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ID0113701700

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    Deutscher Bundestag — 137. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. April 1951 5385 137. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. April 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5385C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie 5385D Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Vermittlungsausschuß 5385D Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes 5385D Wahl des Wahlprüfungsausschusses gemäß § 3 Absatz 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 12. März 1951 (BGBl. I S. 166) . . 5385D Änderungen der Tagesordnung 5386A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan VIII — Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen (Nr. 1909 der Drucksachen) 5386A Erler (SPD), Berichterstatter . . . 5386B Mellies (SPD) 5391B Dr. Bertram (Z) 5393B Dr. Koch (SPD) . . . 5396A, 5419C, 5422A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 5401B Loritz (WAV) 5404D Dr. Dresbach (CDU) 5405D Müller (Frankfurt) (KPD) 5407C Dr. Besold (BP) 5409C Ewers (DP) 5411C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5413A Pelster (CDU) 5421C Abstimmung 5422B Zur Geschäftsordnung — Vertagungsantrag: Dr. Wuermeling (CDU) 5422B Mitteilung über Veröffentlichung in der Zeitschrift „Der Beamtenbund" betr. Ausgaben für den Bundestag: Dr. Ehlers, Präsident 5422C Nächste Sitzung 5422C, 5423D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. August Dresbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Koch! Die steuerpolitischen Terzen und Quarten — tiefe Hiebe waren es ja nicht —, die Sie dem Herrn Bundesfinanzminister erteilt haben, haben mich an eine Zeit nach dem ersten Weltkrieg erinnert, in der ich frisch, jung und rank war und mir den Reichsfinanzminister Erzberger aufs Korn nahm. Jetzt habe ich Abstand bekommen. Ich bin auch älter und dicker geworden — mit dicken Leuten ist ja immer besser umzugehen —,

    (Heiterkeit)

    und ich bin jetzt zu der Überzeugung gekommen, daß der Mann das meiste richtig gemacht hat. Sie werden es gleich merken, wenn ich nämlich zur Bejahung der Bundesfinanzverwaltung als Analogie zur Reichsfinanzverwaltung komme. Ich glaube, Herr Kollege Koch, Sie werden mit gewissem Abstand demnächst auch milder über den Herrn Finanzminister Schäffer urteilen, in dem ich geradezu den parlamentarischen Minister sehe.
    Herr Kollege Mellies, ich habe es wirklich nicht verstanden, daß Sie ausgerechnet Herrn Schäffer ausgesucht haben, um sich in diesem Punkt an ihm zu reiben. Ich glaube, es gibt sehr viele andere Minister in dieser Hohen Bundesregierung, denen man kritisch gegenübertreten könnte. Herr Minister Schäffer gehört doch wirklich zu denjenigen, die sich uns stellen und uns nicht, sagen wir einmal, wie so ein Stück — na, ich hätte beinahe einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht — zu behandeln versuchen.

    (Heiterkeit.)



    (Dr. Dresbach)

    Nun zur Sache! Der Herr Berichterstatter hat in seinem eingehenden und meines Erachtens ausgezeichneten Bericht dargetan, wie schwer der Aufbau war, den der Herr Bundesfinanzminister auf sehr unzureichenden Grundlagen — ich nenne hier Art. 106 des Grundgesetzes über die Steuerquellen und Art. 108 über die Verwaltungsorganisation — zu leisten hat. Nun ist hier die Frage gestellt worden: Wer ist eigentlich in dieser Bundesrepublik der Wirtschaftsminister? Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Die ursprüngliche Aufgabe des Finanzministers war ja, mit möglichst einfachen technischen Mitteln. den Finanzbedarf des Staates sicherzustellen. Aber auch in einer Zeit mit einer liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung war das schon keine ganz populäre Aufgabe, und ich habe mir mal sagen lassen, daß gewisse Parteien eine Abneigung hätten, überhaupt den Finanzministerposten, sei es im Bund oder in einem Land, zu übernehmen.

    (Heiterkeit und Zustimmung.)

    Also diese Aufgabe ist nie populär gewesen. Nun hat aber der Verteidigungsbeitrag der friedliebenden Nationen — so nennt man das ja neuerdings wohl; einstweilen finden wir es noch unter Besatzungskosten — einen derartigen Staats- und Finanzbedarf anwachsen lassen, an den Adolph Wagner, von dem ja wohl das Gesetz oder die Formel von dem wachsenden Staatsbedarf stammt, nicht gedacht hat; und diese Bedarfsdeckung bringt nun einmal Eingriffe in die gesamte Wirtschaft und auch in das Gesellschaftsleben. So ist es fast unaufhaltsam, daß der Herr Finanzminister in die Rolle des Wirtschaftsministers hineinwächst. Ich brauche nur das Kapitel Sonderumsatzsteuer anzudeuten, wo dem Herrn Finanzminister doch Aufgaben zugedacht sind, die weiß Gott eine weitgehende Wirtschaftslenkung bedeuten. Es hat ja auch einmal einen Finanzminister gegeben, der behauptet hat, daß der Finanzminister der beste Sozialisierungsminister sei. Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie, Herr Minister Schäffer, den Ehrgeiz haben; die Funktionen des Finanzministers so auszudeuten und zu brauchen.
    Aber -- und nun möchte ich wiederum ein Wort der Anerkennung für unseren Herrn Finanzminister finden — er ist bisher ganz vornehmlich der Hüter der Währung gewesen,

    (lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

    und wenn ihm schon einmal das Wort von der Abstimmungsmaschinerie entglitten sein sollte, die wir angeblich darstellen, dann möchte ich ihm das nicht so scharf und so böse anrechnen. Die Position und besonders auch die Art des Herrn Ministers Schäffer bringen es mit sich, daß er uns manchmal mit erhobenem Finger darauf hinweist: Kinder, bewilligt nicht zuviel an Ausgaben, sonst komme ich mit dem Haushaltsplan nicht zurecht, und ihr wißt ja doch, daß nichtgedeckte Haushaltspläne nun einmal eine Quelle alles dessen sind, was man mit dem schönen Fremdwort Inflation bezeichnet. Währungsschädigung und nochmals Währungsverfall aber, meine Damen und Herren, wäre das Schlimmste.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Nun hat der Kollege Koch wie ein zweiter Cato mit seinem Ceterum censeo wieder auf die Einkommensteuerregelung hingewiesen. Nun schön,
    Herr Kollege Koch; Sie werden doch soviel zugeben wollen, daß es sich hier um einen ernsten Versuch gehandelt hat, die durch die Kontrollratsgesetzgebung korrumpierte Wirtschaft wieder auf gute Wege zu führen.

    (Abg. Heiland: Aber ein Versuch am untauglichen Objekt!)

    — Verzeihen Sie, wir wollen uns darüber nochmal unterhalten; dazu sind ja unsere Beratungen demnächst im Steuerausschuß über die von der Regierung vorgelegten Änderungsentwürfe da.
    Und nun zum Einkommensteuertarif. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat darauf hingewiesen, daß man bei der Betrachtung der gesamten Personalbesteuerung doch nicht an der einstweilen noch Objektbesteuerung genannten Gewerbesteuer vorbeigehen kann. Ich habe mir gestern abend erlaubt, auf diese Kumulation hinzuweisen, als hier das Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes in der ersten Lesung zur Diskussion stand. Hierzu möchte ich nochmals eindringlich hervorheben: Diese Form der Gewerbebesteuerung ist in den vergleichbaren Ländern des Auslandes nicht bekannt. Deshalb müssen wir auch gegenüber den ausländischen Kritikern an unserem Einkommensteuertarif immer wieder den Hinweis auf diese Objektbesteuerung bringen, die doch faktisch fast — jedenfalls ist das bei der Gewerbeertragssteuer so — eine zusätzliche Einkommensteuer auf das fundierte Einkommen geworden ist.

    (Abg. Dr. Koch: Sie wird aber abgewälzt!)

    — Verzeihen Sie, wird abgewälzt? Sie wird ja auch bei der Einkommensteuer als Betriebsausgabe abgesetzt. Aber, Herr Kollege Koch, Sie werden doch nicht daran vorbeikommen, daß es sich hier um eine sehr stark einkommensteuerähnliche Steuer handelt, auch in der Technik; bitte, lesen Sie die Dinge im Gesetzentwurf nach.
    Nun hat der Herr Kollege Höpker-Aschoff — meines Erachtens durchaus berechtigt — darauf hingewiesen, daß die Erleichterungen der Eigenfinanzierung doch nicht nur falsche Objekte getroffen haben. Er hat auch eine gewisse Skepsis vor einer Wirtschaftslenkung durch die Regierung gezeigt. Meine Herren von der Sozialdemokratie, ich habe manchmal den Eindruck, Sie haben einen ungeheuren Respekt vor dem Typ Ministerialrat, als wenn diese Gesellschaft — die ich sonst sehr schätze — nun imstande wäre, göttlich gerecht zu denken, zu handeln und zu planen. Ich teile diese Hochachtung nicht so ganz.

    (Zuruf von der SPD: Wir auch nicht!)

    Aber, meine Damen und Herren, wir wollen nicht leugnen, daß es bei der Ausführung der Einkommensteuerreform Schattenseiten gegeben hat. Leider haben es manche Wirtschaftszweige nicht verstanden, Maß zu halten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Man ist manchmal sogar geneigt, auszusprechen, daß es notwendig wäre, die Institution des Privateigentums vor manchen Privateigentümern zu schützen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Nun ist nicht zu leugnen, daß es die Überhäufung der Finanzämter mit viel zu viel Kleinkram verhindert hat, mit raschen und guten Veranlagungen an den großen Brocken zu kommen. Und, meine Damen und Herren und vor allen Din-


    (Dr. Dresbach)

    gen die Kollegen aus dem Steuerausschuß: wir wollen uns auch davor hüten, allzu viele Lappalien wieder einzubauen, die demnächst die „Tara", wenn ich mich mal so ausdrücken darf, d. h. die Verwaltungskosten in der Finanzverwaltung erhöhen werden. Allzu viel in der Steuergerechtigkeit erzwingt ein Mehr an Ausgaben für die Beamtenschaft, darüber muß man sich klar sein, also das, was ich mir eben nach kaufmännischem Vorbild als „Tara" zu bezeichnen erlaubte.
    Ich habe schon darauf hingewiesen, welche unzureichenden Instrumente dem Herrn Bundesfinanzminister zur Verfügung gestanden haben, insbesondere auch in dem Art. 108 des Grundgesetzes. Nun will die Bundesregierung den Weg gehen, den Bund auch an den Personalsteuern, der Einkommen- und der Körperschaftsteuer, zu beteiligen. Ich glaube, die erste Anregung dazu ist sogar aus diesem Hohen Haus, und zwar aus der Opposition hervorgegangen, wenn ich mich recht entsinne, vom Kollegen Bertram vom Zentrum. Das bedeutet also, daß der Bund auch direkte Steuern heranziehen wird. Er wird sich nicht mehr mit dem zufrieden geben, was ihm im Grundgesetz primär zugedacht ist. Die weitere Folge davon ist, daß er sich auch mit der Verwaltungsorganisation befassen muß. Er muß doch mehr auf eine Administration, auch der Länderbehörden, insbesondere auch der Finanzämter hinaus; die Gesetzentwürfe liegen ja vor. Hier spreche ich nun, ähnlich wie die Herren Kollegen Höpker-Aschoff, Koch und Bertram, die Hoffnung aus — das ist aber nur meine persönliche Meinung; ich habe mich mit meinen Freunden von der CSU noch nicht ganz so abgestimmt —, daß es zu einer Bundesfinanzverwaltung mit der starken Institution des Bundesbetriebsprüfungsdienstes kommen wird. In dieser Beziehung könnten wir, glaube ich, sogar etwas von den Nazis lernen, von Herrn Fritz Reinhardt. — Sie nicken mir zu, Herr Kollege Koch; also habe ich Absolution.

    (Heiterkeit.)

    Als ich schon einmal eine ähnliche Bemerkung machte — von diesem Platz aus —, 'bekam ich eine Rüge durch den damals amtierenden Präsidenten. Aber inzwischen ist ja die Zeit weitergeschritten.
    Ich habe noch eine gewisse Skepsis in puncto Finanzausgleich. Meine Befürchtungen gehen dahin, daß die ungeheueren Aufgaben und Ausgaben, die an den Bund herantreten, den Bund zwingen werden, Länder und Gemeinden geradezu zu sterilisieren, sie jedenfalls zu stationären Gebilden zu machen.
    Es ist ja nun leider so, meine Damen und Herren: Kriegsliquidationen und auch Verteidigungsbeiträge führen zu Interventionismus, und Interventionismus führt zum Zentralismus. Diese Bedenken muß man hier vorbringen, besonders wenn man sich, obgleich mal die allgemeinen Interessen wahren will, als ein spezieller Wahrer der Interessen der Gemeinden fühlt.
    Und nun zum Schluß. Herr Bundesfinanzminister, ich kann es verstehen, daß Sie auf Erledigung des Umsatzsteuergesetzes besonders drängen. Denn das gibt rasch Geld, da fließen die Mittel schnell. Aber ich muß mich auch den Wünschen des Kollegen Dr. Höpker-Aschoff anschließen und betonen, daß es zweckmäßig ist, die Dinge in einem Gesamtrahmen zu sehen. Man kann bei der Frage einer Erhöhung der normalen Umsatzsteuer nicht die Sonderumsatzsteuer außer acht lassen. Aber wir werden an die Lösung dieser Probleme herangehen müssen. Ich habe den Eindruck — und diese Auffassung hat auch der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, Herr Höpker-Aschoff, mit Recht vertreten —, daß dieser Ausschuß fleißig und intensiv und eigentlich auch in netter Kameradschaft arbeitet. Also, Herr Kollege Koch, Sie haben, glaube ich, heute zum letzten Mal Ihr Ceterum censeo gesagt. Demnächst auf Wiedersehen im Steuerausschuß!

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine Damen und Herren! Es ist nicht uninteressant, aber, ich glaube, auch nicht merkwürdig, daß bisher von keinem der Redner der Fraktionen auf die entscheidende Grundfrage eingegangen worden ist, die die Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung und damit des Herrn Finanzministers bestimmt. Nur wenn wir diese Frage herausarbeiten, werden wir verstehen, warum seitens der Regierung Adenauer-Schäffer eine solche Finanz- und Steuerpolitik durchgeführt wird. Ich glaube hier gleich ein Wort zu der Tatsache sagen zu müssen, daß diese Politik in absoluter Übereinstimmung mit den dieser Regierung vom Petersberg als Weisung erteilten Richtlinien für die Finanz- und Steuerpolitik steht. Vielleicht gibt der Herr Finanzminister nachher in seinen Ausführungen dem Hause einmal Auskunft darüber, was für neue Weisungen für die Finanzgebarung hier in Westdeutschland ihm in den internen Besprechungen auf dem Petersberg erteilt worden sind. Eines ist wohl nicht zu bezweifeln — und die Zahlen des Etats beweisen es eindeutig —, daß diese Finanz- und Steuerpolitik entscheidend bestimmt und dirigiert wird von den Interessen der amerikanischen Milliardäre, deren Ziel die Vorbereitung ihres amerikanischen Krieges und die Einschaltung Westdeutschlands für diesen ihren amerikanischen Krieg ist.

    (Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Wenn irgend jemand das bezweifeln will, dann möge er die Tatsache verteidigen, daß der entscheidendste Posten in den gesamten Ausgaben hier im Bundesgebiet, die Besatzungskosten, nach eigenen Angaben des Finanzministeriums etwa 9 Milliarden DM ausmachen.
    Wenn wir die Besatzungskosten zu den Gesamteinnahmen des Bundes und der Länder im vergangenen Jahr in Relation stellen, dann stellen wir fest, daß sie etwa 40 % betragen. Legen wir aber jetzt der Berechnung den von der Bundesregierung veröffentlichten Betrag von etwa 9 Milliarden DM zugrunde, dann betragen die Besatzungskosten bereits 60 %. Was seitens des Petersberges und seitens der Amerikaner angekündigt worden ist, besagt, daß noch mit einer weiteren Steigerung der Besatzungskosten, d. h. der Kosten der Kriegsvorbereitung und der Remilitarisierung, gerechnet werden muß. Zu diesem Posten kommen noch weitere Ausgaben hinzu. Ich greife als Beispiel nur noch einen weiteren Betrag heraus, nämlich die für die von den Amerikanern gewünschte




    (Müller [Frankfurt])

    Grenzschutzpolizei erforderlichen 300 Millionen DM. Weitere Ausgaben werden entstehen, wenn die Bereitschaftspolizei errichtet wird. All dies bedeutet nichts anderes als die Schaffung der Mittel für die Remilitarisierung und die Kriegsvorbereitungen.
    Damit charakterisiert sich die ganze Politik dieser Regierung und des Bundesfinanzministers. Ihre Tätigkeit ist nichts anderes als die Beitreibung und Einpeitschung von Massensteuern für die Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung. Das ist der entscheidende Charakter und das ist die Grundlage der gesamten Finanz- und Steuerpolitik dieser Regierung.
    Ich sagte schon: es ist nicht ganz merkwürdig, daß keiner — auch nicht die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion — auf diese entscheidende Grundfrage eingegangen ist. Das ist deswegen nicht merkwürdig, weil, wie wir ja wissen, in der Frage der Remilitarisierung prinzipiell völlige Übereinstimmung herrscht; und damit ist naturgemäß auch für die sozialdemokratische Fraktion eine grundsätzliche Kritik an dieser Regierung nicht möglich.
    Ich sprach vorhin davon, daß die Finanz- und Steuerpolitik zum Zwecke der Bereitstellung der Mittel für die Remilitarisierung zu Lasten des Volkes geht. Ich möchte einige Tatsachen aus der Finanz- und Steuergebarung ins Gedächtnis zurückrufen. Ich weise dabei auf die eigenen Veröffentlichungen der Regierung über die Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1950 hin. Danach machen dig Massensteuern — und hier, Herr Kollege Koch, differenziere ich zwischen Lohnsteuer und Einkommensteuer —, die Lohnsteuer, die Tabaksteuer, die Zölle und Verbrauchsabgaben zuzüglich Umsatzsteuer 82 % der gesamten Einnahmen aus. 82 % der Mittel für die Remilitarisierung werden also von den breiten Massen aufgebracht.
    Dazu muß man die Politik der Regierung auf dem Gebiete der Preise berücksichtigen. Ich nenne hier die Erhöhung der Eisen- und Stahlpreise, der Kohlenpreise, der Textilpreise, der Preise für die Verbrauchsgüter, der Preise für das Brot. Das alles bedeutet, daß der Arbeiter, aber nicht allein er, sondern auch der Sozialrentner, das Kriegsopfer, der Umsiedler durch die direkten und indirekten Massensteuern mit der Finanzierung der Remilitarisierung belastet werden. Wahrscheinlich ist der Prozentsatz noch zu gering, wenn ich sage, daß der Sozialrentner, der Arbeitslose, der Unterstützungsempfänger durch die Belastung mit den indirekten Steuern eine Senkung seiner Bezüge in den letzten Monaten um mindestens 30 % erlebt hat. Also praktisch wird auch der Allerschwächste mit herangezogen.
    Das trifft aber nicht nur diese Bevölkerungsschichten, sondern ebenso den Mittelstand. Die Zahl der Konkurse, der Zwangsvergleiche und Wechselproteste zeigt eine steigende Tendenz. Das beweist, daß der Mittelstand in den Strudel dieser Katastrophen- und Hungerpolitik der Regierung mit hineingerissen wird.

    (Zuruf von der Mitte: Siehe Ostzone!)

    Die Bauern werden von dieser Politik in gleicher Weise betroffen. Wir hatten ja aus Anlaß der Beratung des Etats des Ernährungsministeriums Gelegenheit, selbst aus den Kreisen der Regierungsparteien Stimmen der Kritik und Opposition zu hören. Das war eigentlich merkwürdig. Es ist nur dadurch zu erklären, daß wir vor Wahlen stehen.
    Da will man sich ein Alibi gegenüber der Politik schaffen, die man bisher mit der Regierung Adenauer betrieben hat und im Grunde auch weiter zu betreiben gedenkt. Aber es ist eine Tatsache, daß auch die Landbevölkerung, sowohl die Bauern als auch die Landarbeiter, von dieser Politik mit betroffen und sehr erheblich belastet werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß die steigende steuerliche Belastung des Bodens die Existenz der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe aufs schwerste gefährdet. Die Verschuldungen und hypothekarischen Belastungen sind z. B. in Niedersachsen innerhalb von sechs Monaten um mehr als 670/o gestiegen. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die Belastung pro Hektar mit Steuern im Jahre 1913/14 nur vier Mark betrug, während sie im Jahre 1949/50 auf ungefähr 120 DM angestiegen ist.
    Von der Politik der Finanzierung der Remilitarisierung und Kriegsvorbereitung werden alle werktätigen Schichten betroffen. Wir stellen also fest, daß die Regierung auf der einen Seite bereit ist, die Massen zu belasten, in großem Umfang zu belasten — ich habe das an Hand von Zahlen und Tatsachen nachgewiesen —, daß sie aber auf der anderen Seite die Reichen schont und den Besitzenden und Herrschenden ungeheuere Steuergewinne und -vorteile bringt. Ich möchte hier nur anführen, welche Folgen die Reform des Einkommensteuergesetzes gehabt hat. Es ist eine Tatsache, daß den steuerpflichtigen Großen im vergangenen Jahr annähernd eine Milliarde geschenkt worden ist. Aber das ist nicht alles. Durch die von der Erhardschen Katastrophen- und Preispolitik begünstigte Preisentwicklung, waren die Industrien in der Lage — und Herr Dr. Erhard brüstete sich ja damit —, im vergangenen Jahr rund 16 Milliarden DM zu investieren. Für dieses Jahr wurde errechnet, daß sie etwa 17 Milliarden DM investieren können. Wir wissen ja, daß die Erarbeitung der Mittel für die Investierungen nicht durch den Unternehmer geschieht, sondern daß diese Mittel aus den arbeitenden Schichten, aus der Arbeiterschaft herausgewirtschaftet und auch durch die Preispolitik erreicht werden. Das ist eine so bekannte Tatsache, daß ich darauf nicht naher einzugehen brauche. Ich mochte nur noch einmal unterstreichen, wohin das gefuhrt hat, namlich dahin, daß, wie selbst nach amtlichen Berichten, nach Erklarungen und Veroffentlichungen von Industrie-
    und Handelskammern feststeht, der großte Teil der Aktiengeseinschaften in der Lage gewesen ist, das Aktienkapital im Verhaltnis 1 zu 1 von R-Mark auf D-Mark umzustellen. Das sind Milliardenbetrage, die aus der Arbeiterschaft herausgewirtscnafter wurden und die die Unternehmer mit Begunstigung und Unterstutzung durch diese Regierung den Aktionaren haben zugute kommen lassen.
    Öffensichtlich ist aber selbst in diesen Schichten das Verurauen zu dieser Regierung und ihrer Wahrung nicht das beste. Es wurde festgestellt, daß etwa 800 Millionen DM bereits nach dem Auslande verschoben sind! — Wenn eine schweizerische Zeitung vor kurzem davon schrieb, daß es wohl zweckmaßig ware, die D-Mark in ihrem richtigen Wertverhaltnis festzusetzen, dann durfte das wohl eine weitere Bestätigung dafur sein. Ich habe bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, daß selbst der frühere Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff diese Finanzpolitik einmal mit der des alten Tür-


    (Müller [Frankfurt])

    kenreiches verglichen und gesagt hat, daß das Vertrauen zu dieser Wirtschaft also nicht das allerbeste sei.
    Es ist notwendig, noch auf eine andere Tatsache hinzuweisen, nämlich darauf, daß diese Regierung in Abhängigkeit und in Koordinierung mit der amerikanischen und mit der Marshallplan-Politik die Mittel, die aus den Massen herausgeholt werden, zur Finanzierung absolut nicht benötigter Zwangseinfuhren verwendet. Ich erinnere an Gemüse, an Obst; ich erinnere an die Importe von Kohle, die „notwendig" sein sollen. Unsere Kohle wird exportiert, und dafür dürfen wir sogenannte amerikanische Kohle 'einführen, deren Preisdifferenz wiederum auf die breiten Schichten abgewälzt wird.
    Ein weiteres .Zeichen und ein weiterer Beweis für die Katastrophenpolitik dieser Regierung ist die Tatsache der Verschuldung Westdeutschlands gegenüber dem Ausland. Wenn in der Anerkennung der Vorkriegs-Auslandsschulden und der seit 1945 gemachten Schulden in einem Gesamtbetrage von annahernd 53 Milliarden DM mit die Summe von bis jetzt ungefähr 15 Milliarden DM enthalten ist, dann ist das ein weiterer Beweis nicht allein nur für die Abhängigkeit und die Verschuldung, sondern auch für die Politik einer Regierung, die den Interessen des deutschen Volkes geradezu ins Gesicht schlägt.
    Ich sprach vorhin davon, daß die Regierung mit ihrer Politik die Massen belastet, daß die Mittel und die Wege dazu verschieden sind. Dazu gehört auch der Finanzausgleich. Dadurch, daß die Regierung den Ländern von ihren ihnen bisher zustehenden Zuweisungen ein Drittel weggenommen hat, wirkt sich das gegenüber den Ländern und Gemeinden so aus, daß diese nun ihrerseits dazu übergehen, nach neuen Einnahmequellen zu suchen. Es ist Tatsache, daß heute eine große Anzahl von Gemeinden und Städten auf dem Wege über die Erhöhung von Gebühren, der Wasser-, Strom-, Gaspreise, der Straßenbahntarife versucht, die ihnen entzogenen Mittel dadurch wieder zu ersetzen. Ich würde es für notwendig halten, daß gerade seitens der Gemeinden ein energischerer Widerstand gegen diese Politik geleistet wird.
    Nachdem nun neue Löcher im Etat aufgerissen werden — man spricht davon, daß weitere vier bis fünf Milliarden DM aufgebracht werden sollen—, geht man jetzt dazu über, neue Steuern, neue Belastungen durchzuführen: Sonderumsatzsteuer! Dabei wird bereits davon gesprochen, daß die Zahl der Artikel, die einbegriffen werden sollen, noch weiter erhöht werden solle. Der Kohlenpreis, der Margarinepreis, der Milchpreis werden erhöht. Das Konsumbrot wird ab 1. Juni um 15 Pfennig teurer, d. h. mit anderen Worten: wiederum Massenbelastungen seitens dieser Regierung des Hungers.

    (Zuruf aus der Mitte: Im Osten hungert man mehr!)

    Und es ist so, daß — —Vizepräsident Dr. Schmid: Kommen Sie bitte zum Schluß!