Protokoll:
1137

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 137

  • date_rangeDatum: 20. April 1951

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:32 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:33 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. April 1951 5385 137. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5385C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie 5385D Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß 5385D Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes 5385D Wahl des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Absatz 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 166) . . 5385D Änderungen der Tagesordnung 5386A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen (Nr. 1909 der Drucksachen) 5386A Erler (SPD), Berichterstatter . . . 5386B Mellies (SPD) 5391B Dr. Bertram (Z) 5393B Dr. Koch (SPD) . . . 5396A, 5419C, 5422A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 5401B Loritz (WAV) 5404D Dr. Dresbach (CDU) 5405D Müller (Frankfurt) (KPD) 5407C Dr. Besold (BP) 5409C Ewers (DP) 5411C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5413A Pelster (CDU) 5421C Abstimmung 5422B Zur Geschäftsordnung — Vertagungsantrag: Dr. Wuermeling (CDU) 5422B Mitteilung über Veröffentlichung in der Zeitschrift „Der Beamtenbund" betr. Ausgaben für den Bundestag: Dr. Ehlers, Präsident 5422C Nächste Sitzung 5422C, 5423D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113700000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 137. Sitzung der Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Wilhelm Tenhagen (SPD):
Rede ID: ID0113700100
Entschuldigt sind die Abgeordneten Jacobi, Brese, Mayer (Stuttgart), Neuburger, Gerns, Bauereisen, Fürst Fugger von Glött, Dr. Jaeger, Kahn, Dr. Solleder, Strauß, Freitag, Dr. Baade, Müller (Worms), Dr. Oesterle, Kalbitzer, Frau Albertz, Dr. Semler, Niebergall, Paul (Düsseldorf), Agatz, Dr. Schatz.
Der Herr Präsident hat dem Abgeordneten Dr. Gerstenmaier Urlaub für eine Woche erteilt.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113700200
Meine Damen und Herren, die übrigen Mitteilungen, die noch zu machen sind, werden wie üblich ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat am 19. April 1951 mitgeteilt, daß er beschlossen hat, zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen.
Er hat weiter mitgeteilt, daß er dem beschlossenen Entwurf einer gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zustimme.
Zu dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes, hat er die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Wahl des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Absatz 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 166).
Nach dem Wahlprüfungsgesetz besteht der Wahlprüfungsausschuß aus sieben ordentlichen Mitgliedern und sieben Stellvertretern und je einem ständigen beratenden Mitglied der Fraktionen, die in ihm nicht durch ordentliche Mitglieder vertreten sind. Er wird vom Bundestag für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Da der Wahlprüfungsausschuß wie die übrigen Ausschüsse bisher in der nach der Geschäftsordnung für die Bestellung von Ausschüssen vorgesehenen Form zusammengesetzt ist, also nicht vom Bundestage selbst gewählt ist, muß eine Wahl stattfinden. Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat haben die Fraktionen, die Mit-




(Präsident Dr. Ehlers)

glieder oder die beratende Mitglieder für den Wahlprüfungsausschuß zu stellen haben, Vorschläge gemacht. Ich darf Ihnen die Vorschläge bekanntgeben.
Für die CDU/CSU: Funk, Mühlenberg; für die SPD: Hoecker, Dr. Mommer, Runge; für die FDP: Dr. Schneider; für die DP: Ewers. Als Stellvertreter für die genannten Abgeordneten werden die folgenden Abgeordneten benannt: für die CDU/CSU: Dr. Wahl, Kemper; für die SPD: Peters, Steinhörster, Frau Lockmann; für die FDP: Kühn; für die DP: Dr. Mühlenfeld. Als ständige beratende Mitglieder der Fraktionen, die in dem Ausschuß nicht durch ordentliche Mitglieder vertreten sind, werden die folgenden Abgeordneten benannt: für die KPD: Müller (Frankfurt); für die BP: Freiherr von Aretin; für die WAV: Schuster; für das Zentrum: Ribbeheger.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Sie diesen Vorschlägen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Wahl ist einstimmig erfolgt. —
Ich darf zur Tagesordnung noch darauf hinweisen, daß auf Antrag der Fraktion der KPD der Punkt 5 der heutigen Tagesordnung, betreffend Memorandum der amerikanischen Hohen Kommission an die Bundesregierung, abgesetzt werden soll, da der Herr Abgeordnete, der diesen Antrag begründen soll, erkrankt ist. — Ebenfalls ist der Punkt 6 der Tagesordnung, betreffend Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, auf Wunsch des Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität abgesetzt worden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen);

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0113700300

Einzelplan VIII - Haushalt 'des Bundesministeriums der Finanzen (Nr. 1909 der Drucksachen).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Erler. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen, indem ich noch darauf hinweise, daß nach der Vereinbarung im Ältestenrat eine Aussprachezeit von 240 Minuten vorgesehen werden soll. — Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Bitte, Herr Abgeordneter!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0113700400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist das Schicksal des Haushaltsberichterstatters, nicht jene leidenschaftliche Aufmerksamkeit zu finden, die sich den Problemen der aktuellen Politik und den Auseinandersetzungen darüber zuwendet.

(Abg. Bausch: Das wissen Sie doch noch gar nicht!)

Aber dennoch möchte ich mich bemühen, Ihnen einen Überblick über den Haushaltsplan des Bundesministeriums der Finanzen und den Aufgabenkreis des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden und schließlich übér den Gang der Beratungen im Haushaltsausschuß selbst zu geben.
Der Einzelplan VIII, den Sie sowohl in seiner ursprünglichen Form als auch mit den Abänderungen in der Drucksache Nr. 1909 vor sich liegen haben, besteht wie alle Pläne der verschiedenen Ministerien aus dem einleitenden Kapitel, das sich mit den Aufgaben des Ministeriums selbst befaßt, und den — hier in diesem Falle elf — weiteren Kapiteln für die nachgeordneten Behörden. Auf die nachgeordneten Behördén werde ich später bei den Einzelheiten der betreffenden Kapitel eingehen. Am bedeutungsvollsten unter diesen nachgeordneten Behörden sind Kap. 4, Bundesfinanzverwaltung — Abteilung Steuer, Kap. 5, Bundesfinanzverwaltung — Zoll, und schließlich Kap. 7, Hauptamt für Soforthilfe. Was ich hier mit der Bedeutung meine, das ist keine Wertung, sondern das ist einfach der Platz, den diese verschiedenen Kapitel mit ihrem Schwergewicht in personellen und sachlichen Ausgaben in dem gesamten Plan des Bundesministeriums der Finanzen einnehmen.
Das Schwergewicht der Ausgaben dieses Ministeriums — es handelt sich um Gesamtausgaben von rund 350 Millionen DM — liegt ganz eindeutig bei den persönlichen Verwaltungsausgaben mit 161 Millionen DM. Davon entfällt der größte Teil mit 150 1/2 Millionen DM auf den Zoll. Das Ministerium selbst ist mit 7 933 000 Mark nur ein Waisenknabe, und ein noch kleinerer Waisenknabe ist die Abteilung Steuer mit 587 000 Mark. Selbst das Hauptamt für Soforthilfe mit seinen 628 000 Mark persönlichen Verwaltungskosten nimmt sich neben den 150 Millionen Mark Verwaltungskosten des Zolls recht bescheiden aus.
Der gleiche Sachverhalt — das erklärt sich aus dem inneren Zusammenhang — findet sich selbstverständlich auch beim Personalbestand. Im Gesamtplan sind 34 760 Bedienstete, und zwar 29 660 Beamte, 3 048 Angestellte und 1 155 Arbeiter, vorhanden. Der Rest verteilt sich auf abgeordnete Beamte und Beamte, die sich noch in der Ausbildurng befinden. Von diesen 34 760 Köpfen stellt die Zollverwaltung wieder den mit Abstand größten Teil, ja fast das Ganze, nämlich allem 33 583 Personen, von denen 29 013 Beamte sind. Wie klein im Vergleich mit dieser riesigen Zollverwaltung das Ministerium sich ausnimmt, können Sie dessen Zahlen entnehmen: Es handelt sich um 780 Köpfe, davon 431 Beamte und 260 Angestellte. Für uns ist ein Vergleich des Ministeriums in seinem jetzigen Aufbau mit dem alten Reichsfinanzministerium nicht uninteressant. Im Jahre 1938 hatte das Reichsfinanzministerium ohne Arbeiter 907 Bedienstete, — das Bundesfinanzministerium besitzt nach dem jetzigen Plan ohne Arbeiter 715.
Der Haushaltsausschuß hat für einen großen Teil der behandelten Kapitel, auch für das eigentlich interessante, nämlich für das Ministerium selbst, Gutachten des Bundesrechnungshofes zur Verfügung gehabt. Es ist diesen Gutachten im wesentlichen gefolgt; allerdings hat es sich nicht vermeiden lassen, von einem Gutachten abzuweichen, wenn es bereits einige Monate — wie es in Einzelfällen der Fall gewesen ist — alt war und der Lauf der Ereignisse auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung sich inzwischen so weiterentwickelt hat, daß dies notwendig erschien. Ähnlich wie bei den anderen Plänen haben wir die Einnahmen und Ausgaben nicht mehr nur vorabschätzen müssen, sondern wir konnten uns nach den tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben richten, allerdings mit der einen Einschränkung, daß wir irgendwelche Zufälligkeiten des Jahres 1950 ausschalten mußten, wenn wir die Absicht, die wir ja miteinander haben, verwirklichen wollten, diesen Plan gleichzeitig auch im wesentlichen für das Jahr 1951 zu übernehmen.


(Erler)

Ich werde auf die Einzelheiten dieser Berichtigungen überhaupt nicht eingehen; sie verstehen sich von selbst. Dieses ganze Zahlenwerk Ihnen hier vorzutragen, wäre sinnlos; Sie können ja der Drucksache Nr. 1909 alle Einzelheiten entnehmen. Nur das Gesamtergebnis wird Sie sicherlich interessieren.
Die in der ursprünglichen Vorlage vorgesehenen Einnahmen von 40 670 600 Mark haben als Ergebnis der Beratungen eine Kürzung — die Einnahmen waren nicht in diesem Umfange zu erwarten — auf 39 449 500 Mark erfahren müssen. Um irgendwelchen Irrtümern bei denjenigen Kollegen, die nicht derart in den Haushaltsberatungen wie die Mitglieder des Haushaltsausschusses drinstecken, vorzubeugen, möchte ich klarstellen, daß es sich bei diesen Einnahmen selbstverständlich nur um die Verwaltungseinnahmen im engeren Sinne handelt, nicht etwa um das, was der Bundesminister der Finanzen für uns alle an Einnahmen aus der Steuer- und Zollpolitik zu erzielen hat. Diese Einnahmen befinden sich in einem besonderen Einzelplan des Haushalts.
Die Ausgaben sind von 347 613 200 Mark als Ergebnis der Beratungen auf 347 537 200 Mark herabgesetzt worden. Trotz der Senkung der Ausgaben um 76 000 Mark, die sich nun nicht an einigen bestimmten Punkten niederschlägt, sondern die sich aus vielen einzelnen Ermäßigungen und Erhöhungen zusammensetzt, ist der Zuschußbedarf für dieses Ministerium infolge noch stärkeren Rückgangs der Einnahmen um über 1 Million Mark gestiegen.
Der Haushaltsausschuß hat bei seinen Beratungen die sehr ausführlichen Darlegungen des Bundesrats verwertet, sie geprüft und sich in vertretbarem Umfange auch zu eigen gemacht. Der Bundesrat hat nur gegen die Personalaufwendungen bei den Kapiteln 1, 4 und 5 Einwendungen erhoben, also beim Ministerium, bei Zoll und Steuer und auch dort eigentlich nur bei den Beamten. Den Ansatz für die Angestellten und Arbeiter hat auch der Bundesrat nicht beanstandet. Bei den übrigen Kapiteln des Haushaltsplans hat er den Ansatz ganz gebilligt.
Im Haushaltsausschuß wurde kritisiert, daß gerade beim Bundesministerium der Finanzen die ersten Entwürfe des Finanzministeriums viel erheblicherer und öfter wiederholter Korrekturen bedurften als bei vielen anderen Ministerien. Das hätte gerade der für die Haushaltsgebarung verantwortlichen Stelle des Bundes eigentlich nicht unterlaufen dürfen und läßt darauf schließen, daß mitunter bei den zuständigen Stellen des Bundesfinanzministeriums nicht der notwendige klare Überblick über die Entwicklung vorhanden gewesen ist, wie er eigentlich vorausgesetzt werden müßte. Z. B. war es dem Ministerium nach Beanstandung durch den Bundesrat möglich, auf 20 ursprünglich beantragte Planstellen zu verzichten. Das ist ein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der erste Entwurf wohl doch ein klein wenig zu großzügig aufgestellt worden ist. Auch die Sachausgaben wurden im Laufe der Beratungen sehr häufig berichtigt.
Nun komme ich zu den einzelnen Kapiteln, und zwar zunächst zum Kap. 1, Bundesministerium der Finanzen. Bei der Einnahme im Tit. 1 möchte ich darauf hinweisen, daß die Einnahmen aus Dienstwohnungen und Dienstgrundstücken nicht etwa diejenigen Einnahmen enthalten, die hier in Bonn und Frankfurt aus den Wohnungen anfallen, die aus
Bundesmitteln errichtet worden sind. Diese Wohnungen sind von besonderen Bauträgern erstellt worden; für sie hat der Bund nur Darlehen gegeben. Sie erscheinen also nicht bei den Einnahmen aus Dienstwohnungen und Dienstgrundstücken.
Zur Ausgabe! Der interessanteste Titel ist Tit. 1, der uns einen Überblick über den Personalbestand und die Notwendigkeiten der Ausstattung mit ständigen Beamtenstellen gibt. Der Personalbestand ist gegenüber dem Jahre 1949 beim Bundesfinanzministerium ganz erheblich vermehrt worden. Diese Vermehrung hat ihre Gründe: sie war zum größten Teil unumgänglich. Ich darf auf die Gründe hier hinweisen, und zwar verhältnismäßig detailliert, weil wir bei der Gelegenheit einen guten Überblick bekommen über all das, was dem Bundesfinanzministerium an neuen Aufgaben hinzugewachsen ist. Es handelt sich um die Beteiligung des Ministeriums an der Ausarbeitung des neuen Beamtenrechts, um die Gestaltung des Versorgungs- und Besoldungsrechts der öffentlichen Bediensteten, um die Neuordnung der Tarife für Arbeiter und Angestellte, ferner einfach um die Zunahme des sachlichen Umfangs des Bundeshaushalts bei allen übrigen Ministerien. Die Zusammenfassung geschieht ja in der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums. Es handelt sich weiter um den völlig neu zu gestaltenden Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, um den Übergang zahlreicher Aufgaben der Länder auf den Bund nach dem Überleitungsgesetz mit Wirkung .vom 1. April 1950, um den neu geschaffenen Betriebsprüfungsdienst, um das Sonderreferat hierfür, das sich auch mit den Fragen der Ausbildung des Beamtennachwuchses befaßt — beides Dinge, die für den geordneten Eingang der Steuern von außerordentlich großer Bedeutung sind —, um die sehr komplizierten Probleme des Besatzungskostenhaushalts, um das neue Haushaltsrecht, das wir uns einmal geben müssen und das sich jetzt in Vorbereitung befindet. Um den Aufgaben, wie sie angewachsen sind, gerecht werden zu können, sind Zoll- und Steuerabteilung im Ministerium jetzt getrennt worden; früher waren sie zusammengefaßt.
Bei der Abteilung III des Ministeriums liegt infolge der Eingliederung der Länderzollverwaltungen, des Ausbaus der Devisenkontrolle und infolge der Schmuggelbekämpfung jetzt das Hauptschwergewicht. Es ist ein neuer Zolltarif zu erarbeiten. Schließlich müssen wir auch daran denken, daß die Verwaltung der vom Bund in Anspruch zu nehmenden Teile der Einkommensteuer dem Bundesfinanzministerium neue Aufgaben verursacht.
Zur Abteilung V liegt eine alte Streitfrage vor, die auch dem Hause hier einmal in gehöriger Form unterbreitet werden muß. Es handelt sich darum, wer die Zuständigkeit für das Währungs-, Geld-und Kreditwesen hat. Die Abteilung ist weiterhin zuständig für Börsen, Banken und Versicherungen. Im Bundeskabinett ist noch kein endgültiger Beschluß gefaßt worden, ob diese Abteilung, wie es ein großer Teil des Hauses und auch des Haushaltsausschusses wünschte, beim Bundeswirtschaftsministerium untergebracht wird, oder ob sie beim Bundesfinanzministerium zu verbleiben hat.
Dort wird auch die Joint Export and Import Agency abgewickelt, und zwar das Vermögen, das sie noch besitzt. Dort müssen auch das Bundesbankgesetz und das Großbankgesetz vorbereitet werden. Dort liegt auch die Federführung für die Angelegenheiten der Vertriebenen-Bank.


(Erler)

Auf die Frage der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung muß ich noch besonders eingehen, weil es sich dabei um einen interessanten Komplex handelt.
Bei der Aufzählung von neu zugewachsenen Aufgaben des Ministeriums soll noch hingewiesen werden auf den Lastenausgleich, auf die Unterhaltung einer kleinen Verbindungsstelle in Berlin und im Zusammenhang damit auf eine kleine, aber interessante Angelegenheit: In Berlin haben wir sieben TOA-Stellen für das Archiv des früheren Reichsfinanzministeriums geschaffen, dessen Auswertung sich für die Bedürfnisse des Bundes als außerordentlich nützlich erwiesen hat.
Schließlich ist wie in der gesamten Bundesverwaltung, auch ohne daß neue Aufgaben hinzugetreten sind, der Geschäftsanfall allgemein gewachsen. Hier kann ich Ihnen eine interessante Zahl nennen. Im Januar 1949 gingen in der Registratur des Ministeriums bei 283 Bediensteten 3192 Schriftstücke ein. Das waren, wenn man das in ein Verhältnis setzt, auf den Bediensteten 11,27. Im April 1950 waren es 12 712 Eingänge bei 449 Bediensteten, also auf den Kopf 28,31. Im November 1950 waren es 21 850 Eingänge bei 674 Bediensteten, auf den Kopf also 32,41. Sie sehen daraus, wie nicht nur die Belastung des Ministeriums, sondern auch die Belastung eines jeden einzelnen Angehörigen dieses Ministeriums gewachsen ist.
Nun zum Personalbestand des Ministeriums! Das Gutachten des Bundesrechnungshofs über die Organisation ist vom Ministerium nicht voll befolgt worden. Trotzdem ist es bei der Beratung des Gutachtens möglich gewesen, erhebliche Einsparungen an Stellen gegenüber den ursprünglichen Mehranforderungen des Ministeriums zu erzielen. Das Ministerium hat sich in einer Reihe von Fällen nicht die Vorschläge des Bundesrechnungshofs zu eigen gemacht. Es beharrte z. B. auf dem Verbleib der Abteilung Beamtenrecht in seiner eigenen Abteilung I, der Organisationsabteilung, und ließ die Rechtsabteilung als besondere Abteilung bestehen, während der Bundesrechnungshof die umgekehrte Lösung vorschlug.
Im Zusammenhang mit dem Schicksal der Abteilung V möchte ich sagen, daß der Haushaltsausschuß Wert darauf gelegt hat, daß uns das Finanzministerium für das nächste Jahr den Plan einer klaren, endgültig abgegrenzten Organisation vorlegt. Wir wollen auch festhalten, daß der personelle Aufbau des Ministeriums — das ist auch die Meinung des Bundesrats — mit dem jetzigen Personalstand im großen und ganzen abgeschlossen sein muß. Irgendwelche weiteren Stellenvermehrungen dürften eigentlich nun nicht mehr zu erwarten sein.
Zu Tit. 14 der Ausgaben nur ein Beispiel für die ständigen Erhöhungen des Sachaufwands durch den vermehrten Geschäftsanfall und für die wiederholten Korrekturen der ursprünglichen Ansätze: Die Ausgaben an Postgebühren und ähnlichen Aufwendungen mußten gegenüber der Regierungsvorlage um 151 000 DM auf 444 000 DM erhöht werden. Das nur als ein Beispiel für viele andere.
Ein weiteres Beispiel mag Ihnen der Hinweis darauf sein, daß allein die Kosten der Reinigung der Gebäude des Finanzministeriums 100 000 DM betragen, wenn auch diese Reinigung durch ein Institut vorgenommen wird und der Minister glaubt, daß das eine zweckmäßigere Lösung sei, als die Reinigung in eigener Regie durchzuführen. Der Ausschuß hat hierüber bestimmte Untersuchungen gewünscht, um zu klären, welches Verfahren zweckmäßiger ist. Das ist ein Beispiel dafür, wie sehr der Haushaltsausschuß sich bemüht hat, auch in einzelnen Ausgaben der Verwaltung bei ihrer Ausgabenpolitik an die Hand zu gehen und ihr konkrete, durchführbare Ratschläge zu erteilen. Auf weitere Einzelheiten darf ich hier wohl verzichten.
Nun zur Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung. Sie hat ihre Arbeit am 1. Oktober 1950 aufgenommen. Die jetzige Gestaltung der Eingliederung in die Abteilung II des Ministeriums ist nur eine Hilfslösung. Der Ausschuß war sich vollkommen darüber einig — wir decken uns hier mit dem Vorschlag des Bundesrechnungshofs —, daß diese Sonderabteilung zu einer selbständigen Bundesoberbehörde gestaltet werden sollte. Ihre Aufgaben liegen nicht unmittelbar auf der ministeriellen Ebene. Sie hat eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen, aber eben doch nicht die Aufgabe, die Gesetzgebung vorzubereiten. Ihre Aufgaben liegen auf anderem Gebiet. Der Ausschuß hält daher die schnelle Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Errichtung einer solchen Bundesoberbehörde für dringend erwünscht.
Die Arbeit der Sonderabteilung wird vom Ausschuß voll anerkannt. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, durch ihre ständigen Bemühungen bei den Alliierten auf niedrigere Besatzungskosten hinzuwirken sowie auf eine zweckmäßige Verwendung der Kosten, auf eine anständige Behandlung der sozialen Fragen der durch die Besatzungseingriffe betroffenen Bevölkerung, auf eine sorgfältige Zusammenfassung des statistischen Materials, auf die Preisprüfung für alle Aufwendungen, die durch die Besatzung verursacht werden, vor allem auf eine stärkere Einschaltung deutscher Stellen in den gesamten Komplex der Lieferungen und Leistungen für die Besatzungsmacht. Schließlich hat sie sich auch die Erarbeitung von Richtlinien für die Abgeltung von Besatzungsleistungen zum Ziel gesetzt.
Aus diesem Programm ersehen Sie schon, um welch wirklich wichtigen Aufgabenkreis es sich dabei handelt, welche Milliardenwerte hier auf dem Spiel stehen und welch systematische Kleinarbeit geleistet werden muß, um den deutschen Verhandlungsführern mit hieb- und stichfestem Material an die Hand gehen zu können. Was bisher von dieser Stelle erarbeitet worden ist, war für alle Beteiligten von großem Wert.

(Abg. Bausch: Sehr richtig!)

Die Einzelheiten derjenigen Beträge, die durch jene Stelle laufen, Ihnen vorzutragen, ist nicht meines Amtes. Das werden wir tun, wenn wir den Besatzungskostenhaushalt hier beraten. Ich spreche nur über die Organisation und die Einrichtung dieser Stelle.
Dabei tauchen einige Probleme auf. Eines dieser Probleme ist die Abgrenzung zur Zentralstelle für Besatzungsbedarf beim Bundeswirtschaftsministerium. Diese Zentralstelle sollte in die Bundesstelle für den Warenverkehr eingebaut werden. Sie hat andere Aufgaben als jene, die ich Ihnen eben dargelegt habe. Die Bundesstelle für den Warenverkehr wird sich mit der güterwirtschaftlichen Seite der Deckung des Besatzungsbedarfs dann zu befassen haben, wenn im Rahmen der gesamten deutschen wirtschaftlichen Situation konkrete Engpässe überwunden werden müssen. Dann muß man die Bundesstelle für den Warenverkehr mit diesem Organ einschalten. Eine weitere Frage sauberer


(Erler)

Abgrenzung ergibt sich im Verhältnis zu dem Amt Blank in den Fragen der Unterbringung der Besatzungstruppen in Deutschland.
Das Beschaffungswesen für die Besatzungstruppen ist in der britischen Zone schon weitgehend auf die Sonderabteilung übergegangen. Der Haushaltsausschuß hofft, daß eine ähnliche Lösung bald auch für die beiden anderen Zonen gefunden werden möge. Auch hierüber wird wohl die Aussprache bei der Beratung des Besatzungskostenhaushalts stattfinden.
Die Organisation der Besatzungslastenverwaltung in den Ländern ist außerordentlich verschieden. Es handelt sich dabei um eine Auftragsangelegenheit, die die Länder im Auftrage des Bundes wahrnehmen. Um zu einwandfreien statistischen Unterlagen zu kommen, wird es notwendig sein, hier eine gewisse organisatorische Angleichung des verschiedenen Zustandes in den Ländern herbeizuführen. Es wäre wichtig, daß ein neues Verwaltungsabkommen auf dieser Grundlage zustande käme, mit dessen Ausarbeitung sich die Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung wohl bereits befaßt.
Damit verlasse ich das Kap. 1 und komme zum Kap. 2 über den Bundesfinanzhof. Er ist durch Gesetz vom 29. Juni 1950 geschaffen worden. Seine Aufgaben können Sie im einzelnen aus der Seite 4 des Einzelplans VIII ersehen. Er entscheidet auf dem Gebiete des Steuerrechts in letzter Instanz, ist im übrigen auch Gutachter für steuerrechtliche Fragen und für die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Steuerrechtes. Der alte Reichsfinanzhof hatte sechs Senate; der neue Bundesfinanzhof hat deren vier.
Der Ansatz ist niedriger, als er für ein volles Jahr, etwa 1951, zu erwarten ist, weil er nur für sieben Monate bemessen ist, nämlich vom 1. September 1950 ab, als der Bundesfinanzhof tatsächlich seine Tätigkeit aufnahm. Die Einrichtung des Bundesfinanzhofs hat sich insofern verändert, als ihm jetzt auch der Spruchsenat in Soforthilfesachen eingegliedert ist. Ich möchte Ihnen den Wunsch nicht verschweigen, der, obgleich er im Haushaltsplan einen konkreten Niederschlag nicht gefunden hat, doch ein Anliegen des Haushaltsausschusses war, daß nämlich die Finanzgerichtsbarkeit nach Möglichkeit überhaupt, auch auf den unteren Stufen, Bundescharakter bekommt.
Nun zu Kap. 3, Bundesbaudirektion. Sie ist durch Kabinettsbeschluß vom 17. März 1950 für die Bauten in Bonn geschaffen worden und umfaßt ein Personal von 45 Köpfen, meist Angestellten. Es sind 8 Beamte dort. Die Aufgaben der Bundesbaudirektion sind dem Hause im Zusammenhang mit der Errichtung der Ministerien in Bonn im großen und ganzen bekannt. Irgendwelche Einwendungen gegen den Haushaltsplan sind hier nicht erhoben worden.
Zum Kap. 4, Bundesfinanzverwaltung — Steuer! Es handelt sich hier um die Umsatz- und Beförderungsteuer des Bundes, der für diesen Zweck bei den Oberfinanzdirektionen ein eigenes Personal von 85 Bediensteten unterhält. Der Hauptposten, der hier ausgeworfen wird, ist nicht der Posten für dieses Personal, sondern die in Tit. 29 enthaltene Entschädigung an die Länder für die Mitwirkung bei der Verwaltung von Bundesabgaben. Diese beträgt 100,4 Millionen DM, errechnet nach 2 % des Gesamtaufkommens der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine Verdoppelung dieses Postens gefordert, weil die Länder sonst ihre tatsächlichen
Kosten nicht erstattet bekämen. Genauere Erhebungen haben aber ergeben, daß die Selbstkosten der Länder in diesem Betrage von über 100 Millionen DM auch auf dem Gebiete der Umsatzsteuer und der Beförderungsteuer reichlich gedeckt sind. Der Haushaltsausschuß hat sich daher nicht entschließen können, dem Begehren des Bundesrates in diesem Punkte zu entsprechen.
Weiter ist in Kap. 4 der Betriebsprüfungsdienst für die Umsatzsteuer und Beförderungsteuer bei den Oberfinanzdirektionen eingebaut. Es handelt sich dabei um 30 Beamte, und zwar 2 für jede Oberfinanzdirektion. Das ist ein sehr kümmerlicher Anfang. Wir wollen hoffen, daß der Bund auf diese Weise die Möglichkeit hat, sich in stärkerem Umfange als bisher um den Eingang seiner eigenen Steuern bei den Ländern zu kümmern. Es erhebt sich ja ohnehin die Frage, wieweit der Bund dann tatsächlich auch das Recht der Mitverwaltung bei der Einkommensteuer, soweit er sie in Anspruch nimmt und sie ihm nach dem Grundgesetz zusteht, in Anspruch nehmen kann. Ich werfe diese Frage auf. Sie ist im Haushaltsausschuß in aller Kürze einmal diskutiert worden. Es ist aber nun nicht unseres Amtes, diese Debatte weiterzuführen. Sie sehen nur, in welche Probleme wir hier bei der Beratung der Organisation des Bundesfinanzministeriums hineinkommen.
Für die Konzernprüfung ist eine zentrale Betriebsprüfungsstelle mit 10 Beamten und 11 Angestellten geschaffen worden.
Nun komme ich zu Kap. 5, Bundesfinanzverwaltung — Zoll. Das ist jenes Kapitel, das den Löwenanteil der persönlichen Verwaltungsausgaben verursacht.
Bei der Einnahme noch einmal der Hinweis: Es handelt sich nur um die Verwaltungseinnahme. Es sind nicht unerhebliche Einnahmen, allein 3 Millionen DM aus Dienstgrundstücken, und zwar von den vielen Zöllnern, die in den Dienstgebäuden der Zollverwaltung ihre Wohnung haben. Es werden 10,5 Millionen DM an Gebühren und Strafen und 15,1 Millionen DM als Erstattung von Verwaltungskosten vereinnahmt. Sie werden sich wundern, was an Verwaltungskosten erstattet wird. Das ist sehr einfach. Es handelt sich umgekehrt wie vorhin um die Vergütung, die für die Verwaltung des Branntweinmonopols gezahlt wird —2 Millionen DM —, und um die Vergütung der Länder an den Bund für die Verwaltung der Biersteuer in Höhe von 4 % von 325 Millionen DM gleich 13 Millionen DM.
Und nun die Ausgaben. Hauptposten sind die rund 33 500 Bediensteten im Zolldienst. Es ist im Rahmen dieses Berichtes unmöglich, die vielen einzelnen Fragen zu behandeln, die im Haushaltsausschuß in diesem Zusammenhang erörtert worden sind. Ich will sie nur einmal aufzählen: es sind die Grenzabfertigung, die Personalzusammensetzung der Zollverwaltung, die Errichtung neuer Zollgebäude, die Verzollung von Liebesgabensendungen, die Schmuggelbekämpfung. Alle diese Probleme sind im Haushaltsausschuß sehr eingehend besprochen worden.
Im Zusammenhang mit dieser Erörterung hat der Haushaltsausschuß der Verstärkung des Zollgrenzpersonals um 1200 Mann, und zwar 900 Angestellte und 300 Beamte, zur besseren Schmuggelbekämpfung zugestimmt. Diese Erhöhung des Personalbestandes im ganzen gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag war erforderlich durch die erfreuliche Steigerung der Ein- und Ausfuhr und


(Erler)

der damit verbundenen zollamtlichen Abfertigungen, durch die verstärkte Postzollabfertigung und schließlich auch durch die Ausfuhrvorabfertigung in den Betrieben. Sie können auf den Seiten 8 bis 10 des vervielfältigten Materials im Anhang zur Drucksache Nr. 1909 in einer Übersicht, die dort ziemlich detailliert gegeben wird, entnehmen, daß bei der Übernahme auf den Bund trotzdem in diesem Plan der Bundeszollverwaltung 1129 Stellen weniger vorhanden sind, als vorher bei den Ländern tatsächlich vorhanden waren. Ich glaube, das ist für uns eine nicht unerfreuliche Feststellung.
Zu Tit. 4 darf ich darauf hinweisen, daß wir für Angestellte 1,7 Millionen DM mehr angesetzt haben, als ursprünglich gefordert wurden. Hierin sind auch die Devisenüberwachungsstellen enthalten, die uns ja besonders interessieren. Im Jahre 1950 waren in der Devisenüberwachung 169 Angestellte tätig. An Bußgeldern und Strafen sind rund 1 650 000 DM aufgekommen. Eine systematischere und bessere Bekämpfung der Kapitalflucht, die einen erheblichen Umfang angenommen hat, wird wohl diesen Eingang an Bußgeldern und Strafen noch erheblich steigern.
Es ist notwendig, das Zollpersonal für seine schwierigen Aufgaben besser zu schulen. Zu diesem Zwecke ist in Bonn-Duisdorf die Zollschule mit einem Stammpersonal von 54 Beamten geschaffen worden. Außerdem haben wir 450 000 DM für die erste Einrichtung dieser Schule, die immer gleichzeitig mehrere hundert Beamte des 33 000köpfigen Personals aufnimmt, bewilligt.
Im Zuge der Schmuggelbekämpfung ist auch eine bessere technische Ausstattung der Zollorgane draußen notwendig. Es handelt sich um Fahrzeuge, Funkgeräte und andere technische Dinge. Daher finden Sie bei den einmaligen Ausgaben in Kap. 15 4 025 000 DM für den vordringlichsten technischen Bedarf der Zollverwaltung. Die näheren Einzelheiten finden Sie auf Seite 78 des ursprünglichen Einzelplanes VIII. Im Zusammenhang damit stehen in Tit. 3 718 000 DM für 62 Mannschafts- und Lastkraftwagen, 10 Personenkraftwagen und 20 Beiwagenkrafträder. In Tit. 4 sind 100 000 DM für Funkeinrichtungen vorgesehen. Alle diese Aufwendungen kommen dem Zollgrenzdienst zugute.
Den breitesten Raum nehmen in der jetzigen Vorlage, rein der Papiermenge nach, die Bauten der Zollverwaltung ein. Ich gebe hier nur einen ganz summarischen Überblick. Die Bauten der Tit. 1 bis 90, die mit 6 148 200 DM veranschlagt sind, sind schon von der Zweizonenverwaltung begonnen worden; diese Bauten führt der Bund jetzt zwangsläufig zu Ende. Die Ansätze für die Bauten der Tit. 91 bis 251 sind um fast 5 000 000 DM herabgesetzt worden. Daher finden wir im Haushaltsplan jetzt noch 15 728 400 DM. Außerdem sind in den Tit. 252 bis 254 1 198 000 DM für Wasserfahrzeuge ausgewiesen. Die Gesamtsumme dieser Aufwendungen beläuft sich auf rund 23 Millionen DM.
Es ist für uns wichtig, zu wissen, daß von all diesen Bauten nur ein Drittel Verwaltungszwecken dient. Zwei Drittel dieser Bauten werden Wohnzwecken zugeführt, und zwar für die im wesentlichen im Grenzdienst verwendeten Beamten der Zollverwaltung, aber auch für die Beamten der Zollämter im Innern des Bundesgebietes.
Eine kleine technische Anmerkung: Bei Tit. 23 a der Ausgaben und bei Tit. 6 der Einnahmen wünschte der Haushaltsausschuß eine genauere Aufgliederung der dort in dem erheblichen Umfang von weit über 100 000 DM in Ansatz gebrachten vermischten Ausgaben bzw. Einnahmen. Die Neufassung der Erläuterungen ist versehentlich nicht in unsere Neufassung der Vorlage aufgenommen worden; im endgültigen Druckstück, das nachher der praktischen Arbeit der Verwaltung dient, wird dieses Begehren berücksichtigt.
Zu Kap. 6, Bundesvermögens- und Bundesbauverwaltung, darf ich mitteilen, daß es leer bleibt. Es war vorgesehen, hierunter gewisse Dinge, die eigentlich mit der Devisenüberwachung zu tun haben, unterzubringen; sie erscheinen an der Stelle des Haushaltsplans, die Rechtens dafür in Frage kommt. Die Bundesbauverwaltung verursacht an dieser Stelle überhaupt keine Kosten, da ihre Aufgaben von den Oberfinanzdirektionen wahrgenommen werden.
Das Hauptamt für Soforthilfe, Kap. 7, ist im Haushaltsausschuß nach einem ausführlichen Gutachten des Rechnungshofes über seine Organisation beraten worden. Der Haushaltsausschuß ist diesem Gutachten im wesentlichen gefolgt, bis auf die Einstufung des Präsidenten und des Vizepräsidenten dieser Behörde, bei der er um des umfangreichen und schwierigen Aufgabenkreises der Behörde willen von den Vorschlägen des Rechnungshofes nach oben abgewichen ist. Die Behörde hat im ganzen ein Personal von 90 Köpfen. Das Sondervermögen, das durch die Hand dieser Behörde läuft, hat im Jahre 1950 rund 1 1/2 Milliarden DM betragen. Es ist also eine sehr wichtige Institution. Nach dem Gutachten des Rechnungshofes ist die Bildung von Abteilungen auf das sachlich notwendige Maß beschränkt. Im allgemeinen ist auch eine klare Abgrenzung der Arbeitsgebiete und eine straffe Zusammenfassung der zusammengehörigen Arbeitsgebiete gewährleistet. Der dort früher vorgesehen gewesene Spruchsenat ist, wie ich Ihnen schon sagte, ausgegliedert und nun mit einem Präsidenten, drei Beisitzern und zwei Hilfskräften dem Bundesfinanzhof angegliedert worden. Das Personal ist gegenüber dem Ansatz der ursprünglichen Vorlage um sechs Köpfe verstärkt worden, und zwar für die Arbeiten zur Vorbereitung des Lastenausgleichs und für die Arbeiten im Zusammenhang mit Darlehen für den Existenzaufbau und für die Flüchtlingssiedlungshilfe.
Das Kap. 8, Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, kann gleichfalls leer bleiben. Das Gesetz ist überhaupt noch nicht verabschiedet; ein Ansatz für das Jahr 1950 erübrigt sich.
Zu Kap. 9, Amt für Wertpapierbereinigung, lag gleichfalls ein Gutachten des Rechnungshofes vor, das insoweit befolgt wurde, als dort keine Beamten vorgesehen sind. Das Personal besteht nur aus Angestellten. Die Zahl der Angestellten ist allerdings erhöht worden. und zwar um der Gefahr betrügerischer Anmeldungen entgegenwirken zu können. Ich darf nur auf eine einzige Frage aufmerksam machen, nämlich auf die zahlreichen Anmeldungen sudetendeutscher Vermögen im Namen der jetzigen Tschechoslowakischen Republik. Allein diese Frage dürfte zu erkennen geben, welche Gefahren mißbräuchlicher Anmeldungen bei diesem Amt bestehen.
Zu Kap. 10, Bundeshauptkasse, ist zu erwähnen, daß das Personal auch hier entsprechend dem vermehrten Umfang des gesamten Bundeshaushalts um fünf Beamte und vier Angestellte verstärkt werden mußte. Nach den Feststellungen des Haushaltsausschusses wie auch des Bundesrates ist der Stellenplan im Vergleich mit ähnlichen Einrich-
Deutscher Bundestag — 131. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. April 195i 5391

(Erler)

tungen der Länder und gemessen an den Aufgaben dieser zentralen Kasse des Bundes recht dürftig, wenn man bedenkt, daß hier doch die gesamten Haushaltseinnahmen und -ausgaben aller Bundesverwaltungen zusammengefaßt sind einschließlich der Rechnungslegung für den gesamten Bund und einschließlich der Fragen der gesamten Geldversorgung. Außerdem ist die Bundeshauptkasse Einheitskasse für den Raum Bonn mit gewissen Ausnahmen; eine solche Ausnahme sind wir selbst mit der Kasse des Bundestages.
Das vorletzte Kapitel, das Kap. 11, behandelt die Zusatzversorgungsanstalt. Es handelt sich hier um eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Anstalt hatte im Jahre 1950 63,3 Millionen DM Einnahmen. Der Bund zahlt lediglich einen Anteil von 60 000 DM an den Verwaltungskosten. Alle übrigen Kosten personeller und sächlicher Art bestreitet die Anstalt aus ihren eigenen Einnahmen. Sie hat aber keine Beamten; die Beamten der Anstalt sind Bundesbeamte. Deshalb sind hier ohne einen Geldansatz zwei Planstellen für Beamte ausgebracht. Trotz erheblicher Bedenken hat der Haushaltsausschuß beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, den Präsidenten der Anstalt in die Gruppe B 8 einzuweisen, nachdem auch von seiten der Länder in der Person des Herrn Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen der Umfang und der vielgestaltige Aufgabenkreis dieser Anstalt, die auch für die Länderbediensteten arbeitet, ausführlich dargestellt worden sind. Die Anstalt hat es nicht etwa, wie die Versorgungsanstalten der Bahn und der Post, nur mit einem Dienstherrn zu tun, sondern mit sehr verschiedenartigen Dienstherren. Außerdem muß sie ihre Aufgaben gegenüber anderen Einrichtungen und gegenüber gewissen Absonderungsbestrebungen, die zu o einer schlechten Risikoverteilung führen würden, wahren.
Damit komme ich zum letzten Kapitel, zum Kap. 12, Beschaffungsstelle für die Bundesbehörden in Bonn. Am 1. Dezember 1949 würde sie auf Grund eines Kabinettsbeschlusses dem Finanzministerium unterstellt. Die Stelle hat ihre Tätigkeit am 31. Oktober 1950 mit der im wesentlichen abgeschlossenen Erfüllung ihrer Aufgaben eingestellt. Tätig waren dort zwei abgeordnete Länderbeamte, acht Angestellte und fünf Arbeiter. Wir betrachten dieses ganze Problem ja nur post festum; die Behörde lebt nicht mehr. Es erübrigt sich, näher auf sie einzugehen.
Damit bin ich am Schluß meines Berichtes angelangt und darf Ihnen im Namen des Ausschusses den Antrag unterbreiten, der Vorlage Nr. 1909, wie sie jetzt vor Ihnen liegt, zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113700500
Meine Damen und Herren, Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen recht interessanten Bericht.
Ich eröffne die Aussprache und darf Ihnen wieder vorschlagen, daß wir die allgemeine und die Einzelaussprache der zweiten Beratung verbinden.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0113700600
Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Finanzministeriums wird immer mit besonders kritischen Augen betrachtet werden, und zwar nicht nur vom Parlament, sondern auch von den anderen Ministerien. Das Parlament wird bei dem Haushalt des Finanzministers immer besonders genau prüfen, ob die Grundsätze einer sorgfältigen und sparsamen Haushaltsführung gerade bei diesem Ministerium beachtet werden. Die anderen Ministerien werden mit Argusaugen darüber wachen, daß die Richtlinien, die vom Finanzministerium für die Aufstellung der Haushaltspläne herausgegeben werden, gerade vom Finanzministerium selbst auch beachtet werden. Es war, unter diesem letzten Gesichtspunkt gesehen, nicht sehr erfreulich, als gerade Ihr Ministerium, Herr Finanzminister, im Haushaltsausschuß bei gewissen Sachtiteln ganz erhebliche Nachforderungen stellen mußte, und zwar Nachforderungen, die sich unseres Erachtens schon vorher hätten überblicken lassen. Ich will gar nicht darauf eingehen, welche merkwürdigen Deckungsvorschläge darauf gemacht wurden. Jedenfalls konnte man feststellen, daß die anderen Ministerien, die bei dieser Verhandlung anwesend waren, sehr darauf achteten, daß hier das Finanzministerium selbst die Gesichtspunkte, die sonst für alle Ministerien maßgebend sind, nicht ganz beachtet hat.
Meine Freunde und ich haben vor der Haushaltsberatung von dieser Stelle gelegentlich zum Ausdruck gebracht, daß wir nicht immer den Eindruck hätten, daß die Grundsätze einer sparsamen und sorgfältigen Haushaltsführung auch vom Finanzministerium beachtet würden. Wir haben deshalb zu Beginn der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuß beantragt, daß ein Gutachten des Rechnungshofes über das Finanzministerium eingeholt wird. Die Beratung des Organisations- und Stellenplans wurde darum vorläufig zurückgestellt.
Das Gutachten — der Berichterstatter hat vorhin darauf hingewiesen — ist dann erstattet worden, und es hat unsere Befürchtungen in einem gewissen Umfange bestätigt. Ich muß leider in diesem. Augenblick auch feststellen, daß uns das Gutachten nicht ganz befriedigt hat. Diese Feststellung ist für mich um so schmerzlicher, als ich vor einigen Monaten, als hier über den Bundessparkommissar verhandelt wurde, darauf hingewiesen habe, daß frühere Gutachten des Rechnungshofes außerordentlich wertvoll seien. Ich will nur auf einen Punkt hinweisen. Der Herr Berichterstatter hat sehr ausführlich die Sonderabteilung für die Besatzungslastenverwaltung behandelt. Der Rechnungshof kommt in seinem Gutachten zu der Feststellung, man könne hier zwei Wege beschreiten: man könne entweder eine Bundesoberbehörde einrichten — und der Haushaltsausschuß hat sich ja diesem Vorschlage angeschlossen —, oder aber man könnte eine Unterabteilung im Finanzministerium schaffen. Nun, wenn man auf der einen Seite der Ansicht ist, daß aus dieser Sonderabteilung eine Bundesoberbehörde werden muß, auf der anderen Seite aber als Eventuallösung noch- eine Unterabteilung im Ministerium vorschlägt, dann bedeutet das eine so verschiedenartige Wertung für diese Behörde, daß man nur fragen kann: Wie ist so etwas möglich? Ich habe nur den Wunsch, daß der Bundesrechnungshof und vor allen Dingen der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes diese Frage einmal sehr sorgfältig überlegt; denn wir möchten nicht gern von dieser Stelle ein zweites Mal feststellen, daß uns aus diesen Gründen das Gutachten des Rechnungshofes nicht so wertvoll ist, wie es eigentlich sein müßte. Wir sind den Eindruck nicht ganz los geworden, als wenn gewisse persönliche Wünsche im Finanzministerium zu diesen Vorschlägen des Rechnungshofes beigetragen hätten. Es kann aber bei den Prüfungen des Rechnungshofes nicht darum gehen, welche Wünsche in den einzelnen Ministerien vorhanden sind, sondern wir erwarten vom Bundesrechnungshof, daß er in seinen Gutachten die Vorschläge macht, die er nach genauester und sorgfältigster Prüfung nach seiner eigenen Oberzeugung zu machen hat.


(Mellies)

Wir haben ja öfter den Eindruck gehabt, daß bei der Organisation im Ministerium gewisse persönliche Wünsche maßgebend gewesen sind. Ich erinnere nur an die Einrichtung der Rechtsabteilung. Ich will über die Einzelheiten in diesem Zusammenhang heute morgen nicht sprechen. Auch hier können selbstverständlich bei der Organisation nicht persönliche Wünsche der leitenden Herren maßgebend sein, sondern maßgebend müssen die tatsächlichen sachlichen Bedürfnisse sein.
Weil ich gerade die Sonderabteilung berührt habe, möchte ich noch kurz eine andere Frage anschneiden. Ich habe vor einiger Zeit einmal den Briefkopf dieser Dienststelle gesehen. Ich mußte zu meinem Erstaunen feststellen, daß diese Sonderabteilung, die ja doch in Bad Homburg sitzt, folgenden Briefkopf führt: „Bonn — Dienststelle Bad Homburg". Meine Damen und Herren, man muß sich nur einmal vorstellen, wie jetzt demjenigen zumute ist, der an 'diese Dienststelle einen Brief richten will. Soll er den Brief nach Bonn richten, oder kann er ihn gleich nach Bad Homburg richten? Man hat offenbar im Ministerium sehr sorgfältig überlegt, wie dieser Briefkopf aussehen müßte, damit auch die notwendige Subordination dieser Sonderabteilung gewahrt bleibt. Herr Minister, wir haben die Auffassung, daß die leitenden Herren Ihres Ministeriums nicht dazu da sind, gewissermaßen bis zum letzten i-Tüpfelchen darüber zu wachen, daß die Hierarchie in Ihrem Ministerium keinen Schaden leidet. Wir sind der Auffassung, daß man in der gegenwärtigen Zeit andere und e größere Sorgen haben sollte als Sorgen dieser Art.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Personalpolitik im Ministerium ist von uns in den Beratungen des Haushaltsausschusses kurz berührt worden. Ich habe dabei zum Ausdruck ge- bracht und möchte das auch hier wiederholen, daß unseres Erachtens diese Personalpolitik allzu sehr unter dem Gesichtspunkt betrieben wird, daß man keine unbequemen Persönlichkeiten im Ministerium haben möchte. Ich komme wahrscheinlich nicht in Verdacht, daß ich irgendwelchen Querulanten das Wort reden will. Querulanten sind in jeder Behörde unangenehme Leute, und man sollte sie möglichst bald pensionieren, damit sie nicht irgendwelchen weiteren Schaden anrichten. Aber auf der anderen Seite ist doch nicht zu verkennen, daß aus der Natur der Sache heraus solche großen Behörden wie das Finanzministerium auf die Dauer eine gewisse Trägheit entfalten werden. Deshalb ist es sehr notwendig, daß einzelne Persönlichkeiten da sind, die gewissermaßen wie Hechte im Karpfenteich wirken und dafür sorgen, daß das Finanzministerium auch für Forderungen aufgeschlossen bleibt, die vielleicht zu den gegenwärtigen Einstellungen etwas in Widerspruch stehen. Wir haben den Wunsch, daß nach dieser Richtung hin die Personalpolitik unter etwas anderen Gesichtspunkten betrachtet wird, als das bisher der Fall gewesen ist. Der Herr Staatssekretär hat ja wohl in erster Linie diese Aufgaben an sich gezogen. Wir glauben, daß es nützlicher für ihn ist, sich gerade dieser Aufgabe besonders zu widmen, als seine Zeit darauf zu verweden, Interviews in außerordentlich heiklen außenpolitischen Fragen zu geben. Herr Minister, wir glauben nicht, daß der Herr Staatssekretär dazu da ist, in solch schwierigen Fragen wie in der Frage des deutschen Vermögens in Österreich irgendwelche Interviews zu geben, die nachher, wie Sie ja wohl aus der Presse festgestellt haben, erhebliche Wellen geschlagen und der deutschen Sache sicher nicht gedient haben. Wir sind der Auffassung, daß für die Abgabe derartiger wichtiger politischer Erklärungen allein der Minister zuständig ist, aber nicht der Staatssekretär.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir haben uns hier im Bundestag schon früher über die Frage unterhalten müssen, daß von den Ministerien und auch vom Finanzministerium das Haushaltsrecht des Parlaments nicht in genügendem Maße beachtet wird. Wir werden bei den Berichten, die uns von dem Untersuchungsausschuß vorliegen werden, auf diese Frage noch zurückkommen. Ich will gern zugeben, daß in den letzten Monaten nach dieser Richtung hin eine gewisse Besserung eingetreten ist. Aber wenn z. B. im Finanzministerium die Stelle eines Ministerialdirektors besetzt werden soll, die noch nicht bewilligt ist, der Haushaltsausschuß deshalb um eine Vorwegbewilligung angegangen werden muß, dann jedoch festgestellt wird, daß der betreffende Beamte seine Ernennungsurkunde schon zwei Tage vor dieser Vorwegbewilligung im Haushaltsausschuß bekommen hat,

(Hört! Hört! bei der SPD)

dann ist das mehr als nur ein Betriebsunfall. Denn schließlich ist der Weg zur Ernennung dieses Beamten über die Vorbereitung im Ministerium, über die Bewilligung im Bundeskabinett, über die Unterschrift des Bundespräsidenten so weit, daß in der Zwischenzeit wirklich Gelegenheit gewesen wäre, die Vorwegbewilligung im Haushaltsausschuß zu beantragen. Aber wahrscheinlich hat man auch in diesem Falle so etwas vergessen, daß das Parlament seine Zustimmung geben muß oder daß das Parlament überhaupt existiert. Wir haben ja in den letzten Tagen auch bei dem Außenministerium erst wieder die Feststellung machen müssen, daß man zwar daran gedacht hat, der gesamten Pressé den Schuman-Plan auszuhändigen, daß man aber völlig vergessen hat, an das Parlament zu denken und den Schuman-Plan auch den Abgeordneten zuzustellen.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Renner: Das ist die Regel bei denen!)

Wir haben in den letzten Wochen in den Zeitungen wiederholt lesen können, daß die Bundesregierung einige Kommissare berufen hat. Ich habe im Haushaltsausschuß schon einmal die Frage aufgeworfen, ob keine Vorwegbewilligung für diese Kommissare beantragt wird. Das ist bisher nicht geschehen. Auch der Bundestag hat offiziell von der Einstellung dieser Kommissare noch keine Mitteilung bekommen. Wir sind gewiß hinsichtlich der Unterrichtung des Bundestags durch das Bundeskabinett nicht verwöhnt. Über diese Frage werden wir ja beim Haushaltsplan des Herrn Bundeskanzlers noch einiges zu sagen haben. Wir glauben jedoch, daß es ein unerträglicher Zustand ist, wenn das Parlament über die Einstellungen dieser Kommissare nicht unterrichtet ist, die Herren jetzt aber plötzlich in den Ausschüssen auftauchen und dort interessanterweise nicht nur die Stellungnahme der Regierung vertreten, sondern auch Veranlassung nehmen, ihre persönliche Auffassung zu den entscheidenden wirtschaftlichen Fragen zum Ausdruck zu bringen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Es taucht hier die Frage auf: Wer regiert denn nun eigentlich in Bonn, und wer trifft denn die Entscheidungen, die Bundesregierung oder die Kommissare, die in die Ausschüsse kommen und dort ihre persönliche Auffassung von den wichtigen und entscheidenden wirtschaftlichen Fragen ausdrücken? Der Herr Minister wird wahrscheinlich


(Mellies)

gleich antworten: Selbstverständlich werden diese Kommissare aus den Tit. 3 und 4 des Haushaltsplans besoldet. Aber, Herr Minister, damit ist diese Angelegenheit nicht erledigt, sondern es handelt sich doch darum, daß solche wichtigen Veränderungen in der Bundesregierung nicht vorgenommen werden sollten, ohne daß das Parlament unterrichtet wird. Es ist nicht nur Aufgabe des Herrn Bundeskanzlers, das Parlament zu unterrichten, sondern es ist nach unserer Auffassung auch Aufgabe des Finanzministers, dafür zu sorgen, daß diese Dinge haushaltsmäßig in Ordnung gehen. Selbst wenn Sie in den Tit. 3 und 4 Mittel zur Verfügung haben, sollten Sie mindestens im Interesse einer guten Zusammenarbeit nicht versäumen, den zuständigen Ausschuß über diese Dinge zu unterrichten.
Die Nichtbeachtung des Haushaltsrechts trifft nicht nur das Parlament. Ich habe gelegentlich der Beratungen im Haushaltsausschuß schon darauf hingewiesen, daß sich aus der Nichtbeachtung des Haushaltsrechts durch die Herren Minister auch entsprechende Folgerungen in den Ministerien ergeben. Wenn man merkt, daß die Herren Minister unter Umständen eine gewisse Freude daran haben, einmal das Parlament zu überfahren, wird selbstverständlich die ganze Ministerialbürokratie sehr gern eine solche Praxis aufnehmen und auch versuchen, die Dinge ohne das Parlament und unter Umständen gegen das Parlament zu regeln. Das führt dann dazu, daß sehr bald die Herren Minister auch in Schwierigkeiten kommen, und wir hatten mitunter den Eindruck, Herr Finanzminister, daß Sie sich selbst in gewissen Dingen ein klein wenig als Gefangener Ihrer Bürokratie fühlen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diesen Zustand können Sie am allerersten dadurch beseitigen, daß Sie Wert darauf legen, daß das Parlament in alle entscheidenden und wichtigen Fragen eingeschaltet wird. Wenn Sie die Herren in Ihrem Ministerium daran gewöhnen, daß das Haushaltsrecht des Bundestages sehr sorgfältig beachtet wird, dann werden Sie dadurch nicht nur die Klagen vermeiden, die wir Ihnen sonst immer wieder vortragen müssen, sondern Sie werden auch erreichen, daß in Ihrem Ministerium nicht die Eigenwilligkeiten entstehen, unter denen Sie selbst dann später einmal zu leiden haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113700700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0113700800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Las Ziel, das der Bundesfinanzminister sich mit dem Bericht, der der ECA-Verwaltung überreicht worden ist, gestellt hat, die finanzielle Stabilität unserer westdeutschen Bundesrepublik herbeizuführen, wird er mit den politischen Maßnahmen, die er uns vorgeschlagen hat, nicht erreichen können. Wir brauchen keine neuen Massensteuern, die den Massenkonsum belasten und eine Verteuerung des gesamten Lebenshaltungsniveaus sowie eine weitere Preissteigerung mit sich bringen müssen. Es genügt für uns, wenn die Ertragssteuern in dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maße geändert werden, wenn die Ertragssteuern vor allem einmal restlos ausgeschöpft werden, wenn die Länderverbindlichkeiten dem Bund gegenüber in vollem Umfange erfüllt werden und wenn das Gebot der Sparsamkeit in der gesamten öffentlichen Verwaltung einmal ernster genommen wird und nicht bloß, wie bisher, ein Lippenbekenntnis ist.
In den Vorausschätzungen, die uns das Bundesfinanzministerium über das künftige Steueraufkommen vorgelegt hat, sind erhebliche Reserven vorhanden. Diese sind offenbar mit Absicht darin aufgenommen worden, um dann eine Möglichkeit für großere Beweglichkeit zu haben. Wir können uns aber bei unserer angespannten Lage eine solche Politik der Reserven in den Steuervorausschätzungen einfach nicht leisten. Im Umsatzsteueraufkommen kann man, wenn man das Aufkommen des vierten Quartals 1950 mit 4 multipliziert, ein Gesamtaufkommen für das kommende Jahr von 5324 Millionen errechnen. Das ergibt ein Mehr von 35 Millionen gegenüber den Vorausschätzungen. Bei einer durchschnittlichen Preiserhöhung von 10 % – und diese durchschnittliche Preiserhöhung haben wir mindestens zu verzeichnen — ergibt sich ein Mehr in der Umsatzsteuervorausschätzung von weiteren 532 Millionen DM. Das wird auch durch den Vergleich . des Umsatzsteuereffektivaufkommens im Januar 1950 mit dem im Januar 1951 bestätigt: Januar 1950 427 Millionen, Januar 1951 545 Millionen, so daß allein hierin eine Reserve von 567 Millionen liegt.
Eine Reserve liegt ebenfalls im Zollaufkommen. Diese Reserve ist wenigstens auf 200 Millionen anzusetzen. Das Bundesfinanzministerium steht auf dem Standpunkt; daß durch die Einfuhrdrosselung eine Erhohung des Zollaufkommens nicht vorauszusehen sei. Das ist aber nicht richtig; denn auch bei der vorgesehenen Importbeschränkung wird das Gesamtimportvolumen nicht unter das Volumen des vergangenen Jahres herabgedrückt werden, wie wir aus den Exportzahlen ja ohne weiteres ablesen können. Außerdem ist der Zolltarif, der bisher auf Gewichtzollbasis abgestellt war und der niedrigste in ganz Europa war, auf Wertzollbasis umgestellt worden. Dieser Wertzolltarif wird in Kürze angenommen werden, so daß eine Reserve aus dem Zollaufkommen mit wenigstens 200 Millionen DM zu veranschlagen ist. Also allein aus dieser Position ergeben sich 767 Millionen Reserven.
Wesentlich wichtiger ist aber die Reserve in den Ertragsteuern. Vom Bundesfinanzministerium ist dieses Ertragsteueraufkommen viel zu gering veranschlagt. Es fehlen natürlich die erforderlichen Unterlagen, die Veranlagung für 1950 konnte noch nicht vorliegen. Die bisherige Basis sind die Steuererklärungen für die anderthalb Jahre 1948 und 1949. Diese Erklärungen der Steuerpflichtigen sind im wesentlichen aber noch gar nicht überprüft worden, und es wird auch noch eine lange Zeit dauern, bis Kontrollen möglich sind. Es handelt sich daher praktisch um Selbsteinschätzungen. Von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums wurden die Steuerhinterziehungen auf Grund dieser ungerechtfertigt abgegebenen Steuererklärungen auf 4 Milliarden geschätzt. Kein Mensch kann das genau schätzen; aber man hat doch Anhaltspunkte. Wenn wir einen Vergleich mit dem Jahre 1938 anstellen, einem Jahr, in dem das Bruttosozialprodukt 100 Milliarden Reichsmark betrug, also angefähr soviel, wie es im laufenden Jahr für die Bundesrepublik betragen wird, und dabei zugrunde legen, daß ja das Steuersystem von 1938 dem von 1951 ähnlich ist, so haben wir damals ein Ertragsteueraufkommen von insgesamt 7674 Millionen gehabt gegenüber einer Vorausschätzung von 6092 Millionen. Damit würde sich eine Unterschätzung gegenüber der Vorausschätzung des Bundesfinanzministeriums von 1600 Millionen ergeben.
Es kommt hinzu, daß die Auswirkungen der Steuerbegünstigungsmaßnahmen auf Grund der


(Dr. Bertram)

Novelle von 1949 und der Einkommensteuernovelle von 1950 auch durch eine Interpolation der Einkommenskurve, der Kurve des Aufkommens aus der Umsatzsteuer und des Aufkommens aus den Ertragsteuern geschätzt werden können. Die jetzt vorgesehene Rückgängigmachung der Begünstigungen von 1949 muß eine Angleichung an das frühere durchschnittliche Verhältnis von Umsatzsteuerentwicklung und Ertragsteuerentwicklung herbeiführen, und demgemäß muß das Ertragsteueraufkommen für das kommende Jahr mindestens wieder auf der Höhe des Jahres 1949/50 — dem Effektivaufkommen vor diesen Begünstigungen plus der vom Bundesfinanzministerium errechneten Zuwachsquote — liegen. Bei einer geschätzten Zuwachsquote von 1200 Millionen ergibt sich bei einem Aufkommen im Jahre 1949/50 von 5931 Millionen eine Gesamtvorausschätzung von 7131 Millionen bei den Ertragsteuern. Auch nach dieser Rechnung muß das Aufkommen um 1100 Millionen höher liegen, als es vom Bundesfinanzministerium geschätzt ist.
Das Bundesfinanzministerium hat ferner die Entwicklung des Bruttosozialprodukts ohne Berücksichtigung der Preissteigerungen berechnet. Auch aus diesem Grunde muß sich eine Erhöhung des Gesamtaufkommens ergeben. Insgesamt sind diese Vorausschätzungen deshalb so wichtig, weil die Reserven, die hier stecken, über 2 Milliarden DM betragen. Es ist also nicht nur eine Erhöhung auf der Ausgabenseite durch die auf Grund der Preissteigerung notwendig werdende Erhöhung der Beamtengehälter und Renten festzustellen, sondern es ist auch auf der Einnahmenseite eine Verbesserung der finanziellen Situation des Bundes zu erwarten. Deshalb können wir nicht, wie das Bundesfinanzministerium es getan hat, nur die Ausgabenseite berücksichtigen, die Einnahmenseite aber unberücksichtigt lassen.
Die Hauptschwierigkeit, vor der das Bundesfinanzministerium steht, ist natürlich die Tatsache, daß der Veranlagungszeitraum bisher zu weit zurückliegt, und ferner die Tatsache, daß das Bundesfinanzministerium keine eigene lokale, regionale Verwaltung hat. Würden wir in dem Gesetz über die Bundesfinanzverwaltung dem Bundesfinanzministerium — wie es das Grundgesetz vorschreibt — eine eigene Umsatzsteuerverwaltung bis zu den örtlichen Finanzämtern zugebilligt haben — und das war ja das Ziel unserer politischen Auseinandersetzung —, dann hätte es das Bundesfinanzministerium heute nicht nötig, über einen Branchenprüfungsdienst mit den Länderfinanzministerien zu verhandeln, sondern dann wäre der Bundesfinanzminister in der Lage, seine eigenen Prüfer anzusetzen, um festzustellen, wo tatsächlich falsche Erklärungen abgegeben worden sind. Er könnte dann auch durch Vergleichsmitteilungen an die Länderfinanzabteilungen das Steueraufkommen wesentlich mehr erhöhen und aktualisieren. Es zeigt sich also hier ganz deutlich, daß es ein Fehler war, vom Grundgesetz abzugehen, und daß uns dieser Fehler in schwerwiegende aktuelle finanzielle Schwierigkeiten bringt.
Das Einkommensteuermehraufkommen fließt nun im wesentlichen den Ländern zu. Der vom Bundesfinanzminister vorgesehene Schlüsselsatz von 31 % ist nicht der geeignete Satz, um die finanziellen Schwierigkeiten des Bundes tatsächlich zu beseitigen, sondern man muß bei der Stabilität der Ausgaben der Länder, die ja die Kriegsfolgelasten nicht zu tragen haben, davon ausgehen, daß den Ländern ein fester Plafond zugewiesen wird, das darüber hinaus aufkommende Mehraufkommen aber dem Bund zuzufließen hätte, damit wir aus dem Mehraufkommen die Ausgaben des Bundes hinsichtlich der Kriegsfolgelasten decken können.
Ein weiterer Punkt: Die Besatzungskosten und die Bauaufwendungen werden vom Bundesfinanzministerium insgesamt über den ordentlichen Haushalt finanziert. Dabei sind die Aufwendungen, die hier gemacht worden sind, zum Teil echter Vermögenszuwachs. Wenn der Bundesfinanzminister beispielsweise große Summen für den Bau von Häusern für die Besatzungsverdrängten eingesetzt hat, so sind das natürlich Ausgaben, die über den Besatzungskostenhaushalt laufen. Es ist aber nicht zu bestreiten, daß damit ein echter Zuwachs des Vermögens des Bundes verbunden ist. Diese Ausgaben dürften deshalb nicht über den ordentlichen, sondern müßten über den außerordentlichen Haushalt finanziert werden. Wir haben ja auch im letzten Jahre für den Bund insgesamt Kredite von ungefähr 1400 Millionen DM aufnehmen können, ohne die Münzgewinne. Es ist nicht einzusehen, warum die Möglichkeiten der Finanzierung über weitere außerordentliche Ausgaben nicht mitberücksichtigt werden sollten.
Das vorgelegte Steuerprogramm des Bundesfinanzministeriums, insbesondere die Erhöhung der Umsatzsteuer und die Einführung einer neuen Sonderumsatzsteuer, muß zu einer katastrophalen Entwicklung der Preise führen. Es muß zwangsläufig neue Lohnforderungen nach sich ziehen und muß die Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen, was zu verhüten wir uns doch alle bemühen sollten. Wenn im Jahre 1,3 Milliarden zusätzliche Umsatzsteuern und 800 Millionen DM zusätzliche Sonderumsatzsteuern, insgesamt also über 2 Milliarden DM erhoben und diese Beträge abgewälzt werden — zusätzlich kommt dann noch die Handelsspanne hinzu, die in der gesamten gewerblichen Wirtschaft fast 50 % beträgt —, dann bedeutet das bereits eine Erhöhung des Preisniveaus um 4 Milliarden DM. Eine Umsatz- und Sonderumsatzsteuererhöhung um 2 Milliarden wird also eine Preissteigerung von mindestens 4 Milliarden DM nach sich ziehen. Eine Preissteigerung von 4 Milliarden DM bedeutet aber eine Erhöhung der Einzelhandelspreise um 10 % und damit eine entsprechende — und zwar völlig berechtigte — Erhöhung der Lohnforderungen. So wird die finanzielle Stabilität, die das eigentliche Ziel der Finanzpolitik sein sollte, durch diese Maßnahmen in entscheidender Weise gefährdet und zum Zusammenbruch gebracht werden.
Deshalb wenden wir uns mit aller Entschiedenheit auch aus Gründen der Finanzpolitik gegen diese vom Bundesfinanzminister vorgeschlagenen Maßnahmen. Wenn man sagt, die gegenwärtige Marktlage gestatte den betroffenen Industrien nicht, die Umsatzsteuererhöhung abzuwälzen, so ist das ein Trugschluß. Wäre es richtig, dann würde das bedeuten, daß in den Industrien tatsächlich solche Gewinnspannen vorhanden sind, daß sie die Umsatzsteuererhöhungen selber verkraften können. Dann wäre es sicher richtig, die Einkommen- und die Körperschaftsteuer zu erhöhen. Wenn ihre Gewinnspannen aber nicht so groß sind, daß sie die Erhöhungen selber verkraften können, dann muß sich die Umsatzsteuererhöhung zwangsläufig in den Preisen auswirken.
Die Verstärkung der unsozialen Tendenz unserer ganzen Steuerpolitik wirkt sich also auch finanzpolitisch verheerend aus. Sozial gerecht handeln


(Dr. Bertram)

heißt somit auch finanzpolitisch klug handeln. Wir werfen dem Bundesfinanzminister deshalb vor: er handelt nicht nur finanzpolitisch unklug, er handelt auch sozial ungerecht. 60 °/o des Preises der Konsumgüter sind nach dem russischen System mit Umsatzsteuern belastet. In Deutschland haben wir nach dem letzten Bericht des Bundesfinanzministeriums 30,1 % progressive Steuern und 69,9 % Steuern, die ohne Rücksicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit erhoben werden. Dieses Verhältnis deckt sich durchaus mit dem russischen Beispiel. Die russische Regelung bietet bekanntlich ein Beispiel für ein außerordentlich unsozial gestaltetes Steuersystem zu Lasten des Massenkonsums und eine geringe Belastung durch Ertragsteuern. Diesem Beispiel des russischen Staates nähern wir uns, während umgekehrt die Amerikaner bekanntlich fast 70 % aus Ertragsteuern aufbringen und nur 30 % aus den übrigen Steuergruppen. Ich bedaure es, daß wir unter dem Einfluß dieses Bundesfinanzministers in Deutschland eine solche Steuerentwicklung von Jahr zu Jahr mehr fördern.
Die Beseitigung der Begünstigungen im Einkommensteuerrecht durch den Bundesfinanzminister wird von uns begrüßt. Wir hatten ihn ja immer davor gewarnt, dieses Begünstigungssystem fortzusetzen, und haben ihn immer darauf hingewiesen, damit eine wirkliche Wirtschaftsbelebung nicht herbeigeführt werden kann.

(Zurufe rechts.)

Wir haben zwar — ich will Ihnen das kurz schildern — im April 1949 die Begünstigungsnovelle des Wirtschaftsrats und im April 1950 die Senkung der Einkommensteuertarife bekommen. Aber gerade im April 1950 hatte unsere Wirtschaft mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Gerade im April 1950 — Sie werden sich erinnern — fingen die Kohlenhalden an zu steigen, und damals kam der gute Rat des Bundeswirtschaftsministers, die Kohlen doch lieber zu exportieren„ weil gerade in dieser Zeit die inneren Schwierigkeiten der Wirtschaft vorhanden waren.
Der Aufschwung der Wirtschaft, von dem die Bundesregierung spricht, hat sich ja erst entwickelt, nachdem sich eine starke Nachfrage seitens des Auslandes und eine starke Preiswelle auch im In-lande auszuwirken begann. Die Steuersätze der Novelle von 1950 konnten sich damals auch gar nicht auswirken, da ja zu der Zeit die Steuern noch auf Grund der Steuererklärungen für das 1 1/2-Jahr 1948/1949 gezahlt wurden. Die Steuersätze der Novelle von 1950 können sich erst auswirken, wenn die Steuern auf Grund der Steuererklärungen für das Jahr 1950 gezahlt werden. Es ist also ein völliger Trugschluß, wenn man hier behauptet, daß auf eine Novelle, nach der die Steuern noch gar nicht berechnet werden, etwa ein Wirtschaftsaufschwung zurückgeführt werden könnte. Die Regierung schmückt sich da mit Federn, die ihr nicht zustehen.
Völlig vergessen aber ist das wichtige Problem der Deckung des Kapitalbedarfs für die Investitionsgüterindustrie; es ist völlig übersehen worden. Nachdem wir die Investitionsmöglichkeiten aus der Novelle von 1949 beseitigt hatten, mußte ja an ihre Stelle etwas anderes gesetzt werden. Man kann doch nicht sagen: ich beseitige die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten, schaffe aber keine Möglichkeit, an andere Finanzquellen heranzukommen! Dieses Heranziehen der Selbstfinanzierungsmöglichkeiten an die öffentliche Tasche ist sicher keine gesunde g Finanzpolitik, sondern ist nichts anderes als Fiskalismus in reinster Form.

(Zurufe rechts.)

Ein Zahlungsbilanzausgleich kann durch die Maßnahmen, wie sie uns vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen werden, keinesfalls erfolgen. Er kann vor allem nicht durch Sonderumsatzsteuern geschehen, denn der Importanteil in den sonderumsatzbesteuerten Waren ist nicht höher und nicht niedriger als in den nicht sonderumsatzbesteuerten Waren. Das heißt also: die Wirkung der Sonderumsatzsteuerabdrängung auf die nicht sonderumsatzbesteuerten Waren bedeutet nichts anderes, als daß dann in diesen nicht besteuerten Waren entsprechend mehr umgesetzt wird. Der Importanteil ist derselbe. Irgendeine Auswirkung auf die Zahlungsbilanz können diese Steuern also nicht haben, es sei denn indirekt, indem die betroffenen Industrien sich bemühen, mehr zu exportieren.
Aber die wichtigste Maßnahme, die den Zahlungsbilanzausgleich hätte herbeiführen können, nämlich das Exportförderungsgesetz, hat der Bundesfinanzminister immer wieder dem Bundeswirtschaftsministerium überlassen. Wir laborieren an diesen Dingen nun schon lange herum und haben durch die Initiative des Parlaments, das vom Bundesfinanzministerium so oft gescholten worden ist, endlich den ersten Schritt zur Beseitigung der Zahlungsbilanzkrise durch Exportförderung gehen müssen.
Wenn der Bundesfinanzminister uns öfter vorwirft, wir seien nicht die richtigen Vertreter der Steuerzahler, sondern wir seien nur Leute, die Ausgaben bewilligen könnten, so verweise ich ebenfalls auf den Bericht des Bundesfinanzministeriums an die Marshallplanverwaltung. Da steht mit dürren Worten drin: Die Erhöhungen waren unvermeidlich. All die Erhöhungen, die man uns vorwirft, sind ja doch in Regierungsvorlagen enthalten gewesen. Sowohl das Gesetz zu Art. 131 wie die Vorlage über die Kriegsopferversorgung sind Regierungsvorlagen, ebenso die demnächst kommende Vorlage über die Erhöhung der Beamtengehälter.

(Abg. Dr. Wuermeling: Ja, wollen Sie die Erhöhung der Renten beanstanden?)

— Ich sage doch gerade: die Erhöhung der Renten ist völlig unvermeidlich,

(Abg. Dr. Wuermeling: Aber Deckungsvorschläge wollen Sie nicht machen!)

und es ist ungehörig, dem Parlament einen Vorwurf zu machen, wenn es eine unvermeidliche Maßnahme beschließt,

(Zuruf von der Mitte: Bleiben Sie doch bei der Wahrheit! — Fortgesetzte lebhafte Zurufe von der Mitte — große Unruhe)

die von der Bundesregierung selber vorgeschlagen worden ist. Es ist ungehörig, uns dann zu sagen, wir seien eine Bewilligungsmaschine. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung ist verpflichtet, für den finanziellen Ausgleich für die von ihr als unvermeidlich erkannten Ausgaben zu sorgen. Die Wege dafür habe ich eben gewiesen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Ach du lieber Gott!)

— Nicht „ach du lieber Gott!" Ich habe gezeigt,
welche Reserve in dem Steueraufkommen, in dem
Ertragssteueraufkommen liegt. Warum erheben
wir keine Übergewinnsteuer nach amerikanischem
Beispiel? Warum schonen wir gerade diejenigen
Ertragssteuern, die ohne weiteres mehr bringen


(Dr. Bertram)

können? Wir haben seit einem Jahr die Erhöhung der Körperschaftsteuer gefordert. Jetzt erst kommt der Bundesfinanzminister dazu und sagt: „Gut, von 50 auf 60 % will ich erhöhen", nachdem er ein Jahr lang diese Möglichkeiten nicht hat ausnutzen wollen.
Der bisherige Erfolg der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers ist Kapitalflucht — 800 Millionen DM sind im Ausland verschwunden —, ist Steuerhinterziehung, ist ein Rückstand von 770 Millionen DM Schulden der Länder gegenüber dem Bund, ist eine sozial gefährliche und finanzpolitisch verderbliche Steuerpolitik. Wir fordern, daß dieser Bundesfinanzminister einem anderen Platz macht.

(Beifall beim Zentrum. — Abg. Dr. Wuermeling: Setzen Sie sich mal dahin, Herr Kollege; dann geht es besser! Ist ja lachhaft, so was!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113700900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0113701000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns mit dem Herrn Bundesfinanzminister über seinen Haushalt und aus Anlaß dieser Beratung über den Teil der Politik, den er in erster Linie zu vertreten hat, unterhalten, so liegt es in der Natur der Sache, daß wir weniger über die Ausgaben als über die Einnahmen sprechen; denn über die Ausgaben sprechen wir bei der Beratung der anderen Etats. Ich denke da insbesondere an die so unerhört drückenden Soziallasten und an die Besatzungskosten und auch an das Verhältnis beider zueinander. Außerdem ist es nun einmal das Schicksal des Bundesfinanzministers wie, wohl auch des ganzen Staates, daß wir in dieser so schweren Not des Volkes und des Vaterlandes, in die wir durch die Schuld des Nationalsozialismus geraten sind,

(Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte)

was wir immer wieder betonen sollten, wenig Anerkennung für das finden, was nach der Ausgabeseite getan wird, daß wir aber auf der anderen Seite, wenn wir zu nehmen gezwungen sind — und auch der Bundesfinanzminister ist ja in erster Linie zu nehmen gezwungen —, mit Widerstand zu rechnen haben.
Dem Bundesfinanzminister geht es, glaube ich, ebenso, wie es dem Marschalk im Faust geht, der da sagt:
Welch Unheil muß auch ich erfahren!
Wir wollen alle Tage sparen
und brauchen alle Tage mehr,
und täglich wächst mir neue Pein.
Eine spätere wissenschaftliche Zeit hat dies das Gesetz von den wachsenden Staatsausgaben genannt. Es sei zugegeben, daß der Bundesfinanzminister ein Opfer dieses Gesetzes ist. Aber, meine Damen und Herren, wir können ihn nicht von der Schuld freisprechen, daß er eine Politik eingeleitet hat, die die Verteilung der Lasten unsozial und ungerecht vorgenommen hat,

(Sehr richtig! bei der SPD)

daß er eine Politik eingeleitet hat, die in den vorangehenden Worten des Schatzmeisters im Faust
— ich möchte sie die Lastenausgleichsverse nennen
— folgendermaßen Ausdruck gefunden hat: Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, und unsere Kassen bleiben leer.

(Abg. Dr. Köhler: Sie sind doch literarisch auf der Höhe!)

Die Kritik der sozialdemokratischen Opposition an der Finanzpolitik dieses Finanzministers haben wir vorgetragen, seitdem der Bundestag zusammengetreten ist. Ich erinnere insbesondere an die Diskussionen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950, an die Auseinandersetzungen bei der ersten Beratung des dann liegengebliebenen Luxussteuergesetzes, an die Beratungen zur Mineralölsteuer und an die Diskussionen, als in diesem Frühjahr der Bundesfinanzminister wieder eine kleine Steuerreform einbrachte.
Wir bedauern, daß wir immer wieder auf unsere Ausführungen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950 zurückkommen müssen. Und selbst wenn wir wieder Ihr Mißfallen, Herr Kollege Wellhausen, erregen sollten, müssen wir auch heute wieder davon sprechen, weil mit der Steuerreform vom Frühjahr 1950 diese Finanzpolitik eingeleitet wurde, die heute, wie ich sagen möchte, ihr Versagen selber anerkennen muß. Damals machte man — der Kollege Bertram hat darauf hingewiesen — Steuergeschenke in Höhe von Hunderten von Millionen DM, und alle die Hoffnungen, die man an diese Finanzreform geknüpft hat, haben sich nicht erfüllt.

(Abg. Dr. Wuermeling: Darüber kann man geteilter Meinung sein!)

Der Finanzminister hat damals, am 11. Januar 1950, gesagt, „daß die endgültige Wirkung des Gesetzentwurfes sein wird, daß die gewährten Steuererleichterungen die Steuermoral und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers heben, so daß nach einer Übergangszeit mit dem alten und vielleicht sogar mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden kann." Keine dieser Hoffnungen ist eingetreten. Es kann gar keine Rede davon sein, daß die Steuermoral besser geworden ist. Die Steuerreform hat auch nicht zur Kapitalbildung geführt; wir hatten es vorausgesagt. Wir haben kein höheres Aufkommen, sondern wir haben auch heute noch Hunderte von Millionen DM Ausfall bei der Einkommensteuer.

(Abg. Dr. Köhler: Warten Sie einmal die Steuererklärungen ab!)

Damals begann eine Finanzpolitik gegen den Kapitalmarkt, eine Politik gegen eine vernünftige Investitionslenkung, eine Politik gegen die Beseitigung der Engpässe in der Wirtschaft, auf die wir immer hingewiesen haben. Es begann eine Politik der Kapitalverschwendung durch Selbstfinanzierung, durch zeitlich falsche Investitionen. Es begann eine Politik für den Mehrkonsum durch die Steuersenkungen, vor denen wir gewarnt haben. Es begann eine Politik für eine Kaufwelle an völlig falschen Orten. Ich brauche nur auf die Kritik hinzuweisen, die sich die deutsche Bundesrepublik und ihre Regierung gerade in diesen Tagen vom Auslande her gefallen lassen muß, von wo uns gesagt wird, daß die Steuerpolitik nicht wirksam genug angewandt worden sei, um dort zu drosseln, wo der Verbrauch Verschwendung geworden ist, und von wo uns empfohlen wird, daß wir nun endlich an eine bessere Ausschöpfung unserer Einkommensteuerquellen gehen sollen.
Der Finanzminister schätzte damals den Steuerausfall auf etwa 900 Millionen DM. Diese Schätzung


(Dr. Koch)

war zutreffend. Ich glaube, es sind ungefähr 800 Millionen DM, die wir bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer weniger eingenommen haben. Wenn wir aber berücksichtigen, daß das Gesamtvolkseinkommen in diesem Jahre noch erheblich gestiegen ist, so müssen wir mit Steuerausfällen von 1,2 bis 1,5 Milliarden DM auf Grund der Steuerreform des vergangenen Jahres rechnen. Wir haben .damals darauf hingewiesen, diese Steuersenkungen würden dazu führen, daß wir nicht mehr in der Lage sind, die sozialen Lasten zu tragen, die die Bundesrepublik nun einmal tragen muß.
Ich möchte aus den Ausführungen meines Parteifreundes Dr. Schumacher in der Aussprache über die Regierungserklärung am 21. September 1949 die folgenden Sätze in Ihre Erinnerung zurückrufen:
Am deutlichsten — sagte damals Dr. Schumacher —
ist die Regierung eigentlich bei dem Versprechen der Steuersenkung geworden. Nun ist auch unsere Meinung, daß die Struktur des deutschen Steuerwesens stark umgebaut werden sollte, daß sie nach Ertrag und Rationalität nicht das ist, was unser Staatswesen nötig hat. Wenn wir aber die Steuersenkung als Hauptpunkt, als Grundlage der wirtschaftlichen Erholung betrachten wollten, dann käme die Steuersenkung in eine Konkurrenz mit den sozialen Leistungen auf der einen und den Besatzungskosten auf der anderen Seite. Die sozialen Leistungen und die Steuersenkung zusammen
— sagte damals Dr. Schumacher —
dürften sich kaum verwirklichen lassen.
Die Steuersenkungen sind dann gegen unseren Widerspruch Wirklichkeit geworden. Es ist aber auch Tatsache geworden, daß ein großer Teil der sozialen Leistungen aus diesem Grunde hintangestellt werden mußte.

(Zuruf rechts: Und Art. 131, Bundesversorgungsgesetz?)

Wenige Monate später, nach der Steuersenkung, mit der man eine Milliarde weggab, erklärte der Finanzminister in diesem Hause, er habe nicht mehr die Mittel für die notwendigen Subventionen, und es begann dann jene unglückselige Konsumbrot-Politik, die gleichzeitig auch das Desaster unserer Ernährungspolitik offenbarte. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, einige Ziffern aus Großbritannien nennen, mit dem uns ja damals der Herr Finanzminister verglich: Nach den Berechnungen des Instituts für landwirtschaftliche Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Braunschweig aus dem Jahre 1950 beträgt die Subvention für Nahrungsmittel in Großbritannien gegenwärtig pro Kopf der Bevölkerung annähernd 10 Pfund je Jahr, d. h. also, daß dort eine fünfköpfige Familie im Jahre 50 Pfund oder 650 Mark, also zwischen 50 und 60 Mark im Monat, an Ernährungskosten spart, weil die Regierung diese Beträge für Subventionen aufbringt. Und in unserem Deutschland, in dem wir mit Millionen und aber Millionen von Unterstützungsbedürftigen zu rechnen haben, muß der Finanzminister, der vorher noch Milliardenbeträge weggegeben hatte, erklären, daß er seine Subventionen einstellen muß. Heute — und wir müssen wie so häufig in diesem Hause sagen: zu spät — bekennt er sich zu einer Subventionspolitik, weil er einsieht, daß man in den heutigen Volkswirtschaften ohne derartige Subventionen nicht mehr auskommen kann.
Weil wir diese Ausfälle auf Grund der Steuersenkungen hatten, mußten auch die wichtigsten Gesetze hintangestellt werden, oder sie wurden verzögert. Ich denke an das Bundesversorgungsgesetz; und ich habe von meinen Freunden aus Berlin, die hier mit uns in diesem Hause sitzen, gehört, daß sich auch die Stadt Berlin Monat für Monat die Beträge sozusagen wieder erbetteln muß, die ihr auf Grund unserer Beschlüsse zustehen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich darf z. B. daran erinnern, daß der Bundesjugendplan zwar hier in diesem Hause mit großem Pathos verkündet wurde, aber daß er im wesentlichen inzwischen versackt ist,

(Sehr richtig! bei der SPD)

weil der Bundesfinanzminister die entsprechenden Beträge nicht zur Verfügung stellen kann, derselbe Bundesfinanzminister, der im vergangenen Jahre bei der Einkommensteuer Hunderte von Millionen übrig hatte.
Muß ich an das unverständliche Ausbleiben der gesetzlichen Regelung der Rentenerhöhung erinnern, das mein Fraktionsfreund Pohle hier mit Nachdruck kritisierte? Muß ich daran erinnern, daß alle unsere Anträge auf diesem Gebiet abgelehnt worden sind? Muß ich den Finanzminister daran erinnern, daß er uns Anfang 1950 den Lastenausgleich für 1950 versprach? Wir wollen froh sein, wenn wir 1951 soweit sein werden. Der Kollege Bertram hat schon daran erinnert, daß die Ausfuhrförderung durch steuerliche Maßnahmen immer wieder hintangestellt wurde, bis wir sie heute nun beraten, heute, wo es möglicherweise für derartige Maßnahmen zu spät ist. In diesen Zusammenhang gehören auch — es wurde vorhin schon angedeutet — die Versprechungen über die Erhöhung der Beamtengehälter um 15 °/o, um 20 °/o; man scheint sich in der Regierung noch nicht ganz einig zu sein. In diesen Zusammenhang gehört die Erhöhung der Sozialrenten um anderthalb Milliarden DM, ohne daß die Minister, die diese Versprechungen machen, nun irgendwelche Deckungsvorschläge vorlegen könnten, ohne daß der Finanzminister auch nur einen roten Pfennig für diese Versprechungen bereitgestellt hätte. Das alles, meine Damen und Herren, war im Zusammenhang mit der Steuerreform vom Jahre 1950 zu sagen, auf die wir — auch zu unserem Bedauern — immer wieder zurückkommen müssen.
Und jetzt, nachdem man sich weigert, die Steuersenkungen des vergangenen Jahres rückgängig zu machen, bleibt nichts anderes übrig, als wieder auf die indirekten Steuern, auf die Massenverbrauchssteuern, zurückzugreifen. Wir haben schon erklärt, daß wir die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % nicht mitmachen werden, weil wir durch diesen Beschluß, durch die Ablehnung dieser Umsatzsteuererhöhung neue unerträgliche Preiserhöhungen vom Volke fernhalten wollen. Ich möchte auf eine verdienstvolle Berechnung des Finanzwissenschaftlichen Institutes unter Professor Schmölders in Köln hinweisen. Diese Berechnung hat festgestellt, daß in den heutigen Verbraucherpreisen etwa 8 bis 12 % Umsatzsteuer stecken.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das bedeutet also: Wenn wir die Umsatzsteuer von 3 auf 4 % erhöhen, dann müssen ohne Berücksichtigung der Handelsspannen, der Verarbeitungsspannen usw. allein aus diesem Grunde die Preise um wenigstens 3 bis 4 % steigen. Wir schließen uns da den Ausführungen des Herrn Bundesfinanz-


(Dr. Koch)

ministers aus dem Sommer des vergangenen Jahres an, als er in der bekannten Drucksache Nr. 1000 uns folgendes sagte:
Eine Erhöhung der Steuern von Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen ... Sie sind ... volkswirtschaftlich nicht zu verantworten;

(Hört! Hört! bei der SPD)

jede Steigerung der Steuerbelastung würde mit Sicherheit zu einer Lähmung der Wirtschaft führen, damit die Steuereinnahmen insgesamt schädigen und die öffentlichen Sozialausgaben überdies vermehren. Deshalb erscheinen alle Erwägungen,
– so sagte der Bundesfinanzminister im Juni 1950 —
etwa durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer oder ähnliche Maßnahmen neue Einnahmequellen zu erschließen, wenig sinnvoll.
Ich habe das Gefühl, Herr Bundesfinanzminister, daß derartige Maßnahmen bis heute nicht sinnvoller, sondern bei der allgemeinen Preissteigerung, ich möchte sagen, nur noch sinnloser geworden sind.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Diese Erwägungen gelten für uns auch für die Sonderumsatzsteuer, über die wir aber im einzelnen noch zu sprechen haben werden, wenn wir diese Vorlage in diesem Hause zu beraten haben. Wir wenden uns gegen sie, weil sie wieder eine typische indirekte Steuer ist und nicht im geringsten dem ähnelt, was wir als Mehrverbrauchssteuer vorgeschlagen haben. Wir wenden uns aber auch gegen sie, weil ganz bestimmte Wirtschaftszweige durch ) sie insbesondere getroffen werden, vielleicht sogar auch die Exportindustrie, — ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Offenbacher Lederindustrie. Es passen auch nicht Vergleiche etwa mit der Purchase Tax, weil die Purchase Tax mit einem Utility Program und mit der umfassenden Politik der Austerity verbunden war, von der wir bei uns in Deutschland bisher nichts bemerkt haben.

(Zuruf von der SPD: Der Finanzminister sollte sich ruhig anhören, was hier gesagt wird!)

Die Sonderumsatzsteuer über den Export insbesondere trifft aber auch Millionen und aber Millionen von Deutschen, die heute auf den Lastenausgleich warten. Ich glaube, daß dies eines unserer kräftigsten Argumente gegen die Sonderumsatzsteuer sein sollte. Wir kennen zwar den Warenkatalog noch nicht, aber wenn die Sonderumsatzsteuer die Beträge erbringen soll, die sich der Finanzminister erhofft: 800 Millionen, 1 Milliarde und mehr, dann müßten in den Warenkatalog meinetwegen auch Fahrräder, Möbel, Kleidung und viele andere Dinge aufgenommen werden, die sich gerade diejenigen kaufen möchten, die seit Jahren auf eine anständige Entschädigung aus dem Lastenausgleich warten.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich möchte es so formulieren: Die Lastenausgleichsversprechungen der Bundesregierung werden durch ihre eigenen Maßnahmen, durch Erhöhung der Umsatzsteuer und durch den Vorschlag der Sonderumsatzsteuer, schon im voraus entwertet. Eine Lastenausgleichs-Mark wird im Herbst d. J., wenn man mit dieser Steuerpolitik fortschreitet, eben nicht mehr eine Mark ausmachen, sondern nur noch 50 oder 60 Pfennig.
Der Herr Finanzminister sagt, er wolle mit der Sonderumsatzsteuer das Brot der Armen sichern, das Brot der Armen, das man aber zuvor ganz erheblich im Preise erhöht, denn das Memorandum der Bundesregierung mit der unzutreffenden Bezeichnung „stabile Preise und sozialer Lebensstandard" ist ja zunächst einmal ein Preiserhöhungsprogramm auf der ganzen Linie,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und wir möchten es ein Memorandum der Hilflosigkeit nennen.
Der Herr Finanzminister wird uns entgegenhalten: Ihr selbst bewilligt immer wieder neue soziale Lasten. Er hat uns mit einer Bewilligungsmaschine verglichen, als ihm das Herz überging, wie er es anschließend hier ausgedrückt hat. Er wird uns sagen: Ich brauche die Umsatzsteuer, ich brauche die 1 1/2 Milliarden, ich brauche die Sonderumsatzsteuer, die 800 Millionen. Wir erinnern immer wieder — und wenn Sie es auch als stereotyp bezeichnen möchten — an den großen Fehlbetrag, der sich aus der Steuerreform des vergangenen Jahres ergab. Wir denken aber auch weiter daran, daß ein Versprechen nicht eingelöst worden ist, das uns der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gegeben hat, als er für das Jahr 1950 die Inangriffnahme von Vorbereitungen für eine große grundlegende Steuerreform versprach. Diese grundlegende Steuerreform hätte uns, wenn sie uns im vergangenen Jahre gegeben worden wäre, aus manchen Finanzkalamitäten herausführen können. Wir denken da insbesondere an den immer wieder von uns vorgeschlagenen Tarifumbau im Sinne des englischen Steuerrechts. Wir denken an die Erhöhung der Freibeträge, -die wir im vergangenen Frühjahr vorgeschlagen haben. Sie würde eine erhebliche Steuervereinfachung bedeuten, weil Millionen von Steuerpflichtigen aus der Steuerpflicht herausfielen, die Finanzämter dann nicht mehr Auskunftsstellen zu sein brauchten und die Finanzbeamten sich lohnenderen Aufgaben zuwenden könnten.
Ich verweise noch einmal auf das Beispiel England, das auch jetzt unter der Last der Aufrüstung
leidet. Wir wissen, daß dort ein neuer Finanzminister einen neuen Etat vorlegte, über den eine führende westdeutsche Zeitung das folgende schreibt: Es grenzt z. B. schon fast an die Quadratur des Zirkels, wie der Finanzminister die Erhöhung der Einkommensteuer mit Vergünstigungen für die Verheirateten begleitete, die jetzt je nach Kinderzahl in den Einkommen-Kategorien bis zu 4200 Mark ohne Kinder und 12 000 Mark bei drei Kindern weniger Steuern zahlen als bisher.
Wie wäre es, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie sich, nachdem sich nun auch Herr Professor Erhard zur Austerity bekannt hat, auch diesem Beispiel des englischen Kollegen anschlössen und eine soziale Finanzpolitik in diesem Sinne machten?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Oder müssen wir alle so lange warten, bis auch Sie vor den Trümmern Ihrer Finanzpolitik stehen wie der Bundeswirtschaftsminister vor den Trümmern seiner Wirtschaftspolitik?

(Beifall bei der SPD.)

Ich brauche auf das unsoziale, ungerechte und ungesunde Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern im einzelnen hier nicht mehr einzugehen. Nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wur-


(Dr. Koch)

den, haben sich die Zahlen so entwickelt: 1948/49 direkte Steuern 41 bis 42 %, 1950/51 nur noch 30 %, während die indirekten Steuern in dieser Zeit von 42 % bis auf über 55 % des Gesamtsteueraufkommens hinaus gestiegen sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Aber über diese Zahlen werden wir noch einmal zu sprechen haben, wenn wir die Beratung der Umsatzsteuer hier im Hause führen.
In diesem Zusammenhange ist ein Wort über die Frage der Neufeststellung der Einheitswerte zu sagen. Wir müssen auf die völlig vernachlässigte Notwendigkeit hinweisen, nun endlich die Einheitswerte neu festzustellen und das Bodenschätzungsverfahren schnell durchzuführen, da wir ja diese Zahlen auch für einen gerechten Lastenausgleich brauchen.
Es ist auch über das zu sprechen, worauf der Kollege Bertram schon hingewiesen hat, nämlich über eine erhöhte Sparsamkeit innerhalb der Verwaltungen, da die Ausgabensenkung immer noch die beste Steuerreform ist. Es wäre sehr viel — ich glaube aber, darüber wird auch an dieser Stelle in anderem Zusammenhang zu sprechen sein — über die Ausgaben zu sagen, die uns der Beschluß, Bonn zur Bundeshauptstadt zu machen, verursacht hat. Ich denke, der Bericht des Untersuchungsausschusses wird schon in der nächsten Zeit vorliegen.
Wir brauchen für die Erfüllung unserer Aufgaben — damit komme ich nun zu einem anderen Punkt —, wenn wir eine gerechte Erhebung der Steuern wollen — und ich denke, wir wollen sie alle oder wir sollten sie alle wollen —, unter allen Umständen einen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Auf diesem Wege folgt die sozialdemokratische Opposition den Vorschlägen des Bundesfinanzministers; denn wir sollten uns das eine klarmachen: wichtiger noch als die schönsten Steuergesetze ist die Erhebung der Steuer, wichtiger noch ist die Auslegung dieser Steuergesetze. Wir brauchen aus diesem Grunde einen einheitlichen und schlagkräftigen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Wir als Opposition wollten, wir wären so weit, daß wir sagen könnten, daß dieser Bundesbetriebsprüfungsdienst die erste Stufe für eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung ist, weil wir der Ansicht sind, daß wir ohne diese Bundesfinanzverwaltung und ohne den Bundesbetriebsprüfungsdienst niemals die steuerliche und die soziale Gerechtigkeit im Steuerwesen herbeiführen werden, wie wir sie alle anstreben sollten.
Ich möchte Ihnen nur einmal zwei Beispiele dafür nennen, wie wir auf die Milliardenbeträge kommen, die heute an Steuern hinterzogen werden. Ich glaube, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium ist es gewesen, der die Ausfälle an Steuern infolge der Steuerunmoral und Steuerhinterziehungen auf mindestens 3 Milliarden DM geschätzt hat. Der Oberbürgermeister einer westdeutschen Großstadt hat über das Steueraufkommen in seinem Stadtbezirk gesprochen und hat das Steueraufkommen 1946 mit dem von 1950 verglichen. In dieser Zeit ist die Lohnsteuer von 1 736 000 DM auf 4 Millionen DM, also um 130 %, die Körperschaftsteuer von 560 000 DM auf 12,5 Millionen DM, also um 2100 %, und die Einkommensteuer der Veranlagten von 2 900 000 DM auf 3 300 000 DM, also um 10 %, gestiegen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Die Lehre daraus! Zu der Körperschaftsteuer ist lediglich zu bemerken, daß die Kapitalgesellschaften im Jahre 1946 anfingen. Alle ihre Ausgaben waren Betriebsausgaben; Gewinne wurden nicht gemacht. Daraus erklärt sich die Steigerung um 2000 %. Bei den Lohnsteuerpflichtigen wird immer auf Heller und Pfennig abgerechnet; es gibt keine Möglichkeit der Hinterziehung. Die 130 % ergeben sich eben aus der Verdoppelung der Lohnsummen und der stärkeren Beschäftigung. Bei den Einkommensteuerveranlagten beträgt die Steigerung nur 10 %, und ich glaube, dazu bedarf es keines Kommentars mehr.
Ich möchte noch ein Beispiel aus einer westdeutschen Großstadt erwähnen, das wir dem Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften verdanken. Ein authentisches Beispiel! Anfang 1949 taten sich in einer westdeutschen Großstadt zwei Steuerpflichtige zusammen: A mit einem Kapital von 40 000 DM und B mit einem Ladengeschäft in bester Lage. Im Jahre 1949 hatten sie einen Umsatz von 1 Million DM, 1950 einen solchen von 2,5 Millionen DM. Sie bezahlten an Steuervorauszahlungen jeder in jedem der Jahre 20 000 DM, zusammen also 80 000 DM, obwohl im zweiten Jahre der Gewinn schon 20 % des Umsatzes, nämlich 500 000 DM, betrug. Sie können sich also ausrechnen, daß bei diesen beiden Steuerpflichtigen der Ausfall an direkten Steuern, an veranlagter Einkommensteuer nämlich, mindestens 1/2 Million DM betragen hat. Bei zwei Steuerpflichtigen! Es ist ein unerträglicher Zustand, daß heute noch die Veranlagungen auf Grund der Vorauszahlungen und der Selbsteinschätzung aus dem Jahre 1949 erfolgen. Alle diese Mißstände werden wir nur dann beseitigen können, wenn unsere Forderung nach einem einheitlichen Bundesbetriebsprüfungsdienst erfüllt wird.
Wir werden bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes auch unseren alten Antrag auf Offenlegung der Steuerlisten zur Förderung der Steuermoral wiederholen und wir werden den Antrag dann entsprechend begründen. Es ist unerträglich, daß der ehrliche Steuerzahler — das Gros der Beamten, Angestellten und Arbeiter — unter der unerträglichen Steuerlast seufzt, während die unehrlichen Steuerzahler unserer Maßnahmen spotten und unsere Möglichkeiten schmälern, den Millionen und aber Millionen zu helfen, die die Hilfe der deutschen Bundesrepublik so dringend nötig brauchen und die jetzt beginnen, an dieser Hilfe zu zweifeln.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! In diesen Zusammenhang gehören auch einige Worte über die Neufeststellung des Beteiligungsverhältnisses des Bundes und der Länder an dem Gesamtsteueraufkommen. Der Finanzminister hat Verhandlungen eingeleitet, die ihren Niederschlag in dem Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 gefunden haben. Wir können nicht so lange warten, bis wir im Sinne des Art. 107 des Bonner Grundgesetzes das Steueraufkommen eines Tages ganz neu verteilen. Aus diesem Grunde werden wir den vorläufigen Regelungen der Methode nach, wie sie uns vorgeschlagen wird, zustimmen; nicht der Höhe nach, das wird Einzelberatungen vorbehalten bleiben müssen. Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir auch mit dieser Methode wahrscheinlich der Zahlungsunfähigkeit mancher Länder auf die Dauer noch nicht werden steuern können. Wir lesen im Bundesgesetzblatt im § 1 des Gesetzes über die Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein den folgenden Satz:


(Dr. Koch)

Der Bund gewährt dem Lande Schleswig-Holstein zur Aufrechterhaltung der Zahlungsunfähigkeit einen unverzinslichen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.

(Heiterkeit.)

Ich glaube, auch mit dem neuen Finanzausgleich werden wir, wenn wir nicht zu einer Reform der Länder kommen, auch nicht mehr erreichen als die Aufrechterhaltung der Zahlungs u n fähigkeit mancher Länder.
Allerdings könnten wir niemals einer Erhebung der Länderbeiträge in Form von Matrikularbeiträgen, wie sie manchen Länderfinanzministern vorschweben, zustimmen. Wir können es nicht dulden, daß der Bund nur Kostgänger der Länder wird. Wir wollen niemals mit einer Entwicklung beginnen, wie sie schon in der Zeit nach 1870 bis zum Jahre 1914 hin allmählich, aber erfolgreich überwunden wurde.

(Abg. Dr. Wuermeling: Wer will denn das?)

– Einige Länderfinanzminister, habe ich erklärt, Herr Kollege.

(Zuruf von der SPD: Herr Ringelmann!)

Ich erinnere an die sogenannte Miquelsche Klausel aus dem Art. 70 der Reichsverfassung von 1871: „Solange Reichssteuern nicht eingeführt werden". Einer solchen Klausel bedürfen wir heute nicht mehr. Wir lehnen die Matrikularbeiträge auch aus dem Grunde ab, weil sie für die Länder mit ihren Haushalten Unsicherheitsfaktoren bringen. Ich glaube, wir sollten auf dem Wege voranschreiten, auf dem uns der Bundesfinanzminister vorangegangen ist.

(Bravo! in der Mitte.)

Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren — das zu Ihrem „Bravo" —, weil wir für den Vorrang des Bundes auch in den Tagen des Parlamentarischen Rats in Bonn gekämpft haben, und wir freuen uns darüber, daß die Erfahrungen dieser Jahre auch scheinbar Unverbesserliche inzwischen davon überzeugt haben, daß die Länder zwar gut sein mögen, daß aber der Bund besser ist!

(Beifall bei der SPD.)

In diesem Zusammenhang nur noch einen Zusatz. Wir werden, mögen auch die Regelungen zum Finanzausgleich ausfallen, wie sie wollen, keiner Einigung zustimmen können, die etwa ausschließlich auf Kosten der Kommunen geht. Wir werden auch nicht einer sogenannten „nachbarlichen Länderhilfe" zustimmen können, wie sie der Herr Bundesfinanzminister irgendwo in Norddeutschland empfohlen haben soll.

(Abg. Mellies: Er hat vergessen, dabei zu sagen, daß es ein Witz war!)

Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen, was der Herr Bundesfinanzminister darunter versteht und wie er sich die Durchführung dieser nachbarlichen Länderhilfe denkt. Das Ganze klingt so idyllisch, als ob es irgendwo hinten in den bayrischen Wäldern, in Cham oder Furth am Wald gesprochen sein könnte.
Ich habe ängstlich vermieden, das Wort Föderalismus zu gebrauchen, um dem Herrn Bundesfinanzminister bei seinem Kreuzzug gegen die Länderfinanzminister nicht in den Rücken zu fallen und um ihn nicht in seinen tiefen Gefühlen zu verletzen, denen er hier so oft und beredt Ausdruck gegeben hat.

(Abg. Dr. Wuermeling: War das das einzige Motiv?)

— Das war das einzige Motiv.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das Hauptmotiv? — Heiterkeit.)

Denn wir halten nichts von einem Föderalismus, der es den Ländern erlaubt, ihre Steuerzahler so anzufassen, wie es ihnen beliebt, also meinetwegen mit Samthandschuhen oder mit rauher Hand. Aus diesem Grunde erheben wir unsere Forderungen nach einer Bundesfinanzverwaltung und nach einem Bundesbetriebsprüfungsdienst.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Nun lassen Sie mich zusammenfassen. Wir können nicht ja sagen zu der Finanzpolitik des vergangenen Jahres. Wir können auch nicht ja sagen zu der Finanzpolitik, die man uns heute vorschlägt. Wir können nicht ja sagen zu dem sturen Festhalten an den unsozialen Steuersenkungen bei der Einkommensteuer. Wir können nicht ja sagen zu dem ständigen Verlagern neuer Steuerlasten auf die indirekten. Steuern. Wir empfinden es als eine unerhörte Zumutung, daß wir jetzt im Zuge unserer Beratungen in den nächsten Wochen zunächst das Umsatzsteuergesetz beraten und beschließen sollen und hinterher dann möglicherweise über die Änderungen des Einkommensteuergesetzes. Wir wollen zunächst einmal über das Einkommensteuergesetz beraten und beschließen und uns dann überlegen, inwieweit wir noch über die Umsatzsteuer neue unerträgliche Lasten auf die breiten Massen der Verbraucher abwälzen können.
Wir hatten den Vorschlag gemacht, uns aus den Engpässen herauszuführen, indem wir eine Politik der Fehlinvestitionen und der Selbstfinanzierung aufgeben. Und was ist geschehen? Die Bundesregierung hat auch in diesem Punkt wieder einmal — und das machen wir insbesondere auch dem Herrn Bundesfinanzminister zum Vorwurf — die Initiative aus der Hand gegeben, aus der eigenen Hand in die Hände der Spitzenverbände der Wirtschaft. Wie es schon mein Fraktionsfreund Mellies getan hat, möchte auch ich die Frage aufwerfen: Wer regiert denn nun eigentlich heute in Deutschland? Wer macht denn nun eigentlich Wirtschafts- und Finanzpolitik?

(Zuruf von der FDP: Die Gewerkschaften! — Heiterkeit.)

Der Bundeskanzler oder die Kommissare oder die Spitzenverbände der Wirtschaft, deren Vorschlägen wir mit Interesse entgegensehen?

(Beifall bei der SPD.)

Auf der einen Seite sollen wir Belastungen für die Verbraucher beschließen, und auf der anderen Seite läßt man die so dringend notwendige Initiative zugunsten noch völlig unbekannter Deckungsvorschläge der Wirtschaft fallen. Das ist eine Politik, die wir dem Grundsatz nach ablehnen müssen, eine Politik der Planlosigkeit. Wir verstehen völlig Ihren Horror vor der Planwirtschaft, wenn Sie das unter Planwirtschaft verstehen, was Sie uns in den letzten drei Monaten vorexerziert haben!

(Lebhafter Beifall bei der SPD.) Süßwarensteurer hin — Süßwarensteuer her, Luxussteuer hin — Luxussteuer her, Baby-Bonds hin — Baby-Bonds her, Zwangssparen hin — Zwangssparen . her, Agrarpreiserhöhung hin — Agrarpreiserhöhung her, — meine Damen und Herren, das ist keine Politik, das ist lediglich eine Planlosigkeit. Das ist eine Plan-Inflationspolitik, und ich brauche Sie nur an die Namen Niederbreisig, Stratus-Gutachten, Wirtschaftsmemorandum usw. zu erinnern.



(Dr. Koch)

Unsere Forderungen an die Bundesfinanzpolitik sind, wie aus meinen Ausführungen hervorgeht, die folgenden: Die Einlösung der Versprechen, eine grundlegende Reform des Steuerrechts zu bringen, erstens mit dem Tarifumbau, zweitens mit der Erhöhung der Freibeträge und mit der Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den direkten und den indirekten Steuern; dann unbedingte Sparsamkeit in der Verwaltung, die Durchführung einer gerechten Einheitsbewertung auch zugunsten des kommenden Lastenausgleichs. Wir erwarten sodann die grundlegende Reform der Steuerverwaltung, die Schaffung eines Bundesbetriebsprüfungsdienstes, der schlagkräftig und einheitlich geschult ist, und mit diesem Bundesbetriebsprüfungsdienst dann energische Prüfungen der Steuerpflichtigen, bei denen es sich lohnt, weil wir aus diesen Steuerprüfungen Milliardenbeträge für unsere Finanzen werden retten können. Als Sofortmaßnahmen werden wir beantragen noch während der Beratungen des Einkommensteuergesetzes die Rückgängigmachung der Tarifänderungen des Vorjahres, die Offenlegung der Steuerlisten und eine erhebliche Verstärkung des Betriebsprüfungsdienstes.
Herr Bundesfinanzminister, solange Sie uns nicht eine grundsätzlich andere Politik vorschlagen können, können wir zu dieser Vorlage, können wir zu Ihrem Etat nicht ja sagen. Wir müssen ihn ablehnen, ablehnen als den Bestandteil einer Gesamtpolitik, deren Versagen Sie nur mühsam verdecken können.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113701100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.

Dr. Hermann Höpker-Aschoff (FDP):
Rede ID: ID0113701200
Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß der Herr Bundesfinanzminister auf die Angriffe, die die Opposition gegen ihn gerichtet hat, noch antworten wird. Es ist schließlich nicht die Aufgabe der Regierungsparteien, den Bundesfinanzminister selbst zu verteidigen, und er wird auch gar nicht den Wunsch haben, von anderen verteidigt zu werden. Aber auch wir möchten eine Stellung zu der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers beziehen, und das soll in meinen Ausführungen versucht werden.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bertram hat einen anderen Finanzminister gefordert. Nun, Herr Kollege Bertram ist uns ein wertvoller Mitarbeiter im Finanz- und Steuerausschuß. Herr Kollege Bertram, wie wäre es, wenn Sie es einmal selbst versuchen würden?

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Davon bin ich überzeugt, Herr Kollege Bertram, nach Ihren Ausführungen würden Sie als Bundesfinanzminister von dem Bund der Steuerzahler aufs freudigste begrüßt werden. Denn Ihr Programm würde ja dahin gehen, keine neuen Steuern zu erheben, sondern alles aus den vorhandenen Steuern zu decken.
Herr Kollege Bertram, Sie sind noch einige Jahre, vielleicht sogar einige Jahrzehnte jünger als ich, und in jüngeren Jahren hat man noch einen freudigen Optimismus.

(Heiterkeit.)

Wenn man einige Jahre lang Finanzminister gewesen ist, dann geht man von diesem Optimismus ab und fängt an, nüchtern zu rechnen. Daß alle Ihre Berechnungen, die Sie dem Herrn Bundesfinanzminister vorgetragen haben, nicht richtig sein
können, ergibt sich doch einfach aus der Kassenlage. Wenn Ihre Rechnungen richtig wären, dann müßte der Bundesfinanzminister im Gelde schwimmen, während es in Wahrheit eben so ist, daß er sich an der Grenze der Kassenkredite bewegt, die wir ihm eingeräumt haben.
Herr Kollege Bertram, noch eines. Sie haben auf das Verhältnis der Ertragsteuern zu den indirekten Steuern hingewiesen. Nun rechnen Sie einmal folgendes nach. Nach der Durchführung der Novelle zum' Einkommensteuergesetz wird das Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei 7 Milliarden DM liegen. Rechnen Sie zu den Ertragsteuern dann noch die Objektsteuern, also Grund- und Gewerbesteuern hinzu, so sind wir schon bei 9 Milliarden DM. Rechnen Sie noch dazu die Abgaben aus dem Soforthilfegesetz und in Zukunft aus dem Lastenausgleich, so sind wir um weitere 1 1/2 Milliarden DM noch darüber hinaus. Und wenn Sie alles das zusammenrechnen — und das alles fällt doch unter den Begriff der direkten Steuern oder der Ertragsteuern —, so kommen Sie zu dem Ergebnis, daß die weitaus größere Hälfte unserer Steuern heute aus den direkten oder aus den Ertragsteuern gewonnen wird und nur der geringere Teil aus den indirekten Steuern.
Natürlich ist das Verhältnis bei uns nicht so gut wie bei den angelsächsischen Ländern. Aber, meine Damen und Herren, daß in reichen Ländern die direkten Steuern stärker angezogen werden können und daß der Anteil der Steuerlast dann in stärkerem Umfang auf die direkten Steuern verlagert werden kann, ist eine Binsenwahrheit. Wir gehören jedoch nun einmal nicht zu den reichen Ländern, und wir haben daher in dieser Beziehung ein etwas ungünstigeres Verhältnis als die reichen Länder in Kauf nehmen müssen. Aber daß dieses Verhältnis schlecht ist, kann unmöglich jemand behaupten.
Herr Kollege Koch, Sie haben uns — und ich habe das mit Vergnügen angehört — einige Worte aus dem Faust zitiert. Ja, hoffentlich ziehen Sie aus dieser Lektüre des Faust nicht die Konsequenz, nun mit denselben Methoden die Fehlbeträge zu decken, wie sie Mephistopheles dem Kaiser rät.

(Beifall und Heiterkeit in. der Mitte und rechts.)

Meine Damen und Herren, diese Methode des Mephistopheles könnte uns in eine gefährliche Situation hineinführen.
Also an der Deckung der Ausgaben durch ordentliche Einnahmen werden wir wohl nicht vorbeikommen. Sie haben ein Steckenpferd, die Einkommensteuersenkung des vorigen Jahres, und Sie werden uns dieses Steckenpferd noch oft vorreiten. Ich will der Versuchung widerstehen, das, was ich in dieser Beziehung damals bei der Beratung der Novelle zum Einkommen- und Umsatzsteuergesetz erwähnt habe, noch einmal zu wiederholen. Nur eins möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen: Wir betrachten es als einen außerordentlichen Gewinn, daß damals der Tarif der Einkommensteuer in vernünftiger Weise gesenkt wurde, und wir werden an dieser Senkung des Tarifs auch unter keinen Umständen etwas ändern wollen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Wir begrüßen es, daß der Bundesfinanzminister nachdrücklich darauf hingewiesen hat, daß der Tarif die Grenze dessen erreiche, was dem Steuerzahler zugemutet werden könne.
Die Änderungen, die wir bekommen, betreffen vor allen Dingen das System der Eigenfinanzierung.


(Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

Auch hier haben Sie scharfe Kritik geübt. Ich habe
Ihnen schon damals erwidert: es ist ja doch nicht
so, als ob alle Investitionen, die im Wege der Eigenfinanzierung in den letzten Jahren durchgeführt
worden sind, falsche Investitionen gewesen wären.

(Sehr richtig! rechts.)

Denn, meine Damen und Herren, die stürmische Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft, die allen Bevölkerungsteilen zugute gekommen ist und seit der Währungsreform dahin geführt hat, daß auch das Realeinkommen der breiten Massen der Bevölkerung sich um 50 % vermehrt hat, wäre ohne diese Investitionen nicht möglich gewesen.

(Erneuter Beifall in der Mitte und rechts.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie auf der linken Seite des Hauses grundsätzlich auf dem Standpunkt stehen, daß es besser sei, wenn die ganze Investitionslenkung in die Hände des Staates gelegt werden würde, glauben Sie denn wirklich, daß dann keine Fehlinvestitionen vorkommen würden?

(Sehr gut! rechts.)

Ich gebe ohne weiteres zu, daß in der Privatwirtschaft Fehlinvestitionen vorkommen, aber ich fürchte, daß die Fehler noch viel größer sein würden, wenn eine staatliche Planungskommission, so oder so zusammengesetzt, über Maß und Art der Investitionen zu entscheiden haben würde.

(Beifall in -der Mitte und rechts.)

Nun haben Sie vorhin aus der Rede des Herrn Dr. Schumacher seine Ausführungen angeführt, daß die damals angekündigte Steuersenkung, die dann gemäß dem Regierungsprogramm auch durchgeführt wurde, in Konkurrenz mit unserer Verpflichtung zu sozialen Leistungen treten würde. Herr Kollege Koch, was damals Herr Dr. Schumacher gesagt hat, ist nicht Wahrheit geworden. Denn ich glaube, das können wir wohl in diesem Hause in Anspruch nehmen, daß wir unsere sozialen Verpflichtungen nicht vernachlässigt haben.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

Das Gesetz über die Kriegsopferversorgung, das Gesetz zur Ausführung des Art. 131, die Erhöhung der Renten, alle legen Zeugnis dafür ab, daß wir diese sozialen Leistungen in einem Umfange zu bringen versucht haben, der die Tragfähigkeit des Bundes überhaupt in Frage stellt.

(Erneuter Beifall.)

Und eben die erhöhten Aufwendungen für soziale Verpflichtungen, die nach unserem Dafürhalten notwendig waren, um den sozialen Frieden in unserem Lande zu sichern, stellen uns nun auch vor die Verpflichtung, für die erforderliche Deckung zu sorgen.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

Daran können wir nun einmal nicht vorbeikommen. Man kann auch nicht sagen, der Herr Bundesfinanzminister hätte das alles voraussehen müssen und hätte vorsorglich alle möglichen Steuerpläne machen müssen. Meine Damen und Herren, für Finanzminister, die schon im voraus sich die Einnahmen verschaffen, habe ich wenig übrig, und ich glaube, ein solcher Bundesfinanzminister würde hier im Hause auch Ihren Beifall nicht erhalten haben.
Aber eines dürfen Sie auch nicht vergessen: Wir alle, glaube ich, haben nicht damit gerechnet, daß die Besatzungskosten uns so belasten würden, wie sie uns heute belasten, sondern wir haben, als wir vor zwei Jahren an die Arbeit gingen, im Grunde immer gedacht: ja, darin steckt noch irgendwie eine Reserve,

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) es wird ja einmal zu einer Verminderung dieser Lasten kommen, und dann können wir uns auf anderen Gebieten besser bewegen. Die ganze Entwicklung der politischen Lage, auch der Außenpolitik, hat es mit sich gebracht, daß wir einer noch höheren Belastung entgegensehen müssen. Es ist eine erschreckende Zahl! Wir werden ja wahrscheinlich in der nächsten Woche, wenn wir den Haushalt der Besatzungslasten im einzelnen hier verhandeln, über diese Dinge noch ausführlicher sprechen müssen. Aber das eine darf vielleicht auch in diesem Zusammenhang schon gesagt werden: Wenn die militärischen Maßnahmen der Besatzungsmächte, die ja doch dem Schutz Gesamteuropas dienen sollen, sich so auswirken, daß die Besatzungslasten bei uns immer und immer wieder steigen und wir dadurch gezwungen werden, soziale Maßnahmen zu vernachlässigen, dann würde ganz gewiß nicht der Zweck erreicht werden, dieses Gebiet krisenfest und abwehrbereit gegen die barbarischen Angriffe des Ostens zu machen.


(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Alle diese Dinge müssen im Zusammenhang gesehen werden, und wir werden die Aufgabe haben, diesen Zusammenhang bei den Beratungen der nächsten Woche den Besatzungsmächten eindringlich vor Augen zu führen.
Meine Damen und Herren, schauen wir einmal zurück auf die vergangenen Jahre! Wir hatten einmal Reparationen in Höhe von 2,5 Milliarden Mark zu zahlen, und die deutsche Wirtschaft der zwanziger Jahre hat unter dieser Reparationslast schwer geseufzt. Heute betragen die Reparationslasten oder die den Reparationslasten vergleichbaren Lasten für die Besatzung über 6 Milliarden DM und nach den weiteren Forderungen der Besatzungsmächte sogar 8 bis 9 Milliarden DM. Das geht einfach über die Grenzen des Möglichen hinaus.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Wenn dem deutschen Volk solche Lasten zugemutet werden, wird der Zweck, den wir gemeinsam mit den anderen westeuropäischen Mächten verfolgen wollen, dieses Land gegen die Angriffe des Ostens zu sichern, niemals erreicht werden.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

Nun, meine Damen und Herren, zu dem immer wieder geforderten Gesamtprogramm des Herrn Bundesfinanzministers! Herr Bundesfinanzminister, Sie sind eigentlich sehr unfreundlich gewesen, und ich möchte Ihnen das in aller Offenheit sagen. Sie haben davon gesprochen, daß der Finanz- und Steuerausschuß saumselig arbeite und daß Ihnen infolgedessen mit jedem Tag 7 Millionen DM verloren gingen. Ich glaube, dieser Vorwurf ist in keiner Weise gerechtfertigt. Sie haben in diesem Hause wohl keinen treueren Ausschuß als den Finanz- und Steuerausschuß. Wir arbeiten wie die Bienen, wenn die Steuervorlagen des Finanzministers kommen, um sie zu verabschieden. Wenn im Augenblick in der Beratung der jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe gewisse Stockungen eingetreten sind, — ja, meine Damen und Herren, wer kann es denn nun eigentlich einem Parlament verdenken, wenn es einen Gesamtüberblick, eine Gesamtschau zu haben wünscht?

(Sehr richtig! bei der FDP.)



(Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

Alle diese Vorlagen können doch nicht einzeln, eine nach der andern, verabschiedet werden, ohne einen Blick auf den Gesamtzusammenhang aller Vorlagen zu tun!

(Sehr gut! bei der FDP.)

Das steht doch alles in engstem Zusammenhang! Man kann doch nicht sagen, die Umsatzsteuer habe mit der Sonderumsatzsteuer gar nichts zu tun. Ich jedenfalls kann das nicht anerkennen. Man kann doch unmöglich sagen, die Investitionssteuer, die jetzt in nebelhaften Umrissen vor uns auftaucht — nachdem die Wirtschaftsverbände ihre Pläne mehr spezialisiert haben, sehen wir etwas klarer —, habe keinen Zusammenhang mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Wirtschaftsverbände selber erklären ja: Wenn wir diese Last auf uns nehmen und in irgendeiner Form die erforderlichen Mittel für die notwendigen Investitionen in den Grundstoffindustrien aufbringen sollen — natürlich auf irgendeiner gesetzlichen Grundlage, ohne das geht es nicht —, dann müssen die Abschreibungsmöglichkeiten, die das Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz bietet, d. h. die §§ 7 a und 10 a erhalten bleiben. Also hier sind doch ganz enge Zusammenhänge gegeben.

(Abg. Dr. Köhler: Sehr richtig!)

Ich darf auch noch auf einen anderen Zusammenhang hinweisen. Wir können ja doch nicht die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöhen, ohne zu wissen, wer nun eigentlich den Raub bekommt. Auch hier besteht der engste Zusammenhang zwischen dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz und dem Gesetz zur Durchführung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. In diesen Tagen ist in Ansehung der Sonderumsatzsteuer hier ein Plan kundgetan worden, der aufs engste den Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer offenbart. Der Gedanke ist der, daß man doch vielleicht die Umsatzsteuer noch stärker erhöhen und dann auf die Sonderumsatzsteuer verzichten könne, dafür aber die sogenannten sozial kalkulierten Waren und Bedürfnisse einem geringeren Umsatzsteuersatz unterwerfen könne. Gerade darin zeigt sich wieder der enge Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer.
Also, Herr Finanzminister, wenn der Finanz- und Steuerausschuß immer wieder den Wunsch gehabt hat, alle diese Dinge in ihrer Gesamtheit zu übersehen, so ist das, glaube ich, durchaus berechtigt. Wir haben gleichwohl das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz in erster Lesung verabschiedet, wir werden heute nachmittag hoffentlich mit dem Gesetz über die Exportförderung fertig werden, und wir werden morgen auch an das Umsatzsteuergesetz herangehen. Aber ich glaube, ehe dieses Haus zu all diesen Dingen das letzte Wort sagen wird, muß der Strauß doch irgendwie zusammengebunden werden. Es kann nicht eine Blume nach der andern gepflückt werden.

(Sehr richtig!)

Dieser Zusammenhang läßt sich nach meinem Dafürhalten gar nicht leugnen.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, auf das Einkommensteuergesetz im einzelnen will ich jetzt nicht eingehen. Wir haben im Finanz- und Steuerausschuß damit genug zu tun und haben uns auch hier schon bei der Aussprache über die Vorlage darüber unterhalten.
Nun freue ich mich, in einem Punkte mit den beiden Vorrednern der Opposition, mit Herrn Kollegen Koch und Herrn Kollegen Bertram, völlig übereinzustimmen. Das betrifft die Einrichtung der Bundesbetriebsprüfung und darüber hinaus die Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung. Meine Damen und Herren, seinerzeit im Parlamentarischen Rat hat diese Frage im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzungen mit den Verbindungsstäben und den Gouverneuren gestanden. Es gab auch einen Zeitpunkt, in dem die drei Parteien CDU, allerdings minus CSU, SPD und FDP darin einig waren, eine Bundesfinanzverwaltung zu schaffen, und wir hätten wahrscheinlich diesen Plan auch durchführen können, wenn wir nicht auf den schroffen Widerstand der Besatzungsmächte gestoßen wären. Wir haben dann in den sauren Apfel der geteilten Bundesfinanzverwaltung beißen müssen. Heute ist die Situation viel schwieriger. Hätten wir damals durch Beschluß des Parlamentarischen Rates eine Bundesfinanzverwaltung geschaffen, so wäre kein Bundesrat dagewesen, der ein Nein hätte sagen können. Was wir jetzt erleben würden, wenn wir uns nun etwa zu einem Initiativantrag vereinigen würden: „Die notwendige Bundesfinanzverwaltung soll durch Änderung des Grundgesetzes geschaffen werden", — ja, meine Damen und Herren, das ist mir nach den gestrigen Ausführungen sehr zweifelhaft. Ich habe gestern ganz neue Begriffe gelernt. Ich habe gehört, daß es neben einem Volk noch ein Staatsvolk gibt

(Ja, ja! in der Mitte)

und daß es diese Dinge vor allen Dingen in den süddeutschen Ländern gibt. Nun, meine Damen und Herren, ich möchte sagen: Wir Preußen sind eigentlich bessere Leute!

(Heiterkeit. Abg. Bausch: Ihr habt alle kommandiert!)

Ich bin nun schon in der zweiten Hälfte des siebten Jahrzehnts. Ich habe in meinem ganzen Leben in Preußen niemals von einem preußischen Volk gehört, auch niemals etwas von einem preußischen Staatsvolk, auch niemals etwas von einem preußischen Vaterlande.

(Abg. Bausch: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben!"?)

Ich lese gern Geschichtsbücher; und da fand ich — ich glaube es war bei Lamprecht —: Im 10. Jahrhundert taucht in der deutschen Literatur zum erstenmal das süße Wort „deutsch" auf: „diutisk". Dann werden wir darüber belehrt: „diutisk" heißt volkstümlich, volkszugehörig, volksverbunden. — Meine Damen und Herren, aus der Entstehungsgeschichte dieses Wortes könnten die Föderalisten etwas lernen, daß nämlich die Begriffe „deutsch" und „Gesamtheit des deutschen Volkes" in einem ganz engen Zusammenhang stehen. Meine Damen und Herren, neben dem deutschen Volke gibt es keine anderen Völker mehr, weder ein bayerisches Volk noch ein badisches Volk,

(Sehr richtig! und Händeklatschen)

und es gibt auch weder ein bayerisches Staatsvolk noch ein badisches Staatsvolk.

(Beifall.)

Diese Begriffe gibt es nicht. Es gibt hier staatlich organisierte Gemeinschaften, die mehr oder weniger Rechte haben, und das, meine Damen und Herren, ist alles in dieser Geschichte!
Es ist gestern auch davon gesprochen worden, daß innerhalb dieser Länder und dieser „Staatsvölker" nun vielleicht sogar völkerrechtliche Grund-


(Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

sätze gelten könnten und daß sie Subjekte des Völkerrechts sein wollten. Wenn diese engeren Gemeinschaften innerhalb Deutschlands, diese selbständigen Staaten, die nach meinem Dafürhalten nie Völker waren, einmal in der deutschen Geschichte völkerrechtliche Subjekte gewesen sind — das gilt sowohl für Preußen wie für Bayern und auch für andere — und als völkerrechtliche Subjekte tätig geworden sind, dann war es immer ein nationales Unglück.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD.) Ich habe mich vor einigen Tagen einmal mit dem Herrn Kollegen Etzel — den ich leider nicht im Hause sehe — unterhalten. Wir haben die Klingen gekreuzt, als wir uns über Bundesvermögen und Ländervermögen unterhielten; und da Herr Kollege Etzel ein ritterlicher Mann ist, hat er mir als Dankesgabe dann zwei Broschüren der Bayerischen Volkspartei überreicht, eine geschichtliche Darstellung unter der Überschrift: „Der Kampf Preußens gegen Bayern". Meine Geschichtskenntnisse sind durch die Lektüre dieser beiden Broschüren außerordentlich erweitert worden; aber ich habe dabei gesehen, daß man in Bayern ein ganz anderes Geschichtsbild hat als in anderen Ländern. Insbesondere wurde da den Preußen der Vorwurf gemacht, daß sie immer über das Reich hergefallen seien. Es kam natürlich Friedrich der Große daran, die Schlesischen Kriege, die arme Maria Theresia. Ja, sagte ich, Herr Kollege Etzel, ich habe immer gelernt, daß wir zusammen mit dem König von Sachsen und mit dem König Karl von Bayern über die Österreicher hergefallen sind. Wir waren doch alle im Bunde. Und als wir dann gemeinsam die arme Maria Theresia geplagt hatten, wurde zur Belohnung der bayerische König nun auch noch deutscher Kaiser — mit Hilfe Friedrichs II.


(Hört! Hört!)

Wenn also der Vorwurf, daß die Preußen immer so reichs- und kaiserfeindlich gewesen seien, zuträfe, dann müßte er in diesem Falle doch zumindest auch für die Bayern zutreffen. Ich habe ihn dann auch noch an den spanischen Erbfolgekrieg erinnert — auch eine bedenkliche Sache; und es gäbe noch mehr Beispiele aus der deutschen Geschichte. In den vergangenen Zeiten, als gewisse Teile des einheitlichen deutschen Volkes in selbständigen Staaten organisiert waren, haben sie alle gesündigt, und keiner war besser als der andere. Aber diese Zeiten sind ja nun wohl überholt, und vor Rückfällen sollten wir uns hüten.
Mit dieser völkerrechtlichen Souveränität hängt, glaube ich, auch die Beutetheorie zusammen, die Herr Ringelmann mit Bezug auf Bundesvermögen und Ländervermögen neulich im Bundesrat entwickelt hat. Er hat gemeint, das ganze Reichsvermögen sei als Beute den Amerikanern und Franzosen zugefallen, und die Amerikaner und Franzosen hätten nun die Beute den Ländern überlassen, und diese Beute würden nunmehr die Länder niemals fahren lassen. Auf der Grundlage einer völkerrechtlichen Theorie einer selbständigen Rechtsperson der Länder könnte ja vielleicht dieser Grundgedanke eine gewisse rechtliche Fundierung finden.
Also, meine Damen und Herren, wenn wir uns dazu entschließen könnten, zu einer Bundesfinanzverwaltung zu kommen, so wäre es gut. Vielleicht ist der Herr Bundesfinanzminister in seinem Herzen schon auf unserer Seite. Herr Bundesfinanzminister, ich habe neulich in Siegburg einmal eine Vorlesung vor Ihren Finanzbeamten gehalten. Erst war es ein sehr erlauchtes Publikum, Oberfinanzpräsidenten, Abteilungsleiter und Ministerialbeamte, und nachher waren es dann nur die Finanzamtsvorsteher, aber eigentlich doch durchweg entweder ganz Länderbeamte oder halb Länderbeamte — Amphibien, wie die Oberfinanzpräsidenten!

(Heiterkeit.)

Wenn ich da eine Abstimmung hätte machen dürfen, wer für die Bundesfinanzverwaltung sei, dann wäre das Votum einmütig zugunsten der Bundesfinanzverwaltung ausgefallen,

(Beifall)

und selbst die bayerischen Oberfinanzpräsidenten hätten mit Ja abgestimmt. — Ich glaube also, die Zeit für diese Dinge ist allmählich gekommen.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Herr Finanzminister, die Verabschiedung der ganzen Steuergesetze wird uns noch Sorge machen. Wir wissen, daß, wenn wir nun mal so große soziale Leistungen aufbringen wollen — und das haben wir übernommen —, dann auch für die Deckung gesorgt werden muß. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn wir diese großen sozialen Aufwendungen für alle die Kategorien, die ich aufgezählt habe, um des Friedens in unserem Lande willen machen, dann müssen wir auch die Entschlußfreudigkeit aufbringen, für die erforderliche Deckung zu sorgen. Aber, Herr Finanzminister, ich betone es noch einmal: wir können dabei an dem Gedanken, daß das Ganze in einer einheitlichen Schau gesehen werden muß, nicht vorbeigehen.

(Beifall bei der FDP und zum Teil in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113701300
Das Wort hat der Herr Ageordnete Loritz.

(Aha-Rufe.)


Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0113701400
Meine -Damen und Herren! Unsere Finanzverwaltung krankt daran und man wirft ihr mit Recht vor, daß sie im Laufe der letzten Zeit von einem Plan heraus in den anderen gerissen worden ist. Ja, ich möchte bald sagen, daß kein Mensch mehr weiß, welche Finanzpolitik denn eigentlich auf längere Sicht durchgeführt werden soll. Einer der Vorredner hat mit Recht darauf hingewiesen: bald kommt das eine Projekt, dann wieder das andere Projekt, dann wird dieses Projekt wieder fallengelassen, und nachdem es die Öffentlichkeit genügend beunruhigt hat, kommt ein neues Projekt. Denken Sie nur an die Sache mit der Süßwarensteuer usw.! Dadurch wird die Wirtschaft schwerstens beunruhigt. Wir brauchen Zielstrebigkeit in der Finanzpolitik! Lange genug ist die Bundesregierung jetzt schon im Amt, um uns endlich ein fest umrissenes Programm vorlegen zu können, ein Programm, nach dem die Wirftschaft sich richten kann.
Da unsere Redezeit beschränkt ist, möchte ich auf ein Spezialgebiet, auf die Sonderumsatzsteuer eingehen, die jetzt vom Herrn Finanzminister geplant ist und die eine große Anzahl von Warengruppen umfassen soll,

(Abg. Stücklen: Ja, was wissen Sie denn davon?)

wahrscheinlich die allermeisten. Wir müssen heute
schon diesem Projekt die Zähne zeigen. Wir dürfen
diesem Projekt unter gar keinen Umständen unsere Zustimmung geben, und zwar aus folgendem
Grund: Wenn wir hier eine große Anzahl von


(Loritz)

Gütern auch des täglichen Bedarfs besteuern, und zwar hoch besteuern, wie der Vorschlag bereits vorsieht, dann werden wir den Absatz dieser Waren nicht bloß an die Inländer, sondern vor allem auch an die Ausländer, die bei uns sind — sei es als Feriengäste, sei es als Angehörige der Besatzungstruppen, sei es sonst als Reisende —, in schwerster Weise beeinträchtigen. Die Folge davon wird sein, daß der Ausländer keine Lederwaren, keine Taschen, keine Mäntel usw. mehr ia Deutschland kauft, daß die Leute nach Straßburg hinüberfahren oder woanders hingehen, um dort ihre Einkäufe zu machen. Das wird Dutzende von Industrien, auf die unsere deutsche Wirtschaft angewiesen isst, kaputtmachen, die Offenbacher Lederwarenindustrie genau so wie viele andere Industrien.
Der Herr Bundesfinanzminister hat eine merkwürdige Sucht, möchte ich fast sagen, die Steuer immer wieder ad rem und nicht ad personam zu erheben, die Steuer immer wieder an der Sache und nicht an den Personen einziehen zu wollen, die einen Geldüberhang ihr eigen nennen. Das ist einer der größten Mißstände, unter denen unser heutiges Steuersystem leidet. Es wurde von einigen Vorrednern schon mit Recht darauf hingewiesen — und wir selber von der WAV haben das immer schon gesagt —, dieses Mißverhältnis zwischen den direkten Steuern und den Steuern au! die Waren wird unsere Volkswirtschaft weitgehend paralysieren, wenn es so weitergeht. Das Institut, das ausgerechnet hat, daß in den heute gangbarsten Warensorten mindestens 80/o Teuerung durch die heute schon bestehenden Umsatzsteuersätze liegt, scheint mir fast noch zu niedrig gegriffen zu haben. Ich beziehe mich auf Untersuchungen anderer Institute — auch an der Universität München sind solche schon gemacht worden —, die sagen, daß bei einer ganzen Reihe von Warengattungen die Umsatzsteuer, die im Warenpreis drinsteckt, jetzt bereits zu einer Verteuerung des Warenpreises von 15 bis 20 % geführt hat. Hier würde durch eine Erhöhung auch nur um 1 % eine noch größere Hinaufsetzung der Preise für diese Güter eintreten. Das können wir ebenfalls unter gar keinen Umständen mitmachen. Es war ein Verhängnis, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie im Jahre 1950 durch eine Einkommensteuerreform, die den Kleinen wenig oder fast nichts und den Großen sehr viel gab, rund 900 Millionen DM preisgegeben haben! Es wurde schon oft genug in diesem Hause davon gesprochen, was mit diesen 900 Millionen DM hätte geschehen können.. Ich fürchte sehr, Herr Bundesfinanzminister. Sie werden auf diesem Wege fortfahren, statt endlich einmal die Übergewinne durch eine Übergewinnsteuer abzuschöpfen, die sich direkt aufdrängt und die wir von dieser Stelle aus schon lange gefordert haben. Gesellschaften, Unternehmungen, die Umstellungsbilanzen nicht bloß im Verhältnis 1 zu 1, sondern sogar noch günstiger vorlegen konnten, sollten Sie mehr als bisher zur Besteuerung heranziehen! Unternehmungen, die heute riesige Exportgewinne erzielen, die wären das geignete Gebiet für Ihre Tätigkeit, Herr Finanzminister! Und vor allem noch eins: die riesigen Steuerrückstände, die vorhanden sind, und zwar nicht bei den kleinen Leuten — dort wird der letzte Pfennig herausgeholt —, sondern die bei den großen Fabriken da sind und die bereits gigantische Summen ausmachen, die müßten Sie rechtzeitig beizutreiben versuchen! Ein Länderfinanzminister sprach vor wenigen Wochen — ich habe Ihnen das Beispiel hier schon zitiert — von den 500 Millionen DM, die allein im Lande Bayern an all diesen Steuern rückständig sind. In anderen Ländern sieht es nicht anders aus. Hier können noch gigantische Summen gewonnen werden, ohne daß Sie Steuern zu erhöhen brauchen, Herr Finanzminister!
Wir können aus all diesen Gründen unsere Zustimmung zum Finanzhaushalt nicht geben, und wir fordern den Herrn Finanzminister auf — wir tun es schon lange —, er möchte doch endlich einmal ein umfassendes Steuerprogramm vorlegen, in dem die 'Steuern aufeinander abgestimmt sind, damit die Wirtschaft weiß, wie sie kalkulieren muß, und damit die ganze Bevölkerung klar sieht, wie der finanzpolitische Kurs gehen soll. Die Finanzwirtschaft in Deutschland zusammen mit der Wirtschaftspolitik des Herrn Wirtschaftsministers Erhard sind hauptverantwortlich dafür, daß eine immer tiefergehende Beunruhigung in der Bevölkerung Platz greift, ausgelöst durch Preissteigerungen am laufenden Band, die keineswegs bloß durch Korea und durch Teuerungen auf den Weltmärkten zu erklären sind, sondern ihre Ursache in einer völlig falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik haben. Diese muß beseitigt werden, wenn unsere Wirtschaft endlich einmal wieder eine Aufwärtsentwicklung nehmen soll, und zwar eine Aufwärtsentwicklung nicht bloß für einige Zehntausend großer Exportfirmen, sondern eine Aufwärtsentwicklung für die breiten Massen der deutschen Bevölkerung!

(Beifall bei der WAV.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113701500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0113701600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Koch! Die steuerpolitischen Terzen und Quarten — tiefe Hiebe waren es ja nicht —, die Sie dem Herrn Bundesfinanzminister erteilt haben, haben mich an eine Zeit nach dem ersten Weltkrieg erinnert, in der ich frisch, jung und rank war und mir den Reichsfinanzminister Erzberger aufs Korn nahm. Jetzt habe ich Abstand bekommen. Ich bin auch älter und dicker geworden — mit dicken Leuten ist ja immer besser umzugehen —,

(Heiterkeit)

und ich bin jetzt zu der Überzeugung gekommen, daß der Mann das meiste richtig gemacht hat. Sie werden es gleich merken, wenn ich nämlich zur Bejahung der Bundesfinanzverwaltung als Analogie zur Reichsfinanzverwaltung komme. Ich glaube, Herr Kollege Koch, Sie werden mit gewissem Abstand demnächst auch milder über den Herrn Finanzminister Schäffer urteilen, in dem ich geradezu den parlamentarischen Minister sehe.
Herr Kollege Mellies, ich habe es wirklich nicht verstanden, daß Sie ausgerechnet Herrn Schäffer ausgesucht haben, um sich in diesem Punkt an ihm zu reiben. Ich glaube, es gibt sehr viele andere Minister in dieser Hohen Bundesregierung, denen man kritisch gegenübertreten könnte. Herr Minister Schäffer gehört doch wirklich zu denjenigen, die sich uns stellen und uns nicht, sagen wir einmal, wie so ein Stück — na, ich hätte beinahe einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht — zu behandeln versuchen.

(Heiterkeit.)



(Dr. Dresbach)

Nun zur Sache! Der Herr Berichterstatter hat in seinem eingehenden und meines Erachtens ausgezeichneten Bericht dargetan, wie schwer der Aufbau war, den der Herr Bundesfinanzminister auf sehr unzureichenden Grundlagen — ich nenne hier Art. 106 des Grundgesetzes über die Steuerquellen und Art. 108 über die Verwaltungsorganisation — zu leisten hat. Nun ist hier die Frage gestellt worden: Wer ist eigentlich in dieser Bundesrepublik der Wirtschaftsminister? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Die ursprüngliche Aufgabe des Finanzministers war ja, mit möglichst einfachen technischen Mitteln. den Finanzbedarf des Staates sicherzustellen. Aber auch in einer Zeit mit einer liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung war das schon keine ganz populäre Aufgabe, und ich habe mir mal sagen lassen, daß gewisse Parteien eine Abneigung hätten, überhaupt den Finanzministerposten, sei es im Bund oder in einem Land, zu übernehmen.

(Heiterkeit und Zustimmung.)

Also diese Aufgabe ist nie populär gewesen. Nun hat aber der Verteidigungsbeitrag der friedliebenden Nationen — so nennt man das ja neuerdings wohl; einstweilen finden wir es noch unter Besatzungskosten — einen derartigen Staats- und Finanzbedarf anwachsen lassen, an den Adolph Wagner, von dem ja wohl das Gesetz oder die Formel von dem wachsenden Staatsbedarf stammt, nicht gedacht hat; und diese Bedarfsdeckung bringt nun einmal Eingriffe in die gesamte Wirtschaft und auch in das Gesellschaftsleben. So ist es fast unaufhaltsam, daß der Herr Finanzminister in die Rolle des Wirtschaftsministers hineinwächst. Ich brauche nur das Kapitel Sonderumsatzsteuer anzudeuten, wo dem Herrn Finanzminister doch Aufgaben zugedacht sind, die weiß Gott eine weitgehende Wirtschaftslenkung bedeuten. Es hat ja auch einmal einen Finanzminister gegeben, der behauptet hat, daß der Finanzminister der beste Sozialisierungsminister sei. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie, Herr Minister Schäffer, den Ehrgeiz haben; die Funktionen des Finanzministers so auszudeuten und zu brauchen.
Aber -- und nun möchte ich wiederum ein Wort der Anerkennung für unseren Herrn Finanzminister finden — er ist bisher ganz vornehmlich der Hüter der Währung gewesen,

(lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

und wenn ihm schon einmal das Wort von der Abstimmungsmaschinerie entglitten sein sollte, die wir angeblich darstellen, dann möchte ich ihm das nicht so scharf und so böse anrechnen. Die Position und besonders auch die Art des Herrn Ministers Schäffer bringen es mit sich, daß er uns manchmal mit erhobenem Finger darauf hinweist: Kinder, bewilligt nicht zuviel an Ausgaben, sonst komme ich mit dem Haushaltsplan nicht zurecht, und ihr wißt ja doch, daß nichtgedeckte Haushaltspläne nun einmal eine Quelle alles dessen sind, was man mit dem schönen Fremdwort Inflation bezeichnet. Währungsschädigung und nochmals Währungsverfall aber, meine Damen und Herren, wäre das Schlimmste.

(Zustimmung in der Mitte.)

Nun hat der Kollege Koch wie ein zweiter Cato mit seinem Ceterum censeo wieder auf die Einkommensteuerregelung hingewiesen. Nun schön,
Herr Kollege Koch; Sie werden doch soviel zugeben wollen, daß es sich hier um einen ernsten Versuch gehandelt hat, die durch die Kontrollratsgesetzgebung korrumpierte Wirtschaft wieder auf gute Wege zu führen.

(Abg. Heiland: Aber ein Versuch am untauglichen Objekt!)

— Verzeihen Sie, wir wollen uns darüber nochmal unterhalten; dazu sind ja unsere Beratungen demnächst im Steuerausschuß über die von der Regierung vorgelegten Änderungsentwürfe da.
Und nun zum Einkommensteuertarif. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat darauf hingewiesen, daß man bei der Betrachtung der gesamten Personalbesteuerung doch nicht an der einstweilen noch Objektbesteuerung genannten Gewerbesteuer vorbeigehen kann. Ich habe mir gestern abend erlaubt, auf diese Kumulation hinzuweisen, als hier das Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes in der ersten Lesung zur Diskussion stand. Hierzu möchte ich nochmals eindringlich hervorheben: Diese Form der Gewerbebesteuerung ist in den vergleichbaren Ländern des Auslandes nicht bekannt. Deshalb müssen wir auch gegenüber den ausländischen Kritikern an unserem Einkommensteuertarif immer wieder den Hinweis auf diese Objektbesteuerung bringen, die doch faktisch fast — jedenfalls ist das bei der Gewerbeertragssteuer so — eine zusätzliche Einkommensteuer auf das fundierte Einkommen geworden ist.

(Abg. Dr. Koch: Sie wird aber abgewälzt!)

— Verzeihen Sie, wird abgewälzt? Sie wird ja auch bei der Einkommensteuer als Betriebsausgabe abgesetzt. Aber, Herr Kollege Koch, Sie werden doch nicht daran vorbeikommen, daß es sich hier um eine sehr stark einkommensteuerähnliche Steuer handelt, auch in der Technik; bitte, lesen Sie die Dinge im Gesetzentwurf nach.
Nun hat der Herr Kollege Höpker-Aschoff — meines Erachtens durchaus berechtigt — darauf hingewiesen, daß die Erleichterungen der Eigenfinanzierung doch nicht nur falsche Objekte getroffen haben. Er hat auch eine gewisse Skepsis vor einer Wirtschaftslenkung durch die Regierung gezeigt. Meine Herren von der Sozialdemokratie, ich habe manchmal den Eindruck, Sie haben einen ungeheuren Respekt vor dem Typ Ministerialrat, als wenn diese Gesellschaft — die ich sonst sehr schätze — nun imstande wäre, göttlich gerecht zu denken, zu handeln und zu planen. Ich teile diese Hochachtung nicht so ganz.

(Zuruf von der SPD: Wir auch nicht!)

Aber, meine Damen und Herren, wir wollen nicht leugnen, daß es bei der Ausführung der Einkommensteuerreform Schattenseiten gegeben hat. Leider haben es manche Wirtschaftszweige nicht verstanden, Maß zu halten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Man ist manchmal sogar geneigt, auszusprechen, daß es notwendig wäre, die Institution des Privateigentums vor manchen Privateigentümern zu schützen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Nun ist nicht zu leugnen, daß es die Überhäufung der Finanzämter mit viel zu viel Kleinkram verhindert hat, mit raschen und guten Veranlagungen an den großen Brocken zu kommen. Und, meine Damen und Herren und vor allen Din-


(Dr. Dresbach)

gen die Kollegen aus dem Steuerausschuß: wir wollen uns auch davor hüten, allzu viele Lappalien wieder einzubauen, die demnächst die „Tara", wenn ich mich mal so ausdrücken darf, d. h. die Verwaltungskosten in der Finanzverwaltung erhöhen werden. Allzu viel in der Steuergerechtigkeit erzwingt ein Mehr an Ausgaben für die Beamtenschaft, darüber muß man sich klar sein, also das, was ich mir eben nach kaufmännischem Vorbild als „Tara" zu bezeichnen erlaubte.
Ich habe schon darauf hingewiesen, welche unzureichenden Instrumente dem Herrn Bundesfinanzminister zur Verfügung gestanden haben, insbesondere auch in dem Art. 108 des Grundgesetzes. Nun will die Bundesregierung den Weg gehen, den Bund auch an den Personalsteuern, der Einkommen- und der Körperschaftsteuer, zu beteiligen. Ich glaube, die erste Anregung dazu ist sogar aus diesem Hohen Haus, und zwar aus der Opposition hervorgegangen, wenn ich mich recht entsinne, vom Kollegen Bertram vom Zentrum. Das bedeutet also, daß der Bund auch direkte Steuern heranziehen wird. Er wird sich nicht mehr mit dem zufrieden geben, was ihm im Grundgesetz primär zugedacht ist. Die weitere Folge davon ist, daß er sich auch mit der Verwaltungsorganisation befassen muß. Er muß doch mehr auf eine Administration, auch der Länderbehörden, insbesondere auch der Finanzämter hinaus; die Gesetzentwürfe liegen ja vor. Hier spreche ich nun, ähnlich wie die Herren Kollegen Höpker-Aschoff, Koch und Bertram, die Hoffnung aus — das ist aber nur meine persönliche Meinung; ich habe mich mit meinen Freunden von der CSU noch nicht ganz so abgestimmt —, daß es zu einer Bundesfinanzverwaltung mit der starken Institution des Bundesbetriebsprüfungsdienstes kommen wird. In dieser Beziehung könnten wir, glaube ich, sogar etwas von den Nazis lernen, von Herrn Fritz Reinhardt. — Sie nicken mir zu, Herr Kollege Koch; also habe ich Absolution.

(Heiterkeit.)

Als ich schon einmal eine ähnliche Bemerkung machte — von diesem Platz aus —, 'bekam ich eine Rüge durch den damals amtierenden Präsidenten. Aber inzwischen ist ja die Zeit weitergeschritten.
Ich habe noch eine gewisse Skepsis in puncto Finanzausgleich. Meine Befürchtungen gehen dahin, daß die ungeheueren Aufgaben und Ausgaben, die an den Bund herantreten, den Bund zwingen werden, Länder und Gemeinden geradezu zu sterilisieren, sie jedenfalls zu stationären Gebilden zu machen.
Es ist ja nun leider so, meine Damen und Herren: Kriegsliquidationen und auch Verteidigungsbeiträge führen zu Interventionismus, und Interventionismus führt zum Zentralismus. Diese Bedenken muß man hier vorbringen, besonders wenn man sich, obgleich mal die allgemeinen Interessen wahren will, als ein spezieller Wahrer der Interessen der Gemeinden fühlt.
Und nun zum Schluß. Herr Bundesfinanzminister, ich kann es verstehen, daß Sie auf Erledigung des Umsatzsteuergesetzes besonders drängen. Denn das gibt rasch Geld, da fließen die Mittel schnell. Aber ich muß mich auch den Wünschen des Kollegen Dr. Höpker-Aschoff anschließen und betonen, daß es zweckmäßig ist, die Dinge in einem Gesamtrahmen zu sehen. Man kann bei der Frage einer Erhöhung der normalen Umsatzsteuer nicht die Sonderumsatzsteuer außer acht lassen. Aber wir werden an die Lösung dieser Probleme herangehen müssen. Ich habe den Eindruck — und diese Auffassung hat auch der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, Herr Höpker-Aschoff, mit Recht vertreten —, daß dieser Ausschuß fleißig und intensiv und eigentlich auch in netter Kameradschaft arbeitet. Also, Herr Kollege Koch, Sie haben, glaube ich, heute zum letzten Mal Ihr Ceterum censeo gesagt. Demnächst auf Wiedersehen im Steuerausschuß!

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113701700
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0113701800
Meine Damen und Herren! Es ist nicht uninteressant, aber, ich glaube, auch nicht merkwürdig, daß bisher von keinem der Redner der Fraktionen auf die entscheidende Grundfrage eingegangen worden ist, die die Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung und damit des Herrn Finanzministers bestimmt. Nur wenn wir diese Frage herausarbeiten, werden wir verstehen, warum seitens der Regierung Adenauer-Schäffer eine solche Finanz- und Steuerpolitik durchgeführt wird. Ich glaube hier gleich ein Wort zu der Tatsache sagen zu müssen, daß diese Politik in absoluter Übereinstimmung mit den dieser Regierung vom Petersberg als Weisung erteilten Richtlinien für die Finanz- und Steuerpolitik steht. Vielleicht gibt der Herr Finanzminister nachher in seinen Ausführungen dem Hause einmal Auskunft darüber, was für neue Weisungen für die Finanzgebarung hier in Westdeutschland ihm in den internen Besprechungen auf dem Petersberg erteilt worden sind. Eines ist wohl nicht zu bezweifeln — und die Zahlen des Etats beweisen es eindeutig —, daß diese Finanz- und Steuerpolitik entscheidend bestimmt und dirigiert wird von den Interessen der amerikanischen Milliardäre, deren Ziel die Vorbereitung ihres amerikanischen Krieges und die Einschaltung Westdeutschlands für diesen ihren amerikanischen Krieg ist.

(Zurufe in der Mitte und rechts.)

Wenn irgend jemand das bezweifeln will, dann möge er die Tatsache verteidigen, daß der entscheidendste Posten in den gesamten Ausgaben hier im Bundesgebiet, die Besatzungskosten, nach eigenen Angaben des Finanzministeriums etwa 9 Milliarden DM ausmachen.
Wenn wir die Besatzungskosten zu den Gesamteinnahmen des Bundes und der Länder im vergangenen Jahr in Relation stellen, dann stellen wir fest, daß sie etwa 40 % betragen. Legen wir aber jetzt der Berechnung den von der Bundesregierung veröffentlichten Betrag von etwa 9 Milliarden DM zugrunde, dann betragen die Besatzungskosten bereits 60 %. Was seitens des Petersberges und seitens der Amerikaner angekündigt worden ist, besagt, daß noch mit einer weiteren Steigerung der Besatzungskosten, d. h. der Kosten der Kriegsvorbereitung und der Remilitarisierung, gerechnet werden muß. Zu diesem Posten kommen noch weitere Ausgaben hinzu. Ich greife als Beispiel nur noch einen weiteren Betrag heraus, nämlich die für die von den Amerikanern gewünschte




(Müller [Frankfurt])

Grenzschutzpolizei erforderlichen 300 Millionen DM. Weitere Ausgaben werden entstehen, wenn die Bereitschaftspolizei errichtet wird. All dies bedeutet nichts anderes als die Schaffung der Mittel für die Remilitarisierung und die Kriegsvorbereitungen.
Damit charakterisiert sich die ganze Politik dieser Regierung und des Bundesfinanzministers. Ihre Tätigkeit ist nichts anderes als die Beitreibung und Einpeitschung von Massensteuern für die Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung. Das ist der entscheidende Charakter und das ist die Grundlage der gesamten Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung.
Ich sagte schon: es ist nicht ganz merkwürdig, daß keiner — auch nicht die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion — auf diese entscheidende Grundfrage eingegangen ist. Das ist deswegen nicht merkwürdig, weil, wie wir ja wissen, in der Frage der Remilitarisierung prinzipiell völlige Übereinstimmung herrscht; und damit ist naturgemäß auch für die sozialdemokratische Fraktion eine grundsätzliche Kritik an dieser Regierung nicht möglich.
Ich sprach vorhin davon, daß die Finanz- und Steuerpolitik zum Zwecke der Bereitstellung der Mittel für die Remilitarisierung zu Lasten des Volkes geht. Ich möchte einige Tatsachen aus der Finanz- und Steuergebarung ins Gedächtnis zurückrufen. Ich weise dabei auf die eigenen Veröffentlichungen der Regierung über die Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1950 hin. Danach machen dig Massensteuern — und hier, Herr Kollege Koch, differenziere ich zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer —, die Lohnsteuer, die Tabaksteuer, die Zölle und Verbrauchsabgaben zuzüglich Umsatzsteuer 82 % der gesamten Einnahmen aus. 82 % der Mittel für die Remilitarisierung werden also von den breiten Massen aufgebracht.
Dazu muß man die Politik der Regierung auf dem Gebiete der Preise berücksichtigen. Ich nenne hier die Erhöhung der Eisen- und Stahlpreise, der Kohlenpreise, der Textilpreise, der Preise für die Verbrauchsgüter, der Preise für das Brot. Das alles bedeutet, daß der Arbeiter, aber nicht allein er, sondern auch der Sozialrentner, das Kriegsopfer, der Umsiedler durch die direkten und indirekten Massensteuern mit der Finanzierung der Remilitarisierung belastet werden. Wahrscheinlich ist der Prozentsatz noch zu gering, wenn ich sage, daß der Sozialrentner, der Arbeitslose, der Unterstützungsempfänger durch die Belastung mit den indirekten Steuern eine Senkung seiner Bezüge in den letzten Monaten um mindestens 30 % erlebt hat. Also praktisch wird auch der Allerschwächste mit herangezogen.
Das trifft aber nicht nur diese Bevölkerungsschichten, sondern ebenso den Mittelstand. Die Zahl der Konkurse, der Zwangsvergleiche und Wechselproteste zeigt eine steigende Tendenz. Das beweist, daß der Mittelstand in den Strudel dieser Katastrophen- und Hungerpolitik der Regierung mit hineingerissen wird.

(Zuruf von der Mitte: Siehe Ostzone!)

Die Bauern werden von dieser Politik in gleicher Weise betroffen. Wir hatten ja aus Anlaß der Beratung des Etats des Ernährungsministeriums Gelegenheit, selbst aus den Kreisen der Regierungsparteien Stimmen der Kritik und Opposition zu hören. Das war eigentlich merkwürdig. Es ist nur dadurch zu erklären, daß wir vor Wahlen stehen.
Da will man sich ein Alibi gegenüber der Politik schaffen, die man bisher mit der Regierung Adenauer betrieben hat und im Grunde auch weiter zu betreiben gedenkt. Aber es ist eine Tatsache, daß auch die Landbevölkerung, sowohl die Bauern als auch die Landarbeiter, von dieser Politik mit betroffen und sehr erheblich belastet werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die steigende steuerliche Belastung des Bodens die Existenz der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe aufs schwerste gefährdet. Die Verschuldungen und hypothekarischen Belastungen sind z. B. in Niedersachsen innerhalb von sechs Monaten um mehr als 670/o gestiegen. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die Belastung pro Hektar mit Steuern im Jahre 1913/14 nur vier Mark betrug, während sie im Jahre 1949/50 auf ungefähr 120 DM angestiegen ist.
Von der Politik der Finanzierung der Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung werden alle werktätigen Schichten betroffen. Wir stellen also fest, daß die Regierung auf der einen Seite bereit ist, die Massen zu belasten, in großem Umfang zu belasten — ich habe das an Hand von Zahlen und Tatsachen nachgewiesen —, daß sie aber auf der anderen Seite die Reichen schont und den Besitzenden und Herrschenden ungeheuere Steuergewinne und -vorteile bringt. Ich möchte hier nur anführen, welche Folgen die Reform des Einkommensteuergesetzes gehabt hat. Es ist eine Tatsache, daß den steuerpflichtigen Großen im vergangenen Jahr annähernd eine Milliarde geschenkt worden ist. Aber das ist nicht alles. Durch die von der Erhardschen Katastrophen- und Preispolitik begünstigte Preisentwicklung, waren die Industrien in der Lage — und Herr Dr. Erhard brüstete sich ja damit —, im vergangenen Jahr rund 16 Milliarden DM zu investieren. Für dieses Jahr wurde errechnet, daß sie etwa 17 Milliarden DM investieren können. Wir wissen ja, daß die Erarbeitung der Mittel für die Investierungen nicht durch den Unternehmer geschieht, sondern daß diese Mittel aus den arbeitenden Schichten, aus der Arbeiterschaft herausgewirtschaftet und auch durch die Preispolitik erreicht werden. Das ist eine so bekannte Tatsache, daß ich darauf nicht naher einzugehen brauche. Ich mochte nur noch einmal unterstreichen, wohin das gefuhrt hat, namlich dahin, daß, wie selbst nach amtlichen Berichten, nach Erklarungen und Veroffentlichungen von Industrie-
und Handelskammern feststeht, der großte Teil der Aktiengeseinschaften in der Lage gewesen ist, das Aktienkapital im Verhaltnis 1 zu 1 von R-Mark auf D-Mark umzustellen. Das sind Milliardenbetrage, die aus der Arbeiterschaft herausgewirtscnafter wurden und die die Unternehmer mit Begunstigung und Unterstutzung durch diese Regierung den Aktionaren haben zugute kommen lassen.
Öffensichtlich ist aber selbst in diesen Schichten das Verurauen zu dieser Regierung und ihrer Wahrung nicht das beste. Es wurde festgestellt, daß etwa 800 Millionen DM bereits nach dem Auslande verschoben sind! — Wenn eine schweizerische Zeitung vor kurzem davon schrieb, daß es wohl zweckmaßig ware, die D-Mark in ihrem richtigen Wertverhaltnis festzusetzen, dann durfte das wohl eine weitere Bestätigung dafur sein. Ich habe bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, daß selbst der frühere Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff diese Finanzpolitik einmal mit der des alten Tür-


(Müller [Frankfurt])

kenreiches verglichen und gesagt hat, daß das Vertrauen zu dieser Wirtschaft also nicht das allerbeste sei.
Es ist notwendig, noch auf eine andere Tatsache hinzuweisen, nämlich darauf, daß diese Regierung in Abhängigkeit und in Koordinierung mit der amerikanischen und mit der Marshallplan-Politik die Mittel, die aus den Massen herausgeholt werden, zur Finanzierung absolut nicht benötigter Zwangseinfuhren verwendet. Ich erinnere an Gemüse, an Obst; ich erinnere an die Importe von Kohle, die „notwendig" sein sollen. Unsere Kohle wird exportiert, und dafür dürfen wir sogenannte amerikanische Kohle 'einführen, deren Preisdifferenz wiederum auf die breiten Schichten abgewälzt wird.
Ein weiteres .Zeichen und ein weiterer Beweis für die Katastrophenpolitik dieser Regierung ist die Tatsache der Verschuldung Westdeutschlands gegenüber dem Ausland. Wenn in der Anerkennung der Vorkriegs-Auslandsschulden und der seit 1945 gemachten Schulden in einem Gesamtbetrage von annahernd 53 Milliarden DM mit die Summe von bis jetzt ungefähr 15 Milliarden DM enthalten ist, dann ist das ein weiterer Beweis nicht allein nur für die Abhängigkeit und die Verschuldung, sondern auch für die Politik einer Regierung, die den Interessen des deutschen Volkes geradezu ins Gesicht schlägt.
Ich sprach vorhin davon, daß die Regierung mit ihrer Politik die Massen belastet, daß die Mittel und die Wege dazu verschieden sind. Dazu gehört auch der Finanzausgleich. Dadurch, daß die Regierung den Ländern von ihren ihnen bisher zustehenden Zuweisungen ein Drittel weggenommen hat, wirkt sich das gegenüber den Ländern und Gemeinden so aus, daß diese nun ihrerseits dazu übergehen, nach neuen Einnahmequellen zu suchen. Es ist Tatsache, daß heute eine große Anzahl von Gemeinden und Städten auf dem Wege über die Erhöhung von Gebühren, der Wasser-, Strom-, Gaspreise, der Straßenbahntarife versucht, die ihnen entzogenen Mittel dadurch wieder zu ersetzen. Ich würde es für notwendig halten, daß gerade seitens der Gemeinden ein energischerer Widerstand gegen diese Politik geleistet wird.
Nachdem nun neue Löcher im Etat aufgerissen werden — man spricht davon, daß weitere vier bis fünf Milliarden DM aufgebracht werden sollen—, geht man jetzt dazu über, neue Steuern, neue Belastungen durchzuführen: Sonderumsatzsteuer! Dabei wird bereits davon gesprochen, daß die Zahl der Artikel, die einbegriffen werden sollen, noch weiter erhöht werden solle. Der Kohlenpreis, der Margarinepreis, der Milchpreis werden erhöht. Das Konsumbrot wird ab 1. Juni um 15 Pfennig teurer, d. h. mit anderen Worten: wiederum Massenbelastungen seitens dieser Regierung des Hungers.

(Zuruf aus der Mitte: Im Osten hungert man mehr!)

Und es ist so, daß — —Vizepräsident Dr. Schmid: Kommen Sie bitte zum Schluß!

Oskar Müller (KPD):
Rede ID: ID0113701900
— die Finanzpolitik dieser Regierung dazu dient, wie ich das schon eingangs erwähnte, die Remilitarisierung und die Kriegsvorbereitungen zu finanzieren. Die Kosten soll das Volk tragen.
Ich glaube, es ist notwendig, daß sich unser Volk gerade angesichts dieser Tatsachen gegen diese Regierung zusammenschließt: Fort mit dieser Regierung Adenauer! Fort mit dieser Regierung 'der Kriegsvorbereitungen und der Remilitarisierung! Unser Volk muß und wird sich den Frieden erkämpfen und erhalten,

(Zurufe aus der Mitte: Fort mit Ihnen! Fort mit Müller!)

wenn es sich im Kampfe um seine Einheit und Freiheit den Weg für eine bessere und friedliche Zukunft sichert!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113702000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0113702100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einige Sätze zitieren, die der Herr Bundesfinanzminister seinerzeit bei der Begründung der kleinen Einkommensteuerreform gesagt hat. Er hat damals, als es um die Erleichterung in der Einkommensteuer ging, 'erklärt:
Dieser Gesetzentwurf ist aus der Erkenntnis geboren, daß die Grundlage aller Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der 'einfache Mann im Volke ist — ich sage: der unbekannte Steuerzahler — und daß wir vor der Gefahr stehen, daß dieser unbekannte Steuerzahler als Grundlage unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, moralisch und leistungsfähig betrachtet, im Zusammenbrechen begriffen ist.
Er 'hat weiter erklärt, und ich erbitte mir die Erlaubnis, auch diese Sätze zitieren zu dürfen: Damit ist eines gekennzeichnet: daß Bund und Länder heute an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen. Sie sehen sich ständig wachsenden Sozialausgaben gegenüber, müssen Jahr für Jahr für die eigentlichen staatlichen Aufgaben, kulturelle Aufwendungen und Förderung des Wirtschaftslebens ihre Ausgaben einschränken und — und hier liegt die Entscheidung — müssen gleichzeitig erkennen, daß der Steuerzahler nicht mehr weiter 'belastet werden kann, daß dieser Steuerzahler bereits überbelastet ist.
Ich bin überzeugt, daß der Bundesfinanzminister diese Ausführungen in objektiver Erkenntnis der Lage gemacht hat und daß sie seine wie auch unsere Überzeugung waren. Damals hat er auch diese Steuererleichterungen damit begründet, daß bei der Überspannung der Steuerleistungspflicht eine Erleichterung eintreten müsse, damit auch die Steuerehrlichkeit wieder zurückkehre. Glauben Sie jetzt nicht, daß ich diese Äußerungen des Bundesfinanzministers zu einem massiven Angriff gegen ihn verwende. Denn trotz der Erkenntnis dieser Höchstbelastung des Volkes mit Steuerpflichten hat, zum großen Teil sogar einstimmig, der Bundestag große Sozialgesetze beschlossen, die sich aus den Kriegsfolgen ergeben. Wir haben das in einer Zeit getan, in der eine völlige Wendung zu anormalen Zeitläuften eintrat. Wir erklären ganz offen, auch wenn wir von der Opposition sind, daß wir auf Grund der fürchterlichen Lage unseres Volkes, in die wir durch den Koreakonflikt und äußere Erscheinungen, die nicht auf die Bundesregierung zurückzuführen sind, geraten sind, jetzt auch die Konsequenzen ziehen und für die Er-


(Dr. Besold)

füllung dieser erhöhten sozialen Lasten unsere Unterstützung geben.

(Abg. Mellies: Dann ziehen Sie aber bald Ihren Mißtrauensantrag gegen den Herrn Finanzminister zurück!)

— Hören Sie auf meine weiteren Ausführungen, die ich machen werde. In Erkenntnis der Lage, wie sie sich damals nach der kleinen Steuerreform zeigte, sind wir dagegen, nunmehr diese Situation auszunutzen, um aus ihr politisches Kapital vor den Wahlen zu schlagen und den Radikalismus zu fördern.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wenn wir uns und wenn Sie sich selbst darauf berufen, daß wir schwierige und anormale Zeiten haben, in denen anders gedacht und gehandelt werden muß, dann verlangen wir vom föderalistischen Standpunkt aus aber auch auf dieser Linie gegenüber den Ländern die notwendigen Konsequenzen. Wenn wir heute und gerade mit Rücksicht auf die anormale Lage immer und immer wieder hören müssen, daß die Länder nicht leben könnten und daß eine Zentralisierung der Bundesfinanzverwaltung kommen müsse, und wenn wir heute den Bundesfinanzminister in seinem „Kreuzzug gegen die Länderfinanzminister" von der Opposition der SPD unterstützt sehen,

(Lachen bei der SPD)

dann möchte ich Sie doch gerade auf Grund dieser anormalen Lage, deren Konsequenzen wir, glaube ich, richtig beurteilen, daran erinnern, daß auch in einer solchen Zeit nicht ein falsches Maß gegenüber den Ländern angewandt und insbesondere nicht von den im Grundgesetz gesicherten Rechten abgegangen werden darf. Herr Höpker-Aschoff hat heute in einer kurzen geschichtlichen Reminiszenz darauf hingewiesen, daß früher von den Ländern in Deutschland überall gesündigt worden sei. Er hat betont, daß diese Zeiten überholt seien, daß wir an einem Strang ziehen müßten und daß es nur ein deutsches Volk gebe. Es gebe kein bayerisches Volk, meinte er. In der letzten Behauptung hat er sich getäuscht. Er müßte länger die Geschichte studieren oder länger in Bayern leben, um zu wissen, daß es ein bayerisches und ein deutsches Volk gibt.

(Zuruf rechts: Und ein fränkisches!)

Wenn Herr Höpker-Aschoff erklärte, daß die Zeiten, in denen von allen Ländern gesündigt worden sei, vorbei seien, so hat er die Gegenwart völlig übersehen. Es wird immer angeführt, daß die Länder nicht leben könnten, und es wird auf das Beispiel von Schleswig-Holstein hingewiesen, dem der Bund 70 Millionen Mark Darlehen habe geben müssen und für das er weiter einzutreten habe. Diese Hilfe ist nicht deshalb notwendig, weil hier ein Land auf Grund seiner natürlichen und normalen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht leben könnte, sondern Schleswig-Holstein ist deshalb nicht lebensfähig, weil die anderen Länder aus falschem Länderegoismus nicht geholfen haben, seine übermäßigen Flüchtlingsbelastungen zu tragen.

(Sehr richtig! bei der BP.)

Wenn ich anfangs Zugeständnisse gemacht habe, darin geben Sie mir bitte auch jetzt recht und sehen Sie ein, daß die Zeiten, in denen die Länder gesündigt haben, nicht vorbei sind. Die Sünden sind heute größer denn je. Man nützt diese anormalen Belastungen und anormalen Verhältnisse in Mißachtung des im Grundgesetz noch gewahrten föderalistischen Charakters dazu aus, um hier einen' krassen Zentralismus gegenüber den Ländern durchzusetzen. Deshalb verlangen auch wir hier
eine gerechte Beurteilung. Man darf nicht auf Grund einer augenblicklichen anormalen Lage Tendenzen walten lassen, die weder mit dem Grundgesetz noch mit dem föderalistischen Sinn eines deutschen Bundes überhaupt zu vereinbaren sind. Deshalb können wir unter keinen Umständen, auch wenn vielleicht diese Verhältnisse den Herrn Bundesfinanzminister zu Zentralisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der Bundesfinanzverwaltung veranlaßt haben, solchen zustimmen, insbesondere auch nicht seinen zu weitgehenden Forderungen hinsichtlich des Bundesprüfungsdienstes, weil wir ganz genau wissen — gerade weil hier die Ritter schon sitzen, um diesem Kreuzzug gegen die Länder zu folgen —, daß hier aus einer anormalen augenblicklichen Situation eine Gesamtsituation für später geschaffen werden soll.

(Abg. Renner: Ihr seid gegen die zentrale Prüfung, weil ihr nicht geprüft werden wollt!)

Das wollte ich zu diesem Problem sagen und davor warnen, auf Grund völlig unsicherer wirtschaftlicher und finanzpolitischer Verhältnisse zwischen Bund und Ländern einen Weg zu gehen, der weder im Grundgesetz gerechtfertigt ist, noch in normalen Zeiten irgendwie gegangen zu werden brauchte. Ich weise insbesondere darauf hin, daß man später nicht wieder auf den normalen Zustand in der Finanzverwaltung, so wie er bei Schaffung des Grundgesetzes war, zurückkehrt, weil die lauernden Zentralisten dann nicht mehr sagen werden: Das war damals nur eine Notlösung. Nein, sie werden sagen: Das ist der Wille des Bundes, das ist der Wille des Grundgesetzes.

(Sehr richtig! rechts.)

Ich darf vielleicht noch mit einem Satz die Finanzpolitik streifen. Man spricht davon und will das auch in den Finanzgesetzen verankern, daß das Volk zum Sparen zurückgeführt werden soll. Hier gerade zeigt sich, daß man nicht rechtzeitig den richtigen Weg gegangen ist. Ich darf bei dieser Gelegenheit nochmals darauf hinweisen, daß es unsere Partei gewesen ist, die schon im Jahre 1949 einen Weg gezeigt hat — den auch der Herr Bundesfinanzminister in einer Rede in Hamburg anerkannt hat —, das Volk rechtzeitig zum Sparwillen und zur Sparkapitalbildung zurückzuführen. Damals war die Situation noch so, daß diese erzieherische Einwirkung noch sehr leicht möglich gewesen wäre. Damals hat man den Ruf einer zwar kleinen, aber voraussehenden Partei überhört; vielleicht wäre man heute, da man geraden Wegs von der Selbstfinanzierung zur Sparkapitalbildung übergehen will, froh, wenn diese Reserven da wären, die leicht zu schaffen gewesen wären, wenn man damals schon den richtigen Weg der Aufwertung und damit der Rückführung des Volkes zur Sparfreudigkeit und zur Sparüberzeugung gegangen wäre.
Ich möchte all das, was zur Besserung der Finanzpolitik von der Opposition gesagt wurde, nicht so ohne weiteres — wie Herr Höpker-Aschoff — zurückweisen. Es sollte überprüft werden — wie Herr Kollege Bertram meinte —, ob noch irgendwelche Reserven gegeben sind. Auf jeden Fall müssen diesbezüglich im Finanzausschuß noch ernste Erwägungen angestellt und Nachforschungen betrieben werden. Erst dann, wenn sich diese Voraussetzungen und Behauptungen als falsch erweisen, müssen die notwendigen anderen Konsequenzen zur Mittelaufbringung gezogen werden. Aber ich glaube, daß hier nicht die echten Reserven


(Dr. Besold)

liegen, die noch auszuschöpfen wären. Andere Reserven sind ja schon angedeutet worden.
Trotzdem möchte ich auch in diesem Zusammenhang den Herrn Bundesfinanzminister auf einige Ausführungen verweisen, die er am 18. Januar 1951, als über die Besatzungskosten und Besatzungslasten gesprochen wurde, gemacht hat. Wir wissen ja alle — in den verschiedenen Debatten ist hier schon ganz offen und herzerfrischend darüber gesprochen worden —, daß eben in den Besatzungskosten und Besatzungslasten Ausgaben enthalten sind, die heute nicht mehr verantwortet werden können. Der Herr Bundesfinanzminister hat damals erklärt:
„Die Bundesregierung wird der Alliierten Hohen Kommission weitere eingehende Vorschläge für Einsparungsmaßnahmen mit dem Ziel, die Besatzungskosten zu senken und Mittel für einen echten Sicherheitsbetrag frei zu machen, vorlegen. Die alliierte Seite hat mir erklärt, daß sie bereit ist, solche Vorschläge entgegenzunehmen."
Er hat also am 18. Januar 1951 von Vorschlägen
für Einsparungsmaßnahmen von seiten der Bundesregierung gesprochen. Er hat weiterhin gesagt:
„Die Bundesregierung freut sich, mitteilen zu können, daß ihr in einer der letzten Besprechungen von maßgebender alliierter Seite zugesichert worden ist, daß man dort gewillt ist, aus dieser Erkenntnis der Dinge die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und künftig Ausgaben zu Lasten des alliierten Haushalts nur noch in dem unbedingt erforderlichen Umfange zuzulassen."

(Zuruf von der KPD: Statt sechs neun Milliarden!)

Wir fragen den Herrn Bundesfinanzminister: Welche Vorschläge für Einsparungsmaßnahmen wurden von seiten der Bundesregierung gemacht, und sind die angeblichen Zusicherungen der Alliierten damals in irgendeinem Punkte erfüllt worden? Wenn wir uns schon angesichts der fürchterlichen Lage unseres Volkes draußen hinstellen und das Volk davon zu überzeugen versuchen, daß es zur Erfüllung der Soziallasten und der unerhörten Kriegsfolgelasten notwendig ist, diese Steuern zu zahlen, wenn wir es ermuntern, nicht zu verzagen und die Regierung zu unterstützen, um das Volk vom Radikalismus abzuwenden, dann ist das nur möglich, wenn man endlich und ganz klar von dem Stadium der Besatzung in das der echten Verteidigungsgemeinschaft übergeht; wenn fernerhin nur echte Verteidigungsbeiträge als Besatzungskosten ausgegeben werden, oder — wie der Herr Bundesfinanzminister selber gesagt hat — es darf keine Mark mehr außer für echte Verteidigungsbeiträge bezahlt werden. Ist das schon der Fall oder ist es nicht der Fall? Das Volk könnte eine Erhöhung der Steuern nicht verstehen und diese Last nicht ertragen, wenn es der Bundesregierung nicht endlich gelingt, mit den Hohen Kommissaren eine echte und klare tatsächliche Vereinbarung; die auch mit tatsächlichen Folgen verbunden ist, zu erzielen; denn leere Versprechungen wird das Volk in dieser Lage für die Einflüsterungen des Kommunismus empfänglich machen. Es muß einmal ganz klar und deutlich gesagt werden, daß es dem Bundesparlament und dem deutschen Volke nicht genügt, daß man von Sparmaßnahmen auf diesem Gebiet spricht und Zusicherungen gibt, die niemals erfüllt werden.
Unsere Fraktion kann aus prinzipiellen Gründen staatspolitischer Art, die ich schon ausgeführt habe, dem Etat nicht zustimmen.

(Zuruf von der SPD: Und wie ist es mit dem Mißtrauensantrag?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113702200
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

Hans Ewers (DP):
Rede ID: ID0113702300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, soweit Sie noch anwesend sind!

(Heiterkeit.)

Der Apostel Moskaus hat leider eine größere Anzahl aufmerksamer Finanzfreunde aus dem Saal vertrieben, und es ist mein Los, hier im wesentlichen Bänke anzureden. Ich tue das, damit auch von uns ein Wort gesagt ist.
Dieses Wort muß anknüpfen an die von den verschiedenen Vorrednern insbesondere der Koalitionsparteien mit Recht geltend gemachten Fragen: Wie steht es in der Finanzverwaltung zwischen Bund und Ländern? Dabei wurde betont, daß gerade bei diesem Ministerium die Staatsform des Grundgesetzes, der Föderalismus, eine entscheidende Rolle spielt. Auch hierzu hat sich dann eine ganze Reihe von Rednern erklärt, insbesondere mein Herr Vorredner. Diese Frage ist deshalb aktuell, weil wir wohl im Hause eine größere Anzahl von solchen Personen haben, die dem Parlamentarischen Rat nicht angehört haben, die der Meinung sind, daß die finanzielle Regelung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluß ist, sondern eine sehr bedauerliche und zu sehr krausen Verwicklungen Anlaß gebende Kompromißlösung mit der Tendenz, die zentrale Bundesgewalt so schwach wie möglich zu machen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Der Erfolg ist jetzt, daß alles, was als indirekte Steuer jedenfalls nicht sozial abgestuft werden kann, dem Bund auferlegt ist, und daß die direkten Steuern, bei denen man weitgehend soziale Rücksichten walten lassen muß und kann, Sache der Länder sind. Eine Situation, die den, sagen wir einmal, Auftrieb in der Stimmung für den Bund im Volke nicht gerade begünstigt. Das bedauern wir sehr, denn wir sind der Meinung, daß ein gesunder Föderalismus dem geschichtlichen Werden des deutschen Volkes allein gerecht wird und daß ein Zentralismus, wie ihn etwa Frankreich seit dem 16. Jahrhundert hat, für Deutschland und seine Kultur ein Todesstoß wäre. Daß aber nun etwa das deutsche Volk eines schönen Tages etwa zur Zeit der Hohenstaufen aufgestanden sei und sich seit jener Zeit zu einer Einheit gefügt habe, die von einem einzigen Sitz, von einem einzigen Thron aus regiert werde, das widerspricht ja jeglicher geschichtlichen Wahrheit. Es war vielmehr so, daß angesichts der wachsenden Hausmacht der Landesherren die immer schwächer werdende Reichsgewalt schließlich so schwach wurde, daß sie sich selbst müde zum Sterben legte, um in Österreich dann ein Sonderstaatswesen aufzuziehen. Was dann kam, war aber, daß die Sehnsucht aller guten und besten Deutschen, aller großen Deutschen zur Einheit hin drängte. Nun sind wir doch so weit, daß wir der Meinung sind, daß diese Sehnsucht nur dann gesund ist, wenn sie von den Stämmen — gewiß nicht von den Völkern —, aber von den Stämmen Deutschlands getragen wird.
Was wir im Bund auf der finanzpolitischen Seite erleben, ist leider das, daß der „Hausmacht-


(Ewers)

egoismus", wie ich ihn leider immer wieder nennen muß, immer wieder die ehrlichen, ernsten Föderalisten kopfscheu macht, ob sie denn auch richtig orientiert sind, wozu aber auch die Willkür gewisser Ländergrenzen, wie wir sie heute haben, noch das ihre beiträgt, da man heute bei verschiedenen Bundesländern im einzelnen kaum mehr von „Stämmen" sprechen kann. Bayern nehme ich natürlich ganz ausdrücklich aus; Bayern umfaßt natürlich einen echten Stamm, und es ist in diesem Sinne ein echter Bundesstaat.
Bei dieser Situation ist es kein Wunder, daß der Finanzminister ein außerordentlich schweres Los trägt, wenn er für den von ihm — mit einem meines Erachtens durchaus nicht übelzunehmenden Spottwort — als „Bewilligungsindustrie" bezeichneten Betrieb des Bundestags, den der notwendige soziale Wille leitet, zu helfen, wo geholfen werden muß — weil wir doch nur als friedlich nebeneinander lebende Volksgemeinschaft überhaupt noch eine Lebenszukunft haben —, wenn er für diesen Parlamentsbetrieb die Mittel aufbringen soll. Was insofern die Herren Vorredner Dr. Dresbach und Dr. Höpker-Aschoff gesagt haben, findet unsere volle Billigung, wobei wir allerdings eins anmerken müssen: Es ist nicht angängig, daß, wenn in einer Abteilung eines Ministeriums oder wenn in einer Vorbesprechung zwischen zwei Ministern irgendein steuerlicher Gedanke in das Erwägungsstadium tritt, der Presse diese Erwägungen als neueste Schlagzeilennachricht groß aufgemacht verkündet werden,

(Sehr richtig!)

um alsbald, nachdem mit Recht dann gegen solche zum Teil aberwitzigen Pläne die Öffentlichkeit mobil gemacht wird, in irgendeiner Schublade auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Das ist eine Gebarung, die der Nervosität des Bonner Raumes entsprechen mag, die man aber nur — nun, ich will es einmal milde ausdrücken — abstellen muß. Man kann nicht jede Gehirnblase, die irgendwo aufsteigt, der stets nachrichtenhungrigen Presse als neuesten Bonbon andienen. Solche Dinge sollten vorher sehr gründlich erwogen werden. Ich weiß, und wir alle wissen, daß bedauerlicherweise bei diesen Erwägungen nicht nur der Finanzminister, sondern auch seine Kollegen zum Teil die Hand im Spiele haben und daß sie sich zum Teil angeschickt haben, seine Steuerschraube für derartige Zwecke zu mißbrauchen, für die eigentlich die Steuerschraube gar nicht dienlich sein sollte. Wir bitten, daß das Haus des Finanzministers solchen aus der Reihe tanzenden und seinen Generalabsichten widersprechenden Plänen nicht mehr das Ohr leiht, zumindest verhindert, daß, bevor eine amtliche Gesetzesvorlage vorliegt, irgend etwas über solche Möglichkeiten in die Öffentlichkeit kommt. Denn wie soll sich die Wirtschaft ruhig und stetig entwickeln, wenn jeder Plan, der irgendwo fachlich erwogen wird, sofort ein Politikum erster Ordnung wird und dann willkürlich durch Zerredung zermalmt wird?
Im übrigen sind wir der Ansicht, daß die Steuerbewilligungsmaschinerie, die wir hier spielen müssen, natürlich das Unpopulärste ist, was ein Parlament tun kann, und daß in solchen Zeiten wie heute, wo allerhand Land- und Gemeindewahlen stattfinden, der Politiker am besten täte, seinen Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: Von Steuerbewilligungen weiß ich gar nichts. Ich halte das für politisch zwar sehr klug, aber für staatspolitisch unverantwortlich. Wir haben gerade bei den jüngsten Debatten, besonders bei dem 131er
Gesetz, von allen Fraktionen die Erklärung gehört, daß dieses Gesetz auch auf anderen sozialen Gebieten gewisse Folgen haben werde. Wir sind uns alle darüber klar, daß diese Folgen zunächst einmal für jedermann darin bestehen werden, daß er das bei der Steuer spürt.
Was nun insbesondere die Einkommensteuer anlangt — ich hätte beinahe gesagt, das Rührei des Columbus der SPD —,

(Heiterkeit)

so möchte ich dazu folgendes sagen: Der Versuch, durch eine allerdings sehr mäßige Senkung der Staffelsätze der Einkommensteuer die Steuerehrlichkeit herbeizuführen, ist nicht gerade voll geglückt. Davon nehmen wir alle mit Betrübnis Kenntnis. Aber wenn es stimmt, was gemunkelt wird, daß deshalb, weil die Finanzkraft der Länder bei dem horizontalen Finanzausgleich eine Schlüsselzahl ist, die Länder gar nicht sonderlich daran interessiert sind, ein besonders hohes Steuereinkommen in ihren Büchern nachzuweisen, daß sie sich vielmehr sagen: Wenn ein bißchen gemogelt wird, dann bleibt das Geld wenigstens im Lande, und wir brauchen es dann nicht an andere Länder auszuschütten, wenn das wirklich wahr ist — und es ist bei der übertriebenen Hausmacht der Länder ja immerhin möglich —, dann ist es allerdings die höchste Zeit, daß sich der Bund zunächst einmal bescheiden an der Einkommensteuer beteiligt und daß von Bundes wegen in allen Ländern eine durchaus einheitliche Kontrolle der Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wird.

(Sehr richtig! rechts.)

Darauf muß ich insbesondere als Angehöriger eines armen Landes dringen. Denn wir in einem armen Lande können selbstverständlich nicht bei der Beurteilung der Steuerehrlichkeit so liberal, oder ich kann auch sagen: so unehrlich sein, wie es sich reiche Länder leisten könnten, weil sie ja doch den Überschuß abgeben müßten. Wenn hier nicht eine für das ganze Bundesgebiet geltende einheitliche Regelung Platz greift, so, glaube ich, wird jedem föderalen Gedanken ein vernichtender Schlag versetzt.
Wir möchten daher bitten, daß zunächst einmal in dieser Beziehung Abhilfe mit möglichster Raschheit durchgeführt wird. Wir werden dann sehen, was eigentlich bei der immer noch sehr übersetzten Einkommensteuer, Herr Dr. Koch, ehrlicherweise herauskommt. Wir halten das für eine der größten Steuerreserven, die den Ländern und dem Bund zur Verfügung steht.
Daß andererseits die Erhöhung der Umsatzsteuer für jede Partei ein sehr harter Brocken ist, das ist klar. Aber damit, daß der Bund bei der Überlastung mit Aufgaben, die an ihn herantreten, darauf schwerlich wird verzichten können, werden sich alle Politiker dieses Hauses, die gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen, abfinden müssen. Es wird sich nicht umgehen lassen, etwas mehr zu tun, als was man vor 25 Jahren noch für eine klare Undenkbarkeit gehalten hätte; denn die Dinge auf dem deutschen Boden sind so geworden, daß man sich damals die heutigen Zustände ohnehin nicht hätte vorstellen können.
Ich bin mit meinen kurzen Bemerkungen am Ende. Meine Fraktion hat das Vertrauen zu dem Herrn Finanzminister, daß er als föderalistischer Politiker jeden überspannten Föderalismus im Sinne unseres gemeinsamen Glaubensbekenntnisses auf das ernsteste bekämpfen wird und daß er in der Rolle, die er hier in Bonn spielt, dem Bunde zu


(Ewers)

geben und zu erstreiten bereit ist, was dem Bunde gebührt.

(Bravo! bei der DP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0113702400
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0113702500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Redner der Opposition, Herr Dr. Koch, hat seine Rede mit klassischen Versen aus dem Faust begonnen, von denen er geglaubt hat, daß sie der Zeit angemessen wären. Ich darf meine Erwiderungsrede auch mit Versen beginnen, die aber bei weitem nicht so klassisch sind. Ich habe sie neulich zufällig in einer alten Nummer des „Kladderadatsch" gefunden.

(Heiterkeit)

einer Nummer aus jener goldenen Zeit, als ich noch auf der Universität saß und mir meine finanzwissenschaftlichen Professoren erklärt haben: es ist ganz ausgeschlossen, Steuern durchzusetzen, die mehr als 25 % des Einkommens umfassen. Keine Todesstrafe und keine Zuchthausstrafe würde es verhindern können, daß diese Steuern einfach nicht gezahlt würden. Also in der Zeit, als ich auf der Universität saß, etwa 1911, schrieb der „Kladderadatsch" von den damaligen Finanzministern, die ich heute ehrlich um ihr damaliges Amt beneide:
O wie glücklich ist der Mensch,
der nicht Finanzminister irgendwo geworden ist! Glücklich sei auch du,
wenn du's nicht bist!
Steuern muß er sich ergrübeln,
die ihm alle sehr verübeln,
und des Nachts im Geisterschritt
schleicht um ihn das Defizit.

(Große Heiterkeit und Beifall.)

Das war so, wie man in jener glücklichen Zeit den Finanzminister gesehen hat.
Aber nun im Ernst gesprochen: Sterben und Steuerzahlen muß jeder Mensch.

(Erneute Heiterkeit.)

Es soll nur alles, was wir tun, einen Sinn erhalten. Dem Sterben muß die Religion den Sinn geben, dem Steuerzahlen sollte die Politik einen Sinn geben. Sie haben hier immer nur von den Steuerzahlern und von den Steuern gesprochen, Sie haben aber nicht von dem Sinn und Zweck gesprochen. Der Finanzminister ist nicht nur der, der nimmt; der Finanzminister ist auch der, der gibt.

(Sehr richtig! rechts.)

Sie hätten keine einzige Ausgabe in diesem Hause beschließen können, wenn nicht der Finanzminister, und ich möchte sagen, durch ihn vertreten der Steuerzahler, Ihnen die Mittel dazu gegeben hätte.
Ich möchte keine langen Ausführungen machen, sondern möchte Ihnen, die Sie ja doch Ihr Urteil über die Finanzpolitik der deutschen Bundesrepublik abgeben wollen, empfehlen, einmal die amtlichen Verlautbarungen nachzulesen, die Ihnen zur Verfügung stehen. Ich habe hier den „Bundesanzeiger" vom 14. April 1951 und nehme an, daß ich das Studium des Bundesanzeigers in diesem Hohen Hause voraussetzen darf.

(Heiterkeit.)

Wenn Sie sich in dieser Nummer die Übersicht I, die ich eigentlich als das von Ihnen so oft gewünschte „Nationalbudget" bezeichnen möchte, diese Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben in Bund und Ländern, ansehen, so werden Sie einmal unter den Ausgaben folgendes finden: Die Besatzungs- und Besatzungsfolgekosten haben im Rechnungsjahr 1948/49 3522 Millionen DM betragen, im vergangenen Rechnungsjahr, über das wir uns heute unterhalten, 4630 Millionen DM. Für die Finanzhilfe Berlin wurden im Rechnungsjahr 1948/49 219 Millionen DM aufgewendet, im Rechnungsjahr 1950/51 — hierin sind nur die haushaltmäßigen Zuwendungen enthalten, nicht weitere Hunderte Millionen, die nur in Ausgabeeinsparungen und Nichterhebung von Verbrauchssteuern bestehen — 540 Millionen DM. Die sozialen Kriegsfolgelasten sind von 2061 Millionen DM im Rechnungsjahr 1948/49 auf 3850 Millionen DM im Rechnungsjahr 1950/51 gestiegen; die sonstigen Soziallasten — Arbeitslosenfürsorge, Zuschüsse zur Sozialversicherung, sonstige Fürsorge und Gesundheitswesen — von zusammen 1730 Millionen DM auf 3130 Millionen DM, die Nettoinvestitionen, zu denen z. B. der Wohnungsbau gehört, von 1292 Millionen DM auf 3050 Millionen DM. Meine Damen und Herren, wir haben die sozialen Kriegsfolge-lasten im vergangenen Rechnungsjahr gegenüber dem Vergleichsjahr 1949 um rund 1800 Millionen DM gesteigert.

(Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

Wir haben die sonstigen Soziallasten gegenüber dem Vergleichsjahr um rund 1400 Millionen DM und die Nettoinvestitionen, Wohnungsbau, Arbeitsbeschaffung, um 1650 Millionen DM gesteigert.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister, der daran mitgewirkt hat, kann ruhig auf seine Arbeit zurückblicken.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Wenn es dem Finanzminister nicht gelungen wäre, die Mittel beizubringen, dann wäre diese enorme soziale Betätigung des deutschen Bundes und der deutschen Länder nicht möglich gewesen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Ich darf gleich eines vorausschicken, weil wir uns hernach auch über das Verhältnis zu den Ländern unterhalten müssen: Meine Damen und Herren, wir wollen hier nicht soviel in Begriffen theoretisieren, sondern sollten uns lieber mit den Sachen und Dingen beschäftigen. Nach dem Grundgesetz sind nun einmal gewisse Aufgabengebiete ausschließlich den Ländern zugewiesen. In diesem „Nationalbudget" sehen Sie die Posten „allgemeine und innere Verwaltung (einschließlich Polizei), Rechtspflege, Bildungswesen" und „Finanzen". Diese Posten sind im neuen Jahr gegenüber dem Vergleichsjahr fast nicht gestiegen. Wir wollen jetzt nicht über Bund und Länder reden. Aber daß die deutsche Kultur nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes in den Händen der deutschen Länder liegt, ist nun einmal eine unbestreitbare Tatsache. Daß wir die Ausgaben hierfür nicht in dem Maße steidern können, wie wir es wünschten, stimmt uns etwas traurig; denn die deutsche Kultur dient in erster Linie der deutschen Jugend. Die deutsche Jugend, die Jugend eines Volkes, das in einer Generation zwei Weltkriege geführt hat und zwei Weltkriege mit einem Zusammenbruch hat enden sehen, bringt in das neue Leben kein Hab und Gut mit. Die deutsche Jugend kann im Wettbewerb der Jugend der Völker nur bestehen, wenn das deutsche Volk ihr Wissen und Können verschafft und gibt. Das ist die Aufgabe der deutschen Kultur. Nicht im Streit zwischen Bund und Ländern, sondern um der deutschen Jugend willen wünschte ich, daß wir die Steigerung, die wir bei den sozialen


(Bundesfinanzminister Schiffer)

Ausgaben vorgenommen haben, in einem ähnlichen, bescheideneren Maß auch bei der Förderung der deutschen Kultur vornehmen könnten.
Damit, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen zunächst einmal einen Grundgedanken gegeben, und ich darf nun auf die einzelnen Bemerkungen eingehen, die gegen die Tätigkeit des Bundesministeriums der Finanzen und sehr weit darüber hinaus manchmal gegen die allgemeine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung gerichtet worden sind.
Was der erste Redner über die Verwaltung meines Hauses gesagt hat, hat sich hauptsächlich auf zwei Punkte bezogen. Einmal wurde gesagt, daß das Bundesministerium der Finanzen den anderen Ministerien auch kein schönes Beispiel gegeben habe, indem es sich im Laufe des Haushaltsjahres veranlaßt gesehen habe, Nachforderungen zu stellen. Es waren das hauptsächlich Nachforderungen bei Postgebühren, beim Kraftfahrwesen und so fort. Ich glaube, auf die Einzelheiten nicht eingehen zu müssen. Wir haben im Ausschuß schon darauf hingewiesen, daß diese Nachforderungen vielleicht deshalb kamen, weil wir uns von Anfang an möglichst in engem Rahmen halten wollten und nicht voraussehen konnten, welche neuen Aufgaben uns erwachsen und welche Ausdehnung an Personal und an Räumen infolgedessen notwendig werden würde. Wenn ich mehr Beamte habe und wenn ich infolgedessen mehr Räume und in den Räumen Telefonanschluß nun einmal geben muß, damit sie überhaupt arbeitsfähig sind, dann wird ein solcher Voranschlag überschritten. Ich hoffe aber, daß wir nach dem Jahr des Aufbaus, das ja ein Jahr des Versuches ist, nun zu einem festen Stande kommen und deshalb künftig besser in der Lage sind, aus den Ist-Zahlen des Vorjahres die Soll-Zahlen des nächsten Jahres auf sicherer Grundlage zu errechnen.
Ich darf auf eine zweite Frage eingehen, die Verwaltung für Besatzungslasten in Homburg. Ich habe im Ausschuß schon erklären lassen und wiederhole es hier, daß das Bundesministerium der Finanzen beabsichtigt, diese Verwaltung in eine Bundesoberbehörde umzugestalten, was es von Anfang an wollte, wogegen aber die Länder damals Widerstände erhoben haben. Ich glaube, daß diese Schwierigkeiten heute nicht mehr bestehen und damit den Wünschen, wie sie auch im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommen sind, Rechnung getragen werden kann.
Nun zu den politischen Fragen. Es zieht sich wie ein roter Faden seit einem Jahr durch alle Debatten, wenn es sich um das Bundesministerium der Finanzen handelt, der Vorwurf von seiten der Opposition, der Bundesminister der Finanzen habe leichtsinnig durch die Einkommensteuersenkung 900 Millionen oder noch mehr D-Mark Steuereinnahmen hergeschenkt, und daher komme alle Not.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das ColumbusRührei!)

Ich darf zunächst einmal, nur damit die Zahlen sich nicht so in die Köpfe einfressen, jetzt am Schluß des Jahres feststellen, wie groß der Ausfall durch die Einkommensteuersenkung wirklich ist. Ich bitte, den Bundesanzeiger vom 14. April 1951 herzunehmen. Daraus sehen Sie, daß die veranlagte Einkommensteuer gegenüber dem Vorjahr ungefähr ein Mindererträgnis von 431 Millionen DM hat. Aber das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist die Entwicklung, die die Einkommensteuer im letzten Halbjahr genommen hat. Denn das wußte jeder, daß in dem ersten Halbjahr —
in dem die Rückzahlungen und dergleichen erfolgten — ein starker Einnahmeausfall eintreten würde. Wenn wir das Lohnsteueraufkommen je Halbjahr vergleichen, so ergibt sich im Vorjahrshalbjahr ein Erträgnis von 1093 Millionen DM und in diesem Halbjahr von 1 018 Millionen DM, ein Beweis, daß der Anschluß wieder erreicht und das frühere Erträgnis auf diesem Gebiet nunmehr wieder vorhanden ist. Bei der veranlagten Einkommensteuer betrug das Aufkommen im Halbjahr des Vorjahres 1134 Millionen DM und im Halbjahr 1950/51 969 Millionen DM. Die Differenz ist also im Halbjahr 165 Millionen DM. Das dürfte sich von der in der Öffentlichkeit immer zugrunde gelegten Zahl von 900 Millionen DM und mehr doch wesentlich unterscheiden.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das kann man wohl behaupten!)

Das zunächst einmal vorausgeschickt.
Dann zur Einkommensteuer selbst. Die Einkommensteuersenkung var, wie ich in diesem Hohen Hause ja schon oft betont habe, schon deshalb notwendig geworden, weil im September 1949 die ganze Last der Soforthilfeabgabe plötzlich zu den alten Steuerleistungen und Steuerlasten hinzugekommen ist. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir um die Jahreswende 1949/50 ernsthafte Sorgen haben mußten, ob das Aufkommen an Soforthilfeabgabe rechnungsmäßig erreicht, gesund erhalten werden könnte. Wenn Sie die Belastung — Soforthilfe, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer — zusammenrechnen, dann allein erhalten Sie das richtige Bild der Belastung des deutschen Steuerzahlers. Es war vorauszusehen, daß die alte Belastung plus neue Belastung — Soforthilfeabgabe — wirtschaftlich zu unmöglichen Ergebnissen führte. Ich kann jedenfalls als Ergebnis der Einkommensteuersenkung feststellen, daß die Soforthilfeabgabe von da ab gesundet ist und daß die Soforthilfeabgabe ihrem Zweck — und niemand wird bestreiten, daß das in erster Linie ein sozialer Zweck ist — voll zur Verfügung gestellt werden konnte. Wenn alle Länderregierungen — und ich darf wieder betonen: einmütig, gleichgültig welche politische Richtung in der einzelnen Landesregierung vertreten gewesen ist, auch die, die hier im Hause in der Opposition ist — damals der Einkommensteuersenkung zugestimmt haben, so war das mit aus der Überlegung geboren, daß Einkommensteuer in der alten Höhe plus den Auswirkungen der Soforthilfeabgabe, künftig Lastenausgleich, zusammen das Maß übersteigen, das wirtschaftlich erwartet werden müßte.
Mir werden heute, auch in diesem Hohen Hause, Vorschläge über neue Steuern gemacht, die ich schon längst überlegt habe, die aber aus gewissen Gründen, die leicht darzulegen sind, einfach unmöglich sind. In anderen Ländern kann ich eine Übergewinnsteuer einführen. Ich kann aber eine Übergewinnsteuer in meinem Lande nur einführen, wenn ich auch das Steuersystem des andern Landes habe. Wenn ich heute in Deutschland bei der Einkommensteuer einen Plafond — und ich muß doch von der höchstmöglichen Grenze ausgehen — von 80 % habe, wenn ich daneben rechnen muß, daß der Lastenausgleich mit 3 % Abgabe aus dem Betriebsvermögen eine Besteuerung des Gewinns von 30 % bedeuten kann, dann bin ich bei Einkommensteuer plus Lastenausgleich über 100 % Reineinkommen weit hinaus.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich habe ja dem Lastenausgleichsausschuß bereits
eine ziffernmäßige Berechnung gegeben, wie sich


(Bundesfinanzminister Schiffer)

Lastenausgleich plus Steuer in einzelnen Fällen auswirkt. Es war eine ganz stattliche Anzahl von Ziffern in Rot darin enthalten. Das waren die Ziffern, die der Überschuß an Belastung über dem Gesamteinkommen des einzelnen Abgabepflichtigen sind. Ich kann in solchen Fällen eine Übergewinnsteuer, die ja immer die großen Einkommensteuerzahler treffen soll, die durch diese Steuer in erster Linie schon betroffen und zum Teil über 100 % betroffen sind, nicht mehr einführen.
Bei der Körperschaftsteuer ist es das gleiche. Ich habe bei der Körperschaftsteuer künftig einen Satz von 60 %. 3 % Vermögensabgabe auf Grund des Lastenausgleichs, bei 10 % Dividende gerechnet, würden 30 % aus dem Gewinn bedeuten; mit 3 % Berliner Notopfer sind es 93 %. Die 7 %, die übrig bleiben, bieten den nötigen Spielraum für eine Übergewinnsteuer leider nicht. Ich wäre der erste gewesen, der eine Übergewinnsteuer eingeführt hätte, wenn nach dem deutschen Steuersystem dazu die Möglichkeit bestehen würde. Ich glaube, daß man sich zuerst einmal über diese Ziffern und Zahlen unterhalten muß, bevor in der Öffentlichkeit ohne weiteres die Forderung nach einer Übergewinnsteuer erhoben wird, die populär klingt, weil die große Masse glaubt, es trifft nur einen kleinen Teil, die aber praktisch nicht durchführbar ist. Ich bin der Meinung, wir sind auch in der parteipolitischen Werbung zur Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung verpflichtet.

(Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Mellies: Gut, daß Sie das gesagt haben!)

Ich darf zweitens einen anderen Gedanken anführen. Ich habe auch an die Frage eines Spargesetzes, einer sogenannten Mehrverbrauchssteuer gedacht. Ich bin gern bereit, die Ziffern, die hier statistisch erarbeitet sind, der Öffentlichkeit und jedem einzelnen Herrn dieses Hauses zur Verfügung zu stellen. Wir haben ausgerechnet: selbst wenn wir einen Sparzwang schon bei einem Einkommen von 3 600 DM jährlich, also 300 DM monatlich, einführen würden, wäre bei der Einkommenschichtung, die wir haben, bei dem Notwendigen, was ich dem einzelnen für Lebensversicherung, sonstige Prämien und dergleichen belassen muß, der Ertrag erschreckend gering. Wir würden im ganzen Jahr nur auf einen Ertrag von ungefähr 300 Millionen DM gekommen sein und hätten das mit einem Sparzwang und einem Spargesetz erkaufen müssen, das wahrscheinlich in erster Linie nur die Festbesoldeten getroffen und damit nach meinem Dafürhalten in der Auswirkung eine soziale Ungleichheit eher verstärkt als abgeschwächt hätte.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Wie gesagt, ich bin gern bereit, über solche Pläne im einzelnen zu reden. Aber dann muß auch die richtige sachliche Unterlage gegeben sein, und es muß sich um eine rein sachliche Erörterung handeln.
Ich glaube also, sagen zu können: der Vorwurf, daß die Einkommensteuersenkung eine Verschwendung von Geldern gewesen sei, daß sie unsozial gewesen sei, daß das Bundesfinanzministerium sozial wirkende Steuern wie Übergewinnsteuer und dergleichen ablehne, ist wirklich nicht berechtigt. Finanzpolitik besteht darin, die Wirklichkeit und die Möglichkeiten zu erkennen und die Auswirkungen der einzelnen Steuer richtig abzuschätzen.
Es wird dann behauptet, daß in Deutschland die Entwicklung besonders dahin gehe, die indirekten Steuern zuungunsten der direkten Steuern zu steigern. Das wird so erzählt, als ob eine Bundesregierung gar keine andere Absicht hätte, als möglichst unsozial zu sein und möglichst den kleinen Mann zu drücken. Ich darf Ihnen ganz ehrlich sagen: das ist ein deutscher Fehler. Wenn man in Frankreich einen politischen Gegner angreift, dann erzählt man, daß er soundso viel Liaisons hat. Wenn man in Amerika einen Mann angreifen will, dann erzählt man, daß er unsaubere Geschäfte gemacht hat. Wenn man in Deutschland jemand angreifen will, dann besteht das darin, daß man ihm vorwirft, er handele unsozial, unnational und bewußt gegen das Wohl des Volkes.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich halte das für einen deutschen Fehler.

(Zuruf von der CDU: Nein, das ist ein SPD-Fehler!)

Da ist mir das französische System der Liaisons noch lieber!

(Große Heiterkeit.)

Also ich möchte nur eines feststellen, eine ganz nüchterne Wahrheit: Deutschland kann sich trotz seiner Notlage mit den europäischen Völkern in dem Verhältnis direkter und indirekter Steuern sehr wohl vergleichen lassen. Es steht in der Liste, wenn ich das Verhältnis nehme, an zweiter Stelle. Frankreich, Italien und selbst England stehen unter Deutschland. Die Dinge liegen aber bei uns so: In den Zeiten, in denen Deutschland hohe Einkommen hatte, war das Erträgnis der direkten Steuern selbstverständlich auch hoch. In den Zeiten, in denen sich die Einkommenschichtung so gestaltet, daß der Steuerfiskus nicht auf eine große Zahl hoher Einkommen zurückgreifen kann, ist es ganz natürlich, daß das Erträgnis der direkten Steuern, verglichen mit dem Erträgnis der indirekten Steuern, zurückgeht und sich das Prozentverhältnis verschiebt. Sie werden auch in den reichsten Ländern, auch in den Vereinigten Staaten, eine ähnliche Entwicklung künftig wohl noch bemerken können.
Ich lehne also den Vorwurf, daß es sich um ein bewußtes Vorgehen der Bundesregierung handle, die indirekten Steuern möglichst zu erhöhen und die direkten Steuern möglichst zu senken, ab. Ich wundere mich auch, daß dieser Vorwurf in der heutigen Zeit erhoben wird, in der doch die Bundesregierung den Weg geht, den neuen Mehrbedarf, der im kommenden Haushaltsjahr an sie herantritt, nicht etwa aus den Bundessteuern, die das Grundgesetz dem Bund nun einmal nur in der Form von indirekten Steuern gegeben hat, wofür die jetzige Bundesregierung nichts kann,

(Abg. Mellies: Aber ihre politischen Freunde!)

nicht bloß aus den indirekten Bundessteuern zu nehmen, sondern gerade die direkten Steuern, Einkommen- und Körperschaftsteuer, sei es durch Erhöhung der Sätze bei der Körperschaftsteuer, sei es durch Wegfall der Steuervergünstigungen, insbesondere für die Eigenfinanzierung, zu steigern. Die Bundesregierung ist diesen Weg gerade deshalb gegangen, weil sie alle Möglichkeiten ausschöpfen will, um das Verhältnis des Aufkommens zwischen direkten und indirekten Steuern nicht zu verschlechtern, und zwar in dem Sinne zu verschlechtern, daß der Prozentsatz des Aufkommens der indirekten Steuern zu hoch wird. Sie tut das, obwohl ihr dieser Weg doch Schwierigkeiten bereitet, da ja die direkten Steuern Ländersteuern sind und infolgedessen gleichzeitig dafür gesorgt werden muß, daß dieses Mehraufkommen an Landessteuern für den Mehrbedarf des Bundes unmittelbar zur Verfügung gestellt wird.


(Bundesfinanzminister Schäffer)

Nun ist gesagt worden, daß die Haltung der Bundesregierung in bezug auf ihre Steuervorschläge schwankend sei. Der Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung letzten Endes nichts dafür kann, wenn über alle möglichen Pläne, die vielleicht einmal erörtert werden, in der Presse stets sofort große Artikel erscheinen, als ob das Kind schon geboren wäre, als ob es sich um einen festen Vorschlag handelte.
Ich stelle fest: richtig, wir haben seinerzeit im Anschluß an die Einkommensteuersenkung diesem Hohen Hause einen Entwurf über eine Luxussteuer zugeleitet. Diese Luxussteuer hat das Wohlgefallen dieses Hohen Hauses nicht gefunden, und der Entwurf wurde der Bundesregierung zurückgegeben. Es wurde auch über den Entwurf einer Süßwarensteuer gesprochen, die die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften nicht zugeleitet hatte. Ich darf dazu bemerken: Wir haben heute in allen Ländern der demokratischen Welt, in denen der Versuch gemacht werden muß, die Ausgaben, die notwendig sind, um jede Inflation zu vermeiden, um die Mehrlasten, die das Fieber der Welt not- wendigerweise zur Folge hat, doch aufzubringen und von der Gegenwart tragen zu lassen, die Entwicklung, daß nicht nur die Besteuerung des Verbrauchs sehr stark zunimmt, sondern gerade die Besteuerung der gehobenen Lebenshaltung in erster Linie überwiegt. Ich kenne sozialistische Länder wie Norwegen, das seine Umsatzsteuer in diesen Tagen von 6,25 auf 10 % erhöht hat. Ich möchte hören, welche Angriffe die Bundesregierung erfahren würde, wenn sie etwa dem Beispiel Norwegens gefolgt wäre. Es gibt kein Land, das heute nicht in seiner Not zur Besteuerung des Verbrauchs kommt.
Wenn die Bundesregierung Ihnen den Vorschlag einer Sonderumsatzsteuer macht, weil die Bundesregierung den sozial schwachen Schichten dieselbe Menge Brot und dieselbe Menge lebenswichtiger Nahrungsmittel auch mit ihren heutigen Einkommen gewährleisten will, wenn die Bundesregierung also um dieser sozial schwachen Schichten willen eine Steuer vorschlägt, die die gehobene Lebenshaltung betrifft und in der der frühere Ansatz der Luxussteuer und der Süßwarensteuer infolgedessen mit enthalten ist, dann kann man der Bundesregierung keinen Vorwurf daraus machen, daß sie vielleicht etwas Voraussicht gehabt und schon in einer Zeit, als die gesamte Öffentlichkeit von der Entwicklung, die nachher wirklich gekommen ist, noch keine Ahnung hatte, an die Besteuerung des Luxus und bestimmter entbehrlicher Gegenstände gedacht hat. Heute sind wir in der Entwicklung, und wenn Sie, meine Damen und Herren, mir vorlesen, was ich in der Denkschrift Drucksache Nr. 1000 im Jahre 1950 gesagt habe, dann muß ich erklären: Ich wollte, die Verhältnisse, unter denen ich das damals gesagt habe, bestünden noch heute!

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich könnte dann die Finanzpolitik, die ich damals im Auge und mir als Ziel gesetzt hatte, heute noch durchführen. Das war eine Finanzpolitik, die für Zeiten des vollen Friedens und der vollen Friedenssicherheit gedacht war, eine Finanzpolitik, die davon ausging, daß wir und alle anderen friedliebenden Völker in der Lage sind, unsere ganze Produktionskraft dem Wiederaufbau und der sozialen Befriedung im Inland zu widmen. Heute bestehen diese Voraussetzungen nicht mehr.

(Abg. Renner: Ihr habt sie zerschlagen!)

— Ich werde Ihnen schon antworten! — Heute bestehen diese Voraussetzungen nicht mehr; heute
muß ich mit den Verhältnissen rechnen, denen ich heute gegenüberstehe. Heute. muß ich erkennen, daß es gewisse Notwendigkeiten im Staatsleben gibt, die nicht an finanziellen Schwierigkeiten scheitern dürfen. Wenn es sich um das Leben einer Nation handelt, dann m u ß ein Weg gefunden werden, ein Weg, den ich in früheren Zeiten nicht gegangen wäre, weil ich in früheren Zeiten auch nicht unter diesem Zwang der Tatsachen gestanden habe und weil die Gefahr, in der wir heute leider stehen, in früheren Zeiten nicht so drohend vor uns gestanden ist.

(Abg. Renner: Das sind amerikanische Tatsachen!)

Es wurde dann gesagt, das Finanzministerium brauche die Steuern nicht, denn seine Schätzungen seien ja ohnehin nicht richtig. Ich darf dem Herrn Redner, der das behauptet hat, einmal sagen: Wer das Urteil ausspricht, daß Schätzungen einer Verwaltung nicht richtig sind, kann das Urteil eigentlich nur begründen, wenn er selbst schon früher einmal den Beweis erbracht hat, daß er besser zu schätzen vermag. Das Bundesfinanzministerium kann zunächst einmal darauf verweisen, daß seine Schätzungen für das vergangene Jahr jedenfalls in den Einnahmen von den Tatsachen nur bestätigt worden sind.

(Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

Ich kann heute am Schluß des Haushaltsjahres folgendes sagen: Wir haben das Aufkommen an den gesamten Bundessteuern im Haushaltsplan mit 9733,9 Millionen DM eingeschätzt. Wir haben nach den Ist-Zahlen einschließlich März 9870 Millionen DM erhalten, also einen kleinen 'Überschuß von 136 Millionen DM. Meine Damen und- Herren, ich glaube, das Bundesfinanzministerium kann sagen: es hat damals zwar kühn geschätzt, weil es die Wirtschaftsentwicklung, die die Finanzpolitik erreichen wollte, schon in die Rechnung mit eingesetzt hatte; aber es hat richtig geschätzt, und seine Schätzungen sind durch die Tatsachen nur bestätigt worden.

(Abg. Dr. Wuermeling: Das war fast Hellseherei!)

Ich darf daraus eine Legitimation für die Behauptung ableiten, daß die Schätzungen für das kommende Haushaltsjahr 1951/52 auch eine gewisse Autorität für sich in Anspruch nehmen dürfen.
Es ist nicht richtig, daß wir etwa die kommende Wirtschaftsentwicklung überhaupt nicht eingeschätzt hätten. Ich habe ja doch im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages die ganzen Ziffern im einzelnen bereits bekanntgegeben und brauche sie hier nicht zu wiederholen. Wir sind davon ausgegangen, daß ein großer Teil des Mehrbedarfes dadurch gedeckt werden kann, daß die Entwicklung, die uns aufgezwungen ist, auch eine starke Steigerung der deutschen Beschäftigung, eine Belebung der deutschen Wirtschaft bedingt, soweit das angesichts der Tatsache möglich ist, daß gerade die Schlüsselindustrien wie Kohle, Eisen, Stahl nicht so rasch wachsen. können und nicht binnen so kurzer Zeit entwicklungsfähig sind wie die verarbeitende Industrie, so daß die verarbeitende Industrie in ihrer Entwicklung durch den Zusammenhang mit den Schlüsselindustrien gehemmt ist. Wir haben in diesem Rahmen geschätzt, daß wir etwa eine Steigerung des deutschen Volkseinkommens von 8 bis 10 % zugrunde legen dürfen. Daraus ergibt sich dann die Berechnung des Steuermehraufkommens — mühsam statistisch, aber sicher sta-


(Bundesfinanzminister Schiffer)

tistisch — nach all den Erfahrungssätzen, die sich in der Vergangenheit bei der jeweiligen Steigerung oder Senkung des Volkseinkommens für die prozentuale Berechnung ergeben haben. Das ist die Grundlage, auf der wir aufbauen, und diese Grundlage ist längst in den Steuerschätzungen mit enthalten. Nur der Mehrbedarf, der durch das natürliche Aufkommen nicht gedeckt wird, wird durch die Reformvorschläge für die Einkommen- und die Umsatzsteuer angefordert.
Ich habe selber in diesem Hohen Hause schon betont, daß ich mich sehr schwer entschlossen habe, eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % vorzuschlagen. Aber ich habe auch betont, daß ich, wenn ich eine solche Steuererhöhung vorschlage, abschätzen muß, ob der Zweck, dem diese Steuererhöhung dient, auch das Opfer des Steuerzahlers wert ist. Da ich diese Frage bejahe, da ich ohne die Umsatzsteuererhöhung, die rund 1300 Millionen DM bringt, nicht in der Lage wäre, allein die Steigerung der sozialen Ausgaben, die im nächsten Jahr über 1700 Millionen DM beträgt, zu decken, und da ich weiß, daß das eine soziale Aufgabe des deutschen Volkes ist, habe ich mich entschlossen, Ihnen diese Vorlage vorzulegen. Wenn Sie über diese Vorlage zu entscheiden haben, meine Damen und Herren, dann haben Sie damit auch über den Zweck zu entscheiden, dem sie dient.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun wird gesagt, man solle an Ausgaben sparen. Ich glaube, in diesem Hohen Hause kann ich mich auf den Hinweis beschränken — ich habe Ihnen das in früheren Reden schon öfter zahlenmäßig dargelegt —, daß die Verwaltungskosten des Bundes, also die Ausgaben für Personal, für Gebäude und alle Betriebsmittel des Bundes, etwa 40/o des gesamten Haushalts ausmachen. Das sind etwas über 400 Millionen DM. Der Globalabstrich, den der Bundesminister der Finanzen allen übrigen Ressorts als Sparquote aufgezwungen hat, beträgt 220 Millionen DM, also mehr als die Hälfte der gesamten Verwaltungsausgaben des Bundes. Ich glaube, daß der Bund hier hinsichtlich der Sparsamkeit vor dem deutschen Steuerzahler bestehen kann und daß er sich, was den Verwaltungskoeffizienten anlangt, mit allen Körperschaften öffentlichen und privaten Rechts in Deutschland gut vergleichen kann.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich hätte um der deutschen Demokratie willen gewünscht, daß in der Öffentlichkeit keine falschen Bilder hervorgerufen worden wären

(Sehr gut! bei den Regierungsparteien)

und daß man nicht soviel über Bonn als einen Sitz der Verschwendung und der Verschleuderung von Geld geredet hätte.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

Wenn ich daran denke, daß Ziffern von angeblichen 400-Millionen-Bauten usw.

(Abg. Dr. Wuermeling: Was?!)

in die Köpfe der Bevölkerung hineingehämmert worden sind, und wenn ich dann damit die einfachen Ziffern des Haushaltes hier vergleiche, in denen Sie jeden Bau und jede Einrichtung bis zum letzten Pfennig verzeichnet finden, dann muß ich sagen: es würde dem deutschen Volk und dem Ansehen der Demokratie — .ungeachtet aller Parteigrenzen — viel dienlicher sein, wenn wir uns
mehr an die Wirklichkeit und an die gegebenen Zahlen hielten.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bedaure es, wenn vom deutschen Volk immer als einem Volk gesprochen wird, das Geld verschleudert, und wenn gesagt wird, daß unrichtige Schätzungen gemacht würden und infolgedessen noch große Steuerreserven vorhanden seien. Ich bedaure das gerade um des deutschen Volkes willen in dieser Stunde.
Meine Damen und Herren, auch die Bundesregierung vertritt das gesamte deutsche Volk, und auch der Bundesfinanzminister, der heute mit den Besatzungsmächten über den Verteidigungsbeitrag verhandelt, vertritt das gesamte deutsche Volk.

(Abg. Renner: Denkste!).

Ich wäre sehr dankbar, wenn ihm seine Stellung gegenüber den Besatzungsmächten durch die Haltung des deutschen Volkes erleichtert und nicht erschwert würde.

(Sehr gut! rechts.)

Als die letzte Anforderung von 6,6 Milliarden Besatzungskosten im Haushalt der Besatzungsmächte kam — dazu kommen nicht anerkannte Besatzungskosten, die nur im deutschen Haushalt stehen, in Höhe von etwa 800 Millionen und der sogenannte Überhang des vergangenen Jahres auf das neue Jahr in Höhe von rund 1900 Millionen DM, so daß sich also ein Posten von insgesamt rund 9 Milliarden DM ergibt —, da habe ich in der Öffentlichkeit und privat erklärt, daß die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers nicht ausreicht,

(Zurufe von der KPD)

um als Besatzungskosten oder Verteidigungsbeitrag einen höheren Betrag zu leisten als den von mir im Etat für 1951/52 vorgesehenen, der der Öffentlichkeit bereits mitgeteilt ist. Das ist ein Betrag von insgesamt rund 6 Milliarden DM. Ich habe erklärt, daß wir heute am besten täten, überhaupt nicht von „Besatzungskosten" zu sprechen, sondern nur von einem „Verteidigungsbeitrag" und nur von einem Verteidigungsbeitrag, der nicht von uns angefordert wird, sondern über den wir beiderseitig verhandeln müssen. Wir Deutsche sollten erklären, daß wir, weil wir uns als demokratisches Volk, als gleichberechtigtes Glied der gesamten demokratischen Welt fühlen, bereit sind, unsere Lasten um der Sicherheit und Freiheit der demokratischen Welt willen zu tragen, daß wir das aber nur in dem Rahmen tun können, der der deutschen Wirtschaftskraft entspricht und nicht durch Überbelastung inneren Hader und inneren Streit hervorruft und damit das vernichtet, was der Verteidigungsschutz an der deutschen Grenze erreichen will: die Sicherheit des deutschen Volkes und der demokratischen Welt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dazu muß der Bundesfinanzminister allerdings auch bei den Besatzungsmächten das Vertrauen finden, daß sein Wort, die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit sei erreicht, richtig ist. Es darf ihm nicht dadurch eine Schwierigkeit gemacht werden, daß es heißt, die Schätzungen, auf die er diese Behauptung gründe, seien völlig unrichtig, und man könne seinen Worten infolgedessen nicht voll vertrauen. Ich bitte daher, daran zu denken, daß der Bundesfinanzminister dem Inland und dem Ausland gegenüber die gleiche Haltung einnehmen muß. Ich muß dem Deutschen Bundestag gegen-


(Bundesfinanzminister Schiffer)

über erklären: Wenn der Bundesfinanzminister erklärt, daß die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Verteidigungsbeitrages erreicht ist, so gilt das als vom Standpunkt des deutschen Steuerzahlers aus gesprochen auch im Inland. Ich werde in den nächsten Monaten in der schweren Lage sein, dem Deutschen Bundestag gegenüber bei manchen Wünschen zu sagen: ich glaube, daß die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit uns dazu zwingt, manches, was wir in diesem Jahre gern täten,

(Zuruf von der KPD: Werden Sie doch etwas deutlicher!)

auf eine spätere Zeit zu verschieben, in der die deutsche Leistungsfähigkeit größer ist, es sei denn, wir entschließen uns unter Umständen, weniger wichtige Dinge zurückzustellen, um neue, aber dringlichere Dinge in Angriff zu nehmen.

(Zuruf von der KPD.)

Ich darf in diesem Zusammenhang, wenn ich von der Zukunft spreche, auch die andere Frage berühren, die in der Debatte eine so große Rolle gespielt hat. Aus einer sozialen Überlegung heraus, nämlich um das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern nicht zu ungünstig zu verschieben, habe ich mich entschlossen, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Deckung des Mehrbedarfs nicht aus den Bundessteuern allein, sondern auch aus den Landessteuern vorzunehmen. Infolgedessen entstand der Zwang, sicherzustellen, daß dieses Mehraufkommen, das geschaffen wird, auch dem Bund für seinen Mehraufwand zugeleitet wird. Das System der Interessenquoten muß verlassen werden. Wir müssen den Weg des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes beschreiten, womit zwangsläufig die Begehung des Weges nach Art. 108 des Grundgesetzes — Übergang der Verwaltung auf den Bund — verbunden ist. Die Länder wären schlecht beraten, wenn sie glauben würden, sie könnten durch ein Matrikularbeitragssystem die Anwendung des Art. 108 vermeiden. Nach dem Grundgesetz, das hier eine ausschließliche Regelung vorsieht, ist nur der Weg des Art. 106 Abs. 3 möglich. Art. 106 Abs. 3 spricht von einer Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Derselbe Wortlaut findet sich im Art. 108. Ich kann nicht dem Wortlaut des Art. 106 eine andere Deutung geben als dem des Art. 108. Wer das Grundgesetz geschaffen hat, hat seine Worte im Art. 106 genau so gemeint wie im Art. 108. Also ob Matrikularsystem oder nicht — die Anwendung des Art. 108 ist auf jeden Fall unvermeidbar. Aber das System der Matrikularbeiträge würde nach meiner Überzeugung im Grundgesetz gar keine Grundlage finden und wäre infolgedessen — abgesehen von allen finanzpolitischen Gesichtspunkten — rein verfassungsrechtlich nicht zulässig.
Die Länder wären auch deswegen finanzpolitisch schlecht beraten, weil die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer das Risiko im Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Länder teilt. Wenn der Bund einen Prozentsatz an Einkommen- und Körperschaftsteuer erhält, so ist er am Minderaufkommen genau so beteiligt wie am Mehraufkommen.

(Zurufe von der KPD.)

Dagegen müßte bei einem festen Beitrag der Bund wahrscheinlich den Beitrag nehmen, der für seine nicht gedeckten Ausgaben reicht, und ein etwaiges Minderaufkommen ginge dann allein zu. Lasten der
Länder. Ich hoffe, daß wir uns infolgedessen grundsätzlich einig werden.
Der Prozentsatz wird von den Ländern bestritten werden. Aber ich möchte dazu bemerken: der Prozentsatz ist so berechnet, daß die Länder von ihren bisherigen Einnahmen nichts verlieren, also ihren Status quo behalten und daß nur das Mehraufkommen dem Bunde zufließt. Das geschieht nicht aus Liebe oder Haß zu irgendeinem System — Bund oder Länder —, sondern aus der ganz einfachen Überlegung — deswegen habe ich vorhin die Zahlen vorgelesen —, daß die Ausgaben für die deutsche Kultur in den letzten Jahren nicht gesteigert werden konnten und daß wir es wohl kaum verantworten können, diese Ausgaben für die deutsche Kultur dadurch zu senken, daß wir den Ländern die Mittel für die Bildung der deutschen Jugend wegnehmen. Ich glaube, daß dieser Weg ein gerechter und billiger ist.
Nun ist es — entschuldigen Sie — vielleicht typisch deutsch, daß bei dieser sich ganz natürlich ergebenden Entwicklung im deutschen Parlament sofort eine große Grundsatzfehde zwischen Föderalisten und Unitaristen beginnt. Meine Damen und Herren, Grundsatzfehden und -aussprachen haben schon manchmal eine , natürliche Entwicklung sehr gehindert. Andere Länder, die politisch ältere Demokratien als wir haben, haben es sich abgewöhnt, viel von Grundsätzen zu sprechen, und haben es sich anerzogen, mehr von Zweckmäßigkeit zu reden. Tun wir im Rahmen des Grundgesetzes das, was der Allgemeinheit des deutschen Volkes dient, und wir werden richtig handeln! Nach dieser Maxime, ohne Streit über Föderalismus und Unitarimus,

(Zurufe der Abg. Mellies und Heiland} ohne mit Prinzipien zu zerstören, was um der gesunden Entwicklung des deutschen Volkes willen notwendig ist, glaube ,und hoffe ich, im Frieden zwischen Bund und Ländern das erreichen zu können, was allen, Bund und Ländern zusammen, was dem ganzen Volk zum Besten dienen soll. Wir haben in Deutschland so viel Konflikte, daß wir gut daran täten, unnötige zu vermeiden. Das ist die Maxime, nach der ich zu handeln pflege. Meine Damen und Herren, ich darf nun mit einem Hinweis schließen. Ich muß Sie nämlich um des deutschen Haushalts willen doch dringend bitten, die Gesetzentwürfe, die Ihnen von mir bereits vorgelegt sind, möglichst schnell zu behandeln. Ich verkenne den inneren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Sonderumsatzsteuer und Umsatzsteuer nicht; aber gesetzestechnisch besteht kein Zusammenhang. Ich garantiere Ihnen: ob die Sonderumsatzsteuer kommt oder nicht, der Ihnen vorgelegte Gesetzestext über die allgemeine Umsatzsteuer wird dadurch in keinem Jota berührt. Die Pläne, ob eine Sonderumsatzsteuer durch eine andere Umsatzsteuer oder sonstwie ersetzt werden soll, können zurückgestellt werden, bis Ihnen die Vorlage über die Sonderumsatzsteuer gemacht werden kann. Aber ich bin an das Grundgesetz gebunden, und das Grundgesetz schreibt einen bestimmten Gesetzgebungsweg vor. Der Gesetzgebungsweg ist nun einmal so, daß zwischen Kabinettsbeschluß und Vorlage an den Deutschen Bundestag zum wenigsten ein Monat vergeht. Meine Damen und Herren, jeder Monat Verzögerung der Vorlage über die Einkommensteuer und Umsatzsteuer bedeutet haushaltsmäßig einen Ausfall von rund 200 Millionen DM. Der Deutsche Bundestag wird d o c h irgendeinen Entschluß fassen müssen, wenn er nicht den ganzen Haushalt 1950/51 zusammenbrechen lassen, wenn er nicht bewußt den Weg einer Politik des „deficit spending" gehen will, den die Bundesregierung und jeder gewissenhafte Finanzminister ablehnen muß und den, wie ich annehme, das gesamte Hohe Haus in Erinnerung an den zweimaligen Raub, der an dem deutschen Sparer begangen worden ist, ablehnen wird. Eine Lösung muß gefunden werden, ein Entschluß muß kommen, und hier gilt es: Wer rasch handelt, wird zur Gesundung des Haushalts am ehesten beitragen. Meine Damen und Herren, nun ein Wort zu dem Zwischenrufer von den Kommunisten, ein ganz kurzes Wort! Heute ist die Aufgabe der Finanzminister und der Wirtschaftsminister überall in der Welt die gleiche. Die demokratische Welt hat nicht freiwillig den Weg gewählt, daß sie um ihre Sicherheit zu bangen und zu sorgen hat. Ich bin der festen Überzeugung, daß der Mann im Osten, der das alte — heute größere — Reich des Dschingis-Khan beherrscht, ein planmäßiges Spiel treibt, wenn er versucht, den Ländern und Völkern der demokratischen Welt nicht zu erlauben, zu tun, was sie eigentlich wollten: ihre ganze Wirtschaftskraft und ihre ganze Arbeitskraft in Frieden nur dem friedlichen Aufbau, der sozialen Leistung, nur dem Wiederaufbau dessen zu widmen, was schon einmal der Wahnsinn eines Mannes zerstört hat! Die demokratische Welt würde dem gern ihre ganze Produktivkraft widmen; aber der Mann im Osten Er weiß, daß damit eine neue Belastung eintritt und daß damit die Möglichkeit gegeben ist, in diese Völker den sozialen Kampf hineinzutragen. Er weiß, daß er seine Hunde hat, die das Gebell nach innerem Kampf in dieser Situation erheben. (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Renner: Sie sind der Hund, der für Truman bellt! — Weitere Zurufe von der KPD.)


(Zurufe von der KPD.)


(Abg. Heiland: Hoffentlich immer!)


(Bundesfinanzminister Schiffer)


(Abg. Dr. Wuermeling: Lohnt nicht!)


(Zurufe von der KPD)


(Lachen und Zurufe bei der KPD)


(Zurufe von der KPD)


(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)


(Zuruf von der KPD: Sie stellen die Tatsachen auf den Kopf!)


(Abg. Renner: Der heißt doch Truman!) weiß ganz genau: Er kann seinen Weg nur dann finden, und er kann die Völker nur dann für sich sturmreif machen, wenn er veranlaßt, daß der Einsatz für dieses Ziel friedlicher Arbeit nicht mehr voll geleistet werden kann, sondern wenn ein großer Teil der Produktivkraft aller Völker nunmehr der Sicherheit gewidmet werden muß.


(Erneute Zurufe von der KPD. — Gegenrufe in der Mitte und rechts.)

Und deswegen bitte ich den Deutschen Bundestag,

(anhaltende Zurufe von der KPD — Gegenrufe in der Mitte und rechts: Ruhe! — Glocke des Präsidenten)

und deswegen bitte ich den Deutschen Bundestag
und das deutsche Volk, daran zu denken: die Erhaltung der Sicherheit der demokratischen Welt,
der Frieden in dieser Welt und die Sicherheit, daß unsere Söhne leben bleiben, sind mehr wert als ein vorübergehendes Opfer!

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien und rechts. — Abg. Renner: Sie sind der Hund, der für Truman gebellt hat! — Gegenrufe in der Mitte und rechts: Pfui! — Ruhe!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113702600
Nach den mir vorliegenden Wortmeldungen hat der Abgeordnete Dr. Bertram noch ums Wort gebeten. — Er verzichtet.
Herr Abgeordneter Dr. Koch!

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0113702700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der letzten Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers,

(Unruhe — ,Glocke des Präsidenten)

denen wir durchaus zustimmen, und trotz der vorgeschrittenen Zeit und der Mittagsstunde dürfen doch verschiedene seiner Ausführungen nicht unwidersprochen bleiben. Der Herr Kollege Dr. Dresbach hat den Herrn Finanzminister als das Muster eines parlamentarischen Ministers hingestellt. Meine Damen und Herren, wir haben heute nicht zur Person des Herrn Finanzministers gesprochen, nicht über seine persönliche Führung dem Parlament gegenüber und auch nicht über die Liaisons, von denen der Herr Finanzminister andeutungsweise bei anderen Völkern sprach, sondern wir haben allein — und ich glaube: außerordentlich sachlich — zur Sache gesprochen, und zwar zu einem Ausschnitt. Ich habe ausdrücklich betont, wir wollten heute nicht über die Ausgaben sprechen, auch nicht über die Besatzungskosten oder -die Soziallasten, die der Herr Bundesfinanzminister in den Mittelpunkt seiner Erwägungen und Ausführungen gestellt hat, sondern wir haben heute mit dem Herrn Bundesfinanzminister über die eine grundsätzliche Frage sprechen wollen, wie wir die Einnahmen aufbringen, mit denen wir dann in der Lage sein werden, diese Lasten zu decken. Dabei haben wir wieder auf das unsoziale und unrichtige Verhältnis unserer Steuerarten zueinander und auch darauf hingewiesen, daß dieses Verhältnis

(Unruhe — Glocke des Präsidenten)

sich von Jahr zu Jahr verschlechtert hat. Der Herr Finanzminister hat wieder einen Vergleich mit England gebraucht, und dieser Vergleich ist wieder genau so falsch, objektiv unwahr, wie der Vergleich, den er im vergangenen Jahre gebraucht hat, als er sagte: die Belastung

(Zuruf rechts)

– ich habe gesagt: objektiv unwahr! – des
britischen Steuerzahlers sei höher als die Belastung des deutschen Steuerzahlers. Wir haben schon damals nachweisen können, daß diese Behauptung nicht stimmt. Es ist so, daß sich die direkten Steuern bei uns innerhalb der letzten zwei, drei Jahre, wie ich vorhin schon sagte, von 420/o abwärts auf nur noch 30 % des Gesamtaufkommens entwickelt haben, während die indirekten Steuern von rund 40 % auf annähernd 55 und noch mehr Prozent unseres Gesamtaufkommens gestiegen sind.

(Zuruf rechts: Die Zahlen stimmen ja nicht!)

In England, Herr Bundesfinanzminister, ist die Entwicklung genau umgekehrt gewesen. In England beträgt die Belastung durch die indirekten Steuern heute nur mehr 45 %, während sie früher 55 % betragen hat.


(Dr. Koch)

Wir haben es nicht als unsere Aufgabe aufgefaßt, uns heute mit dem Herrn Bundesfinanzminister über den Sinn und Zweck des Steuerzahlens zu unterhalten. Wir erkennen durchaus an, daß er in großem Umfange und viel härter und schärfer, als es früher jemals der Fall gewesen ist und als wir es jemals haben glauben können, Steuern erheben muß. Wir sind gern bereit, ihm auch dabei zu helfen, daß er seinen Schlaf wiederfindet, wenn nachts das Defizit als Geist um sein Bett wandert. Es kommt uns aber vornehmlich darauf an, wie wir diese Steuerlast verteilen. Welchen Schlüssel finden wir für die Verteilung der Steuerlast? Wir haben keine Übergewinnsteuer vorgeschlagen, wie uns der Herr Bundesfinanzminister zum Vorwurf macht. Wir haben nicht von einer Übergewinnsteuer gesprochen, weil wir der Ansicht sind, daß wir gar nicht die notwendigen und richtigen Vergleichsunterlagen hätten, um eine derartige Übergewinnsteuer zu berechnen.
Wir haben selbstverständlich wieder — und ich sagte, wir werden das immer wieder tun — auf die Fehler der Steuerreform des vergangenen Jahres hingewiesen, weil wir der Ansicht sind, daß wir aus diesen Fehlern lernen können und lernen müssen. Wir begrüßen es freudig und haben das auch hier zum Ausdruck gebracht, daß der Herr Bundesfinanzminister einen Teil dieser Steuerreform rückgängig machen will, bedauerlicherweise aber nicht den Teil der Steuerreform. den wir vor allem bekämpft haben: die unsozialen und ungerechten Steuersenkungen. Es ist die Rede gewesen — ich glaube, es war Herr Kollege Dresbach oder Herr Kollege Höpker-Aschoff, der davon gesprochen hat —, daß der Tarif bis an die äußerste Grenze dessen heranginge, was man dem Steuerzahler zumuten könne. Darf ich Ihnen ein Beispiel in die Erinnerung zurückrufen? Vor der Steuerreform zahlte ein Steuerpflichtiger, der 60 000 _Mark

(Abg. Dr. Wuermeling: Das ist doch kein Beweis, wenn er früher zuviel Steuer gezahlt hat! — Zuruf von der SPD: Lassen Sie ihn doch erst einmal ausreden!)

Wir haben damals hilfsweise darum gebeten, man möchte doch die Steuerbeträge, die durch diese Einkommensteuersenkung frei würden, einem bestimmten Zweck zuführen, man möchte sie einem Sparzwang unterwerfen. Wir haben uns damals in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats zum Problem der Arbeitslosigkeit gefunden. Ich entnehme einer Notiz aus dem „Handelsblatt" vom 3. März 1950, den folgenden Satz:
Der Wissenschaftliche Beirat habe vorgeschlagen:
Um jedoch zu vermeiden, daß eine Steuersenkung konsumsteigernde Wirkungen hervorruft, sollte erwogen werden, den als Steuersenkung in Aussicht genommenen Teil der Steuer nicht schlechthin zu erlassen, sondern in eine Zwangsanleihe umzuwandeln.
Sie sehen also, daß wir uns seinerzeit mit unseren
Vorschlägen in sehr guter Gesellschaft befunden
haben. Wir möchten auch heute diese Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats wieder aufnehmen.
Wenn wir von diesen Steuersenkungen sprechen, bringt uns der Herr Finanzminister als Gegenargument immer wieder die Soforthilfe und den Lastenausgleich. Ich glaube, daß wir uns da in gewissen Widersprüchen bewegen, wenn wir auf der einen Seite sagen, beim Lastenausgleich sollen alle Deutschen gleich behandelt werden, und auf der anderen Seite dann immer wieder hören, in die Substanz sollen keine Eingriffe erfolgen, sondern die Abgaben zum Lastenausgleich sollen aus dem Einkommen bezahlt werden. Wir können einen Lastenausgleich nicht als Lastenausgleich anerkennen, wenn er ausschließlich aus Einkommen und aus Gewinnen bezahlt wird, denn von einem echten Lastenausgleich kann nur dann gesprochen werden, wenn auch die Substanz herangezogen wird.
Der Herr Bundesfinanzminister beruft sich auf die seinerzeitige Zustimmung der Länderfinanzminister. Die Länderfinanzminister — dessen wird sich auch der Bundesfinanzminister erinnern — haben seinerzeit ausdrücklich darauf hingewiesen — ich glaube es war Herr Minister Hilpert, der dies erklärt hat —, daß es unmöglich wäre, neben den erheblichen Tarifänderungen und -senkungen die Steuerbegünstigungen der §§ 7 a bis e, 10 und 32 a aufrechtzuerhalten. Doch dies nur als kurze Bemerkung zu diesem Gegenargument.
Und wieder hören wir: daß man heute eine andere Politik als vor einem Jahr machen müsse; aus diesem Grunde dürften wir nicht immer auf die Drucksache Nr. 1000, auf den sogenannten Katastrophenbericht hinweisen. Wenn sich die Zeiten so gewaltig geändert haben, dann sollte man auch mutig sein und die ganzen Einkommensteueränderungen des vergangenen Jahres und nicht nur Teile dieser Einkommensteueränderungen rückgängig machen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Herr Kollege Höpker-Aschoff hat wieder einmal die Eigenfinanzierungen, die Selbstfinanzierungen und damit meines Erachtens auch die zeitlichen Fehlinvestitionen in Schutz genommen. Er erklärte, daß diese Steuersenkungen und Investitionen ja der Masse des deutschen Volkes zugute gekommen seien und daß der Reallohn sich um 500/o erhöht habe. Ich glaube, daß diese letzte Behauptung von der Steigerung des Realeinkommens unter keinen Umständen stimmen kann, jedenfalls dann nicht, wenn man hier einmal beratend die Sozialrentner und Arbeitslosen hinzuzöge, die trotz der steigenden Preise noch mit dem alten Nominaleinkommen auskommen müssen. Zu der Bemerkung über die Investitionen, Herr Kollege Höpker-Aschoff, ein Wort. Auch Investitionen sind weder gut noch böse; es kommt nur darauf an, daß sie zur rechten Zeit und am rechten Ort vorgenommen werden.
Wir behaupten immer wieder, daß es die Bundesregierung auf diesem Gebiet an einer einheitlichen Planung hat fehlen lassen. Was nützt uns die schönste Schokoladenfabrik und was nützt uns die prächtigste Papier- oder Textilfabrik, wenn wir eines Tages keine Kohle, keinen Strom und keinen Stahl mehr haben!

(Sehr richtig! links.)

Wenn uns der Herr Finanzminister hier erklärt, die Eisen- und Kohleerzeugung hätten nicht so rasch wachsen können wie die übrige Erzeugung, dann liegt das eben an der fehlerhaften Investiti-


(Dr. Koch)

onspolitik, an der fehlerhaften Wirtschaftspolitik der Bundesregierung!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Der Herr Bundesfinanzminister hat auf die, Notwendigkeit hingewiesen, Besatzungskosten zu zahlen. Er hat uns den Vorwurf gemacht, wir handelten nicht demokratisch, wenn wir ihm hier wegen seiner Finanzgebarung Vorwürfe machten und wenn wir mit erhobenem Finger auf die Ausfälle zeigten, die uns dadurch entstehen, daß wir noch nicht den richtigen Betriebsprüfungsdienst haben und daß die Steuermoral im deutschen Volke schlecht ist. Ich glaube, wir leisten dem Herrn Bundesfinanzminister in seinem Kampf um die Besatzungskostenminderung einen Dienst, wenn wir erklären, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer und daß die Einführung der Sonderumsatzsteuer unzumutbare Forderungen an das deutsche Volk sind. Es ist ganz unmöglich, daß man diesem Volk nach diesen Jahren und dieser Wirtschaftspolitik bei den steigenden Preisen noch zusätzliche indirekte Steuern auferlegt, und ich glaube, daß unser Nein zu diesen Steuern für die Politik der Besatzungskostenminderung wesentlich besser ist als die Zustimmung der Regierungsparteien.

(Sehr gut! links.)

Ob unser Ja oder ob Ihr Nein demokratischer ist, diese Entscheidung überlassen wir in voller Ruhe dem ganzen Volke. Aber die Antwort darauf, daß unsere Entscheidung sozialer und gerechter ist, ich glaube, diese Antwort ist schon erteilt!

(Sehr gut! links.)

Wenn der Herr Bundesfinanzminister im vergangenen Jahr davon sprach, der deutsche Steuerzahler in den niedrigen Einkommensstufen brauche weniger Steuern zu bezahlen als der englische Steuerzahler, dann war das, glaube ich, eine Behauptung, die unserem Ansehen im Ausland unzuträglicher war als unser Nein zu seinen Steuervorschlägen.
Zu den Fragen des Föderalismus möchte ich nichts mehr hinzufügen. Ich habe die Grundsatzdebatte nicht entfesseln wollen. Aber ich freue mich, daß der Herr Bundesfinanzminister wenigstens das Gegensatzpaar Föderalismus — Unitarismus durchaus richtig beherrscht; denn wie es der Herr Kollege Ewers immer einander gegenüberstellte: Föderalismus und Zentralismus, so ist es sicherlich nicht richtig. Der Gegensatz von Föderalismus ist Unitarismus, und Unitarismus hat mit Zentralismus absolut nichts zu tun; Zentralismus und Dezentralisation sind Begriffe der Verwaltung und nicht der Politik.
Der Herr Bundesfinanzminister sprach davon, wir müßten heute jede Inflation vermeiden. Gut! Wir möchten der Bundesregierung den Rat geben, daß sie dann aber auch insbesondere die Inflation von Plänen und Planungen vermeiden möchte, durch die sie das ganze deutsche Volk und die ganze deutsche Wirtschaft monatelang in Aufregung hält. Herr Bundesfinanzminister: es ist nicht unsere Schuld, daß die Beratungen über die Einkommensteuer- und Umsatzsteuervorlagen verzögert worden sind, sondern es ist einmal die Schuld der Bundesregierung, daß wir diese Vorlagen so spät erhalten haben, und zum anderen ist es Schuld der Bundesregierung, daß uns durch immer neue Pläne und Planungen die Möglichkeit genommen wurde, über diese grundsätzlichen Steuergesetze im Finanzausschuß zu beraten. Sie geben uns jetzt den Rat, wir sollten rasch handeln. Wir möchten der Regierung den Rat geben — das gilt aber weniger für den Bundesfinanzminister als für die für die Wirtschaftspolitik verantwortlichen Männer —, sie mögen rasch handeln und uns endlich eine Konzeption der Wirtschaftspolitik geben, die uns wirklich voranbringt!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113702800
Als letzter hat sich der Abgeordnete Pelster zum Wort gemeldet.

Georg Pelster (CDU):
Rede ID: ID0113702900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zum Wort gemeldet, wenn Herr Dr. Koch es auch vorgezogen hätte, nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers nicht nochmals an das Rednerpult zu treten.

(Zurufe von der SPD.)

Ich möchte ihm nur eines sagen und feststellen: es ist bewunderungswürdig, welche Stellung er hier und welche Haltung er im Finanzausschuß einnimmt. Wenn Herr Dr. Koch heute betont — immer wieder seit einem Jahre! —, eine Milliarde DM hätten wir dem Kapital hingeworfen, dann bleibt ausdrücklich festzustellen: es war nicht zuletzt Herr Dr. Koch, der bei der Siebener-Gruppe 7 a, b, c, d usw. nicht genug bekommen konnte und immer weitere Auswirkungen herbeigeführt haben wollte und immer wieder neue Ausbauten herbeiführte!

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht richtig!)

Dadurch ist es gekommen! Aber dann 14 Tage später die Platte aufzudrehen: eine Milliarde ist verschenkt, — das ist nicht die richtige Art und Weise!
Ich darf dann weiter feststellen: es ist auch nicht richtig, daß die Arbeitnehmerschichten nichts mitbekommen haben.

(Zurufe links.)

Die Zahlen können überall nachgelesen werden, daß nach 1923 bei 250 Mark Einkommen — verheiratet, ohne Kinder — im Monat 18 Goldmark Steuern bezahlt werden mußten.

(Widerspruch links.)

Heute werden noch 8,75 Mark von dem gleichen Betrage gezahlt. Das sollte auch einmal anerkannt werden!

(Unruhe.)

Auf der andern Seite darf ich Ihnen eines sagen: es ist nicht richtig, wenn von der Opposition immer betont wird, der Herr Wirtschaftsminister und der Herr Finanzminister stehen vor den Trümmern ihrer Politik. Wenn das Trümmer sind, daß wir heute 3 Millionen Menschen mehr in Arbeit haben,

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) wenn das Trümmer sind, daß wir heute wieder eine monatliche Ausfuhr von einer Milliarde DM haben, wenn das Trümmer sind, daß es in kürzester Frist gelungen ist, den Apparat der Wirtschaft, die Arbeitsplätze wieder zu schaffen und dadurch Brot und Arbeit für die breiten Massen unseres Volkes zu haben, dann bin 'ich froh, daß solche Trümmer da sind; denn durch diese „Trümmer", die wir durch unsere Politik geschaffen haben, schaffen wir die Möglichkeit, die Trümmer aus dem letzten Kriege zu beseitigen.


(Anhaltende Unruhe.)

Ich darf sagen: es wäre gut, wenn sich das ganze Haus in der Frage der Ausgabenbewilligung etwas mehr Reserve auferlegte oder wenn es dann wenigstens bei der Bewilligung der Deckungsmittel die gleiche Bewilligungsfreudigkeit an den Tag legte.

(Widerspruch bei der SPD.)



(Pelster)

Ich möchte das ganze Haus bitten, angesichts der Erfolge, die durch die bisherige Steuerung der Politik erzielt worden sind, dem Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen zuzustimmen.

(Lebhafter Beifall in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113703000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.

(Zurufe von der Mitte: Aha! — Hört! Hört! rechts.)


Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0113703100
Meine Damen und Herren! Obwohl mir die Ausführungen des Herrn Kollegen Pelster eigentlich Veranlassung geben sollten, noch einmal ausführlich auf seine Argumente einzugehen, möchte ich dies jetzt nicht tun und bitte, diese Wortmeldung lediglich als Wortmeldung zu einer persönlichen Bemerkung aufzufassen.
Es ist nicht richtig, daß meine Fraktionsfreunde oder ich im vergangenen Jahr darum gekämpft hätten, daß die Siebener-Gruppe wesentlich erweitert werden sollte. Wir haben lediglich bei einem Paragraphen der Siebener-Gruppe, nämlich bei dem, in dem vom sozialen Wohnungsbau die Rede ist,

(Sehr richtig bei der SPD)

darum gekämpft, daß die Begünstigungen des sozialen Wohnungsbaues auch im weitesten Umfang denen zugute kämen, die nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, sondern die lediglich ihre Lohnsteuer bezahlen.
Ich habe heute weiter, Herr Kollege Pelster, nicht behauptet, daß der Herr Bundesfinanzminister vor den Trümmern seiner Finanzpolitik stünde,

(Abg. Pelster: Doch!)

sondern ich habe lediglich gefragt, ob er so lange warten wolle wie der Herr Bundeswirtschaftsminister, der vor den Trümmern seiner Bundeswirtschaftspolitik steht.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe rechts: Das ist dasselbe!)

— Das ist etwas wesentlich anderes!

(Abg. Pelster: Das ist genau dasselbe!)

Von Trümmern der Finanzpolitik ist nicht die Rede gewesen, und wenn sie logisch dächten, dann müßten Sie mir ohne weiteres Recht geben.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte. — Zuruf des Abg. Renner.)

Dies nur als persönliche Bemerkung.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113703200
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 1909. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Wuermeling.)

– Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0113703300
Meine Damen und Herren! Darf ich mir einen geschäftsordnungsmäßigen Vorschlag erlauben .Eine große Anzahl , Mitglieder des Hauses war durch die Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen zum Teil schon jetzt verhindert, an den Beratungen teilzunehmen. Zum anderen Teil sind sie verpflichtet, sehr bald von hier abzureisen. Es sind noch zwei Punkte unserer heutigen Tagesordnung zu behandeln, insbesondere der wichtige Punkt der Erhöhung der Dienstbezüge der Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Nach Fühlungnahme mit Kollegen aus anderen Fraktionen scheint es mir nicht zweckmäßig zu sein, daß wir diese Punkte nun vor sich leerendem Haus behandeln. Ich erlaube mir den Vorschlag und möchte den Antrag stellen, daß wir diese beiden Punkte zu Beginn der nächsten Bundestagssitzung in der nächsten Woche behandeln.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0113703400
Wird dieser Antrag von 30 Abgeordneten unterstützt?

(Zurufe: Ja!)

— Es ist offenbar der Fall.
Ich darf nur feststellen, daß im Ältestenrat eine Vereinbarung darüber erzielt worden ist, daß an der Spitze der Tagesordnung der nächsten Sitzung am Mittwoch, die dritte Lesung des Neugliederungsgesetzes steht.

(Abg. Dr. Laforet: Wahl der Wahlmänner zum Bundesverfassungsgericht als zweites!)

— Als zweiter Punkt dieser Tagesordnung ist die Wahl der Wahlmänner zum Bundesverfassungsgericht vorgesehen. Daran kann dann die Beratung dieser beiden Punkte angeschlossen werden.

(Zustimmung.)

Meine Damen und Herren! Darf ich, ehe wir schließen, Sie noch um Aufmerksamkeit für eine kurze Mitteilung bitten, weil ich glaube, daß es wichtig 'ist, diese Dinge hier zu sagen.
Mir ist die Nummer 4 der Zeitschrift des Deutschen Beamtenbundes „Der Beamtenbund" vom 1. April 1951 zugeleitet worden. In dieser Nummer steht ein Aufsatz: „Ein Maßstab", in dem wieder einmal die berühmte Zahl von 40 000 DM, die ein Bundestagsabgeordneter kostet, aufgegriffen ist, und zwar in folgender Form:
Allein die monatliche Aufwandsentschädigung ist von 600 RM auf einen festen monatlichen Betrag von 1 100 DM gestiegen. Unter Berücksichtigung der Sitzungsgelder ergibt sich eine Verbesserung um etwa hundert Prozent.
Für die Kraftfahrer der Abgeordneten wird ein Tagegeld in Höhe von 15 DM gewährt. Für Beamte des höheren Dienstes ist bekanntlich nach wie vor ein solches von 10 DM zuständig.
Es gibt offenbar doch Bereiche des öffentlichen Lebens, auf denen der Steigerung der Lebenshaltungskosten in angemessener Weise Rechnung getragen worden ist. Wir können nur hoffen, daß die Einsicht der Parlamentarier in diesen Sachverhalt sich nicht nur auf den Fall beschränkt, wo es um ihre eigenen Bezüge geht.
Meine Damen und Herren! Ich nehme diese Mitteilung, von der ich annehmen muß, daß sie sich ja wie ein Schneeball weiter verbreitet, zum Anlaß, doch einige Feststellungen zu treffen. Ich hätte es begrüßt, wenn eine Zeitschrift des Deutschen Beamtenbundes, in dem ja doch vermutlich einige Sachverständige auch ihr Werk treiben, etwas sachlicher und richtiger über diese Dinge berichtet hätte.

(Sehr richtig!)

Ich stelle ausdrücklich fest, daß man mit der Behauptung, für einen Reichstagsabgeordneten seien 14 000 Mark aufgewendet worden und für einen Bundestagsabgeordneten würden 40 000 DM aufgewendet, die Milchmädchenrechnung aufmacht, den


(Präsident Dr. Ehlers)

Etat des Reichstags und den des Bundestags durch die Zahl der Abgeordneten zu dividieren; d. h. also pro Abgeordneter 1931 bei etwa 8 Millionen Etat durch 577 Abgeordnete gleich 13 100 Mark, und wenn man es für 1950/51 richtig ausrechnet, 38 260 DM.
Dieselbe Behauptung ist kürzlich, wie mir mitgeteilt worden ist, von einem Lehrer in einem bayrischen Landkreis aufgestellt worden. Ich habe dem Herrn Landrat, der mir das mitteilte, geschrieben: Ich würde annehmen, daß die Lehrer sich dagegen wehren würden, wenn man als Kosten eines Volksschullehrers nicht nur die für seine Besoldung, sondern die für den Bau der Schulen und die Unterhaltung der Schulen aufzuwendenden Beträge unterstellen würde.

(Sehr gut! und Heiterkeit.)

Ich darf weiter darauf hinweisen — ich nehme an, daß diese Zahlen Sie in Kürze interessieren—, daß in den Etats des Reichstags und des Bundestags selbstverständlich das ganze Personal enthalten ist. Beim Reichstag waren es 323 Personen, darunter 110 Beamte, heute beim Bundestag 505 Personen, darunter 112 Beamte. Die beim Reichstag Beschäftigten bezogen etwa 1 350 000 Reichsmark an Gehältern und Löhnen, heute sind es 2 795 000 DM. Das wird also alles auf die Abgeordneten verrechnet.
Die sachlichen Verwaltungsausgaben betrugen damals — sie fallen selbstverständlich auch unter die genannte Ziffer — 885 400 RM, heute 2 478 000 DM. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß die Ausgaben für Drucksachen damals 388 000 RM betrugen, während es heute 690 000 DM sind. Hieraus ist ja vielleicht auch annähernd die Zunahme der Arbeit von damals auf heute abzulesen.
Meine Damen und Herren! Ich verwahre mich mit allem Nachdruck dagegen, daß hier eine Rechnung von festen Bezügen mit 1 100 DM aufgemacht wird. Es ist jedem in diesem Hause und jedem, der sich ernst und sachlich um die Dinge bemüht, klar, daß heute wie damals eine gleiche Aufwandsentschädigung von 600 DM bezahlt wird, dazu 200 DM für Fahrten im Wahlkreis, 100 DM für Büro- und Portokosten und 200 DM für ein Büro, wenn es erfordert wird.
Mir ist ein Fall bekannt, daß ein Abgeordneter für die Sekretärin, die er allein für seine politischen Aufgaben beschäftigt, monatlich nach der TOA 370 DM aufzuwenden hat und dafür 200 DM bekommt. Das übrige geht von dem ab, was er als Aufwandsentschädigung erhält. Meine Damen und
Herren, es sollte auch dem Herausgeber dieser Zeitschrift nicht ganz unbekannt sein, daß, nehmen wir an, einem Kaufmann, der mehrere Filialbetriebe betreibt und im Bereich dieser Filialbetriebe herumfahren muß und die Kosten von seinem Einkommen absetzt, diese Beträge nicht als Einkommen angerechnet werden können.

(Sehr richtig!)

Lassen Sie mich kurz noch folgende Zahlen zusammenstellen, die vielleicht für Sie interessant sind. Der Teil des Haushalts, der für die Abgeordneten unmittelbar, nämlich für Aufwandsentschädigungen, Fahrgeld und dergleichen aufgewendet wurde, betrug im Jahre 1931 70 % der Gesamtkosten des Deutschen Reichstags, 1950/51 nur 60 %. Man könnte also den Standpunkt vertreten, daß sich der Wirkungskreis der Arbeit vielleicht etwas erhöht, daß sich aber der tatsächliche Anteil der Aufwendungen für die Abgeordneten vermindert hat.
Dann lassen Sie mich noch eins sagen, meine Damen und Herren: In einer solchen Zeitschrift sollte es schließlich auch nicht vorkommen, daß das Tagegeld eines Kraftfahrers mit 15 Mark und das eines höheren Beamten mit 10 Mark gegenübergestellt wird. Ich wage es im Augenblick einmal, einen Bundestagsabgeordneten einem Beamten der Besoldungsgruppe A 1 a, nämlich einem Ministerialrat gleichzustellen. Für den Fall, daß ein Ministerialrat eine Dienstreise mit einem Kraftfahrer macht, kostet das, da normalerweise ja auch ein höherer Beamter zu übernachten pflegt, täglich 32 Mark. Wenn ein Bundestagsabgeordneter eine Reise mit Fahrer macht, kostet das den Staat 40 Mark. Ich halte das für eine Relation, die der Verpflichtung und der Aufgabensetzung eines Bundestagsabgeordneten durchaus gemäß ist und von der ich glaube, daß sie auch andere Leute im Lande anerkennen sollten.
Ich bedaure es, daß, um ein bestimmtes Ziel, das irgendwie auch den Hintergrund des Antrages zu Punkt 4 unserer Tagesordnung bildet, zu erreichen, über den Bundestag und seine Abgeordneten Angaben gemacht werden, die erstens von Unkenntnis strotzen, zweitens unwahr sind und drittens jede Einsicht in unsere politische Verantwortung vermissen lassen.

(Anhaltender lebhafter Beifall.)

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 25. April 1951, 13 Uhr 30, und schließe die 137. Sitzung.