Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Neuregelung des Rechts der erneuer-
baren Energien im Strombereich
– Drucksache 15/2327 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung des Rechts der erneuerbaren
Energien im Strombereich
– Drucksachen 15/2539, 15/2593 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
– Drucksachen 15/2845, 15/2864 –
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Redet
Berichterstattung:
Abgeordnete Marco Bülow
Doris Meyer
Michaele Hustedt
Angelika Brunkhorst
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zu dem
Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56 a der Geschäftsordnung
Technikfolgenabschätzung
hier: Monitoring – „Möglichkeiten g
scher Stromerzeugung in Deuts
– Drucksachen 15/1835, 15/2797 –
Mit 1 Euro haben Sie mitgeholfen, dass 130 000 zu-kunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen worden sind.Mit 1 Euro haben Sie mit dazu beigetragen, dassDeutschlands Energieversorgung sicherer geworden ist.Mit 1 Euro haben Sie mit dafür gesorgt, dass die deut-schen Unternehmen in einer Schlüsselindustrie zumMarktführer geworden sind. Mit 1 Euro leisten Sie einenwichtigen Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
on 1 Euro pro Monat beweisen, dass dieerneuerbaren Energien nicht teuer seinhte Ihnen einen Vergleich nennen: Eineothermi-chland“ Die Kosten vFörderung dermuss. Ich möc
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Marco BülowVideorekorder kostet jeden Haushalt, auch wenn er nichthäufig benutzt wird, pro Monat mindestens 1,50 Euro,also mehr, als für die erneuerbaren Energien zu zahlenist.Eigentlich sparen Sie sogar Geld. Denn die erneuer-baren Energien vermeiden so genannte externe Kosten.Das sind Kosten für Umweltschäden, für Schäden, dieim Bereich Klima entstehen, aber beispielsweise auchfür Castortransporte, die bekanntlich immer viel Geldkosten. All diese Kosten haben letztendlich Sie zu be-zahlen, auch wenn sie auf keiner Stromrechnung auftau-chen.
Ich warne davor, zu glauben, dass die Kosten niedrigausfallen werden. Ich möchte Sie nur an die Hitze-periode und an die Hochwasserkatastrophe im letztenJahr erinnern. Wenn solche Ereignisse nicht Ausnahmenbleiben, sondern zum Regelfall werden, dann wird es Sieteuer zu stehen kommen, wenn Sie weiterhin hauptsäch-lich die anderen Energieträger nutzen und nicht die er-neuerbaren Energien.Wir müssen die Förderung der erneuerbaren Energiennatürlich um vieles andere ergänzen. Beispielsweisemüssen wir eine höhere Energieeffizienz erreichen. Wirmüssen dafür sorgen, dass neben der Förderung der er-neuerbaren Energien auch andere Instrumente eingesetztwerden. Die SPD-Fraktion hat deswegen bei der Novel-lierung, über die wir heute sprechen, drei Schwerpunktegesetzt. Wir wollen mit dieser Novelle nämlich errei-chen, dass das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz,erfolgreich bleibt und ein kostengünstiges Instrument ist.Unser erster Schwerpunkt betrifft die Effizienz. Wirwollen unser Ziel, nämlich die Verdoppelung des Anteilsder erneuerbaren Energien bis 2010 auf über 12 Prozent,erreichen. Dabei dürfen aber die Kosten nicht in demMaße steigen, wie der Anteil der erneuerbaren Energiensteigt.Das heißt, wir haben an vielen Schrauben gedreht, umes kostengünstiger zu machen. Ich will eine nennen, diewir häufig benutzt haben, nämlich die Degression. Beieiner Degression von 2 Prozent, wie beispielsweise beider Windkraft, und Hinzurechnung der Inflationsrate– diese wird nämlich nicht ausgeglichen – muss ein Be-treiber in zehn Jahren 35 Prozent des Geldes einsparen,um marktfähig zu bleiben.Unser zweiter Schwerpunkt war die Stärkung der För-derung der Bioenergien. Auch hier haben wir eine De-gression eingeführt. Vor allen Dingen haben wir hieraber auch noch einiges andere getan. Wir haben nämlichbeispielsweise einen Bonus für nachwachsende Roh-stoffe gestaltet, weil wir glauben, dass gerade die Bio-energien einen wichtigen Beitrag für die erneuerbarenEnergien leisten und sie noch nicht so stark genutzt wor-den sind, wie wir uns das gewünscht haben.
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ndere Modelle sind teurer und nicht so erfolgreich. Daseweisen viele Gesetze in anderen Ländern. Deswegenopieren immer mehr Länder unser Instrument.Zudem wissen wir, dass sich die Kostenschere zwi-chen den erneuerbaren Energien und den anderen Ener-ieformen schon allein deswegen schließen wird, weilir viele neue Kraftwerke bauen müssen; das kosteteld. Daneben gibt es vor allen Dingen beim Öl undeim Gas eine Endlichkeit, die schnell erreicht sein wird.
Diese Erkenntnis spricht sich auch bei der Oppositionerum. Trotzdem kommt die Opposition insgesamt zuinem Nein bezüglich der Förderung der erneuerbarennergien. Dieser Satz lässt sich nur wie folgt kommen-ieren: Die Energiepolitik der Union ist nicht zukunftsfä-ig und die FDP ist mit ihrer Energiepolitik noch nichtinmal in der Gegenwart angekommen.
Ich bedaure, dass sich vor allen Dingen bei der Unionieder die Ewiggestrigen durchgesetzt haben. Es gabesprächsangebote von uns an Sie. Ich weiß, dass in-erhalb der Union mehrere den erneuerbaren Energienositiv gegenüberstehen und dass es immer mehr wer-en. Trotzdem gibt es dieses Nein. Ich frage mich, obas aus taktischen Gründen so ist oder ob sich Frauerkel bei Ihnen durchgesetzt hat. Es ist eigentlichchade, dass Frau Merkel mit Herrn Töpfer nur gemein-am hat, dass sie beide Umweltminister waren und in dernion sind, dass sie aber die Vernunft anscheinend nichtemeinsam haben.
Die Union will sich jetzt mit einem Trick retten: Dierneuerbaren Energien werden bis 2007 gefördert; da-ach wird geschaut, ob es ein anderes Instrument gibt.
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Marco BülowDas ist ökologisch – aus den genannten Gründen – undökonomisch natürlich unsinnig. Ökonomisch ist es des-halb unsinnig, weil es überhaupt keine Planungssicher-heit gibt. Niemand wird mehr irgendetwas in die erneu-erbaren Energien investieren, wenn er nicht weiß, washinterher dabei herauskommt. In 20 Jahren werden sichdie Menschen an den Kopf fassen und fragen, warum eseigentlich so schwierig war, die erneuerbaren Energienzu fördern, und warum damit nicht schon viel früher an-gefangen wurde.
Bei einigen fehlen leider der Fortschrittsglaube, derMut und der Pioniergeist, die wir Deutschen doch sodringend brauchen. Glücklicherweise gilt das nicht füralle. Viele Menschen haben das Gegenteil bewiesen. Dassind nicht immer die Großen, die damit Geld verdienenwollen – was ja legitim ist. Häufig sind das die Kleinen,zum Beispiel die Solarinitiativen in Bayern, die eigenes,privates Geld in die Hand genommen haben und eineMenge für die erneuerbaren Energien tun.
Vorgestern habe ich den Bürgermeister von BadUrach in Baden-Württemberg getroffen. Er berichtete,dass er vor 20 Jahren die erneuerbaren Energien entdecktund gemeinsam mit anderen damit begonnen hat, sichdafür zu engagieren. Heute, nach einem 20-jährigenKampf, Engagement usw., bringt er eine Geothermie-anlage ans Netz. Wenn nicht in diesem, dann wird erspätestens im nächsten Jahr eine Menge Haushalte indiesem Ort mit erneuerbarer Energie versorgen. Das istGründergeist, Mut und Initiative, die wir brauchen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, all den Men-schen, die sich aktiv für die erneuerbaren Energien ein-gesetzt haben und noch einsetzen werden – ob als Bür-germeister, Initiativen, Verbände oder allein –, meineAnerkennung auszusprechen und herzlich zu danken.
Um beim Thema zu bleiben, möchte ich mich zumSchluss auch bei allen Referentinnen und Referenten so-wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken,die an der Novelle mitgearbeitet haben und ohne die wirAbgeordneten bei solch komplexen Themen manchmalganz schön alt aussehen würden. Gemeinsam haben wirein gutes Gesetz auf den Weg gebracht. Vielen Dank da-für.
Ich erteile das Wort Kollegen Horst Seehofer, CDU/
CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Was für starke Worte: ewig gestrig, trickreich,och nicht in der Gegenwart angekommen.
ch darf Herrn Bülow einmal daran erinnern, dass die er-euerbaren Energien zuallererst von der Union Anfanger 90er-Jahre gefördert wurden. Sie sind unser Kind.
Wir haben ein klares Bekenntnis zur Funktion der er-euerbaren Energien auch in der Zukunft abgelegt.
ir stehen dazu. Die erneuerbaren Energien leisten füren Klimaschutz, die Ressourcenschonung und dieechnologieentwicklung einen wichtigen Beitrag. Des-alb werden nach Auffassung der Union die erneuerba-en Energien wie die Sonne, die Geothermie, die Bio-asse, die Wasserkraft und der Wind auch in derukunft einen wichtigen Beitrag zum Energiemix in derundesrepublik Deutschland leisten.
amit nicht das geringste Missverständnis auftritt: Wirekennen uns eindeutig zu dem Verdoppelungsziel,ämlich dass sich der Anteil der erneuerbaren Energienm Bruttostromverbrauch in der Bundesrepublikeutschland, gemessen am Jahre 2000, verdoppeln soll.
Über das Ziel gibt es überhaupt keine Diskussion.
ir streiten um den richtigen Weg zum Ziel. Wir müssenrotz unseres Bekenntnisses zu den erneuerbaren Ener-ien darauf achten, dass die erneuerbaren Energiendiesen Grundsatz haben Sie in der Theorie bisher auchmmer vertreten – effizient, marktwirtschaftlich undinnvoll eingesetzt werden. Politikern, die für den sinn-ollen Einsatz eines Instrumentariums eintreten, kannan doch nicht vorwerfen, dass sie gegen dieses Instru-entarium sind.Schauen Sie, ich komme aus der Gesundheitspolitik.elbst in der Gesundheitsversorgung ist es parteiüber-reifend Konsens, dass die Versorgung der krankenenschen effizient und wirtschaftlich organisiert wer-en muss. Niemand würde deshalb auf die Idee kom-en, dass sich die Realisierung von Wirtschaftlichkeitnd Effizienz im Gesundheitswesen gegen die krankenenschen richtet. Das, was in der Gesundheitsver-orgung selbstverständlich ist, muss erst recht für die
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Horst SeehoferEnergieversorgung gelten, nämlich dass wir die erneuer-baren Energien wirtschaftlich und effizient einsetzen.
Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen. Ihre Ar-gumentation, das Ganze koste nur 1 Euro, ist ein Einlul-len der Bevölkerung. Das ist das Gesetz der kleinenZahl: Diese Maßnahme ist nicht so schlimm, weil sie nur1 Euro kostet. Auch jene Maßnahme ist nicht soschlimm, weil sie nur ein paar Cent kostet. – In derSumme – das ist die entscheidende Botschaft für die pri-vaten Haushalte und die Industrie – hat Ihre Politik dazubeigetragen, dass mittlerweile 40 Prozent des Stromprei-ses für Maßnahmen des Staates in den letzten Jahren auf-gewendet wurden. Das ist die Wahrheit.
Das heißt, wenn ein Haushalt eine Stromrechnung von200 Euro erhält, dann sind in diesem Betrag 40 Prozentdavon für Maßnahmen aufzubringen, die Sie politischveranlasst haben.
Nun erklären Sie am ersten Tag: Das ist doch garnicht so schlimm, es sind an der Tankstelle nur ein paarCent mehr für die Ökosteuer. Am nächsten Tag heißt es:Das ist gar nicht so schlimm, es sind nur ein paar Centmehr für die Mehrwertsteuer. Am dritten Tag sagen Sie:Das ist gar nicht so schlimm, es sind nur ein paar Centmehr für die Kraft-Wärme-Kopplung. Am Ende der Wo-che erzählen Sie: Das ist gar nicht so schlimm, es sindnur ein paar Cent für die erneuerbaren Energien. – JedeMaßnahme für sich betrachtet kostet in der Tat nur einegeringe Summe. Aber alles zusammengenommen mussuns Sorgen machen; denn ein Anteil von 40 Prozent amStrompreis ist kein Pappenstiel.
Wie sieht das in der Praxis aus? Sie sprechen hier voneiner Förderung der erneuerbaren Energie. In der Reali-tät sieht es aber so aus, dass der Gesetzgeber eine Ver-pflichtung der Netzbetreiber vorgesehen hat, Strom auserneuerbaren Energien abzunehmen.
Hinzu kommt die Verpflichtung, den Strom zu einemFestpreis zu vergüten.Ich darf in Klammern anmerken, dass ich bisher im-mer dachte, dass wir beim Apothekenrecht eine sehrhohe Regelungsdichte haben. Aber gemessen an der För-derung der erneuerbaren Energien haben wir bei denApotheken noch den Inbegriff der sozialen Marktwirt-schaft.DvPddWcmsssSsnzgvmSdDWwsngEeJsaiKsWuimAPKiFKrdR
Es macht doch keinen Sinn, wenn die feste Einspei-ungsvergütung dazu führt, dass auch an ungünstigentandorten Windräder aufgestellt werden. Wenn Sieich jetzt – ich wende mich an die Grünen – auf der ei-en Seite aus Gründen des Natur- und Landschaftsschut-es hier im Deutschen Bundestag zu erneuerbaren Ener-ien bekennen, auf der anderen Seite Ihr Klientel aberor Ort gegen die Aufstellung von Windrädern de-onstriert, weil das aus ihrer Sicht an ungünstigentandorten einen überzogenen Eingriff in die Natur undie Landschaft darstellt, dann passt das nicht zusammen.eshalb ist es ganz wichtig, dass wir die Förderung derindkraft auf die Standorte konzentrieren, die irgend-ann einmal die Chance bieten, dass Windkraft wirt-chaftlich genutzt werden kann.
Weiterhin müssen wir die Förderung stärker hin zu er-euerbaren Energien umpolen, die vom Prinzip herrundlastfähig sind.
s macht doch auf Dauer keinen Sinn, wenn wir erneu-rbare Energien, die nur eine bestimmte Stundenzahl imahr zur Verfügung stehen, weil nicht immer die Sonnecheint oder der Wind bläst, fördern und gleichzeitigber die konventionellen Kraftwerke uneingeschränkthre Grundlast vorhalten müssen. Was haben wir für denlimaschutz erreicht, wenn nur ergänzt, nicht aber er-etzt wird? Deshalb müssen wir umsteuern.
ir müssen zu grundlastfähigen Energiearten umsteuernnd bei den übrigen Energiearten dafür sorgen, dass siergendwann wirtschaftlich werden.Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner Hei-at. Dort organisieren Banken und Sparkassen zurzeitbendvorträge über das so genannte Schwarze-Dächer-rogramm. Es wird den Menschen empfohlen, einenredit über 100 000 Euro aufzunehmen und die Dächerhrer Häuser mit Sonnenkollektoren zu bestücken. Lautinanzierungsplan soll in den ersten zehn Jahren derredit zurückgezahlt werden, in den zweiten zehn Jah-en soll der Investor ein Zubrot zu seiner Rente haben. Inem Beispiel, das ich vor Augen habe, wird von einerente in Höhe von 850 Euro gesprochen.
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Horst Seehofer
Dafür ist die Förderung der erneuerbaren Energiennicht gedacht.
Es ist nicht so wie bei der Ökosteuer, die ein Beitrag zurRentenfinanzierung ist. Es kann nicht sein, dass die klei-nen Leute und Familien mit Kindern über den höherenStrompreis die Rente derjenigen finanzieren, die es sichleisten können, ihr Kapital in solche Anlagen zu inves-tieren. Das kann nicht sinnvoll sein.
Deshalb sagen wir klipp und klar: Ja zum Ziel derVerdoppelung der erneuerbaren Energien beim Brutto-stromverbrauch. Da stimmen wir völlig überein. Wirsagen aber ebenso entschieden: Umsteuerung hin zugrundlastfähigen Energiearten und keine Dauersubven-tion. Wir reden im Deutschen Bundestag fast wöchent-lich darüber, wie wir Subventionen abbauen; auf der an-deren Seite laufen wir Gefahr, gigantische neueSubventionen für unwirtschaftliche Anlagen zu gewäh-ren.
Sie gehen davon aus, dass schon alles richtig werdenwird. Wir verstehen aber politische Verantwortung so– darin unterscheiden wir uns von Ihnen –, dass wirdurch Gestaltung und unsere Entscheidung dafür sorgenwollen, dass es richtig wird.
Deshalb soll das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit sei-nem herkömmlichen Förderinstrumentarium bis Ende2007 befristet werden. Wir werden bis zu diesem Zeit-punkt hier im Deutschen Bundestag ein Gesetz vorlegen,das für die Ziele, die ich genannt habe, ein effizienteresFörderinstrumentarium vorsieht, als es in der Vergangen-heit der Fall war.
Die von uns vorgesehene Förderung bis zum Jahr2007 hängt nicht mit irgendeiner Wahl zusammen, son-dern damit, dass Ende 2007 die Versuchsphase desEmissionshandels ausläuft und mehr Klarheit darüberherrscht, welche Kosten durch die erneuerbaren Ener-gien für den Netzausbau und die Regelleistungen beimStrom entstehen. Dann sind wir in der Lage, eine fun-dierte Entscheidung zugunsten der erneuerbaren Ener-gien zu treffen.Wir müssen aber auch darauf achten, meine Damenund Herren von Rot-Grün, dass wir neben der Förderungder erneuerbaren Energien in einem effizienteren Systemdurch Stromeinsparung und mehr Effizienz bei denKraftwerken zu einer Kostensenkung kommen. Dennmit günstigeren Preisen können wir wesentlich mehr fürden Klimaschutz erreichen als allein mit der FörderungdaeznsbDHWgZS2dddlGg2EwrbvKdebrDrmlRws
Ich erteile der Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/
ie Grünen, das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!eute ist ein guter Tag: Die rot-grüne Koalition wird deneg ins Solarzeitalter trotz einer beispiellosen Kampa-ne von RWE und Co beschleunigt fortsetzen. Unseriel ist es, den Anteil erneuerbarer Energien an dertromerzeugung bis zum Jahr 2020 auf mindestens0 Prozent zu erhöhen.Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternes BMU ausdrücklich für die sehr gute Vorlage danken,ie sie erarbeitet haben. Der SPD-Fraktion danke ich fürie sehr gute Zusammenarbeit bei der Weiterentwick-ung des Gesetzentwurfs. Das Gesetz ist und bleibt einesetz des Parlaments und darauf sind wir stolz.
Das EEG ist zum wichtigsten Klimaschutzinstrumenteworden. Durch den Emissionshandel werden im Jahr012 10 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Mit demEG bzw. der Förderung der erneuerbaren Energienerden wir ungefähr 60 Millionen Tonnen CO2 einspa-en können. Das ist die sechsfache Menge.Die Kosten sind mit 1 Euro pro Haushalt – das wurdeereits angesprochen – vertretbar. Im Vergleich dazuerursachen Stand-by-Schaltungen die achtfachenosten. Wenn wir die freie Wahl der Strommesserurchsetzen könnten, dann könnten die durch das EEGntstehenden Kosten durch den Wettbewerb im Energie-ereich vollständig kompensiert werden.Auf Sie persönlich, Herr Seehofer, geht die Einfüh-ung der Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal zurück.iese Summe ist ein Vielfaches dessen, was die Förde-ung der erneuerbaren Energien den Bürger kostet.Wir schaffen neue Impulse insbesondere bei der Bio-asse, also der Erzeugung von Strom und Wärme ausandwirtschaftlichen Abfällen und nachwachsendenohstoffen vom Acker. Der Landwirt wird zum Energie-irt. Neben der Windenergie wollen wir eine zweitetarke Säule der erneuerbaren Energien aufbauen.
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Michaele Hustedt
Herr Seehofer, wenn Sie eine stärkere Förderung dererneuerbaren Energien fordern, mit denen die Grundlastabgedeckt und Spitzenlaststrom erzeugt werden kann,dann müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen.Denn genau diesen Weg beschreiten wir damit.
Sie hören doch sonst immer auf den Bauernverband.In der aktuellen Pressemitteilung des Bauernverbandswird klar zum Ausdruck gebracht, dass der Verband er-wartet, dass alle Fraktionen des Bundestages der Novelledes Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit den darin vorge-sehenen Verbesserungen im Zusammenhang mit derBiomasse zustimmen werden.
Wenn die CDU/CSU dem Gesetzentwurf nach lan-gem Ringen nicht zustimmt, dann ist leider wieder eineChance verpasst. Wer meint, dass das Gesetz bis zumJahr 2007 befristet werden soll, der kann auch gleich sa-gen, dass er das Gesetz abschaffen will. Denn niemandwird mit so einer Frist noch einen Bankkredit bekom-men. Das wäre das sofortige Aus der Förderung der er-neuerbaren Energien.
Das sollten Sie aber auch ehrlich sagen.Dabei stimmte Frau Merkels Analyse nach der letztenBundestagswahl haargenau. Sie hatte festgestellt, dassdie Bundestagswahl von der CDU/CSU auch deshalbverloren wurde, weil sie beim Umweltschutz ein Va-kuum hat und weil sie in der vorigen Legislaturperiodedem EEG nicht zugestimmt hat.
Frau Kollegin Hustedt, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Lamp?
Ja, gerne, Herr Lamp. Welchem Verein gehören Sie
noch mal an?
Ich bin Vorsitzender des Bundesverbandes Bio-Ener-
gie, dem der Fachverband Biogas, der Deutsche Bauern-
verband sowie die Forstwirte- und die Waldbauern-
verbände angehören. Vielleicht haben auch Sie die
Stellungnahme der Waldbauernverbände gelesen, in der
darauf hingewiesen wird, dass die Hölzer rund um Ber-
lin seit einem Jahrzehnt kaum genutzt werden. Diese
Verbände hatten die große Hoffnung, dass mit dem Er-
neuerbare-Energien-Gesetz die Möglichkeit besteht,
dass dieses enorme Potenzial an Hölzern in den vorhan-
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chade, dass Sie den gleichen Fehler wie in der letztenegislaturperiode machen!Zurzeit weht dem Klimaschutz der Wind vielleichtin bisschen entgegen. Aber das wird sich auch wiederndern. Dann stehen Sie erneut im dünnen Hemdchena. Nach einer Allensbach-Umfrage sind nur 14 Prozenter Bevölkerung für eine Senkung der Vergütungssätze,lso für einen Abbau der Förderung. Ein Großteil ist ab-olut für die erneuerbaren Energien. Sie werden denenschen in diesem Lande, insbesondere den Bauernnd auch denjenigen, die in den ländlichen Räumen le-en, erklären müssen, warum Sie hier Ihre Unterstützungersagen.Der Klimaschutz ist bei weitem nicht nur eine ökolo-ische Frage und auch kein Luxusproblem der Grünen.ch möchte einmal wirtschaftlich argumentieren; dennenn es um Umweltargumente geht, sind Sie – die FDPöllig, die CDU/CSU zumindest zur Hälfte – sowiesouf beiden Ohren taub. Die Kosten infolge der Flut 2002etrugen 15 Milliarden Euro; die Kosten infolge derürre 2003 beliefen sich auf 13 Milliarden Euro. Das al-es muss der Steuerzahler tragen. Weltweit nimmt dieahl der Naturkatastrophen enorm zu. Von 1960 bis969 betrugen die Kosten für die von Naturkatastrophenerursachten Schäden 71 Milliarden US-Dollar. Von990 bis 1999 beliefen sich die Kosten für die Schäden,ie durch von Menschen verursachte Naturkatastrophenntstanden sind, schon auf 607 Milliarden US-Dollar.as ist fast eine Verzehnfachung. Wer zahlt dafür? Esind die Bürger, die Bauern und die Unternehmer, dieaus und Hof verlieren, sowie die Hausbesitzer. Wererursacht das? Verursacher sind die fossilen Energie-räger wie Kohle, Gas und Erdöl. 70 Prozent des CO2-usstoßes kommen aus den Industrieländern. Deutsch-and ist beim Klimaschutz bei weitem kein Vorreiter;enn Deutschland liegt mit seinem CO2-Ausstoß proopf weit über dem EU-Durchschnitt. Im Vergleich zunderen Industrieländern in der EU hat es sogar denöchsten CO2-Ausstoß pro Kopf. Wir sind also keineorreiter, obwohl wir in diesem Land viel für den Kli-aschutz getan haben. Wir müssen noch viel tun.
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Michaele Hustedt150 000 Menschen sind laut der Weltgesundheitsor-ganisation im letzten Jahr an den von Menschen verur-sachten Treibhauseffekten gestorben. Ich nenne Ihnennoch einen anderen Grund, warum wir uns für den Kli-maschutz einsetzen sollten. Weltweit nimmt der Ver-brauch an Rohstoffen zu, insbesondere durch das rasanteWachstum in China und Indien – was diesen Länderndurchaus vergönnt ist.Wir haben in diesem Jahr den höchsten Erdölver-brauch, den es jemals gegeben hat. Die gestiegene Nach-frage nach Energie führt zu drastischen Preissteigerun-gen bei Erdöl, Kohle und Gas. Das DIW geht davon aus,dass eine Preiserhöhung von 5 Dollar pro Barrel Erdöleinen Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt von 0,4 Pro-zent bedeutet. Schon in den letzten Monaten lag der Öl-preis dauerhaft bei über 30 Dollar pro Barrel Öl. Das be-deutet laut DIW 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte wenigerWirtschaftswachstum durch die erhöhte Nachfrage nachÖl. Sie wissen genau: Dieses Problem wird eher größerals kleiner werden, der Preisdruck bei uns wird also zu-nehmen. Deswegen sage ich Ihnen: Je unabhängiger einIndustrieland von fossilen Energieträgern wird, destogrößer sind seine Vorteile im globalen Wettbewerb mitanderen Industrieländern.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Schluss.
Die erneuerbaren Energien stehen für Klimaschutz.
Sie schaffen Arbeitsplätze, bewirken das Verbleiben der
Wertschöpfung im eigenen Land, tragen zur Friedenssi-
cherung sowie zur Armutsbekämpfung bei und stärken
den Innovationsstandort Deutschland. Wir können damit
eine starke Exportwirtschaft aufbauen. Wir sagen Ja zu
den erneuerbaren Energien, wir sagen Ja zum Klima-
schutz und wir sagen Ja zur Politik der ökologischen
Modernisierung.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort Kollegin Angelika Brunkhorst,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieerneuerbaren Energien sind Zukunftstechnologien. Siekönnen dazu beitragen, die Energieversorgung nachhal-tig zu sichern.
Sie dienen dem Klimaschutz, den wir – das möchte ichhier betonen – ausdrücklich unterstützen.dbvdufwz4pfudEFlbDpSBmsEsDngwsdglEskTgdkrsaEa
Uns Liberalen geht es darum, einen unter ökologi-chen, ökonomischen und sozialen Kriterien optimalennergiemix zu den geringstmöglichen Kosten bereitzu-tellen.
abei werden sich die erneuerbaren Energien langfristigur dann als ein ernst zu nehmender Bestandteil der Ener-ieversorgung behaupten können, wenn sie am wettbe-erblichen Energiemarkt selbstständig bestehen können.Unser Ansatz ist marktwirtschaftlich. Durch die Um-tellung auf ein Modell marktwirtschaftlicher Förderungurch Mengensteuerung werden Netzbetreiber und Ei-enerzeuger verpflichtet, eine gewisse Menge durchge-eiteten oder selbst genutzten Strom aus erneuerbarennergien zu gewinnen. Durch Ausschreibungsmodelleind diese Mengen am freien Markt erwerbbar. Soommt unter Wettbewerbsbedingungen jeweils diejenigeechnologie zum Zuge, zu der die klimatischen und geo-raphischen Bedingungen passen. Der Verbraucher kannarauf hoffen, dass auch erneuerbare Energien möglichstostengünstig produziert werden. Das ist ein gutes Ziel.
Weitere große Kostensenkungspotenziale bestehen da-in, dass man die erneuerbaren Energien von der Netzein-peisung und der Abhängigkeit von der Regelenergie un-bhängiger macht. Das könnte mit hochleistungsfähigennergiespeichertechniken erreicht werden. Dabei ist vorllem an Wasserstofftechnologie und die Brennstoffzelle
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Angelika Brunkhorstzu denken. Zur Beschleunigung der Erforschung vonSpeichertechnik haben wir, die FDP, den Antrag „Ener-giespeicherforschung vorantreiben – Höchsttechnolo-gien für die Speichertechnik entwickeln“ vorgelegt.Eine auf Energiespeicherung aufbauende Nutzung er-neuerbarer Energien macht diese grundlastfähig undwird auch für den Verkehrssektor, der bislang nicht inein integriertes Energie- und Klimakonzept eingebundenist, interessant.
Des Weiteren müssen die flexiblen Kioto-Instru-mente Joint Implementation und Clean DevelopmentMechanism entschlossener durchgesetzt werden. Wennwir auf eine technische Entwicklungszusammenarbeitsetzen, die den Schwellen- und EntwicklungsländernEnergie bereitstellt, um diese in ihrer wirtschaftlichenEntwicklung zu unterstützen, profitieren auch wir davon,indem wir uns die dort günstig errungenen Minderungenauf unsere Verpflichtung anrechnen lassen können. Dasist ein guter Weg.Außerdem setzen wir auf technische Innovationenund auf Offenheit in der Forschung. Ich komme an die-ser Stelle auf den TA-Bericht zu sprechen, der die Geo-thermie beleuchtet hat. Wir sehen, dass die Geothermieein sehr interessantes Potenzial ist. Es ist ein riesigesReservoir an Energie, das 600fache des jährlichenStromverbrauchs in Deutschland. Unter Nachhaltig-keitsaspekten sollte diese Menge aber über einen sehrlangen Zeitraum – 1 000 Jahre – abgebaut werden.Der technische Aufwand ist, wie wir wissen, nochsehr hoch. Außerdem ist das Risiko von Fehlbohrungennach wie vor groß. Deshalb plädieren wir für eine zu-sätzliche Förderanstrengung im Rahmen des Zukunfts-investitionsprogramms, um zusätzliche Kostenreduk-tionspotenziale zu erforschen und um Pilotprojekte zuunterstützen.
Ich will auf die vielen Neuerungen des EEG, die Zu-und Abschläge, gar nicht eingehen, sondern nur so vielsagen: Ein untaugliches Gesetz wird durch viele Ände-rungen und Interventionen nicht besser.Zum Thema Windkraftanlagen ist Ihnen, liebe Kol-leginnen und Kollegen der Regierung und der Koali-tionsfraktionen, noch ein Coup oder ein kleines Gano-venstück gelungen. Sie wissen ganz genau, dass dieAkzeptanz für den Zubau von Windkraftanlagen im Bin-nenland sinkt, dass es gegen diesen Zubau sehr viel Bür-gerprotest gibt. Sie haben in einer Nacht-und-Nebel-Ak-tion in Art. 1 § 10 den Abs. 4 gänzlich gestrichen. Damitentfällt die Anforderung, nach der mindestens 65 Pro-zent des Referenzertrages erzielt werden müssen. Dasheißt, es kann jetzt überall im Binnenland gebaut wer-den. Ich weiß nicht, wie die Bürger darauf reagieren. Siesehen sich schon jetzt dem Horrorszenario von riesigenWindparks ausgesetzt. Das Ganze ist schon ein Über-rumpelungsmanöver gewesen; die Streichung wurdezum Schluss einfach vorgenommen.
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Ich erteile Kollegen Hermann Scheer, SPD-Fraktion,
as Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Inte-essante ist, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz, des-en Novelle heute zur Entscheidung steht, umstrittenerst, als das im Jahr 2000 der Fall war. Das hat seinenrund vor allem darin, dass dieses Gesetz erfolgreicheworden ist. Es wird zu einer ernsthaften Herausforde-ung für die Struktur der Energiewirtschaft. Von daherrklärt sich das seit einem Jahr anhaltende Getöse um er-euerbare Energien, das teilweise mehr als peinlicheüge angenommen hat.
Es gibt zahllose Lippenbekenntnisse für erneuerbarenergien. Natürlich spricht jeder dafür. Man würde sichuch wundern, wenn jemand dagegen wäre, dass einemissionsfrei und dauerhaft nutzbare Energie gefördertird. Aber dieses Ja ist oft nur ein Lippenbekenntnis. Esibt Ausflüchte, und zwar immer dann, wenn es um kon-rete Forderungen geht. Konkrete Forderungen sind derigentliche Lackmustest dafür, ob wir in dieser Frageirklich vorankommen.
Eine Befristung, wie sie aus der Unionsfraktion ge-ordert worden ist, ist geradezu absurd. Sie hätte unmit-elbar zur Folge, dass die erfolgreichen Unternehmen,ie jetzt auch auf den Weltmarkt gehen – das reicht voner Windenergie bis zur Photovoltaik –, ihren Standortn die Länder verlagern würden, die mittlerweile mer-en, dass es gar keinen Weg an erneuerbaren Energienorbei gibt. Kann eine Befristung wirtschaftlich ernst-aft begründet werden?
Die mangelnde Effizienz des EEG wird beklagt. Wasoll dieses Argument? In Bezug auf die Effizienz stelltich in erster Linie die Frage: Welches politische Instru-ent ist bei der Einführung erneuerbarer Energien amrfolgreichsten? Die Antwort ist statistisch weltweit klar.
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Dr. Hermann ScheerAlle, die erneuerbare Energien ernsthaft fördern wollen,schauen auf dieses Gesetz.
Wenn es um Effizienz geht, geht es sicherlich auchum Kostensenkung. Aber die Senkung der Kosten einerTechnologie erfolgt doch nicht durch das Labor, sie er-folgt durch
Produktionssteigerung, Produktionstechnikverbesserung,Markteinführung. Wer also nach Kosteneffizienz ruft,darf nicht die Markteinführung künstlich blockieren,sondern muss sie vorantreiben.
Das Gesetz sei zu ambitioniert, heißt es. Wir solltendie Zielsetzung der Reduktion von CO2-Emissionenum 20 Prozent bis zum Jahr 2020 streichen. In diesemZusammenhang erinnere ich an das, was die Umwelt-ministerin Merkel am 28. April 1998 wörtlich gesagthat:Das große Ziel lautet, bis Mitte des nächsten Jahr-hunderts den Anteil erneuerbarer Energien auf50 Prozent zu steigern.Deshalb müssten Sie mitmachen, wenn das nicht wiedernur ein Lippenbekenntnis gewesen sein soll,
statt Ziele zu blockieren, die an diese Dimension nochlange nicht herankommen.Das Argument, das Gesetz sei zu ambitioniert, ist läp-pisch. Es ist nicht zu ambitioniert. Bei jeder anderenTechnologie heißt es doch: schneller sein als andere,weil das die internationale Wettbewerbsfähigkeit der indieser Richtung tätigen Unternehmen steigert. Bei denerneuerbaren Energien aber heißt es jetzt: Bitte keinenAlleingang! Das hätten Sie sich einmal bei anderenTechnologien überlegen sollen, die zu einem riesigenMilliardengrab geworden sind: schneller Brüter, dieAtomtechnologie insgesamt.
Die erneuerbaren Energien seien zu teuer, heißt es.Wenn man die externen Effekte der herkömmlichenEnergieversorgung, allen voran die Atomenergie, miteinbezieht, sind die herkömmlichen Energien aus gesell-schaftsökonomischer Sicht längst unbezahlbar gewor-den. An diesem Tatbestand kommen wir nicht mehr vor-bei.Mangelnder Markt wird beklagt. Der Hintergrund ist,dass wir bis 1998 einen Gebietsschutz für die gesamtedeutsche Stromversorgung hatten, sodass ohne irgendeinRisiko Investitionen getätigt werden konnten, wodurchZsmsaeEghmkeIlwsblwSgNishEgwnsmvntevlkbpwEd
Wir könnten uns die Förderung der erneuerbarennergien im Rahmen des EEG sparen, wenn die bisheri-en, über Jahrzehnte getätigten Subventionen von dererkömmlichen Energiewirtschaft zurückgezahlt werdenüssten und die Subventionen zurückgefordert werdenönnten. Dann brauchten wir kein Förderprogramm fürrneuerbare Energien. Das ist aber leider unrealistisch.nsofern geht an einem solchen Marktinstrument speziel-er Art nichts vorbei.Die Grundlast soll damit angeblich nicht abgedeckterden können. Sehen Sie sich doch einmal die wech-elseitige Ergänzung der erneuerbaren Energien an, undeachten Sie, dass der Regelbedarf an Energie in denetzten Jahren gesunken und nicht gestiegen ist, obwohlir die erneuerbaren Energien ausgebaut haben. Wennie diesen Punkt so hervorheben, dann müssen Sie docherade deshalb zustimmen, weil der Hauptpunkt dieserovelle die verstärkte Förderung der Bioenergie ist. Siest in jedem Fall grundlastfähig, weil sie genauso leichtpeicherbar ist wie fossile Energien.
Das versuchte Ausspielen gegen den Emissions-andel ist doch nun wirklich lächerlich. Das InstrumentEG hat schon jetzt mehr zur Emissionsminderung bei-etragen, als es mit den ambitionierten Zielen des Um-eltministers in Bezug auf den Emissionshandel, dieicht ganz durchgekommen sind, und mit dem Emis-ionshandel überhaupt möglich gewesen wäre.Die Förderung der erneuerbaren Energien hat im Rah-en des Klimaschutzes Priorität. Das EEG ist einielfältigeres Instrument. Aber es geht im Grunde ge-ommen nicht nur um Klimaschutz. Es geht um Indus-rieförderung; es geht um Förderung der Landwirtschaft;s geht um Förderung des Handwerks. Es gibt außerdemielfältige zusätzliche Effekte, die die gesamte Entwick-ung der Wirtschaft auf eine neue Stufe stellen. Damitönnen wir die Herausforderungen unseres Jahrhundertsewältigen.Sehen Sie die Thematik einmal unter diesen Gesichts-unkten und stellen Sie die entsprechenden Fragen! Sieerden sehen, dass die heutigen Argumente gegen dasEG irgendwann einmal als peinlich empfunden wer-en.Danke schön.
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Ich erteile das Wort Kollegin Doris Meyer, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das dieUnion Anfang der 90er-Jahre als Stromeinspeisungs-gesetz auf den Weg gebracht hat, hat heute vierten Ge-burtstag. Und da ist es an der Zeit, sich Gedanken überdie Zukunft zu machen.Und dazu muss man folgende Fragen stellen: Kanndas EEG neben dem Emissionshandel noch in unverän-derter Form weiterbestehen? Gibt es Möglichkeiten, er-neuerbare Energien stärker nach Effizienz, Grundlastfä-higkeit und Wirtschaftlichkeit zu fördern? Vor diesemHintergrund hat die Union ein neues Konzept ausgear-beitet. Und damit wollen wir in die Zukunft gehen.Die Unionsfraktion kann die Zielvorgabe des Gesetz-entwurfs zur Neuregelung des EEG bis 2020 ohne einvernünftiges zukunftsfähiges Gesamtkonzept nicht mit-tragen. Das bisherige EEG-System möchte die Koalitionunverändert bis 2020 beibehalten. Der Zeitraum ist ausheutiger Sicht viel zu lang. Wegen vieler Unwägbarkei-ten – sei es die technische Entwicklung, seien es dieAuswirkungen des Emissionshandels – erscheint unsdieser Zeitraum deutlich zu lang. Wir stehen nach wievor zu dem Ziel, bis 2010 den Anteil erneuerbarer Ener-gien auf 12,5 Prozent zu erhöhen.
Die Rolle der erneuerbaren Energien im notwendigenEnergiemix darf nicht unterschätzt werden. In den ein-zelnen Energiearten stecken beachtliche Potenziale.Gerade die, mit denen der Grundlastbereich abgedecktwerden kann – wie Geothermie, Biomasse und Wasser-kraft –, sind noch lange nicht ausgeschöpft oder über-haupt schon erschlossen.Die Geothermie steht noch ganz am Anfang ihrer Ent-wicklung. Wie auch der Bericht zu den Möglichkeitengeothermischer Stromerzeugung in Deutschland auf-zeigt, gibt es auf diesem Gebiet enorme, kaum genutztePotenziale.
Bei der Bioenergie ist das Tor zur Erschließung schonweit offen, aber noch lange nicht alles erschlossen. DasGesamtpotenzial bei der Stromerzeugung mittels Bio-masse wird auf etwa 60 Terawattstunden pro Jahr ge-schätzt. Die Bioenergie stellt damit ihre Grundlastfähig-keit unter Beweis und stellt somit einen wertvollenBeitrag zu einer echten dezentralen Energieversorgungdar.Ausgehend von derzeit rund 26 Terawattstunden, diepro Jahr erzeugt werden, wird das noch nicht erschlos-sene Potenzial bei der Wasserkraft mit etwa1gEldicwskieRUddsdwEhBtsbszgdsSDdfuBDkaKdrDetuf
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004 9327
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Für die Union bedeutet Energiepolitik immer auchStandortpolitik. Die Auswirkungen auf die Wettbe-werbsfähigkeit Deutschlands dürfen deshalb bei der Pla-nung und Verwirklichung der Förderung nicht außerAcht gelassen werden. Unser Konzept sieht neben derFörderung der grundlastfähigen erneuerbaren Energienweiterhin vor, die Stromeinsparung und die effizienteVerwendung des Stroms massiv voranzutreiben. Das ge-hört zu unserem Gesamtkonzept.Wir halten an unseren Zielen fest: Erneuerbare Ener-gien müssen gefördert werden, um zu einem zukunftsfä-higen Energiemix zu kommen. Jedes Instrument musspermanent daraufhin überprüft werden, ob es zusammenmit anderen seinen optimalen Wirkungsgrad entfaltenkann. Das beabsichtigen wir mit unserem Vorschlag. Nurso hat unsere nationale Energieversorgung eine Zukunft.
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Josef Fell, Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Meyer, ich weiß, nicht Sie persönlich, aberIhre Fraktion will 2007 nicht das EEG ablösen. IhreZielvorstellung ist eine ganz andere: Sie wollen dieMarkteinführung von erneuerbaren Energien beenden,um weiter Atomstrom und Kohlestrom umweltschädlichin diesem Land zu produzieren. Dies ist das entschei-dende Ziel Ihrer Politik.
Gestern war der vierte Geburtstag des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Heute führen wir mit einer Novelledie erneuerbaren Energien aus den Kinderschuhen in dasindustrielle Erwachsenenzeitalter.Schon die derzeitige Fassung des Erneuerbare-Ener-gien-Gesetzes führte zu einem stürmischen Wachstum,vor allem in den Bereichen Windkraft und Photovoltaik.So verzehnfachte sich in vier Jahren die jährlich neu in-stallierte Photovoltaikleistung auf aktuell 130 Megawatt.Die Windkraft legte auf hohem Niveau noch einmal um70 Prozent neu installierte Leistung auf 2 600 Megawattim Jahr 2003 zu. Gleichzeitig, Herr Seehofer, konntendie Kosten drastisch gesenkt werden, zum Beispiel beider Photovoltaik um 25 Prozent in nur vier Jahren. DerWeg ist klar vorgezeichnet: Wir führen die erneuerbarenEnergien mit hoher Geschwindigkeit zu Wettbewerbsfä-higkeit und Wirtschaftlichkeit.s1zpwZweMkubssVdnwnhISghfBgmlCesBgEkrhfBgDsSe
Auch für die Schaffung von Arbeitsplätzen war die-es Gesetz gut. In den letzten Jahren wurden dadurch00 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. In den nächstenehn Jahren wollen wir 500 000 zusätzliche Arbeits-lätze schaffen. Daran sehen wir: Dieses Instrumentird auch auf die Wirtschaft gute Auswirkungen haben.Auch beim Biogas gab es in den letzten Jahren eineunahme von 15 Megawatt im Jahr 1999 auf 35 Mega-att im Jahre 2003. Aber es zeigte sich schnell, dass dasrwünschte Wachstum bei den Bioenergien nicht in demaße erreicht wurde, wie es gewünscht war. Der relativostengünstige Markt für landwirtschaftlichen Abfallnd Reststoffe war bald erschöpft. Einen weiteren Aus-au kann es nur durch den Einsatz nachwachsender Roh-toffe geben. Die heutige Novelle wird hierfür den ent-cheidenden Durchbruch bringen. Der vorgeseheneergütungszuschlag für nachwachsende Rohstoffe wirder Landwirtschaft neue Verdienstmöglichkeiten eröff-en. Daran zeigt sich: Die wahren Freunde der Land-irtschaft sind die rot-grünen Regierungsfraktionen,icht die CDU und die CSU, die diesen Gesetzentwurfeute ablehnen.
ch bin gespannt, wie Bauernverbandspräsidentonnleitner Ihnen für Ihre ablehnende Haltung am heuti-en Tage die Leviten lesen wird.
Meine Damen und Herren, Bundeskanzler Schröderat das Jahr 2004 als „Jahr der Innovation“ ausgeru-en. Die heutige EEG-Novelle ist dafür ein wesentlicheraustein. Neuartige Techniken werden in das EEG auf-enommen, zum Beispiel Wellenkraft, Meeresströ-ungskraftwerke und Salzgradientenkraftwerke; das al-es sind für den deutschen Maschinenbau großehancen. Vor allem bei den Bioenergien sieht das Erneu-rbare-Energien-Gesetz einen wichtigen Innovations-chub vor. So wird es erhöhte Vergütungen geben: füriogasbrennstoffzellen, für Sterlingmotoren, für thermo-enische Gaserzeugung und für Biogasreinigung aufrdgasqualität. Dass solche Innovationsanreize ihre Wir-ung nicht verfehlen, wissen wir schon längst: aus unse-en Erfahrungen mit dem alten EEG.Die Windkraftbranche hat in den letzten Jahrenoch effiziente Windräder erzeugt, weil die Marktein-ührung der entscheidende Forschungsanreiz ist, Fraurunkhorst. Darauf hat Herr Scheer in seiner Rede hin-ewiesen.
ie großen CO2-freien Strommengen, die durch den Ein-atz dieser hoch effizienten Windräder an süddeutschentandorten gewonnen werden können, wollen wir nunrnten und einer aktiven, CO2-freien Stromerzeugung
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Hans-Josef Fellzuführen. Daher war es nur konsequent, dass die Regie-rungsfraktionen den Regierungsentwurf an dieser Stellekorrigiert haben.
Denn diese Windräder werden auch Atomstrom aus süd-deutschen Ländern ersetzen, selbst wenn das den atom-politischen Versessenheiten
der Ministerpräsidenten Stoiber, Koch und Teufel nichtpasst.
Auch die Angebotsschwankung im Windbereich wirddie Sicherheit einer zukünftigen Vollversorgung mit er-neuerbaren Energien nicht stören. Denn wir fördern mitdieser Novelle auch die Stromerzeugung aus Tiefenerd-wärme. Sie hat das Potenzial, rund um die Uhr und stän-dig die Grundlaststromerzeugung von Kohle- und Kern-kraftwerken zu ersetzen. Das hat eine wissenschaftlicheUntersuchung des Büros für Technikfolgenabschätzunglängst aufgezeigt.Ich bin überzeugt: Diese Gesetzesnovelle wird einenweiteren aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten. Abernicht nur dazu; sie wird auch eine Grundlage für dieStärkung der deutschen Wirtschaft sein. Frau Hustedthat bereits auf die Erdölpreissteigerungen hingewiesen.Der OPEC-Beschluss von gestern passt doch nicht in dasBild der grenzenlosen Verfügbarkeit von Erdöl. Trotz ei-nes extrem hohen Ölpreises hat die OPEC beschlossen,die Fördermengen zu senken. Darin sehe ich ein wichti-ges Indiz dafür, dass die weltweite Ölförderung nichtweiter gesteigert werden kann. Damit die deutsche Wirt-schaft auch in Zukunft noch ausreichend Energie zurVerfügung hat, müssen wir diese Versorgungslückedurch den Einsatz erneuerbarer Energien schließen. An-sonsten werden wir ein riesiges Problem in unserer Ener-giewirtschaft und in unserer Wirtschaft überhaupt be-kommen. Es wird Zeit, dass Sie von der Opposition undauch der BDI mit Herrn Rogowski endlich begreifen: Er-neuerbare Energien sind eine Stärkung für den Wirt-schaftsstandort Deutschland und keine Schwächung.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
gin Birgit Homburger.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe mich auf den Wortbeitrag des Kollegen Fell von
gerade eben gemeldet. Herr Kollege Fell, ich möchte Sie
bitten, endlich aufzuhören, zu behaupten, dass Sie mit
der Windenergie die Kernenergie ersetzen können.
Windenergie – das ist genau das Problem – ist nicht
grundlastfähig. Die Kernenergie leistet aber genau einen
großen Teil der Grundlast unserer Stromversorgung.
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Wenn Sie wirklich wollen, Herr Fell, dass wir in die-
em Bereich weiterkommen, müssen Sie dem Antrag der
DP-Bundestagsfraktion auf Förderung von Speicher-
echnologien zustimmen, sodass wir erreichen, dass auch
ie erneuerbaren Energien, die nicht grundlastfähig sind,
urch Speicherung grundlastfähig werden. Das ist unser
onzept; das haben wir mehrfach gefordert. Sie haben
s im Umweltausschuss abgelehnt, unter anderem mit
er Begründung, das sei eine Dinosauriertechnologie.
ie haben keine Ahnung, was für die Zukunftsfähigkeit
er erneuerbaren Energien wichtig ist. Deswegen sagen
ch Ihnen noch einmal ganz deutlich: Wir brauchen die
örderung der Speichertechnologien, um die Grundlast-
ähigkeit der erneuerbaren Energien zu erreichen
nd ihnen damit eine große Chance für die Zukunft zu
röffnen.
Der letzte Punkt: Sie sagten, die Opposition solle end-
ich begreifen, dass die erneuerbaren Energien eine Stär-
ung für den Wirtschaftsstandort seien und keine
chwächung. Jawohl, sie sind eine Stärkung, wir brau-
hen die erneuerbaren Energien im Energiemix; die
DP-Bundestagsfraktion steht dazu. Ich sage Ihnen aber
uch: Wenn Sie wollen, dass das hier in Deutschland
reift, müssen wir das auch so machen, dass es mög-
ichst kostengünstig organisiert wird. Eine kostengüns-
ige Organisation erreichen Sie nur dann, wenn Sie unter
en erneuerbaren Energien Wettbewerb erzeugen, einen
igenen Markt nur für erneuerbare Energien kreieren.
ann haben Sie die Chance, Kostenreduktionen durch-
usetzen, dann wird das ein Erfolg für die erneuerbaren
nergien und auch für unseren Wirtschaftsstandort; ge-
au das ist das Konzept der FDP.
Kollege Fell, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.
Sehr verehrte Frau Kollegin Homburger, es ist gut,ass Sie mir Gelegenheit geben, diese von Ihnen undon anderen in der Gesellschaft immer wieder genanntenalschargumente geradezurücken.Kein Mensch hat je behauptet, dass die Windenergiellein die Atomenergie vollständig ablösen solle. Dieindenergie wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten:n einem zukünftigen Energiemix, in der Addition miteothermie, mit Bioenergie, mit der Wasserkraft, miter Sonne, der Photovoltaik, die auch Angebotsschwan-
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Hans-Josef Fellkungen hat. In einem intelligenten Energiemix ist dasohne Probleme zu erreichen.
Stellen Sie sich nur folgenden einfachen Gedanken vor:Im fränkischen Bereich, wo angeblich wenig Wind weht,kann die einfache Kombination aus einem Windrad undeiner Biogasanlage an dessen Fuß für ein Dorf rund umdie Uhr Versorgungssicherheit bieten – über Jahrhun-derte und Jahrtausende hinweg.
Dazu bedarf es nicht der konventionellen Energiefor-men.Es ist auch wichtig – Sie haben darauf hingewiesen –,dass Speichertechnologien gefördert werden. Dafür ha-ben wir in dieser EEG-Novelle einen Anreiz geschaffen.Darum wundere ich mich, dass Sie ihr nicht zustimmen.Wir haben auch die Forschungsförderung dafür erhöht.Ich erinnere mich, dass bis 1998 unter der alten Regie-rung, als Ihre Partei noch selbst mit die Verantwortungtrug, die Forschung an Batterien – eine wichtige Spei-chertechnologie – völlig beendet wurde. Wir haben daswieder neu belebt. Es gibt neue Batteriehoffnungen inganz großem Stil. Wir sehen also, dass wir Ihre Forde-rungen schon längst erfüllt haben; dazu brauchen wirIhre Anträge nicht.Zum letzten Punkt, den Sie angesprochen haben, wirsollten endlich begreifen, dass wir möglichst kosten-günstig sein müssen. Genau das tun wir. Schauen Siesich die Windkraftentwicklung in Deutschland und Eng-land an. In England wird exakt das Modell produziert,das Sie immer wieder vorschlagen: Quotenmodelle undAusschreibungsmodelle.
Obwohl in England wesentlich mehr Wind weht als inDeutschland und dort die von Ihnen propagierten Instru-mente angewendet werden, kostet die Kilowattstundeaus Wind dort 13 Cent und in Deutschland mit dem Er-neuerbare-Energien-Gesetz nur 8,8 Cent. Ich frage Sie:Was ist billiger? Ich fordere Sie auf, endlich zu rechnenund von dem ideologischen Beharren auf den falschenArgumenten abzusehen.
Ich erteile dem Kollegen Joachim Pfeiffer, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Was will die Union in der Energiepolitik?
Hören Sie zu, dann wissen Sie es, Herr Fell.
Energiepolitik ist kein Selbstzweck. Die Union for-ert eine konsistente Energiepolitik aus einem Guss, dieehrere Ziele gleichzeitig erfüllt: Wir wollen Klima-chutz, aber nicht irgendeinen, sondern einen kosteneffi-ienten Klimaschutz. Wir wollen Versorgungssicherheit.ir wollen bei den erneuerbaren Energien eine marktge-echte Innovations- und Technologieförderung sowieine rasche Markteinführung. Wir wollen in der Energie-olitik vor allem europaweit wettbewerbsfähige Ener-iepreise für die Verbraucher und unsere Wirtschaft.ber diese Ziele sind wir uns in diesem Hause teilweiseder sogar weitgehend einig.Der grundlegende Unterschied – leider nicht nur iner Energiepolitik – zwischen Rot-Grün und der Union –as wurde heute wiederum deutlich – besteht darin, dassie offenbar der Meinung sind, dass der Staat es richtenoll; denn er weiß am besten, was für die Menschen undie Wirtschaft gut ist. Das zieht sich wie ein roter Fadenurch Ihre Politik. Egal, ob gestern bei der Frage derusbildungsplatzabgabe oder nachher beim Optionsge-etz am Arbeitsmarkt, ob bei der Energiepolitik, demmissionshandel oder heute Morgen bei den erneuerba-en Energien: Sie frönen dem Zentralismus.Wie hat Herr Müntefering das vor geraumer Zeit sochön entlarvend gesagt: weniger für den privaten Kon-um, dem Staat Geld geben; dazu muss man „sich auchekennen“? Also bekennen Sie sich dazu und reden Sieicht immer von Marktwirtschaft, wo Sie doch auf demeg nicht nur in die ungeplante, sondern in die geplantetaats- und Planwirtschaft sind.
Diesen ideologiegetriebenen Wahnsinn werden wir,ie Union, nicht mitmachen. Im Gegenteil. Wir wollenuvorderst, dass wir die energiepolitischen Ziele mitarktwirtschaftlichen Instrumenten und Mechanismenmsetzen. Während Sie auf möglichst viele staatlicheorgaben – egal, ob beim Emissionshandel, bei der jetztnstehenden Novellierung des Energiewirtschaftsgeset-es oder bei den erneuerbaren Energien – setzen, setzenir, die Union, auf den Markt. Hier kann man in der Tatnseren alten Spruch wieder ausgraben: Freiheit statt So-ialismus! Das ist unser Programm. Wir wollen keinetaats- und Planwirtschaft.Jetzt aber zu der Frage, wie erfolgreich das EEGirklich ist und um welchen Preis die Ziele und Erfolgees EEG erkauft werden. Beginnen wir mit dem Klima-chutz. Sie singen das Hohelied vom Klimaschutz. Tat-ache ist aber, dass das EEG in seiner jetzigen Formichts zur weiteren Erfüllung des Kiotoziels beiträgt. Imegenteil. Durch die nicht abgestimmte Einführung desmissionshandels und die Fortführung des EEG in deron Ihnen vorgeschlagenen Form wird eine Verbilligung
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Dr. Joachim Pfeifferder CO2-Zertifikate erreicht und letztlich nur die Kohle-verstromung, also gerade die fossilen und CO2-trächti-gen Energien, in anderen Ländern Europas wie Italienund Großbritannien gefördert.Das sage nicht ich, sondern das sagen Ihre Gutachterim Bundeswirtschaftsministerium. Das ist offensichtlichauch der Grund dafür, weshalb Sie diese Gutachten bisheute nicht öffentlich zugänglich machen und nicht demBundestag vorlegen.
Sie legen die Gutachten vor, nachdem Sie das Gesetzverabschiedet haben und nicht vorher, weil darin Ihr ideo-logiegetriebener Wahnsinn schon von Ihren eigenenGutachtern konterkariert wird.Die EEG-Förderung verstößt auf jeden Fall gegen dasWirtschaftlichkeitsziel im Klimaschutz. Wenn Sie einenkosteneffizienten Klimaschutz wollen, müssen Sie sichan den Kosten pro Tonne vermiedener CO2-Emissionorientieren. Dort sind Wirkungsgraderhöhungen im kon-ventionellen Kraftwerkspark oder Maßnahmen in ande-ren Sektoren, zum Beispiel bei Gebäuden, wesentlichkosteneffizienter.Wie sieht es mit der Belastung von Verbrauchern undWirtschaft aus? Herr Seehofer hat es angesprochen:Heute liegt der Anteil der staatlich administrierten Abga-benbelastung am Strompreis bei 40 Prozent.
Von 1998 bis 2003 sind die administrativ verursachtenSteuern und Abgaben im Strombereich von 2,2 auf12,6 Milliarden Euro angestiegen. Die zusätzlichen Kos-ten wurden in einer Größenordnung von 7,5 MilliardenEuro durch die Stromsteuer, durch Konzessionsabgabenund durch KWK verursacht; bei den erneuerbaren Ener-gien sind es bereits heute 2 Milliarden Euro an zusätzli-chen Kosten, die Verbraucher und Wirtschaft belasten.Es sind eben nicht, wie verharmlosend gesagt wird,Cent- oder 1-Euro-Beträge. Ein Durchschnittshaushaltmit zwei Erwachsenen und einem Kind wird in Deutsch-land im Jahr mit 160 Euro zusätzlich belastet. Wenn Siedie Ökosteuer im Mineralölbereich für Heizung undAuto noch hinzurechnen, reden wir über eine Mehrbe-lastung von 421 Euro im Jahr. Das sind die Fakten. Diemüssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen, meine sehr ge-ehrten Herren und Damen von der Regierung.Wie sieht es mit dem Beschäftigungseffekt aus? Sieerzählen uns, dass Sie für einen viel beschworenen Be-schäftigungseffekt von 130 000 zusätzlich Beschäftigteneintreten.
– Nein, das ärgert mich nicht. Im Gegenteil: Wir könnenin diesem Land nicht genug Beschäftigte haben.Was aber sagen wiederum Ihre Gutachter im Bundes-wirtschaftsministerium? Sie bestätigen Ihnen in der Un-tersuchung der sektoralen Entwicklung im Bereich desEggbBDPIDsEznmdKlaKIssedzwfsmgEPwHbwles
hre Politik ist also alles andere als nachhaltig, meineamen und Herren.
Deshalb schlagen wir, die Union, einen Doppelbe-chluss vor: Wir wollen die jetzige Förderung durch dasEG mit seiner Systematik und seinen Ineffizienzenum 31. Dezember 2007 beenden und zeitgleich eineeue Systematik, mit der alle energiepolitischen Instru-ente des EEG, Emissionshandel, Ökosteuer und auchie Steinkohlesubventionen, mit der Förderung derraft-Wärme-Kopplung verknüpft werden, in einemngfristigen, in sich geschlossenen engergiepolitischenonzept umsetzen. Nur mit einem Konzept, in dem dienstrumente auf die einzelnen Energieträger durch Aus-chreibungsmodelle oder Bonusmodelle abgestimmtind, werden wir eine effizientere Förderung der erneu-rbaren Energien erreichen. Nur durch dieses Konzepter Union werden die erneuerbaren Energien in Zukunftielgerichtet an die Marktreife herangeführt und nur soerden die erneuerbaren Energien im Energiemix lang-ristig die Rolle spielen können, die sie verdient haben.
Ich erteile das Wort dem Minister Jürgen Trittin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habeich über die Rede des Kollegen Seehofer, als er be-ann, ungeheuer gefreut.
s hat sich aber herausgestellt, dass das, was Herrfeiffer gerade ausgesprochen hat, das ist, was die Unionirklich denkt, und das hat sich im Verlauf Ihrer Rede,err Seehofer, bereits angedeutet.Sie haben ein krachendes Bekenntnis für die erneuer-aren Energien abgelegt. Aber es war eine Radio-Eri-an-Rede: im Prinzip ja. Anschließend sind Sie mit al-en Vorurteilen gekommen, die man gegen dierneuerbaren Energien auffahren kann.
Ich will dies an einem Punkt deutlich machen. Sietellen sich hier hin, berechnen den staatlichen Anteil am
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Jürgen Trittin
Strompreis und schieben den den erneuerbaren Energienunter.Schauen Sie sich die Statistik des VDEW an. Ihr kön-nen Sie entnehmen, dass ein durchschnittlicher Haushaltmit drei Personen zurzeit 50 Euro im Monat für denStrom bezahlen muss. Davon – so der VDEW, nicht dasUmweltministerium – wird 1 Euro – das sind 2 Prozent –für die erneuerbaren Energien aufgewendet. Wenn Sievon staatlichen Belastungen beim Strompreis reden,dann müssen Sie auch hinzufügen, dass 5 Euro – dassind 10 Prozent – Konzessionsabgaben an die Gemein-den sind. Ich habe von niemandem hier im Hause, wederaus Bayern noch aus Baden-Württemberg, gehört, dasser dagegen vorgehen wolle. Hören Sie auf, diese Belas-tungen den erneuerbaren Energien in die Schuhe zuschieben!
Sie sagen: Ja, wir sind für erneuerbare Energien, aberwir wollen im Jahr 2007 eine Überprüfung vornehmen.Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal et-was von Investitionssicherheit und von stabilen Rah-menbedingungen gehört? Wollen Sie der Branche dererneuerbaren Energien alle drei Jahre eine Novellie-rungsdebatte aufzwingen, in der es wieder heißen wird:Wir warten mit den Investitionen in die Biomasseanla-gen, in die Wasserkraftwerke oder in neue Anlagen, weilwir nicht genau wissen, was kommen wird? Die gleichenRedner, die in der Debatte um den Emissionshandel min-destens zwölf Jahre Investitionssicherheit gefordert ha-ben, versuchen nun, einer anderen Branche einen Zeit-raum von zwei Jahren zuzumuten. Das geht nicht. Sieverhalten sich hier standortfeindlich.
Ich finde das traurig, weil ich am Anfang dieser De-batte den Eindruck gewonnen hatte, dass wir die Chancezu einem wirklichen Konsens bei der Umsetzung diesesZiels – nicht nur beim Bekenntnis – haben. Sie haben ge-sagt: Wir müssen bei den erneuerbaren Energien mehrauf Regelenergie setzen. Das ist der Grund, warum dieseRegierung – ich bedanke mich für die gute Unterstüt-zung durch die Koalition – die Biomasse stärker fördernwill.
Herr Paziorek, wir haben Ihre Kritik aufgenommenund sind Ihnen in der Frage des Degressionszeitraumsentgegengekommen; denn wir wollten an dieser Stelleein gemeinsames Signal setzen. Es ist genau so gekom-men, wie Sie es gefordert haben. Dennoch sagen SieNein. Ich habe den Eindruck, Sie tun das aus Prinzip.Sie haben gesagt, es muss mehr darauf geachtet wer-den, grundlastfähig zu werden. Aus diesem Grund standschon im Regierungsentwurf, dass wir mehr für die För-derung der Wasserkraft, auch für den Ausbau der gro-ßen Wasserkraftwerke, tun wollen. Schließlich liegen indiesem Bereich enorme Klimaschutzpotenziale. Das wareWfuzzImfsselgAnivMdsbEnspsdEwieasihgElLlisb
Zurzeit sind einige Zeitungen der Auffassung, sieüssten anderen Magazinen beim Wettlauf um einenalschen Populismus Konkurrenz machen. Selbstver-tändlich müssen wir mit Augenmaß vorgehen. Deshalbetzen wir mit diesem Gesetz für den Ausbau der Wind-nergie erstens ein klares Signal für die Offshoretechno-ogie und zweitens schaffen wir damit bessere Bedin-ungen für das Repowering, also für den Ersatz alternlagen. Wir wollen mehr erneuerbare Energien mit we-iger Masten erreichen. Das ist die einfache Formel. Dasst der Ansatz unseres Gesetzentwurfs und auch diesemerweigern Sie sich.
Eine letzte Bemerkung: Waren Sie schon einmal inagdeburg? Haben Sie sich einmal angesehen, wo dortie letzten industriellen Arbeitsplätze sind? Sie befindenich auf dem Gelände des einst zehntausend Menscheneschäftigenden Betriebes SKET. Dort ist jetzt die Firmanercon, ein Hersteller von Windrädern, ansässig.Ich würde mir wünschen, dass auch Unionsabgeord-ete mit dem gleichen Selbstbewusstsein, mit dem manich in Dresden darüber freut, dass AMD und VW dortroduzieren, in Magdeburg sagen: Die Windenergieorgt für 3 000 bis 4 000 Arbeitsplätze; dass es in Mag-eburg überhaupt noch Industrie gibt, ist eine Folge desrneuerbare-Energien-Gesetzes. Ein solches Selbstbe-usstsein wünsche ich mir bei Ihnen.
Durch die Nutzung der erneuerbaren Energien könnenn Deutschland heute bereits 50 Millionen Tonnen CO2ingespart werden. Das ist und bleibt richtig. Hören Sieuf, erneuerbare Energien gegen Effizienz und Energie-paren auszuspielen. Meine Erfahrung der letzten Tagest: Diejenigen, die gegen einen effizienten Emissions-andel sind, sind immer schon gegen erneuerbare Ener-ien gewesen.
Wahr ist aber auch: Im Bereich der erneuerbarennergien, also quasi durch die Einsparung von 50 Mil-ionen Tonnen CO2, haben 120 000 Menschen in diesemande Arbeit gefunden, 50 000 Menschen davon in denetzten Jahren. Der Bereich der erneuerbaren Energienst also der Beweis dafür, dass Umweltschutz und Be-chäftigung, dass ökologische Modernisierung und Wett-ewerbsfähigkeit bestens zusammenpassen.
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9332 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004
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Jürgen Trittin
Ich bedanke mich für die gute Unterstützung und dieBereitschaft des Bundestages, heute den Gesetzentwurfin seiner jetzigen Fassung zu verabschieden.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Paziorek, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieRednerliste war eigentlich schon geschlossen, als derMinister darum gebeten hat, auch an das Rednerpult ge-hen zu dürfen. Aufgrund seiner Rede wird nun eine neueDiskussionsrunde zum EEG aufgelegt.Herr Minister, ich muss Ihnen sagen: Ihr Redebeitrag,
Ihr Versuch, die Ausführungen unseres stellvertretendenFraktionsvorsitzenden Horst Seehofer umzuinterpretie-ren, war eine reine Unverschämtheit. Das war Polemikund war sachlich falsch. Das ist nicht hinzunehmen.
Wir haben immer klar und deutlich gesagt, dass wirzu den erneuerbaren Energien stehen. Sie haben mehr-fach anerkannt, dass die Union wie andere Fraktionen indiesem Hause für die erneuerbaren Energien eintritt.
Wie können Sie vor diesem Hintergrund nur aufgrunddessen, dass die Union sagt, ab dem Jahr 2008 wolle sieein neues Fördersystem, behaupten, dass wir den Be-reich der erneuerbaren Energien kaputtmachen wollen?
Wie können Sie behaupten, dass wir die erneuerbarenEnergien und damit den dafür wichtigen StandortDeutschland zerstören wollen? Sie haben gar kein Inter-esse daran, dass die Union zustimmt.
Ihnen gefällt es viel besser, jetzt mit einer solchen Pole-mik kommen zu können.Wir haben klar und deutlich gesagt: Wir wollen eineklare Übergangsfrist. Bis zum Jahr 2007 soll das jetzigeFördersystem weiter bestehen. Jeder, der mit seinen An-laVWteJWmomwgaIcmSZdvhsveDFFwssdblafSgmDrm
ie können Sie es also überhaupt wagen, hier zu vermit-eln, dass für Betreiber und Investoren Unsicherheitenxistieren könnten? Wir sagen allen: Wer bis zumahr 2007 ans Netz geht, der hat Bestandsschutz.Darüber hinaus wollen wir auch einen Übergang.eshalb wehren Sie sich so dagegen, Herr Minister, dassan in diesem Hause darüber diskutiert,
b das Festpreissystem langfristig sinnvoll ist oder oban nicht eventuell ein Bonussystem einführen solle,ie wir es bei der KWK haben? Da gibt es nämlich füranz bestimmte erneuerbare Energien einen Zuschlaguf den normalen Strompreis. Ist das der Weltuntergang?ch habe das Gefühl, Sie wollen der Diskussion auswei-hen, ob das Bonussystem besser ist als das Festpreis-odell, welches Sie uns zurzeit vorschlagen.
ie weichen einer Diskussion darüber aus, ob wir für dieeit nach 2008 ein besseres Modell entwickeln können,as die erneuerbaren Energien genauso gut fördert, aberolkswirtschaftlich viel effektiver ist als das, das Sie unseute auf den Tisch legen. Das ist unsere Position.
Angesichts Ihrer Aufregung hat man das Gefühl, Sieeien davon getroffen, dass Sie nicht das schöne Bildermitteln können, die Union sei pauschal gegen erneu-rbare Energien.
as wird Ihnen in der Öffentlichkeit und auch bei denirmen nicht gelingen. Wir werden Gespräche mit denirmen darüber führen, was nach 2008 besser werdenird. Wer aber so polemisch auftritt und so massiv ver-ucht, durch einen Wortbeitrag jede Gemeinsamkeit hin-ichtlich der Gestaltung auch nach 2008 zu zerstören,
er versagt als Umweltminister in diesem Lande. Sie ha-en auch die Aufgabe, für die erneuerbaren Energienngfristig einen großen gesellschaftlichen Konsens zuinden.
ie haben auch die Aufgabe, Herr Minister, dafür zu sor-en, dass die Energie in Deutschland so günstig wieöglich hergestellt wird; denn letztlich geht es ineutschland auch um Arbeitsplätze in den anderen Be-eichen, also außerhalb der erneuerbaren Energien. Dasüssen wir immer berücksichtigen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004 9333
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Dr. Peter Paziorek
Verantwortliche Politik muss sowohl für die erneuerba-ren Energien als auch für die anderen Wirtschaftsberei-che eintreten. Nur so können wir unserer Verantwortunggerecht werden.Herr Minister, Sie haben dieser Aufgabe heute einenBärendienst erwiesen. Ich kann jetzt aus voller Überzeu-gung nur sagen: Es war richtig, dass die CDU/CSU-Bun-destagsfraktion den Beschluss gefasst hat, mit allen ge-sellschaftlichen Akteuren darüber zu diskutieren, ob wirnicht ein besseres System zur Förderung der erneuerba-ren Energien für die Zeit nach 2008 auf den Weg bringenkönnen.Herzlichen Dank.
Ich erteile Kollegen Rolf Hempelmann, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Lieber Kollege Paziorek, angesichts derTatsache, dass Sie drei Terminangebote der Koalitions-fraktionen nicht wahrgenommen haben, war es schonmutig, so vollmundig zu sagen, dass die Koalitionsfrak-tionen die Zusammenarbeit mit der CDU abgelehnt ha-ben.
Das gehört zur Wahrheit dazu und das macht deutlich,wer hier den Konsens gesucht hat und wer ihn von vorn-herein nicht wollte.
Diese Woche war für die Energiepolitik ausgespro-chen bedeutsam:Erstens. Es gab die Einigung beim Emissionshandel,also beim Nationalen Allokationsplan. Deutschland isteines von vier Ländern, die diesen Allokationsplan inBrüssel pünktlich eingereicht haben.
Dieser Allokationsplan orientiert sich eng an den Klima-schutzzusagen, die wir im Zusammenhang mit Kioto ge-macht haben. Darauf können wir stolz sein.emgaLIkzIeeMVsdlaobRadthbrpsfbdgkhlwhbaeeS
Genau dieser Philosophie folgt auch das EEG. Es istben nicht nur ein Klimaschutzinstrument. Deswegen ists mit anderen Instrumenten auch nicht vergleichbar.an kann deshalb nicht fordern – auch mit zeitlichererzögerung nicht –, dass das alte Instrument abge-chafft wird, wenn ein neues eingeführt wird;
enn mit diesen Instrumenten werden ganz unterschied-iche Ziele verfolgt. Es gibt sicherlich Schnittmengen,ber eben auch ganz unterschiedliche Schwerpunkte.Mit dem EEG werden wir nicht nur die CO2-Emissi-nen senken, sondern auch den Einstieg in die erneuer-aren Energien erreichen. Das ist angesichts endlicheressourcen auch im Sinne künftiger Generationen einebsolute Notwendigkeit.
Mit dem EEG werden wir gleichzeitig aber auch In-ustriepolitik im Bereich der erneuerbaren Energien be-reiben. Die Anlagenbauer im Bereich der Windenergieaben die Chance, weiterzumachen, und die Anlagen-auer im Bereich der Bioenergien haben die Chance,ichtig loszulegen. Das ist gut; denn das schafft Arbeits-lätze und Wertschöpfung im Land. Daneben eröffnenich dadurch für uns Exportchancen. Das ist Wirtschafts-örderung im besten Sinne des Wortes.
Mit dem EEG schaffen wir nicht nur bei den erneuer-aren Energien eine solche positive Entwicklung, son-ern wir sorgen durch die Neugestaltung der Härtefallre-elung ebenso dafür, dass auch andere Industriebereichelare Zukunftsperspektiven erhalten. Wir haben die bis-erige Härtefallregelung durch Absenkung der Schwel-en mittelstandsfreundlicher ausgestaltet. Auch habenir dafür gesorgt, dass die besonders im Wettbewerb ste-enden und stromintensiven Branchen vom Selbstbehaltefreit werden. Das heißt, von der ersten Kilowattstunden muss nur der niedrigere Satz gezahlt werden. Das istin gutes Signal. Es macht deutlich: Wir machen nichtine Politik des Entweder-oder, sondern eine Politik desowohl-als-auch.
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Rolf HempelmannMit dem EEG werden wir Wachstumsimpulse auslö-sen. Es wird Wachstum – ich habe es schon angedeutet –beim Anlagenbau im Bereich von Windenergie und Bio-masse geben. Es wird aber auch im Bereich der Industriezu Wachstum kommen. Im Verbund mit dem Instrumentdes Emissionshandels wird es im deutschen Kraftwerks-bau zugleich eine Investitionswelle geben. Wir haben dieRahmenbedingungen so gesetzt, dass es im deutschenKraftwerksbau sowohl im Bereich von Braunkohle, vonSteinkohle als auch von Gas zu Ersatzinvestitionen kom-men wird. Wir stehen vor einer Modernisierungswelle inder deutschen Energiewirtschaft.Dies ist – insofern gebe ich meiner Kollegin FrauHustedt absolut Recht – nicht nur für die deutsche Ener-giepolitik, sondern auch für die erneuerbaren Energien,die Energiewirtschaft insgesamt und die Industrie einegute Woche. Darauf sind wir stolz. Verlassen Sie sichdarauf: Wir lassen uns diesen Erfolg nicht zerreden.
Ich erteile das Wort Kollegin Birgit Homburger, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
finde es schon bemerkenswert, dass wir in dieser Dis-
kussion über das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine
zweite Runde aufmachen. Herr Trittin, unsere Argu-
mente müssen Sie so massiv unter Druck gesetzt haben,
dass Sie es für nötig befunden haben, hier zu sprechen.
Ich möchte ein paar Punkte, die Sie angesprochen ha-
ben, Herr Trittin, aufgreifen. Sie haben erklärt, der hohe
staatliche Anteil am Strompreis – das sind immerhin
41 Prozent – ergeben sich aus der Konzessionsabgabe.
Dabei verschweigen Sie aber, dass die Kosten, die durch
das EEG und die Ökosteuer verursacht werden, der weit-
aus größere Teil sind. Dafür sind Sie verantwortlich,
ohne eine vernünftige Begründung geliefert zu haben.
Sie sprechen immer davon, dass dadurch Arbeits-
plätze geschaffen werden. Sie machen das wie in allen
anderen Bereichen auch: Sie denken nur an einzelne
Bereiche, aber nie an die Gesamtbilanz. Ich sage Ihnen:
Das Märchen, das Ganze koste nur 1 Euro, stimmt
einfach nicht. Das ist schlicht und ergreifend vom
Stromverbrauch abhängig. Aber das verschweigen Sie
immer.
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In der Aluminiumindustrie, die in der Bundesrepublik
eutschland nach wie vor sehr viele Arbeitsplätze stellt,
achen die Belastungen allein durch das EEG 30 Euro
e Tonne aus. Wenn Sie das umrechnen, dann ist das je
ach Größe des Betriebes eine Belastung von circa
000 bis 4 000 Euro je Arbeitsplatz im Jahr. Das ist
ettbewerbsrelevant, Herr Trittin.
Sie haben erklärt, der Einsatz der erneuerbaren Ener-
ien spare 50 Millionen Tonnen CO2 ein und diejenigen,ie gegen den Emissionshandel seien, seien gegen die
rneuerbaren Energien. Sehr verehrter Herr Minister, die
DP-Bundestagsfraktion ist mit Unterstützung der CDU/
SU-Fraktion zu einem Zeitpunkt, als Sie das Wort
missionshandel überhaupt noch nicht kannten, für die-
es effiziente Instrument des Klimaschutzes eingetreten.
er hat denn dieses Instrument international durchge-
etzt? Das waren nicht Sie, sondern wir haben es durch-
esetzt.
Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie die letzten Jahre
ie Vorbereitung des Emissionshandels in Deutschland
icht verschlafen hätten, wären wir heute beim Klima-
chutz und bei der Einsparung von Kosten sehr viel wei-
r.
Ich sage ganz klar: Die FDP steht zur Förderung er-
euerbarer Energien. Wir wollen aber weder die Technik
olitisch vorgeben, noch wollen wir den Preis politisch
orgeben. Genau das tun Sie mit dem Erneuerbare-Ener-
ien-Gesetz. Wir wollen ein wettbewerbliches, ein
arktwirtschaftliches Fördermodell für erneuerbare
nergien, mit dem es gelingt, Klimaschutz kosteneffi-
ient zu erreichen. Das sind wir den Bürgerinnen und
ürgern in diesem Lande schuldig.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunktrteile ich dem Kollegen Hermann Scheer das Wort.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil dieDebatte wegen der vorzüglichen Rede des Bundesum-weltministers verlängert worden ist, habe ich die Gele-genheit, noch einmal auf einige Punkte einzugehen.
Der Verweis darauf, dass in der nächsten Legislatur-periode im Jahr 2007 etwas anderes kommen werde, –
wohinter die stillschweigende Hoffnung der Unionsteckt, dass sie dann die Dinge gestalten könnte –, istmehr als fadenscheinig.
Ich erkenne durchaus an, dass es in der Union seriöseStrömungen gibt, die diesem Erneuerbare-Energien-Ge-setz in der Tradition des Stromeinspeisungsgesetzes fürerneuerbare Energien sehr positiv, sogar zustimmend ge-genüberstehen. Auf der anderen Seite aber gibt es eineganz entschiedene, radikale Gegnerschaft. Die hat heutezu dem Bild geführt, das Ihre Fraktion geboten hat.
Das ist ganz eindeutig und bleibt auch der Öffentlichkeitnicht verborgen. Es wird doch durch diese Debatte of-fensichtlich. Das heißt, die Begleitmusik zu Ihren angeb-lich besseren Alternativen, die Sie versprechen,
geht doch an der Öffentlichkeit, an den Betroffenen undan den Investoren überhaupt nicht vorbei.
Es gibt bestimmte Aussagen, auch im Wirtschaftsaus-schuss. So hat ein Unionssprecher gesagt: Wenn wir dieMacht übernehmen, werden wir mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Schluss machen. Das ist eine wunder-bare Botschaft.
– Ich weiß, dass das vielleicht nicht Ihre offizielle Be-schlusslage ist.Betrachten Sie einmal die so genannten wissen-schaftlichen Gutachten, die mehrfach von verschiede-nen Rednern der Opposition erwähnt worden sind. DieseGutachten, die zwar aus dem Umfeld des Wirtschaftsmi-nisteriums kommen, deren Aussagen sich das Wirt-schaftsministerium aber nicht zu Eigen gemacht hat, ha-ben alle denselben Tenor. Dieser lautet: Ab demJahr 2007 – deshalb ist die Jahreszahl ja so interessant –sollte die gesamte Förderung erneuerbarer Energien zu-gunsten des Emissionshandels fallen gelassen werden.DaskbtefinsbpKelaEdgowdwwrdsgezSdsfAedwAbD
as ist die Aussage dieser Gutachten. Diese stützt sichuf die denunziatorische, meines Erachtens unwissen-chaftliche Behauptung, dass die erneuerbaren Energieneine Arbeitsplätze schaffen, sondern sogar noch Ar-eitsplätze kosten.Es kennen sich aber auch andere in den Wissenschaf-n aus. Es ist vielleicht für die Öffentlichkeit und auchür Sie, wenn Sie das Ganze nicht gelesen haben sollten,teressant, zu erfahren, wie diese Gutachter zu einerolchen Aussage kommen. Sie kommen dazu, indem sieehaupten, dass die EEG-Umlage, die heute von allenrivaten Stromverbrauchern gezahlt wird, zulasten desonsums geht, weil diese Mittel für Investitionen in dierneuerbaren Energien verwendet werden. Weil das zu-sten des Konsums gehe, gingen Arbeitsplätze verloren.s wird aber an keiner Stelle gesagt, was denn anstelleessen konsumiert werde – das kann man nicht bele-en –, ob das ein Bier im Ballermann auf Mallorca istder irgendetwas anderes.
Daraus ergibt sich logischerweise: Die wirtschafts-issenschaftlichen Gutachter kommen zu dem Ergebnis,ass jedweder Konsum, egal welcher Art, für die Ent-icklung der Volkswirtschaft und sogar der Umweltichtiger ist als eine präzise und vorbestimmte Förde-ung der erneuerbaren Energien über eine Umlage, wo-urch noch weitere Faktoren wie eine zusätzliche Wert-chöpfung geschaffen und Entwicklungen in Gangesetzt werden.Mit anderen Worten: Wissenschaftliche Gutachten aufinem solchen Niveau sind im Grunde genommen nichtitierfähig.
olche Gutachten können allenfalls referiert werden. Iner Wissenschaft ist es nun einmal so: Es ist selbstver-tändlich nicht jeder Professor käuflich, aber irgendeinenindet man leider immer, der sich zu einer gewünschtenussage bereit findet.
Wenn wir über Wirtschaft sprechen, dann müssen wirrkennen,
ass erneuerbare Energien mit der Zeit immer billigererden. Denn alle Kosten, die für diese Energien – mitusnahme der Biomasse – ausgegeben werden, fallenei der Mobilisierung und Bereitstellung der Technik an.araus ergibt sich – das zeigt die Geschichte der
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9336 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004
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Dr. Hermann Scheertechnologischen Revolutionen –, dass erneuerbare Ener-gien auf Dauer billiger werden. Dort, wo für die Primär-energie etwas bezahlt werden muss – das ist nur bei derBiomasse der Fall –, wird als Ergebnis der Mobilisie-rung erneuerbarer Energien eine Revitalisierung deslandwirtschaftlichen Sektors erzielt.
Kollege Scheer, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Herkömmliche Energien dagegen können wegen der
negativen Umwelteffekte und der bevorstehenden Er-
schöpfung der konventionellen Energieträger nur teurer
werden. Insofern stehen wir mit dem vorliegenden Ge-
setzentwurf an einer Wasserscheide energiestrategischer
Entscheidungen, die wir heute treffen.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak-tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünensowie von der Bundesregierung eingebrachten Ge-setzentwürfe zur Neuregelung des Rechts der erneuerba-ren Energien im Strombereich, Drucksachen 15/2327,15/2539 und 15/2593. Der Ausschuss für Umwelt, Na-turschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 15/2845, die ge-nannten Gesetzentwürfe als Gesetz zur Neuregelung desRechts der erneuerbaren Energien im Strombereich inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit inzweiter Beratung mit den Stimmen der SPD, des Bünd-nisses 90/Die Grünen und einer Stimme aus der CDU/CSU-Fraktion gegen die Stimmen der übrigen Mitglie-der der CDU/CSU-Fraktion und die Stimmen der FDP-Fraktion angenommen.Vor der dritten Beratung und Schlussabstimmung willich mitteilen, dass der Kollege Hans-Michael Goldmannvon der FDP-Fraktion eine persönliche Erklärung zurAbstimmung abgegeben hat und mitteilt, dass er sich derStimme enthalten will.1)
Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-wurf ist mit derselben Mehrheit wie bei der Abstimmungin der zweiten Beratung angenommen.sßcDuCMFtgmgCAcssTSfeBhmtgdsDsvfecSstmN1) Anlage 3
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent-chließungsanträge. Wer stimmt für den Entschlie-ungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-he 15/2858? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –er Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPDnd Bündnis 90/Die Grünen und einer Stimme aus derDU/CSU-Fraktion gegen die Stimmen der übrigenitglieder der CDU/CSU-Fraktion bei Enthaltung derDP-Fraktion abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-ion der FDP auf Drucksache 15/2859? – Wer stimmt da-egen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag istit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünenegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/SU-Fraktion abgelehnt.Tagesordnungspunkt 19 b: Beschlussempfehlung desusschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-herheit, Drucksache 15/2797, zu dem Bericht des Aus-chusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-chätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung mit demitel: Monitoring – „Möglichkeiten geothermischertromerzeugung in Deutschland“. Der Ausschuss emp-iehlt, in Kenntnis des Berichts auf Drucksache 15/1835ine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-en von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthal-ung von CDU/CSU und FDP angenommen.Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-esordnung um die Beratung der Beschlussempfehlunges Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-chäftsordnung zu Anträgen auf Genehmigung zururchführung der Strafverfolgung zu erweitern und jetztofort als Zusatzpunkt 4 aufzurufen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.Somit rufe ich jetzt den Zusatzpunkt 4 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-nität und Geschäftsordnung
Immunität von Mitgliedern der Bundesver-sammlunghier: Anträge auf Genehmigung zur Durch-führung der Strafverfolgung– Drucksache 15/2879 –Berichterstattung:Abgeordneter Jörg van EssenWir kommen sofort zur Abstimmung. Der Ausschussür Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnungmpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-he 15/2879, die Genehmigung zur Durchführung dertrafverfolgung zu erteilen. Wer stimmt für diese Be-chlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-ungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-en von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP beiichtbeteiligung der CDU/CSU-Fraktion angenommen.
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Präsident Wolfgang Thierse
– So präzise, wie das in solchen Fällen immer der Fallist. Herr Kollege Ramsauer, darf ich Ihren Einwand soverstehen, dass auch die CDU/CSU-Fraktion zustimmt?
– Dann nehmen wir das so zu Protokoll. Die Beschluss-empfehlung ist also einstimmig angenommen worden.Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 18 a bis18 c auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. PeterPaziorek, Marie-Luise Dött, Karl-Josef Laumann,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUUnabhängige Folgenabschätzung der neuenEU-Chemikalienpolitik– Drucksache 15/2654 –b) Beratung des Antrags der Abgeordneten HeinzSchmitt , Ulrike Mehl, Michael Müller
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der AbgeordnetenDr. Antje Vogel-Sperl, Dr. Reinhard Loske,Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENEine nachhaltige Chemiepolitik in Europa –Innovation fördern, Umwelt und Gesundheitschützen und Verbraucherschutz stärken– Drucksache 15/2666 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Auswärtiger AusschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. PeterPaziorek, Katherina Reiche, Marie-Luise Dött,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUStrategie für eine nachhaltige Chemiepolitikin Deutschland und Europa– zu dem Antrag der Abgeordneten BirgitHomburger, Angelika Brunkhorst, Daniel BahrAWKeinlatCkeMvRTBzawkorzgvunncvDmtfSdKn
, weiterer Abgeordneter und der
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Fest steht, dass dieser Verordnungsentwurf – das zei-en bis jetzt alle Planspiele – erheblich nachgebesserterden muss. Gerade mittelständische Anwender wer-en große Probleme haben, die auf sie zukommendenrobleme ohne Unterstützung von außen zu lösen. Zuro genannten Expositionsbewertung ist ein vereinfachteserfahren notwendig. Wir brauchen einen besseren Da-enaustausch in den Wertschöpfungsketten.Nachdem der Bundeskanzler und die Gewerkschaftenm vergangenen Jahr in dieser Frage eine gemeinsameosition hatten – es ist eine Erklärung verabschiedetorden, in der viele der Bedenken, die ich für die CDU/SU soeben vorgetragen habe, aufgegriffen worden sind –,atten wir die Hoffnung, dass wir jetzt gemeinsam inuropa für einen solchen Weg kämpfen können.Angesichts des Antrags, den Sie heute im Deutschenundestag vorlegen, muss man sagen: Sie haben dieserklärung Ihres eigenen Bundeskanzlers leider nicht auf-egriffen. Sie haben in diesem Antrag leider nicht dasroblembewusstsein gezeigt, das einfach notwendig ist,m jetzt in Europa tatsächlich etwas für unsere Chemie-ndustrie zu bewirken. Ihr heute vorgelegter Antrag istichts anderes als ein fauler Kompromiss, der die Pro-leme auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft nichteseitigt. Er trägt nicht dazu bei, dass Deutschland einhemiestandort bleibt.Aus den Beratungen im Ausschuss kennen wir Ihreitunter vorhandene Sympathie für die Position der EU-ommissarin für Umwelt, Frau Wallström. Da gibt esußerungen des Inhalts, dass all die Bedenken aus derirtschaft falsch sind. Ich frage mich, was die Erklärunges Bundeskanzlers aus dem vergangenen Jahr bedeutet,enn der Antrag, den Sie vorgelegt haben, hinter diesenositionen zurückbleibt. Wir sollten gemeinsam dafürorgen, dass der Verordnungsentwurf nicht in Kraft trittnd dass es tatsächlich zu einer Regelung kommt, dieraktikabel ist und damit auch der deutschen Wirtschaftilft.Deshalb sagen wir als Union: Das europäischeechtssetzungsverfahren darf erst dann abgeschlossenerden, wenn die Auswirkungen der Verordnung von ei-er unabhängigen Stelle außerhalb der EU-Kommission
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Dr. Peter Pazioreküberprüft worden sind. Wir begrüßen durchaus, dass dieKommission jetzt bereit ist, eine so genannte Impact-Studie auf den Weg zu bringen. Es gibt erste Gesprächemit der Industrie. Das reicht aber nicht aus. Wir sagenganz klar: Wir können in diesem Hause den Verord-nungsentwurf nur überprüfen und letztlich bewerten,wenn ihn zuvor eine unabhängige Stelle außerhalb derEU-Kommission auf den Prüfstand gestellt hat. Dasmuss die Zielrichtung sein, die wir gemeinsam festlegensollten.Unsere politische Forderung lautet: Dieser Verord-nungsentwurf darf unter inhaltlichen und fachlichen Ge-sichtspunkten so nicht in Kraft treten. Deshalb fordernwir Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wirin Brüssel eine gemeinsame Position im Interesse derdeutschen Chemieindustrie entwickeln können!Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Heinz Schmitt, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kol-lege Paziorek, ich bedanke mich zuerst einmal ganzherzlich dafür, dass Sie zumindest den Versuch unter-nommen haben, das REACH-System zu beschreiben.
Allerdings möchte ich Ihnen die Frage stellen: Wo bleibtdas Positive? Sie haben eine sehr negative Sichtweise zuden bisherigen Ergebnissen. Sie haben das negativ be-wertet und bei Ihrer Rede die Chancen und die positivenMöglichkeiten, die sich aus REACH auch für den Che-miestandort Deutschland ergeben, völlig unterschlagen;ich sage einmal: vermutlich aus Unkenntnis, nicht bösar-tig.REACH ist notwendig; denn es gibt Zehntausendevon chemischen Altstoffen in der EU, über die wir nichtswissen; da hat sich seit den 80er-Jahren nichts geändert.Das ist so, obwohl der Anteil der Altstoffe mehr als90 Prozent aller auf dem Markt befindlichen Chemika-lien beträgt. Deshalb ist eine Neuordnung der Chemie-politik nicht nur notwendig; sie ist überfällig.Über diese Notwendigkeit besteht bei allen Beteilig-ten, auch bei der Industrie, lieber Herr Kollege, Überein-stimmung. Das kommt nicht von ungefähr. Die Rege-lung bringt allen Beteiligten Vorteile. Sie bedeutet einenwichtigen Schritt hin zu mehr Sicherheit im Umgang mitChemikalien. REACH ist ein wichtiges Projekt für denGesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz.Daneben gibt es handfeste ökonomische Vorteile.REACH schafft zum Beispiel einheitliche Wettbewerbs-bedingungen in ganz Europa.EwsUWwwsdbVwusdubufenerdzlepfrglIbBinWktRucdfzta
ine Vielzahl verschiedener europäischer Regelungenird in einer einzigen Verordnung zusammengefasst.Richtig ist, dass es in bestimmten Bereichen – datimme ich Ihnen zu – noch Klärungsbedarf gibt. Diemwelt- und Verbraucherverbände zum Beispiel forderneitergehendes; ihnen geht die jetzige Vorlage nichteit genug. Die Industrie beklagt einen zu hohen Auf-and, zu viel Bürokratie. Es sind die klassischen unter-chiedlichen Sichtweisen. Viele dieser Einwände wur-en seit der Vorlage des Weißbuchs bereitserücksichtigt. Weiteren Bedenken kann im weiterenerfahren – so erscheint es mir – Rechnung getragenerden.Insbesondere geht es nun darum, die Umsetzungs-nd Durchführungsbestimmungen von REACH gemein-am zu entwickeln. Wir haben einen Antrag vorgelegt,er den Anliegen beider Seiten, nämlich der Ökologiend der Wirtschaft, ausgewogen Rechnung trägt. Wir ha-en den elementaren Schutz der Umwelt, der Gesundheitnd des Verbrauchers noch einmal unterstrichen. Wir be-ürworten zum Beispiel – Sie haben das angesprochen –ine allgemeine Sorgfaltspflicht auch für Stoffe, bei de-en die Jahresproduktion unter 1 Tonne liegt. Wir haltens ferner für sinnvoll, dass bestimmte Mindestanforde-ungen an die Tests für die Registrierung gestellt wer-en, damit wir tatsächlich aussagekräftige Informationenu den stoffbezogenen Risiken bekommen.Für eine bessere Risikobeurteilung wollen wir aufängere Sicht einen Stoffsicherheitsbericht schon abinem Produktionsvolumen von 1 Jahrestonne ver-flichtend machen. Das ist uns wichtig, da es ohne In-ormationen zu dem Gefährdungspotenzial für vieleegistrierungspflichtige Stoffe keine zureichende Aussa-ekraft in der Risikobeurteilung gibt.Auch wir sehen natürlich die Notwendigkeit mög-ichst unbürokratischer und effizienter Bestimmungen.ch komme ebenfalls aus einem Bundesland mit eineredeutenden Chemieindustrie, mit großen und mittlerenetrieben und vielen Tausenden von Arbeitsplätzen. Esst deshalb keine Frage, dass wir die Anliegen der Unter-ehmen in dieser Hinsicht ernst nehmen.
ir betonen zum Beispiel ausdrücklich die Notwendig-eit, dass REACH in vollem Umfang auch für impor-ierte Stoffe zu gelten hat. Wir wollen sicherstellen, dassEACH in dem System der WTO-Abkommen verankertnd dort ebenfalls berücksichtigt wird. Wir wollen glei-he Bedingungen für Stoffe, die bei uns produziert wer-en, und für Stoffe, die eingeführt werden, damit einairer Wettbewerb sichergestellt ist.Was die Kostenbelastung angeht, so ist nachvoll-iehbar, dass die Industrie und die EU-Kommission un-erschiedliche Sichtweisen haben. Die EU geht davonus, dass sich die Kosten auf 2,5 bis 5 Milliarden Euro
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9340 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004
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Heinz Schmitt
belaufen werden, verteilt, wie gesagt, auf einen Zeitraumvon zehn Jahren. Dass die Industrie zu anderen Ergeb-nissen kommt, ist nachvollziehbar, denn es fehlen nochdie detaillierten Umsetzungs- und Durchführungsbe-stimmungen. Von daher ergibt sich bei der Kostenschät-zung eine andere Sichtweise.Unklar ist zum Beispiel auch, wie viele der geforder-ten Informationen und Kenntnisse zu Stoffen bereitsjetzt vorhanden sind und wie sie im neuen REACH-Sys-tem genutzt werden können. Schließlich wird es daraufankommen, dass das Registrierungsverfahren so ver-einfacht und standardisiert werden kann, dass es geradefür kleine und mittlere Betriebe leicht handhabbar ist.Ich komme zu dem Planspiel des BundeslandesNordrhein-Westfalen. Kollege Paziorek, ich war beider Vorstellung in der Landesvertretung vor wenigen Ta-gen. Ich sage: Das Glas war nicht halb leer, sondern halbvoll.
– Dreiviertel. Für mich war das Glas auf jeden Fall gutgefüllt. Es gab sehr viele Anregungen und Verfahrens-vorschläge.
Selbstverständlich gab es auch konstruktive Kritik.
Aber man sollte jetzt nicht alles niedermachen, weil esvielleicht nicht in die eigene Weltsicht passt. Ich habevon dieser Veranstaltung sehr viel Positives mitgenom-men. Ich habe auch gelernt, dass die Umsetzung vonREACH nur gelingt, wenn wir sie gemeinsam vorneh-men,
wenn Industrie, Verbraucherschutz und Umweltver-bände gemeinsam an einem Strang ziehen. Eine Verwei-gerungshaltung oder ein Spielen auf Zeit bringt uns indiesem Punkt nicht weiter.
Wir sollten bei aller Diskussion nicht vergessen, dasses bei REACH auch darum geht, Versäumnisse aus derVergangenheit nachzuholen. Es geht um Stoffe, die seitüber 20 Jahren auf dem Markt sind, über die wir aberüberhaupt nichts wissen.
Es geht also auch um Vergangenheitsbewältigung. DieIndustrie hat es damit selbst in der Hand, REACH posi-tiv anzugehen.kmsgAcVcerCgrD3kCwfbtzrRdsdDkeanRgdiWdWw
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, FDP.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie anstehende Verordnung zu einer neuen EU-Chemi-alienpolitik wird im Deutschen Bundestag nicht zumrsten Mal debattiert. Nach wie vor hat sich aber auchngesichts der Pläne auf europäischer Ebene bei unsicht sehr viel geändert. Das, was mit dem neuenEACH-System geplant ist, wird massive Auswirkun-en auf alle Industriezweige in Deutschland haben, inenen Chemikalien oder chemische Produkte hergestellt,mportiert oder verwendet werden.
eit mehr Industriezweige als nur die Chemiewirtschaft,ie allerdings schon für sich allein ein sehr wichtigerirtschaftsbereich ist, sind davon betroffen. Die Frage,ie die Chemikalienpolitik in Europa organisiert wird,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. April 2004 9341
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Birgit Homburgerhat deshalb eine entscheidende Bedeutung auch für dieArbeitsplätze.
Anfang 2001 hat die EU-Kommission erstmalig einWeißbuch vorgelegt. Die FDP hat direkt danach einenAntrag in den Deutschen Bundestag eingebracht und dieBundesregierung aufgefordert, entsprechend Einflussauf das zu nehmen, was die Europäische Union hierplant. Es geht natürlich darum, einen sicheren Umgangmit Chemikalien zu gewährleisten. Die Bestimmungendes Gesundheitsschutzes und des Umweltschutzes sindeinzuhalten.Aber es geht selbstverständlich auch um Wett-bewerbsfähigkeit. Die Bundesregierung, vor allem dasBundeskanzleramt und das Wirtschaftsministerium,spricht in offiziellen Stellungnahmen davon, dass einZusammenspiel zwischen diesen einzelnen Faktoren er-reicht werden muss. Wenn ich mir aber anschaue, was inEuropa vertreten wird, dann muss ich sagen: Dieses Zu-sammenspiel ist nicht mehr gegeben. Sie setzen ganzmassiv auf eine Richtung und lassen die Wettbewerbsfä-higkeit völlig außen vor.
Wir müssen Ihnen deutlich sagen, dass die Ablehnungvon FDP-Anträgen – wir haben mehrere Anträge zu die-sem Thema eingebracht und detaillierte Vorschläge ge-macht – noch keine konsistente Chemikalienpolitik ist.Das gilt vor allen Dingen mit Blick auf die Umsetzbar-keit der Anforderungen und die Folgen für die betroffe-nen Unternehmen. Nicht zuletzt muss man sagen, dassaus Brüssel ein Monster in Form einer gigantischen Um-weltbürokratie droht.
Diese Politik wird von Rot-Grün massiv unterstützt.Herr Schmitt, Sie sagen – wir stimmen Ihnen in die-sem Punkt zu –: Nur wenn wir gemeinsam mit der In-dustrie handeln, werden wir einen Erfolg erzielen. WennSie das nur tun würden! Ihr Antrag, den Sie heute vorle-gen, zeigt aber, dass Ihre Vorschläge überhaupt nichtausgewogen sind und dass Ihre Darstellung nicht realis-tisch ist. Deswegen können wir Ihrem Antrag nicht zu-stimmen.
Dass wir uns nicht einbilden, dass Ihre Vorschlägenicht realistisch sind, zeigt allein die Tatsache, dass eskürzlich einen Vorschlag des Bundesinnenministeriumsund des Bundesministeriums für Bildung und Forschunggab, die europäische REACH-Verordnung auf die Listeder Initiative „Bürokratieabbau“ zu setzen. Genau da ge-hört sie hin.
Dass Sie das nicht aufgreifen, wundert mich allerdingsnicht besonders; denn von dem groß angekündigtenMasterplan Bürokratieabbau, von dem Sie immer redenund dessen Umsetzung so dringend notwendig wäre, istnm1tdPdtvüdBNDvdttSaUaarnIvwuaneutmsaftsihmdeAl
as kennen wir, wenn ich mich richtig daran erinnere,om Emissionshandel.Wie beim europäischen Emissionshandel droht Ihnenemnächst auch bei der europäischen Chemikalienpoli-ik ein Debakel. Noch ist es ein Landeswirtschaftsminis-er, nämlich der Herr Schartau, der in einer offiziellentellungnahme zu den Ergebnissen der Projektstudieusgeführt hat – diesmal sekundiert von Bärbel Höhn,mweltministerin –, dass erhebliche Nachbesserungenn der neuen Chemikalienrichtlinie unabdingbar und dien die betroffenen Unternehmen gerichteten Anforde-ungen vielfach nicht zu erfüllen seien. Dazu sage ich Ih-en: Das sollte Ihnen zu denken geben.
ch bin einmal gespannt, was passiert, wenn der Kollegeon Herrn Schartau auf Bundesebene, der Herr Bundes-irtschaftsminister Clement, in dieser Hinsicht aufwachtnd sich räuspert. Ich habe den Eindruck: Dann wird esuch hier für den Umweltminister eng.Die FDP weist deutlich darauf hin, dass aufgrund dereuen europäischen Regelungen zur Chemikalienpolitikin unnötiger, kostspieliger und insbesondere für kleinend mittlere Unternehmen existenzbedrohender bürokra-ischer Aufwand entsteht, ohne dass Umwelt undenschliche Gesundheit hiervon profitieren würden. Ichage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Der Ansatz,uf die Menge der Chemikalien zu setzen, ist völligalsch. Es geht nicht um die Menge, die für die Verarbei-ung eines Produktes oder einer Substanz benötigt wird,ondern um die Gefährlichkeit und die Beherrschbarkeitm Umgang mit solchen Chemikalien.
Deshalb hat die FDP-Bundestagsfraktion in demeute vorliegenden Antrag die Bundesregierung noch-als aufgefordert, aktiv zu werden. Noch immer fehlt inem gesetzgeberischen Vorhaben der EU-Kommissionine umfassende Untersuchung der wirtschaftlichenuswirkungen. Neben den direkten Kosten in Mil-iardenhöhe drohen ein gigantischer bürokratischer
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Birgit HomburgerAufwand und im Übrigen massive Verwerfungen bei derkünftigen Standortwahl von Chemieunternehmen.Wir tun gut daran, uns in der Europäischen Union zuüberlegen, ob wir die Unternehmen – bei hohen Um-welt- und Gesundheitsstandards – in der EU halten wol-len oder ob wir sie – zu geringeren Standards – ins Aus-land treiben und dadurch mit schuld daran sind, wennder Umwelt- und der Gesundheitsschutz reduziert wer-den.
Herr Schmitt, Sie haben gesagt, es gebe viele Chan-cen, Kosten zu sparen, wenn die Unternehmen gutenWillens sind. Ich würde sagen: Die Politik müsste zu-nächst einmal guten Willens sein, eine Regelung zu tref-fen, die die Unternehmen gar nicht erst dazu zwingt, sichzu überlegen, wie sie das Ganze irgendwie bewältigenkönnen. Wir sollten zunächst einmal dafür sorgen, dassein guter Gesundheitsschutz und ein hoher Umweltstan-dard durchgesetzt werden und gleichzeitig mehr Effi-zienz und weniger Bürokratie in diesem System entste-hen. Das schlagen wir vor. Dazu braucht man einfacheund praktikable Regelungen. Die Vorschläge der FDPdazu liegen auf dem Tisch. Ich hoffe, dass wir vielleichtim weiteren Verfahren doch noch zu einer Einigungkommen.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Antje Vogel-Sperl,Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wennich die Ereignisse der letzten Tage und Wochen zumThema Emissionshandel sowie die heutige Debatte zumEEG, aber auch die Reden von Herrn Paziorek und vonFrau Kollegin Homburger Revue passieren lasse, er-kenne ich durchweg Parallelen, nach dem Motto: Wieviel Umweltschutz können wir uns angesichts einer wirt-schaftlichen Krise in einer globalen Weltwirtschaft leis-ten? Völlig ausgeblendet wird in dieser Argumentation,dass es gerade der Kurs der ökologischen Modernisie-rung ist, der es ermöglicht, deutliche Investitionsanreizezu setzen und sowohl Umwelt und Verbrauchern alsauch der Wirtschaft große Chancen zu eröffnen. DasEEG – wir haben es soeben verabschiedet – ist das besteBeispiel dafür, wie man mit grünen Ideen schwarze Zah-len schreiben kann.
Die REACH-Verordnung stellt neben dem Emissions-handel bis dato das ambitionierteste europäische Um-weltvorhaben dar. Die Verordnung eröffnet der chemi-schen Industrie die Entwicklung innovativer Produkteund die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit derBranche. REACH setzt Anreize für mehr Innovationenund eine zukunftsfähige Wirtschaft. Ich sage Ihnen auch,warum:dIVs2dsadtdnMJeCgftVie–AllAMdlzVwddwDnVaLWnn
on den angesprochenen 1 200 Seiten – darauf möchtech hinweisen – ist der Teil, der wirklich relevant ist, mitinem Umfang von circa 70 Seiten zu beziffern.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Ihnen das nicht gefällt.ber so ist es manchmal mit der Wahrheit.
Drittens. REACH setzt Anreize zur Entwicklung qua-itativ hochwertiger, sicherer und ökologisch unbedenk-icher Stoffe. Denn zum einen erleichtern großzügigeusnahmeregelungen für den Forschungsbereich diearkteinführung neuer Chemikalien, zum anderen wer-en gefährliche Stoffe nur noch für bestimmte, kontrol-ierbare Anwendungen zugelassen. Das bedeutet gleich-eitig mehr Akzeptanz bei den Verbraucherinnen underbrauchern in Europa wie auch weltweit. Langfristigerden innovative und ökologisch unbedenkliche Stoffeie gefährlichen ersetzen. Das heißt, wer sich früh aufiese Entwicklung einstellt, wird am Ende zu den Ge-innern zählen.
araus ergibt sich ganz klar: REACH fördert Innovatio-en und ist gut für eine zukunftsfähige Wirtschaft.Im Übrigen hat die Kommission das Instrument einererordnung gewählt. Damit ist gewährleistet, dass fürlle Unternehmen in Europa die gleichen Regeln gelten.iebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,ettbewerbsbenachteiligungen durch unterschiedlicheationale Umsetzungen der Vorschriften können dahericht entstehen.
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Dr. Antje Vogel-SperlWie hoch die Kosten für die jeweiligen Unternehmenkonkret sein werden, hängt vor allem davon ab, welcheDaten vorliegen und ob es in der Vergangenheit Ver-säumnisse gab. Hier gilt ganz klar: Wer als Herstelleroder Verarbeiter von Chemikalien bisher verantwor-tungsvoll mit seinen Produkten umgegangen ist und dasMotto „Responsible Care“ ernst genommen hat, wirdvon REACH unmittelbar profitieren.Denn es wäre doch verantwortungslos, wenn ein Her-steller ohne Angaben über den Aggregatzustand, denSiedepunkt, die Wasserlöslichkeit oder die grundlegen-den toxikologischen Eigenschaften mit einer Chemikalieumgehen könnte. Dies wird mit REACH künftig nichtmehr möglich sein. Das bedeutet weiterhin, hier kannvor allem die deutsche chemische Industrie profitieren.Denn aufgrund der freiwilligen Selbstverpflichtung ausdem Jahre 1997 müssten den meisten deutschen Chemie-unternehmen bereits seit langem grundlegende Stoff-informationen vorliegen.Die meisten mittelständischen Weiterverarbeiter vonChemikalien sind im Übrigen nur dann vor REACH be-troffen, wenn sie die Stoffe auf nicht vorgesehene Weiseverwenden. Sie können dann bei fairer Aufteilung derKosten gemeinsam mit dem Hersteller der Chemikalieeine eventuell notwendige ergänzende Risikobeurteilungdurchführen.An dieser Stelle eine Bemerkung zum NRW-Plan-spiel. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie, nurum das Wie. Das hat die Ministerin eindeutig klar ge-macht.
Nur, diese Punkte sind insbesondere Gegenstand der zu-künftigen Verwaltungsvorschrift, nicht des Gesetzes.
Selbstverständlich sind wir für Vorschläge offen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Siefordern in Ihrem Antrag eine umfassende Folgen-abschätzung zu REACH. Eines ignorieren Sie dabei je-doch: Es gibt kaum ein vergleichbares Reformwerk, beidem seitens der EU-Kommission ein größerer Aufwandfür eine systematische Folgenabschätzung betriebenwurde. Wir sollten die Kommission bei diesen Bemü-hungen unterstützen. Das Rad hier noch einmal ganz neuzu erfinden macht wahrlich keinen Sinn. Deshalb lehnenwir Ihren Antrag ab.
Kommen wir zum nächsten Bereich, für den wirREACH brauchen. Wir brauchen REACH für Umweltund Gesundheit und ich sage Ihnen auch hier, warum:Über den Verbleib und die Verwendung vieler Chemika-lien, mit denen wir in Alltagsprodukten oder in Produk-tionsprozessen tagtäglich in Berührung kommen, wissenwrfMkSRtcDnhidhrfddiRwmANduwcCUissCzDbmvUnhDsnCHrCiC
Drittens wollen wir praktikable Regelungen für dieittelständischen Unternehmen. Bei der Registrierungon Stoffen soll gelten: „Einer für alle – alle für einen.“m gerade für die kleinen und mittelständischen Unter-ehmen Kosten und Aufwand so gering wie möglich zualten, sollten vorliegende Konzepte wie „ein Stoff – einossier“ geprüft werden.Viertens. Um doppelte Tierversuche zu verhindern,ind verbindliche Regelungen zur gemeinsamen Daten-utzung in der Verordnung notwendig. Das deutschehemikalienrecht bietet auch hier praktikable Lösungen.ier funktioniert die gemeinsame Datennutzung im Üb-igen sehr gut. Gleichzeitig sollte mit REACH diehance genutzt werden, tierversuchsfreie Testverfahrennternational zu etablieren; auch dies ist eine weiterehance für Innovationen.
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Dr. Antje Vogel-SperlFünftens. Der Zugang von Verbraucherinnen und Ver-brauchern zu risikorelevanten Daten muss gewährleis-tet sein. Die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse kanndabei selbstverständlich durch entsprechende Regelun-gen und technische Maßnahmen gewährleistet werden.Das sollte im Zeitalter der Informationstechnologien nunwahrlich kein Hindernis sein.Letzter Punkt. Es werden zwar gleiche Anforderun-gen an Hersteller und Importeure von Stoffen gestellt,aber nicht an den Import von Produkten. Es muss aberzeitgleich mit In-Kraft-Treten der Verordnung eine Lö-sung gefunden werden, um zu verhindern, dass schad-stoffbelastete Konsumgüter, zum Beispiel Textilien,durch die Hintertür ungehindert nach Europa kommenkönnen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden REACHzu einem effektiven und praktikablen Instrument ma-chen, das nicht nur ein Mehr an Umwelt- und Verbrau-cherschutz bringt, sondern auch der chemischen Indus-trie in Europa neue Chancen für zukunftsfähigeInnovationen eröffnet.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit demZiel, das europäische Umweltrecht zu vereinfachen undzu straffen, hat die Europäische Kommission einen Ver-ordnungsvorschlag zur Neuordnung des europäischenChemikalienrechts verabschiedet. Kernpunkt des Ent-wurfs ist ein neues, einheitliches Chemikalienkontroll-system mit dem Namen REACH. REACH steht für Re-gistrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkungchemischer Stoffe.Der Verordnungsvorschlag der EU zur Chemikalien-politik enthält aber einen solchen bürokratischen Wust,dass eines schon jetzt sicher ist: Ohne Änderungen wirdes mit diesem Bürokratieungetüm keine schlanke Um-weltgesetzgebung geben.
Das hat auch bereits die SPD-geführte Landesregie-rung von Nordrhein-Westfalen in einem REACH-Praxistest festgestellt. Insbesondere kleinere und mitt-lere Unternehmen werden – ob als Hersteller, Importeureoder so genannte nachgeschaltete Anwender – durch ein-zelne REACH-Anforderungen durch bürokratischenMehraufwand erheblich belastet. Die meisten dieser Un-ternehmen können vor allem eine fachliche Stoff- undRisikobeurteilung in der nach REACH geforderten De-tailtiefe und in dem entsprechenden Umfang derzeitnukvPuszawpekvrrVZuwvHNPDt–dtapK
Verehrte Kollegen von der SPD, Ihr Parteikollegearald Schartau, Minister für Wirtschaft und Arbeit inordrhein-Westfalen, hat am 13. Januar 2004 in einerresseerklärung zu REACH erklärt – wie auch schonr. Paziorek ausgeführt hat; es ist wirklich ganz wich-ig –:
Chemiestandorte brauchen auch Akzeptanz unddazu ist moderner Umwelt- und Verbraucherschutzunabdingbar. Deshalb arbeiten wir konstruktiv ander Verordnung mit. Aber genauso klar ist auch:Käme sie in ihrer jetzigen Form, würde die Konkur-renzfähigkeit unserer Chemieindustrie stark beein-trächtigt.
Das muss auch mit aller Deutlichkeit und auf allenEbenen klar gemacht werden. So Herr Schartau. Recht hat er! Ich gehe davon aus,ass Sie, Herr Minister Clement, dieselbe Ansicht ver-reten.
Insgesamt müssen daher die geltenden Regelungen sousgestaltet werden, dass die deutschen und andere euro-äische Firmen im globalen Wettbewerb gegenüberonkurrenten aus Asien und den USA nicht benachtei-
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Marie-Luise Döttligt werden. Lassen Sie mich darum ganz deutlich sagen:Ich unterstütze voll und ganz die Kommission der Euro-päischen Union, die das Durcheinander von 40 Richt-linien und Verordnungen, die derzeit EU-weit den Um-gang mit Chemikalien regeln, durch ein einheitlichesRegelwerk zusammenfasst, und ich unterstütze das Ziel,den Gesundheits- und Umweltschutz weiter zu verbes-sern, wobei gleichzeitig die Wettbewerbs- und die Inno-vationsfähigkeit der europäischen Unternehmen nichtgefährdet werden sollen.
Wenn aber das REACH-System das zentrale Elementdes neuen Chemikalienrechts werden soll, dann mussauch klar sein, dass REACH erhebliche Auswirkungennicht nur auf die chemische Industrie in Deutschland,sondern auch auf alle Industriezweige haben wird, diechemische Stoffe verarbeiten oder nutzen. Damit wirdREACH Einfluss auf die weitere Entwicklung der deut-schen Wirtschaft insgesamt haben.Ich sehe daher Nachbesserungsbedarf in folgendenBereichen:Erstens. Die aufwendige und bürokratische Registrie-rung von Stoffen führt zu produktbezogenen Kosten-steigerungen von teilweise mehr als 100 Prozent, diesich am Markt nicht durchsetzen lassen werden. Die Fol-gen sind absehbar: der Wegfall von Stoffen, die Verlage-rung ganzer Betriebsteile in Staaten außerhalb der EUsowie der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und damitvon Arbeitsplätzen.Zweitens. Das ausgedehnte Autorisierungsverfahren,das auf „weitere Besorgnis erregende Stoffe“ ohne klareKriterien erweitert wird, führt zu Rechtsunsicherheit undzu einer Überlastung des Systems.Drittens. Der vorliegende Verordnungsentwurf regeltauch Bereiche, die bereits durch EU- oder nationalesRecht ausreichend abgedeckt sind, zum Beispiel das Ar-beitsschutzrecht, das Abfallrecht und die Vorschriften zuGefahrstoffen und zum Immissionsschutz.
Vergessen wir eines nicht: Gerade für Deutschlandsteht viel auf dem Spiel; denn kein anderes Land in derEU macht höhere Umsätze im Bereich der Chemie. Umdie Relationen deutlich zu machen: 2002 lag der Umsatzdeutscher Chemieunternehmen immerhin bei 132 Mil-liarden Euro; das entspricht rund 7 Prozent des weltwei-ten Umsatzes. In der Chemieindustrie arbeiten hierzu-lande insgesamt mehr als 460 000 Menschen, in einerBranche, die von kleinen und mittleren Unternehmen ge-prägt ist. Das heißt konkret, dass über 40 Prozent derChemieunternehmen weniger als 50 Mitarbeiter beschäf-tigen.
Es sind vor allem diese Mittelständler, die die Brüsse-ler Pläne schnell die Existenz kosten können; denn siestellen meist Spezialchemikalien in geringen Mengenher, deren Produktion durch REACH unrentabel wird.Daher mein Appell an Sie: Erschlagen Sie unsere mittel-sVpgRtKdDDDsdlgIHsBtZtWsfdsdDesFIsamRdbVs
as heißt: Die Herstellung chemischer Produkte soll aufinem hohen Niveau an Schutz für die menschliche Ge-undheit und die Umwelt erfolgen, ohne das effizienteunktionieren des gemeinsamen Marktes zu gefährden.m Gegenteil, die Wettbewerbsfähigkeit der europäi-chen Chemieindustrie soll gestärkt werden und damituch ihre Innovationsfähigkeit. – Mit dem von der Kom-ission im letzten Oktober vorgelegten Entwurf einerEACH-Verordnung sollen diese Ziele erreicht werden.An dieser Stelle darf ich darauf hinweisen, dass esurch das gute Zusammenspiel von Politik, Arbeitge-ern und Arbeitnehmern, also von Bundesregierung,CI und IG BCE, gelungen ist, Einfluss auf die Ausge-taltung der Chemikalienverordnung zu nehmen. Gerade
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Doris Barnettweil die chemische Industrie eine so herausragende Stel-lung in Deutschland hat, müssen wir darauf achten, dasssie diese im globalen Wettbewerb behält und ausbaut.Prävention und Substitution dürfen nicht nur bei derMedizin Anwendung finden; auch in der Chemie gewin-nen sie an Bedeutung. Sichere, möglichst unschädlicheProdukte, zum Teil ersetzt durch neue Stoffe, werdensich gegenüber denjenigen, von denen man eben nichtweiß, ob sie gefährlich sind und worin ihre Gefahr be-steht, durchsetzen. Darin wird dann auch ihr Wettbe-werbsvorteil liegen. Die deutschen Chemieunternehmenhaben in dieser Richtung schon viel im Wege der freiwil-ligen Verpflichtung getan. Dabei vergessen wir nicht,dass die Mehrzahl dieser Firmen kleine und mittlere Be-triebe mit weniger als 250 Mitarbeitern sind. Deshalbdarf REACH nicht dazu führen – da haben Sie vollkom-men Recht –, dass besonders für diese Unternehmen dieKosten und Aufwendungen so hoch sind, dass sich derBetrieb nicht mehr lohnt. Darauf wird bei den kommen-den Beratungen im Europäischen Parlament zu achtensein.Lassen Sie mich ein Beispiel aus meiner HeimatstadtLudwigshafen nennen – nicht BASF –: Das Chemie-unternehmen Raschig produziert circa 200 Chemikalienund erzielt damit ungefähr 65 Millionen Euro Umsatz.Diese Summe machte im letzten Jahr zwei Drittel desGesamtumsatzes aus. Der Rest des Umsatzes wird mitKunststoffen und in anderen Bereichen erzielt. Der ge-samte Jahresüberschuss nach Steuern betrug letztes Jahr0,5 Millionen Euro. Im Unternehmen arbeiten deutsch-landweit etwa 500 Menschen.Raschig hat auf der Basis des aktuellen REACH-Vor-schlages berechnet, dass von den 200 Chemikalien circa140 von REACH betroffen wären. Die umfänglichenPrüf- und Registrierungsverfahren für diese Stoffe wür-den Kosten von bis zu 18,5 Millionen Euro, so sagt dieFirma, verursachen. Selbst wenn man diese Kosten aufeine Zeitachse von zehn Jahren verteilte und man in Be-zug auf die Höhe der Kosten Abstriche machte, sie nurzur Hälfte akzeptierte, wäre die jährliche Belastung hö-her als der gesamte Jahresüberschuss. Ein Unternehmenwie Raschig würde das schwerlich stemmen können.Hier setzen wir an, wenn wir unser besonderes Au-genmerk auf die Kostenseite der Umsetzung der Verord-nung richten; denn wir wollen unter keinen Umständendie Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen im glo-balen Markt aufs Spiel setzen. So könnte ein wichtigerHebel für ein praktikables Registrierungsverfahren dieVerständigung auf Expositions- und Verwendungskate-gorien sein, wie es von Rheinland-Pfalz, aber auch vonNRW vorgeschlagen wird. Dieser Ansatz deckt sich mitder gemeinsamen Position von Bundesregierung, VCIund IG BCE. Wir unterstützen sie.Wir unterstützen mit unserem Antrag ebenfalls dieBundesregierung in ihrer Forderung, aufgrund der imNRW-Planspiel zur Registrierung gewonnenen Erfah-rungen eine eingehende Folgenabschätzung auch auf eu-ropäischer Ebene durchzuführen. Die Vorbereitungendazu sind nach Gesprächen der Europäischen Kommis-sion und der Industrie, die zu einem Memorandum ofUArUddAKdsdddhDRddwhmahlhSvfCdseCRC
ndererseits müssen die durch REACH verursachtenosten der Frage nach dem Nutzen, dem realen, notwen-igen Mehr an Sicherheit standhalten.Wir fordern natürlich auch, dass importierte chemi-che Produkte den gleichen strengen Sicherheitsanfor-erungen unterliegen wie die in Europa hergestellten;enn zum Beispiel für die Arbeitnehmer des erwachen-en Wirtschaftsriesen China wären schärfere Sicher-eitsbestimmungen zum Beispiel dringend geboten.eshalb fordern wir auch die Implementierung desEACH-Systems in das der WTO-Abkommen. Nurann hätten wir einen weltweiten fairen Wettbewerb. Bisahin liegt aber noch eine lange Wegstrecke vor uns,eshalb wir auf europäischer Ebene mit Bedacht vorge-en müssen. Schauen Sie einmal, was wir mit den Poly-eren vorhaben.Wir stehen zum Wettbewerb, aber wir können es unsuch aus Kostengründen nicht mehr leisten, die Gesund-eit der Menschen und eine intakte Umwelt zu vernach-ässigen. Beides muss uns gleich viel wert sein – Ihnenoffentlich auch. Deshalb laden wir Sie ein: Stimmenie unserem Antrag zu!Die Chemie ist ein starkes Stück Deutschland.
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit.
Das soll auch so bleiben, deshalb setzen wir auf Inno-
ationen, Mut zur Erneuerung, aber auch auf Offenheit
ür Veränderungen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Franz Obermeier, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Dies istie zweite Debatte heute, bei der wir uns über die Ziel-etzung einig sind. Allerdings sind wir hinsichtlich derinzusetzenden Instrumente uneinig. Dazu, ob sich dashemikalienkontrollsystem mit dem schönen NamenEACH auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischenhemiewirtschaft im Vergleich zu der beispielsweise in
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Franz ObermeierSüdostasien vorteilhaft oder negativ auswirken wird,gibt es unterschiedliche Auffassungen. Es darf aber un-ter gar keinen Umständen dazu kommen, dass mit dieserVerordnung ein neuer Bürokratiesaurier geschaffen wird.Davon haben wir bereits genug.
Angesichts dessen, dass schon die nordrhein-westfäli-sche Landesregierung zu der Erkenntnis gekommen ist,dass hier Vorsicht geboten ist, ist es für die Bundesregie-rung meines Erachtens allerhöchste Zeit, in Brüssel mas-siv vorstellig zu werden, damit wir die Entwicklungnoch rechtzeitig beeinflussen können.In meinem Wahlkreis gibt es eine ganze Reihe vonchemischen Betrieben, insbesondere mittelständische.Mit Vertretern dieser Unternehmen habe ich in den ver-gangenen Monaten gesprochen, weil mir natürlich ihreinternationale Wettbewerbsfähigkeit sehr wichtig ist.Der Anteil der Produkte, die in außereuropäische Länderexportiert werden, liegt bei diesen Unternehmen, auchbei den kleineren, bei einer Größenordnung von 70 bis90 Prozent.Angesichts der Horrormeldungen, die wir täglich da-rüber hören, welche Firmen wieder Arbeitsplätze insAusland verlagern wollen – gestern haben wir eine sol-che Nachricht von Siemens bekommen –,
müssen wir uns intensiv mit der Frage beschäftigen, wiewir Arbeitsplätze in Deutschland halten. Die chemischeIndustrie bietet lukrative Arbeitsplätze, die für unserLand wichtig sind. Es ist eine zentrale Aufgabe der Poli-tik, darauf zu achten. Die chemische Wirtschaft inDeutschland besteht aber nicht nur aus den Großbetrie-ben und den großen Konzernen, es gibt auch eineVielzahl kleiner und mittlerer Betriebe, die sich mit Er-findergeist, Risikobereitschaft, Mut und Ausdauer ihreMarktnischen erobert haben. Auf diese müssen wir be-sonders achten. Dabei dürfen wir natürlich nicht die As-pekte Umweltschutz und Gesundheitsfürsorge aus demAuge verlieren.Durch ein neues europäisches Kontrollsystem entste-hen für die Betriebe unweigerlich neue Kosten. Die Nei-gung und die Fähigkeit zu Innovationen in dieser Bran-che werden abnehmen. Das bedeutet in Deutschland undin Europa einen Verlust von Arbeitsplätzen. Das gilt abernicht nur unmittelbar für die chemische Industrie, dasgilt für die gesamte deutsche Wirtschaft, insbesonderefür das Handwerk. Die Entwicklungskosten werden ver-mutlich zu höheren Preisen führen.Ich unterstütze ausdrücklich die Ziele bei der Neuaus-richtung eines europäischen Chemikalienrechts. Wirwollen den hohen Sicherheitsstandard in den BereichenGesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz halten. Beieiner Neugestaltung müssen wir aber auch Augenmaßbeweisen. Kosten und Nutzen müssen in einem ange-messenen Verhältnis stehen.bfEeWsrrsdUg2eteghudCswdwwddSTlakdmdmWadVuPint
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Wir haben allen Grund, mit der Chemiebranche pfleg-lich umzugehen. Die Chemiebranche ist in höheremMaße als fast alle anderen Branchen auf dauerndes Ver-trauen der Verbraucherinnen und Verbraucher angewie-sen.
Das weiß man aus den vergangenen 20 bis 30 JahrenUmwelt- und Verbraucherpolitik.Dieses auf Dauer zu erhalten ist die eigentliche Ab-sicht, die hinter REACH steht. Es besteht doch keinZweifel an dem grundlegenden Reformbedarf bezüglichder Regelung bei Chemikalien. In den Worten des Sach-verständigenrats für Umweltfragen duldet die bisherigeChemikalienpolitik – ich zitiere –nicht zu verantwortende Wissenslücken hinsichtlichder Eigenschaften und Verwendungen Zehntausen-der auf dem Markt befindlicher Altstoffe. Das gel-tende Kontrollsystem ist schwerfällig und zeitauf-wendig.Die Jahreszahl 2003 ist dabei genannt worden.Die Überwindung dieses nicht zu verantwortendenZustands ist aber auch nicht ohne Aufwand zu erreichen.Das sieht jeder, der sich den REACH-Verordnungsent-wurf vom Oktober 2003 anschaut. Alle bisherigen Red-nerinnen und Redner haben die Notwendigkeit einerKostenbegrenzung und der Folgenabschätzung betont.Ich möchte erwähnen, dass der Entwurf vom Oktober imGegensatz zu früheren Entwürfen – einschließlich desWeißbuchs – einigen dieser Bedenken bereits Rechnungträgt. Ich will aber nicht bestreiten, dass es noch Nach-besserungsbedarf gibt. Das ist in unserem Antrag zumAusdruck gebracht worden. Wir treten hier in einen Pro-zess von zehn Jahren ein; das geht ja nicht von heute aufmorgen.Noch immer stellen sich die Kosten für einzelne mit-telständische Hersteller – Frau Dött hat darauf hingewie-sen – insbesondere von Fein- und Spezialchemikalienbesorgniserregend hoch dar. Auf der anderen Seite sindgerade für die Fein- und Spezialchemikalien ausDeutschland die Weltmarktchancen ausgezeichnet. Ge-rade in China, aber auch in anderen dicht besiedeltenasiatischen Ländern beobachten wir in den letzten zehnJahren eine laufende, teilweise rasante Verschärfung derGesundheits- und Umweltauflagen. Die Behörden wol-len immer genauer wissen, was sich hinter den impor-tierten Chemikalien verbirgt und wo es möglicherweiseRisiken gibt. Das gilt ganz besonders für Altstoffe.Frau Vogel-Sperl hat schon mit Recht darauf hinge-wiesen, dass es für unsere Innovationskraft sehr daraufankommt, die Ungleichbehandlung von Altstoffen undNeustoffen zugunsten der Neustoffe zu beenden, damitwieder Innovationskraft in unser Land kommt. Das istfür die Weltmärkte besonders wichtig.WMszazwSkuHHpdoaSDdhdüSawIfwbdaDSs
ir Deutschen sollten bald dazu übergehen, REACH alsarketinginstrument für die Länder, in denen die Be-orgnis über Bedrohungen aus der Chemie in den letztenehn Jahren rasant angestiegen ist, zu verwenden.Wir stehen zu unserer Chemiebranche. Wir stehenber auch zu unserer Chemiepolitik. Sie hat die Zielset-ung, auch künftigen Generationen, jungen Menschenie erfahrenen Ingenieuren, die Freude am Umgang mittoffen und an der Chemie zu erhalten. In diesem Sinneönnen wir unseren Antrag zur REACH-Verordnung nurnterstützen.Vielen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
elge Braun, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Das, was Sie hier gerade als Ihre Chemikalien-olitik skizziert haben, bedeutet einen grundsätzlich an-eren Weg als das, was der Kanzler in seinen Innovati-nsoffensiven beschreibt. Es bedeutet auch einen völlignderen Weg als das, was der neue Parteivorsitzende derPD, Müntefering, meint, wenn er davon redet, dasseutschland im Bereich Innovation wieder Spitze wer-en soll.
Bei zahlreichen Argumenten, die Sie hier angeführtaben, wird deutlich, dass Sie sich der wirklichen Lage,ie eine solche Verordnung bewirken würde, offenbarberhaupt nicht bewusst sind.
ie haben erklärt: Über viele Altstoffe, die seit 20 Jahrenuf dem Markt sind, wissen wir überhaupt nichts. Des-egen sind unter anderem Tierversuche notwendig, umnformationen über diese Stoffe zu bekommen. – Ichrage Sie: Haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon,ie viele Tierversuche durchgeführt werden müssen, umessere Informationen zu bekommen, als das bisherurch jahrzehntelanges, tonnenweises industrielles Ver-rbeiten dieser Stoffe der Fall war?
as sind Größenordnungen, die mit dem Tierschutz, denie bisher gemacht haben, in keiner Weise vereinbarind.
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Helge BraunZu der Frage, was an dieser Richtlinie unter dem As-pekt Innovationen bemerkenswert ist, will ich einigeAnmerkungen machen. Die chemische Industrie machtim Jahr mit Produkten, die sie neu auf den Markt bringt,19 Milliarden Euro Umsatz. 18 Prozent der Gesamtaus-gaben der Wirtschaft in Deutschland für Forschung undEntwicklung stammen aus dem Bereich der chemischenIndustrie. Die chemische Industrie weist darüber hinausmit einem Anteil von 6 Prozent ihrer Ausgaben für For-schung und Entwicklung den höchsten Anteil von allenWirtschaftsbereichen auf.
Wie ist die Situation? Wir haben heute über das EEG,die Einbeziehung der Netzwerke von Firmenstandortenin dieses Gesetz und die finanziellen Belastungen für diechemische Industrie gesprochen.
Diese Woche hat die OPEC beschlossen, dass die Öl-preise hoch bleiben. Das bedeutet konstant hohe Roh-stoffpreise für die chemische Industrie.
Hinzu kommen die allgemeinen Strukturprobleme aufdem Arbeitsmarkt, die Ausbildungsplatzabgabe und jetztnoch die REACH-Verordnung. Wir wollen doch nichtwirklich das Signal aussenden, dass in einer Phase wirt-schaftlicher Stagnation, in der alle von Innovationen re-den, unsere Forscher in den Labors 30 000 Altstoffe be-werten sollen, statt dass sie sich jeden Tag um dieErforschung neuer Produkte bemühen.
Überlegen Sie sich außerdem, dass bei den Neustof-fen eine 1 200 Seiten umfassende Richtlinie zu beachtenist.
Die ist von mittelständischen Unternehmen praktischnicht umsetzbar. Wir müssen aber darauf achten, dasswir neue Chemikalien in Deutschland früher auf denMarkt bringen, als das in anderen Wissenschaftsregionender Fall ist. Wir werden jedenfalls mit der REACH-Ver-ordnung nicht zum Wissenschaftsstandort Nummer einsin der Welt werden.
Ich will mich jetzt nicht darauf kaprizieren, ob dieKosten, die für die Altstoffbewertung aufgewendetwerden müssen, 2 Milliarden Euro, die Sie zugestehen,oder 5 Milliarden Euro, 7 Milliarden Euro oder nochmehr betragen. Aber ich will die Dimension des Pro-blems einmal aufzeigen. Der Kanzler hat in dieserWoche im Rahmen der Partnerschaft für Innovationenverkündet, dass die Bundesregierung zusätzlich 540 Mil-ldmmDdwsd„mnfNaungtsbSwESCmwdgD–sssDeCtuleg
Ich hoffe, die Abgeordneten haben den Ruf ihres Ge-chäftsführers gehört.
Tagesordnungspunkt 18 c. Wir kommen zur Be-chlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/2775.er Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-mpfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion derDU/CSU auf Drucksache 15/1356 mit dem Titel „Stra-egie für eine nachhaltige Chemiepolitik in Deutschlandnd Europa“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-mpfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Ge-enstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerUnter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktionder FDP auf Drucksache 15/1332 mit dem Titel „Leis-tungsfähigkeit der deutschen Chemiewirtschaft im euro-päischen Rahmen sichern“. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koa-lition gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion undder FDP angenommen.Ich rufe die Zusatzpunkte 3 a und 3 b auf:a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur optionalenTrägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten
– Drucksache 15/2816 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOb) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENVerabschiedung eines Optionsgesetzes– Drucksache 15/2817 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-minister Wolfgang Clement.uHtkdsfhfwkhdsIVvnwaMnzssezdkifgmsrshdeauuuDubdavt
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Die Bundesagentur für Arbeit hat die Gespräche zumAufbau der Arbeitsgemeinschaften mit den Kommu-nen längst aufgenommen. Die Gespräche laufen undwerden voraussichtlich im Mai in entsprechende Ver-tragsabschlüsse münden. Schon jetzt finden Gesprächeüber die Ausstattung der einzelnen Pilot-Jobcenter statt.Ich gehe davon aus, dass wir mit den Kommunen zu ei-ner Verständigung kommen.Und um das aufzunehmen, was in den Debatten eineRolle spielt – ich verfolge das alles aufmerksam; gesternwar wieder einmal drastisch vom drohenden Chaos dieRede –: Wir sind mithilfe von Experten – um es klar zusagen: von der Telekom bzw. von T-Mobile –
dabei, die erforderlichen IT-Programme zu entwickeln,um denjenigen, die in Zukunft vor Ort die Verantwor-tung für die Arbeitssuchenden übernehmen, die notwen-dige Sicherheit im Umgang mit dem Problem zu bieten.Sie können davon ausgehen, dass wir uns mit aller Akri-bie und Sorgfalt darum bemühen.Ich bin davon überzeugt, dass dieses Vorhaben gelin-gen wird, auch wenn niemand – auch ich nicht – aus-schließen kann, dass auf diesem Weg Fehler begangenwerden. Es wird sicherlich zu Fehlern kommen. Mir istauch bewusst, dass es zu eruptiven Ausbrüchen über sol-che Fehler kommen wird. Das ist nun einmal Bestandteilder politischen Auseinandersetzung. Das wird uns abernicht von der Notwendigkeit abhalten, die Arbeitsver-mittlung in Deutschland endlich wieder vom Kopf aufdie Füße zu stellen. Wir müssen sie aus der Bürokratieherausholen und als eine in den Kommunen und mit denKommunen handhabbare Aufgabe gestalten.
Parallel dazu sprechen die Fachleute unseres Ministe-riums – des Bundesministeriums für Wirtschaft und Ar-beit – und des Finanzministeriums mit den Ländern undden Kommunen über die kommunale Finanzausstattung.Wie Sie alle wissen, gibt es ziemliche Differenzen beiden Erwartungen und den Prognosen über die finanzielleAusstattung.
– Sie rufen zu Recht immer dazwischen. Das ist auch gutso und belebt meinen Kreislauf.
Wir wollen zum einen versuchen, Bund, Länder undKommunen auf eine gemeinsame Berechnungsbasis zustellen. Damit sich niemand falsche Vorstellungenmacht: Davon sind wir gar nicht mehr so weit entfernt.Wir versuchen zum anderen, dort, wo wir uns heute nurauf Erwartungen und Prognosen stützen können, Lösun-gwtamEudzweKdVfAaivAmwddcWgzgswBaesmddkddgWKK
ir setzen im Gegensatz zu dem Bild, das Sie gesternezeichnet haben, tatsächlich auf die Organleihe, undwar deshalb, weil bei der Organleihe auch der Empfän-er mitwirken muss, was, wie Sie wissen, bei der Organ-pende selten der Fall ist; denn dort ist der Empfängerährend der Transplantation betäubt.
ei der Organleihe ist das anders. Hier wollen wir diektive Mitwirkung der Kommunen.Wir haben den Gesetzentwurf deshalb so gefasst, dassr den Kommunen sehr wohl einen eigenen Gestaltungs-pielraum im Rahmen einer Zielvereinbarung gibt, dieit der Bundesagentur für Arbeit vor Ort getroffen wer-en soll. Auf diesen Gestaltungsspielraum kommt es an;enn er rechtfertigt sehr wohl, von einer Trägerschaft derommunalen Seite zu sprechen. Sie, die Union, und auchie Ministerpräsidenten der CDU/CSU-geführten Län-er sind damit nicht einverstanden, was Sie sicherlichleich noch darlegen werden. Sie halten stattdessen deneg über eine Verfassungsänderung für besser, um denommunen entsprechende Eigenständigkeit zu geben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Niebel?
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Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Frau Präsidentin, ich bitte darum, meine Rede fortzu-setzen; denn ich bin gerade so schön drin.
Herr Kollege Niebel, der Minister möchte seine Redefortsetzen.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Herr Kollege Niebel, vielleicht können wir das gleichaufnehmen. Aber jetzt möchte ich nicht unterbrochenwerden; denn genau um diesen Punkt geht es mir.In den Vorgesprächen zum Gesetzgebungsverfahren– insofern: das Verfahren, das wir vorgeschlagen haben,ist sehr fair – hat die so genannte B-Seite, also Sie, eineÄnderung des Art. 120 unserer Verfassung favorisiert.
– Sie haben das natürlich nicht getan, aber die Vertreterder CDU/CSU, insbesondere Ministerpräsident Koch. –Dieser Änderung liegt letztendlich die Vorstellung zu-grunde, dass die Länder anstelle des Bundes die Aufga-ben übernehmen, nur in einem Bereich nicht, nämlich imBereich der Finanzen. Der Bund soll also die Musik be-zahlen, die die Länder – im Verhältnis zu den Kommu-nen – spielen. Niemand kann ernsthaft erwarten, dassdies vonseiten des Bundes praktiziert wird.
Herr Ministerpräsident Koch – ich hoffe, dass Sie mirdiesen kleinen Spaß nachsehen werden –, wenn Sie ir-gendwann einmal in die Verlegenheit kommen sollten,über einen solchen Vorschlag auf Bundesebene zu ent-scheiden, nämlich die Musik zu bezahlen, die die Länderbestimmen, dann glaube ich, dass Sie nie auf die Ideekommen würden, sich selber so etwas zuzumuten. Abge-sehen davon ist, glaube ich, auch das Vertrauen des Lan-des Hessen in die Kommunen nicht so ausgeprägt – inWahrheit ist es nicht wesentlich ausgeprägter als das inden Bund –, dass die Mittel tatsächlich an die kommuna-len Stellen weitergeleitet werden. Der vorgeschlageneWeg ist jedenfalls aus unserer Sicht nicht gangbar.
Wir haben ja schon über mehrere Verfassungsände-rungen diskutiert, so auch über eine Änderung desArt. 106 des Grundgesetzes. Auch dies ist aus unsererSicht nicht gangbar, vor allem deshalb, weil Ministerprä-sidenten nicht akzeptieren wollen – das kann ich durch-aus verstehen; denn ich war selber einmal einer –, dassdurch eine rasche Verfassungsänderung ein neues Fi-nanzverhältnis zwischen Bund und Kommunen etabliertwird, ohne dass die Länder daran beteiligt wären. Ausdiesem Grunde sind diese beiden Wege einer Verfas-sungsänderung nicht sinnvoll; wir lehnen das ab. Im Ge-setzentwurf ist deshalb der Weg über die Organleihe vor-gesehen.VsKsrsnKbnwfiDmsDbzdDusaHVrwnnftensklpmsnr–tAF
ies wird auf keinen Fall geschehen. Wir sind den Ar-eitsuchenden in Deutschland schuldig, dass dieser Pro-ess nicht mehr aufgehalten wird. Wir allesamt habenie Reform des Arbeitsmarktes lange genug versäumt.ie hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland weisennübersehbar darauf hin: Die von uns eingesetzten In-trumente waren nicht hinreichend. Deshalb müssen wirndere verwenden und diesen Weg gehen. Das ist daserzstück der Reformen und deshalb müssen wir unserorhaben auf jeden Fall realisieren, und zwar fristge-echt, wie es das Gesetz vorsieht. Dazu bedarf es keinereiteren Aktivitäten.Diesen Streit, den wir heute – und wahrscheinlichoch ein bisschen länger – führen, ist ein Streit um Orga-isation. Wir Deutsche lieben diese Art des Streites of-ensichtlich; besser aber wäre es, wenn wir darüber strit-n, wie wir die Inhalte verbessern,
ämlich: Wie schaffen wir die Integration der Arbeit-uchenden in den Arbeitsmarkt? Wie schaffen wir mehrommunale Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutsch-and, damit wir allen Arbeitsuchenden einen Arbeits-latz in Deutschland anbieten können? Wie schaffen wirehr Möglichkeiten zur Betreuung der Kinder – verges-en Sie das nicht! –, damit die Familienangehörigen undicht zuletzt die Mütter in den Arbeitsmarkt zurückkeh-en können?
Herr Kollege Niebel, das ist keine Frage der Organisa-ion, sondern eine Frage der Aktivitäten, nicht zuletzt derktivitäten der Kommunen.Die Kommunen – sie werden heutzutage vielfach inseld geführt – können mehr kommunale Beschäftigungs-
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Bundesminister Wolfgang Clementmöglichkeiten schaffen, indem sie, unter anderem durchUnterstützung vom Bund, mehr Angebote zur Betreuungvon Kindern zur Verfügung stellen. Sie können maß-geblich dazu beitragen, dass die Arbeitslosigkeit inDeutschland sinkt. Es gibt in Deutschland Beispiele da-für, dass das hervorragend funktioniert.Experten sagen, dass wir allein mit diesen beiden In-strumenten – mehr kommunale Beschäftigungsmöglich-keiten und mehr Möglichkeiten zur Betreuung von Kin-dern – die Arbeitslosigkeit in Deutschland um 20 oder30 Prozent senken können. Das werden wir tun. Im Mo-ment streiten wir über die Organisation dieses Prozesses.Wir werden diese Reform so realisieren, wie es das Ge-setz vorsieht. Wenn Sie so wollen, Kolleginnen und Kol-legen der CDU/CSU: Die Karawane zieht weiter!
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Bereich Orga-nisation machen. Sie haben gestern eine intensive Dis-kussion über die Ausbildungsplatzumlage geführt. DieseDiskussion ist außerordentlich wichtig. Allerdings giltauch da: Wir sollten uns auf die Dauer nicht in einer Dis-kussion über das richtige Instrument verbeißen. Viel-mehr sollte jeder von uns das tun, was er tun kann, umfür die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen zu sor-gen.
Beispielsweise sollte sich jeder von Ihnen, Herr KollegeSinghammer, in einem der knapp 300 Wahlkreise derBundesrepublik darum bemühen, dass etwa 100 zusätzli-che Ausbildungsplätze geschaffen werden. Viele von unstun das schon. Wenn Sie das alle tun, ist die Ausbil-dungsplatzumlage überhaupt kein Problem mehr; siewäre dann nicht nötig.Es geht darum, auch in der Praxis mehr Engagementzu mobilisieren, als das bisher gelungen ist.
Das erreichen wir mit den Instrumenten, die wir jetzteinsetzen. Dabei wissen wir: Die Instrumente sind daseine, die Arbeit vor Ort ist das andere. Sie alle sind herz-lich dazu eingeladen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Hes-
sen, Roland Koch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Bundesminister Clement, wenn man Ihreflammenden Appelle hier hört, hat man ein bisschen denElDmhZgWlalswdsJFwghgSEGsiuHsddiIwnWmrWc
ie CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag undein Bundesland haben bereits vor drei Jahren – ichatte schon damals Gelegenheit, hier zu sprechen – dieusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfeefordert.
ären Sie seinerzeit darauf eingegangen, hätten wir al-es, was wir wollen, längst realisiert. Hören Sie also auf,n der Stelle mit Zeitdruck zu argumentieren!
Wir reden heute über zwei Dinge gleichzeitig, näm-ich einmal über die sachliche Regelung, die in dem Ge-etzentwurf der Koalitionsfraktionen vorgeschlagenird – die ich für falsch halte –, und zum anderen überen Vorgang der Erfüllung der im Vermittlungsaus-chuss getroffenen Vereinbarung vom Dezember letztenahres. Ich sage Ihnen, Herr Minister, ganz klar: Was dieraktionen vorgelegt haben, ist gemessen an dem, wasir im Vermittlungsausschuss verabredet haben, einlatter Wortbruch; das ist nicht das, was wir verabredetaben.
Sie wissen, dass es ein Gesetz zu Hartz IV heute nichtäbe, wenn wir damals den Eindruck gehabt hätten, dassie ein solches Verhandlungsergebnis nicht umsetzen.
s ist das erste Mal, jedenfalls in der jüngeren deutscheneschichte, dass eine Verabredung im Vermittlungsaus-chuss – wir waren uns einig: das können wir erst spätern einem weiteren Gesetz regeln – anschließend nicht somgesetzt wird, wie es verabredet worden ist.Hinzu kommt, dass die Verabredung sehr präzise war.err Stiegler, der jetzt nicht da ist, könnte das sicher be-tätigen, aber Sie, Herr Minister, waren ja zeitweise auchabei; zum Teil haben wir sogar in Ihrem Haus verhan-elt. Wir haben eine ganze Nacht darüber gerungen, obn § 6 a SGB II das Wort „Träger“ vorkommen sollte.hre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wohlwissend,as Sie wollten, und einige Kollegen von SPD und Grü-en, haben das Wort immer wieder herausgestrichen.
ir haben Ihnen immer wieder gesagt: Es gibt keine ge-einsame Beschlussfassung in Bundestag und Bundes-at, wenn da nicht das Wort „Träger“ steht.
enn Sie jetzt sagen, „Organleihe“ sei so etwas Ähnli-hes wie eine Trägerschaft, dann ist das jedenfalls unter
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Ministerpräsident Roland Koch
Juristen eine Unverschämtheit, Herr Minister; denn Siewissen, dass das nicht stimmt.
Sie haben im Gesetzentwurf an einigen Stellen ver-sucht – das will ich einräumen –, es kosmetisch so zu ge-stalten, dass es um eine beauftragte Institution und nichtum einen Organleiher oder Ähnliches geht. Nur, die Ab-teilung „Werbung und PR“ auf der einen Seite und dieAbteilung „Recht“ auf der anderen Seite haben sich imletzten Teil der Begründung des Gesetzentwurfs – beidem Stress, Herr Minister – auseinander entwickelt. Dasist auf den Seiten 1, 10 und 20 des Entwurfs schön ge-glättet, aber auf der Seite 31 ist Ihnen eine Sache durch-gegangen. Da steht nämlich in herzerfrischender Ehr-lichkeit der Satz – da geht es nicht mehr um denSozialbereich, sondern um den Bundesrechnungshof –:Die Sätze 2 und 3 dienen der Klarstellung und Si-cherung des Prüfungsrechts des Bundesrechnungs-hofes.Das klingt noch ganz harmlos.Gleiches gilt für die kommunalen Stellen,– das sind die Gemeinden, über die wir reden –da diese infolge der Organleihe in die Organisationder Bundesagentur eingegliedert sind.Das beschreibt genau, was Sie machen. Das ist genaudas, was wir nicht wollen.
Insofern brauchen wir auch nicht darüber zu reden, obder Wortbruch virtuell ist oder nicht; Sie haben ihn dan-kenswerterweise in die Begründung geschrieben.Sie können nicht erwarten, dass wir das hinnehmen.Sie werden hinnehmen müssen, dass wir daraus, wenndas so bleibt, auch an anderer Stelle Konsequenzen zie-hen: Man kann Ihnen im Vermittlungsausschuss nichtmehr trauen, wenn in einer wichtigen Sache ein solchesErgebnis zustande kommt.
Es bleibt die Frage: Worum geht es inhaltlich? – Essollte nicht so sein, dass Sozialamtsmitarbeiter unterdem Kommando des Landrats arbeiten, der unter derWeisungsbefugnis des örtlichen Arbeitsamtdirektorsoder – wie er jetzt heißt – Regionaldirektors steht. Tatsa-che ist, dass wir gesagt haben: Wenn wir die Kommunenschon nicht prinzipiell mit der Verantwortung und derOrganisation in der Frage, wie man mit den Langzeitar-beitslosen umgeht, betrauen – das hätten wir von derUnion übrigens für besser gehalten –, dann sollte es we-nigstens, so der Kompromiss, unterhalb des SGB II eineselbstständige Bundesagentur für Arbeit auf der einenSeite und selbstständige Kommunen auf der anderenSeite geben. Beide sollten ihren Job machen, jeweils un-ter Zielvereinbarungen mit dem Minister. Jedenfallssollte es nicht so sein, dass die Kommunen der Bundes-agentur unterstellt werden und das Ganze anschließendzmpkLOkwls–nkdAdSpshdtIMmIekwtcdSIEsSwmocndlVet
ängst sind doch auch die Abgeordneten der SPD für dieption, nicht nur im Bundesland Hessen, wo der Land-reistag inzwischen einstimmig für die Option votiert,eil man dort sieht, was an kommunalen Strukturen al-es kaputtgeht, wenn man keine Chance hat, das zu ge-talten.
Ich sage Ihnen, Herr Brandner: Ihnen werden in denächsten Wochen die Tränen kommen, wenn die ganzenaritativen Institutionen und Selbsthilfeorganisationen,ie Einrichtungen aufgebaut haben, durch europaweiteusschreibungen plattgemacht worden sind; dann wer-en Sie sich wundern, dass Sie keine kommunalentrukturen mehr haben. Das wird Ihnen dann nämlichassieren.
Dabei ist völlig klar: Dies muss nicht sein. Man kannogar mit dem gefundenen Kompromiss leben. Wir ste-en zu diesem Kompromiss. Wir sind der Meinung, dassie Bundesagentur auch dann, wenn die Kommunen op-ieren, noch ziemlich überfordert sein wird; aber das isthre Entscheidung. Wir sind auch sehr skeptisch, Herrinister – das will ich zu Protokoll geben –, dass Sie dasit den Instrumenten der Bundesagentur hinbekommen.m Prinzip bedeutet die Bereitschaft der Kommunen zuiner Zusammenarbeit eher die Übernahme eines Risi-os. In den Sitzungen in den letzten Tagen ist gesagtorden, dass Sie Zehntausende neue Leute für die Be-reuung von Empfängern des Arbeitslosengeldes II brau-hen; von bis zu 46 000 Leuten war die Rede. Sie wollenie IT auf einem System fahren, das 35 Jahre alt ist, weilie ein neues nicht zustande bekommen. Ich wünschehnen an einigen Stellen viel Spaß mit der großspurigenrklärung, am 1. Januar 2005 werde alles wie geplanttarten, die Sie hier eben abgegeben haben; wir werdenie daran messen.
Wir haben Ihnen in den Gesprächen angeboten, dassir, wenn wir es in vier Wochen nicht zustande bekom-en, darüber reden können, es zum 1. Januar 2006 ge-rdnet zu starten. Ich will das nur gesagt haben. Wir ma-hen das nicht zur Bedingung; aber sagen Sie bitteachher, wenn wir uns über diese Frage an entsprechen-er Stelle unterhalten, nicht, es hätte keine andere Mög-ichkeit gegeben. Wir erwarten in dem vor uns liegendenerfahren, dass Sie zu der Möglichkeit zurückkehren,ine faire, wettbewerbsorientierte Struktur für die Be-reuung von Langzeitarbeitslosen zwischen den Kom-
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Ministerpräsident Roland Koch
munen einerseits und der Bundesagentur für Arbeit an-dererseits, wie wir es verabredet haben, zu schaffen.Ihre Überzeugung ist – und das ist wahrscheinlichauch richtig –, dass es klüger sei, dafür eine Grundge-setzänderung vorzunehmen, als das in einfachgesetzli-chen Regelungen festzulegen. Darüber wollen wir andieser Stelle nicht streiten. Ich weise nur vorsichtig da-rauf hin: CDU/CSU bzw. die so genannten B-Ländermüssen Sie davon nicht überzeugen. Wir legen Ihnenseit drei Jahren Vorschläge zur Zusammenführung vonArbeitslosen- und Sozialhilfe vor. Jeder dieser Vor-schläge hat eine Grundgesetzänderung beinhaltet, weilwir jeweils ein spezielles Aufgabenverhältnis für dieKommunen begründen. Daran ist nichts neu.
Herr Minister, wir haben Ihnen zunächst angeboten,das gemeinsam mit dem Landkreistag über Art. 106 desGrundgesetzes zu regeln. Wenn Ihnen das nicht gefällt,weil Sie den direkten Durchgriff zu den Kommunenauch in diesem speziellen Fall nicht wollen, ist das auchanders zu lösen. Ich sage das sehr pragmatisch: Als esum die Umverteilung der Gelder für den Nahverkehrging, gab es einige Leute, die mit diesem Vorschlagschneller dabei waren. Dabei geht es diesmal um Men-schen und nicht um Züge! Ich finde, man könnte dasauch anders regeln. Aber wenn Sie sagen, es passt Ihnennicht, und Sie bekommen innerhalb der SPD dafür keineMehrheit – auch das gehört doch zur Wahrheit –, könnenwir das auch anders regeln. Wenn ich das sagen darf: Ichals Verhandlungsführer der B-Seite habe mit Ihnen alsVerhandlungsführer der Bundesregierung vor vier Wo-chen verabredet, dass wir das Grundgesetz ändern. Wenndie Gespräche irgendeinen Sinn haben, sollte das gelten.Wir haben verabredet, über eine Formulierung zu reden.Sie sind eine Woche später gekommen und haben gesagt,Sie hätten das mit den A-Ländern und der Bundesregie-rung besprochen und keine Mehrheit dafür bekommen.
Sie wollten dann vorschützen, es gebe auch bei den B-Län-dern keine Mehrheit. Ich sage Ihnen hier erneut und ver-bindlich: Wir, die CDU/CSU-Fraktion – das denke ichjedenfalls – und die B-Länder – von denen weiß ich es –,sind zu einer solchen Änderung des Grundgesetzes be-reit. An uns wird es nicht liegen.
Wenn Sie meinen, Art. 106 sei ungeeignet, dann neh-men Sie Art. 120. Wenn Sie in Bezug auf Art. 120 sa-gen: So eine Sauerei, da stehen ja die Länder drin, dannschreiben Sie die Gemeinden hinein. Erklären Sie mirdann aber bitte, warum Sie Art. 120 und nicht Art. 106nehmen! Es ist mir nicht egal, aber wir sind bereit zuverhandeln. Nehmen Sie die Grundgesetzänderung vor,die Sie für geboten halten, um das, was Sie vertraglichzugesagt haben, nämlich die Trägerschaft der Kommu-nen, zu erreichen. Sie sind am Zug! Wir haben genügendVorschläge gemacht. Machen Sie einen anderen, dannkfauedfTsgdstSESbKg–bssgfEhLrilvaheg2tikDnaGsinkiwrb
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Sehr verehrter Herr Minister, meine sehr verehrtenDamen und Herren, wir haben wahrlich genug Pro-bleme. Wir sollten nicht in einer neuen Großmannssuchtglauben, wir könnten mit Mammutorganisationen, riesi-gen IT-Programmen und Zehntausenden von neuen Mit-arbeitern ein Problem lösen, für dessen Lösung es vorOrt genug Ressourcen gibt. Man muss diese Ressourcenmobilisieren und die betreffenden Stellen ernst nehmen.Sie müssen die Möglichkeit haben, eigenverantwortlichzu handeln – und nicht einem Regionaldirektor und eini-gen Tausend Erlassen gegenüber verantwortlich zusein – und ihre Kreativität zu nutzen. Das ist die Anfor-derung, die wir gestellt haben, als wir in das Verfahreneingetreten sind. Das haben Sie im Vermittlungsaus-schuss zugesagt. Wir erwarten von Ihnen, dass das amEnde im Deutschen Bundestag beschlossen wird.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Thea Dückert,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrLaumann, da Sie mich so lautstark empfangen, will ichsagen: Seien Sie alle gegrüßt!Herr Koch, lassen Sie mich vorab in aller Freund-schaftefwFVKssVSgPnWVHudümbWfwDhlHbdKkllOl
in paar Punkte sagen. Ich möchte zunächst Folgendesesthalten: Was Sie hier vorgetragen haben, nämlich dassir einen Wortbruch begehen würden, ist eine großeehlinterpretation. Damit wird das verschleiert, was imermittlungsausschuss beschlossen worden ist. Herroch, im Vermittlungsausschuss ist gerade keine Verfas-ungsänderung zur Durchführung der Option beschlos-en worden. Wir wollen die Option. Aber dort ist keineerfassungsänderung beschlossen worden, weil das, wasie, Herr Koch, hier mit lautem Topfgeklapper ankündi-en, nämlich eine Mehrheit unter den Ländern für dieseosition, nicht herzustellen war. Sie selber haben sieicht hergestellt.
ir haben nächtelang diskutiert. Wir haben – auch das alsorbemerkung – Folgendes beschlossen – ich zitiere –:Wenn die Kommunen optieren, dann wird sicherge-stellt, dass zwischen den kommunalen Trägern, dievon der Option Gebrauch machen, deren zuständi-gen Landesbehörden und der Bundesagentur Ziel-vereinbarungen abgeschlossen werden.err Koch, das haben wir abgemacht
nd das schlagen wir vor.Sie haben heute zum wiederholten Male das Einbin-en der Kommunen in die komplette Arbeitsmarktpolitikber Zielvereinbarungen infrage gestellt. Dies ist aberit der Mehrheit der von Ihrer Partei regierten Ländereschlossen worden.
as Sie hier sagen, entspricht nicht der Wahrheit.
Insgesamt ist diese Debatte im Moment entlarvendür das, was die Opposition in der Arbeitsmarktpolitikill. In meiner Heimatzeitung gab es gestern eine großeebatte über das Optionsgesetz. In diesem Zusammen-ang möchte ich dem Kollegen Niebel eine Frage stel-en.
err Niebel, waren Sie jemals in einem Bürgerkriegsge-iet? Haben Sie einmal gesehen, wie es den Menschenort geht, die hungern und von Gewalt bedroht sind?ennen Sie die Situation in Bürgerkriegsgebieten? Wieönnen Sie vor diesem Hintergrund folgende Feststel-ung – meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen vor-esen, was sich Herr Niebel im Zusammenhang mit demptionsgesetz geleistet hat – treffen? Er behauptet – ereitet das auch her –, dass die Auszahlung des Arbeits-
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Dr. Thea Dückertlosengeldes II nicht funktionieren wird und dass davondie Existenz von Millionen Menschen abhängt, und fährtdann fort:Dann wird es Regionen in Deutschland geben, indenen wir bürgerkriegsähnliche Zustände haben.
Dann ist das politische System in Gefahr.Ich halte so etwas in diesem Zusammenhang für eine un-geheuerliche und schamlose Entgleisung.
Ich sage Ihnen ehrlich: Das disqualifiziert Sie, HerrNiebel, und die Position der FDP im Zusammenhang mitder Arbeitsmarktpolitik in Deutschland.
Über Ihre Vorschläge, mit denen Sie nichts anderes wol-len, als die Bundesagentur für Arbeit zu zerschlagen,brauchen wir hier nicht weiter zu reden.Ich habe das hier vorgetragen, weil es ein Licht aufdie Debatte wirft. Hier soll bei den betroffenen Men-schen und den Kommunen Angst geschürt werden,
um Widerstand gegen eine notwendige Reform, die wirim Bereich der Arbeitsmarktpolitik durchführen, zu or-ganisieren.
Die Union sagt: Wir brauchen Reformen. Aber Siewollen sie in Wahrheit verhindern.
Dazu will ich Ihnen ein weiteres Beispiel nennen. DasBeispiel ist der Herr Laumann,
der nachher ebenfalls zu diesem Thema reden wird. Ertritt hier immer sehr freundlich im Sinne der Arbeitslo-sen auf, weist aber hinter verschlossenen Türen daraufhin, dass wir die Zusammenlegung der Arbeitslosen-und Sozialhilfe um ein Jahr verschieben könnten. Dasklingt ganz harmlos. Ich weiß, warum Sie lächeln, wennSie das sagen. Sie lächeln, weil Sie genau wissen, wasdann passiert: Dann wird die Arbeitsmarktpolitik in die-sem Lande chaotisiert, dann werden die Reformen ver-hindert. Das wollen Sie; das ist die Strategie auch beidieser Optionsdebatte.
Herr Laumann, ich frage Sie:WMtzntNdITwhsfSmvjuwwDdWmDggWsp
as bedeutet eine Verlegung um ein Jahr? Wie vieleenschen sind davon betroffen? Betroffen sind die heu-igen Sozialhilfeempfänger, die ein weiteres Jahr langum Bittsteller der Kommunen werden sollen, und dieje-igen, die keinen Zugang zur aktiven Arbeitsmarktpoli-ik haben.
ein, Herr Laumann, das, was Sie hier vorschlagen, be-eutet Geiselhaft für die Langzeitarbeitslosen. Ich sagehnen eines:
rotz des ganzen Getöses, das Sie hier machen, werdenir die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozial-ilfe zum 1. Januar 2005 durchsetzen.
Aber es kommt noch schlimmer; denn in diesem Zu-ammenhang verkaufen Sie die Kommunen auch nochür dumm.
ie wissen doch, was es bedeutet, wenn diese Zusam-enlegung um ein Jahr verschoben wird. Die Entlastungon 2,5 Milliarden Euro – Herr Laumann, ich sehe, auchetzt lachen Sie; denn Ihnen geht es gar nicht darum, dasmzusetzen –
erden wir erbringen,
eil die Kommunen sie brauchen.
iese 2,5 Milliarden Euro werden nämlich für die Kin-ererziehung benötigt.Zusammen mit Herrn Wulff und Herrn Koch – Herrulff ist leider nicht mehr anwesend –
achen Sie sich wirklich einen schlanken Fuß. Denn deratenbasis, anhand deren wir unsere Berechnungen an-estellt haben, haben Sie im Vermittlungsausschuss zu-estimmt. Aber jetzt schlagen Sie sich in die Büsche.issen Sie, das kennen wir in Deutschland: eine Vater-chaft, die aufgekündigt wird, wenn sie Ihnen nicht mehrasst.
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Dr. Thea Dückert
Herr Laumann, daran erkannt man die Verantwortungs-losigkeit Ihrer Politik.Nein, wir werden sowohl die Entlastung von 2,5 Mil-liarden Euro für die Kommunen erbringen
als auch sicherstellen, dass am 1. Januar 2005 die Zu-sammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe voll-zogen wird.
Auch werden wir sicherstellen – das ist im Optionsge-setz enthalten und das haben wir auch schon beschlos-sen –, dass die Kommunen kooperieren und eingebun-den werden, weil wir sie brauchen.
Ich sage Ihnen eines – hier verweise ich auf HerrnGerd Landsberg, der in Fragen der Kooperation mit denKommunen Erfahrung hat –:
Bundesweit haben wir bereits 20 Pilotstädte, in denendie Kooperationen zwischen Bund und Kommunen gutarbeiten und in denen sich die Zahl der Arbeitslosen re-duziert. –
Genau darum geht es. Weil Sie uns diesen Erfolg abernicht gönnen,
fahren Sie gegen unsere Reform eine Torpedostrategie.Das, was wir hier vorschlagen, ist ein ehrliches Ange-bot an die Kommunen, entweder auf gleicher Augen-höhe an den Arbeitsgemeinschaften teilzunehmen,
oder – das schlagen wir vor – die Optionen zu wählen,die einen möglichst großen Handlungsspielraum im Zu-sammenhang mit den Budgets bieten. Mit diesen Bud-gets können die Kommunen – das wiederhole ich – aufder Basis von Zielvereinbarungen selbstständig agieren.Damit erreichen wir genau das, was Sie einklagen: Wett-bewerb zwischen unterschiedlich agierenden Kommu-nen und Vergleichbarkeit. Das brauchen wir in diesemSystem.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
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as, was von Ihrer Seite vorgeschlagen wird, ist nicht das,as wir im Vermittlungsausschuss verabredet haben. Siechlagen vor, dass das Geld in die Hände der Länder flie-en soll und dass sie den Kommunen Auflagen machenönnen. In der Vergangenheit haben Sie schon bewiesen,elch klebrige Finger gerade Ihre Länder in dieser Hin-icht haben.
Frau Kollegin, Ihr Redezeit ist zu Ende.
Ich komme zum Schluss.
Sie wollten bereits zum Schluss kommen.
Kollege Wulff, der vorhin noch hier gesessen hat, hat
n Niedersachsen 200 Millionen Euro einkassiert, die im
usammenhang mit der Wohngeldreform bei den Kom-
unen landen sollen. Gerade weil Sie, meine Damen
nd Herren von der Opposition, so agieren, stellen Sie
ie Kommunen unter die Knute. Das wollen wir nicht.
ir wollen ihnen Handlungsfreiheit geben.
Danke schön.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege
iebel.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist schon bemer-enswert, dass die Kollegin von den Grünen ihre Rede-eit zu einer Oppositionsbefragung nutzt. Ich möchte na-ürlich nicht unhöflich sein, sondern die Frage, die sieestellt hat, beantworten: Ja, ich war schon in Bürger-riegs- bzw. Kriegsgebieten. Das, was Sie mit Ihrem Ge-etz machen, ist das Spielen von Mikado mit den Le-enschancen von Millionen Menschen.
enn Sie dieses Gesetz so umsetzen, können Sie mit anicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von verschiede-en Szenarien ausgehen, die gemeinsam eintreten werden.rstens wird nach dem SGB II ab 1. Januar 2005 grund-ätzlich die Bundesagentur für Arbeit für das Arbeitslo-
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Dirk Niebelsengeld II zuständig sein. Die Ausnahme davon bildetdann eine von Bundesagentur für Arbeit und Kommunezu bildende Arbeitsgemeinschaft. Bei einer solchenmuss die Kommune aber erst einmal mitmachen wollen.Die Kommunen haben schon die Erfahrung gemacht,dass es in solchen Arbeitsgemeinschaften immer nurdann gut läuft, wenn es keinen Konflikt gibt, dass aberdann, wenn es kritisch wird, die Bundesagentur sagt,was zu passieren hat. – Das mögen die meisten Kommu-nen nicht.Zweitens. Die Menschen in den Kommunen, die Ent-scheidungen zu treffen haben, werden vor dem Hinter-grund der Lage der kommunalen Haushalte sehr genaudie Zuständigkeit prüfen. Sie werden feststellen, dass sieAufgaben ausführen sollen, für die sie nicht zuständigsind, und werden sich überlegen, ob sie ihre kommuna-len Finanzen vielleicht besser in den Griff bekommen,wenn sie auf die Aufgabe in Zukunft verzichten.Weiterhin werden Sie die Situation haben, dass dieBundesagentur für Arbeit, die mit 4,6 Millionen Arbeits-losen hinreichend überbeschäftigt ist, auch noch zustän-dig wird für eine knappe Million Sozialhilfeempfänger,die erwerbsfähig sind, sowie deren Bedarfsgemeinschaf-ten, das heißt deren Familien. Es handelt sich um einenPersonenkreis, bei dem der Verlust des Arbeitsplatzesmeist nur eines von ganz vielen Problemen ist, bei demeine Suchtproblematik hinzukommt, bei dem Woh-nungsprobleme hinzukommen, bei dem Überschuldunghinzukommt – alles Dinge, für die die Bundesagentur,weil sie damit nie zu tun hatte, keine Kompetenzen hat,für die sie solche auch nicht vorhalten und auch nichtschnell schaffen kann. Sie werden ein überdimensionier-tes EDV-Projekt haben, das wahrscheinlich ein ähnlichesSchicksal zeitigen wird wie die Maut oder der virtuelleArbeitsmarkt: Es wird im Endeffekt nicht funktionieren.
Das führt in der Folge dazu, dass die Menschen – etwain Regionen wie in Prenzlau mit 29,7 Prozent Arbeitslo-senquote –, die existenziell darauf angewiesen sind, dasssie ihre Lohnersatzleistungen, dass sie ihre Betreuung er-halten, ab 1. Januar 2005 in ihrer Existenz gefährdet wer-den.
Dann möchte ich einmal sehen, ob Sie, Herr Clement– auch vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in Nord-rhein-Westfalen und Schleswig-Holstein –, bereit sind,eventuell doch etwas Vernünftiges mit uns auszuhandelnund ein vernünftiges EDV-System zu entwickeln, damitwir den Menschen helfen können. Ansonsten haben wirtatsächlich soziale Aufstände, die bürgerkriegsähnlichenZuständen
in einigen Regionen gleichen werden, Frau Dückert. Siehandeln hier unverantwortlich, Sie handeln hier wortbrü-chig.SzniDAIkmddil–wufacagsEOz
ie haben den Vermittlungsausschuss über den Tisch ge-ogen, wenn Sie dieses Gesetz verabschieden. So kön-en wir nicht miteinander arbeiten.
Das Wort hat die Kollegin Thea Dückert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Niebel,
ch kann verstehen, dass Ihnen Ihre Fraktion bei so viel
reckschleuderei, die Sie hier machen, und so viel
ngst, die Sie schüren, keine Redezeit gibt.
ch habe Ihnen vorhin gesagt: Der Ausdruck „bürger-
riegsähnliche Zustände“ – Sie haben ihn wiederholt –,
it dem Sie hier Angst unter die Bevölkerung streuen,
isqualifiziert Sie. Deswegen gebe ich auf den Quatsch,
en Sie von sich gegeben haben, keine Antwort mehr;
ch halte das für unglaublich.
Das Wort hat der Kollege Otto Fricke, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Frau Kollegin Dückert
Frau Kollegin Dückert, wenn Sie wenigstens zuhörenürden, wäre das nett – das ist eben der Unterschied. Beins wird das kollegial gelöst: Ich war der Verhandlungs-ührer, er ist der Sprecher; dann teilt man sich das schönuf. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie versu-hen,
n einer Stelle, an der es um ein schwieriges Problemeht – Herr Clement, das gestehe ich Ihnen zu, es istehr, sehr schwierig, die richtige Lösung zu finden –, imndeffekt eine Rede halten, in der es nur darum geht, derpposition Fragen zu stellen, Sie aber keinerlei Dingeur Sache sagen, dann gehen Sie einfach in die falsche
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Otto FrickeRichtung. Die Arbeitslosen in diesem Lande verdienenes nicht, dass man sie so links liegen lässt.
Meine Damen und Herren, heute ist ein schlechter Tagfür die Arbeitslosen – dabei unterstelle ich niemandem,dass er es nicht gut meint. Wir spielen im Moment wie-der das alte Spiel: Wer ist schuld? Wer hat Fehler ge-macht? Wir beschäftigen uns in dieser Debatte aber nicht– Frau Dückert, dazu haben Sie gnadenlos beigetragen –mit Lösungen.
Über Lösungen kann man reden; so habe ich Sie verstan-den, Herr Clement. Die FDP nimmt das ernst: Wir wol-len über diese Sache reden. Vielleicht kriegen wir jawirklich noch etwas hin. Man sollte das in einem Ge-setzgebungsverfahren – ich habe Sie da wahrscheinlichanders verstanden als Frau Dückert; aber es kann ja an-ders sein – immer wieder versuchen; auch Herr Koch hatdas gesagt. Dann lassen Sie uns das auch tun und unsnicht immer nur gegenseitig beschimpfen.
Was da läuft, bringt es nicht.Nun zur Sache selbst. Es ist auch ein schlechter Tagfür die Kommunen.
Egal wie das Modell der Organleihe ausgestaltet wird,Organleihe bedeutet letztlich immer
– achten Sie auf das Wort „Leihe“, Herr Brandner; ichweiß, Sie dürfen nicht reden; denn bei Ihnen dürfen dieVerhandlungsführer scheinbar nicht reden – Leihe. DasWort „Leihe“ bedeutet, man kann es jederzeit zurück-nehmen.Das Verräterische in Ihrem Gesetzentwurf ist dochFolgendes: Wenn sich die wesentlichen Bedingungenändern, dann darf die Bundesagentur den Vertrag kündi-gen. Ändern sich jedoch die wesentlichen Bedingungenzum Nachteil der Kommunen, darf diese den Vertragnach Ihrem Gesetzentwurf nicht kündigen.
Sie legen bei der Bemessung der Augenhöhe ein unter-schiedliches Maß an. Genau darum geht es auch in denArbeitsgemeinschaften, Herr Brandner und FrauDückert.
„amHgsggde–ssFngRWcbpmbowDedsJnglHFtK–hHd
ier im Bundestag sitzen wir in den Ausschüssen aufleicher Augenhöhe. Wenn es hart auf hart kommt, ent-cheidet die Mehrheit. Was die Mehrheit in den Arbeits-emeinschaften jeweils ist, bestimmt das Gesetz. Dasilt auch für die Organleihe. Sie wissen ganz genau, dassie Arbeitsgemeinschaften deswegen funktionieren, weils keine Hierarchie gibt.
Herr Brandner, das ist das übliche Mittel: Wenn manich nicht mit den Argumenten auseinander setzen will,agt man immer, der Redner hat keine Ahnung. Dierage ist, ob man sich auseinander setzen will oder nicht.
Ich kann Ihnen eines nur noch mal sagen: Wenn Sie esicht schaffen, das Vertrauen der Kommunen darauf zuewinnen, dass sie in den Arbeitsgemeinschaften gleicheechte haben, nützt Ihnen die gleiche Augenhöhe nichts.enn Sie es nicht schaffen, dass beide Seiten die glei-hen Rechte haben, werden die Kommunen sagen: Ichin doch nicht blöd. Ich lasse mich doch nicht verhohne-ipeln. Da mache ich nicht mit.
Ich erzähle Ihnen mal etwas zu meiner Heimatge-einde Krefeld. Wir haben einen tollen Chef des Ar-eitsamtes und einen guten Sozialdezernenten, Beige-rdneten, übrigens ein Genosse, der seine Arbeitunderbar macht.
iese beiden kommen gut miteinander klar und werdentwas erreichen. Sie wissen aber genauso gut wie ich,ass das nicht überall der Fall ist, weil es sich um Men-chen handelt. Deswegen muss man – hier kommt derurist in mir hoch; das gebe ich gerne zu – den Kommu-en eine rechtliche Absicherung geben. – Juristen sindar nicht so schlimm. Auch ihr Minister ist Jurist.Damit komme ich zu dem eigentlichen Problem, demieben Geld. Es geht um die 2,5 Milliarden Euro, dieerr Clement, die Sie, die der Finanzminister und dieamilienministerin genannt haben. Die Familienminis-erin braucht 1,5 Milliarden Euro – zu Recht – für dieinderbetreuung. Wir haben aber noch nicht gehörtauch nicht im Haushaltausschuss dieser Woche –, wo-er diese 2,5 Milliarden Euro eigentlich kommen. Imaushalt finden Sie dazu nichts. Ich bin gespannt, woiese Summe im Haushalt 2005 auftaucht.
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Otto FrickeWenn wir die nicht finden, haben die Kommunen einweiteres Problem. Frau Schmidt wird doch sagen: Ichbrauche die 1,5 Milliarden Euro. – Ich möchte die Kom-munen erleben, die aufgrund der Organleihe dann, wennes hart auf hart kommt, machen müssen, was die BAsagt, gleichzeitig aber auch noch für die Kinderbetreu-ung Geld ausgeben sollen. Das, meine Damen und Her-ren von der Regierung, ist für die Kommunen ein Schrittin die Insolvenz.
Herr Clement, Sie haben gesagt: Das ist ein weitererSchritt nach vorn. Dazu sage ich: Ich habe gestern dasGefühl gehabt, dass wir am Abgrund stehen. Somitbringt der Schritt nach vorn sehr wenig.Es ist auch ein schlechter Tag für die BA. Ich warheute Morgen im Rechnungsprüfungsausschuss. Ich un-terstelle, dass die BA Gutes will, dass sie den Arbeitslo-sen helfen will. Wenn Sie aber sehen, mit welchen Pro-blemen sich diese herumschlägt und welches Chaos dortherrscht – ich nehme keine Schuldzuweisungen vor; die-ses Chaos ist nun einmal da –, werden Sie mit mir derAuffassung sein, dass dieses Chaos im Zweifel nur nochgrößer wird.
Wenn Sie das Chaos vergrößern, haben Sie Probleme.Dann haben wir politisch letztlich alle Probleme; dennnachher wird doch gesagt werden: Die Politik bekommtes nicht hin.Eine letzte Anmerkung zum Thema Grundgesetz: Wirkönnten eine Grundgesetzänderung hinbekommen. Obdiese nun Art. 106 des Grundgesetzes oder einen ande-ren Artikel betrifft, ist doch – Herr Clement, wenn wirehrlich sind, müssen Sie das zugeben – für die Politike-rinnen und Politiker, die eine Verfassung ändern wollen,zunächst einmal egal. Sie müssen wissen, was sie wol-len, nämlich eine Grundgesetzänderung, und sie müssenwissen, wem sie dadurch Hilfe geben wollen, nämlichden Kommunen. Dann kann das in Art. 127 q, x, y oder zstehen. Das ist völlig egal. Entscheidend ist, dass darinetwas steht, was den Kommunen Sicherheit gibt. Dannkönnen sie sich notfalls auch in Karlsruhe dagegen weh-ren, wenn ihnen der Hahn vom Bund abgedreht wird.Zum Abschluss: Herr Koch, ja zu einer Grundge-setzänderung; aber der Bundesrat müsste schon nochschauen, welche. Als ich Ihnen – aber auch vielen ande-ren – zugehört habe, als Sie Ihre Vorstellungen darübermitgeteilt haben, was die Kommunen alles machen sol-len, habe ich eines festgestellt: Der von der FDP vorge-schlagene Weg, die Zuständigkeit insgesamt den Kom-munen zu übertragen, wäre der einzig richtige undvernünftige gewesen. Wenn wir diesen von Anfang aneingeschlagen hätten, stünden wir heute besser da. Ichprophezeie Ihnen: Spätestens in einem Jahr wird bei Ih-nen genau diese Überlegung aufkommen und dann wer-den wir die Zuständigkeit den Kommunen übertragen.Herzlichen Dank.FMfcsnmduMsRumbtmadvlczmtgsWdHSgddlBeAf
Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Roth, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Die Debatte, die wir geradeühren, zeigt, dass die Aufgeregtheiten der letzten Wo-hen, wie bereits im Rahmen des Vermittlungsausschus-es, so weit gehen, dass man, wohl wissend, dass man esicht mehr verhindern kann, dennoch alles verhindernöchte, auch und gerade das Optionsgesetz. Ich findeas bedauerlich, weil das Gerangel der letzten Wochennd Monate zulasten von 2,7 Millionen arbeitslosenenschen geht, die erwarten, dass sie von uns eine Lö-ung präsentiert bekommen. Und: dass sie zu ihremecht kommen, besser beraten und vermittelt zu werden,nd dass sie die Perspektive haben, in Arbeit zu kom-en.
Das Tauziehen, das wir auch heute wieder erlebt ha-en, finde ich unverantwortlich. Besonders vor dem Hin-ergrund, dass es nicht darum geht, zu sagen, die kom-unale Ebene könne Vermittlung und Beratung besserls die Agenturen für Arbeit. Wir wissen ganz genau,ass auf beiden Ebenen unterschiedliche Kompetenzenorhanden sind. Deshalb haben wir uns ja im Vermitt-ungsausschuss darauf geeinigt, diese unterschiedli-hen Kompetenzen im Rahmen der Arbeitsgemeinschaftusammenzuführen, und zwar auf gleicher Augenhöhe,it gleicher Verantwortung und mit gleicher Kompe-enz. Das ist die richtige politische Antwort, die wir ge-eben haben.
Natürlich war es so, dass Herr Koch das Optionsge-etz zur Wahrung seines politischen Gesichts brauchte.ir haben dann im Rahmen der Einigung gesagt: Okay,as lassen wir zu. Wir haben Ihnen sogar angeboten,err Koch, das Optionsmodell in Hessen durchzuführen.
ie haben es aber abgelehnt, weil Sie Angst vor Ihrer ei-enen Courage haben. Erst wollten Sie es und dann wie-er nicht. – Wir haben im Optionsgesetz vorgesehen,ass die Kommunen und die Landkreise die Wahlmög-ichkeit haben.Ich finde es aber falsch, dass so getan wird, als ob dieundesagentur für Arbeit in diesem Zusammenhangine geringere Kompetenz hätte als die Kommunen. Dasuseinanderdividieren dieser beiden Ebenen halte ichür politisch unverantwortlich.
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Karin Roth
Es schadet den Menschen und übrigens auch den Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern, die in diesem Bereich zu-sammenarbeiten sollen. Hier geht es darum, die besteLösung für die Menschen vor Ort zu finden.Dieses Hin und Her ist auch schade, weil es sich umeine unserer gemeinsamen Perspektiven handelt. DerMinister hat schon ausgeführt, dass wir eine Arbeitsver-mittlung aus einer Hand wollen. Wir wollen durch dieJobcenter versuchen, die Vermittlung von Langzeitar-beitslosen in Arbeit zu beschleunigen. Wir sind optimis-tisch, dass das geht; denn wir haben ja schon in der Ver-gangenheit bewiesen, dass wir durch die Umstellung derArbeitsförderung eine schnellere Arbeitsvermittlung or-ganisieren können.Wir wissen, dass die Kommunen ein besseres Netz ansozialer Infrastruktur haben. Wer will das bestreiten?Deshalb sehen wir ja vor, dass das hohe Fachwissen imRahmen des regionalen Netzwerkes eingebracht werdenkann.Die Menschen verlangen von uns einen optimalenService. Hören Sie auf, die Menschen mit Ihren Parolenund Ankündigungen zu verunsichern! Die Menschenbrauchen das Vertrauen, dass die Politik bzw. die Bun-desagentur für Arbeit dies leisten kann.
Herr Koch, Sie wissen genau – das haben die Vorred-ner unserer Koalition schon gesagt –, dass Sie in Wahr-heit nicht das Mandat der B-Länder bezogen auf eineGrundgesetzänderung hatten. Wenn Sie das heute ankün-digen, dann vermutlich vor dem Hintergrund der Hoff-nung, dass es hier nicht zum Schwur kommt. Aber wirkönnen doch nicht Bundesmittel
ohne Verbindlichkeit an die Kommunen weitergeben.Wir müssen auch wegen der politischen Finanzverant-wortung des Bundes dafür sorgen, dass die Mittel richtigverwendet werden. Insofern halte ich die Zielvereinba-rung für ein richtiges und modernes Instrument zur Steu-erung dieser Ausgaben.Ich bin der Meinung, dass die Machtspiele zulasten derMenschen, die insbesondere von der Opposition betriebenwerden, beendet werden müssen. Die bisherige Arbeits-weise war nicht effizient, sondern teuer. Das muss aufhö-ren. Wir brauchen neue Beschäftigungsprojekte unddiese haben wir auf den Weg gebracht. Jetzt muss es da-rum gehen, diese Projekte umzusetzen.Da die Agentur für Arbeit schlechtgeredet wird,möchte ich ein paar Zahlen anführen. Im Jahr 2003 wur-den immerhin rund 4,3 Millionen Bewilligungen vonTrainingsmaßnahmen, Mobilitätshilfen und Lohnkosten-zuschüssen vergeben. Das waren – trotz geringeren Mit-teleinsatzes – 640 000 Maßnahmen mehr als im Vorjahr.Bezüglich der langzeitarbeitslosen Jugendlichen kannicgimuscdzsidshCWpmsIdwdznrlSztB4n9eeduhuSG
Lassen Sie uns die Zusammenarbeit von Kommunennd der Agenturen vor Ort voranbringen; denn die Zu-ammenarbeit ist die beste Lösung. Sie sollten nicht blo-kieren, sondern kooperieren. Sie sollten nicht Behör-engerangel organisieren, sondern an einem Strangiehen. Vor allen Dingen sollten Sie die Mitarbeiter nichtchlechtreden, sondern deren Motivation fördern undhre Kompetenz anerkennen. Das wäre ein gutes Zeichenieses Parlamentes. Wir müssen versuchen, unsere Ver-prechungen einzuhalten. Wir dürfen das Chaos nichterbeireden.
Das Wort hat jetzt der Kollege Karl-Josef Laumann,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir sind alle keine Propheten, dennoch kann ich einesrophezeien: Uns alle – auch den zuständigen Bundes-inister – treibt heute die Sorge um, wie die zentralisti-che Bundesagentur für Arbeit Ihr Gesetz umsetzen soll.ch bin ziemlich sicher, dass die Bundesregierung undie BA alles daransetzen werden, dass es funktionierenird; aber ich sage voraus: Bestenfalls wird die Bun-esagentur für Arbeit in der ersten Zeit, in der sie dafüruständig ist, das Geld auszahlen; sie wird sich abericht um die Menschen kümmern können.
Ich mache eine einfache Rechnung auf: Es werdenund 2,5 bis 3 Millionen Menschen – diese Zahl ist ziem-ich realistisch – das Arbeitslosengeld II beziehen. Wennie für diese Menschen den Betreuungsschlüssel anset-en wollen, den es in vielen Kommunen gibt – ein Be-reuer auf 70 Arbeitslose –, dann brauchen Sie in derundesagentur für Arbeit dafür zwischen 35 000 und0 000 Mitarbeiter. Jetzt überlegen Sie doch einmal ei-en Moment. In der Bundesagentur für Arbeit sind heute1 000 Mitarbeiter beschäftigt. Diese Zahl ist wohl auchin Grund dafür, dass der Umbau, den Sie richtigerweiseingeleitet haben, so schwerfällig vorangeht. Wie sollie Behörde funktionieren, wenn sie jetzt noch einmalm 35 000 bis 40 000 Mitarbeiter erweitert wird?
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Wir alleier im Parlament, Union, SPD, FDP und Grüne, warenns einig, dass Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einemystem zusammengeführt werden müssen, weil dierundsicherung des Bundes für Arbeitslosenhilfebezie-
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Karl-Josef Laumannher auf der einen Seite und die Grundsicherung derKommunen für Sozialhilfebezieher auf der anderen Seitein der Vergangenheit zu Verschiebebahnhöfen geführthaben. Es ist doch wahr, dass viele kommunale Beschäf-tigungsorganisationen auch das Ziel hatten, die Men-schen zwölf Monate lang zu beschäftigen, damit sie ausder Sozialhilfe in die Arbeitslosenhilfe des Bundes kom-men konnten.
Das war gängige Praxis. Solche Systeme verführen dazu.
Die Zusammenführung wird für Millionen von Men-schen, vor allem in Ostdeutschland, wo der Anteil derArbeitlosenhilfebezieher höher ist als im Westen, miterheblichen Mittelkürzungen verbunden sein. Das stehtaußer Frage. Wir wissen, dass es ostdeutsche Bundeslän-der geben wird, die alleine wegen dieser KürzungenKaufkraft von 200 Millionen bis 300 Millionen Euroverlieren werden. Das wird real existierende Menschenund Familien treffen.
Unsere Philosophie war immer, dass man solche Kür-zungen nur dann verantworten kann, wenn wir eineOrganisationsform schaffen, in der die Menschen andie Hand genommen werden, damit sie in den Arbeits-markt zurückfinden, oder die Menschen die Möglichkeitbekommen, sich zur Sozialhilfe etwas hinzuzuverdienen.
Das ist unsere Philosophie. Nur dann, wenn wir nach ihrhandeln, können wir die Kürzungen sozialpolitisch ver-antworten.Was machen Sie jetzt? Mit Ihrer Verliebtheit in denZentralismus schlagen Sie uns diese Möglichkeit aus derHand. Am Ende haben Sie eine Leistungskürzung zuverantworten, haben aber keine Organisation geschaffen,in der die Menschen an die Hand genommen werden, da-mit sie mit ihrer Situation fertig werden können.
Ich finde, das ist schlicht und ergreifend eine schäbigeund schreckliche Politik. Sie ist unmenschlich. Sie neh-men für die Klientel, über die wir reden, die falschen In-strumente in die Hand. Das ist nicht in Ordnung. Deswe-gen sind wir so enttäuscht.Sie hätten die Zusammenführung von Arbeitslosen-hilfe und Sozialhilfe vor Weihnachten nicht durchbe-kommen, wenn nicht die Option bestanden hätte, dasssich in vielen Regionen des Landes kommunale Träger-schaften dieser Aufgabe stellen.
Wir hätten ansonsten eine Zusammenführung abgelehntund es wäre beim alten System geblieben. Jetzt habenSdoecMdBeinEhLIgkwAnuM1swnaVsdImkeDsk–wmmSsd
Ein weiterer Punkt. Als jemand, der kein Jurist ist,abe ich immer geglaubt, dass die Verfassung unseresandes für die Menschen da ist.
n vielen Gesprächen haben wir festgestellt – wir sind daar nicht auseinander, Herr Bundesminister –, dass eineommunale Trägerschaft nur vernünftig zu regeln ist,enn wir die Verfassung ändern. Bei dieser gewaltigenufgabe brauchen wir einen sicheren Weg für den Fi-anztransfer vom Bund zu den Kommunen. Wenn wirns darüber im Klaren sind, dass die Verfassung für dieenschen da ist, dann begreife ich Folgendes nicht: Seit990 haben wir im Deutschen Bundestag viele Verfas-ungsänderungen durchgebracht, zum Beispiel habenir den Tierschutzgedanken in die Verfassung aufge-ommen. Wenn man den Tierschutz in die Verfassungufnehmen kann, dann kann man doch wohl auch dieerfassung ändern, um für die Schwächsten in der Ge-ellschaft eine Organisationsstruktur zu schaffen, durchie sie in den Arbeitsmarkt gebracht werden.
ch begreife eine solche Diskussion nicht. Es ist fastenschenverachtend, wie Sie sich hier verhalten.Über unsere Vorstellung, nämlich nicht einfach zuürzen, sondern die Kürzungen mit neuen Chancen wietwa des Zuverdienstes zu verbinden, werden wir, Frauückert, in den nächsten Wochen und Monaten Diskus-ionen in den Städten und Gemeinden unserer Wahl-reise und im ganzen Land führen.
Ich hetze nicht! Ich werde so reden wie heute. Auchenn es Ihnen nicht gefällt: Wir werden in dieser Sacheit der Caritas, der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt undit vielen anderen Organisationen der Sozialbewegungeite an Seite stehen, um anzuprangern, was Sie mit die-em Gesetz anrichten wollen.
Viele von uns haben mit ihrer politischen Arbeit iner Kommunalpolitik angefangen. Ich bin ohnehin der
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Karl-Josef LaumannMeinung, dass einige Jahre Kommunalpolitik die besteAusbildung für ein Abgeordnetenmandat ist.
Ich frage Sie eines: Was haben Sie in der Kommunalpo-litik eigentlich gelernt? Trauen Sie unseren Bürgermeis-tern, Gemeinderäten und Kreistagen wirklich nicht zu,dieses Problem – auch mit einer demokratischen Kon-trolle – besser als die Bundesagentur zu lösen, die mitvielen Kraken im Land arbeitet, die am Ende aber ausNürnberg und Berlin zentralistisch gesteuert werden?
Wenn wir in diesem Land in der Arbeitsmarktpolitikvorankommen wollen, dann muss man sich fragen, woman besser entscheiden kann als gemeinsam mit demHandwerk, den Unternehmen, dem Einzelhandel undden Gewerkschaften vor Ort.
Welche Qualifizierung ist regional nötig? In welchenArbeitsmärkten gibt es Wachstumschancen? Sie könnenregional doch besser steuern.Ich sage Ihnen eines zur Ausschreibungspraxis derBundesagentur für Arbeit: Sie schreibt zentral aus understellt große Lose. Ich stelle mir gerade vor, dass eszentrale Ausschreibungen für die Beschäftigungsgesell-schaften und große Lose gibt, wie wir das in der Vergan-genheit erlebt haben. Liebe Leute, ihr veranstaltet einChaos und die Leidtragenden sind die Schwächsten indieser Republik.
Das tun Sie nur, um Ihre zentralistische Idee aus Berlinund Nürnberg, wie eine Krake in das Land hinein eineideologische Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, umzuset-zen.
In der Sache waren wir uns sehr einig. Weil wir bezüg-lich der Organisationsstruktur aber so unterschiedlicherMeinung sind, wird es einen schweren politischen Kampfgeben. Ich sage Ihnen, warum wir ihn in den nächstenWochen mit aller Schärfe führen werden: Meine Sorge ist,dass Sie, wenn diese 35 000 bis 40 000 Stellen bei der BAerst einmal geschaffen worden sind, damit in den letztenzwei Jahren Ihrer Regierungstätigkeit eine Organisationeinführen werden, die wir anschließend nur ganz schwerwieder kommunalisieren können. Ich befürchte, dass das– deswegen sind wir dabei so engagiert – eine irrepa-rable Maßnahme wäre.
Daher kann ich Ihnen nur sagen: Kehren Sie um, so-lange noch Zeit dafür ist, nämlich bis zur dritten Lesung!Ändern Sie das Grundgesetz! Sie würden sich wundern,inmliSb3AdmeindwdmNgbwictmlowAwTMddtKgKedawdes
it uns wird der Landrat niemals ein Organ der Bun-esagentur für Arbeit werden. Das haben die Landräte iniesem Land wirklich nicht verdient.Schönen Dank.
Ich erteile Kollegen Hans-Werner Bertl, SPD-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Man muss sich wirklich fra-en, warum an Ostern auf einmal von Propheten undraken gesprochen wird. Möglicherweise hat auch derine oder andere in den langen Nächten der Sitzungenes Vermittlungsausschusses Wachträume gehabt.Die Realität in diesem Land sieht Gott sei Dank ganznders aus. Die Frage der Augenhöhe wird glücklicher-eise von verantwortlichen Kommunalpolitikern unden Leitungsgremien der Bundesagentur für Arbeitbenfalls anders gesehen. Es ist eben nicht so, dass Men-chen mit unterschiedlichen Besoldungsgruppen wie
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Hans-Werner BertlA 16, B 4 oder B 5 nicht miteinander verhandeln undStrukturen aufbauen könnten. Diese Strukturen sollendazu dienen, den Menschen in unserem Land, insbeson-dere den Langzeitarbeitslosen kompetente Hilfe auseiner Hand zu geben.Gott sei Dank sieht die Landschaft in unserem Landanders aus. Es gibt zwar unterschiedliche Kompeten-zen, aber es gibt Kompetenzen. Bei den örtlichen Sozial-hilfeträgern werden begleitende Beratung und Therapienangeboten. Hinzu kommen Ortsnähe und Kenntnis derStrukturen. Die Träger haben in der Vergangenheit be-wiesen, dass sie Arbeitsmarktpolitik machen können.Genauso existieren aufseiten der Bundesagentur für Ar-beit regionale und überregionale Vermittlungsstrukturen,mit denen Weiterbildung und Berufsvorbereitung orga-nisiert sowie ärztliche und psychologische Dienste ange-boten werden, die den Menschen zugute kommen.Lieber Karl-Josef Laumann, dieses Parlament wäredoch wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert, wennes uns nicht gelänge, diese beiden Kompetenzen zusam-menzubringen, ohne uns im Gestrüpp zu verheddern, un-ter welchen Bedingungen bzw. auf welcher Augenhöhediese Ebenen zusammenarbeiten. Die Strukturen, die wirorganisieren, ermöglichen es, durch Zusammenlegungvon Arbeitslosen- und Sozialhilfe umfassende Dienst-leistungen in einer vollkommen anderen Struktur vor Ortanzubieten.Ich sage es noch einmal: Gott sei Dank gibt es nichtnur in den 20Modellämtern positive Beispiele. Beam-ten und Angestellten, Direktoren von Arbeitsämtern undMitarbeitern von Kommunen, Sozialdezernenten undOberbürgermeistern ist es wichtig, für die Menschen inihrer Stadt oder ihrem Kreis eine Struktur zu schaffen.Schon seit Monaten sitzen Sozialdezernenten mit denLeitern der Arbeitsagenturen zusammen. Sie haben bei-spielsweise die Frage, wo sie sich zusammensetzen kön-nen, über die wir lange diskutiert haben, längst geklärt.Sie organisieren schon seit Monaten Weiterbildungs-maßnahmen für ihre Mitarbeiter und richten sich daraufein, den Menschen kompetent und vor allen Dingen de-zentral vor Ort ein Angebot zu unterbreiten, welches diegesamte Klaviatur von Arbeitsmarktpolitik, die wir mitden Hartz-IV-Reformen realisiert sehen wollen, umfasst.Ich finde es erstaunlich, wenn hier immer von Zen-tralismus und einer Krake, die das Land bedroht, ge-sprochen wird.
Den Menschen ist es letztendlich egal, ob Arbeitsge-meinschaften oder Optionsmodelle zum Tragen kom-men. Für die Menschen zählt schlicht und ergreifend,dass sie im Gestrüpp von Sozialhilfeträgern und Arbeits-ämtern nicht mehr hin- und hergeschickt werden. Füreine junge Frau mit Kind ist es kein Trost, vom Arbeits-amt zum Sozialamt geschickt zu werden, die Kinder-betreuung zu organisieren, um dann möglicherweisewieder zurückgeschickt zu werden. Erst dann steht siedem Arbeitsmarkt vielleicht zur Verfügung.Sehen Sie denn nicht, dass die erforderlichen Struk-turen der Hartz-IV-Reformen – jenseits aller Überlegun-gwäwDggzksBdwluddSgmbddDWcdgDlsvÜ
iese entscheidende Kompetenz wollen wir auf deneg bringen. Dies werden wir mit diesem Gesetz errei-hen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 15/2816 und 15/2817 an die in der Ta-esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.er Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2816 soll zusätz-ich an den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Ge-chäftsordnung überwiesen werden. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann sind dieberweisungen so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Zwölf-ten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittel-gesetzes– Drucksachen 15/2109, 15/2360 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Gesundheit und Soziale Siche-rung
– Drucksache 15/2849 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Marlies Volkmer
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Präsident Wolfgang Thierse
– Drucksache 15/2850 –Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud LehnDr. Michael LutherAnja HajdukOtto FrickeNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kol-legin Marlies Volkmer, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinterdem technischen Titel des Gesetzes verbirgt sich ein in-teressanter und bedeutsamer Inhalt. Denn wir ändernheute nicht nur das Arzneimittelgesetz ein kleines biss-chen, sondern wir geben der klinischen Arzneimittel-forschung in Deutschland einen neuen Rahmen. Wirüberführen europäisches Recht in deutsches Recht undwir verbessern die Bedingungen für die klinische Arz-neimittelforschung in Deutschland.
Von den neuen Zustimmungs- und Genehmigungsver-fahren wird der Pharmastandort Deutschland profitieren.Kurze Fristsetzungen werden zu einer beschleunigtenBeurteilung beitragen. Europarechtliche Vorgaben wer-den unter Berücksichtigung von Standortaspekten ausge-schöpft.Klinische Forschung findet im Spannungsfeld zwi-schen Forschungsinteressen und dem Schutz von Pro-banden statt. Hohe qualitative Anforderungen an die kli-nische Forschung stehen dabei in keinem Gegensatz zuindustriepolitischen Zielen. Im Gegenteil: Ein hoherStandard beim Probandenschutz und eine damit verbun-dene gute Qualität der Forschung stärkt im internationa-len Maßstab die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem durchein stärkeres Vertrauen der Patientinnen und Patienten indie Teilnahme an klinischen Studien. Das zeigt die Zu-lassungspraxis am weltgrößten Pharmastandort, die Pra-xis der US-amerikanischen Food and Drug Administra-tion.Dem Probandenschutz dient unter anderem die Ver-besserung des Versicherungsschutzes. Ein hohes Schutz-niveau wird dadurch erzeugt, dass künftig neben derGenehmigung durch die Bundesoberbehörde eine zu-stimmende Bewertung der Ethikkommission zwingendnotwendig ist, um eine klinische Prüfung zu beginnen.
Es geht also nicht mehr, dass eine Studie auch imFalle eines negativen Votums der Ethikkommission be-gonnen werden kann.fKsgbKmkbwdVlhSKdsdahpnawngdizEMeWsbtieIddkBnzvk
Auf der einen Seite haben wir bewusst an der Grup-ennützigkeit festgehalten, um alle Möglichkeiten zuutzen, den riskanten Off-Label-Use von Erwachsenen-rzneimitteln zu beenden. Auf der anderen Seite habenir alle Maßnahmen ergriffen, um die an Studien teil-ehmenden Kinder wirkungsvoll zu schützen.Deshalb haben wir im Gesetzgebungsverfahren klar-estellt, was unter minimalen Risiken und Belastungen,ie den Kindern zugemutet werden können, zu verstehenst und was es heißt, dass der natürliche Wille des Kindesu beachten ist. Hierbei sind wir den Empfehlungen dernquete-Kommission „Ethik und Recht in der modernenedizin“ gefolgt.
Dem Schutz minderjähriger Probanden dient auchine Maßnahme, die neu im Gesetz verankert worden ist.enn eine Ethikkommission eine Prüfung bewertenoll, dann erhält sie von der zuständigen Bundesober-ehörde alle relevanten Daten, die für die Bewertung nö-ig und wichtig sind. Denn die Bundesoberbehörde hatm Gegensatz zu den Ethikkommissionen Zugriff auf dieuropäische Datenbank, in der Informationen über dennhalt, den Beginn, aber auch über die Beendigung unden Abbruch von klinischen Prüfungen registriert wer-en. Mit dieser Unterrichtungspflicht können unnötigelinische Prüfungen vermieden werden.Auf Anregung der Kinderkommission des Deutschenundestages haben wir die Bundesregierung gebeten,ach einem Zeitraum von fünf Jahren zu überprüfen undu berichten, wie sich die Änderungen zur Erprobungon Arzneimitteln an Minderjährigen auswirken.Vielfach wurde die Sorge geäußert, dass Universitäts-liniken keine Therapieoptimierungsstudien mehr
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Dr. Marlies Volkmerdurchführen könnten, weil sie durch das Gesetz in dieRolle des Sponsors gelangten. Damit – so die Befürch-tungen – würden sie Anforderungen und Verfahren un-terliegen, die die Universitäten überfordern könnten.Für die geforderten Ausnahmeregelungen stehen demGesetzgeber aber nur begrenzte Möglichkeiten zur Ver-fügung, da das europäische Recht hier eindeutig ist. The-rapieoptimierungsstudien müssen denselben Qualitäts-standards entsprechen wie andere klinische Studienauch. Die bestehenden Möglichkeiten sollten freilich imRahmen der noch zu erlassenden Rechtsverordnung ge-nutzt werden.Uns ist es wichtig, dass Versicherte auch dann An-spruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversi-cherung haben, in denen die medizinische Versorgungim Rahmen einer Erprobung durchgeführt wird. Der Ge-meinsame Bundesausschuss wird hier durch uns aufge-fordert, eine entsprechende Anpassung der Arzneimittel-richtlinien vorzunehmen.Im Jahr der Innovationen erneuern wir das Arzneimit-telgesetz. Das ist ein gutes Zeichen für die pharmazeuti-sche Forschung in unserem Land. Eine starke Pharmain-dustrie in Deutschland verbessert auch die medizinischeVersorgung der Patientinnen und Patienten.
– Das tun wir. – Durch die Einbindung der Ärzte in denEntwicklungsprozess haben die Patientinnen und Patien-ten früher Zugang zu innovativen Medikamenten.Diese Maßnahmen fügen sich in die Bemühungen derBundesregierung zur Fortsetzung der langen Traditionder Arzneimittelforschung und -entwicklung in Deutsch-land ein. Die Taskforce zur Verbesserung der Standort-bedingungen für die pharmazeutische Industrie, die imMai vorigen Jahres eingerichtet wurde, wird in Kürze ih-ren Abschlussbericht vorlegen. Das Forschungsministe-rium fördert seit dem Jahr 2000 klinische Forschung mitinsgesamt 280 Millionen Euro.Ich bin davon überzeugt, das die 12. AMG-Novellezur Stärkung der pharmazeutischen Industrie in Deutsch-land beitragen wird, indem die Verfahren reformiert, dieArzneimittelsicherheit verbessert sowie ein umfassenderProbandenschutz gewährleistet werden.
Das Wort hat nun der Kollege Wolf Bauer, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung der12. AMG-Novelle wird bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht die Chance vertan, den vor-handenen Spielraum im deutschen Interesse auszuschöp-fen. Ich sehe das völlig anders als meine Vorrednerin:Das ist keine Stärkung. Wir hätten uns ganz anders ver-hdtwefmHsÄpnrgwu–KElbdsVhamEzDPcKwdstdnurndGlZddA
inzu kommt, dass die Verhandlungen auch deshalb ge-cheitert sind, weil man uns in letzter Minute mit einemnderungsantrag konfrontiert hat, der rechtlich äußerstroblematisch ist und der in seiner Tragweite nicht in-erhalb von einer Woche zu erfassen war. Die Bundes-egierung hat mit diesem Antrag die Einigungsbemühun-en unnötig beschwert und letztendlich den Weg zueiteren Verhandlungen versperrt.
Hier noch einmal die wesentlichen Argumente, diens veranlassen, dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen einen Teil werde ich anführen, den anderen wird derollege Hüppe gleich noch vortragen –: Bereits in demntschließungsantrag „Klinische Prüfung in Deutsch-and entbürokratisieren“ haben wir unsere Vorstellungeneispielsweise betreffend die Entbürokratisierung undas gesamte komplexe Verfahren der Ethikkommis-ionen dargelegt. Obwohl in der 12. AMG-Novelle dasotum einer Ethikkommission als ausreichend angese-en wird, bestehen die Koalitionsfraktionen weiterhinuf der Beteiligung der lokalen Ethikkommissionen. Da-it ist das Problem des aufwendigen Verfahrens derthikkommissionen nicht gelöst.Weitere Kosten und Erschwernisse sind durch die de-entrale Ansiedlung von Kontaktstellen zu erwarten.as damit verfolgte Ziel einer persönlichen Beratung derrobanden wird ebenfalls nicht erreicht. Die entspre-henden Ländereinrichtungen haben keine detailliertenenntnisse über die klinischen Prüfungen. Sie kenneneder Daten über Beginn, Verlauf und Beendigung nochas Ergebnis einer klinischen Prüfung. Also müsstenich die Länder bei einer Anfrage durch einen Prüfungs-eilnehmer in aller Regel erst bei der zuständigen Bun-esoberbehörde informieren, um überhaupt eine ver-ünftige Antwort geben zu können. Damit entstehen einnnötiger Verwaltungsaufwand und eine Zeitverzöge-ung, die weder im Interesse des Prüfungsteilnehmersoch im Interesse der beteiligten Behörden liegen kann.Unter dem Aspekt der Verbesserung der Standortbe-ingungen ist schließlich die Beibehaltung der explizitenenehmigung für bestimmte Arzneimittel nicht förder-ich.
war haben die Koalitionsfraktionen darauf verwiesen,ass die Genehmigungsfrist höchstens 60 Tage beträgt,ass die Genehmigung also früher erteilt werden kann.ber angesichts der Erfahrung mit der Nachzulassung
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Dr. Wolf Bauerbesteht die Gefahr, dass das BfArM die Bearbeitungauch hier nicht bewältigen kann.Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei Sätze ausdem Abschlussbericht der Kommission „Organisations-strukturen und Verfahrensabläufe des BfArM“ zitieren:Fehlende Gesamtkoordination der Zulassungs-anträge führt zu langen Zulassungszeiten bei dennationalen Zulassungsverfahren.Weiter heißt es:Die Experten arbeiten jedoch weitgehend unabhän-gig voneinander und ohne sich zu fachübergreifen-den Aspekten auszutauschen.Auch wenn diese Aussagen im Zusammenhang mitdem Zulassungsverfahren stehen, sind sie doch nicht ge-eignet, das Vertrauen der Hersteller zu stärken, dass dieBearbeitungszeit von höchstens 60 Tagen eingehaltenwird.In der Anhörung erklärte der damalige Leiter desBfArM, Professor Schwalm, dass 29,5 Stellen benötigtwerden, um die zusätzlichen Arbeiten des BfArM be-wältigen zu können. Überaus spannend ist zu beobach-ten, wie die Bundesregierung versucht, an das notwen-dige Geld für diese Stellen zu kommen. Wie bereitsanfangs erwähnt, tauchte eine Woche vor Abschluss derBeratungen im Gesundheitsausschuss plötzlich ein Än-derungsantrag der Regierungskoalition auf, der die Ver-jährungsfrist für die Gebührenerhebung des BfArM imNachzulassungsverfahren rückwirkend – ich betone:rückwirkend – aufheben soll. Hier reicht uns die Aus-sage des Justizministeriums, man habe keine Einwände,nicht aus. Wir haben weder ein schriftliches Gutachtendes Justizressorts bekommen noch die Zeit gehabt, sel-ber Sachverständige zu diesem Problembereich anhörenzu können.Das BMGS selbst räumt in einem Schreiben an denAusschussvorsitzenden, an den Kollegen Kirschner, ein,dass „es etwa im Rahmen eines konkreten Normenkon-trollverfahrens zur verfassungsgerichtlichen Überprüfungder geänderten Vorschrift kommen“ könnte. Weiter heißtes: „Denkbar wäre auch eine Verfassungsbeschwerde,die ein pharmazeutischer Unternehmer im Anschluss aneine letztinstanzliche Entscheidung des Bundesverwal-tungsgerichts erheben kann.“Rechtssicherheit, ein ganz wichtiges Gut, kanndurch diese Regelung somit nicht erreicht werden. Viel-mehr sind nach dieser Rechtslage weitere Klageverfah-ren zu befürchten, die die personellen und finanziellenRessourcen des BfArM ebenfalls belasten und die Stel-lenvorgaben wahrscheinlich nicht realisierbar machen.In diesem Zusammenhang gibt es – das ist überaus in-teressant – Indizien dafür, dass die Bundesregierung ei-nen Kuhhandel dergestalt versucht hat, ein Entgegen-kommen der Hersteller bei der Verjährung derGebührenerhebung des BfArM mit einem Entgegen-kommen bei den Anforderungen an klinische Prüfungenzu kompensieren.DnkrrdlsAMSksnDaCIddnlRrdrwtbgw
as ist ein mehr als gefährliches Vorhaben. Wir könnenur begrüßen, dass es zu diesem Kuhhandel nicht ge-ommen ist.Ich komme auf den parlamentarischen Bereich zu-ück. Uns gegenüber hat sich die Bundesregierung ge-ade an dieser Stelle keinen Zentimeter bewegt, um aufie berechtigten Forderungen einzugehen. Schon das al-ein ist Grund genug, im Zusammenhang mit diesem Ge-etzentwurf keinen Kompromiss zu schließen.Ich möchte am Schluss meiner Ausführungen an eineussage des neuen SPD-Parteivorsitzenden Franzüntefering erinnern, die er am 11. Januar 2004 in derendung „Sabine Christiansen“ gemacht hat:Die Tatsache, dass die pharmazeutische Industrie inden letzten Jahrzehnten aus Deutschland im We-sentlichen rausgegangen ist, hat auch damit zu tun,dass wir ihnen nicht genügend Möglichkeiten gege-ben haben. Dass die Arbeitsplätze dann auch mitge-hen, ist die Konsequenz daraus.„Möglichkeiten“, das hat auch etwas mit Verlässlich-eit zu tun. Ich kann nur an Sie appellieren, just in die-em Sinne zu arbeiten und diesem Gesetzentwurf dahericht zuzustimmen.Danke schön.
Nun hat Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/
ie Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ichuf das Thema „Bemühungen um eine Einigung mit derDU“ zu sprechen komme, möchte ich einiges zu dennhalten dieses Gesetzes sagen. Ich glaube, daraus wirdeutlich, dass die CDU nicht wirklich gute Gründe hat,ieses Gesetz abzulehnen.Mit der 12. AMG-Novelle macht Deutschland zu-ächst einmal seine Hausaufgaben: Wir setzen die Richt-inie zur guten klinischen Praxis der EU um. Dieseichtlinie war notwendig, weil es sehr unterschiedlicheechtliche Bestimmungen zur Arzneimittelforschung inen EU-Mitgliedstaaten gab. Jetzt wird die Durchfüh-ung multinationaler Prüfungen vereinfacht. Gleichzeitigird – das ist uns sehr wichtig – der Schutz der Patien-innen und Patienten sowie der Probandinnen und Pro-anden innerhalb der EU weiterentwickelt.Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist es gelun-en – mich wundert, dass die CDU das so gar nicht zuürdigen weiß –, entscheidende Schritte weiterzugehen.
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Birgitt BenderMan kann sagen, dass dieses Gesetz ein bedeutenderSchritt ist in Richtung einer Arzneimittelforschung und-versorgung, die die bestehenden unterschiedlichenWirkungsweisen von Medikamenten bei Frauen, beiKindern und bei Jugendlichen tatsächlich berücksich-tigt. Wir alle wissen: Bei etlichen Krankheiten, von de-nen Kinder betroffen sind, gibt es keine Arzneimittel.Möglich ist auch, dass Kindern nicht zugelassene Arz-neimittel gegeben werden, obwohl man nicht weiß, wiesie eigentlich wirken. Gleichzeitig gab es Anhalts-punkte, dass in der Praxis – in einer rechtlichen Grau-zone – an Kindern geforscht wird.Jetzt schaffen wir in diesem Bereich Rechtssicher-heit. Ich dachte eigentlich, die CDU habe hin und wiederauch ethische Fragestellungen im Blick.
– Ja, Herr Hüppe. Da sollten Sie einmal genauer hin-schauen. – Nun wird nämlich klar, in welchen Fälleneine gruppennützige klinische Arzneimittelforschung beiMinderjährigen durchgeführt werden darf. Der Schutzdieser Patientengruppe wird gestärkt:Im Gesetz wird klargestellt, dass eine klinische For-schung an gesunden Kindern nicht durchgeführt werdendarf.Weiterhin haben wir klargestellt, dass der Wille eineskranken Minderjährigen, an einer klinischen Forschungnicht teilzunehmen, beachtet werden muss. Darunter fal-len – das kommt eindeutig zum Ausdruck – auch nichtsprachliche Äußerungen.Außerdem ist diese Forschung nur dann erlaubt, wenndie zusätzlichen Maßnahmen lediglich mit einem mini-malen Risiko und einer minimalen Belastung verbundensind. Auch diese Begriffe haben wir klar definiert.Wir haben eine zusätzliche Anforderung an die Ethik-kommissionen gestellt. Eine Ethikkommission muss beiAnträgen für klinische Forschung an kranken Minder-jährigen kinderheilkundlichen Sachverstand hinzuzie-hen, wenn sie ihn in der Kommission nicht schon hat.Des Weiteren ist es jetzt möglich, Doppeluntersu-chungen – das war ein wichtiges Thema bei der Anhö-rung – zu vermeiden, weil eine Auskunftspflicht derBundesoberbehörde eingeführt wird. Die Behörde mussdie Ethikkommissionen über im europäischen Registervorliegende Informationen zu ähnlichen Studien wie denbeantragten Studien unterrichten. Das ist wirklich imbesten Interesse der Patientinnen und Patienten.Wir haben uns dafür stark gemacht, dass die Arbeitder Ethikkommissionen – die Kommissionen erhaltenjetzt umfassendere Befugnisse und Aufgaben – evaluiertwird. Wir werden uns also in einigen Jahren genauer an-schauen, ob sich das tatsächlich bewährt hat.Lassen Sie mich abschließend an die Adresse derCDU/CSU sagen: Zwischen uns sind nicht die ethischenAspekte streitig geblieben; Ihnen ging es um das liebeGeld. Wie schreiben Sie in einem Antrag? Ihnen geht esdabei um die rückwirkende Erhebung von – wie Sie esausdrücken – bereits verjährten GebührenansprüchenipvsFdntwsdwwgtrtIiWsSa–dvUgsPMnAtnFlcwg
Ich erteile Kollegen Detlef Parr, FDP-Fraktion, das
ort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istchon eine interessante Erfahrung, die wir in diesertunde machen: Die Bundesregierung ist offensichtlichuf eine rote Strickjacke reduziert worden.
Sehr nett, dass Sie mir zuhören und auch noch applau-ieren wollen, Frau Caspers-Merk.Schon in der ersten Lesung haben wir festgestellt: Inielen Punkten der 12. AMG-Novelle sind wir uns einig.nseres Erachtens sind einige wirklich gute Lösungenefunden worden, so zum Beispiel in der Frage der For-chungsmöglichkeiten bei nicht einwilligungsfähigenersonen. Der Gesetzentwurf besagt, dass der Wille voninderjährigen, nicht an einer klinischen Prüfung teilzu-ehmen, sei es durch verbale Äußerung oder sei es durchnzeichen von Furcht oder Schrecken, strikt zu beach-en ist. Die Anregung unseres Kollegen Kolb ist aufge-ommen worden. Dafür herzlichen Dank. Mit dieserormulierung, so denken wir, ist eine sehr gute Grund-age dafür geschaffen worden, dass Kinder und Jugendli-he nicht vom medizinischen Fortschritt abgekoppelterden und ihnen dennoch der höchstmögliche Schutzarantiert wird.
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Detlef ParrEs darf nicht sein, dass Minderjährige gegen ihrenWillen in eine klinische Prüfung kommen. Es darf aberebenso wenig sein, dass die Forschung an und die Ent-wicklung von Arzneimitteln speziell für Minderjäh-rige behindert wird. Kinder und Jugendliche müssendasselbe Recht auf eine adäquate, effiziente und sicherePharmakotherapie wie Erwachsene haben. Wir haben inder letzten Legislaturperiode gemeinsam einen Antragverabschiedet mit dem Ziel, die medizinische Versor-gung von Kindern und Jugendlichen zu sichern und zuverbessern. Darin ist das nachdrücklich unterstrichenworden.Zu begrüßen ist auch, dass es weiterhin möglich seinwird, Pflanzen oder Pflanzenteile zu importieren. DieChancen für naturheilkundliche Produkte dürfen nichtdurch restriktive Regelungen zur Herstellererlaubnis ge-nommen werden. Die Vorschrift ist entsprechend umfor-muliert worden.Auch in anderen Bereichen hätten wir uns wenigerbürokratische Lösungen vorstellen können. So ist unse-res Erachtens nicht nachzuvollziehen, Frau KolleginBender, warum die Zahl der Krankheitsbilder erhöhtworden ist, bei denen eine explizite Genehmigung ein-geholt werden muss. Aus unserer Sicht hat es in der Ver-gangenheit keinerlei Probleme mit der impliziten Geneh-migung gegeben. Deshalb hätte man es dabei belassensollen.Ein weiterer Grund, warum wir den Gesetzentwurfletztendlich doch noch ablehnen, liegt in der Vorlage ei-ner Änderung durch die Regierungsfraktionen erst kurzvor Abschluss des Gesetzes: die rückwirkende Ausset-zung von Verjährungsfristen bei der Erhebung vonGebühren im Rahmen der Nachzulassung. KollegeBauer hat darauf hingewiesen, dass das rechtlich nichthaltbar ist, und ich stimme ihm ausdrücklich zu; das istauch aus unserer Sicht so. Sie versprechen sich offenbareine sichere Einnahmequelle für das BfArM. Das wirdaus unserer Sicht so nicht eintreten. Die betroffenen Fir-men werden – das ist schon heute absehbar – klagen, ichvermute, mit Erfolg. Deswegen tragen wir eine solcheRegelung nicht mit.Letzte Bemerkung zu dem von Ihnen vorgelegtenEntschließungsantrag. Sie fordern die Bundesregierungauf, in Abstimmung mit den zuständigen Landesbehör-den die Wahrnehmung der Aufgaben durch die Ethik-kommissionen zu beobachten, zu evaluieren und nachdrei Jahren einen Evaluierungsbericht vorzulegen. Dashätten wir prinzipiell mittragen können. Was wir aber fürbedenklich halten und deshalb nicht mittragen können,sind die in diesem Antrag formulierten Wertungen unddas damit verbundene Misstrauen gegenüber der Selbst-verwaltung. Sie fragen nach Mängeln und zweifeln an,dass die Ethikkommissionen ihre Bewertungen in Über-einstimmung mit dem medizinisch-wissenschaftlichenErkenntnisstand getroffen haben. Das ist aus unsererSicht erneut Ausdruck des grundlegenden Zweifels derBundesregierung an der Arbeit von Selbstverwaltungenund allem, was nicht staatlich ist.alCBlhsGSEEsh–nHTsmdlnsAkKlAucBpzulnaBedb
Ich erteile das Wort Kollegen Hubert Hüppe, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauender, ich will das an dieser Stelle noch einmal deut-ich machen: Natürlich hat die Novelle des AMG eineohe bioethische Brisanz. Deswegen komme ich auf die-es Thema hauptsächlich zu sprechen. Aus diesemrunde sind wir enttäuscht – auch das darf ich an diesertelle sagen –, dass man den Empfehlungen dernquete-Kommission – Frau Volkmer, Sie haben diesenmpfehlungen in der Enquete-Kommission zuge-timmt – wenn überhaupt, nur teilweise und auch nuralbherzig gefolgt ist.
Ich komme noch auf die einzelnen Punkte.Natürlich ist gerade die Einführung des „Gruppen-utzens“ bei Kindern ein sensibler Punkt. Es ist richtig,err Parr, dass wir uns in dem Ziel einig sind, sichereherapien gerade für Minderjährige, für Kinder zuchaffen. Wir haben dort ein großes Problem, weil dieeisten Mittel für Kinder nicht zugelassen sind. Auchas ist natürlich ein ethisches Problem. Deswegen wol-en wir bessere und sichere Therapien für Kinder.Aber ich sage hier auch ganz deutlich: Das wird sichicht allein mit den Rahmenrichtlinien dieses AMG lö-en lassen. Wir brauchen auch neue Möglichkeiten undnreize für die Pharmaindustrie, sich um diese Dinge zuümmern. Es ist einfach so, dass die Gruppe der krankeninder häufig zu klein ist, als dass sich teure Forschungohnen würde. Es ist ein Irrglaube, dass durch diesesMG alle Probleme gelöst seien. Deshalb müssen wirns auf diesem Gebiet weiterhin viele Gedanken ma-hen.Natürlich habe ich noch immer Probleme mit demereich und auch dem Begriff des so genannten Grup-ennutzens, weil er beinhaltet, dass es sich um fremdnüt-ige Forschung handelt. Allerdings handelt es sich hierm einen etwas anderen Tatbestand; denn bei Kindernag, anders als bei nicht einwilligungsfähigen Erwachse-en, die Einwilligungsfähigkeit nie vor. Deswegen ist,uch auf Drängen der Union, erreicht worden, dass dieegriffe minimales Risiko und minimale Belastungnger gefasst worden sind. Dafür bedanke ich mich anieser Stelle bei allen Parteien, die dazu beigetragen ha-en.
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Hubert Hüppe–„Nicht mit fremden Federn schmücken“ – wenn Sie un-sere Änderungsanträge in diesem Bereich, die Sie alleabgelehnt haben, genau gelesen hätten, wüssten Sie, dassunsere Anträge wesentlich wasserdichter sind als Ihre.Ich darf hier einen weiteren Punkt ausführen, nämlichdie Streichung des Halbsatzes in § 41 der Novelle, indem es hieß, dass praktisch jede klinische Prüfung er-folgen dürfe, die „ihrem Wesen nach nur an Minderjähri-gen“ durchführbar ist. Nachdem wir Sie immer wiederauf diesen Punkt hingewiesen haben, hat es noch bis zurletzten Minute gedauert, bis Sie bereit waren, diesenSatz zu streichen. Ich bin dafür dankbar. Aber wenn Siesagen, dass Sie durch die Streichung die ethischen Prin-zipien vertreten hätten, dann muss ich Ihnen sagen: Siehaben diesen Halbsatz nur gestrichen, weil wir Sie solange gedrängt haben.
Wäre dies nicht geschehen, wäre der Eindruck entstan-den, dass an kranken Kindern fremdnützige Forschungdurchgeführt werden dürfte.
– Alle, die an diesen Verhandlungen teilgenommen ha-ben, wissen, Frau Volkmer, dass Sie zumindest in zweiSitzungen gesagt haben, dass der Satz im Gesetz stehenbleiben soll, weil es vielleicht doch noch etwas gebenkönnte, was gemacht werden soll. Erst in der letzten Sit-zung haben Sie sich vom Gegenteil überzeugen lassen.
Es gibt noch einen anderen Punkt, der mir sehr wich-tig ist. Das Prinzip in der Helsinki-Deklaration, dasskranke Menschen als Studienteilnehmer nicht unbehan-delt bleiben dürfen, haben Sie im Gesetz nicht so veran-kert, wie wir es wollten. Wir wollten insbesondere in Be-zug auf kranke Kinder klargestellt haben, dass imRahmen solcher Studien nicht auf die Standardtherapieverzichtet werden darf, weil es sich nach unserer Mei-nung eben nicht um ein minimales Risiko und nicht umeine minimale Belastung handelt. Wenn Sie wirklich dasgewollt hätten, was in Ihrem Entschließungsantrag ent-halten ist – Sie erwarten darin, dass man im Falle kran-ker Kinder bei klinischen Studien nicht auf die Standard-therapie verzichtet –, dann hätten Sie das in das Gesetzschreiben müssen. Das hätte die Sicherheit gegeben, diewir haben wollen.
Der Bundestag ist ein Gesetzgebungsorgan. Er hat nichtErwartungen zu äußern, sondern er muss das, was ge-wollt ist, in einem Gesetz regeln.Es gäbe noch viele Dinge zu sagen. Ich will aber nurnoch einen letzten Punkt ansprechen. Wir wollen Arz-neimittelsicherheit. Aber wir wollen auch sicherstellen,dass keine Versuche durchgeführt werden, die es schongegeben hat. Wir haben auch hier eine konkrete Forde-rung formuliert und ein nationales Register gefordert.Wir haben in den Verhandlungen gesagt, dass wir Sie un-tmsgIumgIsDdsdAfDsdwEBDuElesinnDsstMod1)2)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Entwurf eines Zwölften Ge-
etzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Es han-
elt sich um die Drucksachen 15/2109 und 15/2360. Der
usschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung emp-
iehlt unter Ziffer 1 seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/2849, den Gesetzentwurf in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/
ie Grünen angenommen.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Dazu liegt eine persönliche
rklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung des Kol-
egen Wodarg vor.2) Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
ntwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
en gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-
ommen.
Unter Ziffer 2 seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 15/2849 empfiehlt der Ausschuss, eine Ent-
chließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
chlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
ungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen
ehrheit wie soeben angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 28. April 2004, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen allen eine heitere Osterzeit.
Die Sitzung ist geschlossen.