Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß der Herr Bundesfinanzminister auf die Angriffe, die die Opposition gegen ihn gerichtet hat, noch antworten wird. Es ist schließlich nicht die Aufgabe der Regierungsparteien, den Bundesfinanzminister selbst zu verteidigen, und er wird auch gar nicht den Wunsch haben, von anderen verteidigt zu werden. Aber auch wir möchten eine Stellung zu der Finanzpolitik des Bundesfinanzministers beziehen, und das soll in meinen Ausführungen versucht werden.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bertram hat einen anderen Finanzminister gefordert. Nun, Herr Kollege Bertram ist uns ein wertvoller Mitarbeiter im Finanz- und Steuerausschuß. Herr Kollege Bertram, wie wäre es, wenn Sie es einmal selbst versuchen würden?
Davon bin ich überzeugt, Herr Kollege Bertram, nach Ihren Ausführungen würden Sie als Bundesfinanzminister von dem Bund der Steuerzahler aufs freudigste begrüßt werden. Denn Ihr Programm würde ja dahin gehen, keine neuen Steuern zu erheben, sondern alles aus den vorhandenen Steuern zu decken.
Herr Kollege Bertram, Sie sind noch einige Jahre, vielleicht sogar einige Jahrzehnte jünger als ich, und in jüngeren Jahren hat man noch einen freudigen Optimismus.
Wenn man einige Jahre lang Finanzminister gewesen ist, dann geht man von diesem Optimismus ab und fängt an, nüchtern zu rechnen. Daß alle Ihre Berechnungen, die Sie dem Herrn Bundesfinanzminister vorgetragen haben, nicht richtig sein
können, ergibt sich doch einfach aus der Kassenlage. Wenn Ihre Rechnungen richtig wären, dann müßte der Bundesfinanzminister im Gelde schwimmen, während es in Wahrheit eben so ist, daß er sich an der Grenze der Kassenkredite bewegt, die wir ihm eingeräumt haben.
Herr Kollege Bertram, noch eines. Sie haben auf das Verhältnis der Ertragsteuern zu den indirekten Steuern hingewiesen. Nun rechnen Sie einmal folgendes nach. Nach der Durchführung der Novelle zum' Einkommensteuergesetz wird das Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer bei 7 Milliarden DM liegen. Rechnen Sie zu den Ertragsteuern dann noch die Objektsteuern, also Grund- und Gewerbesteuern hinzu, so sind wir schon bei 9 Milliarden DM. Rechnen Sie noch dazu die Abgaben aus dem Soforthilfegesetz und in Zukunft aus dem Lastenausgleich, so sind wir um weitere 1 1/2 Milliarden DM noch darüber hinaus. Und wenn Sie alles das zusammenrechnen — und das alles fällt doch unter den Begriff der direkten Steuern oder der Ertragsteuern —, so kommen Sie zu dem Ergebnis, daß die weitaus größere Hälfte unserer Steuern heute aus den direkten oder aus den Ertragsteuern gewonnen wird und nur der geringere Teil aus den indirekten Steuern.
Natürlich ist das Verhältnis bei uns nicht so gut wie bei den angelsächsischen Ländern. Aber, meine Damen und Herren, daß in reichen Ländern die direkten Steuern stärker angezogen werden können und daß der Anteil der Steuerlast dann in stärkerem Umfang auf die direkten Steuern verlagert werden kann, ist eine Binsenwahrheit. Wir gehören jedoch nun einmal nicht zu den reichen Ländern, und wir haben daher in dieser Beziehung ein etwas ungünstigeres Verhältnis als die reichen Länder in Kauf nehmen müssen. Aber daß dieses Verhältnis schlecht ist, kann unmöglich jemand behaupten.
Herr Kollege Koch, Sie haben uns — und ich habe das mit Vergnügen angehört — einige Worte aus dem Faust zitiert. Ja, hoffentlich ziehen Sie aus dieser Lektüre des Faust nicht die Konsequenz, nun mit denselben Methoden die Fehlbeträge zu decken, wie sie Mephistopheles dem Kaiser rät.
Meine Damen und Herren, diese Methode des Mephistopheles könnte uns in eine gefährliche Situation hineinführen.
Also an der Deckung der Ausgaben durch ordentliche Einnahmen werden wir wohl nicht vorbeikommen. Sie haben ein Steckenpferd, die Einkommensteuersenkung des vorigen Jahres, und Sie werden uns dieses Steckenpferd noch oft vorreiten. Ich will der Versuchung widerstehen, das, was ich in dieser Beziehung damals bei der Beratung der Novelle zum Einkommen- und Umsatzsteuergesetz erwähnt habe, noch einmal zu wiederholen. Nur eins möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen: Wir betrachten es als einen außerordentlichen Gewinn, daß damals der Tarif der Einkommensteuer in vernünftiger Weise gesenkt wurde, und wir werden an dieser Senkung des Tarifs auch unter keinen Umständen etwas ändern wollen.
Wir begrüßen es, daß der Bundesfinanzminister nachdrücklich darauf hingewiesen hat, daß der Tarif die Grenze dessen erreiche, was dem Steuerzahler zugemutet werden könne.
Die Änderungen, die wir bekommen, betreffen vor allen Dingen das System der Eigenfinanzierung.
Auch hier haben Sie scharfe Kritik geübt. Ich habe
Ihnen schon damals erwidert: es ist ja doch nicht
so, als ob alle Investitionen, die im Wege der Eigenfinanzierung in den letzten Jahren durchgeführt
worden sind, falsche Investitionen gewesen wären.
Denn, meine Damen und Herren, die stürmische Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft, die allen Bevölkerungsteilen zugute gekommen ist und seit der Währungsreform dahin geführt hat, daß auch das Realeinkommen der breiten Massen der Bevölkerung sich um 50 % vermehrt hat, wäre ohne diese Investitionen nicht möglich gewesen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie auf der linken Seite des Hauses grundsätzlich auf dem Standpunkt stehen, daß es besser sei, wenn die ganze Investitionslenkung in die Hände des Staates gelegt werden würde, glauben Sie denn wirklich, daß dann keine Fehlinvestitionen vorkommen würden?
Ich gebe ohne weiteres zu, daß in der Privatwirtschaft Fehlinvestitionen vorkommen, aber ich fürchte, daß die Fehler noch viel größer sein würden, wenn eine staatliche Planungskommission, so oder so zusammengesetzt, über Maß und Art der Investitionen zu entscheiden haben würde.
Nun haben Sie vorhin aus der Rede des Herrn Dr. Schumacher seine Ausführungen angeführt, daß die damals angekündigte Steuersenkung, die dann gemäß dem Regierungsprogramm auch durchgeführt wurde, in Konkurrenz mit unserer Verpflichtung zu sozialen Leistungen treten würde. Herr Kollege Koch, was damals Herr Dr. Schumacher gesagt hat, ist nicht Wahrheit geworden. Denn ich glaube, das können wir wohl in diesem Hause in Anspruch nehmen, daß wir unsere sozialen Verpflichtungen nicht vernachlässigt haben.
Das Gesetz über die Kriegsopferversorgung, das Gesetz zur Ausführung des Art. 131, die Erhöhung der Renten, alle legen Zeugnis dafür ab, daß wir diese sozialen Leistungen in einem Umfange zu bringen versucht haben, der die Tragfähigkeit des Bundes überhaupt in Frage stellt.
Und eben die erhöhten Aufwendungen für soziale Verpflichtungen, die nach unserem Dafürhalten notwendig waren, um den sozialen Frieden in unserem Lande zu sichern, stellen uns nun auch vor die Verpflichtung, für die erforderliche Deckung zu sorgen.
Daran können wir nun einmal nicht vorbeikommen. Man kann auch nicht sagen, der Herr Bundesfinanzminister hätte das alles voraussehen müssen und hätte vorsorglich alle möglichen Steuerpläne machen müssen. Meine Damen und Herren, für Finanzminister, die schon im voraus sich die Einnahmen verschaffen, habe ich wenig übrig, und ich glaube, ein solcher Bundesfinanzminister würde hier im Hause auch Ihren Beifall nicht erhalten haben.
Aber eines dürfen Sie auch nicht vergessen: Wir alle, glaube ich, haben nicht damit gerechnet, daß die Besatzungskosten uns so belasten würden, wie sie uns heute belasten, sondern wir haben, als wir vor zwei Jahren an die Arbeit gingen, im Grunde immer gedacht: ja, darin steckt noch irgendwie eine Reserve,
es wird ja einmal zu einer Verminderung dieser Lasten kommen, und dann können wir uns auf anderen Gebieten besser bewegen. Die ganze Entwicklung der politischen Lage, auch der Außenpolitik, hat es mit sich gebracht, daß wir einer noch höheren Belastung entgegensehen müssen. Es ist eine erschreckende Zahl! Wir werden ja wahrscheinlich in der nächsten Woche, wenn wir den Haushalt der Besatzungslasten im einzelnen hier verhandeln, über diese Dinge noch ausführlicher sprechen müssen. Aber das eine darf vielleicht auch in diesem Zusammenhang schon gesagt werden: Wenn die militärischen Maßnahmen der Besatzungsmächte, die ja doch dem Schutz Gesamteuropas dienen sollen, sich so auswirken, daß die Besatzungslasten bei uns immer und immer wieder steigen und wir dadurch gezwungen werden, soziale Maßnahmen zu vernachlässigen, dann würde ganz gewiß nicht der Zweck erreicht werden, dieses Gebiet krisenfest und abwehrbereit gegen die barbarischen Angriffe des Ostens zu machen.
Alle diese Dinge müssen im Zusammenhang gesehen werden, und wir werden die Aufgabe haben, diesen Zusammenhang bei den Beratungen der nächsten Woche den Besatzungsmächten eindringlich vor Augen zu führen.
Meine Damen und Herren, schauen wir einmal zurück auf die vergangenen Jahre! Wir hatten einmal Reparationen in Höhe von 2,5 Milliarden Mark zu zahlen, und die deutsche Wirtschaft der zwanziger Jahre hat unter dieser Reparationslast schwer geseufzt. Heute betragen die Reparationslasten oder die den Reparationslasten vergleichbaren Lasten für die Besatzung über 6 Milliarden DM und nach den weiteren Forderungen der Besatzungsmächte sogar 8 bis 9 Milliarden DM. Das geht einfach über die Grenzen des Möglichen hinaus.
Wenn dem deutschen Volk solche Lasten zugemutet werden, wird der Zweck, den wir gemeinsam mit den anderen westeuropäischen Mächten verfolgen wollen, dieses Land gegen die Angriffe des Ostens zu sichern, niemals erreicht werden.
Nun, meine Damen und Herren, zu dem immer wieder geforderten Gesamtprogramm des Herrn Bundesfinanzministers! Herr Bundesfinanzminister, Sie sind eigentlich sehr unfreundlich gewesen, und ich möchte Ihnen das in aller Offenheit sagen. Sie haben davon gesprochen, daß der Finanz- und Steuerausschuß saumselig arbeite und daß Ihnen infolgedessen mit jedem Tag 7 Millionen DM verloren gingen. Ich glaube, dieser Vorwurf ist in keiner Weise gerechtfertigt. Sie haben in diesem Hause wohl keinen treueren Ausschuß als den Finanz- und Steuerausschuß. Wir arbeiten wie die Bienen, wenn die Steuervorlagen des Finanzministers kommen, um sie zu verabschieden. Wenn im Augenblick in der Beratung der jetzt vorliegenden Gesetzentwürfe gewisse Stockungen eingetreten sind, — ja, meine Damen und Herren, wer kann es denn nun eigentlich einem Parlament verdenken, wenn es einen Gesamtüberblick, eine Gesamtschau zu haben wünscht?
Alle diese Vorlagen können doch nicht einzeln, eine nach der andern, verabschiedet werden, ohne einen Blick auf den Gesamtzusammenhang aller Vorlagen zu tun!
Das steht doch alles in engstem Zusammenhang! Man kann doch nicht sagen, die Umsatzsteuer habe mit der Sonderumsatzsteuer gar nichts zu tun. Ich jedenfalls kann das nicht anerkennen. Man kann doch unmöglich sagen, die Investitionssteuer, die jetzt in nebelhaften Umrissen vor uns auftaucht — nachdem die Wirtschaftsverbände ihre Pläne mehr spezialisiert haben, sehen wir etwas klarer —, habe keinen Zusammenhang mit der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Wirtschaftsverbände selber erklären ja: Wenn wir diese Last auf uns nehmen und in irgendeiner Form die erforderlichen Mittel für die notwendigen Investitionen in den Grundstoffindustrien aufbringen sollen — natürlich auf irgendeiner gesetzlichen Grundlage, ohne das geht es nicht —, dann müssen die Abschreibungsmöglichkeiten, die das Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz bietet, d. h. die §§ 7 a und 10 a erhalten bleiben. Also hier sind doch ganz enge Zusammenhänge gegeben.
Ich darf auch noch auf einen anderen Zusammenhang hinweisen. Wir können ja doch nicht die Einkommen- und Körperschaftsteuer erhöhen, ohne zu wissen, wer nun eigentlich den Raub bekommt. Auch hier besteht der engste Zusammenhang zwischen dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz und dem Gesetz zur Durchführung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. In diesen Tagen ist in Ansehung der Sonderumsatzsteuer hier ein Plan kundgetan worden, der aufs engste den Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer offenbart. Der Gedanke ist der, daß man doch vielleicht die Umsatzsteuer noch stärker erhöhen und dann auf die Sonderumsatzsteuer verzichten könne, dafür aber die sogenannten sozial kalkulierten Waren und Bedürfnisse einem geringeren Umsatzsteuersatz unterwerfen könne. Gerade darin zeigt sich wieder der enge Zusammenhang zwischen Umsatzsteuer und Sonderumsatzsteuer.
Also, Herr Finanzminister, wenn der Finanz- und Steuerausschuß immer wieder den Wunsch gehabt hat, alle diese Dinge in ihrer Gesamtheit zu übersehen, so ist das, glaube ich, durchaus berechtigt. Wir haben gleichwohl das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz in erster Lesung verabschiedet, wir werden heute nachmittag hoffentlich mit dem Gesetz über die Exportförderung fertig werden, und wir werden morgen auch an das Umsatzsteuergesetz herangehen. Aber ich glaube, ehe dieses Haus zu all diesen Dingen das letzte Wort sagen wird, muß der Strauß doch irgendwie zusammengebunden werden. Es kann nicht eine Blume nach der andern gepflückt werden.
Dieser Zusammenhang läßt sich nach meinem Dafürhalten gar nicht leugnen.
Meine Damen und Herren, auf das Einkommensteuergesetz im einzelnen will ich jetzt nicht eingehen. Wir haben im Finanz- und Steuerausschuß damit genug zu tun und haben uns auch hier schon bei der Aussprache über die Vorlage darüber unterhalten.
Nun freue ich mich, in einem Punkte mit den beiden Vorrednern der Opposition, mit Herrn Kollegen Koch und Herrn Kollegen Bertram, völlig übereinzustimmen. Das betrifft die Einrichtung der Bundesbetriebsprüfung und darüber hinaus die Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung. Meine Damen und Herren, seinerzeit im Parlamentarischen Rat hat diese Frage im Mittelpunkt unserer Auseinandersetzungen mit den Verbindungsstäben und den Gouverneuren gestanden. Es gab auch einen Zeitpunkt, in dem die drei Parteien CDU, allerdings minus CSU, SPD und FDP darin einig waren, eine Bundesfinanzverwaltung zu schaffen, und wir hätten wahrscheinlich diesen Plan auch durchführen können, wenn wir nicht auf den schroffen Widerstand der Besatzungsmächte gestoßen wären. Wir haben dann in den sauren Apfel der geteilten Bundesfinanzverwaltung beißen müssen. Heute ist die Situation viel schwieriger. Hätten wir damals durch Beschluß des Parlamentarischen Rates eine Bundesfinanzverwaltung geschaffen, so wäre kein Bundesrat dagewesen, der ein Nein hätte sagen können. Was wir jetzt erleben würden, wenn wir uns nun etwa zu einem Initiativantrag vereinigen würden: „Die notwendige Bundesfinanzverwaltung soll durch Änderung des Grundgesetzes geschaffen werden", — ja, meine Damen und Herren, das ist mir nach den gestrigen Ausführungen sehr zweifelhaft. Ich habe gestern ganz neue Begriffe gelernt. Ich habe gehört, daß es neben einem Volk noch ein Staatsvolk gibt
und daß es diese Dinge vor allen Dingen in den süddeutschen Ländern gibt. Nun, meine Damen und Herren, ich möchte sagen: Wir Preußen sind eigentlich bessere Leute!
Ich bin nun schon in der zweiten Hälfte des siebten Jahrzehnts. Ich habe in meinem ganzen Leben in Preußen niemals von einem preußischen Volk gehört, auch niemals etwas von einem preußischen Staatsvolk, auch niemals etwas von einem preußischen Vaterlande.
Ich lese gern Geschichtsbücher; und da fand ich — ich glaube es war bei Lamprecht —: Im 10. Jahrhundert taucht in der deutschen Literatur zum erstenmal das süße Wort „deutsch" auf: „diutisk". Dann werden wir darüber belehrt: „diutisk" heißt volkstümlich, volkszugehörig, volksverbunden. — Meine Damen und Herren, aus der Entstehungsgeschichte dieses Wortes könnten die Föderalisten etwas lernen, daß nämlich die Begriffe „deutsch" und „Gesamtheit des deutschen Volkes" in einem ganz engen Zusammenhang stehen. Meine Damen und Herren, neben dem deutschen Volke gibt es keine anderen Völker mehr, weder ein bayerisches Volk noch ein badisches Volk,
und es gibt auch weder ein bayerisches Staatsvolk noch ein badisches Staatsvolk.
Diese Begriffe gibt es nicht. Es gibt hier staatlich organisierte Gemeinschaften, die mehr oder weniger Rechte haben, und das, meine Damen und Herren, ist alles in dieser Geschichte!
Es ist gestern auch davon gesprochen worden, daß innerhalb dieser Länder und dieser „Staatsvölker" nun vielleicht sogar völkerrechtliche Grund-
sätze gelten könnten und daß sie Subjekte des Völkerrechts sein wollten. Wenn diese engeren Gemeinschaften innerhalb Deutschlands, diese selbständigen Staaten, die nach meinem Dafürhalten nie Völker waren, einmal in der deutschen Geschichte völkerrechtliche Subjekte gewesen sind — das gilt sowohl für Preußen wie für Bayern und auch für andere — und als völkerrechtliche Subjekte tätig geworden sind, dann war es immer ein nationales Unglück.
Ich habe mich vor einigen Tagen einmal mit dem Herrn Kollegen Etzel — den ich leider nicht im Hause sehe — unterhalten. Wir haben die Klingen gekreuzt, als wir uns über Bundesvermögen und Ländervermögen unterhielten; und da Herr Kollege Etzel ein ritterlicher Mann ist, hat er mir als Dankesgabe dann zwei Broschüren der Bayerischen Volkspartei überreicht, eine geschichtliche Darstellung unter der Überschrift: „Der Kampf Preußens gegen Bayern". Meine Geschichtskenntnisse sind durch die Lektüre dieser beiden Broschüren außerordentlich erweitert worden; aber ich habe dabei gesehen, daß man in Bayern ein ganz anderes Geschichtsbild hat als in anderen Ländern. Insbesondere wurde da den Preußen der Vorwurf gemacht, daß sie immer über das Reich hergefallen seien. Es kam natürlich Friedrich der Große daran, die Schlesischen Kriege, die arme Maria Theresia. Ja, sagte ich, Herr Kollege Etzel, ich habe immer gelernt, daß wir zusammen mit dem König von Sachsen und mit dem König Karl von Bayern über die Österreicher hergefallen sind. Wir waren doch alle im Bunde. Und als wir dann gemeinsam die arme Maria Theresia geplagt hatten, wurde zur Belohnung der bayerische König nun auch noch deutscher Kaiser — mit Hilfe Friedrichs II.
Wenn also der Vorwurf, daß die Preußen immer so reichs- und kaiserfeindlich gewesen seien, zuträfe, dann müßte er in diesem Falle doch zumindest auch für die Bayern zutreffen. Ich habe ihn dann auch noch an den spanischen Erbfolgekrieg erinnert — auch eine bedenkliche Sache; und es gäbe noch mehr Beispiele aus der deutschen Geschichte. In den vergangenen Zeiten, als gewisse Teile des einheitlichen deutschen Volkes in selbständigen Staaten organisiert waren, haben sie alle gesündigt, und keiner war besser als der andere. Aber diese Zeiten sind ja nun wohl überholt, und vor Rückfällen sollten wir uns hüten.
Mit dieser völkerrechtlichen Souveränität hängt, glaube ich, auch die Beutetheorie zusammen, die Herr Ringelmann mit Bezug auf Bundesvermögen und Ländervermögen neulich im Bundesrat entwickelt hat. Er hat gemeint, das ganze Reichsvermögen sei als Beute den Amerikanern und Franzosen zugefallen, und die Amerikaner und Franzosen hätten nun die Beute den Ländern überlassen, und diese Beute würden nunmehr die Länder niemals fahren lassen. Auf der Grundlage einer völkerrechtlichen Theorie einer selbständigen Rechtsperson der Länder könnte ja vielleicht dieser Grundgedanke eine gewisse rechtliche Fundierung finden.
Also, meine Damen und Herren, wenn wir uns dazu entschließen könnten, zu einer Bundesfinanzverwaltung zu kommen, so wäre es gut. Vielleicht ist der Herr Bundesfinanzminister in seinem Herzen schon auf unserer Seite. Herr Bundesfinanzminister, ich habe neulich in Siegburg einmal eine Vorlesung vor Ihren Finanzbeamten gehalten. Erst war es ein sehr erlauchtes Publikum, Oberfinanzpräsidenten, Abteilungsleiter und Ministerialbeamte, und nachher waren es dann nur die Finanzamtsvorsteher, aber eigentlich doch durchweg entweder ganz Länderbeamte oder halb Länderbeamte — Amphibien, wie die Oberfinanzpräsidenten!
Wenn ich da eine Abstimmung hätte machen dürfen, wer für die Bundesfinanzverwaltung sei, dann wäre das Votum einmütig zugunsten der Bundesfinanzverwaltung ausgefallen,
und selbst die bayerischen Oberfinanzpräsidenten hätten mit Ja abgestimmt. — Ich glaube also, die Zeit für diese Dinge ist allmählich gekommen.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. Herr Finanzminister, die Verabschiedung der ganzen Steuergesetze wird uns noch Sorge machen. Wir wissen, daß, wenn wir nun mal so große soziale Leistungen aufbringen wollen — und das haben wir übernommen —, dann auch für die Deckung gesorgt werden muß. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn wir diese großen sozialen Aufwendungen für alle die Kategorien, die ich aufgezählt habe, um des Friedens in unserem Lande willen machen, dann müssen wir auch die Entschlußfreudigkeit aufbringen, für die erforderliche Deckung zu sorgen. Aber, Herr Finanzminister, ich betone es noch einmal: wir können dabei an dem Gedanken, daß das Ganze in einer einheitlichen Schau gesehen werden muß, nicht vorbeigehen.