Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, soweit Sie noch anwesend sind!
Der Apostel Moskaus hat leider eine größere Anzahl aufmerksamer Finanzfreunde aus dem Saal vertrieben, und es ist mein Los, hier im wesentlichen Bänke anzureden. Ich tue das, damit auch von uns ein Wort gesagt ist.
Dieses Wort muß anknüpfen an die von den verschiedenen Vorrednern insbesondere der Koalitionsparteien mit Recht geltend gemachten Fragen: Wie steht es in der Finanzverwaltung zwischen Bund und Ländern? Dabei wurde betont, daß gerade bei diesem Ministerium die Staatsform des Grundgesetzes, der Föderalismus, eine entscheidende Rolle spielt. Auch hierzu hat sich dann eine ganze Reihe von Rednern erklärt, insbesondere mein Herr Vorredner. Diese Frage ist deshalb aktuell, weil wir wohl im Hause eine größere Anzahl von solchen Personen haben, die dem Parlamentarischen Rat nicht angehört haben, die der Meinung sind, daß die finanzielle Regelung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluß ist, sondern eine sehr bedauerliche und zu sehr krausen Verwicklungen Anlaß gebende Kompromißlösung mit der Tendenz, die zentrale Bundesgewalt so schwach wie möglich zu machen.
Der Erfolg ist jetzt, daß alles, was als indirekte Steuer jedenfalls nicht sozial abgestuft werden kann, dem Bund auferlegt ist, und daß die direkten Steuern, bei denen man weitgehend soziale Rücksichten walten lassen muß und kann, Sache der Länder sind. Eine Situation, die den, sagen wir einmal, Auftrieb in der Stimmung für den Bund im Volke nicht gerade begünstigt. Das bedauern wir sehr, denn wir sind der Meinung, daß ein gesunder Föderalismus dem geschichtlichen Werden des deutschen Volkes allein gerecht wird und daß ein Zentralismus, wie ihn etwa Frankreich seit dem 16. Jahrhundert hat, für Deutschland und seine Kultur ein Todesstoß wäre. Daß aber nun etwa das deutsche Volk eines schönen Tages etwa zur Zeit der Hohenstaufen aufgestanden sei und sich seit jener Zeit zu einer Einheit gefügt habe, die von einem einzigen Sitz, von einem einzigen Thron aus regiert werde, das widerspricht ja jeglicher geschichtlichen Wahrheit. Es war vielmehr so, daß angesichts der wachsenden Hausmacht der Landesherren die immer schwächer werdende Reichsgewalt schließlich so schwach wurde, daß sie sich selbst müde zum Sterben legte, um in Österreich dann ein Sonderstaatswesen aufzuziehen. Was dann kam, war aber, daß die Sehnsucht aller guten und besten Deutschen, aller großen Deutschen zur Einheit hin drängte. Nun sind wir doch so weit, daß wir der Meinung sind, daß diese Sehnsucht nur dann gesund ist, wenn sie von den Stämmen — gewiß nicht von den Völkern —, aber von den Stämmen Deutschlands getragen wird.
Was wir im Bund auf der finanzpolitischen Seite erleben, ist leider das, daß der „Hausmacht-
egoismus", wie ich ihn leider immer wieder nennen muß, immer wieder die ehrlichen, ernsten Föderalisten kopfscheu macht, ob sie denn auch richtig orientiert sind, wozu aber auch die Willkür gewisser Ländergrenzen, wie wir sie heute haben, noch das ihre beiträgt, da man heute bei verschiedenen Bundesländern im einzelnen kaum mehr von „Stämmen" sprechen kann. Bayern nehme ich natürlich ganz ausdrücklich aus; Bayern umfaßt natürlich einen echten Stamm, und es ist in diesem Sinne ein echter Bundesstaat.
Bei dieser Situation ist es kein Wunder, daß der Finanzminister ein außerordentlich schweres Los trägt, wenn er für den von ihm — mit einem meines Erachtens durchaus nicht übelzunehmenden Spottwort — als „Bewilligungsindustrie" bezeichneten Betrieb des Bundestags, den der notwendige soziale Wille leitet, zu helfen, wo geholfen werden muß — weil wir doch nur als friedlich nebeneinander lebende Volksgemeinschaft überhaupt noch eine Lebenszukunft haben —, wenn er für diesen Parlamentsbetrieb die Mittel aufbringen soll. Was insofern die Herren Vorredner Dr. Dresbach und Dr. Höpker-Aschoff gesagt haben, findet unsere volle Billigung, wobei wir allerdings eins anmerken müssen: Es ist nicht angängig, daß, wenn in einer Abteilung eines Ministeriums oder wenn in einer Vorbesprechung zwischen zwei Ministern irgendein steuerlicher Gedanke in das Erwägungsstadium tritt, der Presse diese Erwägungen als neueste Schlagzeilennachricht groß aufgemacht verkündet werden,
um alsbald, nachdem mit Recht dann gegen solche zum Teil aberwitzigen Pläne die Öffentlichkeit mobil gemacht wird, in irgendeiner Schublade auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Das ist eine Gebarung, die der Nervosität des Bonner Raumes entsprechen mag, die man aber nur — nun, ich will es einmal milde ausdrücken — abstellen muß. Man kann nicht jede Gehirnblase, die irgendwo aufsteigt, der stets nachrichtenhungrigen Presse als neuesten Bonbon andienen. Solche Dinge sollten vorher sehr gründlich erwogen werden. Ich weiß, und wir alle wissen, daß bedauerlicherweise bei diesen Erwägungen nicht nur der Finanzminister, sondern auch seine Kollegen zum Teil die Hand im Spiele haben und daß sie sich zum Teil angeschickt haben, seine Steuerschraube für derartige Zwecke zu mißbrauchen, für die eigentlich die Steuerschraube gar nicht dienlich sein sollte. Wir bitten, daß das Haus des Finanzministers solchen aus der Reihe tanzenden und seinen Generalabsichten widersprechenden Plänen nicht mehr das Ohr leiht, zumindest verhindert, daß, bevor eine amtliche Gesetzesvorlage vorliegt, irgend etwas über solche Möglichkeiten in die Öffentlichkeit kommt. Denn wie soll sich die Wirtschaft ruhig und stetig entwickeln, wenn jeder Plan, der irgendwo fachlich erwogen wird, sofort ein Politikum erster Ordnung wird und dann willkürlich durch Zerredung zermalmt wird?
Im übrigen sind wir der Ansicht, daß die Steuerbewilligungsmaschinerie, die wir hier spielen müssen, natürlich das Unpopulärste ist, was ein Parlament tun kann, und daß in solchen Zeiten wie heute, wo allerhand Land- und Gemeindewahlen stattfinden, der Politiker am besten täte, seinen Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: Von Steuerbewilligungen weiß ich gar nichts. Ich halte das für politisch zwar sehr klug, aber für staatspolitisch unverantwortlich. Wir haben gerade bei den jüngsten Debatten, besonders bei dem 131er
Gesetz, von allen Fraktionen die Erklärung gehört, daß dieses Gesetz auch auf anderen sozialen Gebieten gewisse Folgen haben werde. Wir sind uns alle darüber klar, daß diese Folgen zunächst einmal für jedermann darin bestehen werden, daß er das bei der Steuer spürt.
Was nun insbesondere die Einkommensteuer anlangt — ich hätte beinahe gesagt, das Rührei des Columbus der SPD —,
so möchte ich dazu folgendes sagen: Der Versuch, durch eine allerdings sehr mäßige Senkung der Staffelsätze der Einkommensteuer die Steuerehrlichkeit herbeizuführen, ist nicht gerade voll geglückt. Davon nehmen wir alle mit Betrübnis Kenntnis. Aber wenn es stimmt, was gemunkelt wird, daß deshalb, weil die Finanzkraft der Länder bei dem horizontalen Finanzausgleich eine Schlüsselzahl ist, die Länder gar nicht sonderlich daran interessiert sind, ein besonders hohes Steuereinkommen in ihren Büchern nachzuweisen, daß sie sich vielmehr sagen: Wenn ein bißchen gemogelt wird, dann bleibt das Geld wenigstens im Lande, und wir brauchen es dann nicht an andere Länder auszuschütten, wenn das wirklich wahr ist — und es ist bei der übertriebenen Hausmacht der Länder ja immerhin möglich —, dann ist es allerdings die höchste Zeit, daß sich der Bund zunächst einmal bescheiden an der Einkommensteuer beteiligt und daß von Bundes wegen in allen Ländern eine durchaus einheitliche Kontrolle der Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wird.
Darauf muß ich insbesondere als Angehöriger eines armen Landes dringen. Denn wir in einem armen Lande können selbstverständlich nicht bei der Beurteilung der Steuerehrlichkeit so liberal, oder ich kann auch sagen: so unehrlich sein, wie es sich reiche Länder leisten könnten, weil sie ja doch den Überschuß abgeben müßten. Wenn hier nicht eine für das ganze Bundesgebiet geltende einheitliche Regelung Platz greift, so, glaube ich, wird jedem föderalen Gedanken ein vernichtender Schlag versetzt.
Wir möchten daher bitten, daß zunächst einmal in dieser Beziehung Abhilfe mit möglichster Raschheit durchgeführt wird. Wir werden dann sehen, was eigentlich bei der immer noch sehr übersetzten Einkommensteuer, Herr Dr. Koch, ehrlicherweise herauskommt. Wir halten das für eine der größten Steuerreserven, die den Ländern und dem Bund zur Verfügung steht.
Daß andererseits die Erhöhung der Umsatzsteuer für jede Partei ein sehr harter Brocken ist, das ist klar. Aber damit, daß der Bund bei der Überlastung mit Aufgaben, die an ihn herantreten, darauf schwerlich wird verzichten können, werden sich alle Politiker dieses Hauses, die gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen, abfinden müssen. Es wird sich nicht umgehen lassen, etwas mehr zu tun, als was man vor 25 Jahren noch für eine klare Undenkbarkeit gehalten hätte; denn die Dinge auf dem deutschen Boden sind so geworden, daß man sich damals die heutigen Zustände ohnehin nicht hätte vorstellen können.
Ich bin mit meinen kurzen Bemerkungen am Ende. Meine Fraktion hat das Vertrauen zu dem Herrn Finanzminister, daß er als föderalistischer Politiker jeden überspannten Föderalismus im Sinne unseres gemeinsamen Glaubensbekenntnisses auf das ernsteste bekämpfen wird und daß er in der Rolle, die er hier in Bonn spielt, dem Bunde zu
geben und zu erstreiten bereit ist, was dem Bunde gebührt.