertrag vereinbart, den Kurs im Bereich desivildienstes in vollem Umfang weitergefahren, und
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Dr. Frank Schmidtzwar so, wie wir es mit dem Haushalt 2005 begonnenhaben.
Sicherlich wird dies von dem einen oder anderen in derOpposition nicht so gesehen. Das liegt an der anderenpolitischen Ausrichtung. Aber es ist eine klare Willens-erklärung der Koalition, diesen Weg fortzusetzen.In diesem Zusammenhang ist es wichtig, all denjeni-gen ein herzliches Dankeschön zu sagen, die in unseremLand Zivildienst leisten und damit einen ganz wichtigen,elementaren Beitrag für unser Gemeinwesen leisten. Erist gar nicht wegzudenken; das wissen wir. Deshalb einherzliches Dankeschön an dieser Stelle.
Was auch festgestellt werden muss, ist die Tatsache,dass wir insbesondere die Förderung von Kindern undJugendlichen weiter verstetigt haben. Der Kinder- undJugendplan ist mit einem leichten Anwachsen – das hatFrau Ministerin von der Leyen eben schon gesagt – wei-ter verstetigt worden. Wir haben das freiwillige sozialeJahr und das freiwillige ökologische Jahr weiter ausge-baut.
Es ist eine klare Aussage dieser Koalition, dass wir hiereine Priorität setzen. Das ist auch gut so.
Ich möchte einen weiteren Bereich anführen, in demwir unsere Programme fortführen. Entimon und Civitas,die Programme gegen Rechtsextremismus, werden so-wohl in diesem Jahr als auch in den nächsten Jahren aufgleichem Niveau wie in 2005 fortgeführt. Auch dazu hates schon eine klare Aussage der Koalition gegeben.
Diese Aussage ist maßgeblich für zwei Anträge von-seiten der Grünen und der Linken, die heute auch zurDebatte stehen. Darin wird etwas gefordert, was dieKoalition schon längst umgesetzt hat. Damit sind dieseAnträge gegenstandslos. Die Regierung braucht keineNachhilfe, wenn es um den Einsatz gegen rechts geht.
Nach der Statistik vom April dieses Jahres waren imvergangenen Jahr rund 814 Straftaten politisch rechtsmotiviert. Wir werden daher keineswegs nachlassen, aufdiesem Gebiet entschieden tätig zu werden. Die mobilenEinsatzteams, die Opferberatungsstellen und die Netz-werkstellen, zum Beispiel im Programm Civitas, aberauch die vielen Projekte vor Ort, gerade auch im Osten,leisten eine herausragende Arbeit. Wir sind es uns, unse-rer Gesellschaft, Europa und der Welt schuldig, dass wirhier aktiv und demonstrativ tätig werden. Das werdenwir auch weiterhin tun.FhNEwbaFdsmFszgWhnmdlGtDFisfkpvsF–dMefDSaeHDm
Noch ein paar Worte zur Weiterentwicklung deramilienpolitik. Die SPD-Bundestagsfraktion hatierzu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die, vonicolette Kressl und Bärbel Dieckmann geleitet, bis zumnde dieses Jahres konkrete Vorschläge vorbereitenird, wie die Kinderbetreuung in unserem Land ausge-aut und finanziert werden kann.Dies, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist einendere Vorgehensweise, als wir es heute gehört haben,rau Lenke, auch eine andere Vorgehensweise, als esem einen oder anderen Antrag hier im Parlament ent-pricht. Wir sind der Meinung, dass es nicht richtig ist,it fadenscheinigen Anträgen – ohne Sicherstellung derinanzierung und ohne klare Beachtung der Verfas-ungsstruktur in diesem Lande – Erwartungen bei Elternu wecken, die man nicht einmal ansatzweise befriedi-en kann.
ir erwarten von Ihnen konkrete Vorschläge, aus denenervorgeht, wie so etwas umgesetzt werden kann, undicht wohl meinende Anträge, in denen noch nicht ein-al ansatzweise die Finanzierung erwähnt wird.Es ist zwar das Vorrecht der Opposition, Dinge zu for-ern, die die Regierung nicht einhalten kann. Aber Sie,iebe Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Dierünen, müssen dann damit rechnen, dass solche An-räge wie der vorliegende hier keine Mehrheit finden.as ist auch gut so; denn wir wollen, dass die zukünftigeamilienpolitik praxistauglich und voll durchfinanziertst. Wir werden entsprechende Vorschläge machen. Dasind wir den Eltern in diesem Lande schuldig. Wir dür-en keine Erwartungen wecken, die wir nicht erfüllenönnen.Zum Schluss meiner Ausführungen zum Einzel-lan 17, den wir heute verabschieden, ein Dankeschönon mir, dem Hauptberichterstatter im Haushaltsaus-chuss, an die Kolleginnen und Kollegen sowie an Sie,rau Ministerin, für die gute Zusammenarbeit.
Ich finde es schön, dass auch die CDU/CSU applau-iert. Es hat Gründe, dass ich das erwähne. – Frauinisterin, wir Sozialdemokraten finden es gut, dass Sieinen Beitrag dazu leisten, dass die Union endlich in deramilienpolitischen Realität ankommt; das ist wichtig.
azu kann jeder einen Beitrag leisten.Ein Dankeschön meinerseits auch an Ihre beidentaatssekretäre sowie an die Mitarbeiterinnen und Mit-rbeiter Ihres Hauses, Frau Ministerin. Alle Bericht-rstatter haben erlebt, wie informativ und schnell imaushaltsausschuss gearbeitet worden ist. Deswegen einankeschön meinerseits an die Mitberichterstatter. Dasacht Mut und Hoffnung, dass die bald anstehenden
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Dr. Frank SchmidtHaushaltsberatungen 2007 in gleicher Weise ablaufenwerden.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ekin Deligöz vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im
Fokus der heutigen Debatte steht das Elterngeld. In eine
Sitzungswoche, in der wir über die Finanzen reden, passt
das gut. Es ist aber auch höchste Zeit, erstmalig über den
Gesetzentwurf zum Elterngeld zu beraten; denn er soll
nach der Sommerpause beschlossen werden – apropos:
Herr Wunderlich, es gibt übrigens zuvor noch eine
Fachanhörung – und das Gesetz soll 2007 in Kraft treten.
Bislang konnten sich junge oder werdende Eltern kein
Bild über die Regelung machen. Ein Bild über die Ar-
beitsweise dieser Koalition konnte man sich sehr wohl
machen. Sie haben monatelang darüber gestritten. Es
ging zwischen den beiden Koalitionsfraktionen hin und
her wie bei einem Pingpongspiel. Letztendlich kam ein
kritikwürdiger Gesetzentwurf heraus, ein Entwurf, der
sozial unausgewogen und vor allem wenig stringent ist.
Das ist mehr als bedauerlich; denn das Elterngeld an sich
ist sehr unterstützenswert, genauso wie die damit ver-
folgten Ziele.
Da die Ziele in dieser Debatte bislang noch nicht
deutlich genug benannt worden sind, werde ich es tun.
Das erste Ziel muss sein, durch finanzielle Förderung ei-
nen Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards in der
ersten Erziehungsphase zu leisten und gleichzeitig mit
einer klar begrenzten Bezugszeit im Anschluss einen Er-
werbsanreiz zu setzen. Das Ziel des Elterngeldes ist also,
dass Mütter und Väter möglichst schnell in den Beruf
zurückkehren. Gerade weil sich viele junge Mütter und
Väter das wünschen und darauf angewiesen sind, ist ein
solches Instrument wichtig. Aber das alleine reicht nicht.
Wir brauchen nicht nur das Elterngeld – eine gute Idee –,
sondern vor allem auch eine Betreuungsinfrastruktur.
Aber hier haben wir in Deutschland die größten Defizite.
Ohne eine ausreichende Betreuungsinfrastruktur wird
das Elterngeld nicht wirken. Es wird komplett ins Leere
laufen. Gerade an diesem entscheidenden Punkt haben
Sie bislang versagt.
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ie politische Antwort an diesem Punkt Kinderbetreu-ng ist, dass der Bund über das Kinder- und Jugendhilfe-echt – § 24 des SGB VIII – für die Betreuungsinfra-truktur zuständig ist.
ir sind zuständig. Deshalb können auch nur wir dieseesetze machen.Wenn wir in diesem Land etwas bewegen wollen,enn wir etwas verändern wollen, dann müssen wir zuieser Verantwortung stehen und können uns nicht davorrücken. Anstatt unzählige Argumente dafür aufzuzäh-en, dass wir das nicht können, sollten wir nach Wegen
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Ekin Deligözsuchen, wie es uns gelingen kann. Von Ihnen kam bisherkein Vorschlag dazu.Wir haben einen Vorschlag. Er ist verfassungsrecht-lich möglich. Er ist zeitnah umsetzbar. Er ist vor allemso gestrickt, dass wir ihn auch finanzieren können. Wirwollen das über die Umwandlung des Ehegattensplit-tings in ein Individualsplitting finanzieren.
Das Geld wollen wir dafür verwenden, den Eltern mehrNachfragemacht zu verleihen sowie die Kommunen unddie Länder vor Ort zu stärken, die Kinderbetreuung aus-zubauen. Das kann uns gelingen, wenn der politischeWille da ist. Diesen politischen Willen vermisse ich andiesem Ort.
Das Gleiche gilt für den Betreuungsausbau: Wenn derpolitische Wille da ist, dann kann es uns gelingen. AusIhren Reden, Frau von der Leyen und Herr Singhammer– ich könnte auch noch andere nennen –, höre ich immerwieder heraus: Sie wollen es. Aber warum tun Sie esdann nicht? Wenn Sie der Überzeugung sind, dass wirmehr Angebote für Kinderbetreuung brauchen, dass esin dem Bereich qualitative und quantitative Defizite gibt,warum dann diese Abwartetaktik? Warum führen Sieden Rechtsanspruch nicht sofort ein? Wovor haben SieAngst? Warum tun Sie es nicht einfach, sondern redennur darüber?
Zurzeit ist es sehr angesagt, auf die WM Bezug zunehmen. Das mache ich auch. Ich bringe es mit einemBeispiel auf den Punkt. Sie können nicht die WM for-dern und planen, gleichzeitig aber darauf verzichten,Stadien zu bauen, in der Hoffnung, dass irgendjemand ir-gendwo ein paar Stadien bauen wird. Das wird nicht rei-chen. Wenn Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familiewollen und dafür Anreize geben wollen, dann müssenSie auch die Grundlage dafür schaffen, nämlich die In-frastruktur ausbauen. Daran müssen wir uns messen las-sen.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Kin-derfrühförderung sind die beiden entscheidenden He-rausforderungen für die Zukunft. Wer diesen Wettbe-werb meistern will, der muss nicht nur gut aufgestelltsein, sondern der muss auch handeln. So weit sind wir inDeutschland nicht. Was Sie hier bieten, überzeugt ganzund gar nicht.
Noch ein Letztes zum Elterngeld. Es ist in der Tat so,dass Transferempfänger schlechter gestellt werden.Das kann man vielleicht begründen, indem man sagt:Die verkürzte Bezugsdauer ist Politik; wir wollen dasslldatGdsBDfcMeWrdsznGSnAu–SsddwKddDd
as ist der qualitative Unterschied? Selbst die Ministe-in hat in der Ausschusssitzung gesagt: Qualitativ gibt esa keinen Unterschied. – Der einzige Unterschied – dasage ich Ihnen – sind die Kosten für die zusätzlichenwei Monate von 750 Millionen Euro – Geld, das Sieicht haben,
eld, das Sie woanders viel besser investieren könnten.ie müssen uns auch noch erklären, woher Sie das Geldehmen.
ber das ist so sagenhaft teuer, dass es nicht mehr alsmsichtige Lösung bezeichnet werden kann.
Das hat die Ministerin in der Ausschusssitzung gesagt;ie können es im Protokoll nachlesen. Wenn das nichttimmt, hat sie in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt.
Die zwei zusätzlichen Monate dienen einzig dazu,ass die CSU keinen Gesichtsverlust erleidet. Das kosteten Steuerzahler 750 Millionen Euro.Noch ein Letztes zur Übergangsregelung. Es istahr: Die Eltern machen sich Sorgen; denn wenn ihrind am 31. Dezember auf die Welt kommt, erhalten sieie neue Leistung nicht, während sie sie erhalten, wennas Kind am 1. Januar auf die Welt kommt.
as ist ungerecht gegenüber einem Teil der Eltern; dennie Kinder sind im Prinzip gleichaltrig.
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Ekin DeligözDenken Sie doch einmal über das Antragsmodellnach! Warum kann nicht eingeführt werden, dass Elternbis zu einem gewissen Zeitraum auf Antrag die neueLeistung erhalten, wenn sie dadurch besser gestellt wer-den?
Sie wollen doch etwas bewegen und umsteuern; dannmüssen Sie dafür auch etwas tun.Was Sie uns zurzeit in Sachen Elterngeld bieten, istnicht die kopernikanische Wende. Es könnte jedoch einSchritt in die richtige Richtung sein, aber nur, wenn Siees nicht vermasseln, wozu Sie allerdings gerade auf dembesten Wege sind.
Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Singhammer
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Mit Ministerin von der Leyen hat die Familienpoli-
tik neuen Schwung bekommen.
Innerhalb von nur wenigen Monaten unter der neuen
Bundesregierung hat die Familienpolitik so oft in den
Schlagzeilen gestanden wie fast nie zuvor. Herr Kollege
Schmidt von der SPD, es ist erfreulich: statt Gedöns
Topthema. Spitze ist das!
Wir haben in der großen Koalition gemeinsam zwei
große Schritte vorwärts gemacht: Schritt Nummer eins
war die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungs-
kosten, Schritt Nummer zwei ist das Elterngeld, das jetzt
eingebracht wird. Es war nicht immer leicht, weil es in
der Familienpolitik oft um grundsätzliche Themen geht,
die nicht so leicht pragmatisch anzugehen sind wie The-
men in anderen politischen Gebieten. Trotzdem bedurfte
es keiner unvergesslichen Nachtsitzungen, sondern wir
haben das Thema im Regelfall in intensiven Nachmit-
tagssitzungen gemeinsam bewältigt und sind zu guten
Ergebnissen gelangt.
Familien und Eltern können sich freuen, weil das El-
terngeld hilft, Familie und Beruf deutlich besser zu ver-
einbaren. Wir als Union sind zufrieden, weil das Eltern-
geld bürgerliche und leistungsorientierte Strukturen
enthält, an denen uns besonders gelegen war.
Einige Punkte, die die Handschrift der Union zeigen:
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uf der anderen Seite beklagen Sie, dass durch die zwei
usätzlichen Monate die Bundeskasse strapaziert werde.
ch meine, dass da ein gewisser Widerspruch besteht,
en Sie auflösen sollten.
Das Bonussystem ist gut. Wir haben auch die Allein-
rziehenden, die ohne Rückhalt durch eine verlässliche
artnerschaft unter hohem persönlichem Einsatz für ihre
inder sorgen, nicht aus dem Blick verloren. Die Fami-
iensituation unter erschwerten Bedingungen verdient
chutz. Deshalb haben wir auch dem Elterngeld für
4 Monate zugestimmt.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Geringverdie-
erkomponente. Wir wollten Menschen mit wenig Ein-
ommen nicht Menschen mit Transfereinkommen
leichsetzen, weil für uns der Grundsatz gilt: Arbeit
uss sich immer lohnen. Deshalb haben wir eine beson-
ere Geringverdienerkomponente eingebaut. Sie macht
s möglich, dass sich Arbeit aufgrund eines Zuschlages
ohnt.
Dann war uns als Union der Geschwisterbonus
ichtig. Wir haben durchgesetzt, dass eine Aufstockung
um Mindestelterngeld erfolgen wird, wenn innerhalb
on 24 Monaten nach der Geburt des ersten Kindes ein
eiteres Kind geboren wird. Wir hoffen, dass dieser Ge-
chwisterbonus dazu beiträgt, dass die Mehrkinderfami-
ie wieder zahlreicher wird.
Herr Kollege Singhammer, erlauben Sie eine Zwi-
chenfrage der Kollegin Lenke?
Aber gerne.
Bitte schön, Frau Lenke.
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Das ist sehr nett, Herr Singhammer. Vielen Dank.
Herr Singhammer, ich habe eine Frage: Warum haben
Sie als Zeitraum für die Gültigkeit des Geschwisterbo-
nus 24 und nicht 36 Monate vorgesehen? Denn in diesen
36 Monaten haben Frauen, die zu Hause zu bleiben, ge-
setzlich eine Arbeitsplatzsicherheit, also einen Anspruch
auf Rückkehr in den Beruf. Warum haben Sie sich für
24 Monate entschieden?
Frau Kollegin Lenke, ich verstehe die Intention Ihrer
Frage gut und meine, dass es durchaus berechtigt ist,
über eine Verlängerung auf 36 Monate nachzudenken.
Die Frage ist aber, wie wir mit dem vorhandenen Finanz-
rahmen zurechtkommen. Das muss gelöst werden. Das
sind die Grundlagen für die weiteren Beratungen im Ge-
setzesverfahren.
Herr Kollege Singhammer, auch die Frau Kollegin
Deligöz würde gerne eine Frage stellen.
Aber bitte, gerne.
Das möge jetzt aber bitte die letzte Zwischenfrage
sein, die Herrn Singhammer gestellt wird.
Ansonsten verzögert sich die Debatte zu sehr. – Bitte
schön.
Herr Kollege Singhammer, wenn ich Sie richtig ver-
stehe, wollen Sie das Elterngeld mit dem Ziel des Er-
werbsanreizes einkommensabhängig gestalten. Das Ziel
ist, dass Frauen möglichst schnell in die Erwerbstätigkeit
zurückkehren. Deshalb wird der Anspruch um ein Jahr
gekürzt. Könnten Sie mir erklären, wie das dazu passt,
dass Sie die Gültigkeit der Geschwisterregelung doch
wieder auf 36 Monate erhöhen wollen? Denn damit kon-
terkarieren Sie natürlich das Ziel, dass Frauen möglichst
schnell in die Erwerbstätigkeit zurückkehren. Damit er-
möglichen Sie keine Anreize. Oder wollen Sie gar keine
Erwerbsanreize setzen? Denn das wäre die konsequente
Antwort auf das, was Sie gerade gesagt haben.
Frau Kollegin Deligöz, ich denke, es ist unbestritten,dass eine neue Situation gegeben ist, wenn innerhalb ei-nes kurzen Zeitraums – dazu zähle ich 24 oder auch36 Monate – ein zweites Kind kommt, und sich dann fürMütter und auch für Väter neue Fragen stellen. Eine Fol-gekinderregelung macht absolut Sinn.WzmnwzaRdgdrgHHnlkdlzzWmWdmsßTidrFKSwwsfhdUd
ir können damit in dieser Betreuungsphase, in derwei kleine Kinder vorhanden sind, besondere Angeboteachen. Ich glaube, das ist unbestritten und hat mit ei-em scheinbaren Widerspruch in der Argumentation,ie Sie es formulieren, wirklich nichts zu tun.
Wir können heute mit Genugtuung den Gesetzentwurfum Elterngeld einbringen. Wir sind uns gleichzeitigber auch bewusst, dass damit der Anfang für eine ganzeeihe weiterer Initiativen für die Familien gemacht wer-en muss. Über die Frage „Was kommt nach dem Eltern-eld?“ ist schon diskutiert worden.Ich denke, wir brauchen vor allem eine Bündelunger familienpolitischen Maßnahmen. Derzeit existie-en in Deutschland rund 145 unterschiedlichste Leistun-en – Sie haben richtig gehört – für Familien. Zur einenälfte sind dies Steuererleichterungen, zur anderenälfte direkte Zahlungen. Die Gesamtsumme beträgt, jeachdem welchen Maßstab man anwendet, rund 85 Mil-iarden Euro. Diese 145 unterschiedlichen Leistungspa-ete können auch bei wohlwollender Betrachtung nichtas Prädikat „transparent, durchschaubar und übersicht-ich“ erhalten.Deshalb macht es Sinn, die Leistungen der Familienu bewerten, dann zusammenzufassen, zu bündeln undu konzentrieren.
enige breite, große und übersichtliche Straßen der Fa-ilienförderung statt eines Gestrüpps von verästeltenegen sollte das Ziel sein. Ich denke, es macht Spaß, iner Familienpolitik zu klotzen, statt mit vielen Einzel-aßnahmen zu kleckern.Der Zugewinn und die Ersparnis an Bürokratiekostenollten dann allerdings ausnahmslos den Familien zuflie-en. Die Einrichtung einer solchen Familienkasse neuenyps, wie sie im Koalitionsvertrag formuliert wurde, istn der Tat eine Herkulesaufgabe, eine große Herausfor-erung. Deshalb bedarf es einer großen Koalition.Diese großen Vorhaben können aber nicht im luftlee-en Raum, ohne Werte, realisiert werden. Ohne einamilienbild, ohne ein Koordinatensystem, ohne einenompass in der Familienpolitik wächst die Gefahr descheiterns. Deshalb sage ich auch an dieser Stelle: Wirerden es nicht zulassen, dass bestimmte Lebensent-ürfe verächtlich gemacht werden. Wir werden es insbe-ondere nicht zulassen, dass Frauen und Mütter, die sichür eine bestimmte Zeit ausschließlich der Kindererzie-ung widmen, als spießig oder verzopft dargestellt wer-en.
nd wir werden es auch nicht zulassen, dass Frauen, dieen Großteil ihres Lebens für die Kindererziehung ein-
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Johannes Singhammergebracht haben, im Nachhinein mitleidig belächelt wer-den
und dass gesagt wird, sie hätten eine falsche Lebensent-scheidung getroffen. Wir wollen, dass weder den klassi-schen Alleinverdienerfamilien noch den Familien, in de-nen beide Partner erwerbstätig sind, der Respekt versagtwird.Lassen Sie mich noch Folgendes hinzufügen: Fürmich bedeutet Familie auch, dass sich die Eltern unterei-nander zu ihrer Verantwortung bekennen und ihren Kin-dern im Zusammenleben Geborgenheit und Orientierunggeben. Ehe und Familie sind für das Kindeswohl vonentscheidender Bedeutung. Es gibt ein Idealbild und esgibt die Realität. Wir wissen alle, dass das Ideal und dieRealität nicht immer deckungsgleich sind. Das kann abernicht bedeuten, dass wir auf ein Leitbild verzichten, unddas kann ebenfalls nicht bedeuten, dass wir das Leitbildständig der Realität anpassen müssen. Denn sonst müss-ten wir das Leitbild alle 14 Tage ändern. Das, denke ich,möchte niemand.Familie ist die Grundlage unseres Staates. Dieser Satzhat nichts an seiner Bedeutung eingebüßt. Lassen Siemich ein einziges Zitat in dieser Rede bringen, das aller-dings nicht von der Deutschen Bischofskonferenz undauch nicht von der EKD, sondern von einem deutschenWochenmagazin namens „Spiegel“ stammt, der vor we-nigen Wochen formuliert hat: „Ohne Familie verlernt dieGesellschaft schlichtweg die Liebe.“ Gemeint ist: DieFamilie vermag die notwendige Ursubstanz einer Soli-dargemeinschaft am besten zu schaffen. Darum geht es;darum ist die Familie wichtig und deshalb wollen wir siefördern.
Ich bin überzeugt, dass in Zeiten, in denen die Finanz-kraft und auch der Zuständigkeitshunger des Staatesnicht weiter wachsen werden
und die Sehnsucht nach emotionaler Wärme und Bezie-hung zunehmen wird, die Familie eine neue Bedeutunggewinnen wird. Ich meine, dass die Familie vor einerRenaissance steht. Wir werden alles tun, um die politi-schen Rahmenbedingungen für die Familie günstig zugestalten.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Am Anfang möchte ich mich an eine der beiden Da-mldamdmAmKfSwrIzEsnAwez2ddBJgdMEEddwwvgFnmaZkGaadhd
Union und SPD wollen eine bessere Vereinbarkeiton Familie und Beruf und streichen das Erziehungs-eld. Das bedeutet, dass sich einkommensschwacheamilien, in denen viele Kinder geboren werden, dem-ächst schlechter stehen werden als bisher. Die Proble-atik hinsichtlich der ALG-II-Empfänger ist hier schonngesprochen worden.Das Elterngeld ist nach meinem Dafürhalten keineukunftsvision, sondern dient dem Schaufenster. Das er-lärte Ziel des Elterngeldes soll die Erhöhung dereburtenzahl in Deutschland sein, besonders bei gutusgebildeten Frauen. Was wird aber passieren? Den gutusgebildeten Frauen hilft das Elterngeld nur wenig;enn das Angebot an Kinderbetreuung bleibt auf demeutigen Niveau. Eine Entscheidung für ein Kind wer-en diese Frauen nicht aufgrund des Elterngeldes tref-
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Sibylle Laurischkfen. Die Geburtenrate wird sich nach meiner Einschät-zung nicht erhöhen.Neben dieser grundsätzlichen Erwägung ist zudemdie Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs fraglich. Es istschon paradox, dass demnächst diejenigen Familien, diewenig oder gar nicht bedürftig sind, eine wesentlich hö-here staatliche Transferleistung erhalten werden als diebedürftigen Familien. Für mich ist es mit dem Sozial-staatsgebot unserer Verfassung nicht vereinbar, wenneine solche Leistung aus allgemeinen Steuermitteln fi-nanziert wird.Um nicht missverstanden zu werden: Eine Lohn-ersatzleistung Elterngeld kann sinnvoll sein, wenn dieanderen Rahmenbedingungen für Familien stimmen,wenn also die Kinderbetreuung im Anschluss gewähr-leistet wäre. Eine solche Lohnersatzleistung darf nachmeinem Dafürhalten ordnungspolitisch aber nicht ausallgemeinen Steuermitteln finanziert werden. Eine So-zialleistung – um eine solche handelt es sich bei dem El-terngeld – darf niemals mit abnehmender Bedürftigkeitansteigen. Dies ginge nur, wenn eine solche Leistungbeitragsfinanziert wäre.Überhaupt ist die Frage, was mit unserer Verfassungmöglich ist, interessant. In neuester Zeit wird Art. 6 desGrundgesetzes, in dem der besondere Schutz von Eheund Familie verankert ist, stark diskutiert. Verblüffendist schon, was alles in den Art. 6 hineininterpretiert wird,wenn es um den Diskussionspunkt Ehegattensplittinggeht. Zumindest erscheint mir innerhalb der Union derVorschlag von Herrn Pofalla familienpolitisch und pro-grammatisch interessanter zu sein als der Vorschlag vonFrau von der Leyen, ein Elterngeld einzuführen.Das Ehegattensplitting in aktueller Form ist ehe-freundlich. Wir brauchen aber auch ein Steuerrecht, daskinder- und familienfreundlich ist.
In der laufenden Diskussion habe ich den Eindruck ge-wonnen, dass manche diesen Gesichtspunkt außer Achtlassen. Ich habe den Eindruck, dass dies auch auf dieGrünen zutrifft.Das Ehegattensplitting ist vielleicht kein Fall für dieEwigkeit. Was wir benötigen, ist ein Steuersystem, wel-ches vor allem eine weit reichende familienfreundlicheKomponente besitzt. Ich verweise hier auf das Steuer-konzept von Herrn Kollegen Solms, das nicht nur einenGrundfreibetrag in Höhe von 7 700 Euro für jeden Ehe-partner, sondern den gleichen Freibetrag als Kinderfrei-betrag für jedes Kind und gegebenenfalls eine Erhöhungdes Kindergeldes auf 200 Euro je Kind vorsieht.Unser Steuerkonzept wurde vorgelegt. Es ermöglichtden Frauen die Wahlfreiheit, sich entweder ausschließ-lich für die Familie oder aber für Familie und Beruf zuentscheiden, wozu deren Vereinbarkeit Voraussetzungwäre. Das ist nach meinem Dafürhalten wirkliche Fami-lienförderung.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiriskutieren heute nicht nur über den Haushalt des Minis-eriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, son-ern auch über den eingebrachten Gesetzentwurf zumlterngeld und damit einhergehende große Veränderun-en, und zwar nicht nur gesetzliche. Vielmehr wird dasesetz – davon bin ich überzeugt – mit der Zeit, in der esn Kraft ist, zunehmend auch eine gesellschaftliche Ver-nderung mit sich bringen. Somit geht es auch darum,ass diejenigen, die Politik machen, diese gesellschaftli-he Veränderung aufnehmen, wahrnehmen und umset-en.
ch halte es für ganz wichtig, dass niemand in der Politikagt: Wir stellen uns ein bestimmtes Familienbild vornd dementsprechend sollt ihr euch verhalten. Genaumgekehrt sollte es sein, nämlich dass wir wahrnehmen,as Frauen und Männer in dieser Gesellschaft wollen,nd dann die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbe-ingungen schaffen. Dazu gehört eben auch das Eltern-eld.
Große Veränderungen brauchen sehr häufig Väter undütter. Bei der Debatte um das Elterngeld möchte ich anie Mutter erinnern, die den Stein ins Wasser geworfenat, und ihr ein Dankeschön sagen: Es war Renatechmidt, die in der letzten Legislaturperiode diese Dis-ussion angestoßen hat. Wenn man ehrlich ist, muss manuch zugestehen, dass darüber auch ein Stück weit de-attiert wurde.
ch finde, dass es notwendig ist, daran zu erinnern, dassie die Debatte angestoßen hat. Sie kann heute nicht daein, weil sie gesundheitliche Probleme hat. Dennochöchten wir von unserer Seite an ihre Leistung erinnernnd ihr Dank sagen.
Dadurch, dass das Elterngeld näher an der Lebens-irklichkeit der Menschen liegt, haben Eltern bezüglicher Frage, wer sich zumindest teilweise um Kinder küm-ern und sie betreuen kann, sehr viel mehr Entschei-ungsfreiheit als bisher. Frau von der Leyen hat das jauch schon angesprochen. Das will ich aber nicht nur ab-trakt feststellen, sondern auch an einem konkreten Bei-piel verdeutlichen, von dem in ähnlicher Form wohllle schon gehört haben:
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Nicolette KresslEin junges Paar, das ein Kind bekommt oder plant, einKind in die Welt zu setzen, musste sich bisher immer dieFrage stellen, wer von beiden sich um das Kind küm-mern und für einen Teil der Zeit auf die Erwerbstätigkeitverzichten soll. In meinem Umfeld habe ich sehr oft er-lebt, dass gesagt wurde, eigentlich wolle der Vater dasgerne tun, aber man könne es sich nicht leisten, weil soviel Geld wegfalle. Damit war man nicht frei in der Ent-scheidung, sondern unfrei. Hier kommen wir nun einganz großes Stück voran, da zukünftig jüngere Men-schen durch die Möglichkeiten, die ihnen das Gesetz er-öffnet, in ihrer Entscheidung freier sein werden.
Ich will auf einen Punkt hinweisen, der in der Debattenoch nicht angesprochen worden ist: Die Entscheidungs-möglichkeiten sind zusätzlich auch noch sehr flexibelausgestaltet. Zum Beispiel wird es dank dieses Gesetzesmöglich sein, dass sich Eltern entscheiden können, beidezusammen für ein halbes Jahr teilweise auf Erwerbstä-tigkeit zu verzichten und sich gemeinsam um das Kindzu kümmern.
Ich weiß, dass ganz viele Menschen dieses Lebens-modell für die Kinderbetreuung wollen. Genau daswerden wir ihnen mit diesem Gesetz tatsächlich ermögli-chen. Das ist ein weiterer Schritt zur flexiblen Gestal-tung dessen, was sich Eltern für ihre Familie wünschen.Drei Akzente, die beim Elterngeld gesetzt wurden,möchte ich ganz besonders herausheben:Erstens. Es gibt – das halte ich für ganz wichtig – eineRegelung für Menschen, die nicht so hohe Einkommenhaben, nämlich die Geringverdienerregelung, nach derdie Lohnersatzleistungen ansteigen können.Frau Lenke, das ist ein einfacher Dreisatz. Wenn Siedas als kompliziert beschreiben, dann ist das Ihr Pro-blem. Das ist nun wirklich eine einfache Regelung.
Ich möchte Ihnen sagen, was diese Geringverdienerrege-lung bedeutet, weil immer wieder das Gerücht in dieWelt gesetzt wird, mit dem Elterngeld würden Familienmit geringem Erwerbseinkommen im Vergleich zur Re-gelung des jetzigen Erziehungsgeldes benachteiligt. DieWahrheit ist, dass es, sobald Partnermonate in Anspruchgenommen werden, für den Partner oder die Partnerin,der bzw. die Lohnersatzleistung bekommt, keineSchlechterstellung geben wird, wenn er bzw. sie bis zu588 Euro verdient. Es wird für viele Geringverdienerfa-milien eine deutliche Besserstellung geben. Damit wirktsich die Regelung zugunsten dieser Familien aus.
Ich will nicht, dass an diesem Punkt ohne Ende diffa-miert wird. Das ist für uns ganz entscheidend. Diese Re-gelung war in den ersten Konzepten nicht vorgesehen.Wir haben zu Recht sehr lange darüber diskutiert unddnidtmbdngbsEnaubflddIdFdMbDtwtAswtedDdsbtspsudRig
Der dritte Akzent betrifft die Partnermonate, überie es eine große gesellschaftliche Debatte gegeben hat.ch bin sicher, dass es auch in Unternehmen eine Debattearüber geben wird, welche Verantwortung Männer undrauen tragen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass aufgrundieses Gesetzes auch in Unternehmen in zunehmendemaße erkannt wird, dass die Verantwortung für Kinderei Männern und Frauen liegt, und dass als Folge derebatte über die Partnermonate verstärkt Erziehungszei-en genommen werden. Das ist die dritte wichtige Ent-icklung. Es kann nicht alles mit der materiellen Leis-ung des Elterngeldes geregelt werden. Wir müssenkzente setzen, damit in der Gesellschaft, in der Wirt-chaft und in den Unternehmen darüber nachgedachtird und eine Verhaltensänderung eintritt. Diese Verhal-nsänderung ist die weitere wichtige Rahmenbedingung,ie wir brauchen, um zu einem familienfreundlicheneutschland zu kommen. Die Partnermonate werdenazu ein ganz wichtiger Anstoß sein.
Klar ist auch – das will ich ergänzen –, dass wir zu-ätzlich eine gute Infrastruktur für die Betreuungrauchen. Ich darf ausdrücklich auf einen Satz im Koali-ionsvertrag hinweisen, der mir etwas versteckt er-cheint. Es gab zwar schon in der vorherigen Legislatur-eriode das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Jetzt aberagen wir: Wenn der Zuwachs an Betreuungsplätzen fürnter 3-Jährige erkennbar nicht so erreicht wird, wie wiras im Gesetz vorgesehen haben, dann wird es einenechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geben. Dasst für uns – das sage ich auch für meine Fraktion – einanz entscheidender Satz im Koalitionsvertrag. Man
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Nicolette Kresslsollte ihn deswegen nicht verstecken, sondern immerwieder wiederholen.
Wenn wir über moderne Politik in einer verändertenGesellschaft reden, dann gehört dazu auch, dass der Re-spekt vor und die Würde von Menschen, die andersscheinen oder anders sind, unterstützt werden. Deshalbwill ich betonen, dass für uns ganz wichtig ist, dass allebisherigen Programme, die gegen Rechtsextremismuswirken, nicht nur erhalten bleiben, sondern dass wir überalle bürokratischen Hürden und Einwände hinweg Wegefinden, um diese Programme, mit denen wir junge Men-schen, die Toleranz, Selbstvertrauen und Rückgrat gegenRechtsextremismus zeigen, unterstützen, dauerhaft zufinanzieren. Ich glaube, das ist die Grundlage für das,was wir erreichen wollen: eine offene Gesellschaft, inder Respekt und Toleranz entscheidende Grundpfeilerunseres Zusammenlebens sind.Vielen Dank.
Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Karin
Binder, Die Linke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Liebe Besucherinnen und Besucher! Was sich bereits inder Planung der Familienministerin gezeigt hat, bestätigtsich nun im Haushalt: Gleichstellungspolitik kommtnicht vor.
Ohne ganztägige Kinderbetreuung keine Vereinbarkeitvon Familie und Beruf, ohne Erwerbstätigkeit und eige-nes Einkommen keine Existenzsicherung, keine Chan-cengleichheit und keine Gleichstellung der Geschlechter.
Zusammen mit dem Einzelplan 17 diskutieren wirheute über die Einführung eines Elterngeldes. Dies istaus gleichstellungspolitischer Sicht lange überfällig. DasElterngeld soll insbesondere Frauen nach der Geburt ei-nes Kindes finanzielle Unabhängigkeit und eine mög-lichst rasche Rückkehr in das Berufsleben gewährleis-ten. Zwei so genannte Vätermonate sind jedoch nur einkleiner Beitrag. Es ist noch viel zu tun in Sachen gleicheTeilhabe an Familien- und Erwerbsarbeit für Männerund Frauen.
Die Koalition feiert das Elterngeld als großen gleich-stellungspolitischen Wurf nach skandinavischem Vor-bild. Leider ist es eine Skandinavian-light-Version ge-wDffb–GsgMWrsndKDhzebAMtAsIzaslFidsnsdfBtrlwDwHh
Genau die Frage habe ich erwartet.
emäß einer Studie des Deutschen Instituts für Wirt-chaftsforschung von 2002 – sie ist heute immer nochültig – führt eine flächendeckende Kinderbetreuung zuehreinnahmen, und zwar auch bei den Kommunen.enn Mütter leichter und schneller in ihren Beruf zu-ückkehren können, hat das positive Effekte für die Wirt-chaft, für das Steueraufkommen und bedeutet Mehrein-ahmen für die Sozialversicherungen.Zurück zum Elterngeld. Frau Ministerin, Sie wollenie finanzielle Achterbahnfahrt, die die Geburt einesindes für die Eltern mit sich bringt, bremsen. Für einrittel aller Familien – mein Kollege Jörn Wunderlichat das bereits ausgeführt – beginnt aufgrund Ihrer Kon-eption des Elterngeldes die finanzielle Talfahrt aber nunrst richtig. Deshalb ist das Konzept für uns nicht trag-ar.
Nun zur Gleichstellung der Geschlechter auf demrbeitsmarkt. Die Europäische Kommission fordert dieitgliedstaaten seit langem auf, diese durch eigene Ak-ivitäten zu fördern. Ebenso verpflichtet uns der Art. 3bs. 2 unseres Grundgesetzes dazu. Doch im Haushaltucht man vergebens nach entsprechenden Maßnahmen.m Gegenteil: Die Bundesregierung hält sogar an Geset-en fest, die sich nach ihrer eigenen Evaluation negativuf Frauen auswirken. Sie verschärft sie sogar noch. Bei-piel Hartz-Gesetze: Mit dem so genannten Fortentwick-ungsgesetz entwickeln wir uns auf keinen Fall fort.rauen sind die Verliererinnen der derzeitigen Politik,nsbesondere dieser Hartz-Reformen. Deshalb setzt sichie Linke für eine bedarfsorientierte soziale Grund-icherung als Individualanspruch für Frauen und Män-er ein.
Durch die Hartz-Gesetzgebung wurde ein staatlichubventionierter Niedriglohnsektor geschaffen – das be-eutet Kosten für den Staat – mit einem hohen Anreizür Unternehmen zur Schaffung weiterer prekärereschäftigungsverhältnisse. Auch hier sind die Hauptbe-roffenen Frauen. Dagegen hilft nur eines: die Einfüh-ung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindest-ohns. Von der Einführung eines solchen Mindestlohnsürden vor allem Frauen profitieren, weil mehr als zweirittel der Beschäftigten in den Niedriglohnbereicheneiblich sind. Dass dies zur weiteren Entlastung desaushaltes beitragen könnte, brauche ich wohl nicht nä-er zu erläutern.
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Karin BinderDie einzige Maßnahme der Bundesregierung, Lohn-diskriminierung von Frauen einzudämmen, erstrecktsich auf ein Faltblättle. Damit bekämpft man Lohndis-kriminierung nicht. Gleichstellungspolitik ist eine staat-liche Querschnittsaufgabe, die sich durch alle Politikfel-der zieht und daher auch durch den gesamten Haushaltziehen müsste. In diesem Haushalt kommt Gleichstel-lungspolitik jedoch so gut wie nicht vor.Ich bedanke mich.
Anna Lührmann hat das Wort für Bündnis 90/Die
Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich habe in meinem Freundeskreis eine kleine
Umfrage unter jungen Frauen und Männern, die entwe-
der schon Kinder haben oder Kinder bekommen wollen,
gestartet. Ich habe sie gefragt: Was braucht ihr eigentlich
vom Staat, was für eine Unterstützung braucht ihr, damit
ihr euch eher für Kinder entscheidet und damit es leich-
ter für euch ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu
bringen? Sie haben mir alle gesagt: Na ja, dieses Eltern-
geld, das jetzt eingeführt werden soll, ist ja ganz nett,
aber eigentlich brauchen wir Betreuungsplätze.
Wir müssen wissen, wo wir unsere Kinder tagsüber un-
terbringen können.
Zu diesem Thema hat die Regierung nichts anzubieten.
Wir Grüne haben zu dem Thema, was junge Familien
wirklich brauchen, einiges anzubieten. Wir haben das
Konzept für eine Kinderbetreuungskarte vorgelegt, über
das wir heute diskutieren. Das Konzept ist sehr einfach
und funktioniert. Jedes Kind unter drei Jahren hat einen
Anspruch auf einen Betreuungsplatz und der wird dann
auch zur Verfügung gestellt.
Frau Kollegin Lührmann, möchten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Singhammer zulassen?
Sehr gerne.
Bitte schön.
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ir sprechen doch an dieser Stelle über die Frage, wieir es als Staat und als Gesellschaft jungen Familien,ungen Frauen und Männern besser ermöglichen können,amilie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Dasst die Frage, über die wir hier diskutieren. Wir habenine Reihe von Konzepten dazu vorgelegt, von denenie nichts zu verstehen scheinen, was auch Ihre Äuße-ungen zum Thema Ehegattensplitting deutlich ma-hen. Wir schlagen vor – das ist ein zentraler Bausteinnseres Konzeptes –, das Ehegattensplitting zu ersetzen,m zusätzliche Betreuungsplätze zu finanzieren. Das istas, was Familien brauchen. Sie brauchen keine Subven-ionierung der Alleinverdienerehe, sondern Betreuungs-lätze.
o können sie sich für das entscheiden, was sie wollen.ir als Staat müssen ihnen dabei nichts vorschreiben.ir müssen ihnen nicht vorschreiben, wie sie zu lebenaben oder ob sie Familie und Beruf unter einen Hut be-ommen sollen oder nicht.
Wir schreiben es ihnen nicht vor. Wir ermöglichen ih-en Wahlfreiheit.
Gehen Sie einmal in Ihren Wahlkreis oder reden Sieinmal mit Ihrem Kollegen Ole Schröder; er sitzt direktinter Ihnen. Denn er hat das sehr richtig erkannt und ge-agt: Wir müssen mehr für Betreuung tun. Wir müssenehr tun, um die realen Familien wirklich zu unterstüt-en und nicht dieses Idealbild von Familie – davon ha-en Sie gerade hier gesprochen –, das sehr wenige erfül-en können oder zum Teil auch erfüllen wollen. Wirollen wirkliche Wahlfreiheit gewährleisten. Das tun
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Anna Lührmannwir dadurch, dass nicht nur Familien mit einem dickenPortemonnaie, sondern alle Familien auf eine gute Be-treuungsinfrastruktur zurückgreifen können.
Wie ich eben angefangen habe auszuführen, wollenwir als Grüne das durch vier einfache Voraussetzungengewährleisten: Erstens wollen wir jetzt und nicht erst2008, Frau Kressl, einen Rechtsanspruch auf einen Be-treuungsplatz für unter Dreijährige einführen. Zweitenswollen wir das Ehegattensplitting abschmelzen, um5 Milliarden Euro locker zu machen. Drittens wollen wirein Geldleistungsgesetz einführen, das funktioniert – einGeldleistungsgesetz haben wir zum Beispiel auch beimWohngeld –, um direkt von der Bundesebene Geld fürdie Bedürftigen, nämlich für die, die Kinder unter dreiJahren haben, umleiten zu können.Viertens wollen wir jeder Familie mit Kindern unterdrei Jahren eine Kinderbetreuungskarte in die Hand ge-ben. Mit dieser Kinderbetreuungskarte sollen sie zu derjeweiligen Einrichtung vor Ort gehen können. Dadurchhätten sie eine größere Nachfragemacht; denn sie könn-ten entscheiden. Das wäre Wahlfreiheit. Sie könnten ent-scheiden, ob sie das Geld für eine Kinderkrippe oder füreine anerkannte Tagespflege ausgeben. Es gibt also vieleMöglichkeiten, dafür zu sorgen, dass sich die Qualitätvor Ort verbessert. Solche konkreten Möglichkeitenwollen wir schaffen.
Das Allerbeste ist, dass durch die Abschmelzung desEhegattensplittings mehr als 2 Milliarden Euro für dieLänder übrig bleiben. Diese 2 Milliarden Euro könnensie in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungenbzw. in eine Qualitätsoffensive vor Ort investieren. DieKonzeption der Grünen zum Thema Kinderbetreuungbringt wirklich Vorteile für Familien und Kinder mitsich. Deshalb würde ich mich darüber freuen, wenn Sieunserem Antrag in den Ausschussberatungen doch nochzustimmen würden.
Abschließend möchte ich auf zwei weitere Punktedieses Etats eingehen: Der erste Aspekt betrifft die Zivil-dienstleistenden, einen der größten Posten im Etat desFamilienministeriums. Mit den eingeplanten Mitteln sol-len 90 000 Zivildienstleistende einberufen werden. Imgleichen Zeitraum sollen aber nur ungefähr 60 000 jungeMänner Wehrdienst leisten, und das, obwohl immermehr junge Männer verweigern, sich also für den Zivil-dienst entscheiden.Das bedeutet: Wer heutzutage den Wehrdienst ver-weigert, wird praktisch auf jeden Fall einberufen. Werdas nicht tut, hat eine relativ große Chance, nicht einbe-rufen zu werden, weil die Regierung für Wehrdienstleis-tende weniger Plätze zur Verfügung stellt. Der Ehrliche– derjenige, der von Anfang an sagt, dass er verweigernmöchte – ist also der Dumme. Mit Wehrgerechtigkeithat das nichts zu tun. Das ist ungerecht. Deshalb meinenwsT3dwEazBWssPadrRfgGlRdPDddssIgKaDgzg
s gibt genug junge Männer und Frauen, die freiwilligll das machen wollen, wozu Zivildienstleistende ge-wungen werden. Ich glaube, dass das aus liberalemlickwinkel das richtige Konzept ist.
ir wollen in diese Richtung weitergehen. Denn wirind der Meinung, dass Zwangsdienste insgesamt abge-chafft werden sollten.
Zum Schluss möchte ich noch auf zwei sehr wichtigerogramme, die in diesem Etat enthalten sind, eingehen:uf Civitas und Entimon. Mit diesen Programmen hatie Bundesregierung in den letzten Jahren sehr erfolg-eich zivilgesellschaftliche Gruppen im Kampf gegenechtsextremismus gestärkt und Opferberatungen ge-ördert. Deshalb haben wir Grüne, wie schon in den ver-angenen Etatberatungen, Aufstockungsanträge in einerrößenordnung von 2 Millionen Euro gestellt. So wol-en wir dazu beitragen, dass vor Ort noch mehr gegenechtsextremismus unternommen wird.Frau von der Leyen, ich finde es wirklich sehr schön,ass auch Ihnen heute Morgen aufgefallen ist, dass dieserogramme in Ihrem Etat ressortieren.
enn im Zusammenhang mit diesem Thema sind Sie inen letzten Monaten eher dadurch aufgefallen, dass Sieie genannten Initiativen verunsichert haben, statt sie zutärken. Heute Morgen haben Sie jedoch, wie ich finde,ehr richtige Aussagen getroffen.
m letzten halben Jahr haben Vertreter Ihres Hauses vor-etragen, dass beabsichtigt ist, diese Programme auf denampf gegen alle möglichen Formen von Extremismususzuweiten.
as hätte bedeutet, dass den erfolgreichen Projekten ge-en Rechtsextremismus unter dem Strich weniger Geldur Verfügung gestanden hätte. Das waren die Planun-en Ihres Hauses.
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Anna LührmannHerr Frank Schmidt, Sie haben eben gesagt, die Re-gierung bräuchte bei diesem Thema keine Nachhilfe.
Wenn ich mir die Debatten des letzten halben Jahres vorAugen führe, muss ich aber feststellen: Nur der Druck,den unter anderem wir Grüne durch die Anträge, die wireingebracht haben, die Zivilgesellschaft und vielleichtauch Leute aus Ihren Reihen aufgebaut haben, hat dazugeführt, dass diese Pläne endlich vom Tisch sind.
Das ist auch gut so. Dabei soll es auch bleiben. WirGrüne werden Sie durch Anträge und Initiativen unter-stützen. Wenn Sie meinen, dass Sie das alleine schaffenkönnen, ist das gut. Aber wir werden Sie auf jeden Fallunterstützen – darüber können Sie sich freuen –, wenn esdarum geht, die Programme gegen rechts in den nächs-ten Jahren fortzuführen. Denn ich glaube – darüber sindwir uns in diesem Hause hoffentlich einig –, es mussnoch eine Menge getan werden, bis Deutschland wirk-lich das weltoffene und tolerante Land ist, das wir gernesein möchten, damit es in den nächsten Jahren wirklichheißen kann: Jeder ist in Deutschland willkommen undzu Gast bei Freunden.
Das Wort hat Thomas Dörflinger, CDU/CSU-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischendem Abschluss der Koalitionsvereinbarung und dem ers-ten Haushalt, den die große Koalition vorlegt, liegt einWeg, der nicht immer ganz einfach war. Ich sage das we-niger mit Blick auf die Beratungen innerhalb der Koali-tion als vielmehr mit Blick auf die Erwartungen des ei-nen oder anderen, der Skepsis hatte, was er von dem,was sich die große Koalition an familienpolitischen Vor-haben auf die Agenda geschrieben hat, im Haushalt 2006und in den Folgehaushalten wiederfindet.Heute, nachdem wir den ersten Haushalt gemeinsameingebracht haben und ihn in dieser Woche verabschie-den werden, kann ich sagen: Vieles von dem, was in derKoalitionsvereinbarung festgeschrieben worden ist, fin-det sich bereits im Haushalt 2006; es ist gelungen, denHaushalt auf hohem Niveau zu verstetigen und deutlicheSchwerpunkte zu setzen. Das ist ein Erfolg dieser Bun-desregierung und der sie tragenden Fraktionen.
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Ich will einen zweiten Punkt ansprechen – auch daabe ich den Eindruck, dass manche nicht ausreichendugehört haben –: die Integration. Frau Laurischk, ichrinnere mich noch genau an die Berichterstattung durcherrn Staatssekretär Dr. Kues, der im Ausschuss aufeine Frage, ob es notwendig sei, die Haushaltsansätzeür die Sprachförderung im Einzelplan 17 so zu gestal-en, wie das angedacht ist, oder ob es andere Möglich-eiten gebe, geantwortet hat, dass aufgrund der Vorga-en der Bundeshaushaltsordnung Mittel, die im Vorjahricht in ausreichendem Maße abgerufen wurden, nichtür alle Zukunft mit dem gleichen Haushaltsansatz fort-eschrieben werden können. Ob die Gründe dafür, dassiese Mittel nicht abgerufen wurden, in der Systematiker Sprachförderung und damit im Zuständigkeitsbe-eich von uns als Gesetzgeber liegen, darüber kann maneden. Die dafür zuständige Staatsministerin bei derundeskanzlerin hat aber das im Hinblick auf den inürze stattfindenden Integrationsgipfel aus ihrer Sichtotwendige aufgeschrieben. Das stellt unter Beweis,ass die Bundesregierung genau das tut, was wir ge-einsam beraten haben. Deswegen sehe ich keinen An-ass, die Bundesregierung oder die Staatsministerin zuritisieren.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3729
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Thomas DörflingerEs ist gelungen, die Ansätze in diesem Haushalt invielen Punkten auf hohem Niveau zu verstetigen; das giltauch für den Kinder- und Jugendplan. Insbesondere istes gelungen – das ist verschiedentlich schon ange-klungen –, den Ansatz für die Freiwilligendienste auf-zustocken und dadurch weitere 2 000 Plätze für dasfreiwillige soziale Jahr und weitere 400 Plätze für dasfreiwillige ökologische Jahr zu schaffen.
Jetzt können wir sagen: Angesichts der Mitteilung derTrägerorganisationen, dass man Bewerbungen für30 000 Plätze oder mehr hätte, sind 2 400 etwas wenig.Nur, hinsichtlich der finanziellen Gegebenheiten, diedieser Bundeshaushalt bietet und von dem sich die Fol-gehaushalte nicht wesentlich unterscheiden werden, istes ein Erfolg, dass es gelungen ist, 2 400 neue Plätze zuschaffen, auch wenn der Bedarf zugegebenermaßen we-sentlich höher ist.
Wenn die Bundesregierung bereits in der nächstenWoche unter dem Stichwort „Evaluation FSJ/FÖJ-Ände-rungsgesetz“ mit einer Veranstaltung dokumentiert, dassman diese Evaluation erstens vorgenommen hat undzweitens bereit ist, mit den Betroffenen und mit den po-litisch Verantwortlichen dieses Thema zu diskutieren,und bereit ist, darüber nachzudenken, ob es über das,was im FSJ/FÖJ-Änderungsgesetz bereits vorgenommenworden ist, hinaus Handlungsbedarf gibt – ich sage dasmit Blick auf die Freiwilligendienste im Ausland –, dannzeigt man, dass die Bundesregierung das, was in der Ko-alitionsvereinbarung steht, umsetzt – und das bereits imersten Jahr des Bestehens der großen Koalition – undnicht auf die lange Bank schiebt. Auch das ist ein Nach-weis dafür, dass wir das, was wir an politischen Vorga-ben formuliert haben, auf die politische Agenda setzenund konkret im Haushalt umsetzen.
Lassen Sie mich einen Gedanken aufgreifen, den derKollege Singhammer vorhin in die Debatte eingeführthat, nämlich das Thema Familienkasse. Es ist verschie-dentlich diskutiert worden. Ich unterstelle nicht jedem,der dieses Thema diskutiert hat, partout den Ansatz, denich jedem Familienpolitiker und jeder Familienpolitike-rin unterstelle, dass man nämlich davon ausgeht, dass dieZusammenfassung von Leistungen in wenigen Förder-strängen dazu führt, dass sich die Gesamtsumme derFörderung dadurch nicht vermindert. Manch einer magvielleicht mit anderen, möglicherweise finanzpolitischenErwägungen an diese Dinge herangegangen sein.Aber das alles ändert nichts an der Tatsache, dass wirgefordert sind, genau diesen Punkt noch einmal genauerunter die Lupe zu nehmen, um insbesondere im Interessevon Bürgerinnen und Bürgern, von jungen Familien das,was der Staat in weit über 100 Förderungstatbeständenfür Familien auf den unterschiedlichsten Ebenen tut, zu-sammenzufassen und ein Stück weit transparenter, auchpraktikabler zu machen für diejenigen, die das anschlie-ßDwTbs2vusiusdZVGaldrwtnoncKtDbtDrngilwpldZ
Das Wort hat die Kollegin Miriam Gruß, FDP-Frak-
ion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Ob Wickelvolontariat, Vätermonateder Windelpraktikum – bisher hat das Elterngeld nur ei-es gebracht: eine, wie ich meine, zweifelhafte Berei-herung unseres Wortschatzes.Den Schöpfungsgeist und die Kreativität einzelneroalitionspolitiker in Ehren – doch, meine sehr verehr-en Damen und Herren, der Duden ist schon dick genug.en Familien, auf die es uns hier ankommen muss,ringt diese mehr oder weniger ernst gemeinte Auswei-ung des Vokabulars rein gar nichts. Das, was Eltern ineutschland heute wirklich brauchen, steht nicht in Ih-em Gesetz, Frau Ministerin.
Durch diverse Studien und Umfragen der vergange-en Wochen wurde uns immer wieder schwarz auf weißezeigt: Eltern wollen eine verlässliche Betreuung fürhre Kinder. Diese ist ihnen wichtiger als weitere Geld-eistungen, zumal wir – auch das ist schon angesprochenorden – im internationalen Vergleich bei den familien-olitischen Leistungen sowieso schon im oberen Feldiegen.Mehrere von Ihnen haben wohl gestern den Artikel iner „FAZ“ gelesen. Ich nenne Ihnen noch eine andereahl: Bund, Länder und Gemeinden und Sozialversiche-
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3730 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Miriam Grußrungen haben laut des Kieler Instituts für Weltwirtschaftim vergangenen Jahr rund 240 Milliarden Euro ausgege-ben, die den Familien zugute kommen. Sie alle wissen,wie hoch die Geburtenrate in Deutschland ist: Sie beträgt1,3 Kinder pro Frau. Der Aufwand ist also enorm hoch,während der Ertrag enorm niedrig ist.Ich bin der festen Überzeugung, dass auch dasElterngeld leider nichts daran ändern wird; denn natür-lich denken planende Eltern darüber nach, wie es nacheinem Jahr weitergehen soll. Was nützt uns denn einzwölf- oder 14-monatiges Elterngeld, wenn wir danachkeinen Betreuungsplatz anbieten können? Das ist heuteGott sei Dank schon mehrfach angesprochen worden.
Ich meine, dass sich der Bund hier nicht aus seiner Ver-antwortung stehlen darf. In Zeiten notwendiger Mobili-tät kann es nicht sein, dass in Bayern nur jedes hun-dertste Kind unter drei Jahre die Chance auf einenKrippenplatz hat, während es in Brandenburg jedeszweite Kind ist.
Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von
Kerstin Griese zulassen? – Bitte schön.
Liebe Frau Kollegin Gruß, weil von der FDP immer
wieder Behauptungen aufgestellt werden, drängt es
mich, Sie zu fragen: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass wir mit dem Tagesbetreuungsausbauge-
setz, das seit Januar letzten Jahres in Kraft ist, einen gro-
ßen Schritt gemacht haben, damit die Betreuungsmög-
lichkeiten für die unter Dreijährigen in den Kommunen
ausgebaut werden? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
men – wenn Sie durch die Städte in Ihrem Wahlkreis
reisen, werden Sie das sehen –, dass alle Städte Aus-
baupläne erstellen und Bedarfserhebungen für die Be-
treuung von unter Dreijährigen durchführen? Mir fehlt
die aktive Unterstützung der FDP für den Ausbau der
Kinderbetreuung. Ich habe von Ihnen bisher keinen akti-
ven Beitrag für dieses Gesetz oder für den Ausbau der
Kinderbetreuung gesehen.
Frau Kollegin, Frau Lenke hat vorhin in die ähnlicheRichtung geantwortet. Ich kann Ihnen nur sagen: Siewissen selbst, dass ich Mutter bin. Ich habe in Bayernein Jahr lang auf einen Kindergartenplatz gewartet undein Jahr lang versucht, Kind und Karriere zu vereinba-ren. Ich kann Ihnen also aus meiner persönlichen Erfah-rung sagen: Das, was Sie geplant haben, mag schön undgut sein, aber die derzeitige Situation ist noch nicht aus-reichend. Wir reden hier von der derzeitigen Situation inDeutschland.
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Meine Damen und Herren, neben dieser grundsätzlichalschen Schwerpunktsetzung gibt es in dem Gesetzent-urf zum Elterngeld auch zahlreiche handwerklicheängel:Erstens. Es fehlt – das ist schon angesprochen worden –ine vernünftige Übergangsregelung.Zweitens. Die Zeiteinteilung der Betreuung zwischenen Eltern ist nur monatsweise vorgesehen. Eine flexiblend praxisnahe Aufteilung – beispielsweise tageweise –,ie sie vielen berufstätigen Eltern zugute kommenürde, ist also nicht möglich.
Ich kenne zum Beispiel ein zertifiziert kinderfreundli-hes Unternehmen, in dem 300 verschiedene Arbeitszei-en wahrgenommen werden. Arbeitnehmer, Väter undütter, setzen sich mit dem Arbeitgeber zusammen undegen die Stundenfolge ganz individuell fest. Die Ge-etzgebung darf hinter dieser schon jetzt funktionieren-en Realität doch nicht hinterherhinken.
Noch ein Wort zu den Vätermonaten. Ich halte esrundsätzlich für falsch, Väter zwangsweise zu ver-flichten, auf ihre Kinder aufzupassen und sich um dieinder zu kümmern. Dadurch werden die Väter keineesseren Väter. Eltern sollen bitte in vollem Umfang freintscheiden dürfen, wer sich wann und wie um die Kin-er kümmert.
Drittens. Der Beitrag für die gesamte Gesellschaft,en Eltern jeden Tag aufs Neue mit der Erziehung ihrerinder leisten, wird auch mit dem Elterngeld nicht ho-oriert.Die Begriffe „Übergangsregelung“, „Zeiteinteilung“nd „Erziehung“ stehen schon längst im Duden. Wirüssen die Familienpolitik nicht neu erfinden; wir müs-en sie jedoch an den tatsächlichen Bedürfnissen von Fa-ilien ausrichten. Deshalb lehnen wir dieses Korsett fürltern ab. Es ist zu steif und zu eng und es stützt die Fa-ilien an der falschen Stelle.
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Miriam GrußKinder brauchen Fürsorge, um den richtigen Weg inihr Leben zu finden. Eltern brauchen Unterstützung dort,wo sie diese Fürsorge nicht leisten können. Familienbrauchen die Freiheit, diese Unterstützung nach ihren in-dividuellen Bedürfnissen einzusetzen. Ein bürokrati-sches Werk fernab der Lebenswirklichkeit ist der falscheWeg.
Das Wort hat die Kollegin Caren Marks, SPD-Frak-
tion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen
der Kollegin Gruß machen deutlich, dass die FDP und
auch sie persönlich noch sehr viel zu lernen haben. Wie
wir eben mitbekommen haben, steht nicht alles im Du-
den, den Sie offenbar stets dabeihaben.
Mit dem Kabinettsbeschluss und der ersten Lesung
des Gesetzentwurfs zur Einführung des Elterngelds ist
sichergestellt, dass dieses zentrale familienpolitische
Konzept der SPD in der großen Koalition tatsächlich
umgesetzt wird. Ab dem 1. Januar 2007 erhalten Fami-
lien in Deutschland ein Elterngeld als Lohnersatzleis-
tung für entgangenes Einkommen im ersten Jahr nach
der Geburt eines Kindes. Das Elterngeld nach skandina-
vischem Vorbild war eine wichtige Wahlkampfforderung
der SPD, die wir im Rahmen der Koalitionsverhandlun-
gen durchsetzen konnten.
Heute wird der Gesetzentwurf zur Einführung des
Elterngeldes in den Bundestag eingebracht. Das Eltern-
geld steht für die kontinuierliche Fortsetzung einer mo-
dernen und sozial gerecht ausgestalteten Familienpolitik
der SPD. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten waren es, die die Familienpolitik in Deutschland
1998 aus dem Dornröschenschlaf geweckt und einen
Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Familien-
politik eingeleitet haben.
Wie alle wissen, kann Deutschland nur dann wirt-
schaftlich stark sein, wenn in Zukunft wieder mehr Kin-
der in unserem Land geboren werden und junge Men-
schen hier leben und arbeiten. Daher müssen wir die
Lebens- und Arbeitsbedingungen für junge Frauen und
Männer so gestalten, dass sie ihre Wünsche hinsichtlich
Familiengründung und erfolgreichem Arbeitsleben
gleichsam erfüllen können.
Moderne Familienpolitik muss auf die veränderte Le-
benssituation von Familien reagieren. Das unterstreicht
auch der Siebte Familienbericht der Bundesregierung.
Frauen sind so gut ausgebildet wie nie zuvor und verbin-
den damit ebenso selbstverständlich den Wunsch nach
Berufstätigkeit wie die Männer. Für viele Männer und
Frauen sind die finanziellen Einbußen und Brüche in ih-
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3732 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Caren MarksLiebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Einführungdes Elterngeldes werden die Defizite des Erziehungsgel-des beseitigt. Es ist ein wichtiger Bestandteil im Drei-klang einer modernen Familienpolitik.Mit dem Kernelement des Elterngeldes, der Einkom-mensersatzleistung in Anknüpfung an das Erwerbsein-kommen, wird die finanzielle Lücke junger Familien imersten Jahr nach der Geburt eines Kindes geschlossen.Da unabhängig vom Einkommen des Partners ein finan-zieller Ausgleich für den betreuenden Elternteil vorgese-hen ist, bedeutet dies gerade für Frauen, die häufig imersten Jahr nach der Geburt eines Kindes zu Hause blei-ben, eine wirtschaftliche Selbstständigkeit innerhalb derPartnerschaft. Zudem besteht durch die weitgehendeKompensation des Einkommens erstmalig auch einewirkliche Wahlfreiheit, nämlich die Möglichkeit, auf dashöhere der beiden elterlichen Einkommen zu verzichten.Auf die Frage, ob das Elterngeld sozial ausgewogenist, kann ich mit einem klaren Ja antworten. Auch wennin reflexartigem Gehabe die PDS etwas anderes behaup-tet, ist die Ausgestaltung des Elterngeldes sozial gerecht.Die Behauptung in Ihrem aktuellen Antrag, meineDamen und Herren von der PDS, dass mit dem Eltern-geld eine Umverteilung von Arm zu Reich begünstigtwird, ist nahezu absurd.
Staatliche Leistung kann abhelfende, unterstützendeoder vorbeugende Hilfe sein. Das Elterngeld ist ab-helfende Hilfe und zugleich Hilfe zur Sicherung dereigenen Lebensgrundlage für die Zukunft. Es ist keineSozialleistung im herkömmlichen Sinn, sondern eine Fa-milien unterstützende dynamische Leistung in Anknüp-fung an das Erwerbseinkommen.Bei der Beurteilung der sozialen Ausgewogenheit istes angebracht, endlich auch die Situation berufstätigerjunger Paare zu berücksichtigen. Ihre Sorge vor dauer-haften Einkommenseinbrüchen und beruflichen Nachtei-len ist berechtigt.Im ersten Jahr nach der Geburt des Kindes erhaltenalle Eltern in Zukunft mindestens so viel wie bisher,viele mehr, da die Einkommensgrenzen des Erziehungs-geldes entfallen. Für Spitzenverdiener ist die Lohn-ersatzleistung in Höhe von 67 Prozent des letzten Netto-einkommens auf einen Höchstbetrag von 1 800 Euromonatlich begrenzt. Betreuende Elternteile, die vor derGeburt eines Kindes über kein eigenes Arbeitseinkom-men verfügten, erhalten ein Mindestelterngeld in Höhevon 300 Euro. Dies trifft auf Hausfrauen und -männer,Studierende und ALG-II-Empfänger zu.Gegenüber den im Koalitionsvertrag vorgesehenenRegelungen wird der Sockelbetrag nicht als Einkommenbei anderen Sozialleistungen berücksichtigt. Er kannalso – das war uns Sozialdemokratinnen und Sozialde-mokraten wichtig – zusätzlich zum ALG II bezogenwerden. Ich möchte aber betonen, dass das ALG II dazuda ist, den Bedarf einer Bedarfsgemeinschaft zu decken.Das ist nicht die Aufgabe des Elterngeldes.ggFdcBslmMitmamgadfgEglbdDdwwKrwuweusmsam
Soziale Ausgewogenheit haben wir auch durch die soenannte Geringverdienerkomponente, die bereits vor-estellt wurde, hergestellt.Wie sieht es aber in Deutschland aus, wenn jungerauen und Männer nach der Bezugszeit des Elterngel-es in den Beruf zurückkehren wollen? Familien brau-hen ein familienfreundliches Umfeld, um Familie underuf zu vereinbaren. Das Elterngeld entfaltet seine po-itive Leistung nur in Verbindung mit ausreichenden ver-ässlichen und flexiblen Betreuungsangeboten. Dieseüssen bereits für Kinder im Krippenalter gegeben sein.it dem Tagesbetreuungsausbaugesetz haben wir bereitsn der letzten Legislaturperiode beschlossen, diese Be-reuungsangebote deutlich auszuweiten.
Zum aktuellen Antrag der Grünen möchte ich nur an-erken, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünenls unser vorheriger Koalitionspartner eigentlich wissenüssten, wie wichtig der SPD-Fraktion der Ausbau vonuten Betreuungsangeboten ist. Wir werden weiter daranrbeiten.Ausbau der Kinderbetreuung bedeutet auch Ausbauer Bildung. Das beginnt mit der lange vernachlässigtenrühkindlichen Bildung. Das entspricht den Anforderun-en an eine Wissensgesellschaft.
s ist belegt, dass gerade bei kleinen Kindern jeder ein-esetzte Euro gut angelegt ist. Eine frühe Förderung al-er Kinder bedeutet eine bessere Bildung und das ist dieeste Armutsprävention, meine Damen und Herren voner PDS.
er notwendige Ausbau der Kinderbetreuungsangebote,as Elterngeld und eine familienfreundlichere Arbeits-elt werden nach den Erfahrungen in anderen Ländernichtige Schritte sein, um Paaren die Entscheidung fürinder zu erleichtern. Das in den letzten Jahren erfolg-eiche sozialdemokratische familienpolitische Konzeptird mit dem neuen Elterngeld sinnvoll fortgeführt.Kinder sind eine vielfältige Bereicherung für Frauennd Männer, die sich entscheiden, Mütter bzw. Väter zuerden, und für unsere Gesellschaft. Nur ein Land bzw.ine Gesellschaft mit Kindern hat eine Zukunft. Kindernd Familien brauchen aber die Unterstützung der Ge-ellschaft. Deshalb wollen wir Deutschland zu einem fa-ilienfreundlicheren Land machen. Wir sind fest ent-chlossen, diesen Weg weiterzubeschreiten. Ich lade Sielle herzlich ein, sich gemeinsam mit uns dafür stark zuachen.Herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Diana Golze, Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Der Rechtsextremismus ist
ein aktuelles Problem, auch wenn die euphorische Stim-
mung während der Fußballweltmeisterschaft derzeit vie-
les überdeckt. Von Januar bis Ende April dieses Jahres
registrierte die Polizei bundesweit 3 489 Straftaten von
Neonazis. Das sind über 400 mehr als im Vorjahr. Doch
in den letzten Wochen ist es um die Bundesprogramme
gegen rechts, CIVITAS und Entimon, ruhig geworden.
Die Großkoalitionäre haben sich Anfang Mai wirkungs-
voll vor die Presse gestellt und verkündet, dass es keine
Kürzungen bei den Bundesprogrammen zur Förderung
von Maßnahmen gegen Rechtsextremismus geben soll.
Auch die inhaltliche Aufweichung der Programme sei
vom Tisch, hieß es. Aus den Landesparlamenten liegen
mehrere entsprechende Anträge und Entschließungen
vor. Ich zitiere stellvertretend Herrn Burkhard
Jungkamp, Staatssekretär im brandenburgischen Bil-
dungsministerium. Er meint, dass viele Projekte „allein
mit der Unterstützung, die das Land selbst gewähren
kann, kaum in der Lage sind, in der Auseinandersetzung
mit dem Rechtsextremismus weiter erfolgreich zu arbei-
ten“.
Inzwischen sind nahezu zwei weitere Monate ins
Land gegangen. Die Sommerpause steht bevor. Dann ha-
ben wir September. Ein neuer Haushalt für 2007 wird
vorliegen und wir alle haben Gelegenheit, die Haltbar-
keit der Versprechen zu überprüfen.
Sechs Monate vor dem Auslaufen der Bundespro-
gramme ist aber die wichtigste Frage noch offen: Welche
Zukunft haben die viel gelobten Strukturprojekte im Os-
ten der Republik, wie Opferberatungsstellen, mobile Be-
ratungsteams und Netzwerkstellen? Sie stehen nach An-
sicht aller Experten für Kontinuität der Arbeit gegen den
Rechtsextremismus. Sie sind in den Bundesländern
– dank dieser Kontinuität – hervorragend verankert und
stoßen auf breite Akzeptanz. Sie sind ein entscheidender
Faktor der Arbeit gegen den Rechtsextremismus.
Was aber hören wir von der Regierung? Der Antwort
auf eine Kleine Anfrage vom 30. Mai dieses Jahres ent-
nehme ich, die dauerhafte Finanzierung der entspre-
chenden Strukturen sei „ausgeschlossen“. Meine sehr
verehrten Damen und Herren, insbesondere von der
SPD, ich habe Frau Kressls Äußerungen dazu zur Kennt-
nis genommen. Der Vorsitzende des Innenausschusses,
Sebastian Edathy, wird in der heutigen Ausgabe des „Ta-
gesspiegel“ mit dem Satz wiedergegeben:
Die Bundesprogramme zur Förderung zivilgesell-
schaftlicher Initiativen, zum Beispiel der Bera-
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Ich denke, Sie haben mich sehr genau verstanden.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Ole Schröder, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Debatte hat gezeigt, dass die große Koali-ion im Bereich der Familienpolitik wirklich etwas be-egt. Mit der Einführung des Elterngeldes und der bes-eren Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskostenachen wir unser Land familienfreundlicher.
Das Elterngeld führt dazu, dass die Entscheidung fürin Kind nicht mehr gleichzeitig die Entscheidung fürassive finanzielle Einschnitte bedeuten muss. Das El-erngeld und die höhere Absetzbarkeit sind wichtigeausteine, mit denen wir als große Koalition auf die He-ausforderungen der demografischen Entwicklung rea-ieren.Bessere Rahmenbedingungen für Kinder zu schaffenst wichtig, um auf die veränderte Altersstruktur zu rea-ieren. Genauso wichtig ist es, die Alterung der Gesell-chaft positiv zu gestalten. Wir wollen nicht nur diearaus entstehenden Probleme diskutieren; vielmehr
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3734 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Dr. Ole Schröderbegreifen wir die älter werdende Gesellschaft auch alsChance. Wir werden deshalb die Rahmenbedingungenfür ein seniorengerechtes Lebensumfeld schaffen: beider Regelung der Arbeitswelt oder beim Zusammenhaltder Generationen.
Wir Christdemokraten haben klare Grundwerte.
Für uns sind Kinder und Familie ein Wert an sich,
sind Kinder und Familie etwas Positives für jeden Ein-zelnen und daher auch etwas Positives für unsere Gesell-schaft. Natürlich sind Kinder der Grundpfeiler für dieSicherung unseres zukünftigen Lebensstandards. Einehöhere Geburtenrate ist für die Sicherung unseres So-zialsystems, das auf Solidarität und auf dem Prinzip desGenerationenvertrags beruht, unerlässlich. Doch machenwir nicht den Fehler, in der politischen Diskussion Kin-der immer nur als Wirtschaftsfaktor zu betrachten, diedazu da sind, unser Sozialsystem zu retten! Kinder sindein Wert an sich und deshalb machen wir eine bessereFamilienpolitik.
Entsprechendes gilt auch für die Senioren. Viel zuhäufig werden nur die negativen Auswirkungen der al-ternden Gesellschaft diskutiert. Dass wir alle älter wer-den, ist eine sehr freudige Entwicklung, auf die wir unseinstellen können, und nichts Negatives. Wichtig ist nur,dass der enorme Erfahrungsschatz der Seniorinnen undSenioren, auch ihre Lebenserfahrung, in die Gesellschafteinfließen kann und in die Gesellschaft eingebrachtwird.Wie stellt sich die Familienpolitik heute dar? Die ent-scheidende Frage in einer Haushaltsdebatte ist: Gehenwir mit dem Geld, das die Bürgerinnen und Bürger unsanvertraut haben, auch vernünftig um? Wir betreiben Fa-milienpolitik momentan mit über 100 unterschiedlichenfamilienpolitischen Maßnahmen. Auf unterschiedli-chen föderalen Ebenen haben wir auf verschiedene Pro-bleme mit immer neuen Instrumentarien reagiert. Jederspezielle Einzelfall führte zu neuen Förderungstatbestän-den, sei es im Steuersystem, sei es im Sozialversiche-rungssystem oder sei es in Form direkter finanziellerHilfen im Bereich der Betreuungsinfrastruktur. DieFolge ist: Keiner blickt mehr durch. Wenn keiner mehrdurchblickt, dann ist auch der Anreiz nicht mehr erkenn-bar und fehlt somit.
Außerdem verschwindet viel Geld in der Förderbüro-kratie. Das krasseste Beispiel hierfür ist der Kinderzu-schlag, der ja eine vernünftige Grundlage hat, nämlichdass Eltern, die zwar ihren eigenen Lebensunterhalt,aber nicht den ihrer Kinder bestreiten können, einen Zu-schuss vom Staat bekommen, um die Kinder aus der So-zialhilfe herauszuholen. Doch wie sieht die Realität aus?Dh6zhueüceLrdLfeghIuDw–memFdFsf
Von daher ist es positiv, Frau Ministerin von dereyen, dass Sie sich des Themas der Entbürokratisie-ung der Familienpolitik angenommen haben und miter Überarbeitung des Kinderzuschlags damit anfangen.assen Sie uns hierbei mutig agieren, um den deutschenamilienpolitischen Förderungsdschungel zu lichten undin deutliches Signal für Familien zu setzen.Ein Wort zu dem Antrag der Grünen, den Sie hier ein-ebracht haben und der heute zusammen mit dem Haus-alt und dem Elterngeld diskutiert wird. Sie fordern inhrem Antrag, das Ehegattensplitting massiv zu kürzennd das Geld für Infrastruktur auszugeben.
as heißt, Sie wollen erst einmal den Familien Geldegnehmen.
Das ist die Wahrheit. Sie wollen das Ehegattensplittingassiv kürzen und nehmen den Familien dadurch erstinmal Geld weg. – Ich verstehe überhaupt nicht, waruman diese beiden wichtigen Themen – Förderung deramilien auf der einen Seite und Infrastruktur auf der an-eren Seite – ständig gegeneinander ausspielen muss.
amilien brauchen beides. Vor allen Dingen brauchenie Zuversicht, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Schröder, möchten Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Anna Lührmann zulassen?
Bitte schön.
Bitte sehr.
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Herr Kollege, es gibt ja auch in der Union mittler-
weile eine Debatte über das Ehegattensplitting. Wenn ich
mich recht entsinne, Herr Kollege Schröder, dann gehö-
ren auch Sie zu denjenigen, die betonen, dass von dem
Ehegattensplitting vor allen Dingen Ehen profitieren, in
denen es keine Kinder gibt, und dass man deswegen da-
rüber nachdenken muss, wie man Mittel zielgerichtet für
Familien ausgeben kann.
Von daher noch einmal an Sie die Frage: Würden Sie mir
zustimmen, dass mit dem Ehegattensplitting in Zeiten
knapper Kassen über 20 Milliarden Euro sehr zielunge-
nau verteilt werden?
Herr Kollege, wenn Sie auch noch die Frage der Kol-
legin Lenke zulassen, dann könnten Sie auf beide Fragen
umfassend antworten.
Bitte.
Frau Lenke, bitte.
Herr Kollege, Sie haben sehr darauf abgehoben, dass
unsere Gesellschaft kinderfreundlich sein muss, wenn
sie human, menschlich sein will. Jetzt aber wettern Sie
gegen das Ehegattensplitting.
– Sie wettern gegen die Änderung des Ehegattensplit-
tings. Ich habe nur eine Frage an Sie, Herr Kollege: Wis-
sen Sie, dass in 40 Prozent der Ehen, die jedes Jahr Ehe-
gattensplitting erhalten, keine Kinder leben?
Ich danke Ihnen für die Zwischenfragen. Aber wenn
Sie wollen, dass Sie Ihre Frage beantwortet bekommen,
dann müssen Sie leider stehen bleiben.
In der CDU geht die Diskussion darum, dass wir ne-
ben der Verantwortungsgemeinschaft Ehe auch die Ver-
antwortungsgemeinschaft Familie stärker berücksichti-
gen.
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inder würden bei einem in unseren Reihen diskutierten
amiliensplitting dadurch gefördert werden, dass nicht
ur die Ehe, sondern zusätzlich die Kinder berücksich-
igt werden. Wir als CDU/CSU werden immer – das sage
ch ganz deutlich – die wichtige Verantwortungsgemein-
chaft Ehe unterstützen, die die Grundlage der Familie
arstellt.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob wir beim
hegattensplitting, wie es beispielsweise in Frankreich
er Fall ist, nicht zusätzlich die Kinder berücksichtigen,
amit wir noch stärker die Verantwortungsgemeinschaf-
en fördern, in denen Kinder leben, und nicht nur die Ehe
n sich. Dieser Diskussion werden wir uns innerhalb der
DU/CSU stellen.
Aber jetzt zurück zum Haushalt.
Ich würde gerne all diejenigen, die sich zu Zurufen
nimiert fühlen – ich weiß nicht, ob es darum geht, ob
an bei der Beantwortung einer Zwischenfrage aufste-
en muss oder nicht –, darum bitten, dem Redner weiter
uzuhören, der wahrscheinlich auch noch die Zwischen-
rage von Frau Lenke beantworten möchte. Danach kön-
en Sie, Herr Schröder, dann entscheiden, ob Sie zwei
eitere Zwischenfragen zulassen möchten.
Ich bin auf beide Zwischenfragen gleichmäßig einge-
angen. Frau Lenke, Sie dürfen sich gerne wieder setzen
nd meinen weiteren Ausführungen zuhören.
Wenn Sie also auf beide Zwischenfragen eingegangen
ind, muss ich Sie jetzt fragen, ob Sie auch die Zwi-
chenfragen von Frau Haßelmann und Frau Deligöz
och zulassen möchten.
Bitte schön, Frau Haßelmann.
Bitte schön, Frau Haßelmann.
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3736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Sehr geehrter Herr Kollege, Sie sind ja noch relativ
jung.
Deshalb meine Frage: Glauben Sie in der Tat, dass Sie
mit Ihren Aussagen eben über das Institut der Ehe und
die Familiengründung in der Realität angekommen sind?
Für uns als CDU/CSU stellt die Ehe einen wichtigen
Wert dar, den wir beim Ehegattensplitting weiterhin
steuerlich berücksichtigen wollen. In der Diskussion
steht, ob neben der Verantwortungsgemeinschaft Ehe zu-
sätzlich die Verantwortungsgemeinschaft Familie mit
Kindern stärker steuerlich berücksichtigt wird.
Sagen Sie deutlich, dass Sie den Ehen und damit den
Familien Geld wegnehmen wollen! Das ist offensicht-
lich Ihre Realität, in der Sie von den Grünen angekom-
men sind. Wir als CDU/CSU wollen den Familien nichts
wegnehmen, sondern die Familien stärker berücksichti-
gen, in denen Kinder leben. Das ist unser Konzept.
Ich denke, es ist die Realität, dass in Familien und Ehen
Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Dies
wollen wir als CDU/CSU entsprechend berücksichtigen
und fördern.
So, Frau Deligöz.
Herr Kollege, wenn Sie sagen, Sie wollten den Fami-
lien nichts wegnehmen, dann würde mich Ihre Antwort
auf eine Frage ganz dringend interessieren: Wie haben
Sie bei der Mehrwertsteuererhöhung abgestimmt? Ge-
nau die kostet die Familien Geld; denn sie können gar
nicht anders als konsumieren.
Mich würde Ihre Antwort auf eine zweite Frage inte-
ressieren: Sie zitieren hier so schön das Modell Frank-
reich. Über das dortige Familiensplitting sind Sie, so
glaube ich, falsch informiert. Ist Ihnen bewusst, dass ge-
rade die Franzosen weder Kindergeld wie bei uns noch
Kinderfreibeträge kennen, sondern primär in die Infra-
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Ich verstehe nicht, warum die Grünen die Förderung
er Familien, die ja hoffentlich auch den Grünen am
erzen liegt, gegen das Thema Infrastruktur ausspie-
en. Die Familien brauchen beides.
ehmen Sie den Familien nicht aus der einen Tasche et-
as weg, um es ihnen in die andere Tasche hineinzuste-
ken! Diese Logik verstehe ich nicht. Ich denke, dass wir
ber das Thema Familiensplitting noch diskutieren wer-
en, wir von der CDU/CSU und vielleicht auch Sie von
en Grünen. Aber denken Sie daran, dass es keine Lö-
ung ist, den Familien erst etwas wegzunehmen,
m es ihnen dann über staatliche Transferleistungen zu-
ückzugeben.
Was ich an Ihrem Antrag besonders problematisch
inde, ist, dass Sie nur auf öffentliche Infrastruktursys-
eme setzen – das steht in Ihrem Antrag mindestens drei-
der viermal – und dass Sie auf die Vielfalt der Infra-
trukturmöglichkeiten, die eben auch von Privaten zur
erfügung gestellt werden können, gar nicht eingehen.
o hätten Sie Ihren Antrag verbessern können.
Mir liegt noch eine Zwischenfrage vor. Wenn Sie
öchten?
Ich würde jetzt gerne zum Haushalt zurückkommen.
ir sind ja hier in einer Haushaltsdebatte. Alle andereninge können bei den Beratungen im Ausschuss nochiskutiert werden.
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Dr. Ole SchröderBei der Haushaltsaufstellung – das ist für mich alsMitglied des Haushaltsausschusses ein wichtiger Punkt –konnten wir 6 Millionen Euro für die Einrichtung derMehrgenerationenhäuser zur Verfügung stellen. DerStart dieses Projekts noch in diesem Jahr ist gesichert. Esist jetzt Aufgabe der Bundesregierung, zu zeigen, dassder Vertrauensvorschuss, den sie vom Parlament bekom-men hat, gerechtfertigt ist. Wir werden das Projekt imHinblick auf die Bundesausgaben konstruktiv und kri-tisch begleiten.Bei allen wichtigen Weichenstellungen für eine bes-sere Familienpolitik dürfen wir das für die nachkom-menden Generationen wichtigste Thema nicht verges-sen: die Konsolidierung des Haushalts. Ohne dieKonsolidierung des Haushalts werden wir die Hand-lungsspielräume der kommenden Generationen immerstärker einengen. Deswegen ist es für unsere Kinderganz wichtig, dass wir hier tätig werden. Das ist einwichtiges Projekt der großen Koalition.
Zur Fußballweltmeisterschaft ist noch nichts gesagtworden. Das will ich aber natürlich tun.
Das machen Sie jetzt schon außerhalb Ihrer Redezeit.
Frankreich ist 1998 Fußballweltmeister geworden.
Seit dieser Zeit ist die Geburtenrate in Frankreich von
1,6 Kinder auf 1,9 Kinder gestiegen.
Ich denke, wir sollten das den Franzosen nachmachen.
Frau Ministerin, ich denke, dass Sie unseren Bundestrai-
ner auf diesen wichtigen Sachzusammenhang hinweisen
sollten.
Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Christel Humme, SPD-
Fraktion.
Frau Vorsitzende! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Es ist in der Tat neu, dass wir fast zwei Stunden imParlament über Familien- und Gleichstellungspolitik re-den. Ich denke, das zeigt, Frau Binder, welchen Stellen-wert wir diesen Themen beimessen. Ich verstehe IhreKritik überhaupt nicht, wonach wir überhaupt kein Kon-zept haben. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich seheIBKkFSsGekzegkaDkpbrkKe–dkWPsusddmfsnd1t–zeimv
Diese beiden Instrumente verhelfen unseren Kindernu besseren Bildungschancen und sie ermöglichen auchine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ichebe Ihnen von den Grünen natürlich Recht: Es ist gareine Frage, dass das, was wir jetzt haben, noch nichtusreicht. Wir brauchen mehr.Wenn Sie in den Koalitionsvertrag schauen – Fraueligöz, auch Sie sollten darin einmal nachlesen –, dannönnen Sie eindeutig erkennen, dass wir einen Schwer-unkt auf den Ausbau der Infrastruktur legen. Wennis 2008 absehbar ist, dass der Ausbau nicht bedarfsge-echt erfolgt ist, wollen wir – das ist für uns Sozialdemo-ratinnen und Sozialdemokraten ganz wichtig; Frauressl hat es bereits erwähnt – den Rechtsanspruch aufinen Betreuungsplatz für unter Dreijährige durchsetzen.
Frau Deligöz, Sie müssten einmal genau hinhören,ann wüssten Sie, welche Jahreszahl ich genannt habe.Vereinbarkeit von Familie und Beruf war unser Mar-enzeichen in den letzten beiden Legislaturperioden.ir knüpfen in der großen Koalition genau an diesenunkt an. Der Baustein Elterngeld ist da ein weiteres In-trument, das nicht nur für die Vereinbarkeit von Familiend Beruf wichtig ist.Für uns ist es auch wichtig – die Ministerin hat eschon betont –, dass die Familien den Lebensstandard,en sie haben, auch halten können. Denn wir wissen auser Vergangenheit: Gerade der Wegfall eines Einkom-ens hat vielfach zu Familien- und Kinderarmut ge-ührt. Das Elterngeld will genau das verhindern.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben dieschon heute öfter gehört; ich freue mich, dass darübericht mehr so heftig diskutiert wird: Der besondere Reizer Lohnersatzleistung in Höhe von maximal bis zu800 Euro monatlich liegt in seiner Botschaft an die Vä-er. Ihnen wird es künftig sicherlich schwerer fallenauch das hat Frau Kressl vorhin gesagt –, der Meinungu sein, dass sich Elternzeit für sie nicht lohne. Dennine Lohnersatzeinleistung in Höhe von bis zu 1 800 Eurom Monat ist für die Väter sehr interessant. Ich freueich, dass die Debatte über die Vätermonate endlicherstummt ist.
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Christel HummeFrau Binder, was den Gleichstellungsaspekt betrifft,möchte ich sagen: Das Elterngeld trägt dazu bei, dass dieVäter in den Betrieben zukünftig leichter sagen können,dass sie Familienarbeit übernehmen wollen.
Es fördert auch die Entwicklung – das ist ein weitererGleichstellungsgesichtspunkt –, dass Frauen bei Einstel-lungen weniger diskriminiert werden. Denn mittlerweilesind die männlichen Bewerber ebenfalls in der Situation,Elternzeit nehmen zu können. Das heißt, es wurde einwesentliches Ziel in Bezug auf die Gleichstellung er-reicht.Kurz gesagt: Durch das Elterngeld wird zur Umset-zung von neuen Rollenkonzepten ermuntert werden. Au-ßerdem kann die Wahlfreiheit, deren Wichtigkeit FrauKressl gerade so eindringlich beschrieben hat, besser inAnspruch genommen werden.Frau Lenke, wir haben die Lohnersatzleistung ganzbewusst für die Dauer von 14 Monaten konzipiert. Da-mit fördern wir den Gedanken, dass der Berufseinstiegverbessert werden muss. Ich denke, da sind wir aufgrundder Diskussion in der Vergangenheit einer Meinung. Da-her wundere ich mich, dass Sie, Frau Lenke, fordern, dieRahmenfrist auf 32 Monate zu erhöhen.
Ich empfehle allen, die eine Verlängerung der Rahmen-frist fordern, einen Blick in eine Studie des DeutschenInstituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahre 2004 zuwerfen. Dort wird eindeutig festgestellt, dass bei demersten Kind der Anteil der Frauen, die bereits nach ei-nem Jahr wieder berufstätig sein wollen, 75 Prozent be-trägt. Ein weiteres interessantes Ergebnis dieses Berichtsist, dass nach dem zweiten Kind der Wunsch, wieder be-rufstätig zu sein, bereits nach einem halben Jahr vorhan-den ist. Daher halte ich diese Diskussion für völlig ver-fehlt.Zur Klarstellung noch einmal: Das Elterngeld ersetztdas Erziehungsgeld. Daher verbietet sich ein Vergleich.Es ist ein völlig neues Instrument, mit dem vor allemzwei Ziele in den Vordergrund gestellt werden: eine bes-sere Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatzund eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.Ich gebe all denen Recht, die heute in der Debatte ge-sagt haben, das Elterngeld entfalte seine volle Wirkung,wenn wir nach einem Jahr die Betreuungsangebote ha-ben, die wir brauchen. Ich gebe auch all denen Recht, dieheute gesagt haben, dass wir einmal genau hinschauenmüssen, welche Leistungen es für Familien gibt. Wirmüssen uns aber fragen, ob das alles noch so zielgenauist, wie wir es eigentlich wollen. Müssten wir nicht viel-leicht umsteuern zugunsten von mehr Betreuungsange-boten, was ein modernerer Weg wäre?Ich denke mir, Frau Laurischk, Ihr Vorschlag ist einwenig widersprüchlich. Sie fordern das Gleiche wie ichvorhin, nämlich mehr Betreuungsplätze. Sie nehmen unsaber zugleich die Möglichkeit der Gestaltung, indem Sieein Familiensplitting fordern.SEwdfp–EwaUkswmgrmEWnnbzdsHlHdAm1kIlwSul
ie wissen, was das kostet: mindestens 17 Milliardenuro. Ich frage alle, die diese Forderung erheben: Wieollen Sie sicherstellen, dass in Zukunft noch Geld füren Ausbau von Betreuungsplätzen da ist? Ich halte dasür höchst ungerecht und auch unter sozialem Gesichts-unkt für falsch.
Sie können gleich noch fragen; ich möchte das eben zunde führen.All denen aber, die in dieser Debatte gesagt haben,ir müssten uns einmal das Ehegattensplitting genauernschauen und prüfen, ob da nicht vielleicht doch einemsteuerung wünschenswert wäre, weil es vielleichtein modernes Instrument oder nicht mehr zeitgemäß ist,timme ich insofern zu, dass ich finde, dass es die Müheert wäre, darüber eine sachliche Diskussion zu führen.Herr Schröder, Sie haben vorhin in Übereinstimmungit all den anderen, die das Ehegattensplitting verteidi-en, gesagt: Die Ehe steht im Mittelpunkt dieser Förde-ung. Darum frage ich jetzt Sie, Herr Schröder, und da-it auch alle, die die Meinung vertreten, dass dashegattensplitting als Eheförderung beizubehalten ist:elche Ehe meinen Sie? Meinen Sie eine Ehe, in denenur einer zum Familieneinkommen beiträgt, oder mei-en Sie eine Ehe, in der beide zum Familieneinkommeneitragen? Ich erkläre Ihnen gleich, warum ich so frage.
Frau Kollegin, möchten Sie jetzt die Zwischenfrage
ulassen?
Moment, ich will den Gedanken eben zu Ende führen,amit klar wird, was ich meine. – Für mich ist nicht ein-ehbar, dass beispielsweise ein Familieneinkommen inöhe von 110 000 Euro, das von einem Ehepartner al-eine erwirtschaftet wird, durch einen Splittingeffekt inöhe von rund 8 000 Euro subventioniert wird,
ass jedoch Ehepartner, die beide je 55 000 Euro – diennahme, dass beide gleich verdienen, ist schon opti-istisch – zum gemeinsamen Familieneinkommen von10 000 Euro beitragen, 0 Euro Splittingvorteil, alsoeine Subvention erhalten.
n beiden Fällen handelt es sich um Ehen, in beiden Fäl-en handelt es sich um ein Familieneinkommen.Ich glaube, wir sollten uns hier nicht so echauffieren,ie wir es gerade gemacht haben. Wir sollten an diesertelle vielmehr eine sachliche Diskussion führen undns fragen, wen wir in Zukunft fördern wollen. Wir wol-en zum einen Familien mit Kindern fördern. Darüber
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Christel Hummesind wir uns alle einig; diesbezüglich habe ich keinenDissens festgestellt. Zum anderen brauchen wir Geld fürmehr Betreuung. Diesbezüglich habe ich auch keinenDissens festgestellt. Lassen Sie uns also an diese Fragenherangehen und die entsprechenden Leistungen sachlichdiskutieren und nach Lösungen suchen, die verfassungs-konform sind, den Unterhaltsanspruch für Familien be-rücksichtigen und gleichzeitig im Sinne einer Gleichstel-lung die Frauen, die berufstätig sind oder sein wollen,nicht benachteiligen.
Auf ein Letztes, was mir sehr am Herzen liegt,möchte ich doch noch eingehen. Frau Binder, Sie habenunsere Gleichstellungspolitik ja stark kritisiert. Vorges-tern hatten wir endlich die erste Lesung zum Allgemei-nen Gleichbehandlungsgesetz. Das ist ein wichtigerPunkt. Auf dieses Gesetz haben vor allem wir Frauen,aber nicht nur wir, gewartet. Ich weiß, dass die Gleich-stellungsstelle, die in Zukunft im Familienministeriumangesiedelt sein wird, schon im Haushalt etatisiertwurde. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Deshalb hoffe ich, dass dieses Gesetz den Bundesrat
unverändert passiert und nichts mehr verändert wird. Ich
meine nämlich – auch da werden wir alle gleicher Mei-
nung sein –, Gleichstellung ist nicht verhandelbar.
Schönen Dank.
Es tut mir Leid, ich kann nicht außerhalb der Redezeiteine Zwischenfrage zulassen.
– Ich hatte Sie zweimal gefragt, da wollten Sie die Zwi-schenfrage nicht zulassen. Nun kann ich, nachdem IhreRedezeit vorbei ist, keine Zwischenfrage mehr zulassen.
– Doch, ich habe sie zweimal gefragt und sie hat gesagt,sie möchte den Gedanken zu Ende führen. Darüber müs-sen wir jetzt nicht weiter diskutieren.Ich schließe jetzt die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-plan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend – in der Ausschussfassung. Werstimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Da-mit ist der Einzelplan mit den Stimmen der Koalition ge-gen die Stimmen der gesamten Opposition angenom-men.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt I.13 b und csowie zu den Zusatzpunkten 4 bis 6. InterfraktionellwsavdnrAmewsZZI
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demPartnerschafts- und Kooperationsabkommenvom 11. Oktober 2004 zur Gründung einerPartnerschaft zwischen den EuropäischenGemeinschaften und ihren Mitgliedstaateneinerseits und der Republik Tadschikistanandererseits– Drucksache 16/1621 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschussb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Steueränderungsge-setzes 2007– Drucksache 16/1859 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errich-tung und zur Regelung der Aufgaben des Bun-desamts für Justiz– Drucksache 16/1827 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Innenausschussd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zurÄnderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes– Drucksache 16/1851 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardte) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg vanEssen, Birgit Homburger, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDPZuständigkeit in der Strafverfolgung deut-scher Soldaten im Auslandseinsatz rechts-staatlich sicherstellen– Drucksache 16/673 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Auswärtiger AusschussInnenausschussVerteidigungsausschussf) Beratung des Antrags der Abgeordneten ThiloHoppe, Ute Koczy, Hans-Christian Ströbele undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENDiaspora – Potenziale von Migrantinnen undMigranten für die Entwicklung der Her-kunftsländer nutzen– Drucksache 16/1669 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendZP 7 a)Beratung des Antrags der Abgeordneten PeterGötz, Dirk Fischer , Dr. Klaus W.Lippold, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSU sowie der Abgeordneten PetraWeis, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDStadtentwicklung ist moderne Struktur- undWirtschaftspolitik– Drucksache 16/1890 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
InnenausschussSportausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENSchaden von der Reputation der Osteuropa-bank abwenden – Das Öl- und Gasprojekt Sa-chalin II als Lackmustest für die Einhaltunginternationaler Umwelt- und Sozialstandards– Drucksache 16/1668 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
FinanzausschussZtgaDzFewhdllfdz
– Drucksache 16/1032 –Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-schusses
– Drucksache 16/1666 –Berichterstattung:Abgeordneter Manfred KolbeDer Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-ung, den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/1032 für er-edigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussemp-ehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit istiese Beschlussempfehlung mit den Stimmen des gan-en Hauses angenommen.Tagesordnungspunkt IV b:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten Ilse Aigner,
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten RenéRöspel, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDInformatives Berichtswesen als Grundlageeiner guten Forschungs- und Technologiepoli-tik– Drucksachen 16/646, 16/1705 –Berichterstattung:Abgeordnete Ilse AignerRené RöspelCornelia PieperDr. Petra SittePriska Hinz
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufDrucksache 16/646 in der Ausschussfassung anzuneh-men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – DieGegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist auch diese Be-schlussempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hausesangenommen.Tagesordnungspunkt IV c:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-nologie
– zu der Verordnung der BundesregierungVierundsiebzigste Verordnung zur Ände-rung der Außenwirtschaftsverordnung– zu der Verordnung der BundesregierungEinhundertdreiundfünfzigste Verordnungzur Änderung der Einfuhrliste– Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz –– Drucksachen 16/1292, 16/1294, 16/1476Nr. 2.1, 2.2, 16/1747 –Berichterstattung:Abgeordneter Erich G. FritzDer Ausschuss empfiehlt, die Aufhebung der Verord-nungen auf den Drucksachen 16/1292 und 16/1294 nichtzu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzenHauses angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV d bis l auf:d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 52 zu Petitionen– Drucksache 16/1686 –e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 53 zu Petitionen– Drucksache 16/1687 –üfüaüfSsüfüEnmüfüa
ausschusses
Sammelübersicht 54 zu Petitionen– Drucksache 16/1688 –g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 55 zu Petitionen– Drucksache 16/1689 –h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 56 zu Petitionen– Drucksache 16/1690 –i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 57 zu Petitionen– Drucksache 16/1691 –j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 58 zu Petitionen– Drucksache 16/1692 –k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 59 zu Petitionen– Drucksache 16/1693 –l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 60 zu Petitionen– Drucksache 16/1694 –Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV d, Sammel-bersicht 52, auf Drucksache 16/1686. Wer stimmt da-ür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Sammel-bersicht ist mit den Stimmen des ganzen Hausesngenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV e, Sammel-bersicht 53, auf Drucksache 16/1687. Wer stimmt da-ür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieseammelübersicht ist mit den Stimmen des ganzen Hau-es angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV f, Sammel-bersicht 54, auf Drucksache 16/1688. Wer stimmt da-ür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Sammel-bersicht ist bei Gegenstimmen der Linksfraktion undnthaltungen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-en und Zustimmung aller anderen Fraktionen angenom-en.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV g, Sammel-bersicht 55, auf Drucksache 16/1689. Wer stimmt da-ür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Sammel-bersicht 55 ist mit den Stimmen des ganzen Hausesngenommen.
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtWir kommen zu Tagesordnungspunkt IV h, Sammel-übersicht 56, auf Drucksache 16/1690. Wer stimmtdafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – DieSammelübersicht 56 ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenom-men.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV i, Sammel-übersicht 57, auf Drucksache 16/1691. Wer stimmt da-für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DieseSammelübersicht ist mit den Stimmen der CDU/CSU,der SPD und der FDP gegen die Stimmen der Linksfrak-tion und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV j, Sammel-übersicht 58, auf Drucksache 16/1692. Wer stimmtdafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DieSammelübersicht ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen, der FDP und der Linksfraktion gegen dieStimmen des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV k, Sammel-übersicht 59, auf Drucksache 16/1693. Wer stimmt da-für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sam-melübersicht ist gegen die Stimmen der Fraktion DieLinke mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ange-nommen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt IV l, Sammel-übersicht 60, auf Drucksache 16/1694. Wer stimmt da-für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Sammel-übersicht ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmender FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf:a) Einzelplan 12Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung– Drucksachen 16/1312, 16/1324 –Berichterstattung:Abgeordnete Roland ClausBartholomäus KalbNorbert KönigshofenKlaas HübnerDr. Claudia WintersteinAnna Lührmannb) Erste Beratung des von den AbgeordnetenWinfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, PeterHettlich, weiteren Abgeordneten und derFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur effi-zienteren Finanzierung des öffentlichen Nah-verkehrs
– Drucksache 16/1435 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHaushaltsausschusstDdDKHHabig9td3bhn2md–eEndnzlrgdrDw
Die Ausgaben für Investitionen liegen beiMilliarden Euro. Sie sind also nicht höher als im letz-en Jahr. Damit bleiben sie etwa 1 Milliarde Euro unterem Durchschnitt der letzten zehn Jahre und etwaMilliarden Euro unter dem tatsächlichen Investitions-edarf, den die Sachverständigenkommission festgestelltat. Diese Lücke ließe sich durchaus schließen, wenn Sieämlich die Einnahmen aus der LKW-Maut in Höhe von,9 Milliarden Euro – eventuell werden es sogar nochehr sein – zusätzlich in den Verkehr investieren wür-en. Das ist übrigens auch versprochen worden.
Ja. – Dieses Versprechen wird jetzt unter Rot-Schwarzbenso gebrochen wie unter Rot-Grün im letzten Jahr.
insparmöglichkeiten im Verkehrshaushalt nutzen Sieicht.Der Bundesrechnungshof hat dargelegt, dass sich miter Umstellung der Finanzierung des Schienenbestands-etzes von den bisherigen Baukostenzuschüssen aufinslose Darlehen 750 Millionen Euro im Jahr einsparenießen. Warum greifen Sie die Vorschläge des Bundes-echnungshofes eigentlich nicht auf?Herr Minister, bei der Bahn haben Sie sich einen ei-enartigen Alleingang erlaubt. Schon vor der Anhörunger Experten haben Sie sich für eine Kapitalprivatisie-ung mit Schiene ausgesprochen.
iese Form der Privatisierung wäre aber mit unverant-ortbaren Haushaltsrisiken verbunden.
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Dr. Claudia Winterstein
Sie haben sich sowohl bei den angehörten Expertenals auch bei den Interessenverbänden eine deutliche Ab-fuhr abgeholt. Es scheint so zu sein, als wollten Sie trotzalledem stur an der Privatisierung mit Schiene festhal-ten, egal was die Experten davon halten. Die FDP willeine sinnvolle Privatisierung der Bahn ohne Schiene mitweitgehender Wettbewerbsfreiheit für alle Anbieter undnicht Ihre Form der Verschleuderung von Staatsvermö-gen.
Das Stichwort Verschleuderung trifft auch auf dentechnischen Vorsprung beim Transrapid zu. Wir laufenGefahr, unsere wichtigste wirtschaftliche Ressource, dentechnischen und wissenschaftlichen Vorsprung durch In-novation, zu verschleudern. Um den Transrapid wirdnun schon so lange gezerrt, dass sich das Projekt ausdem Zeitablauf heraus zu erledigen droht. Wir werdenhier inzwischen von anderen Nationen eingeholt undüberholt.
Nach langem Streit wurde nun endlich ein Standortfür den Bau einer Transrapidstrecke gefunden, und zwarvon München zum Flughafen. Die dafür ausgewiesenenMittel reichen aus, um die Finanzierung mit einem grö-ßeren Anteil des Bundes sicherzustellen. Sie aber feil-schen noch immer mit dem Land Bayern und der StadtMünchen um die Aufteilung der Kosten. Die Zeit drängtjedoch. Wenn der Bau einer Transrapidstrecke inDeutschland weiter hinausgezögert wird, verlieren ir-gendwann alle bis dato getätigten Investitionen in diesesVorhaben ihren Sinn. Das wäre in der Tat eine giganti-sche Steuermittelverschwendung.Die Bundesregierung hat sich mit den Bundesländernbis in die letzte Bundesratssitzung hinein über die Höheder Regionalisierungsmittel gestritten. Leider streitenSie nicht mit derselben Intensität über die richtige Ver-wendung der Mittel. Aus Haushaltssicht gilt für den Be-reich der Schiene wie auch für alle anderen Verkehrsträ-ger des öffentlichen Personennahverkehrs, dass Siediesen Markt durch Ausschreibungen einer längst über-fälligen Liberalisierung unterziehen sollten. Denn über80 Prozent dieses Marktes werden in Deutschland ohneöffentliche Ausschreibungen vergeben. Hier liegt ein er-hebliches Sparpotenzial für die öffentlichen Haushalte.
Herr Minister, Sie diskutieren auf europäischer Ebeneaktuell über eine Verordnung zur europaweiten Aus-schreibungspflicht im öffentlichen Nahverkehr. Sie sinddabei, diese Verordnung durchzuwinken, obwohl zahl-reiche Stimmen warnen, dass dadurch die lokalen An-bieter durch europäische Großkonzerne verdrängt wer-den.EbZEdIRdvtzcSdgzzabadIWgVlnvrdkBrdt
s darf aber nicht dazu kommen, dass Sie im Ergebnisloß ein staatliches Monopol durch ein privates ersetzen.Auch in anderer Hinsicht verspricht die schwarz-roteukunft nichts Gutes. Es wird eine Diskussion über dieinführung einer PKW-Maut geführt und dabei wird aufen vermeintlichen Erfolg der LKW-Maut verwiesen.ch will deutlich sagen: Schwarz-Rot nutzt wie schonot-Grün die LKW-Maut allein zum Abkassieren, ohneamit die Investitionen in den Verkehrshaushalt, wieersprochen, aufzustocken. So verspielt man das Ver-rauen der Bürgerinnen und Bürger.Nach dem Thema Schiene und Straße noch ein Wortum Thema Schiff. Sie schaffen in diesem Jahr zahlrei-he neue Schiffe an, obwohl das Konzept des maritimenicherheitszentrums noch nicht so weit umgesetzt ist,ass Synergieeffekte feststellbar sind. Man müsste auf-rund der Empfehlung des Bundesrechnungshofes bisum Haushalt 2008 warten. Diese Zeit könnten Sie nut-en, um die benötigten Dienstleistungen auszuschreiben,nstatt immer sämtliche Schiffe selbst kaufen und betrei-en zu wollen. Bisher ist eine Markterkundung in Bezuguf Bau, Betrieb und Unterhalt ausgeblieben.
Wir haben deshalb beantragt, die Haushaltsmittel fürie Anschaffung der Schiffe so lange zu sperren, bis einnteressenbekundungsverfahren durchgeführt und dieirtschaftlichkeit aller in Betracht kommenden Lösun-en ausreichend geprüft wurde. Stimmen Sie unseremorschlag doch einfach zu! Hier liegt eine von Ihnen bis-ang völlig unbeachtete Sparmöglichkeit.Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Sie sparenicht, wo ohne weiteres gespart werden könnte. Sie in-estieren nicht, wo Investitionen Not tun. Sie liberalisie-en nicht, wo Liberalisierung und Ausschreibung sowohlen Haushalt entlasten als auch die Wirtschaft ankurbelnönnten. Sie vernachlässigen auf europäischer Ebene dieelange unserer mittelständischen Wirtschaft.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Die Bürger verlieren das Vertrauen in die schwarz-
ote Regierung. Wenn man sich diesen Haushalt ansieht,
ann weiß man auch, warum.
Danke.
Das Wort hat der Kollege Klaas Hübner, SPD-Frak-ion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wenn man sich die FDP ansieht, dann möchteman fast meinen, dass sie eine Studie, die vor kurzemvon der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Youngveröffentlicht worden ist, gar nicht zur Kenntnis genom-men hat. In der Studie ist festgestellt worden, dassDeutschland für internationale Unternehmen der attrak-tivste Standort in Europa ist. Mehr als die Hälfte der Un-ternehmen haben gesagt, wichtig bei ihrer Investitions-entscheidung sei vor allen Dingen die öffentlicheInfrastruktur in einem Land. International gesehen zeigtsich also ein vollkommen anderes Bild als das, was Siegezeichnet haben.
Im internationalen Vergleich sind wir ein starker Stand-ort. Die große Koalition bzw. die Bundesregierung hatihre Verantwortung erkannt und die Mittel verstetigt.Dieser Haushalt ist ein Investitionshaushalt. EinSchwerpunkt des 25-Milliarden-Euro-Programms vonGenshagen findet sich in diesem Haushalt wieder. Darü-ber hinaus ist er ein Innovationshaushalt. Wir geben indieser Legislaturperiode 200 Millionen Euro zusätzlichfür Forschung und Entwicklung im Verkehrsbereich aus.Ferner ist er ein Integrationshaushalt. Wir haben für dasProgramm „Soziale Stadt“ einen Verfügungsrahmen von110 Millionen Euro eingestellt; auch das ist nicht zu ver-nachlässigen. Daran sehen Sie: Dieser Haushalt ist einwichtiger Zukunftshaushalt.
Er ist der größte Investitionshaushalt im gesamtenBundeshaushalt. Mehr als die Hälfte der investiven Aus-gaben des Bundes sind Investitionen in die beiden Säu-len des Einzelplanes 12, in den Verkehrs- und in denBaubereich. Wir haben diese Mittel auf 9 MilliardenEuro verstetigen können. Zusammen mit den Mitteln fürdie Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemein-den – Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz –, für denTransrapid, für das Satellitennavigationssystem Galileound für den Flughafen Berlin-Brandenburg werden wirim Verkehrsbereich im Jahre 2006 insgesamt Investitio-nen in Höhe von rund 11 Milliarden Euro realisierenkönnen.Diese Verstetigung der Investitionsmittel kommt allendrei Verkehrsträgern, der Straße, der Schiene und derWasserstraße, zugute. Der größte Teil der zusätzlichenMittel wird allerdings für die Straße verwendet. Dennangesichts von Prognosen, dass im Jahre 2020 etwa70 Millionen PKW und 1,5 Millionen LKW mehr aufden Straßen der Europäischen Union fahren werden, isteine angemessene Berücksichtigung der Straße erforder-lich.Darüber hinaus ist es uns gelungen, einen Schritt vonder Staatsfinanzierung hin zu mehr Nutzerfinanzierungzu machen; Stichwort Maut. Wir alle wissen, dass dieMaut nicht so angelaufen ist, wie wir es uns damals ge-wünscht haben;dDuHMaaM2IghMGrnSWdzssnwsVgfjmSbrdwweeod
as ist unbestritten. Aber heute ist sie eine Erfolgsstory.aran zeigt sich, dass es gut ist, die Nerven zu behaltennd solche Maßnahmen nicht, wie es teilweise hier imause gefordert worden ist, einfach abzubrechen.anchmal muss man die Nerven behalten.Heute ist die Maut eine Erfolgsstory. Die Einnahmenus ihr steigen stetig. Seit der Inbetriebnahme der Mautm 1. Januar 2005 läuft der Betrieb ohne Probleme. Imärz dieses Jahres hatten wir Rekordeinnahmen von70 Millionen Euro zu verzeichnen.
nsofern war sie eine richtige und wichtige Maßnahme.In diesem Zusammenhang möchte ich an die Kolle-innen und Kollegen von der Linksfraktion sagen: Sieaben einen Finanzierungsantrag gestellt. Sie wollen dieittel im Haushalt um 1 Milliarde Euro erhöhen. Dieseseld wollen Sie aus den Einnahmen aus dem Schiedsge-ichtsverfahren zwischen dem Bund und der Industrieehmen. In diesem Jahr ist aber gar kein Urteil aus demchiedsgerichtsverfahren zu erwarten.
er so etwas macht, verlässt den Weg der Solidität iner Finanzführung. Erwartungen hinsichtlich eines Pro-esses als echte, harte Einnahmen in den Haushalt ein-tellen zu wollen, das ist keine solide Finanzierung. Wero argumentiert, verabschiedet sich aus dem Kreis derje-igen, die reale Probleme auch mit realen Mitteln lösenollen. So geht das nicht.
Wir haben die Mittel für den Schienenverkehr ver-tetigt. Exemplarisch sei darauf hingewiesen, dass dieerkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, 8.1 und 8.2 – hiereht es um die Strecken Nürnberg–Erfurt und Er-urt–Leipzig –, vorgezogen werden. Hierfür werdenährlich zusätzlich 100 Millionen Euro aufgewendet. Da-it schließen wir die Lücke im transeuropäischen Netztockholm–Berlin–Palermo. Das ist richtig.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, da wir geradeeim Thema Schiene sind, ein Wort zur Teilprivatisie-ung der Deutschen Bahn AG sagen, die uns im Herbstieses Jahres, wie ich glaube, sehr stark beschäftigenird. Die Diskussion darüber wird von allen Seiten teil-eise extrem emotional geführt.Ich denke, es wäre für alle Seiten gut, die Emotionenin wenig zurückzufahren und sich bei der Suche nachiner Lösung vor allen Dingen an folgenden Fragen zurientieren: Wie schaffen wir es, dass mehr Verkehr aufie Schiene kommt? Wie können wir den Wettbewerb
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Klaas Hübnerauf der Schiene sichern? Wie können wir trotzdem wei-terhin eine starke Bahn erhalten? Wie können wir ausder Teilprivatisierung einen möglichst großen Erlös fürden Bundeshaushalt erzielen? Wie können wir vermei-den, dass aus einem solchen Schritt weitere Risiken fürden Bundeshaushalt entstehen? Das ist meiner Meinungnach der Leitfaden, an dem man sich orientieren muss.Fünf Modelle stehen zur Diskussion. Wahrscheinlichwird keines dieser Modelle alle Fragen zu 100 Prozentbeantworten können. Aber eine sachliche Diskussionund ein sachliches Ringen um die richtigen Antwortenlohnen sich allemal.Gelegentlich heißt es, dass jemand, der ein bestimm-tes Modell nicht favorisiert, ein Bahngegner sei. Demmöchte ich entgegenhalten: Ich kenne niemanden in die-sem Hause – egal aus welcher Fraktion –, der keinFreund der Bahn ist. Wir alle sind Freunde der Bahn.Das gilt unabhängig davon, für welches Modell man sichletztlich entscheidet. Wir müssen darum ringen, wie wirdie Bahn am besten an die Börse bringen, ohne denHaushalt zusätzlich zu belasten.
In meinen Augen ist gerade diese Debatte, die wir hierüber alle Parteigrenzen hinweg führen, ein gutes Bei-spiel für parlamentarische Demokratie: weil wir in derSache um die beste Lösung für die Bahn, für den Haus-halt und für die Bundesrepublik Deutschland ringen.
Wir haben darüber hinaus die Investitionen in dieBundeswasserstraßen verstetigt. Der gestiegenen Be-deutung der Binnenschifffahrt werden wir dadurch ge-recht, dass wir dort insgesamt 685 Millionen Euro inves-tieren; wir fördern damit Projekte, die für den Erhalt unddie Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeitdes Wasserstraßennetzes von besonderer Bedeutung sindund einen hohen verkehrswirtschaftlichen Nutzen ver-sprechen. Stichwortartig seien der Ausbau des westdeut-schen Kanalnetzes, insbesondere des Dortmund-Ems-Kanals, und der Ausbau der WasserstraßenverbindungHannover–Magdeburg–Berlin sowie weitere Maßnah-men am Rhein erwähnt.Die Binnenschiffer haben Probleme bei der Rekrutie-rung von Nachwuchs: Es gibt bei ihnen mehr Ausbil-dungsplätze, als nachgefragt werden, weil sich nicht ge-nügend Menschen finden, die als Binnenschiffer arbeitenwollen. Deshalb haben wir Gelder zur Steigerung derAttraktivität dieses Berufs eingestellt.Nach dem Urteil des BundesverwaltungsgerichtsLeipzig, das grünes Licht gegeben hat für den Ausbaudes Flughafens Berlin-Schönefeld, haben wir die ent-sprechenden Bundesmittel entsperrt, sodass dieser Flug-hafen jetzt zügig ausgebaut werden kann. Es ist übrigensnicht nur für die Region Berlin-Brandenburg und für dieHauptstadtregion, sondern für Deutschland insgesamteminent wichtig, dass wir einen leistungsfähigen, star-ken Hauptstadtflughafen haben.sgnrmhdWAsdbZledTreapHWbdrdcwshst6BdShtvldbzDdg
Frau Winterstein, Sie haben den Transrapid ange-prochen. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir esewesen sind, die 50 Millionen Euro für die weitere Pla-ung des Transrapids entsperrt haben. Wir haben unse-en Part damit erfüllt; es kann weitergeplant werden. Da-it ist das Gegenteil richtig von dem, was Sie gesagtaben. Der Ball liegt nun auf der Seite des Landes, dasie entsprechende Finanzierung bereitstellen muss.
ir befördern dieses Projekt, nun muss das Land einngebot machen, wie die Gesamtfinanzierung sicherge-tellt werden kann. Ich persönlich gehöre zu denjenigen,ie glauben, dass wir den Transrapid in Deutschlandrauchen; ich glaube, diese Technologie ist ein wichtigesukunftsprojekt. Es steht uns gut zu Gesicht, in Deutsch-and selber eine Strecke zu verwirklichen. Man brauchtinfach ein Referenzobjekt im eigenen Land; nur da-urch können wir die Chancen für einen Export dieserechnologie deutlich erhöhen. Insofern halte ich es fürichtig, was wir getan haben.Im Bereich der Bau- und Stadtentwicklung haben wirin Programm zur energetischen Gebäudesanierungufgelegt mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euroro Jahr.
ier gelingt es der großen Koalition in vorbildlichereise, Ökologie und Ökonomie miteinander zu verein-aren. Die 1,4 Milliarden Euro, die vornehmlich überie KfW zinsvergünstigt, zum Teil auch als Zuschuss di-ekt zur Verfügung gestellt werden, werden im Laufeieser Legislaturperiode ein Investitionsvolumen vonirca 25 bis 30 Milliarden Euro auslösen. Das ist ein ge-altiges Programm zur Stützung der Konjunktur. Daranehen Sie auch: Dieser Haushalt ist ein Wachstumshaus-alt.Entscheidend ist für mich: Die Aufträge, die in die-em Bereich vergeben werden, werden in der Regel Auf-räge sein, deren Volumen zwischen 30 000 und0 000 Euro liegt, also Aufträge für die mittelständischeauwirtschaft. Wir tun damit etwas für den Mittelstand;as ist wichtig und wirtschaftspolitisch notwendig.
Wir haben darüber hinaus Mittel für die „Sozialetadt“ eingestellt; ich habe das eben schon erwähnt. Dasat etwas damit zu tun, dass dieser Haushalt auch ein In-egrationshaushalt ist. Hier werden Finanzhilfen für In-estitionen in innovative und nachhaltige Stadtentwick-ung gegeben. Die diesjährigen Unruhen in Frankreich,ie wir mit verfolgen konnten, machen deutlich, dass ne-en der baulichen Erneuerung von Quartieren auch so-iale Maßnahmen von entscheidender Bedeutung sind.
arauf gehen wir mit diesem Programm ein. Darum istieses Programm ein wichtiges Programm und ein richti-es Programm. Der Bundesverkehrsminister tut damit
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Klaas Hübnerviel für den Integrationsstandort Deutschland. Wir haltendas für gut.
Bei den Maßnahmen für den Stadtumbau haben wires mit einer Gemengelage zu tun: In den neuen Bundes-ländern geht es um Abriss und Aufwertung von Flächen,während in den alten Bundesländern vor allen DingenKonversion, sprich: die Restrukturierung, zum Beispielvon Militäranlagen in den Städten, notwendig ist. DasProgramm „Stadtumbau Ost“, das wir dazu aufgelegt ha-ben, hat erfolgreich zum Abbau von Wohnungsleerstandbeigetragen und die Wohnungswirtschaft in den neuenBundesländern stabilisiert. Darum verstetigen wir es.Gerade der Wohnungs- und Städtebau macht die Fort-schritte des Aufbaus Ost sichtbar und erlebbar.Bei der Gelegenheit: Vielfach wird ja – ich kann daszum Teil sogar verstehen – in Westdeutschland geklagt:Mein Gott, im Osten ist alles so schön und so neu gewor-den und bei uns liegt noch einiges brach. Ich sage dannimmer: Wenn ihr das Geld bekommen hättet, hättet ihrauch keine kaputten Häuser aufgebaut. Es ist gut, dass esso schön aussieht im Osten. Das war ja auch gewollt.Wir wollten ja in den neuen Bundesländern eine Auf-wertung haben. Darum ist das Programm insgesamtsinnvoll und richtig gewesen.
Ich glaube, dass wir aus dem Stadtumbau Ost sogarlernen können für die Herausforderungen, denen wir inWestdeutschland städtebaulich gegenüberstehen.
Insofern geht es besonders darum, dem wirtschaftlichenStrukturwandel und dem Bevölkerungsrückgang aufeine sinnvolle Art und Weise zu begegnen. Wir haben inden neuen Bundesländern den Anfang gemacht. Daskann auch ein Modell für die Entwicklungen in den altenBundesländern sein, die dort nachlaufend wahrschein-lich ähnlich eintreten werden.Wir haben darüber hinaus in diesem Etat auch einengewaltigen Teil an Mitteln für Forschung und Entwick-lung eingestellt. Sie wissen, dass es sich die Bundes-regierung auf die Fahne geschrieben hat, genau diesenBereich zu verstetigen, um die Attraktivität des Standor-tes, um unsere Wirtschaftskraft auf einem hohen Niveauzu halten. Aus dem 6-Milliarden-Euro-Sonderprogrammder Bundesregierung für Forschung und Entwicklungfließen dem Etat für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungin den Jahren 2006 bis 2009 insgesamt 200 MillionenEuro zu.Im Rahmen der Haushaltsberatungen sind die für die-ses Jahr vorgesehenen 50 Millionen Euro auf verschie-dene Projekte und Vorhaben verteilt worden. Wir habenzum Beispiel einen Schwerpunkt auf ein neues Innova-tionsprogramm im Bereich der Wasserstoff- undBrennstoffzellentechnologie gelegt.uuegaDddWfwrvlhDthDgMZHGgwgwdgwggnlOdfapm
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Heidrun BluhmObwohl die Bundeskanzlerin Merkel und auch der fürden Aufbau Ost zuständige Minister Tiefensee alleineaufgrund ihrer Herkunft einen besonderen Bezug zu Ost-deutschland haben müssten und ihnen auch die spezifi-schen ostdeutschen Probleme genauestens bekannt seinmüssten, ist es eben nicht mehr so, dass der Aufbau Ostim Hauptfokus der Entwicklung der gesamten Bundes-republik steht. Wir kritisieren das an dieser Stelle.
Herr Tiefensee, in Ihrem Interview der vergangenenWoche in der „Berliner Zeitung“ war zu lesen – ichzitiere –:Wenn es uns gelingt, das Geld richtig einzusetzen,dann werden wir gut 30 Jahre nach der friedlichenRevolution, also 2020, mindestens in einigenWachstumsregionen eine stabile Wirtschaft ha-ben … Es wird aber auch zukünftig regionale Un-terschiede geben. Diese Realität müssen wir akzep-tieren.
Im Umkehrschluss heißt das, dass große Teile derdeutschen Bundesländer von der Bundesregierung abge-schrieben werden.
Dieses klare Eingeständnis, dass die Gleichheit der Le-bensbedingungen, die durch das Grundgesetz definiertwird, nicht erreicht wird,
passt nicht mit einem immer größeren Druck auf Ar-beitslose, verbunden mit noch schärferen Sanktionen,zusammen, wenn diese Politik die Menschen nichtgleichzeitig auch mit Angeboten versorgt und ihnen Per-spektiven aufzeigt. Es ist ein Anerkenntnis dafür, dasswir wachsende Regionen, aber auch sterbende Regionenin den neuen Bundesländern und in ganz Deutschlandhaben werden.
Die Zielsetzung des Programms „Soziale Stadt“ istdabei sehr wünschenswert. Aufgrund des Umfangs wirdes jedoch nur zu bloßen Schönheitsreparaturen kommen.Es wird nicht durch weitere Maßnahmen flankiert, durchdie vor allem die Ursachen für diese Misere bekämpftwerden.Der vorgelegte Einzelplan 12 enthält auch einzelneMaßnahmen, durch die zusätzliche Arbeitsplätze ge-schaffen werden können. Das sehen auch wir und daserkennen wir auch an. Die Größenordnung der Investi-tionsprogramme steht unserer Meinung nach jedoch inkeinem angemessenen Verhältnis zu den Problemen.Diese Probleme im Osten lassen sich nicht allein durcheine bessere Infrastruktur und eben auch nicht nur durchStraßenneubau lösen.HemsLHHwdlSdddfDhgtuiösIngafzTESldEvijtsjseb
err Hübner, auch hier haben Sie Ihre Erfolgsstory iminblick auf das Maut-Betreiberkonsortium letztlichieder eindrucksvoll, für uns aber nicht überzeugendargestellt. Sie kritisieren unseren Antrag, den wir letzt-ich in Verbindung damit gestellt haben. Ich sage Ihnen:ie hätten von vornherein Sorge dafür tragen müssen,ass hier vernünftige vertragliche Verhältnisse zwischenen Betreibern und der Bundesrepublik hergestellt wer-en; denn dann hätten diese Mittel heute schon zur Ver-ügung stehen können.
a das nicht der Fall ist, müssen wir eben davon ausge-en, dass das Geld letztlich durch eine Schiedsklage ein-etrieben wird. Ob es nun in diesem Jahr oder im nächs-en Jahr zur Verfügung steht: Auf jeden Fall muss es hernd dafür ausgegeben werden, wofür es geplant war.
Wir brauchen mehr öffentliche Zukunftsinvestitionenn die vorhandene Infrastruktur, in Verkehr und in diekologische Modernisierung. Im Gegensatz zu Steuerge-chenken für Unternehmen wird die Konjunktur durchnvestitionsprogramme in Schwung gebracht, wodurcheue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das sa-en Sie aber auch selbst und ich denke, das erkennen Sieuch an.Damit aber nicht genug. Hinzu kommt, dass die öf-entliche Hand ihr Vermögen wie bereits in den Jahrenuvor verschleudert und ihre Substanz verzehrt. Dieseendenz beobachten wir nicht nur auf kommunalerbene, sondern auch auf Bundesebene.
o plant die neu geschaffene Bundesanstalt für Immobi-ienausgaben nach Aussagen des Vorstandssprechers, je-es Jahr Immobilien im Wert von einer halben Milliardeuro – insgesamt sollen es 8,3 Milliarden Euro sein – zuerkaufen. Die Erwartungshaltung der Bundesregierung,nsbesondere die kostenträchtigen und unrentablen Ob-ekte veräußern zu können, teilen wir keineswegs. Priva-es Geld ist bekanntlich insbesondere daran interessiert,ich zu vermehren. Es wird also vor allem in solche Ob-ekte gesteckt, deren Bewirtschaftung Geld bringt. Esteht zu erwarten, dass dem Bund genau deshalb nurtwa 3 000 Wohnungen an entlegenen Standorten ver-leiben werden, das heißt, das Ihre Rechnung nicht auf-
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Heidrun Bluhmgehen wird und Vermögen unwiederbringlich verlorengeht. Dass die Bundesregierung erwägt, auch börsenno-tierte Immobilienfonds, die so genannten REITs, als In-strument für die Abgabe ihrer Immobilien zu nutzen,halten wir für fatal. Das setzt dem Privatisierungswahndie Krone auf.
Für internationale Finanzinvestoren sind Wohnungenreine Wirtschaftsgüter und Renditeobjekte. Die von deninternationalen Finanzinvestoren erwarteten Renditensind hierbei nur durch Mieterhöhungen, Entlassungenvon Mitarbeitern, so genannte betriebswirtschaftlicheOptimierungen, Umwandlungen von Mietwohnungen inWohneigentum, Weiterverkäufe sowie Investitions-stopps zu erreichen.
Das heißt, Wohnungsbestände, die nicht als leicht ver-wertbar eingestuft werden, werden nicht saniert odermodernisiert.
Die Wohnung als soziales Gut bleibt auf der Strecke unddie Interessen der Bewohner und der Städte im Hinblickauf die Stadtentwicklung werden in den Hintergrund tre-ten.
Die öffentlichen Hände verlieren den Zugriff auf dieeigenen Wohnungsbestände und verschenken damit Ein-flussmöglichkeiten auf die regionalen Wohnungsmärktefür den Preis, die Versorgung mit sozialem Wohnraumspäter teuer zurückkaufen zu müssen. Wir lehnen denVerkauf und die Privatisierung von bundeseigenen Im-mobilien ebenso ab wie den Verkauf des kommunalenWohnungsvermögens.
Vieles deutet darauf hin, dass beim Börsengang derDeutschen Bahn AG der gleiche Fehler in großemMaßstab wiederholt und ebenso auf bedingungslose Pri-vatisierung gesetzt wird, als sei dies schon ein Wert ansich.Die berechtigten Zweifel am Börsengang der Bahndringen mittlerweile auch in die Regierungsparteien vor.Das gesamte Unternehmen für läppische 10 Milliardenbis 15 Milliarden Euro – also weit unter seinem Wert –zu verkaufen, wäre nicht nur dumm, sondern würde aufdgSufuidlzdnwmUtgmSuSszladWhzusbdlezztusDScuDw
urch richtige Prioritätensetzung – zum Beispiel für dentadtumbau Ost – könnte zukünftig eine positive Flä-henbilanz erreicht werden.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm wird nachnseren Vorstellungen ein sinnvolles Programm sein.urch die energetische Sanierung von Wohngebäudenerden unterschiedliche Zielstellungen erreicht. Ohne
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Heidrun BluhmFrage verbinden sich mit der Umsetzung dieses Pro-gramms klima- und umweltpolitische Ziele zur Reduzie-rung des CO2-Ausstoßes in Deutschland und zum spar-samen Umgang mit Energieressourcen. Wir sehen auchdie Chancen für die deutsche Bauwirtschaft und dasHandwerk wie auch die Beschäftigungseffekte, die einsolches Programm erzielen kann. Wir haben angesichtszum Teil drastisch gestiegener und weiter steigenderEnergiepreise aber auch die Erwartung, dass die Heiz-kosten für die Bürgerinnen und Bürger gesenkt werdenkönnen.Angesichts dessen halten wir die im Haushalt vorge-sehenen Mittel für Zins- und Investitionszuschüsseletztlich für zu gering. Wir fordern deshalb in unseremÄnderungsantrag eine Verdoppelung der Zins- und In-vestitionszuschüsse zur Förderung von Maßnahmen zurenergetischen Gebäudesanierung inklusive der Erhö-hung der Verpflichtungsermächtigungen um zusätzliche800 Millionen Euro auf 1,6 Milliarden Euro, um demNachholbedarf an dieser Stelle gerecht zu werden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Themen an-sprechen, die wir Ihnen in parlamentarischen Initiativenin den nächsten Wochen vorlegen wollen. Das ist erstensdie Altschuldenhilfe. Sie ist eine vereinigungsbedingteSonderaufgabe des Bundes. Wir als Ostdeutsche undLinke fordern die Streichung der Altschulden. Wir wer-den Sie in den nächsten Wochen mit diesem Thema ver-traut machen.Der zweite Punkt ist die Grunderwerbsteuer bei Fu-sionen von Wohnungsunternehmen in Ostdeutschland.Hierbei kommt es uns darauf an, die zum Jahresendeauslaufende Frist entsprechend zu verlängern, damit derin Gang gekommene Fusionsprozess fortgesetzt werdenkann.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Abschließend möchte ich die Kürzung der Regionali-
sierungsmittel streng rügen. Darauf ist aber bereits an
anderer Stelle eingegangen worden. Deshalb komme ich
damit zum Schluss.
Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Bartholomäus Kalb für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Kollege Klaas Hübner hat schon darauf hinge-wiesen, dass der Einzelplan 12 mit seinem Volumen von23,7 Milliarden Euro und einem außerordentlich hohenInvestitionsanteil den Investitionshaushalt des BundessuwesrddsLDwMSddkatd1MbvskskhmrwgsredmIGhwrkedDc
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Präsi-ent der Deutschen Bundesbank, Herr Professorr. Weber, hat in einem Interview zu Beginn dieser Wo-he noch einmal sehr deutlich darauf hingewiesen, dass
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Bartholomäus Kalbwir auch mit diesem Bundeshaushalt im Grunde genom-men einen Substanzverzehr beim Bund festzustellen ha-ben. Das ist genau der Punkt, der die große Koalitiondazu gebracht hat, ganz entschieden daranzugehen, dassab dem Jahr 2007 der Art. 115 des Grundgesetzes wiedereingehalten werden kann. Hinter den Bestimmungen desArt. 115 verbirgt sich ja nichts anderes, als dass sicher-gestellt werden soll, dass nicht mehr Verschuldung ein-tritt, als Substanzzuwachs erfolgt. Genau an dieser Stellebefinden wir uns auf einem guten Weg.Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen, dasses nicht leicht sein wird, den Haushalt 2007 bereits imHerbst dieses Jahres zu beraten. Da werden noch einigeschwierige Dinge zu bewältigen sein.Die Investitionen, die wir tätigen, werden dazu beitra-gen, dass wir sowohl Art. 115 des Grundgesetzes erfül-len als auch den Vertrag von Maastricht einhalten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtigsind auch – das wurde vorhin schon angesprochen – dieneuen Technologien, die wir nutzen wollen und müssen.Die Forschungsvorhaben sind bereits angesprochen wor-den. Einige Maßnahmen laufen bereits. Ich nenne nurdie Stichworte Galileo, die Telematiknutzung oder denTransrapid. Mir ist es wichtig, dass wir hier vorankom-men. Wir haben im Haushaltsausschuss und in derKoalition einvernehmlich dafür Sorge getragen, dassman in München gut vorankommt, dass die Strecke vomHauptbahnhof zum Flughafen realisiert werden kann.Ich halte sie für dringend notwendig. Unabhängig davonhat sie den Nebeneffekt, dass die fehlende Fernbahnan-bindung des Flughafens München in gewisser Weisesubstituiert wird. Es handelt sich um ein Projekt von na-tionaler Bedeutung.
– Vielen Dank, Herr Kollege Friedrich. – In den Erläute-rungen des Bundeshaushalts steht wörtlich:Die Planung und Realisierung von Anwendungs-strecken für die Magnetschwebebahntechnik dientder Sicherung der Magnetschwebebahntechnik undliegt im Interesse des Technologievorsprungs, desErhalts der Arbeitsplätze und der Sicherung des In-dustriestandortes Deutschland.Das möchte ich meinerseits unterstreichen.Es kommt darauf an, dass wir, nachdem wir viel Geldfür Forschung und Entwicklung ausgegeben haben,diese Technologie in unserem Land zur Anwendungbringen und sie marktfähig machen. Ich bin überzeugt,dass sie nicht nur auf dem asiatischen oder dem amerika-nischen Kontinent auf Interesse stößt, sondern dass sichPerspektiven auch im zusammenwachsenden Europa er-geben werden.
Ich will noch einen ganz anderen Aspekt unseresHaushalts ansprechen. Ich bedanke mich bei allen Be-richterstattern zum Einzelplan 12 ganz herzlich, dass esewgSdmsdzmfeeuEaNdBagBbWBEnngudKsDPEndAA
ur so viel: Bei aller Kritik sollten wir nicht vergessen,ass die DB AG ein Unternehmen ist, das uns, demund, gehört – auch wenn manche Zwischentöne etwasnderes nahe legen – und für das wir Verantwortung tra-en, genauso wie für die dort beschäftigten Menschen.
ei allen berechtigten Diskussionen über den Wett-ewerb auf der Schiene dürfen die Fragen nach demettbewerb der Verkehrsträger untereinander und demeitrag der Schiene dazu nicht vernachlässigt werden.s geht dabei auch um das europäische Umfeld undicht nur um den Marktzugang zum deutschen Schienen-etz. Wir müssen die Zukunft gestalten und die zukünfti-en Markterfordernisse bei den anstehenden Beratungennd Beschlussfassungen berücksichtigen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Anna Lührmann für
ie Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Über die Hälfte der Investitionen des Bundesteckt in dem zur Diskussion stehenden Einzelplan.och leider haben Sie von der Koalition die falschenrioritäten gesetzt. Sie investieren viel zu wenig in dierhaltung der Infrastruktur und den Ausbau der Schie-enwege.Zum ersten Punkt: Investitionen für die Erhaltunger Straßen. Keine Angst, jetzt kommt kein altgrünerppell gegen Autos und für mehr Bäume, sondern einppell aus dem Straßenbaubericht 2005 des Verkehrs-
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Anna Lührmannministeriums. In diesem Straßenbaubericht steht – ich zi-tiere:Es gilt, die Straßen … in ihrer Substanz und Nut-zungsfähigkeit nachhaltig zu bewahren. Hierfürmüssen jährlich steigende Finanzmittelanteile ausdem Straßenbauhaushalt bereitgestellt werden, dieden Spielraum für Neu- und Erweiterungsinvesti-tionen zunehmend beschneiden.Anscheinend nehmen wir als grüne Fraktion als Ein-zige das ernst.
Wir haben in den Haushaltsverhandlungen ganz kon-krete Anträge gestellt mit dem Ziel, die Mittel umzu-schichten, um mehr Erhaltungsinvestitionen zu bekom-men.
Wir kommen mit unseren Anträgen auf eine Quote von55 Prozent der Ausgaben für Erhaltungsinvestitionenund von 45 Prozent für Neuinvestitionen.
Bei der Regierung ist das Verhältnis der Mittel für Er-haltung und Neubau immer noch genau umgekehrt. Sieinvestieren also viel zu wenig in die Erhaltung der Stra-ßen. Dabei geht auch das Deutsche Institut für Wirt-schaftsforschung – nicht unbedingt ein den Grünen na-her Laden – davon aus, dass allein für den Unterhalt derjetzt bestehenden Straßen bis zu 80 Prozent der bis 2020für den Straßenbau zur Verfügung stehenden Mittel auf-gewendet werden müssen. Aber die Regierung setzt trotzschrumpfender Bevölkerung lieber auf prestigeträchtigeNeubauprojekte, damit irgendjemand bei der Eröffnungein rotes Bändchen durchschneiden kann.
Nachhaltige Verkehrspolitik sieht anders aus.
Kümmern Sie sich lieber stärker darum, dass die beste-henden Straßen nicht verlottern und an Wert verlieren!Wie das konkret geht, haben wir Ihnen mit Anträgen inden Haushaltsberatungen vorgestellt.Ein weiteres grünes Anliegen ist der deutliche Aus-bau der Bahnstrecken. Auch hierzu haben wir in denVerhandlungen ganz konkrete Anträge gestellt. Wir ha-ben uns bemüht, die Investitionen für die Schiene undfür die Straße zumindest einander anzugleichen. Wirkommen so auf 44 Prozent für die Schiene und50 Prozent für die Straße.
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er Bahnchef es aber nicht haben wollte.
Für mich ist daher ein Ziel des geplanten Börsen-angs der DB ganz klar: Der Bundestag muss einentärkeren Einfluss auf den Ausbau der Schieneninfra-truktur bekommen;
enn eine bessere Bahn ist im Interesse des Gemein-ohls. Darüber sollte hier im Hause entschieden werdenönnen. Deshalb darf das Netz nicht ohne Not an Privateerschleudert werden.
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Anna LührmannUnter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kannman mit einem Netz in Deutschland keine Erfolge erzie-len. Deshalb wird es immer staatliche Unterstützungbrauchen. Aus diesem Grund fordert Mehdorn die Zu-sage über 25 Milliarden Euro aus Steuergeldern; das istuns allen hier bekannt.Ich finde, wenn der Steuerzahler schon Geld für einSchienennetz ausgibt, dann hat er auch ein Recht darauf,dass die von ihm gewählten Vertreterinnen und Vertreterauf die Verwendung der Mittel Einfluss nehmen. Wiesoll das, frage ich Sie, meine Damen und Herren, nacheinem integrierten Börsengang funktionieren, wenn esschon jetzt nicht richtig funktioniert? Der Staat wird er-pressbar und kann nur sehr wenig Einfluss darauf neh-men, wo und in welchem Umfang neue Strecken gebautwerden oder Bestandssanierung stattfindet. Den einzigenEinfluss hat er, wenn er, wie schon in der Vergangenheit,zusätzlichen Schotter ins Gleisbett schüttet. Eine solcheVerschlechterung des Status quo kann nicht Ziel desBörsengangs sein.Ziel muss vielmehr sein, mehr Verkehr auf dieSchiene zu bringen – darüber sind wir uns hier alleeinig –, und zwar durch mehr Wettbewerb und einemöglichst effiziente Verwendung der Mittel.
Das ist im Interesse der Fahrgäste und auch im Interesseder Umwelt.Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Ziel ambesten erreicht werden kann, wenn das Netz in der öf-fentlichen Hand bleibt und der Betrieb verkauft wird.
Die Infrastruktur AG wird keine dröge Verwaltungsbe-hörde, sondern ein moderner Infrastrukturmanager sein,der die Strecken aktiv vermarktet und durch eine sehrgeschickte Trassenpreisgestaltung für eine innovativedeutsche Eisenbahnlandschaft sorgt. So kann mehr Wett-bewerb entstehen, was zu einem besseren Angebot fürden Kunden führt.Auch mit Blick auf den Haushalt, meine Kolleginnenund Kollegen, ist das besser. Denn so können wir mit9 bis circa 13 Milliarden Euro deutlich mehr Einnahmenverbuchen, als es bei einem integrierten Börsengang derFall wäre. Außerdem würden wir bei einer Trennung vonNetz und Betrieb nicht einen Teil des Netzes verschen-ken. Das Netz hat nach Ansicht von Experten immerhineinen Wiederbeschaffungswert von 150 Milliarden Euro.Bei einer Trennung sind auch weitere Gefahren ge-bannt, die einen integrierten Börsengang zur Entgleisungbringen könnten; denn die juristischen Zusammenstößemit der EU, die bei einem Börsengang mit Netz drohen,wären durch die Trennung von Netz und Betrieb ausge-räumt.Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Siemich zum Schluss kommen. Ein integrierter Börsengangbietet unkalkulierbare Risiken für den Bundeshaushaltund führt nicht zu einem besseren Service und einembesseren Angebot für die Kundinnen und Kunden. Des-hdsWmWBDhdrAdntzGbmBDWdlsMSehDiesdNmvfrn
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,au und Stadtentwicklung:Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Ich möchte meine Rede mit einemerzlichen Dank beginnen. Wir haben in einer außeror-entlich kurzen Frist gemeinsam über einen Haushalt be-aten, der es in sich hat. Ich danke für die Arbeit in denusschüssen, die Arbeit mit den Berichterstattern undie Arbeit in den verschiedenen Arbeitsgruppen. Es galticht nur, einen der umfangreichsten Haushalte zu bera-en, sondern auch, schwierige Fragen zu beantworten,um Beispiel wie wir bereits während der Diskussioneld in den Wirtschaftskreislauf einspeisen können, stattis zur Verabschiedung des Haushaltes zu warten, umöglichst schnell positive Effekte für Wachstum undeschäftigung zu erzielen.
as hat in den Ausschüssen einiger Innovation, neuerege und Überlegungen bedurft. Ich bedanke mich,ass Sie offen dafür waren.Dieser Tage ist das Ergebnis einer Umfrage veröffent-icht worden, die die Zufriedenheit im Nahverkehr unter-ucht hat. Infratest in Bielefeld stellt fest: 80 Prozent derenschen sind mit dem Nahverkehr zufrieden. Eineteigerung der Zufriedenheit in den letzten Jahren wirdrsichtlich.Mindestens dreierlei trägt dazu bei. Das Erste ist dieervorragende Arbeit derjenigen, die tagtäglich ihrenienst in den Nahverkehrsunternehmen versehen. Auchch möchte an dieser Stelle festhalten – das ist schon fastin Pflichtbaustein in einer Rede –: Die Gastfreund-chaft, die unser Land ausstrahlt, hängt nicht zuletzt voner Dienstleistungsqualität derjenigen ab, die für denahverkehr sorgen. Ich möchte mich in diesem Zusam-enhang bei denjenigen, die da tagtäglich ihren Dienstersehen, ganz herzlich bedanken.
Das Zweite ist: Wir müssen dafür sorgen, dass dieinanziellen Rahmenbedingungen stimmen. Die Vor-edner hatten es angesprochen; ich will es explizit beto-en: Mit dem Durchbruch im Bundesrat bzw. der Eini-
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseegung über die Mittel für den Regionalverkehr ist es unsgelungen, den Nahverkehr auf eine finanzielle Basis zustellen und eine Verstetigung und einen Aufwuchs abdem Jahre 2008 zu schaffen, der es ermöglicht, den Re-gionalverkehr in Deutschland vorbildlich für Europaauch in der Zukunft zu gestalten. Das ist angesichts derHaushaltslage alles andere als selbstverständlich. Es istein deutliches Zeichen dafür, dass wir genau dort inves-tieren wollen, wo es dicht beim Bürger zu Erfolgenführt.Das Dritte sind die europäischen Rahmenbedingun-gen. Es ist nicht so, dass wir auf der europäischen Ebeneerst darüber diskutieren, in welcher Form wir die Perso-nenbeförderungsverordnung verabschieden und ob wirdie Rahmenbedingungen, die in Deutschland zu einemErfolg geführt haben, verstetigen können. Wir habendiese Debatte, zumindest was den Verkehrsministerratanbetrifft, beendet. Ich kann vermelden – das ist diedritte Säule –, dass es uns im Rahmen der Verord-nung 1191 gelungen ist, die europäischen Rahmenbedin-gungen dafür zu schaffen, dass die Verkehrsverbünde,die in Deutschland eine Erfolgsstory sind, auch über dienächsten Jahre und Jahrzehnte Bestand haben werden.Wir haben es geschafft, dass die Kommunen nach wievor wählen können, ob sie ausschreiben oder ob sie Auf-träge direkt vergeben wollen. Vor allen Dingen ist es unsgelungen, die mittelständischen Betriebe in diesem Be-reich, Unternehmen mit 20 Bussen und weniger bzw.Unternehmen mit einer Verkehrsleistung von 500 000 Ki-lometern pro anno oder einem Umsatz von 1,7 MillionenEuro, vor einem Wettbewerb mit Giganten zu sichern.Denn wir wollen, dass der Mittelstand auch im Rahmender EU lebensfähig ist. Das ist bereits vereinbart und ge-hört zu der Erfolgsgeschichte, die wir in Deutschland aufder europäischen Ebene schreiben können.
Wir arbeiten mit geliehenem Steuergeld. Der Haus-halt mit seinen Ausgaben in Höhe von 261 MilliardenEuro – mehr als 70 Prozent davon sind bereits für denBereich des Sozialen festgelegt – muss so gestaltet sein,dass der Bürger vor Ort erlebt, dass dieses Geld zielge-nau eingesetzt wird. Ich möchte mit diesem Haushaltden Nachweis erbringen, dass wir es unter folgendenPrämissen zielgenau einsetzen: Was können wir erstensfür Wachstum und Beschäftigung tun, also dafür, dassvor Ort mehr Arbeitsplätze entstehen und ein Auf-schwung möglich wird? Welchen Beitrag können wirzweitens dazu leisten, dass Deutschland Technologie-marktführer bleibt und in einer Reihe von Feldern neuwird? Was können wir schließlich drittens tun, um in un-serem Lande den sozialen und regionalen Zusammenhaltzu gewährleisten und für gleichwertige Lebensverhält-nisse in Nord und Süd sowie Ost und West zu sorgen?Das sind die drei Prämissen, um die es geht.Die Antwort ist: Wir können, wenn wir dieses Pro-gramm verabschieden und die Wirtschaft ihren Beitragdazu leistet, es in dieser Legislaturperiode allein durchdie vorgesehenen Investitionen, durch das CO2-Gebäu-desanierungsprogramm und das Investitionszulagen-gesetz, schaffen, zusätzlich 500 000 Arbeitsplätze zugbDibfwtIgaPkiwv1hluinsgnlsWDutntbDnAßBTgiksHgww
n den nächsten Jahren wird es einen stetigen Aufwuchseben – mögen es einmal nur 100 Millionen Euro und einnderes Mal wiederum nur 100 Millionen Euro sein –, derlanungssicherheit bringt.Ich möchte mich der Frage zuwenden, ob wir die Ver-ehrsträger richtig bedienen. Wenn man bedenkt, dassm Modal Split zwischen Straße, Schiene und Binnen-asserstraße ein stetiger Zuwachs beim Schienenweg zuerzeichnen ist, sein Anteil zwar inzwischen bei 16 bis7 Prozent liegt, wir aber knapp 40 Prozent der Haus-altsmittel in das Schienennetz investieren, wird deut-ich: Wir investieren überdurchschnittlich in die Schiene,m in der Zukunft zu Verschiebungen beim Modal Splitn Richtung Schienenverkehr zu kommen. Darüber hi-aus gibt es ein großzügiges Programm für die Binnen-chifffahrt, um auch diesen Verkehrsträger voranzubrin-en. Wir meinen, dass wir mit den Investitionen in denächsten Jahren – in diesem Jahr investieren wir 9 Mil-iarden Euro – Planungssicherheit für die nächsten Jahrechaffen, sodass die Infrastruktur ein Rückgrat für dieirtschaft wird.
Zur Technologie- und Innovationsführerschafteutschlands. Mir kommt es darauf an, noch einmal zunterstreichen, dass wir eine Verantwortung für Investi-ionen in neue Verkehrsträger, neue Antriebssysteme,eue Kraftstoffe, neue Arten des Bauens sowie des – al-ers- und generationengerechten – Zusammenlebens ha-en.
er Bundeshaushalt sieht für diese Bereiche Investitio-en in einem Maße, das es vorher nicht gab, vor. Es gibtufwüchse um 200 Millionen Euro. Darüber hinaus sto-en wir mit einem Programm für Wasserstoff- undrennstoffzellen die Tür auf, um in Deutschland für dieechnologieführerschaft Europas zu sorgen. Daran hän-en Arbeitsplätze und neue Produkte, die wir nicht nurn Deutschland, sondern auch darüber hinaus verkaufenönnen.Es geht uns auch um den sozialen und regionalen Zu-ammenhalt. Ich habe kein Verständnis dafür, dass iminblick auf den Aufbau Ost – ein problematischer Be-riff, wenn man schaut, wie viel dort schon aufgebautorden ist – einfach unter den Teppich gekehrt wird, dassir mit dem Solidarpakt II und dessen Stabilität unbe-
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseestrittenermaßen dafür sorgen, dass 156 Milliarden Euro– auch die Tranche für 2006 – ausgezahlt werden. Diesbringt genau die finanzielle Sicherheit, die wir im Ostenunseres Landes brauchen.
Hinzu kommen Investitionszulagen, der StadtumbauOst, das Programm „Soziale Stadt“, die zusätzlich zumsozialen und regionalen Zusammenhalt beitragen.Insgesamt ist es ein innovativer Haushalt, der fürWachstum und Beschäftigung sorgen wird und die Re-gionen, die Städte und Stadtteile zusammenbringenwird. Ich bedanke mich für eine intensive Diskussion.Wir sind auf gutem Wege. Stimmen Sie diesem Haushaltzu!Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Joachim Günther von
der FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eigentlich ist es ein Ritual bei den Haushaltsdiskussio-nen, dass die Opposition etwas mehr Geld fordert undsagt: Hier und dort könnte etwas gebraucht werden. Werdie Debatte aufmerksam verfolgt hat, merkt, dass esdiesmal ein wenig anders war. Sie von der Koalition ha-ben gemäß dem Motto „Mehr Staat, mehr Schulden,mehr Steuern“ gehandelt. Wir haben dagegengesetzt:weniger Staat, weniger Steuern, mehr Eigenverantwor-tung.
Man erkennt das, wenn man das Buch, das wir vorgelegthaben, liest.
Damit die Summe der möglichen Einsparungen inHöhe von 8,3 Milliarden Euro nicht nur pauschal imRaum steht, möchte ich anhand des Einzelplans 12, überden wir hier beraten, darlegen, wo Einsparungen mög-lich sind. Beim Lesen des Buches werden Sie feststellen:Wir schlagen keine Kürzung in den Bereichen desEinzelplans 12, in denen Investitionen vorgesehen sind,vor. Im Gegenteil: Wir fordern – meine Kollegin hat esbereits dargelegt – eine Aufstockung der Investitionen inZusammenhang mit den Einnahmen durch die Maut.Herr Minister, wir sind mit dem Haushaltsplan imGroßen und Ganzen zufrieden. Denn der Ansatz liegt um100 Millionen Euro über dem des Vorjahres. Doch mit-telfristig gesehen wird er – auch Sie wissen das – um1 Milliarde Euro niedriger liegen.Wir haben natürlich andere Vorstellungen als Sie. BeiProgrammen wie dem Stadtumbau Ost/West und demGbctudznkdPrnbfSckidzlssWsnsGTtaIdglawddWDmwfrldmfbsmt
Herr Minister, Sie sind – Sie haben es hier anklingenassen – auch für den Aufbau Ost zuständig. Sie sind iner Regierung die Integrationsfigur für den Osten. Ichuss aber ehrlich sagen, dass ich noch nichts von denür Sie charakteristischen durchschlagenden Einfällenemerkt habe. Es wäre gut, wenn Sie sich an einigen bri-anten Punkten Gehör verschaffen würden. Das wäre ananchen Stellen schon aus psychologischer Sicht wich-ig.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3755
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Joachim Günther
Ich betrachte einmal das Thema Abwanderung untereinem besonderen Blickwinkel, der in den letzten Tageneine besondere Rolle gespielt hat, obwohl ich weiß, dassdieses Thema nicht unbedingt in Ihren unmittelbarenEntscheidungsbereich fällt. Der Marburger Bund und dieLänder haben sich bei ihrem Tarifabschluss darauf geei-nigt, dass die Ärzte an den Unikliniken im Osten400 Euro weniger erhalten als ihre Kollegen im Westen.Das ist meines Erachtens ein großer Rückschritt.16 Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheitist eine solche Lohndifferenz ein Marschbefehl für dieAbwanderung.Damit kommen wir wieder zu Ihrem Bereich. An die-ser Stelle wird nämlich die Infrastruktur tangiert. Wenndie Ärzte abwandern, dann können Schulschließungendie Folge sein, weil Familien wegziehen. Außerdem istder Nahverkehr, also unser Bereich, betroffen. Wir müs-sen über diesen Gesamtkomplex nachdenken und dafürsorgen, dass es nicht zu dieser Abwanderung in dieserGrößenordnung kommt. Denn es nützt uns nichts, wennwir im Osten zwar gute Straßen, aber keine Menschenhaben, die hier wohnen.
Es gäbe noch viele Punkte, über die man in diesemZusammenhang diskutieren könnte. Ich möchte an die-ser Stelle ein Beispiel aus dem Bereich ALG II erwäh-nen, das mir vor kurzem untergekommen ist, obwohl mirbewusst ist, dass jetzt manche fragen, warum dieses Bei-spiel die FDP betrifft. Wenn 50-jährige Familienväteraus Mecklenburg für 5,10 Euro Stundenlohn als Ernte-helfer in Bayern arbeiten und dort in Containern unterge-bracht sind – von dem Lohn bleibt aufgrund der Fahrt-und Unterbringungskosten nichts mehr übrig –, dannmuss man sagen, dass wir uns in einer Bürokratie ver-strickt haben, die nicht mehr zeitgemäß ist. Ich bin derfesten Überzeugung, so ein Problem könnte man vor Ort,also auf kommunaler Ebene, besser lösen, als es die Ar-beitsämter mit ihrer Überlandverschickung können.
Diese sind im Endeffekt an diesem Problem schuld. Hiermüssen wir handeln. Wir haben die Abschaffung der Ar-beitsämter gefordert. Geben Sie den Kommunen undKreisen mehr Möglichkeiten, dann würde so etwas nichtpassieren.
Infrastruktur schafft Arbeitsplätze; das haben Sie,Herr Minister, vorhin gesagt. Das trifft auch auf die Ge-bäudesanierung zu; da gebe ich Ihnen Recht. Nutzen Siealso die Chance, neue Arbeitsplätze auch durch Infra-strukturmaßnahmen zu schaffen, damit wir den Wande-rungsbewegungen entgegenwirken können. Nutzen Siediese Chance. Dann können die Menschen in ihrer Hei-mat wohnen bleiben. Sie sind auch als zuständiger Mi-nister für den Aufbau Ost dazu aufgerufen. Wir wün-schen Ihnen dazu viel Glück.
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Zunächst einmal ist festzustellen, dass nach denchätzungen der Kommission das Transportvolumener Bahn zwar leicht zunehmen wird, doch deren Anteilm gesamten Verkehrsaufkommen weiter zurückgehenird, beim Gütertransport von heute etwa 11 auf 8 Pro-ent und beim Personentransport von 6 auf 5 Prozent.ch denke, das sollte uns angesichts der Strategie, Herrinister, die wir hier in der Bundesrepublik entwickeln,iemlich nachdenklich stimmen. Ich glaube, dass wirdas habe ich auch gestern noch einmal zum Ausdruckebracht – vor der unabweisbaren Notwendigkeit stehen,ie Bahn zu stützen und mehr Verkehr auf die Bahn zuringen, weil sonst unserer Republik der Verkehrs- undobilitätsinfarkt droht. Wir müssen aber sehen, wie wiras optimieren.Die Kommission will in Zukunft eigentlich nur nochen Langstreckentransport auf der Bahn sowie den Ver-ehr in Ballungsräumen und in Innenstädten fördern.ir werden – ich sage das einmal mit einem Soupçon –eobachten müssen, inwieweit die Union, wenn sie dieallungsräume ins Visier nimmt, auch in diese hineinre-ieren will. In den letzten Jahren ist mir nämlich aufge-allen, dass – mit Verlaub – der Substitutionsgedanke,en wir mit der EU verbinden und der davon ausgeht,ass vor Ort die Dinge besser geregelt werden könnenls zentral von der Europäischen Union, gelegentlich inrinnerung gebracht werden muss. Es gibt bestimmtentwicklungen im Umweltbereich, die von Brüssel zen-imetergenau gesteuert werden. Ich glaube, dass es nichtut wäre, wenn es eine vergleichbare Entwicklung imerkehrsbereich gäbe. Deshalb, Herr Minister, solltenir nicht warten, bis das alles zu Ende gedacht ist, son-ern uns im Vorhinein informieren. Gegebenenfalls soll-en Sie auch eine erste Wertung in der nächsten Ver-ehrsausschusssitzung vornehmen, damit wir eine Basisür die weiteren Beratungen haben. Ich halte dies füranz entscheidend, weil wir hier Etliches tun müssen.
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Dr. Klaus W. LippoldIch glaube, dass wir uns angesichts der Tatsache, dassdie Kommission Wert auf die Schaffung von europäi-schen Verkehrs- und Logistikunternehmen legt, auch mitGrundsatzfragen der Industriepolitik auseinander set-zen müssen. Wir haben in der letzten Zeit eine ganzeReihe industriepolitischer Maßnahmen erlebt. Ich war,ehrlich gesagt, aus deutscher Sicht nicht immer ganzglücklich mit den Ergebnissen. Deshalb sollten wir unshiermit sehr intensiv auseinander setzen, damit die zu-künftigen Ergebnisse europäischer Industriepolitik güns-tiger ausfallen als in der Vergangenheit. Ich glaube, auchdas stellt eine ausgesprochene Notwendigkeit für unserLand dar.
Des Weiteren wird auf die Engpässe im Luftverkehrhingewiesen. So sagt die Kommission, dass den 60 größ-ten europäischen Flughäfen spätestens im Jahr 2020 dievollständige Überlastung droht. Gerade dies ist einPunkt, mit dem wir uns vor dem Hintergrund, dass esnicht nur um europäische Fragestellungen, sondern auchdarum geht, wie wir uns international bzw. global be-haupten, sehr intensiv auseinander setzen müssen.Wir sind heute in verschiedenen Positionen führend.Wir haben zwei Hubs, große Flughäfen, in der Bundes-republik Deutschland. Das ist hervorragend. Die Frageist, wie das in zehn Jahren sein wird, wenn wir die Ent-wicklung nicht sorgfältig verfolgen. Wir müssen be-obachten, wer heute den A380 kauft und wer damit inabsehbarer Zeit in der Lage ist, beispielsweise von NewYork oder Washington aus direkt nach Dubai zu fliegenund damit den südostasiatischen Luftverkehrsraum zuerschließen, und darauf reagieren. Wir müssen günstigeVoraussetzungen schaffen, soweit wir sie politisch über-haupt schaffen können. Nicht alles liegt in unserer Hand,damit wir uns da nicht missverstehen. Aber soweit wirStandortbedingungen politisch begünstigen können, soll-ten wir das tun, um unseren Unternehmen die Möglich-keit zu geben, sich in diesem internationalen Wettbewerbzu behaupten und damit Arbeitsplätze nicht nur zu si-chern, sondern neue zu schaffen. Ich glaube, die Zukunftvieler Arbeitsplätze wird im Mobilitätsbereich und imLogistikbereich liegen. Deshalb dürfen wir unsere Stär-ken nicht nur bewahren, sondern wir müssen sie aus-bauen. Da stimme ich mit Ihnen völlig überein. Sie ha-ben den Akzent auf den Logistikbereich gelegt. Ichmeine, dass wir gemeinsam daran arbeiten sollten, un-sere Position auszubauen.
Ich will einige wenige Worte zu unseren Aktivitätenbeim Altbaubestand sagen. Nachdem wir als Union un-gefähr acht Jahre versucht haben, in dieser Richtung et-was zu bewegen, ist ein entscheidender Punkt, dass wirjetzt endlich Umweltschutz und Investitionen in die Ge-bäudesanierung zusammenführen. Ich gehe davon aus,Herr Minister, dass das dazu führen wird, dass die Sum-men, die wir für Fördermittel aufwenden, durch die inder Bauwirtschaft generierte Beschäftigung und das da-raus resultierende Steueraufkommen wieder eingenom-men werden. Wenn wir die erste Phase beobachtet unddbDsdAdwDltwSFdLzFtgscrdgmEwDIwl–santrpme–sPn
ür die Gebäudesanierung hatten Sie, wenn ich das rich-ig sehe, eine steuerliche Förderung im Koalitionspro-ramm mit Ihrem Koalitionspartner verankert. Sie habenie nur nicht umgesetzt. In anderen Bereichen – Sie spra-hen von Bahn und Schiene – stellten Sie die Aufsichts-atmitglieder. Was haben die denn kontrolliert, als es umie Verwendung von Investitionsmitteln bei der Bahning? Sie sehen, dass man immer etwas vorsichtig seinuss. Es könnten noch einige hier sein, die die früherentwicklung mitbekommen haben und deshalb wissen,ie Sie sich damals verhalten haben.
as macht die Situation für Sie natürlich nicht einfacher.
ch verstehe Ihre Rolle als Opposition. Aber nichtsdesto-eniger müssen solche Anmerkungen gelegentlich er-aubt sein.
Herr Kollege Hermann, in Anbetracht der unwahr-cheinlich guten Zusammenarbeit, die wir im Verkehrs-usschuss über alle Fraktionsgrenzen hinweg haben,ehme ich diesen Zwischenruf als wohlgemeinten Bei-rag. Wir werden sicherlich in Zukunft weiter kooperie-en.Für mich ist wichtig, dass wir bei den Management-länen, die auszuarbeiten wir uns vorgenommen haben,öglichst bald zu Ergebnissen kommen. Die Gelder sindingestellt. Wir müssen möglichst schnell beraten undwas ich für das Entscheidende halte – möglichstchnell in die Umsetzungsphase kommen. Noch so guteläne und noch so gute Beratungen sind nichts, wenn sieicht umgesetzt werden. Sie haben bislang gezeigt, dass
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Dr. Klaus W. LippoldSie an diese Dinge herangehen. Sie werden das, so hoffeich, mit unserer Unterstützung in Zukunft genauso tun.Ich danke den Mitarbeitern der beteiligten Häuser für diegeleistete Arbeit im Zusammenhang mit den Haushalts-beratungen.Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Ilja Seifert für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Die Diskussion, die wir jetzt geführt haben, reiztnatürlich, zu vielen Fragen noch einiges zu sagen. Dameine Kollegin Bluhm die entscheidenden Eckpunkteunseres städtebaulichen Konzepts bereits dargelegt hatund unsere Kollegin Menzner in der ersten Lesung dasGleiche für die Verkehrsfragen getan hat, möchte ichmich jetzt auf drei Punkte konzentrieren, an denenexemplarisch gezeigt werden kann, wo gespart werdenkönnte – davon handeln zwei Punkte – und wo wirklichinnovativ in die Zukunft gebaut werden könnte, ohnedass zusätzliche Kosten entstehen, wenn wir es richtiganpacken.Erster Punkt. Fast auf den Tag genau vor 15 Jahrenbeschloss der Bundestag den Umzug von Bonn nachBerlin. Dieser Beschluss war mit vielfältigen Fehlein-schätzungen und etlichen Fehlleistungen verbunden.Schauen wir uns einmal um, was inzwischen passiert ist.In Berlin hat sich einiges verändert. Bonn ist inzwischendie Boomtown schlechthin. Nie ging es Bonn so gut wiejetzt, jedenfalls nicht zu den Zeiten, als es Parlamentssitzwar. Was tun wir aber noch immer? Wir leisten uns zweiSitze für alle Ministerien, was mit unnötigem Hin- undHerreisen verbunden ist. Das sind unnötige Ausgaben,die wirklich nicht mehr zu rechtfertigen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sogareiner Ihrer Interimsvorsitzenden hat das inzwischen er-kannt und laut gesagt. Dafür muss man ihm einmalDanke sagen. Er hat es gemerkt. Liebe Kolleginnen undKollegen von der CDU/CSU, vielleicht merken Sie dasauch. Dann könnten wir bald zu einem vernünftigen Be-schluss kommen, durch den nicht nur Kosten gespartwürden, sondern auch die wichtigen Entscheidungen aneinem Ort gefällt werden könnten.Ich will einen zweiten Punkt erwähnen, der auch imZusammenhang mit dem Umzug steht und ebenfalls hor-render Unsinn ist. Die Eigenheimzulage für Häuslebauerhaben wir gestrichen. Wenn aber ein vom Regierungs-umzug betroffener Mensch aus Bonn in Berlin Eigentumerwerben will, wird das noch immer durch günstige Dar-lehen, Zuschüsse usw. gefördert. Mit welcher Begrün-dewfdhWdzbiwisbemVStzSMgiDB–ABiMe–lsmdgbggv
Das ist nicht wahr. Lieber Kollege, ich habe etlichenfragen an die Bundesregierung gestellt, wie es mit derarrierefreiheit als Förderkriterium aussieht. Ich habemmer schwammige Auskünfte erhalten, nach demotto: Es ist nicht verboten, barrierefrei zu bauen, abers ist keine zwingende Voraussetzung.
Wenn ich das richtig sehe, sind wir hier im Bundespar-ament und nicht im Bayerischen Landtag. Es kann jaein, dass dort anders vorgegangen wird. Ich bezieheich auf die Bundesebene. Ich rede jetzt mit dem Bun-esminister und der Bundesregierung und nicht mit ir-endeinem bayerischen Provinzfürsten.Ich möchte, dass wir ordentliche Kriterien haben, dieundesweit gelten. Darum geht es mir. Wenn es richtigemacht wird, wird dafür überhaupt kein Euro mehr aus-egeben, aber es werden die Lebensbedingungen für alleerbessert. Darum sollte es gehen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat nun der Kollege Dr. Anton Hofreiter,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Viele Menschen sind Tag für Tag auf den
Nahverkehr angewiesen. Die Lebensqualität der Städte
hängt entscheidend von der Qualität des Nahverkehrs ab.
Welche Entwicklungen hatten wir in den letzten Jahren?
Der ÖPNV ist dank der Regionalisierungsmittel besser
geworden. Gleichzeitig sind die Ölpreise gestiegen. Das
heißt, der Individualverkehr ist teurer geworden. Zudem
müssen wir mit einer demografischen Entwicklung rech-
nen, die zu weitaus mehr älteren Menschen führt.
Die Regionalisierung des Schienenpersonennah-
verkehrs ist nahezu die einzige Erfolgsgeschichte der
Bahnreform: besserer Takt, neuere Züge und weitaus
mehr Passagiere. Was fällt der großen Koalition dazu
ein? Als Belohnung werden die Mittel um circa
2 Milliarden Euro gekürzt. Wen trifft dies am härtesten?
Von den Schäden für die Umwelt, für die Gesundheit der
Menschen in Ballungsräumen und das Klima wollen wir
erst einmal gar nicht reden. Dies trifft die Menschen
ohne Auto, die noch dazu oft über ein geringeres Ein-
kommen verfügen, am härtesten. Es trifft die ganz Jun-
gen, die noch keinen Führerschein haben können. Es
trifft ältere Menschen. Es trifft insbesondere die Bewoh-
ner von Ballungsräumen, die speziell unter der Verkehrs-
dichte leiden. Es trifft auch die wenigen Menschen auf
dem flachen Land, die kein Auto haben oder haben kön-
nen, die nahezu von der Mobilität abgeschnitten werden.
Herr Minister Tiefensee spricht davon, dass die Län-
der die Effizienzgewinne heben sollen, um dies auszu-
gleichen.
Wir sind für Effizienz und Transparenz der Mittelver-
gabe. Aber die Kürzungen treten sofort in Kraft. Wir
wissen, dass, nachdem sowohl das Bundesministerium
– wenn auch unter einem anderen Minister – als auch
viele Länder dies jahrelang verschlafen haben, sich nun
die Effizienzgewinne frühestens in drei, vier Jahren he-
ben lassen. Das heißt, die Kürzungen treffen alle gleich-
mäßig. Die Länder, die die Effizienzgewinne bereits ge-
hoben haben, damit mehr Verkehr auf die Schiene
gebracht und all die positiven Effekte bewirkt haben,
werden bestraft. Wir haben einen Gesetzentwurf einge-
bracht, der vorsieht, dass 50 Prozent der Mittel erfolgs-
abhängig vergeben werden können. Ich werde einmal se-
hen, wie Sie darauf reagieren.
Wer allerdings führt diese Kürzungen durch? War es
die CDU/CSU allein? Dann könnten wir sagen: Beim
Nahverkehr haben wir sowieso nichts anderes erwartet.
Aber nein, die SPD war fleißig bei den Kürzungen dabei.
Sozial Schwächere, junge Menschen, alte Menschen und
Menschen in Ballungsräumen scheinen ja keine Gruppen
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Dieser Haushaltsplan zeigt vor allem eines: Die Ko-
lition hat kein Konzept, um die Herausforderungen der
ukunft anzugehen. Im größten Investitionshaushalt
das wurde schon öfter hier gesagt – geht man mit den
nvestitionen offensichtlich besonders unökonomisch
m. Man denkt sich: Lasst uns hier und dort 1 Milliarde
uro nehmen und das Geld versenken. Es ist ja egal, ob
as, was wir tun, verkehrlich sinnvoll oder gar nötig ist
zw. ob es ökonomisch gefordert ist. – Für das, was
innvoll wäre und was auch die Industrieverbände benö-
igten – ich nenne zum Beispiel den Ausbau von Kno-
enpunkten und Engstellen –, ist kein Geld vorhanden.
Dieser Haushaltsplan zeigt vor allem eines: Die große
oalition ist für die ökologischen, sozialen und ökono-
ischen Herausforderungen der Zukunft blind.
Das Wort hat nun der Kollege Sören Bartol, SPD-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir debattieren heute nicht nur über den Bun-eshaushalt, sondern auch über einen Antrag desündnisses 90/Die Grünen zum Regionalisierungsge-
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Sören Bartolsetz. Ich bin froh, dass, was die Regionalisierungsmittelbetrifft, seit letztem Freitag die Kuh vom Eis ist.
Der Bundesrat hat dem Haushaltsbegleitgesetz unddamit der Neufestsetzung der Regionalisierungsmittelzugestimmt.
Das ist ein notwendiger Beitrag zur Haushaltskonsoli-dierung. Im Gegenzug hat der Bund den Ländern für dieJahre 2008 bis 2010 zugesagt, die Kürzungen um500 Millionen Euro zu reduzieren und die Mittel ab2009 wieder zu dynamisieren. Ich freue mich, dass esgelungen ist, die ursprünglich im Koalitionsvertrag vor-gesehene Summe an Einsparungen von 3,1 MilliardenEuro auf 1,8 Milliarden Euro zu reduzieren.
Für 2006 bedeutet das: Verzicht auf den Aufwuchs undFestschreibung auf dem Vorjahresrekordniveau von7,05 Milliarden Euro.
Im Jahre 2007 werden es 6,7 Milliarden Euro sein.Der Kompromiss mit den Ländern ist ein gutes Er-gebnis, sowohl aus verkehrspolitischer als auch aushaushaltspolitischer Sicht. Er gibt den Ländern Pla-nungssicherheit und genügend Spielraum, um mit denzusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer bei derFörderung des öffentlichen Verkehrs eigene Prioritätenzu setzen.
Jetzt gilt es, die mündlichen Verabredungen schnellst-möglich in Gesetzesform zu gießen.
Ich will nicht verhehlen, dass ich als Verkehrspoliti-ker Bauchschmerzen habe, wenn Mittel für den öffentli-chen Verkehr gekürzt werden. Ich stehe aber zu unsererhaushaltspolitischen Verantwortung. Ich bin sicher, dassdie Schreckensszenarien von Streckenstilllegungen undFahrpreiserhöhungen, die die Verkehrsverbünde in denvergangenen Wochen gezeichnet haben, nicht Realitätwerden. Die Kürzungen sind verkraftbar. Sie erfordernallerdings eine zielgenaue und effiziente Mittelverwen-dung.
Die Regionalisierung ist eine Erfolgsgeschichte, diewir Sozialdemokraten in den Landesregierungen, an de-nen wir beteiligt waren, entscheidend mitgestaltet haben.
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m Gegenzug sollen die Länder die Verwendung derittel offen legen. Effizienter Mitteleinsatz soll belohnt,weckentfremdung soll bestraft werden. Das klingt,ie ich finde, zunächst einmal gut.
Aber selbst wenn die Länder zu einer entsprechendennderung des Regionalisierungsgesetzes bereit wärendas sehe ich im Moment allerdings nicht –, wäre hier-ür auch eine Änderung der Finanzverfassung erforder-ich. Für finanzielle Sanktionen bei Zweckentfremdung,ie Sie sie fordern, müsste sogar der Aufgabenteil desrundgesetzes geändert werden. Das scheint mir keinealistischer Weg zu sein.Wir haben von den Ländern gerade in den letzten Jah-en Transparenz hinsichtlich der Verwendung der Regio-alisierungsmittel eingefordert. Immerhin sind die Län-er nun, unter dem Druck der notwendigen Einsparungen,u einer Offenlegung der Verwendung der Mittel in denahren 2002 bis 2005 bereit. Wir brauchen aber vollstän-
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Sören Bartoldige Transparenz; denn nur so lässt sich der hohe Mittel-einsatz politisch legitimieren.
Wir alle wissen, dass es im Regionalverkehr durchausnoch Effizienzpotenziale gibt, die die Länder durchmehr Wettbewerb mobilisieren können. Sie sind dabeiauf einem guten Weg. Zunehmend finden auch Wettbe-werber ihren Weg auf die Bahnschienen. Während 1994der Anteil der Wettbewerber bei lediglich 4 Prozent lag,betrug er 2005 rund 14 Prozent, bei zunehmender Ten-denz. Der SPNV-Markt wird dennoch von einem Anbie-ter, der DB AG, mit einem Anteil von 86 Prozent domi-niert, während sich den Rest des Marktes 50 kleinereAnbieter teilen. Es gibt also noch reichlich Potenzial fürmehr Wettbewerb. Für uns ist allerdings klar: Wettbe-werb darf nicht zu Sozialdumping führen. Es darf nichtnur um Kostensenkungen gehen. Es muss letztlich auchum höhere Qualität und um eine Erhöhung der Fahrgast-zahlen gehen.
Ein Mehr an Wettbewerb wollen wir aber nicht mitder Brechstange umsetzen wie die Grünen. Eine Aus-schreibungspflicht ohne Übergangsfrist lehnen wir ab.Wir begrüßen deshalb, dass sich der Rat der EU-Ver-kehrsminister am 9. Juni auf eine Verordnung für den öf-fentlichen Personennahverkehr geeinigt hat, die nebender Ausschreibung unter bestimmten Voraussetzungeneine Direktvergabe an kommunale Verkehrsunterneh-men und kleine Busunternehmen ermöglicht. Dasschützt unsere in Europa einmalige Struktur des ÖPNV-Markts mit kleinen und mittelständischen Betrieben.Wir wollen den mit dem Regionalisierungsgesetz ein-geschlagenen erfolgreichen Weg weitergehen. Der Bundist bereit, finanziell weiterhin einen hohen Beitrag zuleisten. Die Länder müssen im Gegenzug für eine effizi-ente und transparente Mittelverwendung sorgen und inihren Haushalten Prioritäten für den ÖPNV setzen. Siehaben dafür ausreichend Spielraum. Sie erhalten imJahr 2007 zwar 565 Millionen Euro weniger Regionali-sierungsmittel; in der Summe aber werden ihre Haus-halte im selben Jahr um mehr als das Zehnfache entlas-tet.Unser Ziel ist die Sicherstellung einer bedarfsgerech-ten, zielgenauen und effizienten Finanzierung des öffent-lichen Verkehrs. Mit dem Haushalt 2006 gewährleistenwir als Bund weiterhin ein attraktives Nahverkehrsange-bot.Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Patrick Döring, FDP-
Fraktion.
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Jetzt gibt es einen Kompromiss. Ich bin mit dem Kol-egen Bartol einig, dass dieser Kompromiss Stabilitätnd Sicherheit bis 2008 bringt und dazu führt, dass wirine verlässliche Nahverkehrspolitik bekommen.Ich will ganz kurz etwas zu dem Antrag der Grünenagen. Diese streng schienengläubige Politik wird uns si-her auch nicht nach vorne bringen; das Geld wächstchließlich nicht aus der Erde.Die Geschichte der Regionalisierung ist vor alleningen die Erfolgsgeschichte der DB Regio. Aber wirüssen einmal genau hinschauen, in welchen Bundes-ändern die DB Regio einen Marktanteil von 90 Prozentnd mehr hat und wie viele Regionalisierungsmittel proersonenkilometer dort verbraten werden und in wel-hen Bundesländern die DB Regio einen Marktanteilon 80 Prozent oder weniger hat und wie viele Regiona-isierungsmittel pro Personenkilometer dort zugeschos-en werden. In Schleswig-Holstein beispielsweise habenndere Schienenpersonennahverkehrsdienstleister einennteil von über 30 Prozent. Wer das Verhältnis von ein-esetzten Regionalisierungsmitteln pro Personenkilome-er bildet, kommt zu spannenden Ergebnissen, die dieffizienzreserven, von denen hier gesprochen wurde,eutlich erkennbar werden lassen. Von daher bin ich miter Kollegin Winterstein einig: Hier sind noch Reservenrin, ohne dass Qualität und Quantität des Nahverkehrsngetastet werden müssten. Man muss dann aber vor al-em bereit sein – darüber haben wir im Ausschuss inten-iv gesprochen und darauf ist auch der Herr Minister ein-egangen –, auch mehr Wettbewerb zuzulassen.
Wir bleiben dabei: Das Prinzip der Inhouse-Vergabend der so genannten marktorientierten Direktvergabeührt sicherlich nicht dazu, dass in allen Bundesländernie Effizienzreserven gehoben werden. Mit der
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Patrick DöringDB Regio werden auch weiterhin Tausch- und Kopp-lungsgeschäfte gemacht werden, wie wir alle sie aus un-seren Bundesländern kennen.
Lassen Sie mich noch zu der Frage kommen, wie qua-litativ wertvoll sich der Nahverkehr entwickeln wird.Wir haben hier die Diskussion um die Schiene geführt;wir werden sie weiter führen beim Thema „Privatisie-rung der Bahn“. Das ist bereits angesprochen worden.Auch wurde die Zweckentfremdung eines Teils derRegionalisierungsmittel angesprochen. Dazu kann ichnur sagen: 15 der 16 Landesverkehrsminister gehörender Union oder der SPD an. Sprechen Sie mit denen,wenn sie die Mittel angeblich zweckentfremden. DasProblem lässt sich in einer großen Koalition doch leichtlösen.
Wenn die Diskussion darüber jetzt langsam beginnt,dann sind wir beim Thema „öffentlicher Personennah-verkehr“ auf einem guten Weg.Eines muss ich abschließend noch sagen: Gehen wirdavon ab, immer nur auf die Schiene zu schauen. Wiralle wissen, dass im ländlichen Raum der Bus öfter daspreiswertere und bessere Verkehrsmittel ist. Die Schie-nenbezogenheit, wie sie im Antrag der Grünen zutagetritt, ist nicht mehr zeitgemäß. Deshalb werden wir die-sen Antrag ablehnen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat das Wort der Kollege Klaus Hofbauer, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Erlauben Sie mir, mit einer Vorbemerkung zubeginnen. Wir haben in den letzten Wochen imAusschuss des Öfteren über die EG-Nachfolgeverord-nung 1191 diskutiert und beraten; es geht darin um dieRahmenbedingungen des öffentlichen Nahverkehrs.Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte Ihnen dankenund Ihnen meine Anerkennung aussprechen. Sie habenim Ministerrat gut verhandelt und die Interessen unseresLandes ausgezeichnet vertreten. Herzlichen Dank dafür!
Wir müssen jetzt die Umsetzung im Personenbeförde-rungsgesetz vollziehen. Dabei werden wir insbesonderedie Interessen unseres mittelständischen Gewerbes ver-treten.hrwMwrGrnlrvgmDbbhödvllLptsdggkssWDttmFgvAiwI
Als Vertreter des ländlichen Raumes hat mich natür-ich die Thematik Regionalisierungsmittel in besonde-em Maße beschäftigt. Ich glaube, dass wir eine gute undor allem eine einvernehmliche Lösung mit den Ländernefunden haben. Ich glaube auch, dass hier eine Lösungit Perspektive für die Zukunft aufgebaut werden kann.ie Regionalisierungsmittel haben entscheidend dazueigetragen, dass wir einen öffentlichen Nahverkehr ha-en, der sich sehen lassen kann. Ich glaube, das darf manier einmal sagen. Wir sollten stolz darauf sein, was imffentlichen Nahverkehr passiert ist.
Die Mobilität, die Verkehrspolitik insgesamt ist einerer entscheidenden Träger zur Sicherung und Schaffungon Arbeitsplätzen in unserem Lande. Es gibt unheim-ich viele Initiativen in diesem Bereich. Allein die Mobi-itätswirtschaft stellt 7 Millionen Arbeitsplätze. Dieogistikbranche boomt und es werden weitere Arbeits-lätze entstehen. Die Automobilindustrie und die Elek-roindustrie sichern fast jeden siebten Arbeitsplatz in un-erem Lande. Dies alles bietet eine gute Grundlage füren Wirtschaftsstandort Deutschland.Es ist schon angesprochen worden, dass wir unsereute Infrastruktur erhalten und stärken müssen. Auf-rund der Ergebnisse der Umfragen in der letzten Zeitönnen wir uns nicht zurücklehnen. In Deutschland be-teht ein ganz gravierender Handlungsbedarf; denn wirind sehr schnell weg vom Fenster, wenn wir nicht dieeichen in Richtung Zukunft stellen.
eswegen hat mir die Diskussion in der letzten Legisla-urperiode nicht gefallen, als es hieß: „Bildung statt Be-on“. Ich glaube, das war nicht der richtige Weg. Wirüssen ganz klar feststellen, dass durch Bildung undorschung, aber auch durch die Verkehrsinfrastrukturanz entscheidende Weichenstellungen für die Zukunftorgenommen werden können. Beides gehört in meinenugen unzertrennlich zusammen.
Durch den Koalitionsvertrag hat die Verkehrspolitikn unserem Lande insgesamt wieder an Bedeutung ge-onnen. Die Verkehrspolitik ist wieder zentral vertreten.ch glaube, das sollten wir erkennen.
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Klaus HofbauerEs ist schon angesprochen worden, dass die Europäi-sche Kommission 2001 ein Weißbuch zur europäischenVerkehrspolitik bis 2010 herausgebracht hat. Ich unter-streiche, was mein Kollege Lippold gesagt hat: Wir müs-sen die Ergebnisse der Halbzeitbilanz bei uns inDeutschland auch im Hinblick auf die europäische Poli-tik diskutieren. Deutschland spielt in diesem erweitertenEuropa eine zentrale Rolle; denn der Verkehr Europasspielt sich in Deutschland ab. Deswegen müssen wir dieeuropäische Verkehrspolitik ganz entscheidend mitge-stalten.Es ist nicht zu leugnen, dass die Marktanteile beimSchienenverkehr zurückgegangen sind. Gestern Abendhatten wir ja eine Diskussion mit Herrn Mehdorn, beider einige Probleme in Europa aufgezeigt wurden. HerrMinister, ich darf Sie herzlich bitten, die europäischeBahnpolitik in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit zu stellen,wenn Deutschland im nächsten Jahr die Ratspräsident-schaft innehat, weil von Deutschland aus eine Weichen-stellung für eine gute Bahnpolitik in ganz Europa vorge-nommen werden kann. Machen Sie das bitte zu eineminhaltlichen Schwerpunkt während der Ratspräsident-schaft.
Erlauben Sie mir noch, die europäische Verkehrspoli-tik im Hinblick auf die EU-Osterweiterung anzuspre-chen. Wir müssen feststellen, dass die EU-Osterweite-rung, die Öffnung der Grenze im Jahre 1989 und vorallen Dingen der Beitritt von zehn neuen Ländern – dashaben wir begrüßt; dieser Einigungsprozess ist eine Er-folgsgeschichte –, auch ganz verheerende Auswirkungenauf die Verkehrspolitik in Deutschland gehabt hat.Erlauben Sie mir einfach einmal, eine Zahl von einemGrenzübergang in meinem Wahlkreis zu nennen, dersich zwischen Bayern und Böhmen befindet. Zwischenden neuen Bundesländern und Polen wird dies mit Si-cherheit nicht anders sein. Am Grenzübergang in Waid-haus hat der Güterverkehr um mehrere 100 Prozent zu-genommen. Ich kann Ihnen das anhand einer Grafikzeigen: Im Jahre 1995 gab es dort 323 000 Verkehrsbe-wegungen von LKW; jetzt sind es 1,9 Millionen, ohnedass es zu einer wesentlichen Verbesserung der Straßenkam. Allein an diesem Grenzübergang hat sich derGüterverkehr nach dem Beitritt am 1. Mai 2004 von62 000 auf 113 000 fast verdoppelt. Diese Zunahme istgravierend.Im Bundesverkehrswegeplan stehen zwar Verkehrs-projekte im Hinblick auf die EU-Osterweiterung; abersie reichen nicht. Wir müssen die EU-Osterweiterung beider Aufstellung des kommenden Finanzierungsplansganz stark in den Mittelpunkt rücken; denn die EinigungEuropas wird unter anderem nur dann gelingen, wenndie Verkehrsprobleme bewältigt werden. Darin liegtauch die Chance, in der Wirtschaft Prosperität zu errei-chen und voranzukommen.
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Es geht um Mobilität von Menschen und Gütern. Mo-bilität ist bekanntlich ein Freiheitsbegriff. Mobilitätmuss ermöglicht und gesichert werden. So schwer unsauch die Einsparungen bei den Regionalisierungsmittelngefallen sind: Es ist ein Konsens mit den Ländern gefun-den worden – der Kollege Bartol hat bereits darauf hin-gewiesen –, der garantieren wird, dass die Erfolgsstoryder Regionalisierungsmittel in Deutschland fortgesetztwerden kann. Dafür stehen wir ausdrücklich.
Ich möchte an dieser Stelle eines hervorheben: WasHerr Minister Wolfgang Tiefensee hinsichtlich der EU-Verordnung 1191 zum öffentlichen Personenverkehr inEuropa, wo unser System im Grunde einzigartig ist– kein anderes Land hat ein so differenziertes System –,für Deutschland erreicht hat, ist ein hervorragendes undnicht genug zu lobendes Ergebnis. Hut ab vor dem, wasdamit auf europäischer Ebene erreicht worden ist!
Ich glaube, es ist notwendig, dass dies einmal festgestelltwird. Vielleicht nimmt das endlich auch die bremische,hamburgische, bayerische bzw. die gesamte deutscheÖffentlichkeit wahr.Ich möchte zu einigen Punkten kommen, die über-haupt noch nicht angesprochen worden sind. Verkehrs-politik geht natürlich immer auch einher mit der Akzep-tanz der Bevölkerung. Wir haben großen Wert daraufgelegt, hinsichtlich des Themas Lärmschutz die Mit-telansätze in diesem Haushaltsplan zu verdoppeln. Stattwie in der Vergangenheit 50 Millionen Euro geben wirin diesem Jahr, für Schiene und Straße zusammenge-nommen, 100 Millionen Euro für den Lärmschutz aus.Das sind 100 Prozent mehr als im Vorjahr.
Damit machen wir nach außen hin deutlich, dass wir indieser Frage aktiv sind. Die Menschen haben einen An-spruch darauf, dass man sich, wenn Verkehrsinfrastruk-tur in ihrer Nähe ist, auch um die Vermeidung von Lärmkümmert.
Zum Thema Logistik; das ist hier kurz angeklungen.In diesem Haushalt ist der Grundstein für die „Logistik-initiative Deutschland“ gelegt worden, wie wir es in derKoalition verabredet haben. Wir stellen für die nächstenzwei Jahre über 1,8 Millionen Euro ein, um einen Mas-terplan Logistik für Deutschland zu erarbeiten. Wir ha-ben Logistikinitiativen; aber wir wollen mehr. Wir wol-len die Länderinitiativen mit einer nationalen InitiativevßYShAnaraWdBNrsNsDmSgdDmesuzkDfdüTMLnrrkhdBkdps
Noch einige Kleinigkeiten, die etwas mit Sicherheitu tun haben: Es geht um die Sicherheit im Straßenver-ehr und – im Falle der Notfallschlepper – in der See.as sind Haushaltsposten, die vielleicht gar nicht so auf-allen. Sie müssen sich aber vor Augen führen, dassemnächst große Containerschiffe – 400 Meter lang, mitber 10 000 Containern mit Gefahrgut – oder großeankschiffe in der Nordsee bei Sturm plötzlich einenaschinenausfall haben können. Dann muss man in derage sein, einen solchen „Jumbo“ auf den Haken zuehmen, und dazu braucht man die entsprechenden Ge-äte.Insofern ist es klug, dass sich das Verkehrsministe-ium hierzu eindeutig positioniert hat. Wir werden in Zu-unft ein Sicherheitskonzept für Nord- und Ostsee vor-alten, das sich sehen lassen kann.Dies ist ein runder Haushalt. Er setzt Impulse. Er gibter Konjunktur Fahrt. Er unterstützt das, was wir in derundesrepublik momentan brauchen. Ich glaube, wirönnen mit einer gewissen Zufriedenheit sagen: Es isten Verkehrspolitikern mit Unterstützung der Haushalts-olitiker gelungen, dieses Segment des Gesamthaushaltso zu gestalten, dass man damit ordentlich arbeiten kann.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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3764 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Nächster Redner ist der Kollege Volkmar Vogel,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unsicher-heiten durch die vorgezogenen Neuwahlen im vergange-nen Jahr waren Gift für die Investitionen der öffentlichenHand, insbesondere für die des Bundes. Es ist höchsteEisenbahn – darüber sind wir uns alle sicherlich einig –,dass wir hier wieder für Sicherheit sorgen. Aber die Situa-tion war schwierig; denn wir wollten keinen geschöntenHaushalt vorlegen. Es war daher notwendig, sicherzu-stellen, dass das, was wir machen wollen, zu finanzierenund planungssicher zu realisieren ist. Das betrifft ganzbesonders den Einzelplan 12, der mit knapp 23,7 Mil-liarden Euro den Großteil der Bundesinvestitionen, aberauch der Förderung im privaten Baubereich trägt.Gerade die östlichen Bundesländer sind dringendauf die Investitionen des Bundes angewiesen. Die Ver-kehrsprojekte „Deutsche Einheit“ müssen wir planmäßigund termingerecht zu Ende führen, nicht mehr, aber auchnicht weniger.
Die A 20 entlang der Ostsee und die A 72, die Thüringenmit Franken verbindet, sind beispielhafte Projekte, diedafür sorgen, dass Wachstum und Beschäftigung entste-hen. Sehr geehrte Frau Bluhm, Sie haben gesagt, der Os-ten sei vergessen. Ich mache Sie darauf aufmerksam,dass dies nur zwei Beispiele aus dem Bereich der Ver-kehrspolitik sind, die belegen, dass der Osten nicht ver-gessen ist und dass wir schon viel erreicht haben. Wirmüssen uns nur daran erinnern. Angesichts der zugesag-ten 156 Milliarden Euro Solidarpaktmittel kann man erstrecht nicht davon sprechen, dass der Osten vergessen ist.Im Gegenteil: Der Aufbau geht weiter.
Die Beispiele zeigen deutlich: Die Modernisierungder Infrastruktur – auch in den neuen Bundesländern –dient dem ganzen Land und eröffnet neue Chancen. An-gesichts der aktuellen Diskussion möchte ich in allerDeutlichkeit sagen: Die VDEs und die anderen Projekte,die zu verwirklichen sind, sind noch nicht abschließendrealisiert. Ich erinnere nur an einige wichtige Straßen-bauprojekte wie die A 73, die fertig zu stellen ist, dieA 38, die Hessen mit Sachsen über Thüringen verbindet,sowie eine ganze Reihe von Ortsumgehungen und Zu-bringern, die Mensch und Umwelt entlasten. Auch dasist Ziel unserer Verkehrspolitik. Zudem gibt es noch Lü-cken bei den Schienenverbindungen.Neben all den wichtigen Straßenbauprojekten brau-chen wir – davon bin ich, der ich als Thüringer in derMitte unseres Landes wohne, überzeugt – eine weitereschnelle Nord-Süd-Schienenverbindung. Mit Mün-chen–Nürnberg und Leipzig–Berlin haben wir dafürwisLWDtbwPsgghsddslasEeEfksSsSSgdzw2uK2dttisDmgw
Die für den Einzelplan 12 vorgesehenen Mittel sindicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Aber,iebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt jetzt daraufn, die Finanzierung über das Jahr 2009 hinaus zu ver-tetigen. Dafür stellen wir jährlich circa 350 Millionenuro zur Verfügung. Ich gebe in diesem Zusammenhangines zu bedenken: Die EFRE- und die TEN-Mittel derU laufen 2013 aus. An diese Fakten muss die Gesamt-inanzierung gekoppelt werden, gerade mit Blick auf dieostenintensiven Bauwerke.Neben dem Personenverkehr bringt vor allem derchnelle Güterverkehr, der dann auf dieser Nord-Süd-chiene möglich ist, Wettbewerbsvorteile für die Wirt-chaft; er entlastet die Fernstraßen und ist aus unserericht auch ökologisch sinnvoll.Dabei – auch daran muss man denken – wird dietrecke Berlin–Rostock im Güterverkehr an Bedeutungewinnen. Der zunehmende Warenaustausch, auch miten baltischen Ländern, über die Seehäfen an der Ostseewingt uns auf dieser Strecke zum Handeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, parallel zu den not-endigen Investitionen hat uns der Straßenbaubericht005 auf den Nachholebedarf im Bereich Reparaturennd Modernisierung hingewiesen. Sehr geehrte Frauollegin Lührmann, wenn Sie den Straßenbaubericht005 zitieren, müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen,ass der Zustand der Straßen sich nicht erst in den letz-en sieben Monaten verschlechtert hat, sondern mindes-ens in den letzten sieben Jahren nicht besser gewordent.
arüber besteht hier sicherlich Übereinstimmung. Daüssen wir eine Lösung finden.Aber nichtsdestotrotz: Wenn wir sowohl alle wichti-en Investitionen als auch die Reparaturen schulternollen, werden die konventionellen Finanzierungs-
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Volkmar Uwe Vogelmethoden nicht mehr reichen. Mit privat finanziertenStraßenabschnitten oder Bauwerken im Rahmen vonÖPP-Projekten kann man Zeit kaufen. Außerdem gehörtnicht jeder Teil des Bahndammes unbedingt zur Fahr-strecke.Die Zweckbindung der Straßenmaut als Finanzierungs-instrument muss weiter Bestandteil unserer Überlegungenbleiben. Ebenso brauchen wir Rahmenbedingungen zurVerbesserung der Kosteneffizienz. Diese Verbesserungdarf aber – das möchte ich an dieser Stelle betonen –nicht immer nur zulasten der Betriebe und Bauarbeitergehen. Zum Beispiel das Infrastrukturplanungsbeschleu-nigungsgesetz, das wir in den nächsten Wochen auf denWeg bringen werden, wird dafür sorgen, dass der Pla-nungsaufwand konsolidiert wird. Schnelleres Genehmi-gen und Bauen spart Kosten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in den Regio-nen und Bundesländern mit hoher Arbeitslosigkeit brau-chen wir die Baubranche weiterhin als Jobmaschine.1 Milliarde Euro Investitionen mehr im Jahr bedeutet25 000 Arbeitsplätze, 25 000 Existenzen, die gesichertsind, 25 000 Familien, die ein Auskommen haben.Auch nach dem Wegfall der Eigenheimzulage, denich persönlich nach wie vor bedaure, gibt der Einzel-plan 12 wichtige Impulse für die Bauwirtschaft. So tra-gen 150 Millionen Euro für den Stadtumbau Ost maß-geblich dazu bei, den Strukturwandel unserer Städte zumeistern. Das sind knapp 10 Prozent mehr als im ver-gangenen Jahr.Die Erfolge in den östlichen Bundesländern habenden Stadtumbau zu einem gefragten Instrument für diewestlichen Länder werden lassen. Seit 2004 unterstütztder Bund auch den Stadtumbau im Westen. Die Mittel indiesem Bereich sollen von derzeit 40 Millionen Euro bis2009 auf 86 Millionen Euro steigen.Gleichzeitig unterstützen eine ganze Reihe von Pro-grammen – das Beispiel „Soziale Stadt“ wurde heuteschon genannt –, dass die verbleibenden Strukturen mitattraktiven Wohnungen in einem guten sozialen Umfeldden entsprechenden Zulauf an Mietern und Eigentümernhaben. Als gewollter Nebeneffekt helfen wir mit diesenProgrammen ganz besonders den ortsansässigen Hand-werkern und der mittelständischen Bauwirtschaft, unter-stützen also Strukturen, die gerade im Osten für die Er-haltung und Schaffung von Arbeitsplätzen eine sehrwichtige Rolle spielen.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm mit einemVolumen von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr wurde hierschon von mehreren Kollegen erwähnt. Ich denke, dasist ein wichtiges und sehr gutes Programm vor allen Din-gen mit Blick auf die Arbeitsplätze, aber auch in Bezugauf die Umwelt. Herr Minister, vielen Dank an Sie undIhre Mitarbeiter für die Zusammenarbeit im Rahmen derModifizierung des CO2-Gebäudesanierungsprogammes.Gerade die Regelungen, die wir jetzt gefunden haben,was die Baujahre betrifft, ab denen eine Förderung mög-lich ist, kommen vor allem Eigenheimbesitzern im OstenzJnrdsIndgaksGpSgstdEdmDDÄgadmDÄgtSfdCngw
ehen wir gemeinsam ans Werk!Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 12 – Bundesministerium für Verkehr, Bau undtadtentwicklung – in der Ausschussfassung. Hierzu lie-en drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst ab-timmen.Zunächst geht es um den Änderungsantrag der Frak-ion der FDP auf Drucksache 16/1868. Wer stimmt füren Änderungsantrag der FDP? – Wer ist dagegen? –nthaltungen? – Dann ist dieser Änderungsantrag miten Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstim-en der FDP-Fraktion, der Fraktion des Bündnisses 90/ie Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.Nun kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktionie Linke auf Drucksache 16/1869. Wer stimmt für dennderungsantrag der Fraktion Die Linke? – Wer ist da-egen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Änderungs-ntrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen under FDP bei Enthaltungen der Grünen und Gegenstim-en der Fraktion Die Linke abgelehnt.Nun kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktionie Linke auf Drucksache 16/1870. Wer stimmt für dennderungsantrag der Fraktion Die Linke? – Wer ist da-egen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Änderungsan-rag bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke mit dentimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt.Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschuss-assung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ister Einzelplan 12 mit den Stimmen der Fraktionen derDU/CSU und der SPD bei Gegenstimmen der Fraktio-en von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke an-enommen.Tagesordnungspunkt I.14 b: Interfraktionell wird Über-eisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1435 an
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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldtdie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Ichsehe: Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung sobeschlossen.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt I.15 auf:a) Einzelplan 30Bundesministerium für Bildung und For-schung– Drucksachen 16/1320, 16/1324 –Berichterstattung:Abgeordnete Klaus HagemannKlaus-Peter WillschUlrike FlachMichael LeutertAnna Lührmannb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demÜbereinkommen vom 11. April 1997 über dieAnerkennung von Qualifikationen im Hoch-schulbereich in der europäischen Region– Drucksache 16/1291 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZu dem Einzelplan liegen ein Änderungsantrag derFraktion der FDP sowie zwei Änderungsanträge derFraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichsehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so be-schlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort derKollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jede Gesellschaft, die im Strukturwandel und im Wettbe-
werb Erfolg haben möchte, muss auf die drei Elemente
Bildung, Forschung und Innovation setzen. Ich vermute,
dass wir alle uns darüber sehr einig sind. Wir brauchen
ein strategisch gut aufgestelltes Bildungs- und For-
schungsministerium, das im Zentrum einer ressortüber-
greifenden, wettbewerbsorientierten Innovationsstrate-
gie steht.
Da fängt die Realität an.
Nach einem halben Jahr haben wir ein etwas gerupftes
Ministerium, das große Teile der Technologieförderung
an Herrn Glos verloren hat, der mit der bayerischen
Gießkanne die Mittel verteilt, und ein Bündel von An-
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Liebe Kolleginnen und Kollegen von der großen Ko-
lition, das Jahr 2006 ist verschenkt. Es kann und wird
einen Innovationsimpuls geben. Sie, die Haushälter der
oalition, haben das zu Recht erkannt und entsprechend
ie Mittel für das Kernstück Ihrer Innovationsstrategie,
ie Exzellenzinitiative, in Höhe von 42,5 Millio-
en Euro gestrichen. Sie könnten ohnehin nicht mehr in
iesem Jahr an die Hochschulen verteilt werden.
Das erste Jahr hat vor allem gezeigt, dass die große
oalition enorme Probleme hat, eine gemeinsame Inno-
ationsstrategie auf die Beine zu stellen. Was haben wir
isher von Frau Schavan gehört? Ein bisschen über kern-
echnische Sicherheitsforschung, ein bisschen über be-
ufliche Bildung und natürlich ein bisschen über das
onsequente Festhalten an der Stichtagsregelung für die
tammzellenforschung, obwohl Sie gerade wieder ein-
al von europäischer Ebene erfahren mussten, dass sich
eutschland hier offenkundig in einer Sackgasse befin-
et.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Hagemann?
Aber sicher.
Liebe Frau Kollegin Flach, ich habe eine Frage zu der
ben von Ihnen aufgestellten Behauptung, die Mittel für
ie Exzellenzinitiative seien gestrichen worden. Ist Ih-
en bekannt, dass Sie selbst zugestimmt haben, als nicht
ie Streichung dieser Mittel – sie fallen unter die GMA
m Haushalt 2006 –, sondern ihre Verwendung im Haus-
alt 2007 beschlossen wurde? Wenn ich es richtig in Er-
nnerung habe, ist dieser Beschluss sogar einstimmig er-
olgt.
Lieber Herr Hagemann, wir hatten schon bei der letz-en Debatte diesen kleinen Disput. Wenn Sie meinenorten richtig gelauscht haben – das empfiehlt sich beiiberalen immer –,
erden Sie mitbekommen haben, dass ich darauf ver-iesen habe, dass Sie diese Mittel zu Recht gestrichenaben, weil Sie in diesem Jahr nicht mehr zu Potte kom-en. Sie brauchen die Mittel in diesem Jahr nicht! Daseißt, die Innovationsstrategie im Jahr 2006 ist eine in
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Ulrike Flachden Medien immer wieder positiv dargestellte Angele-genheit, bei der sich in der Realität – wir Haushälter er-kennen das zuallererst – 2006 nichts bewegen wird.Über 2007 reden wir demnächst, Herr Hagemann.
– Wenn Herr Hagemann wieder aufsteht, können wirgerne weitermachen.
Ich war gerade dabei, anzuführen, was wir eigentlichbisher von der Ministerin gehört haben. Zum Schlusshabe ich die Stichtagsregelung für die Stammzellenfor-schung angesprochen. Das war’s, Frau Schavan! An-sonsten überraschen Sie uns immer wieder mit Bemer-kungen zu einem Thema, welches Ihrer eigenenMeinung nach ein Unthema für eine Bundesministerinsein sollte: die Bildungspolitik. Ich habe von Ihnen Äu-ßerungen zum Schulschwänzen und zu Schuluniformengelesen. Ich habe mit Ihnen gemeinsam in den Medienüber das Sitzenbleiben diskutiert. Wenn ich aber zurück-denke, was Sie früher an dieser Stelle Frau Bulmahn an-gekreidet haben, denke ich mir: Die ehemalige KMK-Präsidentin Annette Schavan wäre erschaudert, wenn siein der Vergangenheit diese Worte gehört hätte.
Das spiegelt sich natürlich im Haushalt wider: keineBündelung von Zielen, kein durchgängiges Motiv derFörderung und vor allem kein Echo Ihrer eigenen Über-zeugungen, Frau Schavan. Sie haben weder die alten rot-grünen Spielwiesen, zum Beispiel die Deutsche StiftungFriedensforschung, beerdigen können,
obwohl Sie allesamt immer erbittert dagegen gekämpfthaben, noch die hochgemuten Forderungen von HerrnWillsch und Frau Reiche zum Thema Viadrina umsetzenkönnen, obwohl wir von diesen Forderungen immer wie-der in der Zeitung gelesen haben. Schon gar nicht hattenSie den Mut, dort zu streichen, wo Sie nach Ihrer eige-nen Meinung eigentlich sofort mit Streichungen hättenherangehen müssen, nämlich dort, wo der Bund in Zu-kunft – ungeachtet aller Verhandlungen im Rahmen derFöderalismusreform – wahrscheinlich nichts mehr zu sa-gen hat. Das betrifft zum Beispiel die Juniorprofessuroder das Programm „Zukunft Bildung“, wo die Mittel inder Vergangenheit nicht abgerufen worden sind.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schirmbeck?
Gern.
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ie Osnabrücker werden sicherlich jetzt sehr zufriedenit Ihnen sein.Frau Schavan, in den Bereichen, die ich eben genanntabe, haben Sie nicht gehandelt. Wir haben dies getan.llerdings haben wir die Gelder nicht gestrichen, son-ern wir haben sie ganz bewusst in Bereiche umge-chichtet, die wir für wichtig halten. Wir setzen einenchwerpunkt bei Gesundheit und Medizin. Für diesenereich wollen wir fast 40 Millionen Euro mehr ausge-en als Sie. Ich glaube, Besseres kann man in einer al-ernden Gesellschaft, in der wir nun leider leben, nichtun.
Wir haben dort Kürzungen vorgeschlagen, wo Sie unseit Monaten mit einer Vorankündigung hinhalten, näm-ich bei der so genannten Hightechstrategie. Sie wollen5 Millionen Euro ausgeben, um „Brücken zwischenorschung und Zukunftsmärkten“ zu schlagen und
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Ulrike FlachLeuchttürme zu entwickeln. Das ist eine Wortblase, FrauSchavan. Warum schauen Sie eigentlich nicht, wie es inanderen Ländern läuft?Sie kennen doch wahrscheinlich den Lambert-Reportund wissen, wie die Engländer mit diesem Thema umge-gangen sind. Dort haben eben nicht monatelang Politikervor sich hingebrütet und überlegt, was man einem LandGutes tun kann. Dort ist mithilfe externer Expertise einReport erstellt worden, der uns vom Stifterverband fürdie Deutsche Wissenschaft zu Recht als großes Beispielvorgehalten wird. Sie hätten schon längst dem engli-schen Beispiel folgen können. Dann müssten wir nichtbis zum Juli warten, um endlich weiterzukommen.
Da ich mich dem Ende meiner Redezeit nähere,möchte ich eine weitere Sache erwähnen, die in Englandgut gelaufen ist. Es geht um die Forschungsprämie.
Zum Schluss möchte ich mich dafür bedanken, dass esdie Kollegen von der CDU/CSU, nachdem sie monate-lang, ja fast jahrelang gegen die Forschungsprämie, dievon der FDP vorgeschlagen wurde, gezetert haben– Frau Pieper weiß das so gut wie ich –, nun mit einerArt Raubkopie geschafft haben, genau dieses Modelldem deutschen Volke als ein besonderes Wunder zu prä-sentieren.
Das reicht bis hin zu den Zahlen, die wir zusammen mitdem BDI ausgerechnet haben. Das ist eine tolle Leistungvon Ihnen. Ich bin erfreut, dass Sie dahin gekommensind. Dem werden wir sicherlich zustimmen. Aber eswäre viel schöner, wenn ein entsprechender Vorschlagbei uns auf dem Tisch liegen würde, Frau Schavan.
Wir werden Ihnen da entgegenkommen. Sie bekom-men unseren Antrag in der nächsten Woche. Dann kön-nen wir über diesen wichtigen Teil der deutschen For-schungspolitik gerne diskutieren.
Nächster Redner ist der Kollege Klaus-Peter Willsch,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Lieber Herr Tauss! Frau Flach, es könnte nichtschaden, wenn wir in dieser Debatte einmal zum Aus-druck bringen würden, dass wir bei diesem Thema fach-lich sehr nah beieinander liegen und dass wir alle umseine große Bedeutung wissen. Das wäre eleganter ge-wzkHmdhepeeLnlUEgdveZgsB2süBü3dntdmukWfBDee3tdlcH
ätten Sie einfach gesagt: Wir hätten das genauso ge-acht, wenn wir mit der CDU/CSU die Koalition gebil-et hätten – was uns ganz lieb gewesen wäre –, dannätte das eine gute Signalwirkung in der Öffentlichkeitrzielt. Aber ich verstehe, dass man, wenn man die Op-ositionsrolle spielen muss, dann, wenn die Regierungtwas vorgelegt hat, in den Krümeln sucht, um irgend-twas zu finden.Ich will auf einige Argumente, die während der erstenesung zum Einzelplan 30 im März gebracht wurden,och einmal eingehen. Es gab da den durchaus verständ-ichen Wunsch, noch mehr in diesem Bereich zu tun.ns eint im Hause die Erkenntnis, dass Forschung undntwicklung in den Mittelpunkt unserer Bemühungenestellt werden müssen; denn hier können wir auf Fel-ern säen, auf denen wir später einmal die Ernte in Formon Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsplätzeninfahren wollen.
ur Haushaltsdebatte gehört aber natürlich, alles in denroßen Rahmen zu stellen und aufzuzeigen, in welchchwieriger Situation wir uns befinden, gerade auch mitlick auf die Öffentlichkeit, die dieser Debatte folgt.Wir haben bei einem Bruttoinlandsprodukt von etwa,25 Billionen Euro inzwischen eine aufgelaufene Ge-amtverschuldung über alle Ebenen dieses Landes vonber 1,5 Billionen Euro. Das sind rund 67 Prozent desruttoinlandsprodukts. Im Mittelpunkt der Diskussionber den europäischen Stabilitätspakt steht immer das-Prozent-Kriterium, bezogen auf die Nettoneuverschul-ung eines Jahres. Dieses konnten wir seit fünf Jahrenicht einhalten. Das zweite Kriterium des Stabilitätspak-es fordert, die Gesamtverschuldung unter 60 Prozentes BIP zu halten. Das haben wir nicht geschafft. Dahinüssen wir erst wieder kommen. Insofern arbeiten wirnter äußerst restriktiven Bedingungen. Gleichwohlönnen wir alle miteinander, die wir in irgendeinereise für den Forschungsbereich Verantwortung tragen,roh sein, dass diese Regierung unter der Führung vonundeskanzlerin Angela Merkel für den von Fraur. Schavan verantworteten Bereich die Zeichen der Zeitrkannt hat und im richtigen Bereich Gas gibt, um esinmal so zu formulieren.
Die Nettoneuverschuldung liegt bei mehr als8 Milliarden Euro. In etwa so viel müssen wir bei güns-iger Zinssituation für Zinszahlungen aufwenden. Auchamit will ich die haushaltswirtschaftliche und finanzpo-itische Krise unseres Landes noch einmal deutlich ma-hen. Wir müssen aus dieser Schuldenfalle heraus.eute entfallen auf jeden Kopf der Bevölkerung, ob
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Klaus-Peter WillschSäugling oder Greis, 17 600 Euro Schulden. Das müssenwir ändern. Aber gerade in dem Bereich, über den wirjetzt reden, dürfen wir uns nicht kaputtsparen, sondernmüssen dafür sorgen, dass durch Investitionen und ent-sprechendes Engagement heute Zukunftschancen eröff-net werden. Das sage ich, weil wir natürlich in diesemBereich gerne noch mehr machen würden.Man muss aber auch die Umsetzungsmöglichkeitensehen. Diese haben wir beim Erwirtschaften der Globa-len Minderausgabe berücksichtigt; es macht ja keinenSinn, etwas zu veranschlagen, das in diesem Jahr nichtabfließt. Nur sollten wir der Redlichkeit halber – derKollege Hagemann hat in einer Zwischenfrage daraufaufmerksam gemacht – mitteilen, dass wir bei den ver-einbarten Größenordnungen bleiben und lediglich das,was dieses Jahr im Rahmen der Exzellenzinitiative nichtan die Hochschulen abfließen kann, auf die Folgejahreverschieben werden.Wir haben also nach meinem Dafürhalten die Schwer-punkte richtig gesetzt. Wir haben mit dem Einzelplan 30ein stimmiges Gesamtkonzept vorgelegt. Der Aufwuchsbeträgt hier über 5 Prozent; damit liegt der Ansatz über8 Milliarden Euro. Wir investieren damit so viel in For-schung, Entwicklung und Bildung wie noch nie zuvor indiesem Land.
Wir wollen das nicht alleine machen, wir können es auchnicht alleine machen. Das Ziel ist, dass die Ausgaben fürForschung und Entwicklung einen Anteil von 3 Prozentam Bruttoinlandsprodukt erreichen. Um die Steigerungvon 2,5 auf 3 Prozent zu bewältigen, liegt noch ein StückWeg vor uns. Das schaffen wir nur, wenn die Ländermitziehen – ich bin sicher, sie werden das tun; in einigenBereichen ist das vereinbart – und wenn die Wirtschaftebenfalls ihren Teil dazu beiträgt. Das ist Voraussetzungdafür, um auf diese Maßzahl von 3 Prozent, die wir defi-niert haben und in überschaubarer Zeit erreichen wollen,zu kommen. Wenn wir über Forschungsprämien nach-denken – ich verstehe wiederum nicht, warum Sie, FrauFlach, da einen kritischen Unterton anbringen; ich habemich gefreut, davon zu lesen –, um den Anreiz für kleineund mittlere Unternehmen, sich der marktbezogenenForschungsmöglichkeiten der Universitäten zu bedie-nen, und den Anreiz für Forschungseinrichtungen undUniversitäten zur Kooperation zu erhöhen, dann ist dasein weiterer Schritt auf dem Weg, die 3-Prozent-Markezu erreichen.
Ich erwähne das alles, weil es schwierige Bedingun-gen sind, unter denen sich unsere Politik bewegt. Wirmüssen die Weichen in Richtung Zukunft stellen. Wirmüssen aber auch einen Zug auf das Gleis setzen und se-hen, dass sich dieser Zug in Bewegung setzt.4 Milliarden Euro aus dem 25-Milliarden-Investitions-programm entfallen auf den Bereich des BMBF, weitere2 Milliarden Euro auf Bildung und Forschung in anderenRessorts. Die Gesamtkoordination und Federführung lie-gen beim BMBF. Insofern ist auch diese Teilkritik vonIhnen, Frau Flach, ziemlich konstruiert.MaGvbhAr–widrFneDhHszBwddsgMDtdsrwmSvds
Wir setzen mit dem, was wir vorgelegt haben, eineneilenstein, um in Sachen Wissenschaft und Forschungn die Spitze zurückzukommen. Wir sollten bei dieserelegenheit all denen, die daran mitwirken, angefangenon der Bundeskanzlerin über Frau Ministerin Schavanis hin zu den Mitarbeitern des ganzen Hauses, ein ganzerzliches Dankeschön sagen. Ihre Arbeit zeigt, dass dieufgaben der Zeit erkannt worden sind und die Weichenichtig gestellt werden.
Wir haben heute unsere Stunde, Herr Tauss, und wirerden heute die Mittel dafür zur Verfügung stellen. Dasst notwendig und wichtig und dafür ist das Parlamenta.
Auch die Geistes- und Sozialwissenschaften erfah-en mit einer 13-prozentigen Steigerung eine nachhaltigeörderung. Wir müssen in Zeiten, in denen Menschenach Orientierung suchen, auch im Wissenschaftssysteminen Beitrag zu Sinnstiftung und Orientierung leisten.as hat in Deutschland eine große Tradition.Wir haben ein Problem in Deutschland – die „FAZ“at heute darüber berichtet –: Existenzgründer aus demightechbereich haben Probleme, Erkenntnisse der For-chung schnell genug in marktfähige Produkte umzuset-en. An diesem Punkt setzt die Hightechinitiative derundesregierung an, die im Juli verabschiedet werdenird. Viele Details sind schon erkennbar und es wirdeutlich, was auf uns zukommen wird. Wir sollten nochie wenigen Wochen, bis das Kabinett die Initiative be-chlossen und vorgestellt hat, die nötige Geduld aufbrin-en,
eldungen, dass Gründer von Hightechunternehmen ineutschland Schwierigkeiten haben, schnell mit Produk-en auf den Markt zu kommen, weil die Übermittlunger Forschungsergebnisse aus den Hochschulen nichtchnell genug gelingt, sollten der Vergangenheit angehö-en. Wir brauchen dieses Tempo beim Übergang von derissenschaftlichen Erkenntnis zur Herstellung vonarktfähigen Produkten.
Wir reden über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.chauen Sie sich die Begeisterungsfähigkeit unserer Be-ölkerung an! Wir leiden vielleicht im Moment etwasarunter, weil auch das Spiel Italien gegen Tschechieneine Reize hat. Schauen Sie sich an, was sich in unse-
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3770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Klaus-Peter Willschrem Land angesichts der Fußballweltmeisterschaft ge-genwärtig abspielt!
Schauen Sie sich die Begeisterungsfähigkeit gerade derjungen Menschen und ihre unverkrampft positive Ein-stellung zu unserem Vaterland an, die sich hier um denReichstag manifestiert!Wir haben tolle junge Leute in unserem Land, denenwir Gelegenheit geben müssen, an Universitäten undForschungseinrichtungen ihre herausragenden Fähigkei-ten zur Entfaltung zu bringen. Wir müssen dafür sorgen,dass die entsprechenden Voraussetzungen vorhandensind. Damit garantieren wir für die Zukunft Arbeits-plätze auch in der Industrie.
Nur so werden wir den jungen Spitzenkräften die Mög-lichkeit eröffnen, unser Land an die Weltspitze zurück-zuführen. Nur so werden sie in der Lage sein – damitkomme ich auf meine Eingangsbemerkung zurück –, denDeckel zu bezahlen, den wir an der Theke für sie hinter-legt haben, die Folge von 35 Jahren zunehmend verant-wortungsloser Verschuldungspolitik.Ein besonderer Schwerpunkt ist der Hochschulpakt;dies wurde schon angesprochen. Ich denke, dass wir mitdem Beschluss der Föderalismusreform in der nächstenWoche auch in diesem Bereich abschließend Klarheitbekommen.Die Exzellenzinitiative Spitzenförderung vonHochschulen wird mit einer Verzögerung starten. Daswollten wir alle so. Wir wollten nicht, dass quasi vomFeldherrenhügel festgelegt wird, was Exzellenz ist, son-dern dass sich das im Wettbewerb herausbildet und dieMittel entsprechend vergeben werden.
Darum haben wir gesagt: Wir geben etwas mehr Zeitund führen in Ruhe die Wettbewerbsrunden an denHochschulen durch. Die Mittel dafür werden aber in vol-ler Höhe zur Verfügung gestellt, so wie wir es zugesagthaben. Es macht doch keinen Sinn, so zu tun, als wennwir dieses Jahr schon schießen könnten. Das ist einwichtiger Bereich, den wir mit Hochdruck angehen undals Kernstück unserer Arbeit ansehen.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Die Leistung, die wir im Rahmen dieser Haushaltsplan-beratungen und der Vorbereitung durch das Haus insge-samt zustande gebracht haben, macht zuversichtlich. Zu-versicht ist die treibende Kraft für Fortschritt in derGesellschaft und der Wissenschaft.lsmWddtZwdacSwswfbtsbdhkawvkvFeerdi
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3771
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Wir brauchen Geld für eine strukturelle Fortentwick-lung. Ein erster Ansatzpunkt könnte das von Rot-Grüngestartete Ganztagsschulprogramm sein.Dritter Punkt. Geschlechtergerechtigkeit. Erste ge-schlechtsspezifische Auswertungen zur Studienreformzeigen, dass Frauen deutlich häufiger als Männer dieHochschulen schon nach dem Bachelor verlassen. Hiermüsste man gegensteuern, doch stattdessen werden dieMittel für das erfolgreiche Programm „Chancengleich-heit für Frauen in Forschung und Lehre“ in diesem Jahrum rund ein Sechstel gekürzt.Vierter Punkt. Die Internationalisierung. Auf derTagesordnung steht heute – darauf ist schon hingewiesenworden – gemeinsam mit dem Haushaltsentwurf dasÜbereinkommen über die Anerkennung von Qualifika-tionen im Hochschulbereich in der europäischen Region.Die Ratifizierung dieses Übereinkommens ist auch ausunserer Sicht ausdrücklich zu begrüßen und längst über-fällig. Wichtig ist aber, dass den Worten auch Taten undvor allem auch Euros folgen. Ansonsten ist zu befürch-ten, dass der Bundestag das Übereinkommen zwar rati-fiziert, danach an den Hochschulen aber, weil die finan-ziellen Mittel fehlen, nur eine Umsetzung à la carteerfolgt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPDund der Union, auf Grundlage unserer jetzigen Verfas-sung hätten Sie die Möglichkeit, solche Programme zuentwickeln, zu finanzieren und durchzuführen. Wir hal-ten es für unverantwortlich, dass diese Möglichkeit auchin diesem Jahr wieder nicht genutzt wird.
Noch fataler wäre es – darauf müssen wir aufgrundder Aktualität hinweisen –, wenn diese Möglichkeitenzukünftig sogar grundgesetzlich verboten wären. Denngenau das ist im jetzigen Entwurf zur Föderalismusre-form vorgesehen. Wir möchten die Gelegenheit hier nut-zen, um an die Vernunft aller Beteiligten zu appellieren,uns allen noch etwas mehr Zeit zur Beratung zu gebenund die Weichen nicht vorschnell in eine falsche Rich-tung zu stellen.Für uns ist klar: Ein Mehr an Chancengleichheit imBildungssystem setzt strukturelle Reformen voraus.Diese zu entwickeln und umzusetzen ist eine gemein-same Aufgabe von Bund und Ländern und muss es auchbleiben. Wir alle dürfen deshalb nicht zulassen, dass diebisherige Gemeinschaftsaufgabe „Bildungsplanung“ ineine reine Berichterstattungs- und Informationskompe-tenz umgewandelt wird und von Bund und Ländernkeine gemeinsamen Schlussfolgerungen mehr gezogenwerden dürfen.Wir dürfen auch nicht zulassen, dass der Bund denLändern keine finanziellen Mittel mehr für die vorschu-lische und die schulische Bildung zur Verfügung stellenkann. Im Bereich der Hochschulen scheint es in dieserFciAftbdEnsmdFBsgwljidddegddatdKiddlS
Schon jetzt führen die Länder ihre leeren Kassen alsrgument an, um die Verantwortung für die Bildungs-inanzierung mehr und mehr auf die Einzelnen zu über-ragen. Die Folgen sind Einführung von Kindergartenge-ühren, Einschränkung der Lernmittelfreiheit, Anstieges Bedarfs an privater Nachhilfe und vor allem auch dieinführung von Studiengebühren. Durch solche Maß-ahmen wird sich die soziale Ungleichheit im Bildungs-ystem nur noch weiter verschärfen.Wir sagen stattdessen: Die Ausgaben für Bildungüssen steigen. Bund und Länder müssen in allen Bil-ungsphasen weiterhin gemeinsam die Möglichkeit zurinanzierung haben. Wir sagen, dass die gemeinsameildungsplanung von Bund und Ländern nicht abge-chafft werden darf, sondern erhalten und deutlich aus-ebaut werden muss. Ziel sind strukturelle Reformen:eg von einem Bildungssystem, das ausgrenzt und se-ektiert, hin zu einem integrativen Bildungssystem, dasedes einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichenndividuell fördert.
Schließlich muss die öffentliche Verantwortung füras Bildungswesen gesichert werden. Ein Schritt iniese Richtung wäre, die Gebührenfreiheit im Bereicher Bildung im Grundgesetz zu verankern. Wir finden esrschreckend, dass Diskussionen über solche Forderun-en nicht einmal mehr stattfinden. Die aktuellen Protesteer Studierenden in immer mehr Bundesländern gegenie Pläne, Studiengebühren einzuführen, weisen in einendere Richtung. Aus diesem Grund haben diese Pro-este unsere volle Unterstützung und Solidarität.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Hagemann von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wenn wir einen roten Fadenn der Debatte dieser Woche suchen, dann ist es sicherie Diskussion über das Staatsverständnis und die Kritiker Staatsaufgaben. Dies hat in den letzten Tagen bei al-en Beratungspunkten eine Rolle gespielt. Auf der eineneite steht der schwachbrüstige Nachtwächterstaat und
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Klaus Hagemannauf der anderen Seite der starke Staat, der genügend Ein-nahmen hat, um insbesondere bei Bildung und For-schung – darüber diskutieren wir hier – seine Aufgabenerfüllen zu können.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ver-treten den letzten Standpunkt. Wir wollen einen starkenStaat, um zum einen ein Maximum an Chancengerech-tigkeit zu erreichen und für Bildungschancen für alleSchichten zu sorgen. Um alle Schichten zu erreichen, ha-ben wir, Frau Hirsch, gerade beim BAföG Erheblichesgeleistet und diesen Bereich verbessert. Das wollte ichnoch einmal herausstellen.
Wir brauchen zum anderen einen starken Staat, dergenügend Einnahmen hat, um die Zukunftsfähigkeit un-seres Landes zu sichern, damit Forschung und Entwick-lung vorangebracht werden können. Deswegen hat dieSPD seit 1998, seitdem wir wieder die Regierungsver-antwortung tragen, darauf geachtet, dass gerade die Mit-tel im Einzelplan 30 – Bildung und Forschung – konti-nuierlich stark aufgestockt wurden. Es wurden alsoregelmäßig mehr Mittel für den Bildungs- und For-schungsbereich zur Verfügung gestellt.
In dieser guten Kontinuität stehen wir auch jetzt, da esum den Einzelplan 30 des Haushalts 2006 geht. Gemein-sam mit unserem Koalitionspartner haben wir mehr Geldzur Verfügung gestellt. Wir haben also nicht nur den Sta-tus quo erhalten, sondern die Mittel sogar erheblich er-höht.
Viele Beschlüsse, die in der letzten, der 15. Legisla-turperiode gefasst worden sind, finden nun in diesemEinzelplan für das Jahr 2006 ihre Ansätze. Hier findensie ihren Niederschlag und verdeutlichen die politischeDividende. Sicherlich erinnern Sie sich, dass manchedieser Beschlüsse insbesondere im Bundesrat sehr hartumkämpft waren.Ich darf Beispiele nennen: Hart umkämpft war auf-grund steigender Studierendenzahlen die verstärkte För-derung der Studierenden durch das Bundesausbildungs-förderungsgesetz;
das habe ich gerade erwähnt. Ähnliches gilt für dasMeister-BAföG, das in diesem Zusammenhang auch er-wähnt werden muss. Ebenfalls muss das sehr erfolgrei-che Ganztagsschulprogramm in Erinnerung gerufen wer-den. Ich bin froh, dass wir es fortführen. Das ist imKoalitionsvertrag vereinbart worden.
Die Exzellenzinitiative – wir haben eben schon übersie diskutiert, Frau Flach –, die in der letzten Legislatur-periode beschlossen worden ist, findet nun ihren Nieder-ssbhgZWjwdJrgaDsdssH–as4–i–ed–gdgfbhaaS
Ja. Wir können mit dem Vollzug des Haushalts 2006rst verspätet beginnen. Es ist klar, dass die entsprechen-en Programme erst später starten.
Damit es schneller geht, haben wir die VEs schon frei-egeben, auch für den Einzelplan 09. Ich bin überzeugt,ass dies auch im Hinblick auf den Einzelplan 30 zügigeschehen kann.
Lassen Sie mich noch einen Gedanken zur Ressort-orschung äußern. Auf Initiative der SPD-Fraktion ha-en wir schon in der letzten Legislaturperiode im Haus-altsausschuss beschlossen, dass die Ressortforschung,lso die Forschung, die von den einzelnen Ministerienusgeht, evaluiert werden soll, um festzustellen, wo eschwachstellen gibt und wo gute Ergebnisse erzielt wer-
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Klaus Hagemannden. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor. Es gibt Ein-richtungen, die top sind, und es gibt Einrichtungen, dienicht gerade top sind.Wir legen Wert darauf, dass die Ressortforschungnicht nur auf 13 Einrichtungen, sondern auch auf dierestlichen Einrichtungen in diesem Bereich ausgedehntwird, und dass wir dann, wenn die Detailberichte desWissenschaftsrates vorliegen, darüber diskutieren unddie notwendigen Konsequenzen ziehen, damit wir dieMittel gezielt für die Forschung einsetzen können.Meine Damen und Herren, unsere Beratungen undDiskussionen im Haushaltsausschuss hinsichtlich desEinzelplans 30 haben sehr viel Spaß gemacht. Deswegenmöchte ich als Hauptberichterstatter allen Kolleginnenund Kollegen, Ihnen, Frau Ministerin, und Ihrem Hausfür die gute Zusammenarbeit danken.
Herr Kollege Hagemann, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Flach?
Der Kollegin Flach immer.
Bitte schön.
Danke schön, Herr Kollege. – Wie Sie sicherlich wis-
sen, haben wir, als es in der Vergangenheit um die Evalu-
ierung der Ressortforschung ging, über alle Fraktions-
grenzen hinweg immer die gleiche Meinung vertreten:
Sie muss evaluiert werden. Es gab allerdings zwischen
uns und dem Rest des Hauses immer einen deutlichen
Unterschied. Wir haben immer gesagt: Diese Evaluie-
rung muss ergebnisoffen sein. Das heißt, wenn ein Insti-
tut wirklich als schlecht bewertet wird, darf es nicht
mehr zur Ressortforschung gehören, es muss in die Frei-
heit entlassen werden und auf eigenen Beinen stehen –
und vielleicht sogar geschlossen werden. Sie haben ge-
rade wieder betont, dass Sie weiter evaluieren werden,
was wir im Prinzip begrüßen. Deswegen meine Frage an
Sie: Sind Sie bereit, ein Institut, für das so schlechte Er-
gebnisse vorgelegt wurden, wie das beim Bundesamt für
Strahlenschutz der Fall war, zu schließen bzw. es aus der
Ressortforschung zu entlassen, sodass es sich in der
freien Forschungswelt bewähren muss?
Zunächst einmal: Wir haben den Wissenschaftsrat be-
auftragt, 13 Einrichtungen zu evaluieren. Das ist gesche-
hen und die Ergebnisse liegen vor. Wie ich eben ausge-
führt habe, gibt es Ergebnisse, die top sind, und
Ergebnisse, die, um es diplomatisch auszudrücken, nicht
ganz so top sind.
Der Haushaltsausschuss ist sich, wenn ich mich richtig
erinnere, einig gewesen, dass über Konsequenzen nach-
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Ich sprach eben über die gemeinsamen Beratungen,
ie recht fair und zum Teil auch freundschaftlich verlau-
en sind. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ei-
ige Anträge der FDP ansprechen. Frau Flach, Sie haben
orhin vergessen, die Monstranz, die Sie immer vor sich
er tragen, Ihre Streichliste, hoch zu halten.
assen Sie mich unterstreichen: Sie wollten – Sie haben
s vorhin kurz angesprochen – die Mittel für den Ak-
ionsplan „Hightechstrategie“ einfach um 12 Millionen
uro kürzen. Sie haben – das gibt mir zu denken – die
ittel für das Sonderprogramm Ost zur Schaffung von
usbildungsplätzen in Ostdeutschland um 6 Millionen
uro kürzen wollen – und das bei der derzeit bestehen-
en schwierigen Ausbildungsplatzsituation.
Oder nehmen wir den Eingliederungstitel, der nicht
m Einzelplan 30 enthalten ist: Diesen Eingliederungs-
itel wollten Sie um 3 Milliarden Euro zurückfahren.
abei wissen wir, dass gerade die unter 25-Jährigen
iervon, was ihre Qualifizierung und Ausbildung angeht,
ehr stark profitieren. Eine Kürzung wäre zu ihrem
chaden.
eswegen frage ich mich, ob es sinnvoll ist, Ihr „Libera-
es Sparbuch“ immer wieder als Monstranz vor sich her
u tragen.
Herr Kollege Hagemann, erlauben Sie eine weitere
wischenfrage der Kollegin Flach?
Ja, da gewinne ich noch ein bisschen Zeit.
Bitte schön.
Herr Kollege Hagemann, der letzte Teil, zu dem Sietwas gesagt haben, betrifft zwar nicht diesen Haushalt.ber Sie haben ihn angeführt; deswegen möchte ich füreine Fraktion an dieser Stelle klarstellen: Wir wollenei den Eingliederungshilfen keine Mittel streichen,icht, weil wir der Meinung wären, dass das alles sinn-oll sei, sondern weil diese nicht abgerufen wurden undir davon ausgehen, dass das auch für den Rest des Jah-es so bleiben wird. Sind Sie bereit, das anzuerkennen?
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Ulrike FlachWir haben von Ihrem Fraktionsvorsitzenden – haben Siedas nicht mitbekommen? – auf unsere Frage, was Sie mitdiesen Geldern vorhaben, keine Antwort bekommen.Das heißt, Sie haben sich hier nichts anderes als eineSparbüchse geschaffen. Genau das prangern wir an.
Zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze in denneuen Ländern. Ist Ihnen denn nicht bekannt – ich kenneSie gut genug, um zu wissen, dass Ihnen das bekannt ist –,
dass die Istzahlen des letzten Jahres bei 77 MillionenEuro lagen? Diese Gelder wurden nicht ausgeschöpft.Warum wollen Sie diese Mittel jetzt noch um 30 Millio-nen Euro erhöhen, wenn sie doch in diesem Jahr nichteinmal in der Lage waren, das auszugeben, was im Etatvorgesehen war?
– Aber sie ist berechtigt.
Das ist ja fast eine Korede, die Sie da gehalten haben,
verehrte Frau Kollegin.
Ich möchte mit dem zweiten Punkt anfangen: Auch
wir haben in diesem Bereich Kürzungen vorgenommen.
Aber wir haben diesen Titel nicht gestrichen, wie Sie
dies, um einzusparen, vorschlagen, sondern absichtlich
eine Umschichtung vorgenommen. Denn wir wissen,
wie schwierig die Ausbildungsplatzsituation in unserem
Lande ist: Man liest ja zurzeit von 50 000 fehlenden
Ausbildungsplätzen. Wir können vielen Jugendlichen
keine Zukunft geben; deswegen darf in diesem Bereich
keine Kürzung vorgenommen werden. Eine Umschich-
tung erfolgte im Bereich der Lehrlingsausbildung. Wir
haben mehr Mittel für die überbetrieblichen Ausbil-
dungsstätten zur Verfügung gestellt, damit diese gestärkt
werden; während Sie diese ganz streichen wollten.
– Sie haben Kürzungen von 6 Milliarden Euro vorge-
schlagen. Das steht in Ihrem „Liberalen Sparbuch“. So
lauteten die Anträge im Haushaltsausschuss;
ich habe sie jetzt leider nicht vorliegen. In Ihrem Mons-
tranzbuch – ich hätte fast gesagt: in Ihrer Bibel; das ist
aber falsch –, das hier immer hoch gehalten wird, waren
Streichungen in Höhe von 6 Milliarden Euro vorgese-
hen. Man sieht, dass es in Ihrem Buch um viel heiße Luft
geht.
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Das ist sehr schön.Ich freue mich sehr, dass Sie bezüglich der Ausbil-ungssituation so stark an die Wirtschaft appellieren. Esesteht dann aber doch die Frage, ob die SPD, wenn sieetzt wieder die Forderung nach einer Ausbildungsplatz-bgabe stellt,
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Cornelia Hirschweiterhin nur auf diesem Appellcharakter beharrt, der jaoffensichtlich nicht funktioniert, wie Sie selber anhandIhrer Zahlen eben bestätigt haben.
Bitte schön, Herr Hagemann.
Ich persönlich – ich äußere meine ganz persönliche
Meinung – stehe dem nicht abweisend gegenüber. Ich
habe das auch während der Diskussion, die wir im ver-
gangenen Jahr in unserer Fraktion geführt haben, sehr
deutlich gemacht.
Im Koalitionsvertrag – hier fällt das Stichwort – ist dies
für diese Legislaturperiode entsprechend ausgeschlos-
sen. Aber man kann ja beispielsweise – darauf lege ich
Wert – zusammen mit den Kammern einen Beginn ma-
chen. Wir dürfen sie nicht aus der Verantwortung entlas-
sen.
Man könnte einem Unternehmen beispielsweise die Ge-
bühren, die es für seine Angestellten, die ausgebildet
werden, zu zahlen hat, erlassen. Eine solche Gebühren-
erhebung ist nicht in Ordnung. Gebühren für die Eintra-
gungen in die Handwerksrolle oder Prüfungsgebühren
zu erlassen, wäre ein erster Schritt. Diese könnten von
allen Kammermitgliedern mitbezahlt werden. Das
möchte ich unterstützen und in diese Richtung argumen-
tieren.
Im Einzelplan 30 haben wir, weil die Verantwortung
bei der Wirtschaft liegt, entsprechende Mittel für die be-
rufliche Bildung in Höhe von insgesamt 368 Millionen
Euro vorgesehen. Hier stehen sehr starke Fördermittel
zur Verfügung. Wir wünschen, Frau Ministerin, dass
diese auch schnellstens verausgabt werden.
Hierzu gehört auch ein Beschluss aus dem
Jahre 2005, also aus der 15. Legislaturperiode. Das För-
derprogramm Jobstarter für mehr Ausbildungsplätze soll
massiv gestärkt werden. Sie haben das selbst in der
Presse schon angekündigt. Frau Ministerin, ich kann da-
rüber hinaus jedes Wort, das Sie in Ihrem Gastkommen-
tar in der „Bild“-Zeitung geschrieben haben, unterstrei-
chen. Wir müssen gemeinsam darangehen, für genügend
Ausbildungsplätze zu sorgen. Man darf nicht nur Briefe
schreiben – es ist gut und wichtig, dass die Kanzlerin
und der Wirtschaftsminister Briefe schreiben –,
sondern jetzt muss auch gehandelt werden. Hierfür gibt
es das gute Beispiel des früheren Wirtschaftsministers
Clement, der den Unternehmen vor die Hütte gerückt ist
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Das Wort hat jetzt der Kollege Kai Gehring vom
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je-es Jahr wollen in Zukunft circa 80 000 Abiturienten zu-ätzlich an den deutschen Hochschulen starten. Das sindast so viele, wie derzeit an den drei großen Berlinerniversitäten zusammen studieren.Was erwartet diese motivierten jungen Menschen aniner deutschen Hochschule? Ohnehin schon überfüllteeminare? Gar verschlossene Hörsaaltüren? Ein Aussie-en je nach Einkommenssituation der Eltern oder nachem strengsten Numerus clausus an einer Hochschule?der sogar das Verdrängen auf dem bereits schon jetztart umkämpften Ausbildungsmarkt? Frau Schavan,ieht so die schwarz-rote Hochschulpolitik auf dem Wegn die Wissensgesellschaft aus?Es ist doch offenkundig: Wir brauchen mehr qualita-iv hochwertige Studienplätze. Dafür hat die Bundesre-ierung in den letzten Monaten keinen Handschlag un-ernommen. Die große Koalition ist nicht nur einechnecke, sie verpennt fahrlässig zentrale Zukunfts-hancen für mehr Studierende und mehr Absolventen.
eder in Ihrem Haushalt noch in Ihrem Entwurf zur Fö-eralismusreform finden sich irgendwelche Ansätze,urch die dazu beigetragen werden könnte, die Studien-latzkapazitäten an den Hochschulen bundesweit zu er-öhen.Sie halten mir nun sicherlich Ihren Hochschulpaktntgegen. Doch das ist nichts anderes als ein zahnloseriger; denn für Studienplätze soll dort kein einziger Centließen.
tattdessen wollen Sie den Ländern zusätzliches Geldür die Forschungsförderung in die Hand geben, in der
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Kai Boris GehringHoffnung, dass die Länder ihrerseits mehr Geld für dieStudienplätze locker machen. Das ist nichts anderes alseine reine Luftbuchung. Deswegen landet eine solcheUmwegfinanzierung zwangsläufig in der Sackgasse.
Nicht umsonst fordern die SPD-Bildungspolitiker einenehrlichen Hochschulpakt.Frau Schavan, Ihr Hochschulpakt soll erst Ende die-ses Jahres kommen. So lange können die Hochschulen,die Dozentinnen und Dozenten, die Studierenden undauch die Studienberechtigten allerdings nicht warten.Ein Hochschulpakt, der den Hochschulen und den künf-tigen Studierenden wirklich etwas bringen soll, brauchtim Übrigen eine tragfähige juristische Grundlage. Dasbedeutet: Beerdigen Sie endgültig das Kooperations-verbot im Zuge der Föderalismusreform und ermögli-chen Sie so Bund und Ländern gemeinsame Initiativenfür zusätzliche Studienplätze.
Ich fürchte, wir werden gerade Zeuge eines riesigenTäuschungsmanövers. Anfang dieser Woche bekamendie besorgten Bildungs- und Wissenschaftsorganisatio-nen sowie die Öffentlichkeit noch ein wenig Baldrianverabreicht. Es hieß, das Kooperationsverbot sei bereitsgekippt.
Wer das Kooperationsverbot allerdings kippen will, dermuss Art. 91 b Grundgesetz ändern. Alles andere wäreeine Mogelpackung.
Glauben Sie aber nicht, allein die Streichung des ab-surden Kooperationsverbots aus der Staatsreform würdeausreichen. Dann hätten Sie aus der Anhörung nichts ge-lernt.
Über neun Stunden lang haben fast alle Expertinnen undExperten an dem Gesetzentwurf Kritik geübt, die ver-nichtender nicht hätte ausfallen können. Darüber kannselbst die große Koalition nicht hinweggehen. Deshalbfordere ich Sie auf: Streichen Sie die Abweichungs-rechte der Länder beim Hochschulzugang und bei denAbschlüssen!
Heben Sie die unsinnige Trennung von Forschung undLehre bei der Gemeinschaftsaufgabe auf! Denn das istabsolut künstlich. Entwickeln Sie endlich einen Vertei-lungsmechanismus für die Hochschulbaumittel, der demBedarf auch bundesweit gerecht wird!–GcAthhGprrqNdeptdspzatspMmwdhgJflg
Lesen Sie die aktuellen guten und neuen Konzepte derrünen in Baden-Württemberg! Davon können Sie si-herlich einiges lernen, Herr Tauss.
Nun zum Haushalt. Dem Haushalt fehlen ein klarernsatz und erst recht eine Gesamtstrategie für die größ-en hochschulpolitischen Herausforderungen. Es wirdier ein bisschen gekürzt und dort ein wenig erhöht. Dasat mit einer Gesamtstrategie nichts zu tun.
Diesen großkoalitionären Beliebigkeiten setzen wirrüne eine Hochschulpolitik entgegen, die die Studien-latz- und Personalkapazitäten schnell und bedarfsge-echt ausbaut, einen einkommensunabhängigen und ge-echten Zugang zu akademischer Bildung eröffnet undualitativ hochwertige Lehre und Forschung fördert.otwendig sind vor allem drei Faktoren.Erstens – in diesem Zusammenhang möchte ich anie CDU/CSU und die SPD appellieren – brauchen wirine Föderalismusreform, die gesamtstaatliche bildungs-olitische Kooperationen ermöglicht, statt sie zu verbie-en.
Zweitens brauchen wir einen echten Qualitätspakt fürie Hochschulen, in dem sich Bund und Länder gemein-am für den dringend notwendigen Ausbau der Studien-latzkapazitäten einsetzen. Der Pakt muss Anreize set-en, um die notwendigen Studienplätze zu schaffen unduch in Regionen, in denen es weniger Studienberech-igte gibt, Studienplätze zu erhalten.Drittens brauchen wir einen Bundeshaushalt, der abofort ausreichende Mittel für einen solchen Qualitäts-akt für die Hochschulen bereitstellt, um all den jungenenschen eine Perspektive zu bieten, die in den kom-enden Jahren an den deutschen Hochschulen studierenollen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katherina Reiche von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Was wireute nicht in Forschung investieren, können wir mor-en nicht in Form von Innovationen ernten“, sagteürgen Hambrecht, Vizepräsident des Stifterverbandesür die Deutsche Wissenschaft. Der Bericht zur techno-ogischen Leistungsfähigkeit, der übrigens die Vergan-enheit beleuchtet – nicht etwa die Zukunft –, mahnt
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Katherina Reiche
denn auch: Deutschland ist zwar noch ein Hightech-land, aber unsere technologische Leistungsfähigkeit istbedroht.Wir sind zwar stark bei höherwertigen Technologien,haben aber Schwächen in Feldern der Spitzentechnolo-gien, die unsere Zukunft bestimmen. Es gibt erkennbareMängel in der Struktur und Dynamik der Forschungs-und Entwicklungslandschaft in Deutschland. Das gilt so-wohl für den öffentlich als auch für den privat finanzier-ten Bereich.Die internationale Konkurrenz schläft nicht. Nord-europa, die USA und selbst Japan investieren kräftig inForschung und Entwicklung. China beweist einen schierunstillbaren Technologiehunger und hat sich auf Platz 3der forschungsreichsten Länder vorgeschoben. Deutsch-land ist von Platz 3 auf Platz 9 abgerutscht. Wer hier zuspät kommt, den bestraft in der Tat das Leben, und zwarmit Wohlstandsverlust.Der Forschungsstandort Deutschland hat ohneZweifel eine Reihe von Stärken: Wir verfügen über eindichtes Netz von guten bis sehr guten Hochschulen, überaußeruniversitäre Forschungseinrichtungen und gut aus-gebildete Wissenschaftler. Sie sind offenbar so gut, dasssie meist mit verlockenden Angeboten aus unserem Hei-matland weggelockt werden und uns den Rücken keh-ren. Wir haben innovative und starke Branchen wie dieAutomobilindustrie, die Medizintechnik und den Ma-schinenbau.Aber all das wird nicht reichen, um den StandortDeutschland auf Dauer zu sichern. Viele Kennzahlensind schlechter als Anfang der 90er-Jahre. Damals be-trug der Anteil des Bruttoinlandsprodukts an Forschungund Entwicklung rund 3 Prozent. Inzwischen liegt er bei2,5 Prozent. Allen Unkenrufen zum Trotz, Frau Flach,sind wir jetzt dabei – und zwar mit klaren Aussagenauch in diesem Haushalt – diesen Anteil zu erhöhen. Wirhaben uns dem Lissabonziel verschrieben. 6 MilliardenEuro in den nächsten Jahren sind eine klare Aussage, dieauch von Ihnen nicht kleingeredet werden kann.
Der Innovationsanteil des Mittelstandes hat aller-dings in den vergangenen Jahren nachgelassen. LautStifterverband sind zuletzt noch ungefähr 11 ProzentF-und-E-Ausgaben getätigt worden. Mitte der 90er-Jahrewaren es knapp 20 Prozent.
Vor diesem Hintergrund gibt es keine Alternative. Wirbrauchen eine Politik, die auf Forschung und Innovationsetzt. Diese Bundesregierung handelt. Schlagzeilen wie„Der Innovationsmotor in Deutschland stottert“ aus demJahr 2005 darf es nicht mehr geben.
Wir entwickeln eine Innovationspolitik, in der alleElemente – von beruflicher Bildung über Hochschule,Forschung bis hin zum Unternehmertum, die rechtlichenRcReussihanenlgrVgrsiszwAiedsgFHZGdWtbdkgDGshwssS
Auch die Fachhochschulen sind die idealen For-chungspartner für den regionalen Mittelstand. Deshalbaben wir auch hier eine Umkehr vorgenommen, indemir nämlich den Ansatz bei dem Titel „Angewandte For-chung an Fachhochschulen im Verbund mit der Wirt-chaft“ um 42 Prozent deutlich erhöht haben. Weitereteigerungen sind geplant.
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Katherina Reiche
In den letzten Jahren war viel von Innovationsinitiati-ven die Rede, aber die Projektförderung hat der Bundreal gekürzt.
Auch das haben wir umgedreht, zum Beispiel durchmehr Geld für Lebenswissenschaften, für Umwelt- undGeotechnologien.An dieser Stelle möchte ich einen weiteren Bereichansprechen. Wir werden in Deutschland auch dieSicherheitsforschung stärker angehen müssen als bis-her.
Es kann nicht sein, dass Europa in Security und Safetyinvestiert und wir als größtes Land danebenstehen undzuschauen. Auch in diesem Fall finde ich das, was be-schlossen worden ist, richtig.Ein wichtiger Eckpfeiler wird im Juli präsentiert: dieHightechstrategie. Frau Flach, an Sie gewandt: Es wirderstmals eine Innovationspolitik aufgestellt und aufge-baut, die ressortübergreifend ist und tatsächlich eine insich stimmige Strategie ist. Nicht Sie haben das Copy-right, Frau Flach, sondern wir, und zwar durch einen An-trag, den wir als CDU/CSU-Fraktion seit 1998 verfol-gen. Wir sind froh, dass wir jetzt bei der Umsetzungsind.
Dass die Bundesforschungsministerin hierbei den Hutauf hat, ist nur folgerichtig.Meine Damen und Herren, das ambitionierte Ziel von3 Prozent bedeutet in nackten Zahlen, dass wir von der-zeit 54 Milliarden Euro für F-und-E-Ausgaben aufknapp 70 Milliarden Euro bis 2010 kommen müssen.Das kann der Bund nicht allein schultern. Dazu brauchenwir die Länder und die Wirtschaft. Der Bund ist hierbeieindeutig in Vorleistung gegangen.
Wir erwarten aber, dass die Länder und die Wirtschaftmitziehen. Natürlich müssen durch die BundespolitikVoraussetzungen dafür geschaffen werden, dass insbe-sondere der forschende Mittelstand an Forschungs- undEntwicklungsleistungen wieder teilhaben kann. Sie wer-den sehen, dass wir demnächst auch hier eine Antwortgeben werden.
Es muss uns vor allem gelingen, ein positives Bildvon der Innovationskraft und der Forschung in Deutsch-land zu zeichnen. Vielleicht ist es zu viel verlangt, wennman meint, dass den Nobelpreisträgern Günter Blobel,Theodor Hänsch und Christiane Nüsslein-Volhard ge-nauso zugejubelt werden sollte wie unserer Fußball-nationalmannschaft. Aber vielleicht überträgt sich einTeil der gegenwärtigen Begeisterung und des Optimis-mus auf unsere Forschungslandschaft. Zu wünschenwäre es jedenfalls.neFdtuddLdAddMPldwDswFgIdndvea–ctWghwTsniH
Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelia Pieper von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichill daran erinnern, dass wir uns mit dem Sanierungsfalleutschland nicht beschäftigen müssten, wenn es dieieben Jahre rot-grüne Regierung nicht gegeben hätte. Esaren verlorene Jahre.
akt ist: Der Bericht der Bundesregierung zur technolo-ischen Leistungsfähigkeit macht deutlich, dass diennovationsfähigkeit dieses Landes, insbesondere dereutschen Wirtschaft, nachlässt. Der Anteil der Unter-ehmen – das betrifft insbesondere den Mittelstand –,ie neue Produkte auf den Markt bringen, ist seit 1999on 65 Prozent auf 59 Prozent gesunken. Das ist einrnst zu nehmendes Alarmsignal, auf das die Politik re-gieren muss. Frau Ministerin, die Forschungsprämieich habe das schon zum Ausdruck gebracht – ist si-herlich richtig. Wir haben dafür in der letzten Legisla-urperiode die ersten Initiativen im Ausschuss gestartet.ir werden Sie dabei unterstützen. Aber ich hätte mirewünscht, dass die Forschungsprämie bereits im Haus-alt 2006 etatisiert und auf den Weg gebracht wordenäre. Das wäre das für Deutschland angemesseneempo gewesen.
Greifen Sie die Initiative der Max-Planck-Gesell-chaft für einen Innovationsfonds auf! Wir brauchen ei-en Gründerboom in Deutschland. Wir brauchen mehrnnovative Unternehmen. Die Ausgründungen ausochschulen sind ein wichtiges Element einer modernen
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Cornelia PieperInnovationspolitik. Auch hier müssen wir vorankom-men.
– Sehr verehrter Herr Tauss, ich weiß, dass Sie trotz Ih-rer hochwertigen Qualitäten als Dispatcher in der Ver-gangenheit so einiges nicht auf den Weg bringen konn-ten.
Sie sollten kreativ an der von der FDP angestoßenen De-batte teilnehmen.Der bisherige Verlauf der Haushaltsberatungen hatmir gezeigt, welche Taktik die Bundesregierung eigent-lich verfolgt. Auf der einen Seite werden die Ausgabenfür Bildung und Forschung um rund 420 MillionenEuro erhöht nach dem Motto „Jetzt geht’s los“. Das istaber nur anscheinend ein Motivationsschub; denn aufder anderen Seite wurde im ersten Entwurf, Frau Minis-terin, eine viel zu hohe globale Minderausgabe in Höhevon 187,5 Millionen Euro angesetzt, die erst auf Antragder FDP im Ausschuss – später hat auch die Regierungs-koalition einen entsprechenden Antrag eingebracht – ge-kürzt worden ist. Es ist Augenwischerei, wenn man ei-nerseits von Zuwächsen für Bildung und Forschung imBundeshaushalt spricht und andererseits die Gestal-tungsmöglichkeiten in Bezug auf neue Vorhaben durcheine viel zu hohe globale Minderausgabe einschränkt.
Meine Damen und Herren, das Bekenntnis der Bun-desregierung zu dem EU-Ziel, den Anteil für Investitio-nen in Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2010auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern, istein wichtiges Signal, das wir unterstützen wollen. Aberbei einem angenommenen jährlichen Wachstum von1,5 Prozent würde das bedeuten, dass die Ausgaben fürForschung und Entwicklung um 13,5 Milliarden Euroanwachsen müssten. Die öffentliche Hand müsste bei ei-nem Finanzierungsanteil von einem Drittel demnach imJahr 2010 mit Mehrausgaben von 4,5 Milliarden Eurorechnen. Bei einer angenommenen Verteilung derAusgaben zwischen Bund und Ländern von zwei Drit-teln zu einem Drittel müsste der Bund im Jahr 2010seine F-und-E-Ausgaben auf 15,8 Milliarden Euro er-höht haben. Auch das entzaubert ein wenig das Investi-tionsprogramm der Bundesregierung von 6 MilliardenEuro. Da hätte ich mir etwas mehr Mut seitens der Bun-desregierung vorstellen können.
Der Aufbruch in der Forschungs- und Innovationspo-litik der Bundesregierung ist dadurch eingeschränkt,dass die Signale bei der Grünen Biotechnologie auf Rotstehen, zu erkennen an der ablehnenden Haltung gegen-über Freisetzungsversuchen und der zögerlichen Haltunggegenüber der Novellierung des Gentechnikgesetzes.Frau Reiche, da teile ich Ihren Optimismus nicht. WennSahaSsteNspSadhszmSug„ssSkSpHgSgzshhsGhbirgrM
achdem die Bundesregierung mit ihrem Vorhaben ge-cheitert ist, im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmen-rogramms die Fördervorhaben für die embryonaletammzellforschung zu streichen, kann ich nur an Sieppellieren: Legitimieren Sie nicht auf der einen Seiteas 7. EU-Forschungsrahmenprogramm – die Ministerinat das im Ausschuss gesagt und Sie werden dem zu-timmen –, wenn Sie auf der anderen Seite die Stamm-ellforscher im eigenen Land kriminalisieren. Das ist auseiner Sicht Zynismus; das ist scheinheilig.
Frau Ministerin, ich mahne auch noch einmal an, dassie sich endlich für die nationale Strategie für Bildungnd Forschung einsetzen, für die Sie schon öffentlicheworben haben, wie zuletzt am 5. August 2005 in derFAZ“ nachzulesen war. Da sagten Sie: Natürlich müs-en sich Bund und Länder in der Bildungspolitik übertrategische Ziele verständigen. – Ich vermisse Ihretimme bei der Föderalismusreform. Da habe ich Sieaum gehört.
ie waren ohne weiteres bereit, auf entscheidende Kom-etenzen zu verzichten. Sie waren bereit, die deutschenochschulen durch die nach Ihren Planungen erzwun-ene Trennung von Forschung und Lehre in größtechwierigkeiten zu bringen. Die Expertenmeinungeningen bei Ihnen bestenfalls zum einen Ohr hinein undum anderen wieder hinaus. Erst der massive Wider-tand der Opposition und großer Teile der SPD-Fraktionat, wie es derzeit aussieht, noch etwas bewirkt.Trotzdem appelliere ich an Sie: Stoppen Sie das Vor-aben des Rechtsausschusses bzw. der Mehrheit in die-em Parlament. Sie können eventuell Art. 104 b in dasrundgesetz einfügen, aber nicht Art. 91 b ändern. Ichalte es für ausgesprochen notwendig, dass wir das hum-oldtsche Prinzip der Einheit von Forschung und Lehren Deutschland nicht verletzen und auch in Zukunft wah-en, indem wir uns als Bund weiterhin finanziell beteili-en, wenn es um Lehre und das Anwachsen der Studie-endenzahlen geht.
Ich kann, um mit Bertrand Russell, einem walisischenathematiker und Philosophen, zu sprechen, nur sagen:
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Cornelia PieperGesellschaftlicher Fortschritt ist nur über Minderheitenmöglich, Mehrheiten zementieren das Bestehende. – Ichglaube, das ist eine weise Aussage.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst Dieter Rossmann
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beiden Ungleichzeitigkeiten, die man in dieser Bildungs-und Forschungsdebatte hat, möchte ich eines in Erinne-rung rufen: Wir streiten für das Lissabonziel – 3 Prozentmehr für Forschung und Entwicklung – und der Wim-Kok-Bericht hat uns dazu gesagt: Nachhaltig ist Innova-tion, wenn sie über Bildung abgesichert ist. – Deshalbhaben wir die Bildungs- und Forschungspolitik in einemZusammenhang zu sehen,
selbst wenn ich jetzt gern den Aspekt der Bildungspoli-tik stärker forcieren möchte.Angesichts der Brüchigkeit der Bildungszuständig-keit des Bundes vor dem Hintergrund der aktuellen Ver-handlungen – daraus will ich gar kein Geheimnismachen – kann man sich aus vollstem Herzen den ver-schiedensten Beiträgen in manchem anschließen. Ichwill mich ausdrücklich über Frau Aigner freuen. Wennsich denn die Vernunft in einer Einzelperson Bahnbricht, dann soll man das anerkennen.
Tatsache ist, dass wir insgesamt in dieser großen Ko-alition und im gesamten Parlament eine Grundlage fürdie Bildungsentwicklung haben. Frau Pieper, Sie habendas Setzen von langfristigen gemeinsamen Zielen einge-fordert, nämlich den ersten gemeinsamen Bildungsbe-richt von Bund und Ländern. Das sollte nicht untergehenund nicht vergessen werden. Daran möchte ich einmalmit einer formalen Bitte anknüpfen. Der Bericht ist sogehaltvoll, dass wir ihn auch hier im Parlament diskutie-ren sollten,
gerade wenn wir ihn ernst nehmen, gerade wenn das eingemeinsames Anliegen von Bund und Ländern ist.Ministerin Schavan hat betreffend die Anfangsphasender Bildung bemerkenswerte Begriffe verwendet. FrauPieper, man muss das, was da an Perspektive aufgezeigtworden ist, auch aufnehmen. Die Ministerin hat von Bil-dungshäusern gesprochen. Sie hat die BildungsphasennbibBrstdulmEddnHzsepngiits2tbddssUOrkllswdwaSWAs1h
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Es muss doch eine Möglichkeit geben, bei der Zuteilungder Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Länderneinen Einstieg zu finden, damit man beim dritten Feld,das ich ansprechen möchte, daran anknüpfen kann: dieberufliche Weiterbildung. Ich spreche dieses Feld an,weil es bisher noch gar nicht angesprochen worden ist.Auch hier handelt es sich um eine gemeinsame Hand-lungsebene. Bei der Weiterbildung steht Deutschland iminternationalen Vergleich dramatisch schlecht da.
Wenn es ein Innovationshemmnis gibt, dann bestehtes darin, dass wir bei der Weiterbildung – insbesondered5gedswbwDgMPCassddwsdfd5saItcHrusdSrascf
as ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die noch nichtenügend angegangen wurde. Immerhin hat sich Frauinisterin Schavan für dieses Jahr vorgenommen, einrogramm aufzustellen, das Menschen eine zweitehance bietet. Dabei unterstützen wir sie nachdrücklich,
uch weil es darum geht, ein Bewusstsein für die ent-prechenden Probleme zu schaffen. Wir haben gemein-chaftlich gelernt: Es ist wichtig, dass wir mit Sprachför-erprogrammen Schulfähigkeit herstellen. Es ist wichtig,ass wir Ausbildungsfähigkeit dadurch herstellen, dassir die Berufsvorbereitung und den Erwerb von Ein-tiegsqualifikationen unterstützen. Es ist uns wichtig,ass außerdem Hochschulfähigkeit und Weiterbildungs-ähigkeit hergestellt werden.
Weiterbildungsfähigkeit wird nicht dadurch erreicht,ass man gemeinschaftlich Zukunftsprogramme für über0-Jährige ins Leben ruft. Weiterbildungsfähigkeit ent-teht im Alter von 30 oder 35 Jahren; so früh muss mannfangen, sie aufzubauen.
n diesem Bereich müssen wir gemeinschaftlich Initia-ive ergreifen.Ich möchte nun eine finanzpolitische Bemerkung ma-hen. Nachdem Kohl und Rüttgers früher Kürzungen inöhe von – wie ich glaube – 800 Millionen DM im Be-eich Bildung und Forschung durchgesetzt haben, gab esnter der rot-grünen Regierung – man kann über siechimpfen, wie man will; ihre Ergebnisse sind das Fun-ament, auf dem wir gemeinsam aufbauen – unterchröder und Bulmahn im Bildungs- und Forschungsbe-eich einen Zuwachs, der sich sehen lassen kann. Er waruch deshalb möglich, weil es glücklicherweise die Ver-teigerung der UMTS-Lizenzen gab und die entspre-henden Zinsersparnisse genutzt werden konnten.
Frau Ministerin Schavan kann jetzt auf dem Glücks-all aufbauen, dass die gemeinsame Vernunft der großen
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Dr. Ernst Dieter RossmannKoalition dazu führt, dass die Eigenheimzulage und an-deres abgebaut werden. Das hat – auch wenn wir es gerndrei Jahre früher gehabt hätten – im Hinblick auf die Fi-nanzierung für einen ordentlichen Schub gesorgt.
Ob das ausreichen wird, um das, was man sich gemein-schaftlich vornimmt, zu erreichen, will ich infrage stel-len.Es gibt in Deutschland einen Schatz: unrentierlich ge-lagertes Gold, über das nicht geredet werden soll.
Ich glaube nur, dass die Goldreserven allmählich rentier-lich gelagert werden sollten. In Tresoren versteckt, wiees jetzt der Fall ist, ist es unrentierlich.
Wir wollen in der großen Koalition gemeinsam fürRentierlichkeit zugunsten von Forschung und Bildungsorgen.Danke schön fürs Zuhören.
Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Schneider von
der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Frau Bundesminister Schavan, ich habe in-
teressehalber Ihren Lebenslauf gelesen und habe gese-
hen, dass Sie in 13 Jahren Ihr Abitur erworben haben.
– Es ist immer schwierig, so etwas auszurechnen, wenn
das exakte Datum nicht dabeisteht.
Sie haben die Schule wahrscheinlich kostenlos be-
sucht und haben im selben Jahr mit dem Studium der
Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften
begonnen.
Wahrscheinlich war dieses Studium auch kostenlos.
An dieser Stelle, Frau Schavan, habe ich mich ge-
fragt: Würden Sie heute dieselbe Entscheidung fällen,
wenn Sie in den USA studieren würden? Ich war gerade
an einer der viel gepriesenen Eliteuniversitäten und habe
dort hören müssen, dass sich die Fächer, die Sie sich da-
mals ausgesucht haben, einer drastisch gesunkenen Be-
liebtheit erfreuen. Das ist gut zu verstehen. Denn wer am
Ende seines Studiums auf einem Schuldenberg von
100 000 Dollar aufwärts sitzt, der sucht sich sein Stu-
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Herr Kollege Schneider, erlauben Sie ein Zwischen-
rage der Kollegin Aigner?
Aber selbstverständlich.
Bitte schön, Frau Aigner.
Sehr geehrter Herr Kollege Schneider, geben Sie mir
echt, dass die Situation, was die Höhe der Studien-
ebühren anbelangt, nicht unbedingt vergleichbar ist?
ir haben ein staatliches College besucht, das mehr oder
eniger zur Erlangung der Abiturreife führt. Dort wer-
en 25 000 Dollar pro Jahr an Gebühren verlangt. Geben
ie mir also Recht, dass diese Gebühr nicht unbedingt
it der vergleichbar ist, über die im Moment in Deutsch-
and diskutiert wird? Ich glaube, auch der Dispatcher
önnte darauf antworten.
Frau Kollegin Aigner, da wir beide die gleichen Uni-ersitäten besucht haben, weiß ich natürlich um die un-erschiedlichen Höhen der Studiengebühren. Ich habeusdrücklich die Eliteuniversitäten angesprochen. Aner Stanford University haben wir gehört, dass sich bei-pielsweise Fächer wie Deutsch oder Philosophie einerrastisch gesunkenen Beliebtheit erfreuen. An anderenniversitäten, zum Beispiel an der University of Califor-ia, haben Sie gehört, dass man die Studiengebühren zu-ächst langsam, dann aber stark erhöht hat, was dortazu geführt hat, dass die Studierendenzahlen drastischurückgegangen sind. Ist das korrekt, Frau Kolleginigner?
In einem Land, wo man viel Geld hauptsächlich alsanager, Arzt, Jurist oder Informatiker verdienen kann,erden selbst – auch das haben wir in den USA sehenönnen – Ingenieure knapp und müssen sozusagen ausem Ausland importiert werden. Sie werden teilweiseus Deutschland abgeworben.Zurück zu Ihrem Lebenslauf, Frau Dr. Schavan. Inur sechs Jahren haben Sie Ihr Studium mit Promotionbgeschlossen. Kompliment! Ich denke aber, das kannan nur schaffen, wenn man neben dem Studium nicht
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Volker Schneider
noch für seinen Lebensunterhalt sorgen muss. Ichdenke, Sie waren diesbezüglich abgesichert.Genau so wie ich Ihnen, Frau Bundesminister, diesenErfolg gönne, würden wir uns als Linke wünschen, dassmöglichst viele junge Menschen die Chance haben, ei-nen ähnlichen Weg gehen zu können. Was wir wollen,ist, dass den jungen Menschen nach ihren jeweiligen In-teressen ein freier Zugang, insbesondere ein Zugang freivon finanziellen Zwängen, zu Bildungseinrichtungen zurVerfügung steht.
Bildung ist die wichtigste Ressource in unserem tech-nologieorientierten Land. Über das Ziel, diese optimalzu entwickeln – unabhängig von sozialer Herkunft –,darüber sollte eigentlich Übereinstimmung in diesemHohen Hause herrschen.Wer dann noch die Chance hat, erworbene Qualifika-tionen erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten,der wird bei angemessenen Spitzensteuersätzen über dieSteuern der Gesellschaft vielfach das zurückgeben, wassie oder er von der Gemeinschaft erhalten hat. KeineKrankenschwester braucht das Studium eines Arztes zufinanzieren.
Zurück zu Ihnen, Frau Schavan. Die Anforderungen,die in Ihrer beruflichen Laufbahn als Referentin, Abtei-lungsleiterin, Bundesgeschäftsführerin, Leiterin undKultusministerin an Sie gestellt worden sind, werden Sieschwerlich nur mit den an der Universität erworbenenKenntnissen und Fähigkeiten bewältigt haben können.Sicher haben Sie sich in Ihrem Berufsleben in vielfälti-ger Weise weitergebildet und, wie man sieht, diese Wei-terbildung hat sich für Sie gelohnt. Damit befinden Siesich im statistischen Mittel. Wer bereits überdurch-schnittlich qualifiziert ist, bildet sich überdurchschnitt-lich fort und profitiert auch überdurchschnittlich von derWeiterbildung. Herr Rossmann hat das ja schon ange-sprochen. Leider – auch das hat Herr Rossmann ange-sprochen – gilt das umgekehrt auch am unteren Ende derSkala: Die Bereitschaft zur Weiterbildung sinkt mit demBildungsniveau und -abschluss, auch und leider weilsich Weiterbildung zunehmend weniger lohnt.Der Präsident des Deutschen Städtetages, MünchensOberbürgermeister Christian Ude, kommt bei Betrach-tung dieser Problematik zu dem Ergebnis:Unzweifelhaft wird die klassische Aufgabe derWeiterbildung, jungen Erwachsenen eine zweiteChance zu eröffnen und Möglichkeiten der schuli-schen und beruflichen Nachqualifizierung bereitzu-stellen, an Bedeutung gewinnen und zusätzliche fi-nanzielle Anstrengungen erfordern.Recht hat er.
– Das wollen wir; wir haben einen dementsprechendenAntrag gestellt.nWaqebRsgc5Eg1kn–duntUvpgBNSdct
Ja, ich komme zum Schluss.Wer eine vierte Säule bauen will, braucht die notwen-igen finanziellen Mittel, muss die Ärmel hochkrempelnnd anfangen. Vielleicht, Herr Tauss, braucht er auchoch einen Dispatcher. Also bitte ich Sie, unserem An-rag zu folgen und eine vergleichsweise bescheidenemschichtung im Haushalt zugunsten der Weiterbildungorzunehmen. Das wäre ein erster Schritt weg von Lip-enbekenntnissen hin zu einer notwendigen und wichti-en Veränderung unseres Bildungssystems.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Priska Hinz vonündnis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das einziginnvolle an der laufenden Haushaltsberatung war, dassie große Koalition die Kürzungen bei den überbetriebli-hen Ausbildungsstätten zurückgenommen hat. Wir hat-en das im Bildungsausschuss ja bereits gefordert. Im
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Priska Hinz
Haushaltsausschuss hat sich die große Koalition einHerz gefasst. Das finden wir in Ordnung, denn vom heu-tigen Standpunkt aus fehlen im September voraussicht-lich 31 000 Ausbildungsplätze. Dazu kommen noch dievielen jungen Menschen aus den Warteschleifen, die Alt-bewerber. Wir werden wahrscheinlich eine größere Aus-bildungsplatzlücke als im Vorjahr haben.
Von daher ist es ein begrüßenswerter, aber leider auchnur winziger Schritt auf dem Weg zur Beendigung derAusbildungsplatzmisere.Bei diesem Thema herrscht ja ein Missstand nicht nurauf dem Ausbildungsmarkt, sondern auch in der Regie-rung. Sie hatten fast acht Monate Zeit, Maßnahmen ein-zuleiten. Was ist passiert, Frau Schavan? Nichts ist pas-siert. Zu allem Überfluss wurden die von Ihnen vor einerKabinettssitzung angekündigten Sofortmaßnahmen aufdieser vom Tisch gewischt. Auch woanders passiertenichts. Die geplante Sitzung des Lenkungsausschussesim Juni wurde verschoben. Das Einzige, was Sie, FrauSchavan, geschafft haben, ist, einen Ihrer Stuhlkreise,also einen Innovationskreis, auf den Weg zu bringen.Herr Glos wiederum befindet sich nach eigenen Wortenauf einem Trip, um herauszufinden, wo es bei der Aus-bildung klemmt. Ich kann dazu sagen: Es klemmt bei derRegierung, nirgendwo sonst.
Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern wir habendas Problem, dass die Bundesregierung nichts tut undsich die große Koalition nicht auf den Weg macht.
– Herr Tauss, vielleicht könnten Sie als Dispatcher dieBundesregierung an die Hand nehmen und sie auf denrichtigen Weg führen. Dann könnten Sie zeigen, was Siein dieser Funktion können.
Wir haben festgestellt, dass die meisten DAX-Unter-nehmen unterirdische Ausbildungszahlen haben. Hierkönnte sich die Bundesregierung beweisen. Wir habenvorgeschlagen, dass die Betriebe vorrangig öffentlicheAufträge bekommen sollen, die ausbilden. HerrSchummer hat diesen Vorschlag für die Kommunenübernommen. Wir sind der Meinung, hier sollte auch derBund zeigen, was er kann.Wir meinen, es müssten unterschiedliche Lernortegeschaffen werden, in die betriebliche Elemente einge-führt werden. Die Ausbildung könnte vielleicht nur anSchulen, an außerbetrieblichen Einrichtungen oder anProduktionsschulen stattfinden. Auf jeden Fall müsstenQualitätsstandards gewahrt werden. All dies hat dieBundesregierung nicht angepackt. Sie wartet vielmehrab, was im September passieren wird. Das ist zu wenig.
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elche inhaltlichen Kriterien es geben soll, in welchemhematischen Zusammenhang sie mit der Hightechstrate-ie stehen soll, wie viele Mittel dafür bereitgestellt wer-en sollen und vor allen Dingen welche Hebelwirkungiese Forschungsprämie haben soll, damit auch die Un-ernehmen zu dem 3-Prozent-Ziel beitragen.
ie Unternehmen haben eingeräumt, dass sie ihren An-eil nicht leisten können. Wir erwarten, dass Sie nichtur endlich Ihre Hightechstrategie und Ihre gebündeltennovationsstrategie vortragen, sondern dass Sie außerhren Ankündigungen auch Konzepte vorlegen.
Ein letzter Punkt, bei dem Sie unsere Unterstützungaben, wenn Sie hart bleiben, ist das Thema embryonaletammzellenforschung auf EU-Ebene. Wir sind dereinung, dass hier eine falsche Entscheidung getroffenurde. Es kann nicht sein, dass mit Forschungsgeldern,ie auch aus Deutschland kommen, auf EU-Ebene An-räge beschieden und Projekte finanziert werden, dieach deutschem Recht verboten sind. Das gilt entspre-hend für weitere neun EU-Länder.
ie haben unsere Unterstützung, wenn Sie hart bleibennd ein Veto einlegen. Ich hätte gerne einmal gehört, wieie da vorgehen wollen. In diesem Punkte sind wir mithnen einig.Ansonsten ist leider nur zu sagen: Der Aufwuchs imaushalt ist positiv, die Ausführung der Politik istchlecht. Deswegen können wir dem Haushalt nicht zu-timmen.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Dr. Annettechavan.
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Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Nachdem sich der KollegeSchneider so freundlich mit meinem Lebenslauf be-schäftigt hat, möchte ich ihm doch sagen, dass ich zwartatsächlich nur sechs Jahre bis zur Promotion studierthabe, dieses Studium aber weitgehend selbst finanzierthabe, also in der vorlesungsfreien Zeit gejobbt habe. Nurso viel zur Ergänzung dieses Lebenslaufs.
Ich bin auch davon überzeugt, dass es ein bisschen mehrJob bedeutet hätte, wenn es Studiengebühren in Höhevon 500 Euro gegeben hätte. Das lässt sich alles wunder-bar verbinden.
Studiengebühren und Stipendiensysteme sind ein Bei-trag dazu, dass in dieser Gesellschaft klar wird: Investi-tion in die Bildung ist nicht allein aufseiten der öffentli-chen Hand wichtig, Investition in die Bildung ist in dergesamten Gesellschaft wichtig. Jeder muss sehen, dassdas eine lohnende Investition ist.
Dieser Haushalt zeigt in jeder Hinsicht Aufwuchsund setzt Prioritäten: bei den Spitzentechnologien, imBereich von Wissenschafts- und Forschungsstandort, imBereich der Bildung und der Weiterbildung. Selbst wennman in der Opposition ist, kann man das nicht leugnen.Dann kann man sich höchstens darauf zurückziehen, zusagen, dass die Umsetzung schlecht ist.Wir haben den Trend – Stichwort Zuwachs – zum Teildeutlich umgekehrt: Dort, wo Ausgaben zurückgestelltwerden sollten, wo die Ausgaben heruntergegangensind, haben wir umgeswitcht. Das ist das richtige Signal,übrigens auch an junge Leute in dieser Gesellschaft.
Von den Grünen bin ich immer wieder überrascht: Ichverstehe Ihre Rolle ja, menschlich habe ich dafür wirk-lich großes Verständnis. Wenn man aber sieben Jahre inder Bundesregierung war, sollte man sich gut überlegen,was man nach 200 Tagen Amtszeit einer neuen Bundes-regierung sagt. Sieben Jahre lang waren Sie unter ande-rem für den Ausbildungsmarkt in Deutschland mitver-antwortlich.
In diesen ersten 200 Tagen unserer Regierungszeitwaren wir in struktureller Hinsicht sehr erfolgreich. Inder beruflichen Bildung geht es um eine strukturelleModernisierung. Wir werden mit den jetzigen Struktu-ren nicht noch weitere 20 Jahre leben können. Wir wer-den im Hinblick auf die genaue Konstruktion der dualenAusbildung Veränderungen haben. Wir sind längst da-bglerSiHRaWgtIlKrh4dd4mwlwBdtlVgnLNswhaafesAd
Die Föderalismusreform wird das möglich machen.iemand wird bestreiten, dass wir gemeinsame strategi-che Ziele haben. Wenn Programme aufgelegt werden,erden beide Seiten in diese Programme zu investierenaben. Der Bund ist nicht die Sparkasse der Länder.
Herr Hagemann hat die Frage der Ressortforschungngesprochen. Ich darf Ihnen sagen, dass wir das sofortufgegriffen haben. Das Kabinett hat den Beschluss ge-asst, dass sämtliche Ressortforschungseinrichtungenvaluiert werden. Der Bericht, der im November vorge-tellt wird, bezieht sich lediglich auf 13 Institutionen.lle 54 Institutionen werden evaluiert und dann – auchas ist unter den Ministerkollegen völlig klar – wird in
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Bundesministerin Dr. Annette Schavanden Ministerien die Optimierung der Ressortforschungvorangetrieben. Denn da steckt viel Geld drin und wirmüssen jeden Euro in der Forschung wirklich wirksameinsetzen.
Wir müssen überall Wettbewerbsverfahren einleiten. DieOrientierung an internationalen Maßstäben gilt auch fürdie Ressortforschung.
Frau Kollegin Schavan, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Pieper?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Bitte schön.
Frau Ministerin, Sie haben gerade die Föderalismus-
reform angesprochen und im Zusammenhang mit
Art. 91 b des Grundgesetzes das humboldtsche Prinzip
der Einheit von Forschung und Lehre. Sie haben be-
tont, dass der Bund nicht die Sparkasse der Länder sei
und die Länder ihre Aufgaben in der Hochschul- und
Bildungspolitik wahrnehmen müssen. Ich stimme Ihnen
einerseits zu, frage Sie aber trotzdem, ob Sie es bil-
dungs- und wissenschaftspolitisch für gerechtfertigt hal-
ten, das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre in
Zukunft in Deutschland aufs Spiel zu setzen, und ob Ihr
Koalitionspartner, die SPD, mit Ihnen in Ihrer Aussage
übereinstimmt.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Ich setze die Einheit von Forschung und Lehre über-
haupt nicht aufs Spiel. Ich habe bekanntlich in den letz-
ten Wochen, zuletzt heute in einem Interview, gesagt: In
Zukunft reden wir über die Entwicklung des Wissen-
schaftssystems. Wir reden nicht über Forschung oder
Lehre. Sie sind eine Einheit und sie bleiben eine Einheit.
Solange es Forschung in Hochschulen gibt, ist der Bund
mit an den Hochschulen beteiligt. So einfach ist das.
Das ist das Konzept. Da sind wir uns völlig einig und da-
nach werden wir handeln.
Wir werden übrigens in den nächsten zehn Jahren er-
leben, Frau Pieper, dass sich dieses Wissenschaftssystem
nicht exakt so weiterentwickeln wird wie in den letzten
20 Jahren.
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it unseren jetzigen Beratungen zum Hochschulpakt
ehen wir einen ersten Schritt zur Weiterentwicklung.
avon bin ich überzeugt. Es gibt keinen Ministerpräsi-
enten, der diese Modernisierung des Wissenschaftssys-
ems nicht will.
Aber klar ist doch auch – ich bleibe von der Kraft fö-
eraler und subsidiärer Strukturen überzeugt –,
ass es Eindeutigkeit in der Verantwortung braucht.
lauben Sie denn im Ernst, dass es, wenn unentwegt nur
ine Ebene verantwortlich ist, wenn der Bund für Schu-
en und Hochschulen verantwortlich gemacht wird und
ie Kulturhoheit der Länder ausgehöhlt wird, zu besse-
en Verhältnissen kommt? Wir brauchen Strukturen, wie
ie uns jetzt zum Beispiel in der Schweiz vorgemacht
erden: klare Verantwortung vor Ort und zugleich die
öglichkeit zu nationalen Strategien. Die werden wir
ekommen.
Die Antwort soll nicht eine Rede in der Rede sein.
ber erlauben Sie Frau Pieper, noch eine Nachfrage zu
tellen?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
ung und Forschung:
Bitte schön.
Frau Ministerin, einmal davon abgesehen, dass ge-ade die Schweiz durch eine Volksabstimmung eine Ver-assungsänderung herbeigeführt hat und dafür gesorgtat, dass die Kantone gegenseitig ihre Schulabschlüssend nationalen Bildungsstandards anerkennen, will ichie noch einmal fragen: Heißt das mit anderen WortenSie haben jetzt über Art. 104 b des Entwurfs gespro-hen; mir geht es um Art. 91 b des Grundgesetzes –, dassie die Befürchtung, die die große Mehrheit der Exper-en in der Anhörung hatte, nicht teilen und ignorierenerden? Werden Sie sich nicht von Bundesseite für dieinheit von Forschung und Lehre stark machen? Manann das eine vom anderen nicht trennen, weil Hoch-chulen nun einmal wissenschaftliche Zentren sind, woeides stattfindet. Ich bitte auch, meine andere Frage zueantworten: Sieht Ihr Koalitionspartner das genauso?
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)Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Wir sind mitten in der Schlussberatung. Das wissenSie. Sie wissen auch, dass es durchaus Nuancen gibt,
nicht einfach nur zwischen SPD und CDU. Ute Vogt inBaden-Württemberg sieht das anders als ihr General-sekretär Tauss.
Diese Nuancen gehen also quer durch die Parteien. So istdas Leben halt manchmal. Herr Kretschmann sieht dasauch anders als die Grünen hier im Bundestag. Das Le-ben ist halt bunter, als wir uns das hier manchmal vor-stellen.
Aber ich sage Ihnen: Seit über fünf Jahrzehnten gibtes im Grundgesetz Art. 91 a und b, in denen von wissen-schaftlicher Forschung die Rede ist, wie jetzt auch imEntwurf zur Änderung des Grundgesetzes. Sie tun alleso, als hätte es in den alten Art. 91 a oder b des Grundge-setzes eine andere Formulierung gegeben und als wür-den wir jetzt Forschung und Lehre auseinander dividie-ren. Diese Formulierung ist exakt die gleiche. Im altenArt. 91 b des Grundgesetzes ist von „wissenschaftlicherForschung“ die Rede. An dieser Stelle gibt es also über-haupt keine neue Formulierung. Es bestünde die Mög-lichkeit, die Formulierung „wissenschaftliche For-schung“ durch das Wort „Wissenschaft“ zu ersetzen. Daswäre ein möglicher Weg. Das habe auch ich immer ge-sagt. Man könnte auch den Weg über Art. 104 a desGrundgesetzes gehen. Dazu müssten dann entspre-chende Begründungen verfasst werden. Es gibt also zweiWege. Die einen befürworten diesen Weg, die anderenjenen. Entscheidend ist das Ergebnis. Wir müssen zustrategischen Kooperationen kommen.
Liebe Frau Pieper, das, was Sie zur Situation in derSchweiz gesagt haben, ist in Deutschland längst gesche-hen.
In Deutschland werden Schulabschlüsse längst in16 Bundesländern anerkannt. In Deutschland sind längstBildungsstandards eingeführt und beschlossen worden.
Wie Sie wissen, haben alle 16 Bundesländer beschlos-sen, künftig auf der Grundlage dieser BildungsstandardsEvaluationen durchzuführen.wswddnKEzzr–nHgvinfwtfmldncmMDshaSFt
eiß ich – das wissen auch Sie –: Die Kantone spielen iner Schweiz eine viel größere Rolle als in Deutschlandie Bundesländer. Sie holen jetzt zu Recht manchesach, was bei uns in den letzten Jahren im Kontext derultusministerkonferenz längst passiert ist.Frau Flach, eines möchte ich Ihnen noch sagen: In derntscheidung, zu welchen Themen ich rede, bin ichiemlich frei. Ich bin nämlich stellvertretende Vorsit-ende der CDU Deutschlands. Ich kann zu jedem Themaeden, gefragt und sogar ungefragt.
Ist das so? Das ist wunderbar.Ich sage Ihnen noch etwas – darauf haben bereits ei-ige meiner Vorredner hingewiesen, vor allen Dingenerr Rossmann –: Sie unterschätzen die Instrumente deremeinsamen Bildungsberichterstattung und die damiterbundenen Empfehlungen. Sie unterschätzen, dass wirn Deutschland erstmals gemeinsam einen Bildungspa-el durchführen. Sie unterschätzen, dass die Bildungs-orschung die Quelle von empirisch begründbarer undissensbasierter Bildungspolitik ist.
Das, was wir in Skandinavien immer wieder beobach-et haben und wovon wir sagen, dass das der Schlüsselür die dortigen Erfolgsgeschichten war, wird jetzt in ge-einsamer Verantwortung von Bund und Ländern mög-ich. Wir gehen weg von der Phase der Modellversuche,ie nie die Fläche erreicht haben, und kommen hin zu ei-er Entwicklung, die mehr bewirken kann, als so man-her heute noch glaubt. Das sind neue Steuerungsinstru-ente. Damit werden wir ein an internationalenaßstäben orientiertes Bildungssystem fortentwickeln.avon bin ich überzeugt.
Es ist in diesem Haus Konsens, dass der Wissen-chafts- und Forschungsstandort Deutschland einohes Ansehen genießt. Er ist in vielen Bereichen hochnerkannt. 87 Prozent aller Unternehmen sagen, ihretandortentscheidungen haben mit dem Stellenwert derorschung am jeweiligen Standort zu tun. Sie haben zuun mit guten Strukturen an den Universitäten
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Bundesministerin Dr. Annette Schavanund damit, dass das durchschnittliche Niveau an denUniversitäten hoch ist. Das müssen wir überhaupt nichtunter den Scheffel stellen.Bildung und Forschung sind entscheidende Standort-faktoren geworden. Gerade in den letzten Wochen ha-ben wir Standortentscheidungen erlebt, zum Beispielvon AMD in Dresden, von Intel in Braunschweig, vonRoche in Bensberg und von Bosch in Reutlingen, die zei-gen – wenn man die Unternehmen fragt, sagen sie dasauch –: Ein Grund ist, dass sich in Deutschland – daswerden wir am Beispiel der Fachhochschulen noch ver-stärkt wahrnehmen – die Kooperationen zwischen Wirt-schaft und Hochschulen immer mehr als regionale undstrukturpolitisch relevante Faktoren erweisen. Auch dasist Strukturpolitik und hat mit der regionalen Entwick-lung zu tun.
Deshalb war es richtig, zu sagen: Jetzt legen wir zu.Die Forschungsprämie wird Teil der Hightechstrategiesein. In diesem Rahmen wird sie genau erläutert. Siewird auf kleine und mittelständische Unternehmen kon-zentriert. Aus den Gesprächen mit der Wirtschaft sinddie entscheidenden Daten dafür entwickelt worden.Ich finde, wir sollten unterschiedliche Instrumentenutzen. Wir werden auch andere Anreizsysteme entwi-ckeln. Denn die Hightechstrategie ist nicht einfach eineAnhäufung von wissenschaftlichen Programmen bzw.von Forschungsprogrammen, sondern ein Zusammen-spiel von Programm, Strategie und Anreizsystemen.Das, was zusammengehört, wird erstmals auch zusam-mengebracht. Diese Bündelung der Kräfte wird helfen.
Meine letzte Bemerkung: Ich werde bei der embryo-nalen Stammzellforschung hart bleiben. Der nächsteSchritt muss sein, dass wir im Europäischen Parlamentsignalisieren, dass es so nicht geht. Übrigens ist inDeutschland in diesem Zusammenhang niemand ge-scheitert. Wir wurden überhaupt nicht gefragt. Es gab le-diglich eine Abstimmung im Europäischen Parlament.Ich halte es für falsch, die Frage der embryonalenStammzellforschung – überhaupt so schwierige Themen –in das 7. Forschungsrahmenprogramm, also ins Haupt-programm, aufzunehmen. Bisher gab es dafür ein spezi-fisches Programm. Jeder wusste, dass jedes Mitglieds-land an die Entscheidungen seiner Parlamente gebundenist. Diese Frage ist übrigens keine Frage von Fraktionen.Dieses Parlament hat mit überwältigender Mehrheit,quer durch die allermeisten Fraktionen, eine klare Ent-scheidung getroffen. Dieser Entscheidung ist diese Re-gierung verpflichtet und dieser Entscheidung fühle ichmich auch persönlich verpflichtet, wie man weiß. DasEuropäische Parlament und die Europäische Kommis-sion müssen wissen, dass sie durch eine solche Kopp-lung nicht eine Situation herbeiführen dürfen, in der dasgesamte Forschungsrahmenprogramm auf dem Spielsteht. Hier wieder die alte Konstellation herzustellen,muss unser nächster Schritt sein, um dann auch separatberaten und entscheiden zu können.ssBcsehrSInsWdaWrkkwvhrddgKMbShd
An dieser Stelle wird deutlich, dass wir es in der Wis-enschafts- und Forschungspolitik immer mit einem Zu-ammenspiel von klaren Perspektiven zu tun haben mitlick auf Investitionen, mit Blick auf die Zukunftschan-en der jungen Generation – das muss unser Leitsatzein: für die, die eine Lehrstelle suchen, und für die, dieinen Studienplatz brauchen –, mit Blick auf die Teil-abe an Bildung, aber auch mit Blick auf Wertorientie-ung durch Bildung.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der
PD-Fraktion.
ch bitte Sie, sich an die Zeit zu halten, weil die Frau Mi-
isterin ihre Zeit deutlich überzogen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lieber Herr Präsident, ich bin, wie Sie wissen, immer
ehr bemüht, meine Redezeit einzuhalten.
Entschuldigung, Herr Tauss, nur um das aufzuklären:
enn die vereinbarte Redezeit eingehalten werden soll,
ann ist das nicht anders möglich, als dass die Redezeit
uch dem Koalitionspartner abgezogen wird.
ie Sie wissen, haben die Mitglieder der Bundesregie-
ung aufgrund der Verfassung unbegrenzte Redezeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, noch habe ich 9 Minuten und 55 Se-unden. Ich gehe davon aus, dass mir die ersten fünf Se-unden wieder gutgeschrieben werden. Die Redezeitird aber auch ausreichen, weil die Ministerin in der Tatiele wichtige Punkte für die Koalition angesprochenat.Frau Pieper, Sie wissen – Historiker wissen das erstecht –, dass es immer Versuche der jeweils Herrschen-en gegeben hat, Geschichtsschreiber in ihrem Auftragie Geschichte so formulieren zu lassen, wie es ihnenepasst hat.
ollege Mark ist Historiker; er kann das bestätigen.anches kam dann fälschlicherweise in die Geschichts-ücher und wurde verbreitet. Also, Frau Pieper: Wennie uns Kürzungen vorwerfen, dann lassen Sie uns fest-alten – Frau Flach hat das ja, als wir einmal miteinan-er diskutiert haben, bereits als Fehler bezeichnet –, dass
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Jörg Taussunter Schwarz-Gelb, damals unter Herrn Rüttgers, beiBildung, Wissenschaft und Forschung massive Kürzun-gen vorgenommen worden sind. Das ist ein mathemati-scher Fakt; da hilft auch kein Geschichtsschreiber.Selbstverständlich bin ich stolz darauf, dass es unterRot-Grün in den letzten Jahren gelungen ist, die entspre-chenden Mittel um 30 Prozent aufzustocken.
Genauso stolz bin ich jetzt, dass Rot-Schwarz in Kon-tinuität dieser Politik das 3-Prozent-Ziel angeht. Ichhoffe, dass die Geschichtsschreiber einmal feststellenwerden, dass es mit Bildung, Wissenschaft und For-schung immer dann, wenn Rot beteiligt war – egal obRot-Grün oder Schwarz-Rot – aufwärts gegangen ist.Damit könnte ich hervorragend leben.
Die Ausbildungsplätze sind auch so ein Thema. IhreAnzahl ist schon bei Kohl unter Schwarz-Gelb zurück-gegangen. Auch unter Rot-Grün ist die Zahl der Ausbil-dungsplätze zurückgegangen; auch diesen Fakt müssenwir anerkennen. Das ist unverrückbar. Allerdings gab eseine Ausnahme unter Rot-Grün: Das war in dem Jahr, alswir die Diskussion über eine Ausbildungsplatzumlagegeführt haben. Die Diskussion hat zum Ausbildungspaktgeführt. In diesem Jahr musste die Wirtschaft befürch-ten, dass es gefährlich wird für sie, dass man sie an ihreVerpflichtungen erinnert. Und ganz plötzlich war esmöglich, die Zahl der Ausbildungsplätze zu steigern.Seit die Herren aber das Gefühl haben, dass so etwasnicht mehr droht, geht es wieder abwärts mit der Zahlder Ausbildungsplätze. Auch das muss man sich merken.
Aus diesem Grunde bin ich außerordentlich dankbar,dass sowohl Sie, Frau Bundesministerin Schavan, alsauch die Bundeskanzlerin die Wirtschaft daran erinnerthaben, dass wir noch zusätzlich 50 000 Ausbildungs-plätze brauchen.Das ist eine Hausnummer, die genannt worden ist,und die ist von der Wirtschaft zu erbringen. Es geht hiernicht nur um eine Sozialleistung. Es geht um die Zu-kunftssicherung, darum, den Fachkräftemangel zu besei-tigen im Interesse der deutschen Wirtschaft.
Das müssen wir von den Herrschaften nicht einbet-teln, das müssen wir einfordern von den Herrschaften,egal ob sie Hundt oder wie auch immer heißen, um die-ses noch einmal ganz klar zu machen.
Wir haben als Koalition Wort gehalten. Wir haben ei-nen Rekordhaushalt für Bildung und Forschung vorge-legt. Die Kollegen Hagemann und Willsch haben dasentsprechend dargelegt. Das brauche ich an dieser Stellenicht zu vertiefen. Wir machen sehr vieles zusätzlich fürddsugnt6eMIdgHuznsaedzKsFAwvüdmd–WFrsdwfgsFeDw
Wenn wir einmal sehen, was weltweit für Rüstungusgegeben wird, wenn wir sehen, was wir an Militär-tats haben, wenn wir sehen, was es in den vielen Teilener Welt für Fehlentwicklungen gibt – Verminung gan-er Landstriche, katastrophale Entwicklungen durchrieg und Zerstörung, die wir dann mühsam und mitehr viel Geld rückgängig machen müssen, indem wirriedenstruppen hinschicken; letztes Beispiel Kongo zurbsicherung einer Wahl –, dann halte ich es für richtig,enn man einen minimalen Betrag – um den geht es –on 2 Millionen Euro zusätzlich dafür aufwendet, zuberlegen, wie von vornherein vermieden werden kann,ass solch teure Investitionen in militärische Maßnah-en vorgenommen werden müssen.
Wir müssen hier prophylaktisch arbeiten. Ich bin mirarin mit dem Kollegen Willsch und der CDU einig.
Wir haben das toll miteinander hinbekommen, Herrillsch. Ich erinnere mich mit Freude an diesen Morgen.reuen Sie sich doch einmal, wenn ich Sie lobe. Es wa-en tolle Projekte. Beispielsweise wird jetzt nachge-chaut, ob die Polizeimaßnahmen im Kosovo und an-erswo den richtigen strategischen Ansatz haben undie wir sie verbessern können. Das sind Dinge, die er-orscht werden und die uns letztlich weiterhelfen, übri-ens auch hinsichtlich der Kosten entsprechender Ein-ätze.Ich bin stolz auf das, was durch die Deutsche Stiftungriedensforschung – sie hat ihren Sitz in Osnabrück; dasrinnert uns an den Westfälischen Frieden – getan wird.as werden wir auch in diesem und im nächsten Jahreeiter fördern. Dann wollen wir aber auch einmal die
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Jörg TaussMöglichkeit haben, zu sagen: Jetzt ist es gut für den Restder Legislaturperiode. Aber sie leistet gute Arbeit.Mittel für Großgeräte oder Ähnliches sollten wirauch nicht vergessen. Wichtig sind PETRA III, X-FELund FAIR, Großgeräte für die deutsche Wissenschaft.Sie werden die internationale Wissenschaft wieder nachDeutschland bringen. Das ist ein toller Akzent und einegeradlinige Fortsetzung einer vernünftigen Politik. Auchhier sind wir dankbar, dass das Bundesministerium fürBildung und Wissenschaft dies entsprechend fördert undin diesem Zusammenhang neue Impulse setzt.Die Forschungsprämie ist ein interessanter Punkt.Wenn hier übrigens über Urheberrecht geredet wird,muss man ganz klar sagen: Das Urheberrecht hat eigent-lich der Bundesverband der Deutschen Industrie. Nochhoffe ich, dass wir mit denen nicht in einem Sack ho-cken, auch der Koalitionspartner nicht. Damit das klarist. Was die allerdings von uns wollten, waren zum TeilSubventionstatbestände, auch für die Großindustrie. Wirwerden hier einen interessanten und auch intellektuellrichtigen Ansatz finden, zu sagen: Wir subventionierennicht die Industrie, sondern wir wollen einen Beitrag imZusammenhang mit den Hochschulen leisten. Die Hoch-schulen müssen von dieser Forschungsprämie und derKooperation mit der Wirtschaft profitieren. Das halte ichfür einen wichtigen Punkt.
Wir haben ja mit Herrn Staatssekretär Storm dieseWoche schon die entsprechenden Gespräche geführt. Ichglaube, das wird eine interessante Geschichte sein. Ichweiß, dass die Opposition neugierig ist; das ist völligklar. Wir werden die Höhe der Finanzierung nennen,nachdem wir das in Ruhe diskutiert und eine vernünftigeLösung gefunden haben.Ich will noch einen Punkt erwähnen, der auch von derFDP angesprochen worden ist und bei dem es um die Pa-tentierbarkeit, das Risiko, die Umwandlung in Produkteund all diese Dinge geht. Wir sind uns hier völlig einig.Als Dispatcher auf der USA-Reise will ich an dieserStelle aber noch einen Punkt sagen.
Das, was uns die Amerikaner gesagt haben, war hochin-teressant. Wir haben uns dort mit jungen Leuten zusam-mengesetzt, die Risikokapital verteilen. Niemand vondenen hat gesagt, dass sie auf den amerikanischen Staathoffen. Das unterscheidet sie erheblich von der deut-schen Wirtschaft, die sagt: Bevor wir als Business An-gels tätig werden, müsst ihr erst einmal steuerliche Rah-menbedingungen schaffen.Die Jungs haben geschaut wie sonst etwas, weil manauch nur auf diese Idee gekommen ist. Sie haben gesagt:Unser Prinzip in Kalifornien ist: Having fun, makingmoney und – das wird in Deutschland selten von Unter-nehmen gesagt; ich habe es bisher zumindest nur sehrselten gehört – doing good. Sie sind dankbar, dass sie Er-fhzsSdwhzda–ewkddBieWasnvMfIcsesehWmsd
Frau Ministerin, jetzt komme ich zu einem Punkt, beiem wir einen kleinen Dissens haben, nämlich zur Be-ertung der jetzt diskutierten Föderalismusreform. Ichabe übrigens keinen Dissens mit meiner Landesvorsit-enden. Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Ich bin iner Tat der Auffassung, dass das, was wir im Momentngelegt haben und was in Texten auf dem Tisch vorliegt ich hoffe, bis Sonntag erreichen wir Verbesserungen –,twas Ähnliches wie ein Kooperationsverbot ist.Wenn man sagt, dass man kein Kooperationsverbotill, dann könnte man in das deutsche Grundgesetz dochlar und deutlich schreiben: Bund und Länder wirken beier Entwicklung und Gestaltung des Bildungswesen under Wissenschaft und Forschung mit Zustimmung desundesrates zusammen. Somit kann man ihm auch nichtrgendetwas aufdrücken. Dann müssten wir ein Gesetzrlassen, in dem das klar geregelt ist.
er sagt, dass wir kein Kooperationsverbot haben unduch nicht wollen, der könnte das ganz klar im Grundge-etz formulieren. An diesen Punkt möchte ich nur erin-ern.
Ich will den Mitgliedern meiner Arbeitsgruppe nichtorgreifen, aber ich kann nur sagen: Das, was mir imoment vorliegt, ist für mich noch nicht zustimmungs-ähig.
ch würde mir sehr wünschen, dass in der nächsten Wo-he auch einzelnen Ministerpräsidenten klar wird, dassie den Erfolg der Föderalismusreform nicht durch Un-insichtigkeit gefährden dürfen. Das hoffen wir. Wie ge-agt, ich baue auf die Vernunft und eine klare Lösung.Herr Präsident, ich hoffe, Sie stimmen mit mir über-in, dass ich meine Redezeit hervorragend dispatchedabe.
ir haben es also trotz der langen Rede der Ministeriniteinander hinbekommen. Es war aber wichtig, in die-er heutigen Debatte all das zu sagen, was wir zur Bil-ung, Wissenschaft und Forschung gesagt haben.
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Jörg TaussIch bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und
Forschung – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Än-
derungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 16/1871? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist damit mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Bündnis-
ses 90/Die Grünen bei Zustimmung der FDP-Fraktion
und der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/1872. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Fraktion
Die Linke und Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grü-
nen abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 16/1873? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der Fraktion
Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 30 in der Ausschuss-
fassung – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 30 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange-
nommen.
Tagesordnungspunkt I.15 b: Interfraktionell wird Über-
weisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/1291 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es weitere Vorschläge? – Das ist nicht der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe,
komme ich zurück zu Tagesordnungspunkt I.5 c. Es
handelt sich um den bereits am Dienstag an die Aus-
schüsse überwiesenen Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Ver-
wirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung,
Drucksachen 16/1780 und 16/1852. Interfraktionell ist
vereinbart worden, dass dieser Gesetzentwurf nachträg-
lich an den Finanzausschuss, den Ausschuss für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, den
Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für Men-
schenrechte und Humanitäre Hilfe und an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union über-
wiesen werden soll. Sind Sie damit einverstanden? – Das
ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen
so beschlossen.
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Vernichtender kann ein Urteil über eine Ressortfor-schungseinrichtung nicht ausfallen.Sie – vertreten durch Ihren Staatssekretär Müller –sind aber nicht bereit, Herr Gabriel, diese wissenschaftli-che Expertise auch nur ansatzweise aufzugreifen und dasAmt, das den Steuerzahler allein bei den Personal- undSachkosten 168 Millionen Euro kostet – das muss manals Haushälter berücksichtigen –, seinem gesetzlichenAuftrag entsprechend zu gestalten. Sie glauben dochwohl nicht im Ernst, dass Sie damit bei den Haushälternaller Fraktionen durchkommen.Ich appelliere an die Kollegen aller Fraktionen, hier-bei auf die saubere Verwendung der Steuergelder zu ach-ten. Wir können es uns nicht leisten, dass eine For-schungseinrichtung, die die Öffentlichkeit sachlichneutral – das ist nämlich das Entscheidende – über Fra-gen des Strahlenschutzes informieren soll, von dem im-merhin höchsten Rat, den wir für diesen Zweck habenund der evaluiert, so beschrieben wird, dass man zu demSchluss kommen muss, dass es sich um eine Propa-gandaeinrichtung des Umweltministers handelt.
Umweltpolitik darf keine Sache der Ideologie sein.Das haben wir lange genug unter Rot-Grün erlebt.
Dies gilt natürlich vor allem auch im Bereich der Ener-giepolitik, aufgeteilt auf drei Ministerien mit jeweils an-deren Schwerpunkten.
Hier ist die große Koalition eindeutig auf verschiedenenDampfern unterwegs. Gerade heute gibt es dazu wiedereinen schönen Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“.Man versucht hier offensichtlich nicht, das Problemgemeinsam zu lösen und uns endlich aus der Abhängig-keit zu lösen und selbstständig zu machen. Wir müssenwissen, wie wir als Energiestandort Deutschland ohneAbhängigkeiten, wie wir sie in den letzten Monaten er-lebt haben, reagieren können. Man zerrt vielmehr in ver-schiedene Richtungen, die sich dann im Haushalt schonsehr merkwürdig darstellen, Herr Gabriel.So wird bei Herrn Glos die kerntechnische Sicher-heitsforschung hochgefahren und die Exportunterstüt-zung für erneuerbare Energien von 15 Millionen Euroauf 12 Millionen Euro heruntergefahren. Sie fahren ge-ntfgadltbgsmCnkKvvvFtßdaelovtviüHmwnndIü
Die ganzen letzten Wochen haben wir uns daran ver-nügt, wie Sie sich beide über die Medien, manchmaluch brieflich, manchmal auch mit uns im Ausschussarüber unterhalten haben. Aber diese Hü-Hott-Politik,ieber Herr Minister, wird mit Sicherheit nicht dazu bei-ragen, dass der Hightechstandort Deutschland mehr auf-lühen wird, als wir es zurzeit sehen.
Für die FDP gehören beide, die erneuerbaren Ener-ien und die Kernkraft, zu einer modernen Energiever-orgung. Sie haben diese inneren Widersprüche – dasuss ich vor allem in Richtung der Kollegen von derDU/CSU sagen – bisher weder im Koalitionsvertragoch in der täglichen Arbeit der Ministerien auflösenönnen.
Worüber Sie sich geeinigt haben – dazu will ich, liebeollegen, zumindest zum Schluss noch ein paar Worteerlieren –, ist ein Umstand, der in diesem Etat nichterankert ist, aber für den Sie, Herr Gabriel, politischerantwortlich sind. Das ist die kostenlose Abgabe vonlächen des Bundes an die Länder im Rahmen der Stif-ung Naturerbe.Ich bin dem Kollegen Fromme von der CDU/CSU äu-erst dankbar – er ist nämlich der gleichen Meinung wieie FDP –, dass er einmal das Ausmaß dieser Schenkungnhand einer wunderschönen Karte dargestellt hat. Ichmpfehle jedem, sich das einmal anzusehen. Deutsch-and hat Masern, wenn wir es so machen, wie Sie es sichffenbar vorgenommen haben. Das Land ist gesprenkelton Flächen, die in Zukunft den Ländern bzw. der Stif-ung gehören werden. Das ist verschenktes Geld im Werton bis zu 220 Millionen Euro, die Sie dem Naturschutzn einer Haushaltssituation, wie wir sie zurzeit haben,bereignen.
err Gabriel, es ist geradezu aberwitzig, dass Sie dasitmachen. Wir können Sie davor nur warnen.Kollege Kauch wird Ihnen sicherlich gleich sagen,as wir zu dem Thema Grünes Band denken. Wir sindatürlich für das Grüne Band gewesen, aber wir sindicht für die Verschleuderung von Steuergeldern. Auchafür sind Sie zuständig und verantwortlich.
ch denke, Sie sollten sich das noch einmal sehr gutberlegen.
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Ulrike FlachZum Schluss appelliere ich an die Haushälter der bei-den großen Fraktionen. Wir haben im Prinzip einen wei-sen Beschluss in Form eines Vermerks im Haushalt ge-troffen. Wir haben hineingeschrieben, die Länder solltendas Personal, das damit zusammenhängt, unbedingtübernehmen. Lieber Herr Kampeter, ich kann Ihnen nurraten, das auch tatsächlich umzusetzen.
Dann wird uns vielleicht allen erspart bleiben, dass andieser Stelle im Haushalt ein Verlust von über200 Millionen Euro zu verzeichnen ist. Ich setze dabeiauf Sie und hoffe, dass das so läuft.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Hinz von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer der Debatte inden letzten Tagen gefolgt ist und sehr aufmerksam zuge-hört hat
– so wie wir, Herr Kampeter, und, wie ich denke, auchFrau Flach –,
wird festgestellt haben, dass nur wenige – ich habe inmeinem Manuskript stehen: keine – konstruktive Vor-schläge eingebracht wurden. Ich habe nur Kritik gehört.Es gab nicht einen konstruktiven Vorschlag.
Auch das, was Sie heute vorgetragen haben, war allesandere als konstruktiv und im Prinzip nichts anderes alsdie Fortsetzung Ihrer Ausschussarbeit.
Die Reden der Vertreter der Opposition waren teilweiseinhalts- und konzeptionslos.
Beeindruckend, finde ich, ist die Tatsache, dass Sie,liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,Umgangsformen pflegen – ohne auf die Konsequenzenund die Wirkung auf die Bürger zu achten –, die nicht zueiner besseren Darstellung der Politik und der Politikerbeitragen. Sie sollten sehr genau aufpassen; denn denGeist, den Sie nun aus medialen und populistischenGründen herbeirufen, werden wir eventuell nicht mehrlos. Um es noch deutlicher zu sagen: Populismus kannund darf kein Instrument der Politik sein. Schöne Grüßean Herrn Westerwelle und Frau Künast!auisgrwakHekIlnfoDshvZdsuerbAdnVv–mNz
Ich möchte dafür Beispiele nennen. Sie von der FDPrbeiten noch immer Ihren Wahlkampf und das für Sienbefriedigende Wahlergebnis ab. Das kann ich sowohln menschlicher Hinsicht als auch als Wahlkämpferinehr gut nachvollziehen. Aber Sie sollten nicht ständigegen alles sein, sondern sich gemeinsam mit uns – ge-ade weil der Einzelplan 30 ein Zukunftsplan ist – denichtigen Herausforderungen der Zukunft stellen.
Sie von der Linken bauen Traum- und Luftschlösseruf, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben undein Fundament haben. Sie erwecken bei den Menschenoffnungen und Erwartungen, die Sie nicht annäherndrfüllen können. Auch das trägt nicht zur Glaubwürdig-eit der Politik und der Politiker bei.
n den Ausschussberatungen haben Sie – Herr Leutert isteider nicht anwesend –
ur draufgesattelt, ohne zu fragen, ob die Mittel im lau-enden Haushaltsjahr noch verausgabt werden können,hne die Sinnhaftigkeit der Etatisierung zu hinterfragen.as war konzeptionslos.
Zu den Grünen: Auch wenn Frau Künast nicht anwe-end ist, beziehe ich mich auf ihre gestrige Rede. Ichabe den Eindruck, dass sie über eine gläserne Kugelerfügt; denn Frau Künast kann in die Zukunft schauen.ur Erinnerung: Sie hat gestern den Niedergang dereutschen Umweltpolitik prophezeit. Ich kann dazu nuragen: Fern aller Realität! Ich bitte Sie, meine Damennd Herren von den Grünen, ganz höflich, Ihrer Kollegininmal zu sagen, dass sie mit der Märchenstunde aufhö-en soll. Im Ausschuss haben Sie als Fachpolitiker nochekräftigt – das ist im Protokoll nachzulesen –, dass dernstieg des Etats des BMU die wachsende Bedeutunger Umweltpolitik in Deutschland deutlich macht undicht den Niedergang beschreibt.
Zum Vergleich: 1998 hatte der Umwelthaushalt einolumen von 620 Millionen Euro und 2005 ein Volumenon 769 Millionen Euro.
Herr Kampeter! – Im Haushalt 2006 beträgt das Volu-en 774 Millionen Euro. Um es Ihnen leicht zu machen:ach Adam Riese beträgt der Zuwachs im Vergleichum Vorjahr 0,7 Prozent.
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Petra Hinz
Ich rede nur vom Umwelthaushalt. Im Gesamthaushaltstehen für Umweltschutzausgaben insgesamt 4,052 Mil-liarden Euro zur Verfügung.Verwundert bin ich allerdings über die Berichterstat-tergespräche. Gerade die kleinen Fraktionen haben imRahmen dieser Gespräche – genau, Herr Kauch, haltenSie ruhig das dicke Kompendium von 500 Anträgenhoch – einen so großen zeitlichen Druck erzeugt, dasswir ständig fragen mussten, ob wir überhaupt noch eineFrage stellen dürfen oder ob ein Nachfolgetermin not-wendig ist. Auf einmal kommen Sie im Rahmen derAusschussberatung, ohne vorher in den Berichterstatter-gesprächen die Chance genutzt zu haben, das eine oderandere zu hinterfragen, mit Ihren Anträgen an. Wie ge-sagt, besonders spannend finde ich das Antragspaket derFDP.
Ich komme jetzt zu einzelnen Anträgen in dem Wun-derwerk der FDP „Wer bietet mehr – ohne Konzept?“,um deutlich zu machen, wo Ihre Schwerpunkte liegen:Ein Kürzungsantrag bezieht sich auf die Kosten desMessprogramms zur Überwachung der Gewässergüte.Hier sollen 227 000 Euro eingespart werden. Ein andererTitel lautet: „Forschung, Untersuchungen und Ähnli-ches“. Hier wollen Sie 655 000 Euro einsparen.Jetzt nehmen wir uns doch einmal die Zeit, uns anzu-schauen, was „Ähnliches“ heißt: Die FDP wollte dieMittel in den Bereichen Umweltpolitik, Gewässerschutz,Klimaschutz, Luftreinhaltung, Anlagensicherheit, Lärm-schutz, Lärmbekämpfung und Umweltwirkungen auf diemenschliche Gesundheit um 655 000 Euro kürzen, ob-wohl wir Investitionen in diesen Bereichen besondersbrauchen; denn gerade hier schaffen wir Arbeitsplätze.
Die Ausgaben für Umweltschutzprojekte und Natur-schutzprojekte von Verbänden wollen Sie sogar um rund1,1 Millionen Euro kürzen. Haben wir eigentlich beste-hende Verträge? Diese Frage ist gar nicht gestellt wor-den. Welche Programme sollen denn da aufgekündigtwerden? Auch diese Frage ist nicht gestellt worden.
– Sie können so viel hineinrufen, wie Sie wollen; deswe-gen werden Ihre Aussagen nicht wahrer.Weiter: Die Investitionen zur Verminderung von Um-weltschutzbelastungen wollen Sie um 1,25 MillionenEuro kürzen. In dieser Art gibt es weitere Anträge, dieich hier vorstellen könnte.
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bwohl Minister Gabriel sehr deutlich auf die rechtli-hen Rahmenbedingungen hingewiesen und angekün-igt hat, noch im Laufe dieses Jahres die Frage zu klä-en.
Er hat gesagt, die Konzeption werde erarbeitet; dasissen Sie. Die Frage „Wie denn?“ war wohl eine reinhetorische.
Wir sanieren und setzen gleichzeitig Impulse fürachstum und Beschäftigung. Ein Herzstück dabei istie Förderung erneuerbarer Energien. Sie wurde von0 Millionen Euro um 43 Millionen Euro auf über3 Millionen Euro im Haushalt 2006 verdoppelt und ent-prechend etatisiert. Das ist ein großer politischer Erfolg.
Deshalb verstehe ich die Vorwürfe der Fraktion desündnisses 90/Die Grünen nicht so ganz. Sie haben unsm Ausschuss während der Haushaltsberatungen vorge-orfen, dass die Forschungsmittel für erneuerbare Ener-ien und für das Marktanreizprogramm gegenseitig de-kungsfähig gewesen seien, was dazu geführt habe, dassohe Summen aus dem Marktanreizprogramm für For-chungsvorhaben im Bereich der erneuerbaren Energieningesetzt worden seien und daher für eine Verwendungm Rahmen des Marktanreizprogramms nicht mehr zurerfügung gestanden hätten. Das war übrigens Spiel-asse für den damaligen Minister Trittin.
a haben wir jetzt ein P vorgesetzt,
ndem wir die Deckungsfähigkeit aufgehoben und damite facto die Mittel erhöht haben. Das ist im Haushaltachzulesen und das ist zukunftsweisend.
Unsere Haushaltspolitik ist konsequent und schlüssig.lle Ausgaben stehen auf dem Prüfstand und werden da-aufhin untersucht, ob sie zielgenau und richtig verwandterden. Wir bleiben ein verlässlicher Partner im Rah-en der Abkommen und Vereinbarungen. Wir kürzenicht willkürlich im Rahmen von internationalen Ab-
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Petra Hinz
kommen Mittel um 300 000 oder 600 000 Euro, wie esdie FDP vorhatte.Zur Wahrheit und Klarheit des Haushaltes gehört,dass wir intensiv über Haushaltsausgabereste undgegenseitige Deckungsfähigkeit reden. Das, HerrGabriel, ist tatsächlich ein Ansatz für den Haushalt 2007.
Wir haben in diesem Bereich enorme Ausgabereste. DasMinisterium könnte sich intensiv darum bemühen, dassdie Mittel abfließen können.
Was wir von der großen Koalition Ihnen vorgestellthaben, ist nachhaltige Umwelt-, Finanz- bzw. Haushalts-politik.
Damit ermöglichen wir Planung für die Zukunft oder,anders gesagt, nachhaltige Generationengerechtigkeit.Es gehört sich, dass man sich zum Schluss bedankt.Ich möchte mich ganz herzlich beim Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – hierstellvertretend natürlich beim Minister und stellvertre-tend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei HerrnPüschel – bedanken. Außerdem möchte ich einen Danksagen an das Bundesministerium der Finanzen sowie andie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausschuss fürdie angenehme und konstruktive Atmosphäre. Bedankenmöchte ich mich auch für die Zusammenarbeit, und zwarnatürlich beim Koalitionspartner, bei Frau Flach
und bei allen anderen Mitberichterstattern und Hauptbe-richterstattern.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Hans-Kurt Hill für die Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnenund Kollegen! Minimalismus, Stillstand, Ermüdung –das ist das, was der Umwelthaushalt 2006 und die Situa-tion der großen Koalition widerspiegeln.
Frau Kollegin Hinz, ich empfehle mal eine Trainings-einheit bei Herrn Klinsmann. Vielleicht hilft Ihnen das.Den drängenden Umweltaufgaben werden die Haus-haltszahlen nämlich nicht gerecht.Herr Minister Gabriel, wenn man Ihre Reden so ver-folgt, stellt man fest, dass Sie für manches zuständigshbAwaSKsMWwEhKNIDawWummEbsZrnnphlHEn
ie machen Umweltschutz im Kriechgang. Das geht aufosten der Ökosysteme und damit auf Kosten der Men-chen in Deutschland.Stichwort: erneuerbare Energien. Täglich lesen wireldungen über die Folgen des Klimawandels:
etterextreme, massenhafter Artenschwund, Verlustertvoller Kulturlandschaft.
rgebnis: Kosten für die Volkswirtschaft in Milliarden-öhe. Hauptgrund: die massenhafte Verbrennung vonohle, Öl und Gas zur Energieerzeugung.
ebenwirkungen dieser Politik: fatale Abhängigkeit vonmporten knapper Energien zu astronomischen Preisen.eutschland lässt sich von einzelnen Energiekonzernenm Nasenring durch die Arena führen.
Ich sage Ihnen: Wir können diese Probleme nur lösen,enn wir in der Energiepolitik endlich einen andereneg gehen. Energie intelligenter nutzen und konsequentnd zügig auf erneuerbare Energien setzen!Herr Minister Gabriel, Sie verkünden, natürlich auchehr für Energie aus Sonne, Wind und Co. zu tun. Im-erhin – das ist eben angeklungen – sind 43 Millionenuro mehr im Umweltetat für die Forschung zu erneuer-aren Energien eingestellt. Doch wenn man genauer hin-chaut, erkennt man: Das ist ein Ringtausch zulasten derukunftsenergiebetriebe. Ausgerechnet bei der Förde-ung von Geothermie und Biomasse werden 13 Millio-en Euro gestrichen. Bei der Atomenergie ist man daicht so kleinlich.
Eines ist klar, Herr Gabriel: Wenn Sie die Endlager-robleme der Atomlobby überlassen, Gorleben zur Ver-andlungsmasse erklären und auch nur ein Atommeileränger läuft als vorgesehen, dann sollten Sie besser denut nehmen.Beim Vergleich der Haushaltszahlen für erneuerbarenergien mit der Steuerpolitik dieser Regierung wird ei-es deutlich: Die Zukunftsenergien bleiben auf der
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Hans-Kurt HillStrecke und die Zeche zahlen wieder einmal die privatenHaushalte.
Ausgerechnet bei den Biokraftstoffen wird Kasse ge-macht, die Energie verschwendende Industrie von derUmlage für die Windenergie und den Solarstrom – bei-des umweltfreundlich – befreit.Das Energiesteuergesetz liest sich wie ein Abgesangan die Zukunft: klimaschädliche Kohleverstromung:76 Millionen Euro weniger Einnahmen; KlimakillerFlugverkehr: 32 Millionen Euro weniger Steuern; Ener-gie verschwendende Industrie: 60 Millionen Euro ge-schenkt plus 400 Millionen Euro weniger Abgaben, da-mit die Konzerne nichts für den Ökostrom bezahlen.Die Steuergeschenke an die Klimasünder – da sindSie sich einig – können nicht groß genug sein. Mit höhe-ren Abgaben auf erneuerbare Energien und für privateHaushalte wird die Steuerkasse aufgefüllt. Dabei wissenSie vor lauter Aufregung nicht, wo Sie die Milliardenkassieren sollen.
Kollege Hill, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Gern.
Vielen Dank, dass Sie mir eine Zwischenfrage ermög-
lichen. – Herr Kollege Hill, ist Ihnen bekannt, dass die
Härtefallregelung, die Sie angesprochen haben, von ei-
nem Finanzminister eingeführt worden ist, der jetzt Ihr
Fraktionsvorsitzender ist?
Es tut mir Leid: Damals war er Vorsitzender Ihrer
Fraktion, nicht der Vorsitzende der Fraktion der Linken.
Somit habe ich das nicht zu verantworten. Das müssen
Sie verantworten, oder?
Damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was
kommt: Aufgrund der gestiegenen Spritpreise kassiert
der Finanzminister noch auf Grundlage des alten Mehr-
wertsteuersatzes von 16 Prozent allein in diesem Jahr
über 1 Milliarde Euro mehr. Mit Steuern in Höhe von ins-
gesamt 1,7 Milliarden Euro macht Minister Steinbrück
umweltfreundlichen Biokraftstoff völlig uninteressant.
Das Geld kommt von den Privathaushalten, die mit stei-
genden Energiepreisen kämpfen, und von den Landwir-
ten, die bisher erfolgreich in Bioenergie investiert haben.
Rücken Sie diese 2 Milliarden Euro wieder heraus!
Statt mit erneuerbaren Energien die Strompreise zu
senken und den Klimaschutz zu stärken, setzt die große
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ie Stromkonzerne versprechen Ihnen klimagasfreie
ohlekraftwerke; Sie glauben das Märchen auch noch.
hne eine Verdoppelung der Strompreise ist der Unsinn
ganz zu schweigen von der Endlagerung über Jahrtau-
ende – überhaupt nicht finanzierbar.
ier tauchen übrigens noch einmal die 2 Milliarden
uro auf: Die Klimagasverklappung soll gefördert und
as Geld den Monopolisten in den Rachen geworfen
erden.
Wofür stehen Sie eigentlich? Glauben Sie im Ernst,
ass wir noch einmal über 1 000 Quadratkilometer
andschaft aufreißen können, um mehr Braunkohle zu
erfeuern? Das ist den Menschen doch überhaupt nicht
ehr zu vermitteln. Glauben Sie wirklich, dass die Ener-
iekonzerne mehr deutsche Steinkohle verfeuern und zu-
ätzliche Kraftwerke bauen?
ie SPD hat doch längst den Ausstieg aus dem Berg-
au beschlossen. Die Energiewirtschaft baut nur neu,
m alte und marode Kohlekraftwerksblöcke zu ersetzen.
ie Folge: 25 000 Arbeitsplätze werden überflüssig,
eil neue Kraftwerke mit minimaler Belegschaft betrie-
en werden und weil RAG-SPD-Müller den Steinkohle-
ergbau abschaffen möchte.
Wenn aufgrund Ihrer Stillstandspolitik der Anteil der
rneuerbaren Energien nicht um 1 Prozentpunkt gestei-
ert wird, hat das zur Folge, dass 20 000 Arbeitsplätze
icht geschaffen werden. Dafür werden wir Sie in die
erantwortung nehmen. Was Sie hier machen, ist
artz IV aus der Steckdose. Fazit: Gabriels Fördertopf
ird durch Steinbrücks Steuerabzocke wieder kassiert.
ie Dummen sind die Bürgerinnen und Bürger.
Ich komme jetzt zu den Anträgen.
Kollege Hill, das wird jetzt nichts mehr. Sie müssen
itte zum Ende kommen und den letzten Satz bilden.
Ich komme zum Ende. – Wir fordern 100 Millionenuro mehr für Zukunftsenergien und die Rücknahme ei-er Steuerpolitik, die Arbeitsplätze vernichtet. Die Men-chen haben einen Anspruch auf bezahlbare Energie unduf eine intakte Umwelt.Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Kollege Bernhard Schulte-
Drüggelte für die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Aufstellung des Einzelplans 16 folgte wie in allenanderen Bereichen dem Konzept: sanieren, reformierenund investieren.
Darüber hinaus werden wir dafür sorgen, dass imJahr 2007 die Maastrichtkriterien und Art. 115 Grundge-setz eingehalten werden. Wir sind angetreten, um dieseZiele zu erreichen. Das primäre Bemühen bestand darin,dass jeder Bereich einen Beitrag zur Haushaltskonsoli-dierung leistet. Frau Hinz hat gerade die Zahlen desHaushaltes genannt; ich möchte sie nicht wiederholen.Ich sage aber deutlich: Mit einer Steigerung der Ausga-ben um nur 0,7 Prozent ist ein Beitrag zur Konsolidie-rung geleistet worden.Der gesamte Haushalt umfasst nicht nur das Bundes-ministerium, sondern auch die Bundesbehörden: dasUmweltbundesamt, das Bundesamt für Strahlenschutzund das Bundesamt für Naturschutz.Wir haben in den Beratungen zuvor diesen Haushaltals Übergangshaushalt bezeichnet. Das ist zwar recht-lich nicht korrekt, aber man kann schon sagen, dass essich um einen Haushalt des Übergangs von Rot-Grün zurgroßen Koalition handelt.
Ein Schlüsselwort, das diesen Haushalt betrifft, ist re-formieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf ei-nen Punkt zurückkommen, der vorhin schon angespro-chen worden ist: Wie geht es mit dem Bundesamt fürStrahlenschutz weiter? Der Wissenschaftsrat – daswurde vorhin sehr deutlich – hat diesem Amt ein, um esvorsichtig auszudrücken, sehr schlechtes Zeugnis ausge-stellt.
Nach den Beratungen gab es schon erste Konsequenzenim Personalbereich. Ich nehme an, dass es noch weitereKonsequenzen geben muss.
– Ich weiß, wie Sie dazu stehen.Ein weiteres Schlüsselwort, das ich ansprechen will,ist investieren. Hier setzt der Haushalt besondere Ak-zente im umwelt- und energiepolitischen Bereich. Eswurde vorhin schon das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euro an-gesprochen. Daneben ist noch das Marktanreizpro-gramm mit einem Volumen in Höhe von 180 MillionenEuro zu erwähnen. Die wichtigste Veränderung aber ist,dass die Ansätze für Forschungsmittel – Herr Fell hat essgdwAeZssGvkkaa2nssiVmswEzgkdkTsEslkdfssbwblt
Auch die Sicherung der Energieversorgung ist eineukunftsfrage. Wir sollten daher nicht außer Acht las-en, dass bei weltweit steigendem Bedarf eine wach-ende Abhängigkeit von Energieimporten bei Öl undas festzustellen ist. Bei der Sicherung unserer Energie-ersorgung werden die erneuerbaren Energien in Zu-unft eine wichtige Rolle spielen. Die Ziele sind auch dalar definiert: Der Anteil der erneuerbaren Energien solluf 20 Prozent gesteigert werden und die immer wiederngesprochene Energieeffizienz soll sich bis zum Jahr020 verdoppeln. Dieses Ziel verfolgen wir gemeinsam.
Die Förderung erneuerbarer Energien muss in eineationale Energiestrategie, vielleicht auch in eine Roh-toffstrategie, eingebettet sein. Denn es werden in die-em Bereich nur dann wettbewerbsfähige Arbeitsplätzen Deutschland entstehen, wenn die Verlässlichkeit derersorgung mit Energie, also mit preiswertem Strom,it preiswerter Wärme und mit preiswerten Kraftstoffenichergestellt ist.
Moderne Energieversorgung ist auf eine ökologischie ökonomisch angemessene Grundlage zu stellen. Dernergiegipfel bei der Bundeskanzlerin hat in dieser Be-iehung Zeichen gesetzt. Umweltverträglichkeit, Versor-ungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sind der Drei-lang in der Energiepolitik.Energieeffizienz und Energietechnologie sind iniesem Zusammenspiel die Schlüsselworte für die Zu-unft. Wir brauchen anspruchsvolle energieeffizienteechnologien sowohl bei der Erschließung neuer Res-ourcen als auch bei der Weiterentwicklung erneuerbarernergien. Deshalb ist die Energieforschung eine strategi-che Säule der Energiepolitik. Sie kann einen Beitrageisten, um Innovationsprozesse zu beschleunigen, neuelima- und umweltschonende Technologien schneller inen Markt zu bringen und auch für andere Länder ver-ügbar zu machen. Damit kann der deutsche Export ge-teigert werden.Staatliche Förderung – auch das wurde schon ange-prochen – und die Mehrausgaben im Bereich erneuer-arer Energien rechtfertigen sich natürlich nur, wenn sie,ie es im Koalitionsvertrag steht, ökonomisch sinnvollleiben. Wir müssen uns pragmatisch und frei von Ideo-ogie fragen: Welche Energiearten sollen künftig in ihrerechnischen Entwicklung gefördert werden und in wel-
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Bernhard Schulte-Drüggeltechen Bereichen sollte man lieber etwas zurückhaltendersein?
Daneben müssen wir – ich wiederhole diese Forde-rung – ein tragfähiges Konzept haben, dem ein ausgewo-gener Energiemix zugrunde liegen soll.Damit komme ich jetzt auf eine Energieform zu spre-chen, die etwas umstrittener ist, nämlich die Kern-energie. Dieses Thema möchte ich gerne noch einmalansprechen.
Ich meine, wir können auf die Kernenergie als wettbe-werbsfähigen und CO2-freien Energieträger in absehba-rer Zukunft nicht verzichten. Kernenergie schafft denzeitlichen Spielraum, der für die technische Entwicklungerneuerbarer Energien und damit für ihre Marktreife nö-tig ist.
Die Koalitionspartner sind sich in dieser Frage nichtganz einig; ich will das nicht verhehlen. Wir kommenaus verschiedenen Richtungen, aber trotz verschiedenerAnsichten tragen wir doch eine gemeinsame Verantwor-tung. Dazu sollte man auch stehen. Wir müssen uns be-mühen, einen gemeinsamen Weg in dieser Frage zu fin-den.
– Wenn Sie einen Zwischenruf machen, mache ich nocheine Zwischenbemerkung und gehe auf ein vom BMUherausgegebenes Heftchen ein. Ich halte es nicht fürzweckdienlich, wenn dort Broschüren mit dem Titel„Atomkraft: Ein teurer Irrweg“ auftauchen.
Ich will es einmal so sagen: Auf der Rückseite des Heft-chens hätte nicht stehen dürfen: „Diese Broschüre istTeil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung“. Dahätte stehen müssen: „Diese Broschüre ist Teil der Öf-fentlichkeitsarbeit der SPD“.
Dann könnte man noch hinzufügen: Wer die Musik be-stellt, soll sie auch bezahlen.
– Aber nicht in dieser Form. Hier haben wir unterschied-liche Meinungen; das wissen auch Sie. Wir können daunterschiedlicher Meinung bleiben. Das ist ja nichtsSchlimmes.Es sind noch einige Fragen offen.GSgdwdLWvsBdwAsesbvsjUmM„FD
uch Ihren Fraktionskollegen, der in unserem Aus-chuss Hauptberichterstatter ist, sieht man nicht so oft.Ich will Ihnen aber eine klare Antwort geben: Es gibtinen Koalitionsvertrag. Da steht drin, dass der Ausstiego respektiert wird, wie er beschlossen wurde. Ich habeezüglich des Zeitraums des Einsatzes von Kernenergieon absehbarer Zeit gesprochen. Damit halte ich michelbstverständlich an die bestehenden Verträge.
Ich möchte auch etwas zum Endlager sagen, weil dasa in die Zuständigkeit des Ministeriums fällt, und denmweltminister ermuntern, die entsprechende Proble-atik zu lösen. Frau Künast hat, als sie die Qualität derinister bewertete, den Umweltminister als – ich zitiere –möglichen Ausfall“ bezeichnet. Das kommt gerade vonrau Künast!
azu möchte ich sagen – –
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Bernhard Schulte-Drüggelte
– Ich habe sie zitiert. „Möglicher Ausfall“ war ein Zitat.
Frau Künast scheint wohl Vorurteile zu haben. Siescheint sich nicht vorstellen zu können
– sie hat in ihrem eigenen Namen gesprochen –, dass einroter Umweltminister besser sein könnte als ein grüner.
– Das ist aber wahrscheinlich möglich.
Ich möchte sie nur auffordern, die Vorurteile wegzulas-sen und einen Menschen nicht nur nach seinen Worten,sondern auch nach seinen Taten zu beurteilen. Wennman Menschen so beurteilt, sollte man auch einen Mi-nister so beurteilen. Das hat er auf jeden Fall verdient.
Der Bundesminister hat die Einrichtung des Schach-tes Konrad als Endlager für schwach radioaktive Stoffewie zum Beispiel Abfälle aus Krankenhäusern immerhinschon als sehr wahrscheinlich bezeichnet. Das ist einganz gewaltiger Fortschritt, wenn man das mit der rot-grünen Politik vergleicht. Wenn dann aus der Wahr-scheinlichkeit noch Sicherheit wird, dann würde ich dassehr begrüßen.
Es ist natürlich richtig, dass ein klares Konzept für dieEndlager gefunden werden muss. Es geht zum einen umein Endlager für die schwach radioaktiven Stoffe,Schacht Konrad, und zum anderen um ein Endlager fürdie hoch radioaktiven Stoffe. Als Haushälter möchte ichdarauf hinweisen, dass das Geld nicht zum Fenster hi-naus geworfen werden darf.
Eine weitere Standortsuche hätte Belastungen des Haus-haltes oder der Stromverbraucher zur Folge. Das hat derBundesrechnungshof bestätigt. Daran sollte man denken,wenn man weiter vorgeht. Man sollte klar sagen, dassdie Suche nach den Endlagern im Haushalt 2007 und inden folgenden Haushalten veranschlagt und dokumen-tiert werden sollte.Zum Schluss möchte ich noch auf einige offene Fra-gen hinweisen. Es geht einmal um die Frage nach derVerwendung von Mitteln für die Öffentlichkeitsarbeit,aber auch um die Frage der Hilfskräfte im BMU, dielangfristig gelöst werden sollte, die Frage nach der Ver-bwVdügdGkjVHWdgs3vd–uNldF3Z5pEöugrsSK–fus
doch, die stimmen durchaus – bei verfassungswidrignter der Neuverschuldung liegenden Investitionen.
un ist der Haushalt die reale, nicht die rhetorische Leit-inie der Politik. Würde der grüne Haushalt verabschie-et, der sich in 400 Änderungsanträgen manifestiert,rau Hinz, dann hätte man die Neuverschuldung auf2,3 Milliarden Euro senken und trotzdem mehr in dieukunftsbereiche investieren können. Das hätte mitMilliarden Euro vor allem die Kinder- und Familien-olitik betroffen, aber auch mit 100 Millionen Euro dientwicklungszusammenarbeit und mit 155 Millionen Eurokologische Innovationen.Sie, meine Damen und Herren von der Regierung,nd Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten der zu-ehörigen Fraktionen, die hier keinen Anlass zur Ände-ung sahen, frage ich, wie Ihre Vorstellung von ökologi-cher Innovation und Zukunftsfähigkeit aussieht.chwarz, möchte ich sagen; denn über allem strahlt dieohle; nicht die, die Sie angeblich einsparen wolltendas tun Sie ja gar nicht –, sondern die, deren Abbau Sieördern, deren Verstromung Sie anheizen
nd deren Emissionen Sie weiterhin in die Atmosphärechicken. Sie wollen die Kohlesubventionen nicht ab-
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Sylvia Kotting-Uhlbauen, Sie lehnen sogar die Rückforderung von offen-sichtlich zu viel gezahlten Subventionen ab und Sie ma-chen aus dem Emissionshandel im NAP II einGeschenkgutscheinabonnement für die Kohlewirtschaft.
Das ist unverantwortlich, nicht nur aus ökonomischen,sondern vor allem aus Klimaschutzgründen – in der Rhe-torik ja das Lieblingsthema des Umweltministers.Der Haushalt einer Regierung spiegelt auch deren Ge-rechtigkeitsvorstellungen wider. Klimaschutz steht aufder globalen Gerechtigkeitsskala ganz oben. Hier rheto-risch die Vorreiterrolle Deutschlands zu betonen undfaktisch eine Politik zu betreiben, die die selbst gesetztenZiele in den Wind schreibt, ist ein übles Spiel.Das Gerechtigkeitsspielchen lässt sich aber auch aufder nationalen Ebene beobachten. Was ist das für einePolitik, die Biokraftstoffe besteuert, weil der Finanz-minister Geld braucht, die damit ein junges, aber vielversprechendes innovatives Mittelstandspflänzchen demfreien Spiel der Marktkräfte aussetzt, die es vermutlichzertreten werden, und gleichzeitig Milliardengeschenkean die Konzerne macht?
Was die Macht des Oligopols der Energiekonzerneund deren Stärkung durch eine solche Politik mit denständig steigenden Strompreisen zu tun hat, das ist dieFrage, die sich hier direkt anschließt. Die Antwort istfaktisch das Gegenteil der Argumentation der Regie-rung. Der Verbraucher bekommt das Ganze demnächstgarniert mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um3 Prozentpunkte. Damit ist das Gerechtigkeitsspiel mit3 : 0 gegen die Verbraucher ausgegangen.Ich will aber noch eine weitere deutliche Kritik an dasUmweltministerium richten. Im Umweltausschuss beka-men wir auf die Frage, um welche Summen es sich beiden Windfall-Profits tatsächlich handelt – die öffentli-chen Vermutungen bewegen sich in einer breiten Spannezwischen 3,8 und 8 Milliarden Euro –, die Antwort, daswisse man nicht, das sei ein schwieriges Geschäft. Dasist es zweifellos. Es ist aber das Geschäft der Regierung,hier zumindest eine belastbare Einschätzung vorzuneh-men, bevor im NAP II die Basis für Windfall-Profitsnoch vergrößert wird. Das haben Sie versäumt.
Die Politik, die Sie im NAP II skizzieren, ist LeitlinieIhrer gesamten Umweltpolitik, Herr Minister Gabriel:Sie wollen Innovationsminister, Klimaschützer undÖkologe sein. Bisher haben Sie sich aber bei jeder weit-reichenden Entscheidung für kurzfristige Profitinteres-sen der Wirtschaft entschieden oder sich von Minister-präsidenten, die ihre Einzelinteressen verfolgt haben, insBoxhorn jagen lassen. Ob bei REACH oder Biosprit,Emissionshandel oder Föderalismusreform, Sie ent-scheiden zulasten von Innovation und Mittelstand undnSmcgrSksmnKtg„V„BluzlndtgsDMtauMw–enzasIh
ass Sie hierbei nicht auch nachgeben, müssen Sie, Herrinister, noch beweisen, indem Sie die Begehrlichkei-en nach Laufzeitenverlängerungen und -übertragungenbweisen,
nd zwar nicht nur bei der lächerlichen Frage bezüglichülheim-Kärlich, sondern auch bei Biblis, Neckar-estheim und Brunsbüttel.
Gut so. – Sie müssen außerdem die Endlagersuchernsthafter angehen. Mit den angekündigten 180 Millio-en Euro ist eine ernsthafte, vergleichende Suche nichtu finanzieren. Beim Atomausstieg bauen wir – noch –uf Ihre Standfestigkeit. Sie haben unsere Unterstützung.Die von Ihnen bisher praktizierte Umweltpolitik kriti-ieren wir, die zu geringe Ausrichtung auf ökologischennovation im Haushalt kritisieren wir ebenfalls. Des-alb lehnen wir den Haushalt ab.Danke schön.
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Für die Bundesregierung hat das Wort der Minister
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar
Gabriel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu Beginn gerne auf
ein paar der Argumente eingehen, die vorhin vorgetra-
gen worden sind.
Zuerst möchte ich mich allerdings bei den Mitglie-
dern des Umweltausschusses für die intensive Beratung
dieses Haushaltes – es ist der erste, den ich mit zu ver-
antworten habe – bedanken.
Wir sind möglicherweise nicht in allen Dingen einer
Meinung. Aber ich finde, es war eine gute Diskussion.
Ich möchte mich vor allen Dingen bedanken bei den Ob-
leuten, bei den Berichterstatterinnen und Berichterstat-
tern aus dem Bereich des Haushaltsausschusses, aber
auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mei-
nem Hause und in der Bundestagsverwaltung sowie im
Finanzministerium. Denn ich finde – das mag ein Unter-
schied zu den Rednern der Opposition sein –, dass dieser
Haushalt insgesamt ein guter Einstieg in die Umweltpo-
litik der großen Koalition ist.
Ich lasse einmal mein Redemanuskript beiseite und
widme mich einigen der vorgebrachten Argumente. Ich
fange einmal mit denen der Kollegin Flach von der FDP-
Fraktion an. Sie haben mehrfach kritisiert, da fehle die
Vorsorge. Ich sage Ihnen: Wenn im Jahre 2006 – über
diesen Haushalt reden wir – weder im Schacht Konrad
noch in Gorleben noch an einer anderen Stelle in
Deutschland Arbeiten zur Einrichtung eines Endlagers
begonnen werden können, dann macht es nicht viel Sinn,
dafür Geld einzusetzen. Das hat dann wenig mit Haus-
haltswahrheit und Haushaltsklarheit zu tun, aber eine
Menge mit Luftbuchungen.
Sie haben gesagt, Sie wollen Umweltschutz ohne Ideo-
logie. Dann dürfen Sie für ideologische Positionen kein
Geld einsetzen, das man eigentlich gar nicht ausgeben
kann. Das macht wenig Sinn.
Dann haben Sie hier ein Projekt kritisiert, für das Sie
selber früher einmal eingetreten sind, für das alle Natur-
schutzverbände in Deutschland eintreten und für das der
Bundespräsident massiv geworben hat, nämlich die Un-
terschutzstellung von Naturflächen, die besonders wert-
voll sind oder besonders gut entwickelt werden können
und früher militärische Liegenschaften waren. Wir brin-
gen 125 000 Hektar in die Stiftung „Deutsches Natur-
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Durch die Begrenztheit der Ressourcen, die wir ver-
rauchen, werden wir immer mehr auf das Wissen der
atur angewiesen sein. Sie bezeichnen dies nun ausge-
echnet als Masern. Ich weiß nicht, in welchen Bildern
ie Politik transportieren wollen. Wir sind stolz darauf,
ass wir in der großen Koalition – übrigens als eines der
rsten Projekte, das wir in der Arbeitsgruppe im Rahmen
er Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und
PD vereinbart hatten – beschlossen haben: Wir wollen
ealität werden lassen, was viele in Deutschland gefor-
ert haben, was in der Vergangenheit noch nicht erreicht
urde. Wir stellen 125 000 Hektar unter Schutz. Wir
erscherbeln das nicht, so, wie Sie das wollen, sondern
ir bewahren das für unsere Kinder, Enkel und Urenkel.
arauf sind wir jedenfalls stolz.
Ich habe kein Problem damit, wenn Sie mir eine Zwi-
chenfrage stellen wollen.
ch beantworte die alle. Aber wenn Sie nur dazwischen-
ufen, kann ich Sie nicht immer richtig hören.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Selbstverständlich, mit großer Freude.
Ich würde jetzt zwar lieber zum Sommerfest gehen,ber auf diese Sache müssen wir uns schon einlassen.
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Ulrike FlachHerr Gabriel, unser Vorwurf geht in eine andere Rich-tung. Wir sagen: Es gibt Interessenten für den Kauf. Unsliegen auch Briefe dazu vor. Trotzdem werden dieseGrundstücke dann offensichtlich doch einfach weiterge-geben. Das ist unser Vorwurf. Wir sagen: Hinsichtlichderer, die nicht verkauft werden können, sind wir völligIhrer Meinung. Da haben wir kein Problem mit der Wei-tergabe. Daher stelle ich Ihnen meine Frage: Wie kom-men Sie auf die Idee, uns vorzuwerfen, wir wollten die-ses Projekt generell blockieren? Darum geht es nicht. Esgeht vielmehr darum, dass wir einen Not leidendenHaushalt haben und deshalb gewisse Flächen bessernicht einfach verschenkt werden sollten.Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Frau Kollegin Flach, was meinen Sie, wie viele Inte-ressenten wir finden würden, wenn wir die Filetstückeunserer Nationalparke anbieten würden?
– Natürlich. Sie sagen: Überall da, wo einer etwas kau-fen will, sollten wir es ihm geben, und den Rest dürfenwir behalten. Dann hätten wir am Ende nichts mehr. Dasist der Grund, warum wir Ihre Politik nicht mitmachen.Was Sie da treiben, ist nicht sinnvoll.
Nächster Punkt. In mehreren Reden ist auf das Bun-desamt für Strahlenschutz hingewiesen worden. Dazumöchte ich etwas sagen. Natürlich kann man das ge-nannte Gutachten nicht ignorieren. Das machen wir auchgar nicht; wir werden es analysieren und auswerten.Aber es ist ein wenig frivol, kurze Zeit später zu verlan-gen – wie die Kollegin Flach es getan hat –, dass wirgleich haushaltsrechtliche Konsequenzen ziehen. Sogeht es nicht. Aber selbstverständlich werden wir dasGutachten beachten.
Ich werde das übrigens auch auf einer Personalversamm-lung erläutern.Nun sage ich Ihnen, was wir nicht machen werden.Ich folge nicht jedem Vorschlag, den man sich im Elfen-beinturm einer Universität ausdenken kann, der aber mitder politischen Praxis nichts zu tun hat. Der Vorschlag,den Präsidenten einer Bundesoberbehörde in Zukunftvon Hochschulrektoren auswählen zu lassen, hat meinerMeinung nach etwas Kabarettistisches. Sie können si-cher sein, dass ich das nicht mache.
Ich habe an zu vielen Berufungen von Hochschulprofes-soren mitgewirkt, um nicht zu wissen, welche Fehler da-bd––IfsvsidIBhsfWlFjbDddiaPefsKWagDhsnvs
Solche Vorschläge kamen aus dem Wissenschaftsrat.
Nun müssen Sie mich aber einmal ausreden lassen.Sie sagen, das Bundesamt sei nicht mehr renommiert.ch sage Ihnen: Die Weltgesundheitsorganisation hatünf Standorte für Partner für Forschungen zu nicht ioni-ierenden Strahlungen, also zum Beispiel Strahlungenon Handys, ausgesucht. Eines der renommiertesten In-titute dieser Welt ist das Bundesamt für Strahlenschutzn Salzgitter. Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee,ie Arbeit dort in Bausch und Bogen schlechtzureden?
ch sage Ihnen auch: Am Ende werden wir uns bei dereantwortung der Frage, welche Konsequenzen wir zie-en, daran orientieren müssen, dass es natürlich Wissen-chaftseinrichtungen gibt, die glauben, das Bundesamtür Strahlenschutz sei, wie eine Universität, eine reineissenschaftseinrichtung. Das ist eine falsche Mess-atte, denn es handelt sich um eine Bundesoberbehörde.ür das, was dort getan wird, ist übrigens im Zweifel dereweilige Bundesminister zuständig. Eine Bundesober-ehörde ist weisungsgebunden.
eswegen müssen wir sie anders behandeln. Wenn auchie Messlatte also nicht immer richtig war, müssen wirie inhaltliche Kritik natürlich aufnehmen.Ich mache es überhaupt nicht mit, dass Personen, dien unserem Auftrag arbeiten, anders behandelt werdenls jeder Mitarbeiter, den wir einstellen oder der in derrivatwirtschaft arbeitet. Wenn wir den Eindruck hätten,ine Person habe nicht die richtige Qualifikation und seiehl am Platze, dann würden wir Wert darauf legen, dasso etwas als Personalsache behandelt wird und dass dieritik nicht zuerst in der Zeitung steht.
er das – auch aus dem Kreis des Wissenschaftsrates –nders macht, setzt sich dem Verdacht aus, an einem un-eliebten Nachfolger sein Mütchen kühlen zu wollen.azu sage ich Ihnen: Das mache ich nicht mit. Ich steheinter dem Präsidenten des Bundesamtes für Strahlen-chutz, hinter Wolfram König, und seinen Mitarbeiterin-en und Mitarbeitern. Eine öffentliche Diskreditierungon Mitarbeitern meiner Behörde werde ich nicht zulas-en; darauf können Sie sich verlassen.
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Bundesminister Sigmar GabrielNun zu den Kritikpunkten der Kollegin Kotting-Uhlinsbesondere bezüglich des Emissionshandels. Ich sagedas auch, weil in dieser Woche zwei Artikel erschienensind, in denen der Bundesregierung und auch mir vorge-worfen wird, dass wir – das haben Sie ja eben wiederholt –den Stromkonzernen bei der Festlegung der CO2-Minde-rungspflichten im Nationalen Allokationsplan 2008 bis2012 zu stark entgegen gekommen sein. Auch im Bun-destag wird so etwas immer wieder gesagt. Ich habe denEindruck, dass man dazu einmal ein paar Dinge sagenmuss, insbesondere zu den Grünen. Sie sind ja erst seitsieben Monaten nicht mehr in Regierungsverantwor-tung. Da müssten Sie sich doch ein bisschen an das erin-nern, was Sie selber im Nationalen Allokationsplan I ge-macht und damals – das haben Sie vielleicht vergessen –im Zuteilungsgesetz für den Nationalen Allokations-plan II, den wir jetzt machen sollen, vorgeschlagen ha-ben. Daran möchte ich gerne erinnern. Ihre Messlatteüberspringt die jetzige Koalition mit ihrem NAP II.Ganz locker machen wir das besser als Sie mit Ihrem ei-genen NAP und Ihren eigenen Vorschlägen zum NAP II.
– Warten Sie ab! Literaturstudium hilft an dieser Stelle.
Der im NAP II festgelegte Klimaschutzbeitrag derdeutschen Wirtschaft beträgt, Frau Kotting-Uhl, 15 Mil-lionen Tonnen CO2 pro Jahr. Die in Zeitungen zu lesen-den Behauptungen, es seien nur 3 Millionen Tonnen CO2pro Jahr, sind einfach Blödsinn. Aber es gibt ja Men-schen, die sich Ihre schon verfassten Artikel durch Sach-kenntnis nicht kaputtmachen wollen. Demgegenüberbeträgt der Klimaschutzbeitrag in der ersten Handels-periode – 2005 bis 2007 – 2 Millionen Tonnen CO2 proJahr. Sie haben einen NAP zu verantworten, in dem derKlimaschutzbeitrag der deutschen Wirtschaft 2 Millio-nen Tonnen CO2 pro Jahr beträgt – wir verantworten ei-nen mit 15 Millionen Tonnen.
Ich würde den Ball an Ihrer Stelle flach halten, ichwürde nicht zu laut schreien und etwas einfordern, wo-von Sie gerade einmal 10 Prozent haben realisieren kön-nen. Die große Koalition ist da deutlich besser.
– Dafür reichen die Grundrechenarten: Wenn Sie es bei2 Millionen Tonnen belassen haben und wir 15 Millio-nen Tonnen erreichen, dann sind wir doch ganz gut!
Wir gehen in dieser Entscheidung übrigens deutlichüber das hinaus, was im letzten Zuteilungsgesetz für diezweite Handelsperiode vorgesehen war – das hatten Sieja mit zu verantworten –: Da hatten Sie eine MinderungvrshfeAebenöUwksngmsfw–wesnKVcUmuWnSAdbssd
Moment! Sie glauben, dass man, ohne dass Wettbe-erb im europäischen Strommarkt hergestellt wäre, mitiner Auktionierung 10 Prozent der Windfall-Profits ab-chöpfen könnte. Aber das ist ein Irrglaube. Ihre Rech-ung geht nicht auf, weil die Konzerne die steigendenosten für Strom durch eine weitere Preisrunde auf dieerbraucher abwälzen werden; das ist es, was sie ma-hen werden.
nd Sie wissen ganz genau, dass das die Folge ist! Sieachen Politik auf dem Rücken der Verbraucherinnennd Verbraucher – das machen wir nicht.
ir wollen, dass den Energiekonzernen 15 Prozent we-iger zugeteilt werden, aber nur 1,25 Prozent bei dertrom verbrauchenden Industrie. Auch wir wollen dieuktionierung – auch ich will mehr als 10 Prozent: min-estens 50 Prozent –, aber bitte erst, wenn es einen Wett-ewerb auf dem europäischen Strommarkt gibt, und die-en müssen wir erst erstreiten.
Herr Minister Gabriel, ich muss Sie darauf aufmerk-am machen, dass, wenn Sie weiterreden – was Sie nacher Geschäftsordnung natürlich können, solange Sie
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3804 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Vizepräsidentin Petra Pauwollen –, dies auf Kosten Ihrer Kollegen bei den nach-folgenden Tagesordnungspunkten geht.Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Vielen Dank. Ich werde zusehen, dass ich zumSchluss komme; ich lasse ein paar Punkte einfach weg.Sie versuchen, ein kompliziertes Problem zu simplifi-zieren. Das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen; des-wegen wollte ich Ihnen Rede und Antwort stehen.Natürlich halten wir fest an dem Ziel, die CO2-Emis-sionen im Zeitraum 2008 bis 2012 um 21 Prozent zu ver-mindern.Ich will noch eine Bemerkung zur Kohle machen.Wir erhöhen den Haushalt für die Forschung an erneuer-baren Energien um mehr als 40 Millionen Euro und Siesagen, es gebe weniger Geld! Wie Sie zu Ihren Zahlengekommen sind, ist mir schleierhaft. Wir wollen, dassdie erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil an derStromerzeugung von 20 Prozent erreichen. Die 80 Pro-zent, die übrig bleiben, will ich nicht durch Atomstromdecken; das ist der Unterschied zur CDU/CSU – wobeiauch die nicht 80 Prozent durch Atomstrom decken wol-len.
Also bleiben Kohle und Gas. So viel Gas, dass wir denweltweiten Bedarf damit decken könnten, gibt es garnicht auf der Welt. Also werden wir auch Kohle nutzenmüssen.
Auch ich will einen möglichst hohen Gasanteil; deswe-gen werden wir 7 500 Stunden bei den Standardauslas-tungsfaktoren geben.Wir werden jedoch – wie gesagt – weiterhin auch dieKohle nutzen müssen und brauchen dafür neue Techno-logien: Wir brauchen höhere Wirkungsgrade und natür-lich müssen wir an der CO2-Abscheidung forschen. Eswäre abenteuerlich, zu glauben, es ginge ohne sie! Siemachen den Menschen etwas vor, nur um Ihre ideologi-sche Energiepolitik durchhalten zu können. Das wird mituns nicht funktionieren.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir hiernoch einmal die Gelegenheit haben, uns über das Themaausführlicher zu streiten. Sie können sich jedenfalls da-rauf verlassen, dass mir das viel Spaß macht.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Kollege Michael Kauch hat für die FDP-Fraktion
das Wort.
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Das zeigt deutlich: Sie wissen nicht, in welche RichtungSie hier wollen. Sie haben das Vertrauen der Branche be-reits verspielt. Wir als FDP sagen: Es muss Vertrauens-schutz für die Instrumente geben, die wir erst vor zweiJahren fraktionsübergreifend beschlossen haben.Meine Damen und Herren, insbesondere von derCDU/CSU, vor der Wahl haben Sie gesagt, die Belastun-gen müssten ein Ende haben. Jetzt aber unternehmen Siemit der Aufhebung der Steuerbefreiung einen Schritt,durch den der Benzinpreis um zwei Stufen der Öko-steuer der rot-grünen Koalition hochgetrieben wird. Dasist die Realität Ihrer Umweltpolitik. Vor der Wahl habenSie gesagt, dass es keine Belastungen geben werde. Jetztkassieren Sie die Bürger schamloser ab, als es Rot-Grünjemals getan hat.
– Frau Hinz, ich glaube, den Preis für den Oberlehrer ha-ben Sie am Beginn der Debatte bereits gewonnen.azcMNsgsEFgdzigWnnsbznLUaleKtWRKg
Lassen Sie mich noch auf einige Punkte eingehen, dieus meiner Sicht notwendig sind, um die Umweltpolitikukunftsgerichtet zu gestalten. Aus Sicht der FDP brau-hen wir insbesondere im internationalen Natur- undeeresschutz mehr Anstrengungen. Wenn man sich denaturschutzbericht des letzten Jahres anschaut, dannieht man, dass wir hier erhebliche Defizite haben. Eseht darum, das genetische Reproduktionspotenzial un-eres Planeten für kommende Generationen zu erhalten.s geht um Artenschutz- und Naturschutzabkommen.ür den Meeresschutz ist mehr Mut erforderlich. Dazuehört auch, dass man in Verhandlungen dafür eintritt,ass die Industriefischerei verboten wird.
Wir müssen durch Armutsbekämpfung, Holzzertifi-ierung und mehr Rechte für die indigenen Völker – dasst auch eine Aufgabe der Außenpolitik – gegen den ille-alen Holzeinschlag in den Urwäldern vorgehen.
ir brauchen mehr Naturschutz mit den Menschen undicht gegen sie. Das gilt in unserem eigenen Land ge-auso wie global.Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, ge-
tatten Sie mir bitte einen Hinweis. Mir wurde gerade
erichtet, dass uns eine leibhaftige Wurstkönigin
uhört. – Sie sind aufgrund unseres nächsten Tagesord-
ungspunktes extra aus dem Land Thüringen angereist.
eider müssen Sie sich noch ein wenig gedulden.
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött von der
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatteuch auf meinem Zettel stehen, dass Sie da sind: Herz-ich willkommen!
Die große Koalition hat sich in ihrer Koalitionsver-inbarung darauf verständigt, in der Umweltpolitik aufooperation, auf eine Kombination aus Eigenverantwor-ung der Wirtschaft und der Bürger sowie Markt undettbewerb und auf die notwendigen verbindlichenechtsnormen und ihre wirksame Kontrolle zu setzen.urz: Wir haben die Umweltpolitik wieder auf die Beineestellt. Sie schwebt nicht mehr im Träumerisch-Ideolo-
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Marie-Luise Döttgischen, sondern ist dort, wo sie hingehört, nämlich beiden Menschen.
Mit unserer Umweltpolitik leisten wir einen zentralenBeitrag zur Modernisierung der Gesellschaft. Sie istein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung und sorgtfür neue qualifizierte Arbeitsplätze. Die Diskussion überÖkologie oder Ökonomie ist eine Diskussion von ges-tern. Ökonomie und Ökologie, vereinbart in einer ökolo-gisch orientierten sozialen Marktwirtschaft, das ist derWeg in die Zukunft.
Umweltschutz mit den Menschen und nach den Regelneiner ökologisch orientierten sozialen Marktwirtschaftbedeutet auch weniger Gängelei, weniger Bevormun-dung, mehr Freiheit, mehr Kreativität und damit mehrFortschritt für die Menschen und für die Umwelt. Wirwollen mehr Umweltschutz durch mehr Freiheit.
Die Föderalismusreform, die wir in der kommendenWoche verabschieden werden, wird uns den Weg eröff-nen, nach vielen Anläufen endlich ein einheitlichesUmweltgesetzbuch zu entwickeln. Mit diesem Umwelt-gesetzbuch werden wir das stark zersplitterte deutscheUmweltrecht vereinfachen, ohne dass dies zulasten desUmweltschutzes oder der Bürgerbeteiligung geht. Wirwollen mehr Umweltschutz mit weniger Bürokratie.
Die großen umweltpolitischen Herausforderungen,denen sich die Regierungskoalition stellt, liegen auf derHand. Allen voran sind dies der weltweite Verlust anbiologischer Vielfalt und der Klimawandel. Beides sindProbleme von globaler Dimension, denen wir national,auf der Ebene der Europäischen Union und internationalmit einer Vielzahl geeigneter Instrumente begegnenmüssen. Der Bundeshaushalt, den wir in dieser Wochediskutieren und beschließen werden, muss und wird dieswiderspiegeln.Deutschland verfügt über eine Vielzahl von Land-schaften. Hochgebirge, Mittelgebirge, Flachland, Fluss-täler und Küstenstreifen haben eine große biologischeund auch eine großartige kulturelle Vielfalt hervorge-bracht. Um die biologische Vielfalt zu sichern, sind aus-reichend große geschützte Räume erforderlich, in denensich die Natur ohne belastende Eingriffe des Menschenentfalten kann.
Eine Vernetzung dieser Flächen ist notwendig, um dennegativen Folgen von Zerschneidung und Verinselungentgegenzuwirken.
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Der Klimawandel ist einer wachsenden Zahl vonenschen durchaus bewusst. Täglich erreichen uns neueorschungsergebnisse über das Ausmaß und weitere De-ails seiner Folgen. Seit der Konferenz von Rio imahre 1992 ist Deutschland Vorreiter beim Klimaschutz.ir müssen und werden diese Rolle national, auf euro-äischer Ebene und im internationalen Kontext weiterusbauen. Dabei werden wir auch Anwalt unserer wohl-erstandenen eigenen Interessen als große Industriena-ion sein.
ir müssen uns mit den Instrumenten, die uns zur Verfü-ung stehen und die wir entwickeln, darauf konzentrie-en, vordringlich das zu tun, was rasch zu möglichst gro-en CO2-Einsparungen zu bezahlbaren Preisen führt.ir brauchen also nicht nur eine größere Energieeffi-ienz. Wir müssen auch bei der Wahl der Instrumente,ie wir für den Klimaschutz einsetzen, Politikeffizienzeweisen.Mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm gehenir diesen Weg. Angesichts der angespannten Haus-altslage leisten wir dabei einen Kraftakt, um das großeotenzial zur wirtschaftlichen Einsparung von Energieesser als bisher nutzen zu können. Wir erhalten undchaffen dadurch Arbeitsplätze in Handwerk und Mittel-tand, schützen Haushalte vor hohen Energiepreisen undeisten einen kostengünstigen Beitrag zum Klimaschutz.
enn ich, wie eben, von Energieeffizienz spreche, danneine ich, dass wir uns auch die Zeit nehmen sollten, dieirkung des Gebäudesanierungsprogramms zu beo-achten und zu analysieren, bevor wir über neue und zu-ätzliche Instrumente im Wärmebereich entscheiden.Um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, brauchenir einen breit gefächerten Energiemix, bei dem wederinzelne Energieträger bzw. Energietechnologien privi-egiert werden noch auf spezifische Energieträger will-ürlich verzichtet wird. Wir wollen grundsätzlich alleptionen für die Nutzung der verfügbaren Energieträgerffen halten.
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Marie-Luise DöttNach meiner Überzeugung ist eine globale Lösung derCO2-Problematik ohne eine friedliche Nutzung derKernenergie undenkbar. Nur mit Energieeinsparungenund dem verstärkten Einsatz alternativer Energien lassensich der weltweit steigende Energiebedarf und die welt-weiten Klimaschutzziele aus meiner Sicht nicht errei-chen.Wir nehmen mit der friedlichen Nutzung der Kern-energie auch unsere internationale Verantwortung wahr.Angesichts des wachsenden Energiebedarfs in der Weltund angesichts der Sicherheitsstandards deutscher Kern-kraftwerke ist aus meiner Sicht ein Abschied Deutsch-lands aus der Kerntechnik und der Kernsicherheitsfor-schung nicht vertretbar.
Nicht vertretbar ist aber auch eine weitere Verzögerungin der Entsorgungsfrage. Das Ein-Endlager-Konzept desHerrn Trittin hat sich als reine Verzögerungsstrategieenttarnt. Die damit auch verbundenen finanziellen Risi-ken in Milliardenhöhe waren deshalb zu Recht in das Vi-sier des Bundesrechnungshofes geraten.Ich sage hier klar für die Union: Es liegt in der Ver-antwortung unserer Generation, die die Kernenergienutzt, die Voraussetzungen für die Endlagerung zuschaffen. Wir werden deshalb darauf dringen, die Koali-tionsvereinbarung umzusetzen und die Endlagerfrage indieser Legislaturperiode zu beantworten.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist nicht nurein schönes Land mit einer schützenswerten Natur.Deutschland ist auch eine große und – trotz der Ergeb-nisse intensiver Nabelschau – reiche Industrienation.Dies wird dank unserer Politik auch so bleiben.
Rund um den Erdball leiden jedoch immer mehrMenschen unter den Folgen der Übernutzung der natürli-chen Ressourcen, unter zunehmender Wasserknappheit,unter immer länger anhaltenden Dürren und unter sichausdehnenden Wüsten. Die Folgen von Raubbau undnicht nachhaltiger Nutzung treten immer offener zutage.Die Mehrzahl der kriegerischen Auseinandersetzungender vergangenen Jahre wurde durch Streit um die Nut-zung natürlicher Ressourcen ausgelöst. Immer häufigersuchen Menschen auf der Flucht vor unmenschlichenUmweltbedingungen das Wohl für sich und ihre Fami-lien jenseits der Grenzen ihrer Heimat. Der Begriff„Wirtschaftsflüchtling“, der noch vor Jahren die Debattebeherrschte, wird allmählich durch den Begriff „Um-weltflüchtling“ ersetzt.Ich komme zum Schluss. Der Schutz der natürlichenLebensgrundlagen und die Bekämpfung der Armut sindzwei Seiten einer Medaille. Nur wenn es gelingt, denTdadbdSsdUewUkmwvW3VajwbvvU2khvvDKnZlSdg
Wir möchten dazu einen Vorschlag machen, der denmwelthaushalt betrifft. Im Umwelthaushalt könneneine Mittel gestrichen werden. Vielmehr müssen wirehr Mittel in den Umwelthaushalt geben. Dazu solltenir Vorschläge unterbreiten. Ich denke, Sie wissen, wo-on ich spreche.
enn nicht: Minister Gabriel hat gestern von0 Wissenschaftlern der Humboldt-Universität einenorschlag zum Zertifikatehandel erhalten. Das heißtlso, dass sich Wissenschaftler damit befassen. Das sinda keine Menschen, die ignorant sind. Im Gegenteil, sieissen, wovon sie sprechen. Sie haben diesen Vorschlagekräftigt.Die Bundesrepublik – das hört der Minister nicht gern –erschenkt jährlich Berechtigungen über den Ausstoßon rund 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid an dienternehmen. In der ersten Handelsperiode 2005 bis007 werden den Stromversorgern sämtliche Zertifikateostenlos überlassen, obwohl die Möglichkeit bestandenätte, wenigstens 5 Prozent davon zu versteigern. Somiterzichtet der Finanzminister auf Einnahmen in Höheon schätzungsweise 1 Milliarde Euro im Jahr.
iese Milliarde wandert als Extraprofit direkt in dieassen der Stromkonzerne. Schließlich haben die Unter-ehmen nach eigenem Bekunden den Marktwert derertifikate, welcher zeitweise bei 30 Euro je Tonne CO2ag – wir wissen, er liegt jetzt niedriger –, voll in dentrompreis eingepreist. Beim Bundeskartellamt läufteswegen eine Klage kleinerer Unternehmen gegen dieroßen Energiekonzerne. Wir sind gespannt, wie das
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Eva Bulling-Schröterausgehen wird. Aber ich finde, schon die Klage ist le-senswert.Trotzdem soll auch in der um zwei Jahre längerenHandelsperiode von 2008 bis 2012 kein einziges Zerti-fikat per Auktion an die Unternehmen gehen. Die Bun-desregierung hat sich dazu offenbar am vergangenenWochenende endgültig entschieden – Minister Gabrielhat das heute bekräftigt –, obwohl nach EU-Recht mittler-weile sogar 10 Prozent versteigert werden könnten. Ei-nige europäische Länder haben damit begonnen. Wirsollten genau beobachten, was dort passiert. Deutschlandverzichtet jedenfalls – nach heutigen Marktpreisen – aufrund 4,8 Milliarden Euro und schiebt sie den Stromver-sorgern als Zusatzprofite zu.
Herr Minister Gabriel, Sie haben davon gesprochen,dass Sie 2013 50 Prozent der Zertifikate versteigernmöchten. Das ist sicherlich ambitioniert, auch wenn100 Prozent, wie wir fordern, besser wären. Aber wiewollen Sie verhindern, dass die Oligopole die Strom-preise weiter erhöhen? Hier geht es um Marktmacht. Esmuss verhindert werden, dass die Energiekonzerne dieeingepreisten Zertifikate noch einmal als Vorwand fürPreiserhöhungen nehmen. Hierüber ist eine Diskussiondringend notwendig.
Die Bundesregierung war im Übrigen seinerzeit ent-scheidend daran beteiligt, dass die Versteigerung alsGrundprinzip in der EU-Emissionshandelsrichtlinienicht aufgenommen wurde.Eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Umwelt-stiftung WWF kommt zu folgendem Ergebnis: DemBundesetat gehen zwischen 2005 und 2012 30 Milliar-den bis 60 Milliarden Euro verloren. Die Verbraucherzahlen im selben Umfang für diese leistungslos erzieltenZusatzgewinne der Stromversorger. Das bedeutet, dassdie 30 Milliarden, die die Energiewirtschaft kürzlich aufdem Energiegipfel als Investitionen in diesem Zeitraumangekündigt hat, allein aus diesen Extraprofiten bezahltwerden könnten. Diese Profite machen zudem ein Mehr-faches dessen aus, was die Bundesregierung mit ver-schärften Kontrollen aus den Arbeitslosengeld-II-Emp-fängerinnen und -Empfängern herauspressen will.
Den ohnehin in Reichtum schwimmenden Konzernenund deren Aktionären wird das Geld in den Rachen ge-worfen, während bei den Ärmsten weiter gestrichen undmit kleinlicher Bespitzelung die Menschenwürde ange-tastet wird.
Ich habe leider keine Zeit mehr, um auf die umwelt-politische Lenkungswirkung des Allokationsplans einzu-gehen. Zudem sind die Regelungen für Neu- und Ersatz-a–dfesnDwGlgwewHFHnmdNfVWSnmlSFgnznb1sn1di
Kommen wir aber zurück zum Haushalt und zu deninanzierungsfragen. Auch hier spielt das Thema eineroße Rolle. Man kann Ihnen, Herr Minister, wirklichicht vorwerfen, dass Sie das Geld mit beiden Händenum Fenster hinauswerfen – so große Hände hat nämlichiemand. Herr Gabriel, Sie haben einen Kohleschaufel-agger ins BMU gestellt, der jeden Tag mehr alsMillion Euro in die Konzernzentralen der Energiever-orgungsunternehmen umschaufelt. 500 bis 750 Millio-en Euro pro Jahr könnten Sie erzielen, wenn Sie0 Prozent der Emissionszertifikate versteigern wür-en. Sie tun es aber nicht. Deswegen haben Sie Löchern Ihrem Haushalt.
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Hans-Josef FellIch frage Sie: Woher kommt die Rücksichtnahme aufdie großen Energiekonzerne? Statt „Haltet den Dieb!“ zurufen und das den Bürgern genommene Geld von denEnergieversorgern wieder zurückzufordern, kürzen Sielieber die Fördermittel für erneuerbare Energien. Zumzweiten Mal in diesem Jahr wird die Förderung drastischgekürzt.
Bei einfachen Sonnenkollektoren wurde sogar fast dieHälfte zusammengestrichen. So viel Mut hätten wir unsvon Ihnen bei der Kohle gewünscht.Womit werden die Kürzungen bei Solaranlagen undHolzpellets begründet? Der Topf ist leer. Kein Wunder,dass er leer ist, wenn man das Geld vorher schon ver-schenkt hat. Kein Wunder auch angesichts der Tatsache,dass die Mittel für den Markteinführungstitel um13 Millionen Euro gekürzt worden sind. Bei genauererBetrachtung ist auch Ihre Erhöhung der Energiefor-schungsmittel um 43 Millionen Euro keine wirklicheErhöhung. Fragen Sie Herrn Kollegen Schulte-Drüggelte; er wird es Ihnen erklären können. Stattdessenhaben Sie über einen Haushaltstrick nur den Haushalts-ansatz erhöht; die Erhöhung der Mittel ist nur gering.
An anderen Stellen finden wir ähnliche Vorgaben derBundesregierung. Beispielsweise hat Herr Landwirt-schaftsminister Seehofer die Mittel für Bioenergien ge-kürzt. Sein CSU-Kollege und Wirtschaftsminister Gloskürzt die Mittel für die Exportförderung erneuerbarerEnergien. Dabei ist zu betonen, dass das Parlament mitseiner schwarz-roten Mehrheit die Kürzungsvorschlägeder Regierung sogar getoppt und noch etwas draufgelegthat. Die Anträge der Grünen zur Erhöhung der Ener-gieforschungsmittel im Haushalt der Bildungs- und For-schungsministerin um 50 Millionen Euro aber, für diewir sogar einen Deckungsvorschlag gemacht haben, ha-ben Sie einfach abgelehnt.
Die Bundesregierung hat sich mittlerweile überlegt,wo sie zusätzliches Geld herbekommen kann. Wo ist siefündig geworden? Es wurde hier schon zu Recht mehr-fach kritisiert: bei den Biokraftstoffen. Diese sollenzum Teil schon ab diesem Jahr besteuert werden, mehrnoch ab 2007 und wiederum mehr ab 2009; danach sollmöglichst voll zugegriffen werden.
Die schwarz-rote Bioenergiesteuer werden wir im nächs-ten Wahlkampf zur Wahl stellen. Dann kann der BürgerUnion und SPD die Quittung geben.
Man muss sich fragen: Wieso macht Schwarz-Rot ge-nau das Gegenteil dessen, was Sie in Energiesonntagsre-den und Parteiprogrammen verkündet haben? WissenSdwEswsrwsBnAssgsdrgwdSBmK7KfhtSwewgawAAIrvsgeuGnßn
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In diesen 20 Jahren wurde viel erreicht, auch deshalbweil im Haushalt immer wieder Mittel für wichtige In-vestitionen bereitgestellt worden sind. Das gilt für diesenHaushalt ebenfalls – siehe Marktanreizprogramm –;meine Kollegin Petra Hinz hat dazu genug gesagt.Herr Fell, man muss sich die Zahlen anschauen. Mankann sich natürlich einzelne Posten herausgreifen, aberwenn man die erneuerbaren Energien betrachtet, mussman die Gesamtzahl sehen. Insofern haben wir die Mit-tel erhöht. Das wird niemand in Abrede stellen. MankFcGSdpniduzzSdukMsswndlgdzWeBuMVgnhssdkbtsnt
Ich möchte noch einen Schlenker zur Opposition ma-hen. Auf der einen Seite hören wir, wir hätten zu vieleld in den Naturschutz gesteckt, und auf der andereneite hören wir, Naturschutz sei überhaupt nicht vorhan-en. Daran sieht man ein bisschen, wo hier die Diskre-anz ist.Herr Fell, Sie können uns vieles vorwerfen, wir kön-en auch sicherlich über einiges diskutieren. Aber klarst: Die SPD hat im Europaparlament deutlich gemacht,ass sie diesen Weg im Atombereich nicht gehen will,nd hat dazu auch Anträge gestellt. Das müsste einmalur Kenntnis genommen werden; denn das sind auch So-ialdemokraten.
Was die Atomkraft angeht, könnte ich mir jetzt einenchlenker zum Koalitionspartner erlauben, aber ich sageazu nichts. Auch wir wollen sichere Endlager und sindns unserer Verantwortung bewusst. Nur, eines ist auchlar: Ein sicheres Endlager wird es niemals geben. Keinensch kann nämlich sagen, wie lange ein Endlager,elbst wenn es so sicher wie möglich ist, hält. Das müs-en wir den Leuten fairerweise sagen. Es ist klar, dassir unserer Sorgfaltspflicht gerecht werden müssen.Bei allen Anstrengungen wissen wir, dass wir unsicht hinter den Erfolgen verstecken dürfen. Angesichtses angesprochenen Dilemmas können wir uns sicher-ich nicht zurücklehnen. Nicht nur wegen des notwendi-en Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen bleibtie Umweltpolitik unverzichtbar, sondern auch, weil sieunehmend zu einem Investitionsfaktor geworden ist.enn Investitionen zielführend eingesetzt werden undin sinnvoller Rahmen gesetzt wird, eröffnet uns dieserereich ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, welchesnserer Wirtschaft sowie der Umwelt und damit denenschen zugute kommt.Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn es um denerbrauch unserer Ressourcen und den Klimawandeleht. Mittlerweile vergeht keine Woche ohne Horror-achricht. Meistens lautet der Inhalt: Das Institut XY haterausgefunden, dass der Klimawandel weiter vorange-chritten bzw. heftiger ist, als bisher angenommen. Keineriöser Wissenschaftler bezweifelt noch den Klimawan-el. Im Gegenteil: Einstige Kritiker, neulich der Physi-er Armin Bunde, veröffentlichen Studien, mit denen sieeweisen, dass sie früher Unrecht hatten, als sie bestrit-en, dass der Klimawandel hauptsächlich von den Men-chen verursacht wurde.
Auch die neueste Nachricht ist nicht gerade hoff-ungsbringend: Ein norwegisches meteorologisches Ins-itut zeigt, dass im Frühjahr die Temperaturen auf Spitz-
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Marco Bülowbergen 13 Grad zu hoch waren. Jeder in diesem Saalweiß, welche Auswirkungen es hat, wenn das Eis schnel-ler schmilzt. Die Reflexion des Eises ist sehr wichtig,weil sie verhindern kann, dass sich die Erdatmosphäreweiter erhitzt. Mittlerweile wissen wir ziemlich genau,was es bedeutet, wenn der Meeresspiegel steigt, sich dieKlimazonen verschieben und die Umweltgewalten häu-figer auftreten bzw. heftiger werden.Abgesehen von der direkten Betroffenheit der Men-schen werden durch den Klimawandel immense Kostenauf uns zukommen. Es sind Kosten, die wir irgendwannim Haushalt zu schultern haben werden, vielleicht nichtim Umwelthaushalt, aber in vielen anderen Bereichen.Wir wissen also, wie groß unsere Spielräume noch sindund was auf uns zukommen wird.Ja, wir tun einiges, zum Beispiel haben wir das Er-neuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht. Esgehört nicht zum Umwelthaushalt, leistet aber einen kla-ren Beitrag zur Förderung der erneuerbaren Energien.Inzwischen ist es international als das Instrument über-haupt anerkannt.
Wir sorgen auch für eine Steigerung der Energieeffi-zienz; in diesem Bereich wollen wir deutlich zulegen.Ich glaube, wir, die Umweltpolitiker aller Fraktionen,sollten dem Umweltministerium jede Unterstützung ge-ben, damit wir bei der Steigerung der Energieeffizienz,beim Ausbau der erneuerbaren Energien und beimKampf gegen den Klimawandel erfolgreich sein werden.
Zum Schluss wollte ich eigentlich noch genauer aufeinen Punkt eingehen – das schaffe ich leider nichtmehr –, an dem man erkennt, dass manches auch nichtfunktioniert; ich meine die Verbreitung von Dieselruß-partikelfiltern. Ich sage dazu nur einen Satz: Ich for-dere die Länder auf, den guten Vorschlag zum Umgangmit dieser Innovation, der dankenswerterweise von derRegierung eingebracht wurde, zu unterstützen.
Häufiger als man denkt, stellt man fest, dass Schutzund Innovation zusammengehören. Das Dilemma kannaufgelöst werden. Doch man muss die Chancen bündelnund nutzen. Einsatz für die Umwelt heißt Einsatz für denMenschen. Das sollten wir in dieser, aber auch in allenkünftigen Haushaltsperioden im Bewusstsein mit unstragen.Vielen Dank.
Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege
Ulrich Petzold für die Unionsfraktion das Wort.
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ir haben – unter Beachtung der globalen Minderaus-abe – eine effektive Erhöhung um 2,4 Prozent erreicht,nd zwar in einem Haushaltsjahr, das finanziell sehrchwierig ist.Es ist natürlich auch wichtig, welche Schwerpunktem Haushalt gesetzt wurden. Nach unserem Verständnisuss ein Schwerpunkt auf der Investition in Köpfe, alson Wissen und Forschung, liegen. Deshalb wurde in deritelgruppe 02 – erneuerbare Energien – der Ansatz fürorschungs- und Entwicklungsvorhaben um 23 Millio-en Euro erhöht und damit mehr als verdoppelt. Diesenrfolg sollte man klar und deutlich vermitteln.Auch die Investitionszuschüsse zur möglichst breiteninführung der erneuerbaren Energien wurden bei einemuwachs von 20 Millionen Euro fast verdoppelt. Das isturchaus etwas, worauf wir als Umweltpolitiker stolzein können. Es sollte also nicht immer nur gemeckerterden.
Natürlich müssen wir uns darüber im Klaren sein,ass der Haushalt 2006 nur ein Übergangshaushalt undigentlich der Aufgalopp für den Haushalt 2007 ist. Vie-es, was in den vergangenen Wochen im Umweltaus-chuss besprochen und beraten worden ist, muss weitererfolgt werden, damit es in Zukunft zu einer Umset-ung kommt. Denn wir alle wissen: Die nächsten Haus-alte werden nicht einfacher. Wir müssen noch ganzchön viel Geld einsparen.Da heißt es, zum Beispiel abzuwägen, ob Doppelun-en, die in verschiedenen Haushalten vorhanden sindich nenne in diesem Zusammenhang den Bereich dernlagensicherheit, welcher sich sowohl beim Arbeits-chutz als auch beim Umweltschutz findet –, weiter be-tehen bleiben sollen oder ob wir hier nicht zu einer Ver-infachung kommen können.Liebe Freunde, dass wir durchaus noch Einspar-otenzial haben, habe ich bereits in der Ausschusssit-ung am Beispiel der Subventionierung der Aufarbei-ung von Altöl zu Basisöl nachgewiesen.
eder von uns Umweltpolitikern ist überzeugt, dass ins-esondere die Aufarbeitung von hochwertigen Altölennbedingt geboten ist.
ir subventionieren diese Aufarbeitung dementspre-hend mit 731 000 Euro. Wenn wir aber fragen, warum
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3812 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Ulrich Petzoldsubventioniert werden muss, dann müssen wir auf unsselbst zeigen: In § 51 des Energiesteuergesetzes stellenwir die Verwendung von Altölen als Brennstoff in dermineralogischen Wirtschaft von der Mineralölsteuer frei.Demzufolge handelt es sich um eine Subvention, die ei-ner anderen Subvention entgegenwirkt. Hören wir alsomit diesem irrsinnigen Subventionsringelspiel auf! Wirhaben mit dem Energiesteuernachfolgegesetz alle Mög-lichkeiten dazu.
Wenn wir als Umweltpolitiker Einsparvorschläge ma-chen, dann tun wir dies nicht ohne Hintergedanken.Die größte und beste Ressource, die wir in Deutsch-land haben, ist unsere Jugend und ihre möglichst guteAusbildung. Seit dem im Jahre 2004 geschlossenen Na-tionalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchsin Deutschland gilt eine 7-prozentige Ausbildungsquotefür alle Bundesbehörden. Zurzeit bildet das Umweltbun-desamt 65 junge Menschen aus und gibt ihnen damiteine Zukunft. Am Standort Dessau haben sich in diesemJahr etwa 1 000 Jugendliche auf zehn Ausbildungsplätzebeworben, obwohl es für diese Ausbildungsplätze keineÜbernahmezusage gab.Das derzeitige Verfahren sieht vor, dass diese Jugend-lichen im Umweltbundesamt für zwölf Monate weiterbeschäftigt werden. Aber durch die jährlichen Stellen-kürzungen, durch die zusätzlichen Einsparauflagen unddurch den vereinbarten Solidarbeitrag der öffentlichenVerwaltung zur Konsolidierung des Bundeshaushaltessind die 1,4 Millionen Euro, die für eine Weiterbeschäf-tigung dieser Jugendlichen notwendig wären, nicht mehrvorhanden. Es wäre aber ein fatales Signal, wenn die be-fristeten Anschlussverträge für die Ausgebildeten nichtmehr beibehalten werden könnten.
Nach Ansicht aller Mitglieder unserer Arbeitsgruppewäre hier eine positive Entscheidung sehr wichtig. DieMöglichkeiten für eine Gegenfinanzierung habe ich vor-hin dargestellt. Herr Bundesminister, tun wir auch imHaushaltsjahr 2007 etwas Gutes. Tun wir etwas für un-sere Jugend!Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan
16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit. Wir stimmen über die Ausschussfas-
sung ab. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthal-
tungen? – Dann ist der Einzelplan 16 mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der drei
Oppositionsfraktionen angenommen.
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Das ist erschreckend. Ich werde das, wie ich glaube, jetztjedem anhand von Beispielen aufzeigen können.Wenn man ein Wort wie „Sofortprogramm“ hört,dann glaubt man erstens, es handele sich um ein Pro-gramm, und zweitens, es komme sofort. Wie aber stehtes um das von diesem Minister auf den Weg gebrachteSofortprogramm – natürlich zehn Punkte umfassend,weil es ja auch die Zehn Gebote gibt?
– Ich denke, es gibt da schon Beziehungen zwischen po-litischer Arbeit und der konfessionellen Orientierungvon Herrn Seehofer.
Als wir nach einer gewissen Zeit in Form einer KleinenAnfrage fragten, was eigentlich aus dem Zehnpunkte-programm geworden ist, musste selbst die Bundes-regierung erklären, eigentlich nichts: versprochen – ge-brochen!Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion um dieEinstandspreise.
Wo sind die Aktivitäten, um dieses in meinen Augen fal-sche, aber politisch artikulierte Ziel zu erreichen?Nehmen wir einen weiteren Punkt. Wir, die wir in die-sem Bereich politisch tätig sind, haben davon geträumt,dass den Landwirten mehr Freiheiten eingeräumt wer-den. Warum wurde die Chance dazu nicht genutzt, zumBeispiel bei der Umsetzung der Legehennenverordnungoder der Schweinehaltungsverordnung? Warum konntenwir uns nicht dazu entschließen, die europäischen Vorga-ben eins zu eins in nationales Recht umzusetzen?
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Liebe Kollegin Wolff, wir alle haben darauf vertraut,ass man sich auf gesetzliche Bestimmungen und dieorte von Ministern verlassen kann.Oder nehmen Sie den Zickzackkurs in der Grünenentechnik. Lesen Sie einfach das, was heute in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung“ dazu steht.Nehmen Sie einen weiteren Punkt im Zusammenhangit der Vogelgrippe: Impfen statt Töten. Damals, alser erste Fall auftrat, sind Sie, Herr Seehofer, in großerournalistischer Begleitung und mit sehr wenig Sachver-tand in die Rügenszene eingestiegen. Wir haben schonamals gesagt, dass wir impfen statt töten sollten. Es warochinteressant, bei einem Besuch in den Niederlandenestzustellen, dass sich andere Länder viel globaler ori-ntieren, mehr Tierschutz realisieren und mehr Pla-ungssicherheit für die intensive Landwirtschaft schaf-en.
ch bleibe dabei, moderne und zukunftsfähige intensiveandwirtschaft ist nur mit vernünftigen Impfmethodenu haben, nicht aber, wenn man nach dem Motto ver-ährt: Wir schlagen tot, wenn ein Einzelfall auftritt. –afür gibt es überhaupt keine gesellschaftliche Akzep-anz. Wir haben es bei der großen Koalition mit einerenge Dilettantismus zu tun.Nehmen Sie ein weiteres Beispiel: die Erntehelfer.s gibt 4,5 Millionen Arbeitslose und wir glauben, dasroblem der Arbeitslosigkeit dadurch regeln zu können,ass wir ein Kontingent von Erntehelfern festlegen. Dasst ein Schwachsinn sondergleichen. Dieses Kontingentann gar nicht ausgefüllt werden. Wenn Sie vor Ort ge-en, dann werden Sie feststellen, dass das überhaupticht geklappt hat. Das hat im Gegenteil zu einer riesi-en Verunsicherung und zu viel Ärger geführt, weil esomische Kontrollen gegeben hat. In der Sache hat dasberhaupt nichts gebracht. Im Übrigen bin ich der Mei-ung, dass es in diesem Zusammenhang nicht klug ist,ie Grenzen zu schließen. Mein Gott, was ist dennchlimm daran, wenn bei uns 10 000 Polen Geld verdie-en, sie mit diesem Geld nach Hause gehen, sich etwasufbauen und mit dem Geld, das sie ausgeben, auch un-ere Wirtschaft ankurbeln? Wo ist da das Problem?
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Hans-Michael GoldmannWir müssen das Problem lösen, sonst kommt es imHerbst erneut auf uns zu. Das kann überhaupt nicht inunserem Interesse sein.Ich will nun zu den Dingen kommen, die sehr popu-listisch gehandhabt werden und flach angelegt sind.
– Lieber Georg, animier du erst einmal deine bayrischenFreunde, damit sie den Bären fangen. Dann können wiruns wieder vernünftig unterhalten.
Lassen Sie mich ein paar Worte zur gegenwärtigenDiskussion über das Rauchen sagen. Das ist nichts an-deres als ein großes Ablenkungsmanöver; denn erstenssollten Sie einmal fragen, wer für diesen Bereich zustän-dig ist, und zweitens sollten Sie sich um eine einheitlicheLinie bemühen. Warum sagen führende Politiker aus denKoalitionsfraktionen etwas völlig anderes als HerrSeehofer?
Ähnlich verhält es sich mit der Grünen Gentechnik. HerrSeehofer will die Grüne Gentechnik auf den Weg brin-gen, aber die CSU in Bayern hält die Grüne Gentechnikfür Teufelswerk. Hier ist keine gemeinsame Linie zu er-kennen.
Und lassen Sie uns nicht die Dinge vermischen! Das EU-Werbeverbot hat überhaupt nichts mit dem Nichtrau-cherschutz zu tun, den Herr Seehofer jetzt propagiert.Ich glaube, hier handelt es sich um einen deutlichen Fallvon mangelndem fachlichem Tiefgang und hier wirdnach meiner Auffassung unqualifiziert in die Landschaftgepustet.Nehmen Sie ein letztes Beispiel, weil ich nicht mehrso viel Redezeit habe. Eines Tages kommt der Ministerund sagt, er wolle ein deutsches Reinheitsgebot fürWein.
– Herr Kollege, ich schlage vor, Sie gehen einmal dort-hin, wo Menschen qualitativ hochwertigen Wein ma-chen. Unterhalten Sie sich einmal mit der KolleginKlöckner darüber!Wer der Meinung ist, dass die Forderung, ein deut-sches Reinheitsgebot für Wein herauszuposaunen, einekluge und marktorientierte ist, der hat schlicht und er-greifend keine Ahnung. Wer ein deutsches Reinheitsge-bot für Wein fordert, der muss ein bayrischer Biertrinkersein und der bewegt sich in einer sehr engen Welt. MeinKollege Wissing hat Recht und du, Julia Klöckner, weißtes ganz genau: Die Forderung nach einem Reinheitsge-bot für Wein ist eine Schnapsidee.tLsAeIiehUHrwmzfWb5lacsrcsudV
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Herr Kollege Goldmann, wenn man dem ande-en vorwirft, er sei nicht Handwerker, sondern Mund-erker, dann verfällt man schnell in einen Slang, in deman – wie Sie es gemacht haben – etwas vom Bären er-ählt.
Lassen Sie mich einen Punkt aufnehmen, den Sie solapsig angesprochen haben: die Erntehelfer.
enn man in seinem Wahlkreis, so wie ich, 25 000 ar-eitslose Menschen hat und gleichzeitig weiß, dass dort000 bis 6 000 polnische – wahrscheinlich sind es mitt-erweile eher bulgarische oder rumänische – Erntehelferrbeiten, so muss es doch der Anstrengung aller redli-hen Menschen wert sein, wenigstens einige dieser deut-chen Arbeitslosen in Arbeit und Brot zu bringen.
Ich weiß, dass das für die Betriebe eine Herausforde-ung ist. Ich stehe mit den Betrieben in guten Gesprä-hen. Wenn man das aber so einseitig wie Sie sieht undagt, wir machen einfach die Grenzen auf, es interessiertns nicht, wenn hier oder dort 10 000 Erntehelfer sind,ann darf man sich anschließend nicht über die sozialenerwerfungen erregen. Es ist nicht in Ordnung, dass Sie
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Georg Schirmbeckdas so populistisch vortragen. Das ist leider keine Lö-sung. Wenn das so einfach wäre, wären wir vielleichtauch schon auf diese Idee gekommen.
– Allein der Hinweis auf „die Polen“ ist aufschlussreich.Es sind nämlich kaum noch Polen, sondern eher Rumä-nen und Bulgaren.
Allein das zeigt, dass du uns wieder einmal das erzählst,was du uns immer erzählst. Nur hilft uns das leider nichtweiter.Natürlich kann man seine Redezeit darauf verwenden,alle möglichen schönen Wünsche zu äußern. Wenn ichdas aber richtig verstanden habe, geht es hier um denBundeshaushalt 2006 und damit um Zahlen.Damit bin ich bei dem eigentlichen Thema. Wir ha-ben im Einzelplan 10 im Vergleich zum Vorjahr200 Millionen Euro eingespart. Das ist ein Sparbeitrag,der zur Konsolidierung des Bundeshaushalts dient.Wir haben – das ist an der einen oder anderen Stelle ganzschüchtern angesprochen worden – einen schwierigenHaushalt und müssen die Enden zusammenbringen. An-gesichts dessen kann man sich nicht damit brüsten, dassman hier 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung hatoder dort zusätzlich dieses oder jenes tut. Wir müssendie Dinge unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunktenzueinander bringen. Wenn man berücksichtigt, dass derGesamtetat bei 5 Milliarden Euro liegt, haben wir, sofinde ich, eine gute Leistung vorzuweisen.
Wir bringen einen Haushalt ohne sachliche Brüchezustande. Aus Sicht der CDU/CSU kann man sich natür-lich über die eine oder andere Maßnahme, die die alteRegierung noch auf den Weg gebracht hat, unterhalten.Wenn man diese Maßnahmen jetzt aber einfach kappenwürde, wären alle Steuermittel, die bisher hineingeflos-sen sind, wirklich vergeudet worden. Deshalb müssendie Maßnahmen, die bereits angelaufen sind, auch sach-lich zu Ende geführt werden. Das heißt für uns: Konti-nuität und eine berechenbare Sachpolitik.
Auch die CDU/CSU hat sich die Sache mit dem Spa-ren an der einen oder anderen Stelle leichter vorgestellt.Wir haben beispielsweise gedacht, dass in dem Küchen-kabinett von Frau Künast mit den vielen Fächern undDosen viel Sparpotenzial vorhanden sei. Wir musstenleider feststellen, dass diese Dosen alle leer waren. FrauKünast hat zwar viel Wind gemacht, in Wirklichkeit aberlief so manche Aktion, die sie aufgeblasen hat, ins Leere.Daher war nicht viel einzusparen. Das ist die Realität.Wenn man berücksichtigt, dass von den 5 Milliar-den Euro im Einzelpan 4 Milliarden Euro für sozialeVerpflichtungen auf gesetzlicher Basis belegt sind – wiralle haben sie in der Vergangenheit beschlossen –, dannwbAfsMdwsrvddIüserwdtdhdueEBdghuTÜnlmrbweaKdW
m Schluss konnten wir also über 1 Milliarde Euro ver-ügen. Einen großen Brocken bildet dabei die Gemein-chaftsaufgabe Küstenschutz.
an kann sich darüber unterhalten, welche Ausgaben inen einzelnen Bundesländern und Sachbereichen not-endig sind. Sicherlich gibt es unendlich viele Wün-che. Kritiker könnten uns vorhalten, dass in diesem Be-eich vor gar nicht allzu langer Zeit noch doppelt soiele Mittel zur Verfügung standen. Da die Mittel abererart begrenzt waren, gab es keine Alternative zur Re-uzierung auf 615 Millionen Euro.
n der Tendenz ist es aber so – wir beschließen nicht nurber einen einzelnen Posten, sondern man muss das Ge-amtwerk sehen –, dass wir durch die Mehrwertsteuer-rhöhung, die wir leider beschließen mussten, auch er-eichen, dass die Finanzausstattung der Länder besserird. Dann muss das eben gegengerechnet werden. Je-enfalls können wir für die Gemeinschaftsaufgabe Küs-enschutz nicht mehr zur Verfügung stellen.Ich möchte in diesem Zusammenhang einen ganz an-eren Punkt ansprechen. Wir sagen immer: „Die GAKat beschlossen.“ Wer ist eigentlich die GAK? Ich halteas für einen vergleichsweise undemokratischen Verein,m das einmal vorsichtig zu sagen. Wir hier auf Bundes-bene als Abgeordnete beschließen nicht darüber. Meinerfahrung mit einem Landeshaushalt zeigt, dass man dieeschlüsse dort eigentlich auch nur mitgeteilt bekommt;ort beschließen wir auch nicht darüber. In Veranstaltun-en vor Ort beziehen wir aber die Prügel, weil es danneißt: Die GAK hat uns das vorgeschrieben bzw. gibtns dieses und jenes als Auflage. Also, über dieseshema sollte man einmal in Ruhe sprechen. Etwas mehrbersicht und etwas mehr Transparenz wären sicherlichicht schlecht.Die Projekte zum Verbraucherschutz und zur Öko-ogie, die im Haushalt enthalten sind, können wir plan-äßig weiterführen. Ich war bei der ersten Lesung über-ascht, dass die Kollegin Höfken uns hier sehr energischeschimpft hat,
eil wir angeblich alles abgeräumt haben; auch geradeben kam wieder der Hinweis darauf, was Herr Seehoferlles gestrichen habe. – Ich habe im Vorfeld mit demollegen Bahr noch einmal darüber gesprochen: Uns istas nicht bekannt, genauso wenig wie Herrn Seehofer.ahrscheinlich haben Sie über eine ganz andere Vorlage
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Georg Schirmbeckberaten. Wir führen alles, was verabredet ist, weiter. Ichglaube, das ist auch sachgerecht.
Wir werden erleben, dass im Ministerium die Sach-und Personalkosten sachgerecht und planmäßig zu-rückgefahren werden.
Das heißt, es wird sparsam mit den Ressourcen umge-gangen. Das schließt aber nicht aus, dass man sich Ent-wicklungen an der einen oder anderen Stelle nicht entge-genstellen kann.
Wenn die Kosten für Benzin und Diesel aufgrund derPreisentwicklung exorbitant steigen – in diesem konkre-ten Fall um 1,4 Millionen Euro –, dann muss das seineBerücksichtigung im Haushaltsplan finden; denn die Ar-beit insgesamt muss ja weitergehen.Ich habe es schon angesprochen: Ein wesentlicherPunkt des Einzelplans 10 ist der Agrarsozialbereich.
Wir werden in diesem Jahr 50 Millionen Euro zusätzlichfür die gesetzliche Unfallversicherung zur Verfügungstellen.
Kollege Goldmann, das wäre beispielsweise ein fairerBeitrag gewesen. Wenn man sich so besonders um denBerufsstand kümmert und sich ihm verbunden fühlt,dann hätte man auch ansprechen können, dass dort ganzkonkret etwas Positives für den Berufsstand geleistetwird.
Statt nur die Defizite zu beklagen, hätte man hier ganzkonkret die andere Seite aufzeigen können.
Allerdings gibt es, wenn wir den gesamten Sozialbereichbetrachten – ich nenne konkret die Berufsgenossenschaftund die Landwirtschaftliche Krankenversicherung –, im-mer noch Handlungsbedarf.
– Man muss über die einzelnen Punkte sprechen. Ichnehme gern konkrete Vorschläge – auch von der Opposi-tion – entgegen. Wenn ich aber Briefe bekomme, bei-spielsweise von einzelnen Berufsgenossenschaften, indenen steht, es dürfe sich nichts verändern, alles müsseso bleiben wie es ist, dann kann ich nur sagen: Die habenden Schuss nicht gehört. Wer nicht mit der Zeit geht, dergeht mit der Zeit. Er schadet dem Berufsstand und allen,dhmigCsunackwDbkvnkLsSRidwzwnsGoDADsDgnwnww
Wir werden daran arbeiten. Kollege Goldmann, es istn der Tat manchmal eine schwierige Aufgabe, in den ei-enen Reihen – dabei spielt es keine Rolle, ob man zurDU/CSU oder zur SPD gehört – einer Meinung zuein. Die Ansichten zu einzelnen Sachfragen sind ebennterschiedlich und wir sind selbstständige Abgeord-ete. Deshalb dürfen wir miteinander darum ringen. Daslles ist nicht in einer Nacht oder an einem Tag zu ma-hen. Aber es ist besser, wenn wir einige Tage längeronstruktiv streiten, anstatt in einem Schnellschuss et-as Falsches zu beschließen.
as machen wir auch bei diesen Fragen so. Aber wir ha-en uns Fristen gesetzt. Wir werden zu Ergebnissenommen.Wir arbeiten vergleichsweise sehr schnell. Ich habeon jemandem, der in der Vergangenheit die Aufgabe ei-es Landesministers übernommen hat, vorgetragen be-ommen, dass wir im Bundestag im Vergleich zu denandesparlamenten unsere Gesetze und Verordnungenchnell beschließen. Angesichts der sehr komplexenachverhalte ist es, glaube ich, angebracht, dass wir inuhe darüber nachdenken.
Wir erwecken durch die Mittel für die Landwirtschaftm ansonsten relativ geringen Einzelplan 10 den Ein-ruck, dass wir Bedeutendes in der Landwirtschaft be-egen. Sicherlich sind die Entscheidungen, die wir be-üglich des Haushaltes treffen, wichtig. Aber nochichtiger sind natürlich die einzelnen gesetzlichen Maß-ahmen, die wir auf den Weg bringen. Dazu ist festzu-tellen – diesen Punkt habe ich in der Rede des Kollegenoldmann vermisst –, dass wir die Mehrwertsteuer-ption durchgesetzt haben.
as war eine schwierige Sache in der großen Koalition.ber heute darf ich allen, die dabei mitgeholfen haben,anke dafür sagen, dass das möglich geworden ist. Dasage ich insbesondere zu den Kollegen von der SPD.as ist eine Leistung, die wir gemeinsam auf den Wegebracht haben.
Jetzt können Sie natürlich sagen, dass die Legehen-enverordnung noch stärker eins zu eins hätte umgesetzterden können. Das gilt natürlich auch für die Verord-ung zur Schweinehaltung. Aber Sie müssen sehen, dassir zwei große Volksparteien sind. Wir müssen uns be-egen und auch die Bundesländer mit auf den Weg neh-
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Georg Schirmbeckmen. Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten – das sagenuns auch die Vertreter des Berufsstandes –, dass man mitden Beschlüssen, die wir gemeinsam getroffen haben, le-ben kann.
Das heißt, auch in dieser Branche haben die entspre-chenden Wirtschaftsbereiche in Deutschland eine Zu-kunft.Dasselbe können Sie mit Blick auf die Zuckermarkt-ordnung sagen. Sie werden erleben, dass wir beim Bio-sprit in sehr kurzer Zeit Beschlüsse fassen, die nicht nurbis 2009, sondern auch darüber hinaus eine Perspektivebieten. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet; dabei wirdder Fleiß aller eingesetzt. Ich glaube, wir sind insofernauf einem guten Weg.
Im Ergebnis kann man feststellen, dass wir mit Minis-ter Seehofer und der von uns unterstützten Politik poli-tisch berechenbar sind, dass wir sachlich begründeteEntscheidungen treffen und deshalb gute Aussichten fürdie zukünftige Entwicklung haben. Natürlich gibt esauch in unseren Reihen – das trifft wohl auf jede Volks-partei zu – unterschiedliche Einschätzungen zur GrünenGentechnik. Aber Sie dürfen davon ausgehen, dass wirauch diese Fragen so lösen werden, dass die Wirtschafts-bereiche, die davon abhängen, eine gute Perspektive ha-ben.
Schließlich geht aus dem Einzelplan 10 hervor, dasswir zwei hochseefeste Schiffe kaufen.
Diese hochseefesten Schiffe sind für die Fischereiauf-sicht wichtig. Sie sollen die Raubfischerei beispiels-weise im Nordatlantik verhindern. Das ist ein Beitragzum Artenschutz und zum Umweltschutz, über den jaeben schon lange gesprochen worden ist.Meine Damen und Herren, ich darf mich ganz herz-lich beim Kollegen Bahr für die konstruktive Zusam-menarbeit bei der Aufstellung des Einzelplans 10 bedan-ken. Das gilt aber auch mit Blick auf alle anderenBerichterstatter. Ich darf mich beim Minister und seinemTeam bedanken. An der einen oder anderen Stelle warenes intensive Beratungen; aber insgesamt hat es Spaß ge-macht. Wir haben, glaube ich, die Voraussetzungen dafürgeschaffen, dass wir in Deutschland in der Ernährungs-wirtschaft und im Verbraucherschutz eine gute Entwick-lung haben werden.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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roduktions- und Verarbeitungsanlagen für Biodieselind neu entstanden und der Biodiesel beginnt sich am
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Dr. Kirsten TackmannMarkt zu etablieren. Auch das ist zwar keine konflikt-freie Entwicklung, aber es bietet eine Chance.Doch was macht die Bundesregierung? Sie versuchtper Besteuerung, eine angebliche Überkompensation beiden biogenen Kraftstoffen abzubauen, was gerade imHinblick auf die kleinen, dezentralen Ölmühlen und dieregionalen Biokraftstoffmärkte fraglich ist.
Dasselbe gilt für den ökologischen Landbau, den einzi-gen Sektor der Nahrungsmittelerzeugung in Deutschlandund in Europa, der in den vergangenen Jahren einkonstantes Produktions- und Vermarktungswachstumverzeichnen konnte. Beispielsweise ist der Anteil desökologischen Landbaus in Mecklenburg-Vorpommernmittlerweile auf 10 Prozent gestiegen; das entspricht ei-ner Steigerung der Zahl der Ökobetriebe zwischen 1999und 2005 um 43 Prozent. Der Umsatz ist in Deutschlandim Jahresvergleich um 15 Prozent gestiegen.Die Politik von Bund und Ländern reagiert aber auchhier gegen den Trend: Trotz der wachsenden Verbrau-cherakzeptanz der Ökoprodukte werden die Mittel fürdie Förder- und Umstellprogramme in nahezu allen Bun-desländern reduziert bzw. gestrichen. Auch hiermit rich-tet sich die Politik gegen die Sicherung von Arbeitsplät-zen im ländlichen Raum.
Eines ist wohl unbestritten: Unsere Bäuerinnen undBauern brauchen zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten. DieArbeitsplätze im ländlichen Raum müssen angesichtsdes immensen Strukturwandels dringend gesichert wer-den und, wo immer möglich, neue geschaffen werden.Doch genau das wird mit der Kürzung des Bundesanteilsan der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küs-tenschutz“ zumindest infrage gestellt.
Statt die Streichung der EU-Mittel für die ländliche Ent-wicklung wenigstens teilweise zu kompensieren, werden50 Millionen Euro gestrichen. Damit gehen nicht nur dieBundesgelder, sondern auch die Kofinanzierungsanteileder Länder verloren.Woher soll das Geld kommen, das für Agrarumwelt-maßnahmen, für die Förderung des tierartgerechtenStallbaus und für Agrarinvestitionsprogramme benötigtwird? Dabei werden gerade diese Gelder zur Sicherungder Arbeitsplätze im ländlichen Raum dringend benötigt.Im Koalitionsvertrag steht:Die Bundesregierung wird eine nationale Strategiezur ländlichen Entwicklung vorlegen und darübereinen umfassenden Dialog führen.Angesichts der aktuellen Politik klingt das fast wie eineDrohung!fdtbofdH„adI1ufudM„VJa9SSm–pcKhmLfgrgmVtdswzktiPsBDsW
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Die zweite Bemerkung ist: Frau Dr. Tackmann, ichinde es sehr unfair, wie unkollegial Sie hier über Haus-altspolitiker reden.
ch will nur einen Ausdruck wiedergeben, den Sie ver-endet haben: Bestimmte Bereiche seien „in die Fängeer Haushaltspolitiker geraten“.Herr Kollege Goldmann, zu den von Ihnen angespro-henen Ökospielereien. Sie sollten sich einmal vor Au-en führen, dass die Bevölkerung bzw. der Verbraucherunehmend nach Ökoprodukten fragt,
nd dass die Politik – auch dieser Regierung – dies seitahren fördert und dazu beiträgt, dass Menschen imändlichen Raum andere Erwerbsquellen erschließen.ch finde Ihren Begriff unpassend und finde es nicht inrdnung, wie Sie darüber sprechen.
Das können Sie ja so sehen. Das haben Sie bisher in je-er Rede so vorgetragen. Ich denke, dass das, was Sieazu gesagt haben, schon allen bekannt ist. Es trifft je-enfalls sachlich nicht zu.
eshalb finde ich es nicht in Ordnung.Der Haushalt 2006 findet jetzt seinen Abschluss. Ichöchte mich an dieser Stelle natürlich beim Kollegenchirmbeck und bei meinen Kolleginnen und Kollegenerichterstattern recht herzlich bedanken. Wir haben,enke ich, trotz unterschiedlicher Auffassungen kon-truktiv zusammengearbeitet. Auch die vertrauensvollerbeit mit dem Ministerium möchte ich dankend erwäh-en.Wir haben in den zurückliegenden Jahren immer wie-er festgestellt, dass in den öffentlichen Haushalten in-ensive Konsolidierungsbeiträge auf der Ausgabenseiteorgenommen worden sind.
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Wir hatten dann Schwierigkeiten, die Einnahmeseite zuverbessern. Das ist noch bis heute eine große Schwierig-keit.
Wir bekämen die Konsolidierung des Haushalts nichtin den Griff, wenn wir nicht andere Maßnahmen ergrei-fen würden, so schwer es uns auch fällt. Die Maastricht-kriterien und die Vorgaben in Art. 115 des Grundgeset-zes zu erfüllen, macht es erforderlich, dass wir dieEinnahmeseite verbessern. Bisher ist das leider nicht ge-lungen. Es ist uns schwer gefallen, durch die Mehrwert-steuererhöhung Einnahmen zu realisieren.
Die Verteilung der Mittel ist in dieser Debatte schonverschiedentlich belegt und dokumentiert worden; des-wegen will ich darauf nicht weiter eingehen. Für uns hatdas im Einzelplan 10 die Bedeutung, dass wir bei einemGesamtvolumen von 5,05 Milliarden Euro einen Hand-lungsspielraum von nicht ganz 1 Milliarde Euro haben;Herr Kollege Schirmbeck hat das schon erwähnt. Auchdas trifft nicht ganz zu, weil in dieser Summe noch Ver-pflichtungsermächtigungen enthalten sind. Wir habendaher von der Finanzmasse her große Schwierigkeiten,eine moderne Landwirtschaftspolitik zu gestalten. Wirhaben aber eine Reihe von Schwerpunkten gesetzt. Ichbin dankbar, dass wir das hinbekommen haben. Da-durch, dass der Sozialbereich fast 74,9 Prozent desHaushalts ausmacht – das sind 3,78 Milliarden Euro –,wird deutlich, wie schwierig es ist, hier noch Politik zugestalten. Deswegen mussten wir sehen, dass wir das ei-nigermaßen hinbekommen.Ein Kernpunkt war, die Verbraucherpolitik fortzu-setzen. Wir haben sie verstetigen können. Frau ProfessorMüller ist eine sehr verantwortungsvolle Frau, die demVerbraucherzentrale Bundesverband vorsteht und dieVerbraucherzentralen betreut. Auch sie ist natürlichnicht damit zufrieden, dass wir nicht mehr Geld zur Ver-fügung stellen können. Sie ist aber froh, wenn dieSumme wenigstens stabil bleibt. Wenn man sich ansieht,wie diese Einrichtung arbeitet, kommt man zu dem Er-gebnis, dass sich auch bei knapper werdenden Mittelneiniges erreichen lässt, was man gar nicht für möglichgehalten hätte.
Wir haben die Mittel für die landwirtschaftlicheUnfallversicherung um 50 Millionen Euro erhöht; Kol-lege Schirmbeck hat das schon angedeutet. Das ist einSchwerpunkt für uns, weil wir der Meinung sind, dasswir die Beitragserhöhungen, die ansonsten gedroht hät-ten, vermeiden müssen. Das ist uns in diesem Fall gelun-gen. An dieser Stelle möchte ich aber schon darauf hin-weisen, dass es dringend notwendig ist, uns über dieNeustrukturierung und die Neuausrichtung der landwirt-schaftlichen Sozialkassen schnellstens Gedanken zu ma-csDdswfguasswawsDDgszlssbEfMssvakgnwdmIaadMntrL
er Ökolandbau wird mit 20 Millionen Euro gefördert.ie Leistung, die wir hier erbringen, ist für meine Be-riffe vorbildlich, weil hier auch noch einiges zu tun ist.Neben diesen Schwerpunkten haben wir einige Ein-parungen zur Auflösung der globalen Minderausgabeu erbringen. Von 5 Milliarden Euro haben wir 200 Mil-ionen einzusparen. Das hört sich zunächst gar nicht sochlimm an. Wenn aber schon fast drei Viertel der Ge-amtsumme nicht mehr zur Verfügung stehen, dann ist esesonders schwer, von 1 Milliarde Euro 200 Millionenuro einsparen zu müssen. Dies ist uns gelungen. Ich binroh, dass wir das alles in die Reihe bekommen konnten.Ein Knackpunkt bei der Erbringung dieser globaleninderausgabe ist die Gemeinschaftsaufgabe „Agrar-truktur und Küstenschutz“. Kollege Schirmbeck hat daschon erläutert; ich will das nur andeuten. Die in denergangenen Jahren bereitgestellten Mittel wurden nichtusgeschöpft. Einige Länder hätten mehr annehmenönnen, andere konnten nicht kofinanzieren. Da aber eineltender Schlüssel existiert, können wir die Geldericht einfach anders verteilen. Das heißt, die Summe, dieir zur Verfügung gestellt haben, hat gereicht. Ichenke, mehr ist unter den jetzigen Bedingungen nicht zuachen.
nsofern können wir die vorgenommenen Kürzungenuch vertreten. Ich jedenfalls stehe dazu. Das wurdeuch schon bei meinen Ausführungen über die Kürzunger Agrardieselbeihilfen deutlich.Wir müssen in der Politik manchmal der öffentlicheneinung standhalten. Über kurz oder lang wird es zu ei-em Meinungsumschwung kommen, der dann konstruk-iv genutzt werden kann. Das ist sicherlich auch in ande-en Punkten nötig.Die Mehrwertsteuererhöhung bringt auch für dieandwirte Belastungen mich sich. Auch das ist uns nicht
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leicht gefallen. Deswegen ist die Vorsteuerpauschale fürdie landwirtschaftlichen Kleinbetriebe und Nebener-werbslandwirte von 9 Prozent auf 10,7 Prozent erhöhtworden. In der Forstwirtschaft ist sie von 5 Prozent auf5,5 Prozent erhöht worden. Ich denke, damit tragen wirdazu bei, dass die Belastungen im Wesentlichen kom-pensiert werden.
Dass der Anteil der Sozialausgaben an den Gesamt-ausgaben des Einzelplans 74,9 Prozent beträgt, ist einSignal, dass man etwas tun muss. Es ist notwendig, dieAufgaben anzugehen. Vom Bundesrechnungshof, vomMinisterium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz und auch von den Trägern der Sozialver-sicherung in der Landwirtschaft gehen deutliche Signaleaus, dass wir zu konstruktiven Gesprächen über vernünf-tige Lösungen in diesem Bereich kommen werden. Icherwarte, dass wir das in Kürze angehen und im neuenHaushaltsplan 2007 zumindest von neuen Eckdaten aus-gehen können, um die Kostenentwicklung zu dämpfen,sodass die Finanzierung der Landwirtschaft in dennächsten Jahren keinen Anlass mehr zu großer Sorge ge-ben wird. Ich erwarte, dass wir den Spielraum für dieGestaltung einer modernen Landwirtschaftspolitik zu-gunsten des ländlichen Raumes und des Verbraucher-schutzes vergrößern können. Ich hoffe, dass uns dasschon in den nächsten Wochen und Monaten gelingt.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Alexander
Bonde.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich als Haushaltspolitiker feststellen, dasses in der Haushaltspolitik nicht nur auf das Sparen an-kommt; auch das Gestalten muss im Vordergrund stehen.Bei allen notwendigen Sparbemühungen muss man auchklären, wo durch Einsparungen Schaden angerichtetwird, der sich nicht wieder gutmachen lässt. Der Einzel-plan, den wir gerade beraten, ist ein trauriges Beispiel;denn er sendet dramatische Signale hinsichtlich der Si-tuation des ländlichen Raumes und der Auswirkungenauf bäuerliche Familienbetriebe.Wir dürfen an dieser Stelle nicht nur den Bundeshaus-halt sehen; vielmehr müssen wir eine Gesamtbetrach-tung anstellen. Die Ära dieser neuen Koalition hat miteinem sehr unseligen Beschluss auf EU-Ebene begon-nen. Die neue Bundeskanzlerin hat dort praktisch diezweite Säule der Agrarförderung für Deutschland ge-kappt. Sie hat mit ihren Verhandlungsergebnissen imländlichen Raum den Kahlschlag eingeläutet. West-deutschland wird 45 Prozent weniger Mittel aus dem Eu-ropäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklungdes ländlichen Raumes erhalten; für Ostdeutschland sindes 25 Prozent weniger. Die Bundesregierung kam mit ei-nR–gAuAsfbjGs5liSLuDwlUd–eWrmsKnDdduszfkKstvv
Das müssen Sie sich schon sagen lassen, liebe Kolle-innen und Kollegen von der SPD.
In demselben Beschluss ist übrigens die klassischegrarsubvention in der ersten Säule von dieser Koalitionnangetastet geblieben, obwohl die Großindustrie imgrarbereich so gut verdient, dass Sie, Herr Minister,ich immer noch weigern, offen zu legen, wer die Emp-änger dieser Subventionen in Deutschland sind. Sie ha-en erst auf EU-Ebene schlecht verhandelt und setzenetzt in diesem Haushalt noch einen oben drauf. Bei deremeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küsten-chutz“ nehmen Sie zusätzliche Kürzungen in Höhe von0 Millionen Euro bei den Strukturmitteln für den länd-ichen Raum vor. Damit gefährden Sie die Entwicklungn ohnehin geschwächten ländlichen Regionen, wo dertrukturwandel schon jetzt hohe Anforderungen an dieandwirte stellt, Auswirkungen auf die Arbeitsplätze hatnd sich das Problem des Bevölkerungsrückgangs stellt.iese Kürzungen betreffen am stärksten die Agrarum-eltmaßnahmen, die Ausgleichszulagen für benachtei-igte Gebiete, die Vermarktung und Verarbeitung, dienterstützung der Direktvermarktung und regionale Pro-uktkreisläufe.
Da Sie fragen, Herr Kollege, woher ich das weiß – derine oder andere wird es schon gehört haben –: Meinahlkreis liegt im Schwarzwald. In meinem Wahlkreiseden wir über die Höhenlandwirtschaft, über kleine Fa-ilienbetriebe, die in schwierigster Bewirtschaftungs-ituation in Höhenlagen Flächen bewirtschaften und dieulturlandschaft Schwarzwald erhalten. Das sind ebenicht die Großbetriebe, die Sie mit Ihrer Politik fördern.as sind Betriebe, die auf diese Strukturmaßnahmenringend angewiesen sind.
Sie sollten sich einmal fragen, ob die Menschen, dieas im Familienbetrieb – oft im Nebenerwerb – machennd die alle nicht reich davon werden – das wissen Sieo gut wie ich –, nicht eine wesentlich größere Unterstüt-ung dieses Parlaments verdient hätten als diejenigen,ür die Sie hier Agrarpolitik machen. Sie gehen denleinen bäuerlichen Strukturen auf dem Land an denragen. Sie sollten sich langsam fragen: Wollen Sie inolchen Bereichen eigentlich noch Landwirtschaft be-reiben? Die Kürzungen, die Sie auf europäischer Ebeneerhandelt haben und die Sie jetzt hier nachvollziehen,erdeutlichen eine klare Antwort.
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Alexander BondeIch will beim Beispiel Baden-Württemberg bleiben.Zentrale Bedeutung für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg hat das Programm MEKA. Die Politik, dieSie betreiben – ich meine die CDU und SPD; die CSUmuss man hier besonders erwähnen, weil es vielen vonder CSU im Herzen wehtut, worüber sie hier mitstim-men müssen –, führt dazu, dass in Baden-Württemberg47 Prozent der Mittel in diesem Bereich fehlen. Das istvon früher 115 Millionen Euro ein Rückgang auf61 Millionen Euro pro Jahr.Ich appelliere hier an alle von Ihnen – ich weiß, dasshier genügend Abgeordnete aus meiner Region sitzen,die wissen, was für einen dramatischen Einschnitt dasbedeutet –: Sie haben hier in namentlicher Abstimmungdie Möglichkeit, zumindest Kürzungen in Höhe von50 Millionen Euro zurückzunehmen. Wenn Ihnen dieLandwirtschaft am Herzen liegt, dann geben Sie sich ei-nen Stoß.
Wir haben viele positive Rückmeldungen zu diesem An-trag bekommen. Es reicht aber nicht, wenn dieser Antragallgemeine Zustimmung bekommt. Auch Sie müssenzeigen, dass diese Zustimmung etwas wert ist. Dazu ha-ben Sie in der Abstimmung über unseren Antrag dieChance.
– Das ist nicht unehrlich.
Wir als grüne Fraktion haben in den Haushaltsverhand-lungen belegt, dass dieser Antrag finanzierbar und imRahmen dieses Einzelplans gestaltbar ist.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Siebelegen mit diesem Haushaltsplan, dass Sie nicht in derLage sind, substanzielle Einsparungen zu erbringen, unddass Sie gleichzeitig nicht in der Lage sind, eine positiveGestaltung vorzunehmen. Die Einzelplanberatung, diewir hierzu geführt haben, hat das nachdrücklich belegt.Die Schwerpunktsetzung, die Sie in der Landwirtschaftvornehmen, ist ein Kahlschlag. Dafür müssen Sie sichverantworten.
– Sie brauchen nicht zu schreien. Gehen Sie mit diesenBeschlüssen auf die Höfe! Reden Sie mit den Landwir-ten und sagen Sie ehrlich, welche Politik Sie an dieserStelle beschreiten!
KegEdWSLmSsbZldAjOIlBDgKskeLsafbGs
ir sind gespannt, wie Sie sich verhalten.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Horsteehofer.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichöchte zuallererst den beiden Berichterstattern Georgchirmbeck und Ernst Bahr, den beiden Arbeitsgruppen-prechern Waltraud Wolff und Peter Bleser sowie deneiden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgangöller und Ulrich Kelber Dank sagen für die ungewöhn-ich gute und angenehme Zusammenarbeit, die wir inen letzten Monaten innerhalb der Koalition in unseremufgabenfeld hatten. Ich habe im Laufe eines Viertel-ahrhunderts hier im Parlament viele Funktionen in derpposition und in der Regierung innegehabt. Ich musshnen sagen, dass die Zusammenarbeit, die ich in denetzten Monaten erfahren und praktiziert habe, zu demesten gehört, was ich in der Politik erlebt habe.
afür möchte ich den Fraktionen und insbesondere denenannten Personen danken. Ich meine sogar Herrnelber. Ich habe nichts dagegen, wenn mehrere Men-chen bei politischen Entscheidungsprozessen mitden-en.Das Ringen um Lösungen war zwar manchmal nichtinfach. Aber wir haben immer im Interesse unseresandes, unseres Volkes und der Sache vernünftige Lö-ungen gefunden. Es war in menschlicher Hinsicht sehrngenehm. Ich greife einen Satz auf, der heute schon ge-allen ist: Es war kluge und handwerklich saubere Ar-eit.
Herr Bonde, ich habe mir die Zahlen betreffend dieemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar-truktur und des Küstenschutzes“ angeschaut. Als
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Bundesminister Horst SeehoferIhre Partei das Ministerium übernommen hat, belief sichdas Ausgabenvolumen dieser Aufgabe auf 875 Millio-nen Euro. Als ich nach Ihrer Regierungszeit das Ministe-rium übernommen habe, belief sich das Ausgabenvolu-men auf nur noch 665 Millionen Euro.
Das ist eine Reduzierung der Mittel für den ländlichenRaum um 210 Millionen Euro. Nun kann man über Kür-zungen reden und denken, wie man will. Wer aber wieSie um 210 Millionen Euro gekürzt hat, sollte sich nichtzum Anwalt des ländlichen Raumes machen, wenn esum 50 Millionen Euro geht.
Das ist die Realität: 210 Millionen Euro weniger! Dasmüssen Sie draußen erklären.Herr Fell, Sie fahren in meinem Wahlkreis herum undtun so, als ob der Weltuntergang bevorstünde, weil wirbeabsichtigen, die Biokraftstoffe zu besteuern. Ich pro-gnostiziere Ihnen: Das wird genauso wirkungslos blei-ben wie die früheren Versuche. Verfolgen Sie genau, wasam Wochenende und in der nächsten Woche geschieht!Dann werden Sie alle Ihre Reden vom Niedergang derBiokraftstoffe wegen der geplanten Besteuerung beerdi-gen bzw. umweltfreundlich verbrennen können; dennunsere Entscheidungen sind gut vorbereitet. Es bleibt beiunserer politischen Zielsetzung.
Lieber Kollege Goldmann, ich wollte mich mit Ihneneigentlich nicht explizit auseinander setzen. Aber Sie ha-ben heute wieder einen kleinen Rückfall erlitten und sichauf das Rügen-Niveau begeben. Ich möchte in Erinne-rung rufen, welche bedeutende Rolle die FDP in den60er-, 70er- und 80er-Jahren in der Landwirtschaft ge-spielt hat. Sie hat große Landwirtschaftsminister gestellt,die sowohl Willy Brandt und Helmut Schmidt als auchHelmut Kohl gedient haben und die ein hohes Ansehenin der Öffentlichkeit genossen haben. Wenn wir von derUnion damals neben diesen Landwirtschaftsministernvon der FDP gestanden haben, dann habe ich das emp-funden, als ob die einen die großen Dirigenten und wirkleine Jungs wären, die mit dem Schepperl nebenherlau-fen. Wenn ich diese große Tradition der FDP im Agrar-bereich mit Ihrer heutigen Argumentation vergleiche,dann muss ich Ihnen sagen, dass dazwischen Lichtjahreliegen.
Sie argumentieren ganz einfach: Der kann nicht den-ken, erst recht nicht tief schürfend, weil er des Hoch-deutschen nicht mächtig ist. Zudem ist er Opportunistund Populist und verhält sich widersprüchlich. Aber Sievermeiden sehr sorgfältig, auch nur anzudeuten, was Sieselbst wollen.
Sie haben heute ein paar Andeutungen gemacht, dieich im Hinblick auf die öffentlichen Debatten in dennsmvedBrESwtdMDHdwdaslDKwgbmLHsr1balbg
Wir haben, finde ich, nach langer Diskussion eine in-elligente Lösung gefunden. Diese habe nicht ich gefun-en. Vielmehr kam sie überraschenderweise aus deritte des Parlaments.
ie intelligente Lösung lautet, dass wir eine artgerechtealtung der Tiere unter Beachtung des Tierschutzes undes Grundgesetzanspruches einerseits sowie die Ge-ährleistung, dass in der Bundesrepublik Deutschland iner Zukunft weiterhin Hennen gehalten werden können,ndererseits miteinander verbinden, sodass wir den Irr-inn vermeiden können, dass die Investitionen im Aus-and getätigt und die im Ausland gelegten Eier voneutschland importiert werden. Wir haben eine idealeombination von artgerechter Haltung, Tierschutz undirtschaftlichen Interessen unserer Legehennenhalterefunden.
Das ist praktische Politik. Politik, Herr Goldmann,eginnt mit der Betrachtung der Realitäten. Also wegit der Eins-zu-eins-Umsetzung; denn davon haben dieeute nichts.
Zu den Saisonarbeitnehmern. Meine Damen underren, wenn das Wort vom Fördern und Fordern ange-ichts von 4 Millionen Arbeitslosen noch irgendeine Be-echtigung haben soll, muss es doch erlaubt sein,0 Prozent der Saisonarbeitskräfte aus hier lebenden ar-eitslosen Menschen zu rekrutieren und darüber hinaususländische Kräfte einzusetzen. Das ist doch eine intel-igente Lösung. Das ist unsere Härtefallregelung.
Vormittags reden Sie vom Fordern gegenüber den Ar-eitslosen und wollen bei Arbeitsverweigerung Leistun-en kürzen, abends sprechen Sie sich dafür aus, dass alle
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Bundesminister Horst Seehoferaus dem Ausland kommen, weil wir den Bedarf im In-land angeblich nicht decken können.
Zum Thema Impfstoffe. Das Friedrich-Loeffler-Insti-tut ist so weit, dass es den von uns allen gewünschtenMarkerimpfstoff in Kürze in einem Feldversuch einset-zen kann.
– Nein, der Feldversuch beginnt. – Das heißt, den For-schern ist etwas eingefallen, was Erfolg verspricht. Unshilft der schöne Satz „Impfen statt töten“ gar nichts, weiler intellektuell nicht stimmt. Wenn in den Niederlandenoder Frankreich in einem Bestand, der geimpft ist, eineTierseuche ausbricht, muss der Bestand trotzdem getötetwerden.
Impfen und töten ist die ehrliche Antwort.Aber wir sind, auch durch zusätzliche Diskussionenund finanzielle Ausstattung unserer Forschungsinstitute,jetzt in der Lage, einen Feldversuch mit dem Marker-impfstoff zu beginnen. Das ist in der Wissenschaft so et-was wie die klinische Erprobung eines Arzneimittels.Das ist ein Riesenfortschritt, der Hoffnung gibt, dass wirin der Tierseuchenpolitik einen Strategiewechsel errei-chen, sodass Impfen eine Alternative zum Aufstallenwird. Wir sind weiter als je zuvor und das möchte ichdem Parlament mitteilen.
Zur Grünen Gentechnik. Da kann man viel schwa-feln; viele, die nichts darüber wissen, schreiben darüber.Wir haben in der letzten Woche mit denen, die aufdiesem Feld tätig sind, dem Bundesverband der Sorten-hersteller und den Biotechunternehmen, eine Grund-satzvereinbarung geschlossen, in der Freiheit undVerantwortung miteinander verbunden werden. Die Un-ternehmen erklären, dass sie zu ihrer Verantwortung ste-hen. Sie sagen: Wir wollen, dass das geltende Haftungs-recht in der jetzigen Form bestehen bleibt, dass nureinige unbestimmte Rechtsbegriffe präzisiert werden.Aber wir stehen zu unserer Verantwortung und werdenim Fall der Auskreuzung – der im Übrigen in der Bun-desrepublik Deutschland noch nie vorgekommen ist –die Haftung übernehmen. – Das geschieht nicht durchgesetzliche Gängelung, sondern durch eine Verbände-vereinbarung, an der der Deutsche Bauernverband, dieWirtschaft und die Bundesregierung mitwirken werden.Das ist die ideale Konstellation von Freiheit und Verant-wortung in einem schwierigen Feld.
Maßlos enttäuscht bin ich, wenn ich höre, wie einFDP-Politiker eine politische Debatte über die Zustän-digkeitsfrage führt. Ich stehe zu dem, was ich vor zehnJahren am Rednerpult des Bundestages in Bonn zumTgmnLdurtuBciElAaFdDBslllcfgbmbcsIssNsHeZsmsiZfSw
ürokratie hat für die Bevölkerung nichts mit der Si-herstellung des Gesundheitsschutzes zu tun; das sagech Ihnen.Nachdem jetzt einige Jahre vergangen sind und auchinrichtungen und Organisationen, die man dem öffent-ichen Raum zuordnen kann, zum Beispiel die Bahn, derufforderung zur Freiwilligkeit aus meiner Sicht nichtusreichend nachgekommen sind, stellen Sie nun dierage: Darf ein Verbraucherschutzminister eine Debattearüber eröffnen?
as erinnert mich an den Heiligen Sankt Bürokratius.ei dem geht es nämlich nach dem Grundsatz: Bin ichachlich und örtlich zuständig? – Wir müssen wieder po-itisch denken und nicht so bürokratisch: Sind wir sach-ich oder örtlich zuständig?Ich bleibe dabei, dass wir in Deutschland eine öffent-iche Debatte über den Schutz von Nichtrauchern brau-hen. Ich gönne jedem, wie er lebt. Aber wer sich in öf-entlichen Gebäuden aufhält, dem muss der Staatarantieren, dass seine Gesundheit geschützt ist. Dabeileibe ich.
Zu den Bundesforschungsanstalten noch eine Be-erkung, Frau Tackmann. Es ist so, wie Sie erfahren ha-en. Mein Ministerium hat offensichtlich eine ausrei-hende Pressearbeit, sodass alles, was ich entscheide,ofort bei Ihnen landet. Ich kann Ihnen dazu nur sagen:ch halte nichts von einer Reform der Bundesfor-chungsanstalten nach der Methode: Wie viel Planstellenparen wir ein? Das ist ein Annex; der muss auch sein.atürlich müssen wir das Ganze wirtschaftlich organi-ieren. Aber meine erste Frage ist – sie ist bei uns imause noch nicht ausreichend beantwortet; das ist einexekutive Maßnahme –: Welche wissenschaftlichenielsetzungen verbinden wir mit einer Bundesfor-chungsanstalt? Mein Ehrgeiz ist und unser gemeinsa-er Ehrgeiz sollte sein, dass die Bundesforschungsan-talten, die wir in der Zukunft haben, national undnternational erstklassige Reputation genießen. Nicht dieahl der Planstellen ist für mich entscheidend, sondernür mich ist entscheidend, Herr Bahr und Herrchirmbeck: Welche politischen Zielsetzungen habenir? Erreichen wir mit der Organisation unserer For-
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Bundesminister Horst Seehoferschungslandschaft in der Ressortforschung eine natio-nale und internationale Reputation, auf die wir stolz seinkönnen? Dafür werbe ich bei den Bundesforschungsan-stalten.
Zum Schluss, Herr Goldmann, möchte ich Sie herz-lich gern einladen, mich ohne jede Selbstbeteiligung einpaar Tage lang durch die Bundesrepublik Deutschlandzu begleiten.
Dann würden Sie sehen, wie die Stimmung in der Land-wirtschaft, in der Agrarwirtschaft und bei den Verbrau-chern ist. Das wäre eine wunderbare Geschichte. Ichlade Sie nicht nur ein, im Auto mitzufahren; Sie bekom-men von mir auch zu essen, zu trinken, alles, was Siezum persönlichen Wohlbefinden brauchen.
Eines sage ich Ihnen: Wenn Sie dem nicht zustimmen,dann verweise ich darauf, dass das Investitionsklima inder deutschen Agrarwirtschaft und die Exportziffern sogut sind wie nie zu vor, seitdem man in diesem Feld Auf-zeichnungen macht.
Ich sage nicht, dass das alles unserer Politik zuzuord-nen ist.
Es ist auch dem Fleiß und dem Können der Menschenzuzuordnen. Aber ein bisschen hat das schon mit den po-litischen Rahmenbedingungen zu tun, die wir in denletzten Monaten gemeinsam gesetzt haben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Edmund Geisen, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehrgeehrte Herren! Landwirtschaft ist mehr als produzieren,Landwirtschaft geht alle an. Lassen Sie mich deshalbvorab einiges nochmals deutlich machen.Erstens. Das deutsche Agrarbusiness trägt mit15,2 Prozent zur Bruttowertschöpfung in Deutschlandbei.Zweitens. Die Landwirte sichern als Produzenten undVerbraucher Tausende von Arbeitsplätzen. Genau11,1 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland oderjauutkisnwKsdVAsEsWdsVrdmlhSesdAuSBemddvcB
Weil dem so ist, meinen wir, dass es nicht ausreichendst, die Bedeutung der Landwirtschaft an medienwirk-amen Skandalen oder Skandälchen auszurichten undur noch verbraucherpopulistische Aussagen zu machen.
Werter Herr Minister Seehofer, die Branche der Land-irtschaft hat zu Beginn großes Vertrauen in die großeoalition gesetzt. Bis heute hat sich aber nur Enttäu-chung breit gemacht. Die Erwartungen der Bauern wur-en in keiner Weise erfüllt. Das wird im Laufe meinesortrags noch deutlicher.Damit die deutsche Landwirtschaft langfristig ihreufgaben erfüllen kann – das ist im Interesse unserer ge-amten Gesellschaft –, braucht sie vor allem Folgendes:rstens gleiche Produktionsbedingungen durch harmoni-ierte Vorschriften auf EU-Ebene, zweitens gleicheettbewerbsbedingungen, zumindest innerhalb der EU,rittens eine Befreiung von den Altlasten.Lassen Sie mich hier ein paar Beispiele nennen.Zu den Produktionsbedingungen. Es kann nichtein, dass unsere europäischen Nachbarn nach anderenorschriften produzieren können. Wir brauchen in Eu-opa gleiche Vorgaben in den Bereichen der Tierhaltung,es Pflanzenbaus und des Pflanzenschutzes.
Zu den Wettbewerbsbedingungen. Ich finde es un-öglich, dass den Bauern in unserem Land aufgrund po-itischer Vorgaben überhöhte Kostenbelastungen entste-en. Ich komme von der belgischen Grenze. Wenn meinchwager als Landwirt einen Tag Feldarbeit betreibt, hatr – bei vergleichbaren Maschinen – 200 Euro mehr Die-elkosten als die Bauern aus Belgien und Luxemburg,ie in der Nachbarschaft auf dem Feld genau dieselberbeit leisten. Das haben wir insbesondere der Diesel-nd der Ökosteuer zu verdanken. Herr Ministereehofer, setzen Sie sich dafür ein, dass die deutschenauern die gleichen Spritkosten haben.
Zu den Altlasten. Die Landwirte erwarten dringendine Befreiung von den Fesseln des alten Sozialsystemsit seinen überhöhten Kosten. Das gilt insbesondere fürie landwirtschaftliche Unfallversicherung. Hier plädiertie FDP für einen grundlegenden Systemwechsel: wegom umlagefinanzierten Modell, hin zum Kapitalde-kungsverfahren bei Übernahme der Altlasten durch denund.
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Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
In diesem Sinne haben sich schon vor Wochen der
Minister und sein Fraktionskollege Herr Bleser geäußert.
Ende Mai allerdings machten Sie, Herr Minister, einen
Rückzieher und plädierten wieder für das Umlageverfah-
ren.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Am 3. Juni kam dann der Hammer. Herr Minister, Sie
sagten im Interview mit dem „Bayernkurier“:
In Zukunft wollen wir die Unfallversicherungs-
pflicht bei der Berufsgenossenschaft abschaffen.
Dieser Zickzackkurs eines Ministers verunsichert unnö-
tig die Berufsgruppe der Landwirte. So können Sie Ihre
im „Bayernkurier“ genannte Absicht – „Den Bauern ih-
ren Stolz zurückgeben“ – nicht erfüllen.
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.
Ja, noch zwei Sätze. Danke schön.
Vielleicht noch einen Satz.
Wir von der FDP-Fraktion fordern Sie auf: Sagen Sie
uns hier und heute, was Sie wirklich wollen. Sehr geehr-
ter Herr Minister, im Hinblick auf den vorgelegten
Agrarhaushalt möchte ich Sie auffordern: Streichen Sie
alle unnötigen Titel! Berücksichtigen Sie unsere Spar-
vorschläge und Anregungen! So bleiben unserer Land-
wirtschaft die notwendigen Mittel erhalten. Berücksich-
tigen Sie die eben genannten Forderungen.
Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kom-
men!
Wir fordern die Harmonisierung in der EU, die Besei-
tigung der überhöhten Kosten und zuletzt die Abschaf-
fung der Altlasten.
Herr Kollege, Sie benennen gerade zum dritten Mal
Ihre Forderungen. Deswegen müssen Sie jetzt bitte zum
Schluss kommen.
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Das ist für uns alle sehr schade. Vielleicht können Sie
s in einem anderen parlamentarischen Gremium unter-
ringen.
Ich gebe nun dem Kollegen Ulrich Kelber, SPD-Frak-
ion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Manchmal hat man bei den Kollegen der FDPas Gefühl, dass sie Freiheit mit Selbstbedienung ver-echseln, zumindest was die Redezeit angeht.
Wenn wir über den Haushalt sprechen, dann müssenir auch über die Schwerpunktthemen sprechen. Ichöchte drei solcher Themen anreißen: der Einsatz derU-Mittel in der Landwirtschaft, die Novelle des Gen-echnikrechts und die Novelle des Verbraucherinforma-ionsgesetzes.Hinsichtlich der EU-Mittel müssen wir uns fragen:ür was und wie viel Geld geben wir aus? Bei demompromiss zu den EU-Finanzen kam in der Tat füreutschland ein nicht zufrieden stellendes Ergebnis he-aus. Die Mittel in der ersten Säule sind quasi unverän-ert.
ber es gibt deutliche Verluste in der zweiten Säule. An-ere Länder haben andere Schwerpunkte bei diesem Fi-anzkompromiss gesetzt. Diesen Punkt muss man alsgrarpolitiker auch ansprechen dürfen.Das stellt die Koalition natürlich vor ein ernstes Pro-lem. Denn wir haben in unserem Koalitionsvertragwei Festlegungen getroffen. Erstens. Wir wollen dieittel der ersten Säule nicht anfassen. Zweitens. Wirollen die erste und zweite Säule gleichermaßen behan-eln. Beides ist mit diesem Agrarkompromiss nicht zurreichen.Dabei kennen wir natürlich die Bedeutung der Mitteler zweiten Säule für die ländliche Entwicklung, für dierbeitsplätze dort, für den Tourismus und vor allem fürie damit bezahlten gesellschaftlichen Leistungen, dieür die Akzeptanz von Agrarsubventionen wichtig sind.eswegen müssen wir Antworten darauf finden, wie wirie Streichungen in der zweiten Säule kompensieren.ir müssen die Debatte über die Modulation ausführlichnd langsam führen.
ies muss schrittweise, behutsam und mit Planungs-icherheit für die Landwirte vonstatten gehen, um dieeutsche Landwirtschaft auf die Zeit nach 2012 vorzube-eiten, wo wahrscheinlich die direkten Zahlungen in die-er Höhe nicht mehr erfolgen werden.
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Ulrich KelberHerr Bonde, wir Sozialdemokraten setzen unter-schiedliche Schwerpunkte. Unser erster Schwerpunktbeinhaltet, dass die Mittel in den strukturschwachenRegionen verbleiben müssen, in denen sie moduliertwerden.
Es kann keine Umschichtungen in strukturstarke Gebietegeben, nur weil es dort eine andere Struktur im Bereichdes Nebenerwerbs gibt. Wir müssen diese Mittel dorteinsetzen können, wo sie entwicklungsfördernd wirken;denn in den betroffenen Gebieten schlagen die demogra-fischen Veränderungen noch stärker zu als in anderenGebieten.
Ein ganz wichtiger Punkt: Wir akzeptieren den Plander Europäischen Union nicht, jetzt zu verlangen, sichinnerhalb von zwei Monaten auf die gesamte Finanzie-rung bis 2012 festzulegen. Wir wollen diese Diskussionin Ruhe führen. Sie darf wegen der Planbarkeit nicht2006 übers Knie gebrochen werden. Wir wollen uns aberauch nicht bis 2012 durch Brüssel festlegen lassen.
– Nein, die Verordnung besagt 2012 und verweist neben-bei auf den Midterm-Review 2008.In den letzten Wochen sind die Spekulationen überdas Gentechnikrecht ins Kraut geschossen. Vielen derdaran Beteiligten kann ich nur empfehlen, einfach aufdie Vorlage der Eckpunkte und auf die Positionierungder Koalition zu warten. Es war nämlich viel von Dingenzu lesen, die ich in der Diskussion innerhalb der Koali-tion nicht mitbekommen habe.Wir wissen: Über 80 Prozent der Verbraucherinnenund Verbraucher lehnen gentechnisch veränderte Orga-nismen ab. Auch Handel und Landwirte wollen zumGroßteil diese Technik nicht nutzen, sondern sie fordernim Gegenteil einen klaren Schutz für gentechnikfreie Le-bensmittel.Heute gab es ganz aktuell die entsprechende Studieaus dem Büro für Technikfolgenabschätzung. Sie zeigt,dass Arbeitsplätze in der gentechnikfreien Landwirt-schaft massiv gefährdet sind.
Deswegen habe ich persönlich sehr viele Sympathien fürden Vorschlag des CSU-Generalsekretärs. Diesem ste-hen aber EU-Recht und die Koalitionsvereinbarung einStück weit entgegen.
Damit es kein Missverständnis gibt: Ich plädiere ganzklar für mehr Forschung im Bereich der Gentechnik.
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Drittes und letztes Thema ist für mich das Verbrau-herinformationsgesetz, das wir bald beschließen wol-en. Der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzesurde stark kritisiert; das haben wir mitbekommen. Ge-enüber dieser Kritik sind wir nicht blind. Ich glaube,ass ein Großteil der Kritik übertrieben ist, weil die Kri-iker unterschätzen, welche Bedeutung die erstmalige In-tallation eines eigenständigen Verbraucherinformati-nsgesetzes hat.
Herr Kelber, möchten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Happach-Kasan zulassen?
Gerne, auch wenn ich dann wahrscheinlich vom Ver-raucherinformationsgesetz auf die Gentechnik zurück-ommen muss.
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Bitte schön, Frau Happach-Kasan.
Herr Kollege Kelber, Sie haben Recht, ich möchte
zum Thema Gentechnik eine Zwischenfrage stellen. Es
geht mir insbesondere um die Frage der Haftung. In dem
nicht autorisierten Eckpunktepapier der Bundesregie-
rung stand, dass das Wörtchen „insbesondere“ aus dem
§ 36 gestrichen werden soll, weil, wie der Wissenschaft-
liche Dienst des Deutschen Bundestages im Jahre 2004
festgestellt hat, hiermit eine besondere Rechtsunsicher-
heit verbunden ist. Ich frage Sie nun: Möchten Sie, dass
das Wörtchen „insbesondere“ in diesem Gesetz beibe-
halten wird, oder sind Sie ebenso wie die Bundesregie-
rung damit einverstanden, das Wörtchen zu streichen?
Damit komme ich auch schon zum Nachbarschafts-
recht. Sie wissen sicherlich, dass der ehemalige Staatsse-
kretär Catenhusen einmal in einem „Zeit“-Interview
deutlich gemacht hat, dass für das Haftungsrecht im
Prinzip die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches
zum Nachbarschaftsrecht völlig ausreichend seien. Stim-
men Sie mir und auch Ihrem ehemaligen Staatssekretär
Catenhusen darin zu?
Sie haben eben ein nicht autorisiertes Eckpunktepa-pier des Ministers angesprochen, was nun auf einmalschon zur Meinung der Bundesregierung avancierte. Ichhabe das Protokoll meiner bisherigen Rede logischer-weise noch nicht vorliegen, aber ich glaube, dass ich ge-sagt habe, ich könne allen nur empfehlen, auf die Vor-lage des Eckpunktepapiers zu warten und sich dannanzuschauen, was darin steht, statt über Dinge zu speku-lieren, die überhaupt nicht autorisiert sind, wie Sie ja sel-ber feststellten. – Das ist, wie ich glaube, die beste Ant-wort auf Ihre Frage.
Ich hatte von dem Wert eines eigenständigen Ver-braucherinformationsgesetzes gesprochen. Wir teilenallerdings auch Teile der Kritik. Die SPD hat ja öffent-lich gesagt, dass sie an bestimmten Stellen noch mehrgewollt hätte, zum Beispiel die Einbindung weiterer Pro-dukte und Dienstleistungen, weniger Ausnahmen und ei-nen stärkeren Druck auf die Informationspolitik der Un-ternehmen.
Man kann auch offen darüber sprechen, dass an be-stimmten Stellen die eigenen Positionen von denen desKoalitionspartners abweichen und dass man zu einembestimmten Zeitpunkt nur gewisse Punkte umsetzenkann.Mir kamen nun Ankündigungen aus Baden-Württem-berg und Nordrhein-Westfalen zu Ohren, also von CDU-regierten Ländern, dass man im Bundesrat die Umset-zung einiger dieser Punkte beantragen will. Dazu kannid–gsFG–rNfbKiSnbjszInsndlsvvwnLdaAc
Sie sind CDU/FDP-regiert. Das stimmt.Da Sie vorhin von Abzocke und komischen Vorschlä-en gesprochen haben, mache ich einen kleinen Ein-chub: Ich komme aus Nordrhein-Westfalen, wo dieDP mitregiert. Sie streichen im Landeshaushalt dieelder für Kindergärten.
Die Zuschüsse für die Kindergärten werden um meh-ere Millionen gesenkt. – Die offizielle Antwort auf dieachfrage der Kommunen, wie sie die Kindergärten nuninanzieren sollen, lautet: Hebt doch die Kindergarten-eiträge an. Das ist die Antwort der FDP zum Themaindergärten.
Wenn wir das betrachten, was Sie in Ländern machen,n denen Sie mitregieren, dann sollten wir auch diechattenseiten Ihres Mitregierens ins Auge fassen undicht nur die goldenen Seiten.
Ich komme nun zu meinem letzten Punkt, dem Ver-raucherinformationsgesetz zurück, ein Thema, das Siea, Herr Goldmann, sehr interessiert, wie an Ihren Zwi-chenrufen deutlich wird. Wir haben eine Anhörungum Verbraucherinformationsgesetz durchgeführt.
ch finde es gut, dass diese Koalition Anhörungen ernstimmt und dann auch bereit ist, Änderungen und Klar-tellungen vorzunehmen. Vier Punkte werden wir hieroch umsetzen:Wir werden über das Ausschussprotokoll klarstellen,ass Anträge selbstverständlich per E-Mail und münd-ich gestellt werden können. Wir werden ebenfalls klar-tellen, dass in der Regel die Daten von den Behördeneröffentlicht werden müssen und dass das Zurückhaltenon Daten eine begründete Ausnahme sein muss. Wirerden deutlicher formulieren, dass Rechtsverstößeicht unter den Schutz des Betriebsgeheimnisses fallen.ast, but not least werden wir die Frist, in der die Behör-en einen Antrag bearbeiten müssen, von acht Wochenuf vier Wochen verkürzen. Ich glaube, das sind zumbschied noch vier gute Botschaften für den Verbrau-herschutz.Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Bei jeder Haushaltsberatung – das ist die Stern-stunde des Parlaments – muss man überlegen, was dieBundesregierung geleistet hat. Was leistet der zuständigeMinister in den Bereichen, die er zu verantworten hat?Hier geht es um die Landwirtschaft und den Verbrau-cherschutz. Es geht darum, ob zusätzliche Zukunftspers-pektiven und zusätzliche Perspektiven für Arbeitsplätzefür den ländlichen Raum geschaffen worden sind. Aufgenau diese Punkte hin müssen wir diesen Haushalt unddie bisherige Politik überprüfen. Ich sage Ihnen: Washier beschlossen werden soll, sind zusätzliche große Be-lastungen für den ländlichen Raum. Es gibt große Ver-säumnisse sowohl bei der Impfpolitik als auch bei derVerbraucherschutzpolitik. Das Einzige, was die großeKoalition geleistet hat, ist, dass die Menschen unter gro-ßen Versäumnissen leiden werden und große Belastun-gen auf die Menschen in diesen Bereichen zukommen.
Ich will das begründen. Ich fand interessant, wie dieBeiträge von Alex Bonde hier kommentiert worden sind.Es war ein Aufschrei der Entrüstung, zu Recht. Ich habemanchmal den Eindruck, dass einige noch nicht ganzverstanden haben, wie der ländliche Raum wirklich ge-fördert wird. Der ländliche Raum wird nicht nur aus derGemeinschaftsaufgabe gefördert. Herr Minister, Sie ha-ben versucht, mit Zahlen die dramatischen Veränderun-gen, die stattfinden werden, zu beschönigen. Ja, Sie ha-ben Recht, leider hat die rot-grüne Koalition in denletzten sieben Jahren die Mittel für die Gemeinschafts-aufgabe um ungefähr 200 Millionen Euro kürzen müs-sen. Das war mehr Herr Funke als Renate Künast.
Ich sage, dass wir dafür gemeinsam die Verantwortungtragen. Es waren 200 Millionen Euro in sieben Jahren.Was Sie vorhaben – das macht die Dramatik aus – istkeine Kürzung um 200 Millionen Euro in sieben Jahren,sondern eine Kürzung um 450 Millionen Euro in einemJahr.
Warum ist das so? Das haben die meisten noch gar nichtverstanden. Die Tatsache, dass Frau Merkel in Brüsselmit großen Geschenken aufgewartet hat und damit denBauern 400 Millionen Euro pro Jahr weniger zur Verfü-gung stehen, hat heute schon Bedeutung. Ich sage Ihnen,was das in Nordrhein-Westfalen bedeutet. Vertrags-naturschutzmaßnahmen zum Beispiel werden für ei-nen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossen. Wenn Sieeine längerfristige Planung machen müssen – das mussjedes Landesministerium –, dann können Sie heute dieVerträge, die in diesem Jahr auslaufen, weil die fünfJahre vorbei sind, nicht mehr verlängern. Wir haben vor-hNdspaEalmZjnPbDsdBsAeiecIrmwNTntpadDsdsssVL
Ich komme zum Ökolandbau. Auch er erhält Geldus diesen Mitteln. Ich sage Ihnen unabhängig von Ideo-ogien: Die Verbraucherinnen und Verbraucher kaufenehr Ökoprodukte. In diesem Jahr gab es wieder einenuwachs von mehr als 10 Prozent. Was passiert aberetzt? Weil die Länder die Umstellung auf Ökolandbauicht mehr finanzieren können, weil sie die zusätzlichenrämien nicht mehr bezahlen können, kehren heute Öko-auern wieder zum konventionellen Landbau zurück.as haben Sie von der großen Koalition mit Ihren Ein-parmaßnahmen zu verantworten.
Was folgt daraus? Obwohl es mehr Verbraucher gibt,ie Ökoprodukte wollen, können sie diese Produkte vonauern in Deutschland nicht mehr kaufen. Sie überlas-en diesen Markt den ausländischen Bauern. Das ist einrmutszeugnis für einen Minister, der gesagt hat, er willtwas für die Bauern tun. Da, wo Zuwachs vorhandenst, wird gestrichen. Da, wo Zuwachs vorhanden ist, gibts keine Perspektive. Das ist Ihre Politik. Mit Verbrau-herschutz hat das nichts zu tun.
Weil die Zeit abläuft, sage ich nur noch eines zummpfen. Herr Seehofer, Sie haben Recht. Wir diskutie-en nicht über Impfen statt Töten. Auch wenn man impft,uss man töten. Der Unterschied aber ist, dass Sie,enn Sie impfen, viel weniger Tiere töten müssen. Dieiederländer hätten sicherlich damals über 10 Millioneniere weniger töten müssen. Herr Minister, es macht ei-en Unterschied, wenn Sie 10 Millionen Tiere wenigeröten müssen. Überdenken Sie endlich einmal Ihre Impf-olitik. Warten Sie nicht auf einen Impfstoff des Institutsuf Riems. Die Niederländer haben schon lange einen,er alle Bedingungen erfüllt.
ie Niederländer impfen mit H5N9. Dieser Impfstoffteht Ihnen schon heute zur Verfügung. Damit haben Sieie Möglichkeit, Ihr Ziel zu erreichen.Es kann doch nicht sein, dass Sie ideologisch so be-etzt sind, dass Sie unbedingt auf einen deutschen Impf-toff setzen. Setzen Sie auf einen Impfstoff, der dafürorgt, dass Sie weniger töten müssen. Das wäre für dieerbraucher, für die Tiere und letzten Endes auch für dieandwirtschaft besser.
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Bärbel HöhnVersuchen Sie endlich, im Rahmen dieses Haushaltesetwas für den ländlichen Raum zu tun. Machen Sie dieZukunftsperspektive des ländlichen Raumes nicht ka-putt.
Dafür sind wir. Ich wünsche Ihnen guten Erfolg. MachenSie das aber bitte nicht so, wie Sie diesen Haushalt ge-macht haben.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Bleser, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! NachJahren der Verunsicherung und Verängstigung der Ver-braucherinnen und Verbraucher in Bezug auf unsere Le-bensmittelqualität – wir erinnern uns –, nach Jahren derVerunglimpfung von 4,2 Millionen Beschäftigten derAgrarbranche,
nach Jahren der bis zum Exzess betriebenen Bürokrati-sierung der Landwirtschaft, nach Jahren des Pessimis-mus, der Hoffungslosigkeit, der Zukunftsangst, sehendie Verbraucher sowie die Bäuerinnen und Bauern indiesem Land jetzt endlich wieder das Morgenrot der Zu-versicht und des Optimismus.
Zusammengefasst ist dies das Ergebnis von siebenJahren – von sieben Monaten; sieben Jahre sollen es si-cher noch werden – erfolgreicher Politik der Koalitionund des Bundesministers Horst Seehofer.
Ich muss noch einmal die Vergangenheit ins Gedächt-nis rufen. Frau Künast hat immer versucht, vermeintli-che Lebensmittelskandale zu ideologisieren und ausder Verängstigung der Verbraucher politisches Kapitalzu schlagen.
Wir haben von Anfang an auf sachliche, wissenschaft-lich begründete Lösungsansätze gesetzt: Beim Gammel-fleischskandal haben wir ein 10-Punkte-Sofortprogrammaufgelegt und nicht die ganze Fleischbranche wegen ei-niger weniger schwarzer Schafe, die zu Recht zur Re-cdstgbkStdewikutcldfMBsdQPDsidnVBGltdslt
Wir nehmen den Verbraucherschutz auch in anderenereichen sehr ernst. Die Roaminggebühren, also dieebühren, die Handynutzer beim Telefonieren im Aus-and zahlen müssen, sind allein aufgrund unserer Initia-ive um 50 Prozent gesenkt worden. Das ist etwas, wasen Verbrauchern im Urlaub dient und den Verbraucher-chutz nach vorne bringt.Jetzt habe ich es sieben Mal gesagt, jetzt kann ich esassen. Das war Bedingung in der Wette.Wir werden im Übrigen auch beim Telekommunika-ionsgesetz mit den Kollegen Berichterstattern in den
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Peter Bleseranderen Arbeitskreisen dafür sorgen, dass auch hier dieÜbervorteilung unserer Verbraucher beendet wird.Noch ein Letztes, weil es wichtig ist, dies zu erwäh-nen: Viele haben von Eins-zu-eins-Umsetzung gespro-chen.
Die Bundesregierung hat das BSE-Testalter auf 30 Mo-nate angehoben. Der Bundesrat hat am Freitag zuge-stimmt. Auch damit ist ein Stück Wettbewerbsungleich-heit abgeschafft worden. Auch das dient im wahrstenSinne den Verbrauchern, weil die Kosten, die die Bauernund die Verbraucher tragen müssen, gesenkt werden.
Ich will noch etwas zu zwei Themen sagen: zur Grü-nen Gentechnik und zu den Biokraftstoffen.
Herr Kelber, die Grüne Gentechnik hat ein Potenzial,das besonders durch eine Nachricht in den letzten Tagennoch einmal sehr verdeutlich worden ist. Es gibt einengenehmigten Freisetzungsversuch in Mecklenburg-Vor-pommern, bei dem getestet werden soll, ob es gelingt,mit Kartoffeln Impfstoffe zu erzeugen, also Menschenzu helfen. Allein diese Meldung beweist, was für ein Po-tenzial in dieser Technologie steckt.
Es wäre eine große Unterlassung, wenn wir unserer Be-völkerung die Nutzung dieser Potenziale verweigernwürden. Deshalb müssen wir noch in diesem Jahr zuPotte kommen.
Es freut mich ganz besonders, dass die Saatgutwirtschaftin den letzten Tagen einen Schwenk vorgenommen hatund sich von sich aus bereit erklärt hat, im Rahmen derbestehenden Haftungsregelung eventuelle Haftungsfra-gen im bilateralen Verhältnis mit den Anbauern zu klä-ren.Als Letztes zu den Biokraftstoffen: Ich bin sehr zu-versichtlich, dass die Hartnäckigkeit, die von vielen indiesem Raum in den letzten Tagen verfolgt worden ist,zu einem positiven Ergebnis führt. Deswegen haben dieBeschäftigten in der Agrarwirtschaft, in der Landwirt-schaft und in den dazugehörigen Bereichen sowie dieVerbraucher allen Grund, hoffnungsvoll in die Zukunftzu schauen. Wir werden unsere Arbeit in diesem Sinnefortsetzen.Herzlichen Dank.
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eim Fußball würde man sagen: Für unfaires Nachtretenibt es die rote Karte.
Ich habe dir eine Minute geschenkt und ich denke, dasar ein unfaires Nachtreten, weil wir in den letzten vierahren intensiv an einem guten Verbraucherinforma-ionsgesetz gearbeitet haben.
Jetzt zum Thema. Wir sind fast am Ende der Debatte.
ch will noch einmal ganz deutlich machen, dass dieroße Koalition im Konsens einen sehr guten Haushalts-lan im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Ver-raucherschutz aufgestellt hat. Das ist für mich noch ein-al ein Grund, am Ende der Debatte ein herzlichesankeschön ins Haus zu sagen, Herr Minister Seehofer.ch denke, wir haben gute Unterstützung bekommen.Anders als die Kolleginnen und Kollegen der grünenraktion das gerne darstellen, finde ich nicht, dass es imaushaltsansatz einen Bruch mit der bisherigen Politikibt. Die Bundesprogramme zur artgerechten Tierhal-ung und zum Ökolandbau werden in gleicher Höhe wei-ergeführt. Was die Förderung der nachwachsendenohstoffe angeht, so setzt die neue Bundesregierung auflanungssicherheit. Für die nachwachsenden Rohstoffeind 52,2 Millionen Euro eingestellt. Damit wurden dieittel im Vergleich zum Vorjahr wirklich nur ganz ge-ing, um 2,3 Prozentpunkte, gesenkt. Die Brancheoomt. Das zeigt auch der Agrarbericht 2006, über denir im Herbst beraten werden.Damit das so bleibt, sind Investitionen in die For-chung notwendig. Es wird für Herrn Minister Seehofericherlich keine leichte Aufgabe sein, zu entscheiden,o in den neuen Ländern das Biomasseforschungszen-rum angesiedelt wird.
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3832 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Waltraud Wolff
Eines möchte ich von dieser Stelle aber ganz deutlich sa-gen: Im Interesse der Forschung wünsche ich mir, dassdiese Entscheidung schnell getroffen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt befindensich die Mittel, die unser Fachbereich zur Haushaltskon-solidierung beiträgt, auf einem Niveau, das als durchausverträglich zu bezeichnen ist. Auch dafür sage ich Dankeschön an beide Haushälter.
Was die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstrukturund Küstenschutz“ betrifft – darüber hat sich hier jederschon ausgelassen –, möchte ich sagen: Auch ich per-sönlich spare in diesem Bereich ungern, weil darausviele Projekte zur Entwicklung der ländlichen Räumegespeist werden.
Wer aber dem Kollegen Bahr ordentlich zugehört hat,der weiß sehr wohl, dass es hier zu keinen gravierendenEinsparungen kommt.
Wir haben die Aufgabe, in Zukunft ganz besondersauf die inhaltliche Ausgestaltung zu achten.
Zwar hat der Bund nicht die Zuständigkeit, diese Pro-jekte originär zu beeinflussen – hier ist der Planer gefor-dert –,
doch jedem muss klar sein, dass es in Zukunft nichtmehr möglich ist, die Mittel nach dem Gießkannenprin-zip „Überall ein bisschen Wasser“ zu verteilen.
Das wird es explizit nicht mehr geben.
Auch wir Abgeordnete sind gefordert, über die Möglich-keiten und Chancen der ländlichen Räume und ihre fi-nanzielle Unterstützung zu diskutieren.Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stellekomme ich natürlich nicht umhin, auf den Antrag, dendie Grünen zum Haushalt gestellt haben, einzugehen.
Über ihn wird erst morgen früh abgestimmt. Ichwünschte, wir hätten das heute Abend gemacht.SeSGBswAvfwul–gcFsg–Fcw
ie haben eine namentliche Abstimmung beantragt.Herr Bonde, wie plump glauben Sie von den Grünenigentlich vorgehen zu können?
ie fordern in Ihrem Antrag, die Haushaltsmittel für dieemeinschaftsaufgabe auf 685 Millionen Euro – dieseretrag entspricht dem Sollwert des Jahres 2005 – aufzu-tocken. Das wäre in Zeiten voller Kassen löblich undir alle würden das gerne mittragen.
ber haben Sie eigentlich alles vergessen? Haben Sieergessen, dass der erste Entwurf des Haushaltsansatzesür das Jahr 2006 noch von Ministerin Künast vorgelegtorden ist
nd dass schon damals ein Einsparvolumen von 20 Mil-ionen Euro eingestellt war? Das ist doch die Wahrheit!
Sie haben genug Polemik betrieben. So viel Demago-ie können wir an einem Abend wie heute nicht gebrau-hen.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von
rau Höfken zulassen möchten?
Wie bitte?
Frau Höfken würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage
tellen. Wollen Sie sie zulassen?
Ich habe gesagt, dass ich heute Abend keine Demago-ie mehr erleben möchte.
Finden Sie etwa, dass das, was hier heute Abend vonrau Höhn und Herrn Bonde dargelegt wurde, ordentli-he Oppositionspolitik ist? Das kann doch wohl nichtahr sein. Ich glaube das nicht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3833
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Waltraud Wolff
Ich sage Ihnen eines: Die von Ihnen geforderte namentli-che Abstimmung ist in meinen Augen eine unehrlicheShowveranstaltung, bei der Sie morgen nicht glänzenwerden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich kann undwill sich die Koalition nicht nur an der finanziellen Aus-stattung von Haushaltstiteln messen lassen – durchausnicht.Wir haben wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht,Vorhaben, die sich sehen lassen können. Beispielsweisehaben wir die EU-Freisetzungsrichtlinie zur GrünenGentechnik endlich umgesetzt. Nun steht die Novelleins Haus; Herr Kollege Kelber hat dazu seine Ausfüh-rungen gemacht. Ich will noch einmal deutlich machen:Bei der Durchsicht der Gesetzeslage gilt es an dieserStelle sensibel zu sein und mit Augenmaß vorzugehen.Wir haben nach Jahren des Stillstandes die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verabschiedet, nach der dieKäfighaltung von Legehennen ab 2007 zu beenden ist.Die Hennenhalter sind eine Selbstverpflichtung einge-gangen, dass sie ab 2009 mindestens die Hälfte der Le-gehennen in Freiland- oder Bodenhaltung bringen. Wirsind natürlich gespannt, ob sie das einhalten. Ich binfroh, dass es diese Selbstverpflichtungserklärung gibt,und ich hoffe, dass sie stringent eingehalten wird.
Sollten die Vorgaben nicht eingehalten werden – wovonwir nicht ausgehen wollen –, würde die Diskussion überdie Hennenhaltung wieder entflammen; selbstredendwäre dann die Politik wieder gefragt.Außerdem – ich schaue ein bisschen um die Ecke, zuIhnen, Herr Minister – haben wir uns auf ein obligatori-sches Prüf- und Zulassungsverfahren verständigt. Ichbitte darum, dass die Vorschläge zu diesem so genanntenTierschutz-TÜV schnell auf den Weg gebracht werden,damit wir darüber im Parlament beraten können. Damitkönnen wir erreichen, dass ab 2012 nur noch zugelas-sene, serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen inDeutschland verwendet werden, die auf Tiergerechtheitgeprüft sind. Ich denke, das ist gut. Die Beispiele, die ichaufgeführt habe, bieten Lösungen für Vorhaben, die fürdie deutsche Agrarwirtschaft von großer Bedeutungsind.Liebe Kolleginnen und Kollegen, in jedem Haushalts-jahr macht die Agrarsozialpolitik mit 74 Prozent dengrößten Teil des Einzelplans 10 aus; das ist schon gesagtworden. Die LSV wäre natürlich allein eine Debattewert, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir dieseDebatte in diesem Jahr noch führen werden. Nach derSommerpause wird es um eine zukunftsweisende Orga-nisationsreform gehen, zu der selbstredend eine Überar-beitung der Beitragsmaßstäbe für die landwirtschaftlicheKUdswnmAtDfrdgc–hldcsIMs
Natürlich; aber das wird man in der nächsten Zeit se-en.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss!
Ich sehe schon: Ich habe mich bei den Grünen zu
ange aufgehalten.
Das ist jetzt nicht mehr zu reparieren.
Ich möchte ganz zum Schluss ein Thema anreißen – –
Einen Satz noch.
Ich möchte Herrn Minister Seehofer bei der Debatte,
ie ihm ins Haus steht – das Rauchverbot in öffentli-
hen Gebäuden und Gaststätten – unterstützen.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Dieses Bestreben unter-tütze ich ausdrücklich – auch wenn ich Raucherin bin.ch denke, das ist ein zukunftsweisendes Projekt.
an darf hier nicht immer nur über Sachstände reden,ondern man muss Dinge politisch in Gang setzen.Ich bedanke mich.
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3834 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
Kollegin Ulrike Höfken.
Sie möchten „heute Abend keine Demagogie mehr“
haben? Ich möchte doch einmal aufzeigen, was hier im
Haushalt wirklich passiert. Herr Seehofer hat vorgerech-
net, Rot-Grün hätte – das war hauptsächlich Funke – in
seinen sieben Jahren die Gemeinschaftsaufgabe um
200 Millionen Euro gekürzt.
Aber was jetzt passiert, ist eine Kürzung um über
400 Millionen Euro pro Jahr durch die Entscheidungen,
die Frau Merkel zu verantworten hat, bei der finanziellen
Vorausschau in Brüssel: minus 400 Millionen Euro pro
Jahr. Hinzu kommen die Einsparungen, die Sie jetzt im
Haushaltsplan vorlegen. Auch da war Ihre Aussage
durchaus nicht richtig, was den Haushalt 2006 angeht.
Da hat nämlich im Vorschlag von Eichel gestanden: mi-
nus 20 Millionen Euro. Was hat Seehofer gemacht? Er
hat noch 50 Millionen Euro draufgelegt und dann um
70 Millionen Euro gekürzt. Wir haben die 50 Millionen,
die Seehofer weggenommen hat, wieder draufgelegt und
das mit dem morgigen Antrag auch dokumentiert. Das
heißt, wir haben hier eine Rechnung gemacht, die abso-
lut eine Minimalkompensation im Hinblick auf die Ge-
meinschaftsaufgabe darstellt.
Das Ganze auch noch mit den fehlenden Einnahmen
und den leeren Kassen zu begründen, das ist nun wirk-
lich ein Hohn bei der „größten Steuererhöhung der
Nachkriegszeit“, und das auch noch bei 2 Milliarden
Euro Mehrausgaben pro Jahr an Brüssel.
– Das war ein großer Bestandteil der Rede von Frau
Wolff. Ich antworte genau auf den Vorwurf, dass das
nicht der Fall sei.
Das tut weh, das glaube ich schon. Sie können das im
Übrigen im Protokoll ganz genau nachlesen.
Vielen Dank.
Frau Wolff, möchten Sie reagieren?
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Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Frau Höfken, ich möchte mich noch einmal melden,
eil Sie jetzt unzulässigerweise etwas vermischen, um
hren Antrag für morgen in der Früh noch gewisserma-
en zu rechtfertigen.
Ihr Antrag beschäftigt sich ausschließlich mit dem
undeshaushalt, Einzelplan 10, und mit der Gemein-
chaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Nicht
inmal in der Begründung steht ein Halbsatz zur zweiten
äule oder zur EU. Nun haben Sie offensichtlich auf-
rund der heutigen Debatte erkannt, dass dies ein gewal-
iger Fehler war,
eil Sie sich mit diesem Antrag in großem Widerspruch
u Ihrem eigenen Handeln stellen.
Es gibt sieben Jahre: Funke 1998 870 Millionen Euro,
unke 1999 870 Millionen Euro, Funke 2000 870 Mil-
ionen Euro, dann kommt noch einmal Funke/Künast
75 Millionen Euro, 872 Millionen Euro. Ich habe
65 Millionen Euro übernommen. Von Frau Künast ist
u meiner Amtsübernahme um 210 Millionen Euro ge-
ürzt worden. Und Sie beschäftigen sich im Antrag mor-
en in der Früh ausschließlich mit der Gemeinschafts-
ufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“, die Sie
elber um 210 Millionen Euro gekürzt haben.
Meine Antwort ist: Wer selbst um 210 Millionen Euro
ürzt, kann sich nicht zum Anwalt von 50 Millionen
uro machen. Sie haben einen großen Fehler gemacht.
Damit jetzt Ihre Argumentation irgendwie stimmt,
erbinden Sie das Ganze mit der EU-Finanzierung, die
m Jahre 2006 im Haushalt überhaupt keine Rolle spielt,
eil diese geänderte EU-Finanzierung erst im nächsten
ahr in Kraft tritt. Das ist die Wahrheit. Sie haben einen
roßen politischen Fehler gemacht.
ie bitten das ganze Parlament morgen in der Früh zu ei-
er namentlichen Abstimmung über den Sachverhalt,
en Sie selbst zu verantworten haben.
Jetzt gibt es hier eine Diskussion zwischen verschie-enen Geschäftsführern.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006 3835
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Unsere Geschäftsordnung enthält die Möglichkeit,nicht den Zwang, die Debatte, nachdem der Minister ge-sprochen hat, neu zu eröffnen. Ich möchte jetzt fragen,ob das hier eine Fraktion beantragt oder nicht.
– Dann ist das ein Antrag.Damit müssen wir die Debatte neu eröffnen. Ich bittedie Geschäftsführer, sich untereinander kurz zu bespre-chen, um sich über die Redezeiten zu einigen.
Herr Kaster hat das Wort zur Geschäftsordnung. Bitteschön.
Ich möchte zur Geschäftsordnung Folgendes sagen:
Wir haben eben erlebt, dass die Geschäftsordnung bei
der Kurzintervention in einem solchen Sinne angewandt
worden ist, dass man von einem Missbrauch sprechen
kann.
Im Rahmen der Kurzintervention ist nicht genau auf eine
Rede, die gehalten worden ist, eingegangen worden,
sondern es sind viele Teile der Debatte aufgegriffen wor-
den. Von daher kommen jetzt andere Bestandteile der
Geschäftsordnung zum Tragen, durch die es ermöglicht
wird, auf den Redebeitrag des Ministers zu antworten.
Im Hinblick auf einen vernünftigen Umgang der
Fraktionen untereinander sollte man das noch einmal
überdenken.
Ich glaube, es ist nicht unbedingt ein Mittel der Ge-
schäftsordnung, dass eine Fraktion noch einmal etwas
überdenkt. Deshalb bitte ich die Geschäftsführer der
Fraktionen jetzt zu mir, damit wir uns darüber einigen
können, wie die Verteilung der Redezeit ist oder ob es
eine andere Lösung gibt.
Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben
sich untereinander darauf geeinigt, dass jede Fraktion,
die möchte, jetzt eine Redezeit von zwei Minuten erhält.
Als erster Fraktion gebe ich der FDP das Wort. Frau
Happach-Kasan, bitte schön.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist mir sehr wichtig, dass wir solch eine kontroverse
Debatte über den Haushalt, der morgen beschlossen
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eswegen bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass
ir jetzt noch einmal das Wort ergreifen.
Ich möchte hervorheben, dass die Situation, in die wir
eraten sind, dadurch entstanden ist, dass Kollegin Wolff
ine Frage nicht zugelassen hat. Das zieht eine Kurz-
ntervention nach sich.
n diesem Fall hat Frau Höfken – das war völlig richtig –
hr Recht zu einer Kurzintervention wahrgenommen und
hre Möglichkeiten genutzt, um ihren Standpunkt klar zu
achen. Ich schließe mich ihrem Standpunkt und auch
em des Ministers nicht in allen Punkten an, aber das ist
as übliche parlamentarische Verfahren. Wir als Parla-
entarier sollten untereinander die Solidarität aufbrin-
en, uns zu Wort kommen zu lassen. Ich finde ihr Vorge-
en richtig.
Ich darf hinzufügen, dass es völlig rechtens war, das
erhandlungsergebnis, das Frau Merkel in Brüssel er-
ielt hat, in die Diskussion über die Haushaltsberatungen
inzubeziehen. Selbstverständlich gehen durch das Ver-
andlungsergebnis von Frau Merkel den Menschen im
ändlichen Raum Finanzmittel verloren, wenn auch nicht
n diesem Jahr, dann aber im nächsten. Es ist richtig,
uch dies in Beziehung zu der heutigen Haushaltsdebatte
u setzen. Denn es geht uns um die Menschen im ländli-
hen Raum und um die finanziellen Mittel, die ihnen zur
erfügung gestellt werden. Ein Verhandlungsergebnis,
ie es von Frau Bundeskanzlerin Merkel in Brüssel er-
ielt worden ist, schwächt die Menschen im ländlichen
aum. Das müssen wir bei unseren Entscheidungen be-
ücksichtigen.
Ich danke allen für die Aufmerksamkeit.
Wenn ich die nonverbalen Äußerungen richtig ver-tanden habe, dann möchte die CDU/CSU nicht reden.ie Linke möchte auch nicht reden. Die SPD
öchte auch nicht reden. Dann gebe ich das Wort demündnis 90/Die Grünen. Frau Höhn, bitte.
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3836 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 40. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2006
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Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte
ich Folgendes sagen: Uli Höfken hat mit ihrer Interven-
tion etwas sachlich dargestellt. Ich finde, es ist parla-
mentarischer Brauch, dass man darauf auch sachlich ant-
wortet. Ich würde es begrüßen, wenn wir das in Zukunft
immer so handhaben, statt sie in der Art und Weise wie
vorhin zu unterbrechen. Dabei müssen wir uns an die ei-
gene Nase fassen.
– Richtig. Meinetwegen alle. – Wir müssen anders mit-
einander umgehen. Wer interveniert und den Sachverhalt
noch einmal darstellt, muss auch eine Antwort verlangen
können.
überlegen, wie wir für die Menschen im ländlichen
Raum das Übermaß an Belastungen, das ihnen durch die
fehlenden 600 Millionen Euro im Jahr entsteht, kompen-
sieren können.
Denken Sie darüber nach, wenigstens die Kürzung
um 50 Millionen Euro zurückzunehmen, die Sie be-
schlossen haben. Das können Sie morgen früh machen,
indem Sie unserem Vorschlag zustimmen.
Ich bedanke mich bei Ihnen, weil Sie meinem zwei-
Insofern finde ich, dass Uli Höfken alles richtig gemacht
hat.
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Es
geht mir um den ländlichen Raum. Ich bitte Sie alle,
gemeinsam den Blick darauf zu richten, was wir mit den
Menschen im ländlichen Raum machen und was dort
passiert. Wir haben logischerweise die EU-Kürzungen
und die Kürzungen im Bundeshaushalt zusammen be-
trachtet; denn die Menschen vor Ort unterscheiden auch
nicht, ob die Kürzungen vonseiten der EU oder im Bun-
deshaushalt erfolgen.
Die Lage ist sogar noch dramatischer; denn die Ko-
finanzierung der Länder fällt weg. Das macht zusätzlich
ungefähr ein Drittel aus. Das heißt, dem ländlichen
Raum werden ungefähr 600 Millionen Euro pro Jahr we-
niger zur Verfügung stehen.
Ich appelliere an Sie, dass wir alle vor dem Zu-Bett-
Gehen – wir gehen ja gleich schlafen; ich hatte bei dem
Redebeitrag von Herrn Bleser auch ein bisschen den
Eindruck, dass er schon bei der Parlamentarischen Ge-
sellschaft war –
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell ist verabredet, die Abstimmungen
um Tagesordnungspunkt I.17 einschließlich der na-
entlichen Abstimmung auf morgen früh zu Beginn der
itzung zu vertagen. – Damit sind Sie offensichtlich ein-
erstanden. Dann ist so beschlossen.
Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ge-
ießen Sie die gewonnenen Einsichten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 23. Juni 2006, 8 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.