Rede:
ID0113701100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Höpker-Aschoff.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. April 1951 5385 137. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5385C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie 5385D Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß 5385D Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes 5385D Wahl des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Absatz 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 166) . . 5385D Änderungen der Tagesordnung 5386A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen (Nr. 1909 der Drucksachen) 5386A Erler (SPD), Berichterstatter . . . 5386B Mellies (SPD) 5391B Dr. Bertram (Z) 5393B Dr. Koch (SPD) . . . 5396A, 5419C, 5422A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 5401B Loritz (WAV) 5404D Dr. Dresbach (CDU) 5405D Müller (Frankfurt) (KPD) 5407C Dr. Besold (BP) 5409C Ewers (DP) 5411C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5413A Pelster (CDU) 5421C Abstimmung 5422B Zur Geschäftsordnung — Vertagungsantrag: Dr. Wuermeling (CDU) 5422B Mitteilung über Veröffentlichung in der Zeitschrift „Der Beamtenbund" betr. Ausgaben für den Bundestag: Dr. Ehlers, Präsident 5422C Nächste Sitzung 5422C, 5423D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Harald Koch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns mit dem Herrn Bundesfinanzminister über seinen Haushalt und aus Anlaß dieser Beratung über den Teil der Politik, den er in erster Linie zu vertreten hat, unterhalten, so liegt es in der Natur der Sache, daß wir weniger über die Ausgaben als über die Einnahmen sprechen; denn über die Ausgaben sprechen wir bei der Beratung der anderen Etats. Ich denke da insbesondere an die so unerhört drückenden Soziallasten und an die Besatzungskosten und auch an das Verhältnis beider zueinander. Außerdem ist es nun einmal das Schicksal des Bundesfinanzministers wie, wohl auch des ganzen Staates, daß wir in dieser so schweren Not des Volkes und des Vaterlandes, in die wir durch die Schuld des Nationalsozialismus geraten sind,

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte)

    was wir immer wieder betonen sollten, wenig Anerkennung für das finden, was nach der Ausgabeseite getan wird, daß wir aber auf der anderen Seite, wenn wir zu nehmen gezwungen sind — und auch der Bundesfinanzminister ist ja in erster Linie zu nehmen gezwungen —, mit Widerstand zu rechnen haben.
    Dem Bundesfinanzminister geht es, glaube ich, ebenso, wie es dem Marschalk im Faust geht, der da sagt:
    Welch Unheil muß auch ich erfahren!
    Wir wollen alle Tage sparen
    und brauchen alle Tage mehr,
    und täglich wächst mir neue Pein.
    Eine spätere wissenschaftliche Zeit hat dies das Gesetz von den wachsenden Staatsausgaben genannt. Es sei zugegeben, daß der Bundesfinanzminister ein Opfer dieses Gesetzes ist. Aber, meine Damen und Herren, wir können ihn nicht von der Schuld freisprechen, daß er eine Politik eingeleitet hat, die die Verteilung der Lasten unsozial und ungerecht vorgenommen hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß er eine Politik eingeleitet hat, die in den vorangehenden Worten des Schatzmeisters im Faust
    — ich möchte sie die Lastenausgleichsverse nennen
    — folgendermaßen Ausdruck gefunden hat: Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
    Ein jeder hat für sich zu tun.
    Die Goldespforten sind verrammelt,
    ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, und unsere Kassen bleiben leer.

    (Abg. Dr. Köhler: Sie sind doch literarisch auf der Höhe!)

    Die Kritik der sozialdemokratischen Opposition an der Finanzpolitik dieses Finanzministers haben wir vorgetragen, seitdem der Bundestag zusammengetreten ist. Ich erinnere insbesondere an die Diskussionen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950, an die Auseinandersetzungen bei der ersten Beratung des dann liegengebliebenen Luxussteuergesetzes, an die Beratungen zur Mineralölsteuer und an die Diskussionen, als in diesem Frühjahr der Bundesfinanzminister wieder eine kleine Steuerreform einbrachte.
    Wir bedauern, daß wir immer wieder auf unsere Ausführungen anläßlich der Steuerdebatte im Frühjahr 1950 zurückkommen müssen. Und selbst wenn wir wieder Ihr Mißfallen, Herr Kollege Wellhausen, erregen sollten, müssen wir auch heute wieder davon sprechen, weil mit der Steuerreform vom Frühjahr 1950 diese Finanzpolitik eingeleitet wurde, die heute, wie ich sagen möchte, ihr Versagen selber anerkennen muß. Damals machte man — der Kollege Bertram hat darauf hingewiesen — Steuergeschenke in Höhe von Hunderten von Millionen DM, und alle die Hoffnungen, die man an diese Finanzreform geknüpft hat, haben sich nicht erfüllt.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Darüber kann man geteilter Meinung sein!)

    Der Finanzminister hat damals, am 11. Januar 1950, gesagt, „daß die endgültige Wirkung des Gesetzentwurfes sein wird, daß die gewährten Steuererleichterungen die Steuermoral und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers heben, so daß nach einer Übergangszeit mit dem alten und vielleicht sogar mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden kann." Keine dieser Hoffnungen ist eingetreten. Es kann gar keine Rede davon sein, daß die Steuermoral besser geworden ist. Die Steuerreform hat auch nicht zur Kapitalbildung geführt; wir hatten es vorausgesagt. Wir haben kein höheres Aufkommen, sondern wir haben auch heute noch Hunderte von Millionen DM Ausfall bei der Einkommensteuer.

    (Abg. Dr. Köhler: Warten Sie einmal die Steuererklärungen ab!)

    Damals begann eine Finanzpolitik gegen den Kapitalmarkt, eine Politik gegen eine vernünftige Investitionslenkung, eine Politik gegen die Beseitigung der Engpässe in der Wirtschaft, auf die wir immer hingewiesen haben. Es begann eine Politik der Kapitalverschwendung durch Selbstfinanzierung, durch zeitlich falsche Investitionen. Es begann eine Politik für den Mehrkonsum durch die Steuersenkungen, vor denen wir gewarnt haben. Es begann eine Politik für eine Kaufwelle an völlig falschen Orten. Ich brauche nur auf die Kritik hinzuweisen, die sich die deutsche Bundesrepublik und ihre Regierung gerade in diesen Tagen vom Auslande her gefallen lassen muß, von wo uns gesagt wird, daß die Steuerpolitik nicht wirksam genug angewandt worden sei, um dort zu drosseln, wo der Verbrauch Verschwendung geworden ist, und von wo uns empfohlen wird, daß wir nun endlich an eine bessere Ausschöpfung unserer Einkommensteuerquellen gehen sollen.
    Der Finanzminister schätzte damals den Steuerausfall auf etwa 900 Millionen DM. Diese Schätzung


    (Dr. Koch)

    war zutreffend. Ich glaube, es sind ungefähr 800 Millionen DM, die wir bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer weniger eingenommen haben. Wenn wir aber berücksichtigen, daß das Gesamtvolkseinkommen in diesem Jahre noch erheblich gestiegen ist, so müssen wir mit Steuerausfällen von 1,2 bis 1,5 Milliarden DM auf Grund der Steuerreform des vergangenen Jahres rechnen. Wir haben .damals darauf hingewiesen, diese Steuersenkungen würden dazu führen, daß wir nicht mehr in der Lage sind, die sozialen Lasten zu tragen, die die Bundesrepublik nun einmal tragen muß.
    Ich möchte aus den Ausführungen meines Parteifreundes Dr. Schumacher in der Aussprache über die Regierungserklärung am 21. September 1949 die folgenden Sätze in Ihre Erinnerung zurückrufen:
    Am deutlichsten — sagte damals Dr. Schumacher —
    ist die Regierung eigentlich bei dem Versprechen der Steuersenkung geworden. Nun ist auch unsere Meinung, daß die Struktur des deutschen Steuerwesens stark umgebaut werden sollte, daß sie nach Ertrag und Rationalität nicht das ist, was unser Staatswesen nötig hat. Wenn wir aber die Steuersenkung als Hauptpunkt, als Grundlage der wirtschaftlichen Erholung betrachten wollten, dann käme die Steuersenkung in eine Konkurrenz mit den sozialen Leistungen auf der einen und den Besatzungskosten auf der anderen Seite. Die sozialen Leistungen und die Steuersenkung zusammen
    — sagte damals Dr. Schumacher —
    dürften sich kaum verwirklichen lassen.
    Die Steuersenkungen sind dann gegen unseren Widerspruch Wirklichkeit geworden. Es ist aber auch Tatsache geworden, daß ein großer Teil der sozialen Leistungen aus diesem Grunde hintangestellt werden mußte.

    (Zuruf rechts: Und Art. 131, Bundesversorgungsgesetz?)

    Wenige Monate später, nach der Steuersenkung, mit der man eine Milliarde weggab, erklärte der Finanzminister in diesem Hause, er habe nicht mehr die Mittel für die notwendigen Subventionen, und es begann dann jene unglückselige Konsumbrot-Politik, die gleichzeitig auch das Desaster unserer Ernährungspolitik offenbarte. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, einige Ziffern aus Großbritannien nennen, mit dem uns ja damals der Herr Finanzminister verglich: Nach den Berechnungen des Instituts für landwirtschaftliche Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt in Braunschweig aus dem Jahre 1950 beträgt die Subvention für Nahrungsmittel in Großbritannien gegenwärtig pro Kopf der Bevölkerung annähernd 10 Pfund je Jahr, d. h. also, daß dort eine fünfköpfige Familie im Jahre 50 Pfund oder 650 Mark, also zwischen 50 und 60 Mark im Monat, an Ernährungskosten spart, weil die Regierung diese Beträge für Subventionen aufbringt. Und in unserem Deutschland, in dem wir mit Millionen und aber Millionen von Unterstützungsbedürftigen zu rechnen haben, muß der Finanzminister, der vorher noch Milliardenbeträge weggegeben hatte, erklären, daß er seine Subventionen einstellen muß. Heute — und wir müssen wie so häufig in diesem Hause sagen: zu spät — bekennt er sich zu einer Subventionspolitik, weil er einsieht, daß man in den heutigen Volkswirtschaften ohne derartige Subventionen nicht mehr auskommen kann.
    Weil wir diese Ausfälle auf Grund der Steuersenkungen hatten, mußten auch die wichtigsten Gesetze hintangestellt werden, oder sie wurden verzögert. Ich denke an das Bundesversorgungsgesetz; und ich habe von meinen Freunden aus Berlin, die hier mit uns in diesem Hause sitzen, gehört, daß sich auch die Stadt Berlin Monat für Monat die Beträge sozusagen wieder erbetteln muß, die ihr auf Grund unserer Beschlüsse zustehen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich darf z. B. daran erinnern, daß der Bundesjugendplan zwar hier in diesem Hause mit großem Pathos verkündet wurde, aber daß er im wesentlichen inzwischen versackt ist,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    weil der Bundesfinanzminister die entsprechenden Beträge nicht zur Verfügung stellen kann, derselbe Bundesfinanzminister, der im vergangenen Jahre bei der Einkommensteuer Hunderte von Millionen übrig hatte.
    Muß ich an das unverständliche Ausbleiben der gesetzlichen Regelung der Rentenerhöhung erinnern, das mein Fraktionsfreund Pohle hier mit Nachdruck kritisierte? Muß ich daran erinnern, daß alle unsere Anträge auf diesem Gebiet abgelehnt worden sind? Muß ich den Finanzminister daran erinnern, daß er uns Anfang 1950 den Lastenausgleich für 1950 versprach? Wir wollen froh sein, wenn wir 1951 soweit sein werden. Der Kollege Bertram hat schon daran erinnert, daß die Ausfuhrförderung durch steuerliche Maßnahmen immer wieder hintangestellt wurde, bis wir sie heute nun beraten, heute, wo es möglicherweise für derartige Maßnahmen zu spät ist. In diesen Zusammenhang gehören auch — es wurde vorhin schon angedeutet — die Versprechungen über die Erhöhung der Beamtengehälter um 15 °/o, um 20 °/o; man scheint sich in der Regierung noch nicht ganz einig zu sein. In diesen Zusammenhang gehört die Erhöhung der Sozialrenten um anderthalb Milliarden DM, ohne daß die Minister, die diese Versprechungen machen, nun irgendwelche Deckungsvorschläge vorlegen könnten, ohne daß der Finanzminister auch nur einen roten Pfennig für diese Versprechungen bereitgestellt hätte. Das alles, meine Damen und Herren, war im Zusammenhang mit der Steuerreform vom Jahre 1950 zu sagen, auf die wir — auch zu unserem Bedauern — immer wieder zurückkommen müssen.
    Und jetzt, nachdem man sich weigert, die Steuersenkungen des vergangenen Jahres rückgängig zu machen, bleibt nichts anderes übrig, als wieder auf die indirekten Steuern, auf die Massenverbrauchssteuern, zurückzugreifen. Wir haben schon erklärt, daß wir die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % nicht mitmachen werden, weil wir durch diesen Beschluß, durch die Ablehnung dieser Umsatzsteuererhöhung neue unerträgliche Preiserhöhungen vom Volke fernhalten wollen. Ich möchte auf eine verdienstvolle Berechnung des Finanzwissenschaftlichen Institutes unter Professor Schmölders in Köln hinweisen. Diese Berechnung hat festgestellt, daß in den heutigen Verbraucherpreisen etwa 8 bis 12 % Umsatzsteuer stecken.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bedeutet also: Wenn wir die Umsatzsteuer von 3 auf 4 % erhöhen, dann müssen ohne Berücksichtigung der Handelsspannen, der Verarbeitungsspannen usw. allein aus diesem Grunde die Preise um wenigstens 3 bis 4 % steigen. Wir schließen uns da den Ausführungen des Herrn Bundesfinanz-


    (Dr. Koch)

    ministers aus dem Sommer des vergangenen Jahres an, als er in der bekannten Drucksache Nr. 1000 uns folgendes sagte:
    Eine Erhöhung der Steuern von Umsatz, Verbrauch und Aufwand ist somit ausgeschlossen ... Sie sind ... volkswirtschaftlich nicht zu verantworten;

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    jede Steigerung der Steuerbelastung würde mit Sicherheit zu einer Lähmung der Wirtschaft führen, damit die Steuereinnahmen insgesamt schädigen und die öffentlichen Sozialausgaben überdies vermehren. Deshalb erscheinen alle Erwägungen,
    – so sagte der Bundesfinanzminister im Juni 1950 —
    etwa durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer oder ähnliche Maßnahmen neue Einnahmequellen zu erschließen, wenig sinnvoll.
    Ich habe das Gefühl, Herr Bundesfinanzminister, daß derartige Maßnahmen bis heute nicht sinnvoller, sondern bei der allgemeinen Preissteigerung, ich möchte sagen, nur noch sinnloser geworden sind.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Diese Erwägungen gelten für uns auch für die Sonderumsatzsteuer, über die wir aber im einzelnen noch zu sprechen haben werden, wenn wir diese Vorlage in diesem Hause zu beraten haben. Wir wenden uns gegen sie, weil sie wieder eine typische indirekte Steuer ist und nicht im geringsten dem ähnelt, was wir als Mehrverbrauchssteuer vorgeschlagen haben. Wir wenden uns aber auch gegen sie, weil ganz bestimmte Wirtschaftszweige durch ) sie insbesondere getroffen werden, vielleicht sogar auch die Exportindustrie, — ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Offenbacher Lederindustrie. Es passen auch nicht Vergleiche etwa mit der Purchase Tax, weil die Purchase Tax mit einem Utility Program und mit der umfassenden Politik der Austerity verbunden war, von der wir bei uns in Deutschland bisher nichts bemerkt haben.

    (Zuruf von der SPD: Der Finanzminister sollte sich ruhig anhören, was hier gesagt wird!)

    Die Sonderumsatzsteuer über den Export insbesondere trifft aber auch Millionen und aber Millionen von Deutschen, die heute auf den Lastenausgleich warten. Ich glaube, daß dies eines unserer kräftigsten Argumente gegen die Sonderumsatzsteuer sein sollte. Wir kennen zwar den Warenkatalog noch nicht, aber wenn die Sonderumsatzsteuer die Beträge erbringen soll, die sich der Finanzminister erhofft: 800 Millionen, 1 Milliarde und mehr, dann müßten in den Warenkatalog meinetwegen auch Fahrräder, Möbel, Kleidung und viele andere Dinge aufgenommen werden, die sich gerade diejenigen kaufen möchten, die seit Jahren auf eine anständige Entschädigung aus dem Lastenausgleich warten.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich möchte es so formulieren: Die Lastenausgleichsversprechungen der Bundesregierung werden durch ihre eigenen Maßnahmen, durch Erhöhung der Umsatzsteuer und durch den Vorschlag der Sonderumsatzsteuer, schon im voraus entwertet. Eine Lastenausgleichs-Mark wird im Herbst d. J., wenn man mit dieser Steuerpolitik fortschreitet, eben nicht mehr eine Mark ausmachen, sondern nur noch 50 oder 60 Pfennig.
    Der Herr Finanzminister sagt, er wolle mit der Sonderumsatzsteuer das Brot der Armen sichern, das Brot der Armen, das man aber zuvor ganz erheblich im Preise erhöht, denn das Memorandum der Bundesregierung mit der unzutreffenden Bezeichnung „stabile Preise und sozialer Lebensstandard" ist ja zunächst einmal ein Preiserhöhungsprogramm auf der ganzen Linie,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und wir möchten es ein Memorandum der Hilflosigkeit nennen.
    Der Herr Finanzminister wird uns entgegenhalten: Ihr selbst bewilligt immer wieder neue soziale Lasten. Er hat uns mit einer Bewilligungsmaschine verglichen, als ihm das Herz überging, wie er es anschließend hier ausgedrückt hat. Er wird uns sagen: Ich brauche die Umsatzsteuer, ich brauche die 1 1/2 Milliarden, ich brauche die Sonderumsatzsteuer, die 800 Millionen. Wir erinnern immer wieder — und wenn Sie es auch als stereotyp bezeichnen möchten — an den großen Fehlbetrag, der sich aus der Steuerreform des vergangenen Jahres ergab. Wir denken aber auch weiter daran, daß ein Versprechen nicht eingelöst worden ist, das uns der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gegeben hat, als er für das Jahr 1950 die Inangriffnahme von Vorbereitungen für eine große grundlegende Steuerreform versprach. Diese grundlegende Steuerreform hätte uns, wenn sie uns im vergangenen Jahre gegeben worden wäre, aus manchen Finanzkalamitäten herausführen können. Wir denken da insbesondere an den immer wieder von uns vorgeschlagenen Tarifumbau im Sinne des englischen Steuerrechts. Wir denken an die Erhöhung der Freibeträge, -die wir im vergangenen Frühjahr vorgeschlagen haben. Sie würde eine erhebliche Steuervereinfachung bedeuten, weil Millionen von Steuerpflichtigen aus der Steuerpflicht herausfielen, die Finanzämter dann nicht mehr Auskunftsstellen zu sein brauchten und die Finanzbeamten sich lohnenderen Aufgaben zuwenden könnten.
    Ich verweise noch einmal auf das Beispiel England, das auch jetzt unter der Last der Aufrüstung
    leidet. Wir wissen, daß dort ein neuer Finanzminister einen neuen Etat vorlegte, über den eine führende westdeutsche Zeitung das folgende schreibt: Es grenzt z. B. schon fast an die Quadratur des Zirkels, wie der Finanzminister die Erhöhung der Einkommensteuer mit Vergünstigungen für die Verheirateten begleitete, die jetzt je nach Kinderzahl in den Einkommen-Kategorien bis zu 4200 Mark ohne Kinder und 12 000 Mark bei drei Kindern weniger Steuern zahlen als bisher.
    Wie wäre es, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie sich, nachdem sich nun auch Herr Professor Erhard zur Austerity bekannt hat, auch diesem Beispiel des englischen Kollegen anschlössen und eine soziale Finanzpolitik in diesem Sinne machten?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Oder müssen wir alle so lange warten, bis auch Sie vor den Trümmern Ihrer Finanzpolitik stehen wie der Bundeswirtschaftsminister vor den Trümmern seiner Wirtschaftspolitik?

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich brauche auf das unsoziale, ungerechte und ungesunde Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern im einzelnen hier nicht mehr einzugehen. Nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wur-


    (Dr. Koch)

    den, haben sich die Zahlen so entwickelt: 1948/49 direkte Steuern 41 bis 42 %, 1950/51 nur noch 30 %, während die indirekten Steuern in dieser Zeit von 42 % bis auf über 55 % des Gesamtsteueraufkommens hinaus gestiegen sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Aber über diese Zahlen werden wir noch einmal zu sprechen haben, wenn wir die Beratung der Umsatzsteuer hier im Hause führen.
    In diesem Zusammenhange ist ein Wort über die Frage der Neufeststellung der Einheitswerte zu sagen. Wir müssen auf die völlig vernachlässigte Notwendigkeit hinweisen, nun endlich die Einheitswerte neu festzustellen und das Bodenschätzungsverfahren schnell durchzuführen, da wir ja diese Zahlen auch für einen gerechten Lastenausgleich brauchen.
    Es ist auch über das zu sprechen, worauf der Kollege Bertram schon hingewiesen hat, nämlich über eine erhöhte Sparsamkeit innerhalb der Verwaltungen, da die Ausgabensenkung immer noch die beste Steuerreform ist. Es wäre sehr viel — ich glaube aber, darüber wird auch an dieser Stelle in anderem Zusammenhang zu sprechen sein — über die Ausgaben zu sagen, die uns der Beschluß, Bonn zur Bundeshauptstadt zu machen, verursacht hat. Ich denke, der Bericht des Untersuchungsausschusses wird schon in der nächsten Zeit vorliegen.
    Wir brauchen für die Erfüllung unserer Aufgaben — damit komme ich nun zu einem anderen Punkt —, wenn wir eine gerechte Erhebung der Steuern wollen — und ich denke, wir wollen sie alle oder wir sollten sie alle wollen —, unter allen Umständen einen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Auf diesem Wege folgt die sozialdemokratische Opposition den Vorschlägen des Bundesfinanzministers; denn wir sollten uns das eine klarmachen: wichtiger noch als die schönsten Steuergesetze ist die Erhebung der Steuer, wichtiger noch ist die Auslegung dieser Steuergesetze. Wir brauchen aus diesem Grunde einen einheitlichen und schlagkräftigen Bundesbetriebsprüfungsdienst. Wir als Opposition wollten, wir wären so weit, daß wir sagen könnten, daß dieser Bundesbetriebsprüfungsdienst die erste Stufe für eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung ist, weil wir der Ansicht sind, daß wir ohne diese Bundesfinanzverwaltung und ohne den Bundesbetriebsprüfungsdienst niemals die steuerliche und die soziale Gerechtigkeit im Steuerwesen herbeiführen werden, wie wir sie alle anstreben sollten.
    Ich möchte Ihnen nur einmal zwei Beispiele dafür nennen, wie wir auf die Milliardenbeträge kommen, die heute an Steuern hinterzogen werden. Ich glaube, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium ist es gewesen, der die Ausfälle an Steuern infolge der Steuerunmoral und Steuerhinterziehungen auf mindestens 3 Milliarden DM geschätzt hat. Der Oberbürgermeister einer westdeutschen Großstadt hat über das Steueraufkommen in seinem Stadtbezirk gesprochen und hat das Steueraufkommen 1946 mit dem von 1950 verglichen. In dieser Zeit ist die Lohnsteuer von 1 736 000 DM auf 4 Millionen DM, also um 130 %, die Körperschaftsteuer von 560 000 DM auf 12,5 Millionen DM, also um 2100 %, und die Einkommensteuer der Veranlagten von 2 900 000 DM auf 3 300 000 DM, also um 10 %, gestiegen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Lehre daraus! Zu der Körperschaftsteuer ist lediglich zu bemerken, daß die Kapitalgesellschaften im Jahre 1946 anfingen. Alle ihre Ausgaben waren Betriebsausgaben; Gewinne wurden nicht gemacht. Daraus erklärt sich die Steigerung um 2000 %. Bei den Lohnsteuerpflichtigen wird immer auf Heller und Pfennig abgerechnet; es gibt keine Möglichkeit der Hinterziehung. Die 130 % ergeben sich eben aus der Verdoppelung der Lohnsummen und der stärkeren Beschäftigung. Bei den Einkommensteuerveranlagten beträgt die Steigerung nur 10 %, und ich glaube, dazu bedarf es keines Kommentars mehr.
    Ich möchte noch ein Beispiel aus einer westdeutschen Großstadt erwähnen, das wir dem Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften verdanken. Ein authentisches Beispiel! Anfang 1949 taten sich in einer westdeutschen Großstadt zwei Steuerpflichtige zusammen: A mit einem Kapital von 40 000 DM und B mit einem Ladengeschäft in bester Lage. Im Jahre 1949 hatten sie einen Umsatz von 1 Million DM, 1950 einen solchen von 2,5 Millionen DM. Sie bezahlten an Steuervorauszahlungen jeder in jedem der Jahre 20 000 DM, zusammen also 80 000 DM, obwohl im zweiten Jahre der Gewinn schon 20 % des Umsatzes, nämlich 500 000 DM, betrug. Sie können sich also ausrechnen, daß bei diesen beiden Steuerpflichtigen der Ausfall an direkten Steuern, an veranlagter Einkommensteuer nämlich, mindestens 1/2 Million DM betragen hat. Bei zwei Steuerpflichtigen! Es ist ein unerträglicher Zustand, daß heute noch die Veranlagungen auf Grund der Vorauszahlungen und der Selbsteinschätzung aus dem Jahre 1949 erfolgen. Alle diese Mißstände werden wir nur dann beseitigen können, wenn unsere Forderung nach einem einheitlichen Bundesbetriebsprüfungsdienst erfüllt wird.
    Wir werden bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes auch unseren alten Antrag auf Offenlegung der Steuerlisten zur Förderung der Steuermoral wiederholen und wir werden den Antrag dann entsprechend begründen. Es ist unerträglich, daß der ehrliche Steuerzahler — das Gros der Beamten, Angestellten und Arbeiter — unter der unerträglichen Steuerlast seufzt, während die unehrlichen Steuerzahler unserer Maßnahmen spotten und unsere Möglichkeiten schmälern, den Millionen und aber Millionen zu helfen, die die Hilfe der deutschen Bundesrepublik so dringend nötig brauchen und die jetzt beginnen, an dieser Hilfe zu zweifeln.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! In diesen Zusammenhang gehören auch einige Worte über die Neufeststellung des Beteiligungsverhältnisses des Bundes und der Länder an dem Gesamtsteueraufkommen. Der Finanzminister hat Verhandlungen eingeleitet, die ihren Niederschlag in dem Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 gefunden haben. Wir können nicht so lange warten, bis wir im Sinne des Art. 107 des Bonner Grundgesetzes das Steueraufkommen eines Tages ganz neu verteilen. Aus diesem Grunde werden wir den vorläufigen Regelungen der Methode nach, wie sie uns vorgeschlagen wird, zustimmen; nicht der Höhe nach, das wird Einzelberatungen vorbehalten bleiben müssen. Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß wir auch mit dieser Methode wahrscheinlich der Zahlungsunfähigkeit mancher Länder auf die Dauer noch nicht werden steuern können. Wir lesen im Bundesgesetzblatt im § 1 des Gesetzes über die Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein den folgenden Satz:


    (Dr. Koch)

    Der Bund gewährt dem Lande Schleswig-Holstein zur Aufrechterhaltung der Zahlungsunfähigkeit einen unverzinslichen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.

    (Heiterkeit.)

    Ich glaube, auch mit dem neuen Finanzausgleich werden wir, wenn wir nicht zu einer Reform der Länder kommen, auch nicht mehr erreichen als die Aufrechterhaltung der Zahlungs u n fähigkeit mancher Länder.
    Allerdings könnten wir niemals einer Erhebung der Länderbeiträge in Form von Matrikularbeiträgen, wie sie manchen Länderfinanzministern vorschweben, zustimmen. Wir können es nicht dulden, daß der Bund nur Kostgänger der Länder wird. Wir wollen niemals mit einer Entwicklung beginnen, wie sie schon in der Zeit nach 1870 bis zum Jahre 1914 hin allmählich, aber erfolgreich überwunden wurde.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wer will denn das?)

    – Einige Länderfinanzminister, habe ich erklärt, Herr Kollege.

    (Zuruf von der SPD: Herr Ringelmann!)

    Ich erinnere an die sogenannte Miquelsche Klausel aus dem Art. 70 der Reichsverfassung von 1871: „Solange Reichssteuern nicht eingeführt werden". Einer solchen Klausel bedürfen wir heute nicht mehr. Wir lehnen die Matrikularbeiträge auch aus dem Grunde ab, weil sie für die Länder mit ihren Haushalten Unsicherheitsfaktoren bringen. Ich glaube, wir sollten auf dem Wege voranschreiten, auf dem uns der Bundesfinanzminister vorangegangen ist.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Wir freuen uns darüber, meine Damen und Herren — das zu Ihrem „Bravo" —, weil wir für den Vorrang des Bundes auch in den Tagen des Parlamentarischen Rats in Bonn gekämpft haben, und wir freuen uns darüber, daß die Erfahrungen dieser Jahre auch scheinbar Unverbesserliche inzwischen davon überzeugt haben, daß die Länder zwar gut sein mögen, daß aber der Bund besser ist!

    (Beifall bei der SPD.)

    In diesem Zusammenhang nur noch einen Zusatz. Wir werden, mögen auch die Regelungen zum Finanzausgleich ausfallen, wie sie wollen, keiner Einigung zustimmen können, die etwa ausschließlich auf Kosten der Kommunen geht. Wir werden auch nicht einer sogenannten „nachbarlichen Länderhilfe" zustimmen können, wie sie der Herr Bundesfinanzminister irgendwo in Norddeutschland empfohlen haben soll.

    (Abg. Mellies: Er hat vergessen, dabei zu sagen, daß es ein Witz war!)

    Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen, was der Herr Bundesfinanzminister darunter versteht und wie er sich die Durchführung dieser nachbarlichen Länderhilfe denkt. Das Ganze klingt so idyllisch, als ob es irgendwo hinten in den bayrischen Wäldern, in Cham oder Furth am Wald gesprochen sein könnte.
    Ich habe ängstlich vermieden, das Wort Föderalismus zu gebrauchen, um dem Herrn Bundesfinanzminister bei seinem Kreuzzug gegen die Länderfinanzminister nicht in den Rücken zu fallen und um ihn nicht in seinen tiefen Gefühlen zu verletzen, denen er hier so oft und beredt Ausdruck gegeben hat.

    (Abg. Dr. Wuermeling: War das das einzige Motiv?)

    — Das war das einzige Motiv.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Das Hauptmotiv? — Heiterkeit.)

    Denn wir halten nichts von einem Föderalismus, der es den Ländern erlaubt, ihre Steuerzahler so anzufassen, wie es ihnen beliebt, also meinetwegen mit Samthandschuhen oder mit rauher Hand. Aus diesem Grunde erheben wir unsere Forderungen nach einer Bundesfinanzverwaltung und nach einem Bundesbetriebsprüfungsdienst.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Nun lassen Sie mich zusammenfassen. Wir können nicht ja sagen zu der Finanzpolitik des vergangenen Jahres. Wir können auch nicht ja sagen zu der Finanzpolitik, die man uns heute vorschlägt. Wir können nicht ja sagen zu dem sturen Festhalten an den unsozialen Steuersenkungen bei der Einkommensteuer. Wir können nicht ja sagen zu dem ständigen Verlagern neuer Steuerlasten auf die indirekten. Steuern. Wir empfinden es als eine unerhörte Zumutung, daß wir jetzt im Zuge unserer Beratungen in den nächsten Wochen zunächst das Umsatzsteuergesetz beraten und beschließen sollen und hinterher dann möglicherweise über die Änderungen des Einkommensteuergesetzes. Wir wollen zunächst einmal über das Einkommensteuergesetz beraten und beschließen und uns dann überlegen, inwieweit wir noch über die Umsatzsteuer neue unerträgliche Lasten auf die breiten Massen der Verbraucher abwälzen können.
    Wir hatten den Vorschlag gemacht, uns aus den Engpässen herauszuführen, indem wir eine Politik der Fehlinvestitionen und der Selbstfinanzierung aufgeben. Und was ist geschehen? Die Bundesregierung hat auch in diesem Punkt wieder einmal — und das machen wir insbesondere auch dem Herrn Bundesfinanzminister zum Vorwurf — die Initiative aus der Hand gegeben, aus der eigenen Hand in die Hände der Spitzenverbände der Wirtschaft. Wie es schon mein Fraktionsfreund Mellies getan hat, möchte auch ich die Frage aufwerfen: Wer regiert denn nun eigentlich heute in Deutschland? Wer macht denn nun eigentlich Wirtschafts- und Finanzpolitik?

    (Zuruf von der FDP: Die Gewerkschaften! — Heiterkeit.)

    Der Bundeskanzler oder die Kommissare oder die Spitzenverbände der Wirtschaft, deren Vorschlägen wir mit Interesse entgegensehen?

    (Beifall bei der SPD.)

    Auf der einen Seite sollen wir Belastungen für die Verbraucher beschließen, und auf der anderen Seite läßt man die so dringend notwendige Initiative zugunsten noch völlig unbekannter Deckungsvorschläge der Wirtschaft fallen. Das ist eine Politik, die wir dem Grundsatz nach ablehnen müssen, eine Politik der Planlosigkeit. Wir verstehen völlig Ihren Horror vor der Planwirtschaft, wenn Sie das unter Planwirtschaft verstehen, was Sie uns in den letzten drei Monaten vorexerziert haben!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.) Süßwarensteurer hin — Süßwarensteuer her, Luxussteuer hin — Luxussteuer her, Baby-Bonds hin — Baby-Bonds her, Zwangssparen hin — Zwangssparen . her, Agrarpreiserhöhung hin — Agrarpreiserhöhung her, — meine Damen und Herren, das ist keine Politik, das ist lediglich eine Planlosigkeit. Das ist eine Plan-Inflationspolitik, und ich brauche Sie nur an die Namen Niederbreisig, Stratus-Gutachten, Wirtschaftsmemorandum usw. zu erinnern.



    (Dr. Koch)

    Unsere Forderungen an die Bundesfinanzpolitik sind, wie aus meinen Ausführungen hervorgeht, die folgenden: Die Einlösung der Versprechen, eine grundlegende Reform des Steuerrechts zu bringen, erstens mit dem Tarifumbau, zweitens mit der Erhöhung der Freibeträge und mit der Herstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen den direkten und den indirekten Steuern; dann unbedingte Sparsamkeit in der Verwaltung, die Durchführung einer gerechten Einheitsbewertung auch zugunsten des kommenden Lastenausgleichs. Wir erwarten sodann die grundlegende Reform der Steuerverwaltung, die Schaffung eines Bundesbetriebsprüfungsdienstes, der schlagkräftig und einheitlich geschult ist, und mit diesem Bundesbetriebsprüfungsdienst dann energische Prüfungen der Steuerpflichtigen, bei denen es sich lohnt, weil wir aus diesen Steuerprüfungen Milliardenbeträge für unsere Finanzen werden retten können. Als Sofortmaßnahmen werden wir beantragen noch während der Beratungen des Einkommensteuergesetzes die Rückgängigmachung der Tarifänderungen des Vorjahres, die Offenlegung der Steuerlisten und eine erhebliche Verstärkung des Betriebsprüfungsdienstes.
    Herr Bundesfinanzminister, solange Sie uns nicht eine grundsätzlich andere Politik vorschlagen können, können wir zu dieser Vorlage, können wir zu Ihrem Etat nicht ja sagen. Wir müssen ihn ablehnen, ablehnen als den Bestandteil einer Gesamtpolitik, deren Versagen Sie nur mühsam verdecken können.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Höpker-Aschoff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß der Herr Bundesfinanzminister auf die Angriffe, die die Opposition gegen ihn gerichtet hat, noch antworten wird. Es ist schließlich nicht die Aufgabe der Regierungsparteien, den Bundesfinanzminister selbst zu verteidigen, und er wird auch gar nicht den Wunsch haben, von anderen verteidigt zu werden. Aber auch wir möchten eine Stellung zu der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers beziehen, und das soll in meinen Ausführungen versucht werden.
    Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bertram hat einen anderen Finanzminister gefordert. Nun, Herr Kollege Bertram ist uns ein wertvoller Mitarbeiter im Finanz- und Steuerausschuß. Herr Kollege Bertram, wie wäre es, wenn Sie es einmal selbst versuchen würden?

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Davon bin ich überzeugt, Herr Kollege Bertram, nach Ihren Ausführungen würden Sie als Bundesfinanzminister von dem Bund der Steuerzahler aufs freudigste begrüßt werden. Denn Ihr Programm würde ja dahin gehen, keine neuen Steuern zu erheben, sondern alles aus den vorhandenen Steuern zu decken.
    Herr Kollege Bertram, Sie sind noch einige Jahre, vielleicht sogar einige Jahrzehnte jünger als ich, und in jüngeren Jahren hat man noch einen freudigen Optimismus.

    (Heiterkeit.)

    Wenn man einige Jahre lang Finanzminister gewesen ist, dann geht man von diesem Optimismus ab und fängt an, nüchtern zu rechnen. Daß alle Ihre Berechnungen, die Sie dem Herrn Bundesfinanzminister vorgetragen haben, nicht richtig sein
    können, ergibt sich doch einfach aus der Kassenlage. Wenn Ihre Rechnungen richtig wären, dann müßte der Bundesfinanzminister im Gelde schwimmen, während es in Wahrheit eben so ist, daß er sich an der Grenze der Kassenkredite bewegt, die wir ihm eingeräumt haben.
    Herr Kollege Bertram, noch eines. Sie haben auf das Verhältnis der Ertragsteuern zu den indirekten Steuern hingewiesen. Nun rechnen Sie einmal folgendes nach. Nach der Durchführung der Novelle zum' Einkommensteuergesetz wird das Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei 7 Milliarden DM liegen. Rechnen Sie zu den Ertragsteuern dann noch die Objektsteuern, also Grund- und Gewerbesteuern hinzu, so sind wir schon bei 9 Milliarden DM. Rechnen Sie noch dazu die Abgaben aus dem Soforthilfegesetz und in Zukunft aus dem Lastenausgleich, so sind wir um weitere 1 1/2 Milliarden DM noch darüber hinaus. Und wenn Sie alles das zusammenrechnen — und das alles fällt doch unter den Begriff der direkten Steuern oder der Ertragsteuern —, so kommen Sie zu dem Ergebnis, daß die weitaus größere Hälfte unserer Steuern heute aus den direkten oder aus den Ertragsteuern gewonnen wird und nur der geringere Teil aus den indirekten Steuern.
    Natürlich ist das Verhältnis bei uns nicht so gut wie bei den angelsächsischen Ländern. Aber, meine Damen und Herren, daß in reichen Ländern die direkten Steuern stärker angezogen werden können und daß der Anteil der Steuerlast dann in stärkerem Umfang auf die direkten Steuern verlagert werden kann, ist eine Binsenwahrheit. Wir gehören jedoch nun einmal nicht zu den reichen Ländern, und wir haben daher in dieser Beziehung ein etwas ungünstigeres Verhältnis als die reichen Länder in Kauf nehmen müssen. Aber daß dieses Verhältnis schlecht ist, kann unmöglich jemand behaupten.
    Herr Kollege Koch, Sie haben uns — und ich habe das mit Vergnügen angehört — einige Worte aus dem Faust zitiert. Ja, hoffentlich ziehen Sie aus dieser Lektüre des Faust nicht die Konsequenz, nun mit denselben Methoden die Fehlbeträge zu decken, wie sie Mephistopheles dem Kaiser rät.

    (Beifall und Heiterkeit in. der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren, diese Methode des Mephistopheles könnte uns in eine gefährliche Situation hineinführen.
    Also an der Deckung der Ausgaben durch ordentliche Einnahmen werden wir wohl nicht vorbeikommen. Sie haben ein Steckenpferd, die Einkommensteuersenkung des vorigen Jahres, und Sie werden uns dieses Steckenpferd noch oft vorreiten. Ich will der Versuchung widerstehen, das, was ich in dieser Beziehung damals bei der Beratung der Novelle zum Einkommen- und Umsatzsteuergesetz erwähnt habe, noch einmal zu wiederholen. Nur eins möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen: Wir betrachten es als einen außerordentlichen Gewinn, daß damals der Tarif der Einkommensteuer in vernünftiger Weise gesenkt wurde, und wir werden an dieser Senkung des Tarifs auch unter keinen Umständen etwas ändern wollen.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir begrüßen es, daß der Bundesfinanzminister nachdrücklich darauf hingewiesen hat, daß der Tarif die Grenze dessen erreiche, was dem Steuerzahler zugemutet werden könne.
    Die Änderungen, die wir bekommen, betreffen vor allen Dingen das System der Eigenfinanzierung.


    (Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

    Auch hier haben Sie scharfe Kritik geübt. Ich habe
    Ihnen schon damals erwidert: es ist ja doch nicht
    so, als ob alle Investitionen, die im Wege der Eigenfinanzierung in den letzten Jahren durchgeführt
    worden sind, falsche Investitionen gewesen wären.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Denn, meine Damen und Herren, die stürmische Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft, die allen Bevölkerungsteilen zugute gekommen ist und seit der Währungsreform dahin geführt hat, daß auch das Realeinkommen der breiten Massen der Bevölkerung sich um 50 % vermehrt hat, wäre ohne diese Investitionen nicht möglich gewesen.

    (Erneuter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie auf der linken Seite des Hauses grundsätzlich auf dem Standpunkt stehen, daß es besser sei, wenn die ganze Investitionslenkung in die Hände des Staates gelegt werden würde, glauben Sie denn wirklich, daß dann keine Fehlinvestitionen vorkommen würden?

    (Sehr gut! rechts.)

    Ich gebe ohne weiteres zu, daß in der Privatwirtschaft Fehlinvestitionen vorkommen, aber ich fürchte, daß die Fehler noch viel größer sein würden, wenn eine staatliche Planungskommission, so oder so zusammengesetzt, über Maß und Art der Investitionen zu entscheiden haben würde.

    (Beifall in -der Mitte und rechts.)

    Nun haben Sie vorhin aus der Rede des Herrn Dr. Schumacher seine Ausführungen angeführt, daß die damals angekündigte Steuersenkung, die dann gemäß dem Regierungsprogramm auch durchgeführt wurde, in Konkurrenz mit unserer Verpflichtung zu sozialen Leistungen treten würde. Herr Kollege Koch, was damals Herr Dr. Schumacher gesagt hat, ist nicht Wahrheit geworden. Denn ich glaube, das können wir wohl in diesem Hause in Anspruch nehmen, daß wir unsere sozialen Verpflichtungen nicht vernachlässigt haben.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Das Gesetz über die Kriegsopferversorgung, das Gesetz zur Ausführung des Art. 131, die Erhöhung der Renten, alle legen Zeugnis dafür ab, daß wir diese sozialen Leistungen in einem Umfange zu bringen versucht haben, der die Tragfähigkeit des Bundes überhaupt in Frage stellt.

    (Erneuter Beifall.)

    Und eben die erhöhten Aufwendungen für soziale Verpflichtungen, die nach unserem Dafürhalten notwendig waren, um den sozialen Frieden in unserem Lande zu sichern, stellen uns nun auch vor die Verpflichtung, für die erforderliche Deckung zu sorgen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Daran können wir nun einmal nicht vorbeikommen. Man kann auch nicht sagen, der Herr Bundesfinanzminister hätte das alles voraussehen müssen und hätte vorsorglich alle möglichen Steuerpläne machen müssen. Meine Damen und Herren, für Finanzminister, die schon im voraus sich die Einnahmen verschaffen, habe ich wenig übrig, und ich glaube, ein solcher Bundesfinanzminister würde hier im Hause auch Ihren Beifall nicht erhalten haben.
    Aber eines dürfen Sie auch nicht vergessen: Wir alle, glaube ich, haben nicht damit gerechnet, daß die Besatzungskosten uns so belasten würden, wie sie uns heute belasten, sondern wir haben, als wir vor zwei Jahren an die Arbeit gingen, im Grunde immer gedacht: ja, darin steckt noch irgendwie eine Reserve,

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien) es wird ja einmal zu einer Verminderung dieser Lasten kommen, und dann können wir uns auf anderen Gebieten besser bewegen. Die ganze Entwicklung der politischen Lage, auch der Außenpolitik, hat es mit sich gebracht, daß wir einer noch höheren Belastung entgegensehen müssen. Es ist eine erschreckende Zahl! Wir werden ja wahrscheinlich in der nächsten Woche, wenn wir den Haushalt der Besatzungslasten im einzelnen hier verhandeln, über diese Dinge noch ausführlicher sprechen müssen. Aber das eine darf vielleicht auch in diesem Zusammenhang schon gesagt werden: Wenn die militärischen Maßnahmen der Besatzungsmächte, die ja doch dem Schutz Gesamteuropas dienen sollen, sich so auswirken, daß die Besatzungslasten bei uns immer und immer wieder steigen und wir dadurch gezwungen werden, soziale Maßnahmen zu vernachlässigen, dann würde ganz gewiß nicht der Zweck erreicht werden, dieses Gebiet krisenfest und abwehrbereit gegen die barbarischen Angriffe des Ostens zu machen.


    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Alle diese Dinge müssen im Zusammenhang gesehen werden, und wir werden die Aufgabe haben, diesen Zusammenhang bei den Beratungen der nächsten Woche den Besatzungsmächten eindringlich vor Augen zu führen.
    Meine Damen und Herren, schauen wir einmal zurück auf die vergangenen Jahre! Wir hatten einmal Reparationen in Höhe von 2,5 Milliarden Mark zu zahlen, und die deutsche Wirtschaft der zwanziger Jahre hat unter dieser Reparationslast schwer geseufzt. Heute betragen die Reparationslasten oder die den Reparationslasten vergleichbaren Lasten für die Besatzung über 6 Milliarden DM und nach den weiteren Forderungen der Besatzungsmächte sogar 8 bis 9 Milliarden DM. Das geht einfach über die Grenzen des Möglichen hinaus.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Wenn dem deutschen Volk solche Lasten zugemutet werden, wird der Zweck, den wir gemeinsam mit den anderen westeuropäischen Mächten verfolgen wollen, dieses Land gegen die Angriffe des Ostens zu sichern, niemals erreicht werden.

    (Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

    Nun, meine Damen und Herren, zu dem immer wieder geforderten Gesamtprogramm des Herrn Bundesfinanzministers! Herr Bundesfinanzminister, Sie sind eigentlich sehr unfreundlich gewesen, und ich möchte Ihnen das in aller Offenheit sagen. Sie haben davon gesprochen, daß der Finanz- und Steuerausschuß saumselig arbeite und daß Ihnen infolgedessen mit jedem Tag 7 Millionen DM verloren gingen. Ich glaube, dieser Vorwurf ist in keiner Weise gerechtfertigt. Sie haben in diesem Hause wohl keinen treueren Ausschuß als den Finanz- und Steuerausschuß. Wir arbeiten wie die Bienen, wenn die Steuervorlagen des Finanzministers kommen, um sie zu verabschieden. Wenn im Augenblick in der Beratung der jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe gewisse Stockungen eingetreten sind, — ja, meine Damen und Herren, wer kann es denn nun eigentlich einem Parlament verdenken, wenn es einen Gesamtüberblick, eine Gesamtschau zu haben wünscht?

    (Sehr richtig! bei der FDP.)



    (Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

    Alle diese Vorlagen können doch nicht einzeln, eine nach der andern, verabschiedet werden, ohne einen Blick auf den Gesamtzusammenhang aller Vorlagen zu tun!

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Das steht doch alles in engstem Zusammenhang! Man kann doch nicht sagen, die Umsatzsteuer habe mit der Sonderumsatzsteuer gar nichts zu tun. Ich jedenfalls kann das nicht anerkennen. Man kann doch unmöglich sagen, die Investitionssteuer, die jetzt in nebelhaften Umrissen vor uns auftaucht — nachdem die Wirtschaftsverbände ihre Pläne mehr spezialisiert haben, sehen wir etwas klarer —, habe keinen Zusammenhang mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Wirtschaftsverbände selber erklären ja: Wenn wir diese Last auf uns nehmen und in irgendeiner Form die erforderlichen Mittel für die notwendigen Investitionen in den Grundstoffindustrien aufbringen sollen — natürlich auf irgendeiner gesetzlichen Grundlage, ohne das geht es nicht —, dann müssen die Abschreibungsmöglichkeiten, die das Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz bietet, d. h. die §§ 7 a und 10 a erhalten bleiben. Also hier sind doch ganz enge Zusammenhänge gegeben.

    (Abg. Dr. Köhler: Sehr richtig!)

    Ich darf auch noch auf einen anderen Zusammenhang hinweisen. Wir können ja doch nicht die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöhen, ohne zu wissen, wer nun eigentlich den Raub bekommt. Auch hier besteht der engste Zusammenhang zwischen dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz und dem Gesetz zur Durchführung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. In diesen Tagen ist in Ansehung der Sonderumsatzsteuer hier ein Plan kundgetan worden, der aufs engste den Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer offenbart. Der Gedanke ist der, daß man doch vielleicht die Umsatzsteuer noch stärker erhöhen und dann auf die Sonderumsatzsteuer verzichten könne, dafür aber die sogenannten sozial kalkulierten Waren und Bedürfnisse einem geringeren Umsatzsteuersatz unterwerfen könne. Gerade darin zeigt sich wieder der enge Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer.
    Also, Herr Finanzminister, wenn der Finanz- und Steuerausschuß immer wieder den Wunsch gehabt hat, alle diese Dinge in ihrer Gesamtheit zu übersehen, so ist das, glaube ich, durchaus berechtigt. Wir haben gleichwohl das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz in erster Lesung verabschiedet, wir werden heute nachmittag hoffentlich mit dem Gesetz über die Exportförderung fertig werden, und wir werden morgen auch an das Umsatzsteuergesetz herangehen. Aber ich glaube, ehe dieses Haus zu all diesen Dingen das letzte Wort sagen wird, muß der Strauß doch irgendwie zusammengebunden werden. Es kann nicht eine Blume nach der andern gepflückt werden.

    (Sehr richtig!)

    Dieser Zusammenhang läßt sich nach meinem Dafürhalten gar nicht leugnen.

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, auf das Einkommensteuergesetz im einzelnen will ich jetzt nicht eingehen. Wir haben im Finanz- und Steuerausschuß damit genug zu tun und haben uns auch hier schon bei der Aussprache über die Vorlage darüber unterhalten.
    Nun freue ich mich, in einem Punkte mit den beiden Vorrednern der Opposition, mit Herrn Kollegen Koch und Herrn Kollegen Bertram, völlig übereinzustimmen. Das betrifft die Einrichtung der Bundesbetriebsprüfung und darüber hinaus die Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung. Meine Damen und Herren, seinerzeit im Parlamentarischen Rat hat diese Frage im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzungen mit den Verbindungsstäben und den Gouverneuren gestanden. Es gab auch einen Zeitpunkt, in dem die drei Parteien CDU, allerdings minus CSU, SPD und FDP darin einig waren, eine Bundesfinanzverwaltung zu schaffen, und wir hätten wahrscheinlich diesen Plan auch durchführen können, wenn wir nicht auf den schroffen Widerstand der Besatzungsmächte gestoßen wären. Wir haben dann in den sauren Apfel der geteilten Bundesfinanzverwaltung beißen müssen. Heute ist die Situation viel schwieriger. Hätten wir damals durch Beschluß des Parlamentarischen Rates eine Bundesfinanzverwaltung geschaffen, so wäre kein Bundesrat dagewesen, der ein Nein hätte sagen können. Was wir jetzt erleben würden, wenn wir uns nun etwa zu einem Initiativantrag vereinigen würden: „Die notwendige Bundesfinanzverwaltung soll durch Änderung des Grundgesetzes geschaffen werden", — ja, meine Damen und Herren, das ist mir nach den gestrigen Ausführungen sehr zweifelhaft. Ich habe gestern ganz neue Begriffe gelernt. Ich habe gehört, daß es neben einem Volk noch ein Staatsvolk gibt

    (Ja, ja! in der Mitte)

    und daß es diese Dinge vor allen Dingen in den süddeutschen Ländern gibt. Nun, meine Damen und Herren, ich möchte sagen: Wir Preußen sind eigentlich bessere Leute!

    (Heiterkeit. Abg. Bausch: Ihr habt alle kommandiert!)

    Ich bin nun schon in der zweiten Hälfte des siebten Jahrzehnts. Ich habe in meinem ganzen Leben in Preußen niemals von einem preußischen Volk gehört, auch niemals etwas von einem preußischen Staatsvolk, auch niemals etwas von einem preußischen Vaterlande.

    (Abg. Bausch: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben!"?)

    Ich lese gern Geschichtsbücher; und da fand ich — ich glaube es war bei Lamprecht —: Im 10. Jahrhundert taucht in der deutschen Literatur zum erstenmal das süße Wort „deutsch" auf: „diutisk". Dann werden wir darüber belehrt: „diutisk" heißt volkstümlich, volkszugehörig, volksverbunden. — Meine Damen und Herren, aus der Entstehungsgeschichte dieses Wortes könnten die Föderalisten etwas lernen, daß nämlich die Begriffe „deutsch" und „Gesamtheit des deutschen Volkes" in einem ganz engen Zusammenhang stehen. Meine Damen und Herren, neben dem deutschen Volke gibt es keine anderen Völker mehr, weder ein bayerisches Volk noch ein badisches Volk,

    (Sehr richtig! und Händeklatschen)

    und es gibt auch weder ein bayerisches Staatsvolk noch ein badisches Staatsvolk.

    (Beifall.)

    Diese Begriffe gibt es nicht. Es gibt hier staatlich organisierte Gemeinschaften, die mehr oder weniger Rechte haben, und das, meine Damen und Herren, ist alles in dieser Geschichte!
    Es ist gestern auch davon gesprochen worden, daß innerhalb dieser Länder und dieser „Staatsvölker" nun vielleicht sogar völkerrechtliche Grund-


    (Dr. Dr. Höpker-Aschoff)

    sätze gelten könnten und daß sie Subjekte des Völkerrechts sein wollten. Wenn diese engeren Gemeinschaften innerhalb Deutschlands, diese selbständigen Staaten, die nach meinem Dafürhalten nie Völker waren, einmal in der deutschen Geschichte völkerrechtliche Subjekte gewesen sind — das gilt sowohl für Preußen wie für Bayern und auch für andere — und als völkerrechtliche Subjekte tätig geworden sind, dann war es immer ein nationales Unglück.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD.) Ich habe mich vor einigen Tagen einmal mit dem Herrn Kollegen Etzel — den ich leider nicht im Hause sehe — unterhalten. Wir haben die Klingen gekreuzt, als wir uns über Bundesvermögen und Ländervermögen unterhielten; und da Herr Kollege Etzel ein ritterlicher Mann ist, hat er mir als Dankesgabe dann zwei Broschüren der Bayerischen Volkspartei überreicht, eine geschichtliche Darstellung unter der Überschrift: „Der Kampf Preußens gegen Bayern". Meine Geschichtskenntnisse sind durch die Lektüre dieser beiden Broschüren außerordentlich erweitert worden; aber ich habe dabei gesehen, daß man in Bayern ein ganz anderes Geschichtsbild hat als in anderen Ländern. Insbesondere wurde da den Preußen der Vorwurf gemacht, daß sie immer über das Reich hergefallen seien. Es kam natürlich Friedrich der Große daran, die Schlesischen Kriege, die arme Maria Theresia. Ja, sagte ich, Herr Kollege Etzel, ich habe immer gelernt, daß wir zusammen mit dem König von Sachsen und mit dem König Karl von Bayern über die Österreicher hergefallen sind. Wir waren doch alle im Bunde. Und als wir dann gemeinsam die arme Maria Theresia geplagt hatten, wurde zur Belohnung der bayerische König nun auch noch deutscher Kaiser — mit Hilfe Friedrichs II.


    (Hört! Hört!)

    Wenn also der Vorwurf, daß die Preußen immer so reichs- und kaiserfeindlich gewesen seien, zuträfe, dann müßte er in diesem Falle doch zumindest auch für die Bayern zutreffen. Ich habe ihn dann auch noch an den spanischen Erbfolgekrieg erinnert — auch eine bedenkliche Sache; und es gäbe noch mehr Beispiele aus der deutschen Geschichte. In den vergangenen Zeiten, als gewisse Teile des einheitlichen deutschen Volkes in selbständigen Staaten organisiert waren, haben sie alle gesündigt, und keiner war besser als der andere. Aber diese Zeiten sind ja nun wohl überholt, und vor Rückfällen sollten wir uns hüten.
    Mit dieser völkerrechtlichen Souveränität hängt, glaube ich, auch die Beutetheorie zusammen, die Herr Ringelmann mit Bezug auf Bundesvermögen und Ländervermögen neulich im Bundesrat entwickelt hat. Er hat gemeint, das ganze Reichsvermögen sei als Beute den Amerikanern und Franzosen zugefallen, und die Amerikaner und Franzosen hätten nun die Beute den Ländern überlassen, und diese Beute würden nunmehr die Länder niemals fahren lassen. Auf der Grundlage einer völkerrechtlichen Theorie einer selbständigen Rechtsperson der Länder könnte ja vielleicht dieser Grundgedanke eine gewisse rechtliche Fundierung finden.
    Also, meine Damen und Herren, wenn wir uns dazu entschließen könnten, zu einer Bundesfinanzverwaltung zu kommen, so wäre es gut. Vielleicht ist der Herr Bundesfinanzminister in seinem Herzen schon auf unserer Seite. Herr Bundesfinanzminister, ich habe neulich in Siegburg einmal eine Vorlesung vor Ihren Finanzbeamten gehalten. Erst war es ein sehr erlauchtes Publikum, Oberfinanzpräsidenten, Abteilungsleiter und Ministerialbeamte, und nachher waren es dann nur die Finanzamtsvorsteher, aber eigentlich doch durchweg entweder ganz Länderbeamte oder halb Länderbeamte — Amphibien, wie die Oberfinanzpräsidenten!

    (Heiterkeit.)

    Wenn ich da eine Abstimmung hätte machen dürfen, wer für die Bundesfinanzverwaltung sei, dann wäre das Votum einmütig zugunsten der Bundesfinanzverwaltung ausgefallen,

    (Beifall)

    und selbst die bayerischen Oberfinanzpräsidenten hätten mit Ja abgestimmt. — Ich glaube also, die Zeit für diese Dinge ist allmählich gekommen.
    Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Herr Finanzminister, die Verabschiedung der ganzen Steuergesetze wird uns noch Sorge machen. Wir wissen, daß, wenn wir nun mal so große soziale Leistungen aufbringen wollen — und das haben wir übernommen —, dann auch für die Deckung gesorgt werden muß. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn wir diese großen sozialen Aufwendungen für alle die Kategorien, die ich aufgezählt habe, um des Friedens in unserem Lande willen machen, dann müssen wir auch die Entschlußfreudigkeit aufbringen, für die erforderliche Deckung zu sorgen. Aber, Herr Finanzminister, ich betone es noch einmal: wir können dabei an dem Gedanken, daß das Ganze in einer einheitlichen Schau gesehen werden muß, nicht vorbeigehen.

    (Beifall bei der FDP und zum Teil in der Mitte.)