Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns mit dem Herrn Bundesfinanzminister über seinen Haushalt und aus Anlaß dieser Beratung über den Teil der Politik, den er in erster Linie zu vertreten hat, unterhalten, so liegt es in der Natur der Sache, daß wir weniger über die Ausgaben als über die Einnahmen sprechen; denn über die Ausgaben sprechen wir bei der Beratung der anderen Etats. Ich denke da insbesondere an die so unerhört drückenden Soziallasten und an die Besatzungskosten und auch an das Verhältnis beider zueinander. Außerdem ist es nun einmal das Schicksal des Bundesfinanzministers wie, wohl auch des ganzen Staates, daß wir in dieser so schweren Not des Volkes und des Vaterlandes, in die wir durch die Schuld des Nationalsozialismus geraten sind,
was wir immer wieder betonen sollten, wenig Anerkennung für das finden, was nach der Ausgabeseite getan wird, daß wir aber auf der anderen Seite, wenn wir zu nehmen gezwungen sind — und auch der Bundesfinanzminister ist ja in erster Linie zu nehmen gezwungen —, mit Widerstand zu rechnen haben.
Dem Bundesfinanzminister geht es, glaube ich, ebenso, wie es dem Marschalk im Faust geht, der da sagt:
Welch Unheil muß auch ich erfahren!
Wir wollen alle Tage sparen
und brauchen alle Tage mehr,
und täglich wächst mir neue Pein.
Eine spätere wissenschaftliche Zeit hat dies das Gesetz von den wachsenden Staatsausgaben genannt. Es sei zugegeben, daß der Bundesfinanzminister ein Opfer dieses Gesetzes ist. Aber, meine Damen und Herren, wir können ihn nicht von der Schuld freisprechen, daß er eine Politik eingeleitet hat, die die Verteilung der Lasten unsozial und ungerecht vorgenommen hat,
daß er eine Politik eingeleitet hat, die in den vorangehenden Worten des Schatzmeisters im Faust
— ich möchte sie die Lastenausgleichsverse nennen
— folgendermaßen Ausdruck gefunden hat: Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, und unsere Kassen bleiben leer.
Die Kritik der sozialdemokratischen Opposition an der Finanzpolitik dieses Finanzministers haben wir vorgetragen, seitdem der Bundestag zusammengetreten ist. Ich erinnere insbesondere an die Diskussionen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950, an die Auseinandersetzungen bei der ersten Beratung des dann liegengebliebenen Luxussteuergesetzes, an die Beratungen zur Mineralölsteuer und an die Diskussionen, als in diesem Frühjahr der Bundesfinanzminister wieder eine kleine Steuerreform einbrachte.
Wir bedauern, daß wir immer wieder auf unsere Ausführungen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950 zurückkommen müssen. Und selbst wenn wir wieder Ihr Mißfallen, Herr Kollege Wellhausen, erregen sollten, müssen wir auch heute wieder davon sprechen, weil mit der Steuerreform vom Frühjahr 1950 diese Finanzpolitik eingeleitet wurde, die heute, wie ich sagen möchte, ihr Versagen selber anerkennen muß. Damals machte man — der Kollege Bertram hat darauf hingewiesen — Steuergeschenke in Höhe von Hunderten von Millionen DM, und alle die Hoffnungen, die man an diese Finanzreform geknüpft hat, haben sich nicht erfüllt.
Der Finanzminister hat damals, am 11. Januar 1950, gesagt, „daß die endgültige Wirkung des Gesetzentwurfes sein wird, daß die gewährten Steuererleichterungen die Steuermoral und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers heben, so daß nach einer Übergangszeit mit dem alten und vielleicht sogar mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden kann." Keine dieser Hoffnungen ist eingetreten. Es kann gar keine Rede davon sein, daß die Steuermoral besser geworden ist. Die Steuerreform hat auch nicht zur Kapitalbildung geführt; wir hatten es vorausgesagt. Wir haben kein höheres Aufkommen, sondern wir haben auch heute noch Hunderte von Millionen DM Ausfall bei der Einkommensteuer.
Damals begann eine Finanzpolitik gegen den Kapitalmarkt, eine Politik gegen eine vernünftige Investitionslenkung, eine Politik gegen die Beseitigung der Engpässe in der Wirtschaft, auf die wir immer hingewiesen haben. Es begann eine Politik der Kapitalverschwendung durch Selbstfinanzierung, durch zeitlich falsche Investitionen. Es begann eine Politik für den Mehrkonsum durch die Steuersenkungen, vor denen wir gewarnt haben. Es begann eine Politik für eine Kaufwelle an völlig falschen Orten. Ich brauche nur auf die Kritik hinzuweisen, die sich die deutsche Bundesrepublik und ihre Regierung gerade in diesen Tagen vom Auslande her gefallen lassen muß, von wo uns gesagt wird, daß die Steuerpolitik nicht wirksam genug angewandt worden sei, um dort zu drosseln, wo der Verbrauch Verschwendung geworden ist, und von wo uns empfohlen wird, daß wir nun endlich an eine bessere Ausschöpfung unserer Einkommensteuerquellen gehen sollen.
Der Finanzminister schätzte damals den Steuerausfall auf etwa 900 Millionen DM. Diese Schätzung
war zutreffend. Ich glaube, es sind ungefähr 800 Millionen DM, die wir bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer weniger eingenommen haben. Wenn wir aber berücksichtigen, daß das Gesamtvolkseinkommen in diesem Jahre noch erheblich gestiegen ist, so müssen wir mit Steuerausfällen von 1,2 bis 1,5 Milliarden DM auf Grund der Steuerreform des vergangenen Jahres rechnen. Wir haben .damals darauf hingewiesen, diese Steuersenkungen würden dazu führen, daß wir nicht mehr in der Lage sind, die sozialen Lasten zu tragen, die die Bundesrepublik nun einmal tragen muß.
Ich möchte aus den Ausführungen meines Parteifreundes Dr. Schumacher in der Aussprache über die Regierungserklärung am 21. September 1949 die folgenden Sätze in Ihre Erinnerung zurückrufen:
Am deutlichsten — sagte damals Dr. Schumacher —
ist die Regierung eigentlich bei dem Versprechen der Steuersenkung geworden. Nun ist auch unsere Meinung, daß die Struktur des deutschen Steuerwesens stark umgebaut werden sollte, daß sie nach Ertrag und Rationalität nicht das ist, was unser Staatswesen nötig hat. Wenn wir aber die Steuersenkung als Hauptpunkt, als Grundlage der wirtschaftlichen Erholung betrachten wollten, dann käme die Steuersenkung in eine Konkurrenz mit den sozialen Leistungen auf der einen und den Besatzungskosten auf der anderen Seite. Die sozialen Leistungen und die Steuersenkung zusammen
— sagte damals Dr. Schumacher —
dürften sich kaum verwirklichen lassen.
Die Steuersenkungen sind dann gegen unseren Widerspruch Wirklichkeit geworden. Es ist aber auch Tatsache geworden, daß ein großer Teil der sozialen Leistungen aus diesem Grunde hintangestellt werden mußte.
Wenige Monate später, nach der Steuersenkung, mit der man eine Milliarde weggab, erklärte der Finanzminister in diesem Hause, er habe nicht mehr die Mittel für die notwendigen Subventionen, und es begann dann jene unglückselige Konsumbrot-Politik, die gleichzeitig auch das Desaster unserer Ernährungspolitik offenbarte. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, einige Ziffern aus Großbritannien nennen, mit dem uns ja damals der Herr Finanzminister verglich: Nach den Berechnungen des Instituts für landwirtschaftliche Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Braunschweig aus dem Jahre 1950 beträgt die Subvention für Nahrungsmittel in Großbritannien gegenwärtig pro Kopf der Bevölkerung annähernd 10 Pfund je Jahr, d. h. also, daß dort eine fünfköpfige Familie im Jahre 50 Pfund oder 650 Mark, also zwischen 50 und 60 Mark im Monat, an Ernährungskosten spart, weil die Regierung diese Beträge für Subventionen aufbringt. Und in unserem Deutschland, in dem wir mit Millionen und aber Millionen von Unterstützungsbedürftigen zu rechnen haben, muß der Finanzminister, der vorher noch Milliardenbeträge weggegeben hatte, erklären, daß er seine Subventionen einstellen muß. Heute — und wir müssen wie so häufig in diesem Hause sagen: zu spät — bekennt er sich zu einer Subventionspolitik, weil er einsieht, daß man in den heutigen Volkswirtschaften ohne derartige Subventionen nicht mehr auskommen kann.
Weil wir diese Ausfälle auf Grund der Steuersenkungen hatten, mußten auch die wichtigsten Gesetze hintangestellt werden, oder sie wurden verzögert. Ich denke an das Bundesversorgungsgesetz; und ich habe von meinen Freunden aus Berlin, die hier mit uns in diesem Hause sitzen, gehört, daß sich auch die Stadt Berlin Monat für Monat die Beträge sozusagen wieder erbetteln muß, die ihr auf Grund unserer Beschlüsse zustehen.
Ich darf z. B. daran erinnern, daß der Bundesjugendplan zwar hier in diesem Hause mit großem Pathos verkündet wurde, aber daß er im wesentlichen inzwischen versackt ist,
weil der Bundesfinanzminister die entsprechenden Beträge nicht zur Verfügung stellen kann, derselbe Bundesfinanzminister, der im vergangenen Jahre bei der Einkommensteuer Hunderte von Millionen übrig hatte.
Muß ich an das unverständliche Ausbleiben der gesetzlichen Regelung der Rentenerhöhung erinnern, das mein Fraktionsfreund Pohle hier mit Nachdruck kritisierte? Muß ich daran erinnern, daß alle unsere Anträge auf diesem Gebiet abgelehnt worden sind? Muß ich den Finanzminister daran erinnern, daß er uns Anfang 1950 den Lastenausgleich für 1950 versprach? Wir wollen froh sein, wenn wir 1951 soweit sein werden. Der Kollege Bertram hat schon daran erinnert, daß die Ausfuhrförderung durch steuerliche Maßnahmen immer wieder hintangestellt wurde, bis wir sie heute nun beraten, heute, wo es möglicherweise für derartige Maßnahmen zu spät ist. In diesen Zusammenhang gehören auch — es wurde vorhin schon angedeutet — die Versprechungen über die Erhöhung der Beamtengehälter um 15 °/o, um 20 °/o; man scheint sich in der Regierung noch nicht ganz einig zu sein. In diesen Zusammenhang gehört die Erhöhung der Sozialrenten um anderthalb Milliarden DM, ohne daß die Minister, die diese Versprechungen machen, nun irgendwelche Deckungsvorschläge vorlegen könnten, ohne daß der Finanzminister auch nur einen roten Pfennig für diese Versprechungen bereitgestellt hätte. Das alles, meine Damen und Herren, war im Zusammenhang mit der Steuerreform vom Jahre 1950 zu sagen, auf die wir — auch zu unserem Bedauern — immer wieder zurückkommen müssen.
Und jetzt, nachdem man sich weigert, die Steuersenkungen des vergangenen Jahres rückgängig zu machen, bleibt nichts anderes übrig, als wieder auf die indirekten Steuern, auf die Massenverbrauchssteuern, zurückzugreifen. Wir haben schon erklärt, daß wir die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % nicht mitmachen werden, weil wir durch diesen Beschluß, durch die Ablehnung dieser Umsatzsteuererhöhung neue unerträgliche Preiserhöhungen vom Volke fernhalten wollen. Ich möchte auf eine verdienstvolle Berechnung des Finanzwissenschaftlichen Institutes unter Professor Schmölders in Köln hinweisen. Diese Berechnung hat festgestellt, daß in den heutigen Verbraucherpreisen etwa 8 bis 12 % Umsatzsteuer stecken.
Das bedeutet also: Wenn wir die Umsatzsteuer von 3 auf 4 % erhöhen, dann müssen ohne Berücksichtigung der Handelsspannen, der Verarbeitungsspannen usw. allein aus diesem Grunde die Preise um wenigstens 3 bis 4 % steigen. Wir schließen uns da den Ausführungen des Herrn Bundesfinanz-
ministers aus dem Sommer des vergangenen Jahres an, als er in der bekannten Drucksache Nr. 1000 uns folgendes sagte:
Eine Erhöhung der Steuern von Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen ... Sie sind ... volkswirtschaftlich nicht zu verantworten;
jede Steigerung der Steuerbelastung würde mit Sicherheit zu einer Lähmung der Wirtschaft führen, damit die Steuereinnahmen insgesamt schädigen und die öffentlichen Sozialausgaben überdies vermehren. Deshalb erscheinen alle Erwägungen,
– so sagte der Bundesfinanzminister im Juni 1950 —
etwa durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer oder ähnliche Maßnahmen neue Einnahmequellen zu erschließen, wenig sinnvoll.
Ich habe das Gefühl, Herr Bundesfinanzminister, daß derartige Maßnahmen bis heute nicht sinnvoller, sondern bei der allgemeinen Preissteigerung, ich möchte sagen, nur noch sinnloser geworden sind.
Diese Erwägungen gelten für uns auch für die Sonderumsatzsteuer, über die wir aber im einzelnen noch zu sprechen haben werden, wenn wir diese Vorlage in diesem Hause zu beraten haben. Wir wenden uns gegen sie, weil sie wieder eine typische indirekte Steuer ist und nicht im geringsten dem ähnelt, was wir als Mehrverbrauchssteuer vorgeschlagen haben. Wir wenden uns aber auch gegen sie, weil ganz bestimmte Wirtschaftszweige durch ) sie insbesondere getroffen werden, vielleicht sogar auch die Exportindustrie, — ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Offenbacher Lederindustrie. Es passen auch nicht Vergleiche etwa mit der Purchase Tax, weil die Purchase Tax mit einem Utility Program und mit der umfassenden Politik der Austerity verbunden war, von der wir bei uns in Deutschland bisher nichts bemerkt haben.
Die Sonderumsatzsteuer über den Export insbesondere trifft aber auch Millionen und aber Millionen von Deutschen, die heute auf den Lastenausgleich warten. Ich glaube, daß dies eines unserer kräftigsten Argumente gegen die Sonderumsatzsteuer sein sollte. Wir kennen zwar den Warenkatalog noch nicht, aber wenn die Sonderumsatzsteuer die Beträge erbringen soll, die sich der Finanzminister erhofft: 800 Millionen, 1 Milliarde und mehr, dann müßten in den Warenkatalog meinetwegen auch Fahrräder, Möbel, Kleidung und viele andere Dinge aufgenommen werden, die sich gerade diejenigen kaufen möchten, die seit Jahren auf eine anständige Entschädigung aus dem Lastenausgleich warten.
Ich möchte es so formulieren: Die Lastenausgleichsversprechungen der Bundesregierung werden durch ihre eigenen Maßnahmen, durch Erhöhung der Umsatzsteuer und durch den Vorschlag der Sonderumsatzsteuer, schon im voraus entwertet. Eine Lastenausgleichs-Mark wird im Herbst d. J., wenn man mit dieser Steuerpolitik fortschreitet, eben nicht mehr eine Mark ausmachen, sondern nur noch 50 oder 60 Pfennig.
Der Herr Finanzminister sagt, er wolle mit der Sonderumsatzsteuer das Brot der Armen sichern, das Brot der Armen, das man aber zuvor ganz erheblich im Preise erhöht, denn das Memorandum der Bundesregierung mit der unzutreffenden Bezeichnung „stabile Preise und sozialer Lebensstandard" ist ja zunächst einmal ein Preiserhöhungsprogramm auf der ganzen Linie,
und wir möchten es ein Memorandum der Hilflosigkeit nennen.
Der Herr Finanzminister wird uns entgegenhalten: Ihr selbst bewilligt immer wieder neue soziale Lasten. Er hat uns mit einer Bewilligungsmaschine verglichen, als ihm das Herz überging, wie er es anschließend hier ausgedrückt hat. Er wird uns sagen: Ich brauche die Umsatzsteuer, ich brauche die 1 1/2 Milliarden, ich brauche die Sonderumsatzsteuer, die 800 Millionen. Wir erinnern immer wieder — und wenn Sie es auch als stereotyp bezeichnen möchten — an den großen Fehlbetrag, der sich aus der Steuerreform des vergangenen Jahres ergab. Wir denken aber auch weiter daran, daß ein Versprechen nicht eingelöst worden ist, das uns der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gegeben hat, als er für das Jahr 1950 die Inangriffnahme von Vorbereitungen für eine große grundlegende Steuerreform versprach. Diese grundlegende Steuerreform hätte uns, wenn sie uns im vergangenen Jahre gegeben worden wäre, aus manchen Finanzkalamitäten herausführen können. Wir denken da insbesondere an den immer wieder von uns vorgeschlagenen Tarifumbau im Sinne des englischen Steuerrechts. Wir denken an die Erhöhung der Freibeträge, -die wir im vergangenen Frühjahr vorgeschlagen haben. Sie würde eine erhebliche Steuervereinfachung bedeuten, weil Millionen von Steuerpflichtigen aus der Steuerpflicht herausfielen, die Finanzämter dann nicht mehr Auskunftsstellen zu sein brauchten und die Finanzbeamten sich lohnenderen Aufgaben zuwenden könnten.
Ich verweise noch einmal auf das Beispiel England, das auch jetzt unter der Last der Aufrüstung
leidet. Wir wissen, daß dort ein neuer Finanzminister einen neuen Etat vorlegte, über den eine führende westdeutsche Zeitung das folgende schreibt: Es grenzt z. B. schon fast an die Quadratur des Zirkels, wie der Finanzminister die Erhöhung der Einkommensteuer mit Vergünstigungen für die Verheirateten begleitete, die jetzt je nach Kinderzahl in den Einkommen-Kategorien bis zu 4200 Mark ohne Kinder und 12 000 Mark bei drei Kindern weniger Steuern zahlen als bisher.
Wie wäre es, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie sich, nachdem sich nun auch Herr Professor Erhard zur Austerity bekannt hat, auch diesem Beispiel des englischen Kollegen anschlössen und eine soziale Finanzpolitik in diesem Sinne machten?
Oder müssen wir alle so lange warten, bis auch Sie vor den Trümmern Ihrer Finanzpolitik stehen wie der Bundeswirtschaftsminister vor den Trümmern seiner Wirtschaftspolitik?
Ich brauche auf das unsoziale, ungerechte und ungesunde Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern im einzelnen hier nicht mehr einzugehen. Nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wur-
den, haben sich die Zahlen so entwickelt: 1948/49 direkte Steuern 41 bis 42 %, 1950/51 nur noch 30 %, während die indirekten Steuern in dieser Zeit von 42 % bis auf über 55 % des Gesamtsteueraufkommens hinaus gestiegen sind.
Aber über diese Zahlen werden wir noch einmal zu sprechen haben, wenn wir die Beratung der Umsatzsteuer hier im Hause führen.
In diesem Zusammenhange ist ein Wort über die Frage der Neufeststellung der Einheitswerte zu sagen. Wir müssen auf die völlig vernachlässigte Notwendigkeit hinweisen, nun endlich die Einheitswerte neu festzustellen und das Bodenschätzungsverfahren schnell durchzuführen, da wir ja diese Zahlen auch für einen gerechten Lastenausgleich brauchen.
Es ist auch über das zu sprechen, worauf der Kollege Bertram schon hingewiesen hat, nämlich über eine erhöhte Sparsamkeit innerhalb der Verwaltungen, da die Ausgabensenkung immer noch die beste Steuerreform ist. Es wäre sehr viel — ich glaube aber, darüber wird auch an dieser Stelle in anderem Zusammenhang zu sprechen sein — über die Ausgaben zu sagen, die uns der Beschluß, Bonn zur Bundeshauptstadt zu machen, verursacht hat. Ich denke, der Bericht des Untersuchungsausschusses wird schon in der nächsten Zeit vorliegen.
Wir brauchen für die Erfüllung unserer Aufgaben — damit komme ich nun zu einem anderen Punkt —, wenn wir eine gerechte Erhebung der Steuern wollen — und ich denke, wir wollen sie alle oder wir sollten sie alle wollen —, unter allen Umständen einen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Auf diesem Wege folgt die sozialdemokratische Opposition den Vorschlägen des Bundesfinanzministers; denn wir sollten uns das eine klarmachen: wichtiger noch als die schönsten Steuergesetze ist die Erhebung der Steuer, wichtiger noch ist die Auslegung dieser Steuergesetze. Wir brauchen aus diesem Grunde einen einheitlichen und schlagkräftigen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Wir als Opposition wollten, wir wären so weit, daß wir sagen könnten, daß dieser Bundesbetriebsprüfungsdienst die erste Stufe für eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung ist, weil wir der Ansicht sind, daß wir ohne diese Bundesfinanzverwaltung und ohne den Bundesbetriebsprüfungsdienst niemals die steuerliche und die soziale Gerechtigkeit im Steuerwesen herbeiführen werden, wie wir sie alle anstreben sollten.
Ich möchte Ihnen nur einmal zwei Beispiele dafür nennen, wie wir auf die Milliardenbeträge kommen, die heute an Steuern hinterzogen werden. Ich glaube, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium ist es gewesen, der die Ausfälle an Steuern infolge der Steuerunmoral und Steuerhinterziehungen auf mindestens 3 Milliarden DM geschätzt hat. Der Oberbürgermeister einer westdeutschen Großstadt hat über das Steueraufkommen in seinem Stadtbezirk gesprochen und hat das Steueraufkommen 1946 mit dem von 1950 verglichen. In dieser Zeit ist die Lohnsteuer von 1 736 000 DM auf 4 Millionen DM, also um 130 %, die Körperschaftsteuer von 560 000 DM auf 12,5 Millionen DM, also um 2100 %, und die Einkommensteuer der Veranlagten von 2 900 000 DM auf 3 300 000 DM, also um 10 %, gestiegen.
Die Lehre daraus! Zu der Körperschaftsteuer ist lediglich zu bemerken, daß die Kapitalgesellschaften im Jahre 1946 anfingen. Alle ihre Ausgaben waren Betriebsausgaben; Gewinne wurden nicht gemacht. Daraus erklärt sich die Steigerung um 2000 %. Bei den Lohnsteuerpflichtigen wird immer auf Heller und Pfennig abgerechnet; es gibt keine Möglichkeit der Hinterziehung. Die 130 % ergeben sich eben aus der Verdoppelung der Lohnsummen und der stärkeren Beschäftigung. Bei den Einkommensteuerveranlagten beträgt die Steigerung nur 10 %, und ich glaube, dazu bedarf es keines Kommentars mehr.
Ich möchte noch ein Beispiel aus einer westdeutschen Großstadt erwähnen, das wir dem Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften verdanken. Ein authentisches Beispiel! Anfang 1949 taten sich in einer westdeutschen Großstadt zwei Steuerpflichtige zusammen: A mit einem Kapital von 40 000 DM und B mit einem Ladengeschäft in bester Lage. Im Jahre 1949 hatten sie einen Umsatz von 1 Million DM, 1950 einen solchen von 2,5 Millionen DM. Sie bezahlten an Steuervorauszahlungen jeder in jedem der Jahre 20 000 DM, zusammen also 80 000 DM, obwohl im zweiten Jahre der Gewinn schon 20 % des Umsatzes, nämlich 500 000 DM, betrug. Sie können sich also ausrechnen, daß bei diesen beiden Steuerpflichtigen der Ausfall an direkten Steuern, an veranlagter Einkommensteuer nämlich, mindestens 1/2 Million DM betragen hat. Bei zwei Steuerpflichtigen! Es ist ein unerträglicher Zustand, daß heute noch die Veranlagungen auf Grund der Vorauszahlungen und der Selbsteinschätzung aus dem Jahre 1949 erfolgen. Alle diese Mißstände werden wir nur dann beseitigen können, wenn unsere Forderung nach einem einheitlichen Bundesbetriebsprüfungsdienst erfüllt wird.
Wir werden bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes auch unseren alten Antrag auf Offenlegung der Steuerlisten zur Förderung der Steuermoral wiederholen und wir werden den Antrag dann entsprechend begründen. Es ist unerträglich, daß der ehrliche Steuerzahler — das Gros der Beamten, Angestellten und Arbeiter — unter der unerträglichen Steuerlast seufzt, während die unehrlichen Steuerzahler unserer Maßnahmen spotten und unsere Möglichkeiten schmälern, den Millionen und aber Millionen zu helfen, die die Hilfe der deutschen Bundesrepublik so dringend nötig brauchen und die jetzt beginnen, an dieser Hilfe zu zweifeln.
Meine Damen und Herren! In diesen Zusammenhang gehören auch einige Worte über die Neufeststellung des Beteiligungsverhältnisses des Bundes und der Länder an dem Gesamtsteueraufkommen. Der Finanzminister hat Verhandlungen eingeleitet, die ihren Niederschlag in dem Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 gefunden haben. Wir können nicht so lange warten, bis wir im Sinne des Art. 107 des Bonner Grundgesetzes das Steueraufkommen eines Tages ganz neu verteilen. Aus diesem Grunde werden wir den vorläufigen Regelungen der Methode nach, wie sie uns vorgeschlagen wird, zustimmen; nicht der Höhe nach, das wird Einzelberatungen vorbehalten bleiben müssen. Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir auch mit dieser Methode wahrscheinlich der Zahlungsunfähigkeit mancher Länder auf die Dauer noch nicht werden steuern können. Wir lesen im Bundesgesetzblatt im § 1 des Gesetzes über die Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein den folgenden Satz:
Der Bund gewährt dem Lande Schleswig-Holstein zur Aufrechterhaltung der Zahlungsunfähigkeit einen unverzinslichen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.
Ich glaube, auch mit dem neuen Finanzausgleich werden wir, wenn wir nicht zu einer Reform der Länder kommen, auch nicht mehr erreichen als die Aufrechterhaltung der Zahlungs u n fähigkeit mancher Länder.
Allerdings könnten wir niemals einer Erhebung der Länderbeiträge in Form von Matrikularbeiträgen, wie sie manchen Länderfinanzministern vorschweben, zustimmen. Wir können es nicht dulden, daß der Bund nur Kostgänger der Länder wird. Wir wollen niemals mit einer Entwicklung beginnen, wie sie schon in der Zeit nach 1870 bis zum Jahre 1914 hin allmählich, aber erfolgreich überwunden wurde.
– Einige Länderfinanzminister, habe ich erklärt, Herr Kollege.
Ich erinnere an die sogenannte Miquelsche Klausel aus dem Art. 70 der Reichsverfassung von 1871: „Solange Reichssteuern nicht eingeführt werden". Einer solchen Klausel bedürfen wir heute nicht mehr. Wir lehnen die Matrikularbeiträge auch aus dem Grunde ab, weil sie für die Länder mit ihren Haushalten Unsicherheitsfaktoren bringen. Ich glaube, wir sollten auf dem Wege voranschreiten, auf dem uns der Bundesfinanzminister vorangegangen ist.
Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren — das zu Ihrem „Bravo" —, weil wir für den Vorrang des Bundes auch in den Tagen des Parlamentarischen Rats in Bonn gekämpft haben, und wir freuen uns darüber, daß die Erfahrungen dieser Jahre auch scheinbar Unverbesserliche inzwischen davon überzeugt haben, daß die Länder zwar gut sein mögen, daß aber der Bund besser ist!
In diesem Zusammenhang nur noch einen Zusatz. Wir werden, mögen auch die Regelungen zum Finanzausgleich ausfallen, wie sie wollen, keiner Einigung zustimmen können, die etwa ausschließlich auf Kosten der Kommunen geht. Wir werden auch nicht einer sogenannten „nachbarlichen Länderhilfe" zustimmen können, wie sie der Herr Bundesfinanzminister irgendwo in Norddeutschland empfohlen haben soll.
Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen, was der Herr Bundesfinanzminister darunter versteht und wie er sich die Durchführung dieser nachbarlichen Länderhilfe denkt. Das Ganze klingt so idyllisch, als ob es irgendwo hinten in den bayrischen Wäldern, in Cham oder Furth am Wald gesprochen sein könnte.
Ich habe ängstlich vermieden, das Wort Föderalismus zu gebrauchen, um dem Herrn Bundesfinanzminister bei seinem Kreuzzug gegen die Länderfinanzminister nicht in den Rücken zu fallen und um ihn nicht in seinen tiefen Gefühlen zu verletzen, denen er hier so oft und beredt Ausdruck gegeben hat.
— Das war das einzige Motiv.
Denn wir halten nichts von einem Föderalismus, der es den Ländern erlaubt, ihre Steuerzahler so anzufassen, wie es ihnen beliebt, also meinetwegen mit Samthandschuhen oder mit rauher Hand. Aus diesem Grunde erheben wir unsere Forderungen nach einer Bundesfinanzverwaltung und nach einem Bundesbetriebsprüfungsdienst.
Nun lassen Sie mich zusammenfassen. Wir können nicht ja sagen zu der Finanzpolitik des vergangenen Jahres. Wir können auch nicht ja sagen zu der Finanzpolitik, die man uns heute vorschlägt. Wir können nicht ja sagen zu dem sturen Festhalten an den unsozialen Steuersenkungen bei der Einkommensteuer. Wir können nicht ja sagen zu dem ständigen Verlagern neuer Steuerlasten auf die indirekten. Steuern. Wir empfinden es als eine unerhörte Zumutung, daß wir jetzt im Zuge unserer Beratungen in den nächsten Wochen zunächst das Umsatzsteuergesetz beraten und beschließen sollen und hinterher dann möglicherweise über die Änderungen des Einkommensteuergesetzes. Wir wollen zunächst einmal über das Einkommensteuergesetz beraten und beschließen und uns dann überlegen, inwieweit wir noch über die Umsatzsteuer neue unerträgliche Lasten auf die breiten Massen der Verbraucher abwälzen können.
Wir hatten den Vorschlag gemacht, uns aus den Engpässen herauszuführen, indem wir eine Politik der Fehlinvestitionen und der Selbstfinanzierung aufgeben. Und was ist geschehen? Die Bundesregierung hat auch in diesem Punkt wieder einmal — und das machen wir insbesondere auch dem Herrn Bundesfinanzminister zum Vorwurf — die Initiative aus der Hand gegeben, aus der eigenen Hand in die Hände der Spitzenverbände der Wirtschaft. Wie es schon mein Fraktionsfreund Mellies getan hat, möchte auch ich die Frage aufwerfen: Wer regiert denn nun eigentlich heute in Deutschland? Wer macht denn nun eigentlich Wirtschafts- und Finanzpolitik?
Der Bundeskanzler oder die Kommissare oder die Spitzenverbände der Wirtschaft, deren Vorschlägen wir mit Interesse entgegensehen?
Auf der einen Seite sollen wir Belastungen für die Verbraucher beschließen, und auf der anderen Seite läßt man die so dringend notwendige Initiative zugunsten noch völlig unbekannter Deckungsvorschläge der Wirtschaft fallen. Das ist eine Politik, die wir dem Grundsatz nach ablehnen müssen, eine Politik der Planlosigkeit. Wir verstehen völlig Ihren Horror vor der Planwirtschaft, wenn Sie das unter Planwirtschaft verstehen, was Sie uns in den letzten drei Monaten vorexerziert haben!
Süßwarensteurer hin — Süßwarensteuer her, Luxussteuer hin — Luxussteuer her, Baby-Bonds hin — Baby-Bonds her, Zwangssparen hin — Zwangssparen . her, Agrarpreiserhöhung hin — Agrarpreiserhöhung her, — meine Damen und Herren, das ist keine Politik, das ist lediglich eine Planlosigkeit. Das ist eine Plan-Inflationspolitik, und ich brauche Sie nur an die Namen Niederbreisig, Stratus-Gutachten, Wirtschaftsmemorandum usw. zu erinnern.
Unsere Forderungen an die Bundesfinanzpolitik sind, wie aus meinen Ausführungen hervorgeht, die folgenden: Die Einlösung der Versprechen, eine grundlegende Reform des Steuerrechts zu bringen, erstens mit dem Tarifumbau, zweitens mit der Erhöhung der Freibeträge und mit der Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den direkten und den indirekten Steuern; dann unbedingte Sparsamkeit in der Verwaltung, die Durchführung einer gerechten Einheitsbewertung auch zugunsten des kommenden Lastenausgleichs. Wir erwarten sodann die grundlegende Reform der Steuerverwaltung, die Schaffung eines Bundesbetriebsprüfungsdienstes, der schlagkräftig und einheitlich geschult ist, und mit diesem Bundesbetriebsprüfungsdienst dann energische Prüfungen der Steuerpflichtigen, bei denen es sich lohnt, weil wir aus diesen Steuerprüfungen Milliardenbeträge für unsere Finanzen werden retten können. Als Sofortmaßnahmen werden wir beantragen noch während der Beratungen des Einkommensteuergesetzes die Rückgängigmachung der Tarifänderungen des Vorjahres, die Offenlegung der Steuerlisten und eine erhebliche Verstärkung des Betriebsprüfungsdienstes.
Herr Bundesfinanzminister, solange Sie uns nicht eine grundsätzlich andere Politik vorschlagen können, können wir zu dieser Vorlage, können wir zu Ihrem Etat nicht ja sagen. Wir müssen ihn ablehnen, ablehnen als den Bestandteil einer Gesamtpolitik, deren Versagen Sie nur mühsam verdecken können.