Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Redner der Opposition, Herr Dr. Koch, hat seine Rede mit klassischen Versen aus dem Faust begonnen, von denen er geglaubt hat, daß sie der Zeit angemessen wären. Ich darf meine Erwiderungsrede auch mit Versen beginnen, die aber bei weitem nicht so klassisch sind. Ich habe sie neulich zufällig in einer alten Nummer des „Kladderadatsch" gefunden.
einer Nummer aus jener goldenen Zeit, als ich noch auf der Universität saß und mir meine finanzwissenschaftlichen Professoren erklärt haben: es ist ganz ausgeschlossen, Steuern durchzusetzen, die mehr als 25 % des Einkommens umfassen. Keine Todesstrafe und keine Zuchthausstrafe würde es verhindern können, daß diese Steuern einfach nicht gezahlt würden. Also in der Zeit, als ich auf der Universität saß, etwa 1911, schrieb der „Kladderadatsch" von den damaligen Finanzministern, die ich heute ehrlich um ihr damaliges Amt beneide:
O wie glücklich ist der Mensch,
der nicht Finanzminister irgendwo geworden ist! Glücklich sei auch du,
wenn du's nicht bist!
Steuern muß er sich ergrübeln,
die ihm alle sehr verübeln,
und des Nachts im Geisterschritt
schleicht um ihn das Defizit.
Das war so, wie man in jener glücklichen Zeit den Finanzminister gesehen hat.
Aber nun im Ernst gesprochen: Sterben und Steuerzahlen muß jeder Mensch.
Es soll nur alles, was wir tun, einen Sinn erhalten. Dem Sterben muß die Religion den Sinn geben, dem Steuerzahlen sollte die Politik einen Sinn geben. Sie haben hier immer nur von den Steuerzahlern und von den Steuern gesprochen, Sie haben aber nicht von dem Sinn und Zweck gesprochen. Der Finanzminister ist nicht nur der, der nimmt; der Finanzminister ist auch der, der gibt.
Sie hätten keine einzige Ausgabe in diesem Hause beschließen können, wenn nicht der Finanzminister, und ich möchte sagen, durch ihn vertreten der Steuerzahler, Ihnen die Mittel dazu gegeben hätte.
Ich möchte keine langen Ausführungen machen, sondern möchte Ihnen, die Sie ja doch Ihr Urteil über die Finanzpolitik der deutschen Bundesrepublik abgeben wollen, empfehlen, einmal die amtlichen Verlautbarungen nachzulesen, die Ihnen zur Verfügung stehen. Ich habe hier den „Bundesanzeiger" vom 14. April 1951 und nehme an, daß ich das Studium des Bundesanzeigers in diesem Hohen Hause voraussetzen darf.
Wenn Sie sich in dieser Nummer die Übersicht I, die ich eigentlich als das von Ihnen so oft gewünschte „Nationalbudget" bezeichnen möchte, diese Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben in Bund und Ländern, ansehen, so werden Sie einmal unter den Ausgaben folgendes finden: Die Besatzungs- und Besatzungsfolgekosten haben im Rechnungsjahr 1948/49 3522 Millionen DM betragen, im vergangenen Rechnungsjahr, über das wir uns heute unterhalten, 4630 Millionen DM. Für die Finanzhilfe Berlin wurden im Rechnungsjahr 1948/49 219 Millionen DM aufgewendet, im Rechnungsjahr 1950/51 — hierin sind nur die haushaltmäßigen Zuwendungen enthalten, nicht weitere Hunderte Millionen, die nur in Ausgabeeinsparungen und Nichterhebung von Verbrauchssteuern bestehen — 540 Millionen DM. Die sozialen Kriegsfolgelasten sind von 2061 Millionen DM im Rechnungsjahr 1948/49 auf 3850 Millionen DM im Rechnungsjahr 1950/51 gestiegen; die sonstigen Soziallasten — Arbeitslosenfürsorge, Zuschüsse zur Sozialversicherung, sonstige Fürsorge und Gesundheitswesen — von zusammen 1730 Millionen DM auf 3130 Millionen DM, die Nettoinvestitionen, zu denen z. B. der Wohnungsbau gehört, von 1292 Millionen DM auf 3050 Millionen DM. Meine Damen und Herren, wir haben die sozialen Kriegsfolge-lasten im vergangenen Rechnungsjahr gegenüber dem Vergleichsjahr 1949 um rund 1800 Millionen DM gesteigert.
Wir haben die sonstigen Soziallasten gegenüber dem Vergleichsjahr um rund 1400 Millionen DM und die Nettoinvestitionen, Wohnungsbau, Arbeitsbeschaffung, um 1650 Millionen DM gesteigert.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister, der daran mitgewirkt hat, kann ruhig auf seine Arbeit zurückblicken.
Wenn es dem Finanzminister nicht gelungen wäre, die Mittel beizubringen, dann wäre diese enorme soziale Betätigung des deutschen Bundes und der deutschen Länder nicht möglich gewesen.
Ich darf gleich eines vorausschicken, weil wir uns hernach auch über das Verhältnis zu den Ländern unterhalten müssen: Meine Damen und Herren, wir wollen hier nicht soviel in Begriffen theoretisieren, sondern sollten uns lieber mit den Sachen und Dingen beschäftigen. Nach dem Grundgesetz sind nun einmal gewisse Aufgabengebiete ausschließlich den Ländern zugewiesen. In diesem „Nationalbudget" sehen Sie die Posten „allgemeine und innere Verwaltung , Rechtspflege, Bildungswesen" und „Finanzen". Diese Posten sind im neuen Jahr gegenüber dem Vergleichsjahr fast nicht gestiegen. Wir wollen jetzt nicht über Bund und Länder reden. Aber daß die deutsche Kultur nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes in den Händen der deutschen Länder liegt, ist nun einmal eine unbestreitbare Tatsache. Daß wir die Ausgaben hierfür nicht in dem Maße steidern können, wie wir es wünschten, stimmt uns etwas traurig; denn die deutsche Kultur dient in erster Linie der deutschen Jugend. Die deutsche Jugend, die Jugend eines Volkes, das in einer Generation zwei Weltkriege geführt hat und zwei Weltkriege mit einem Zusammenbruch hat enden sehen, bringt in das neue Leben kein Hab und Gut mit. Die deutsche Jugend kann im Wettbewerb der Jugend der Völker nur bestehen, wenn das deutsche Volk ihr Wissen und Können verschafft und gibt. Das ist die Aufgabe der deutschen Kultur. Nicht im Streit zwischen Bund und Ländern, sondern um der deutschen Jugend willen wünschte ich, daß wir die Steigerung, die wir bei den sozialen
Ausgaben vorgenommen haben, in einem ähnlichen, bescheideneren Maß auch bei der Förderung der deutschen Kultur vornehmen könnten.
Damit, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen zunächst einmal einen Grundgedanken gegeben, und ich darf nun auf die einzelnen Bemerkungen eingehen, die gegen die Tätigkeit des Bundesministeriums der Finanzen und sehr weit darüber hinaus manchmal gegen die allgemeine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung gerichtet worden sind.
Was der erste Redner über die Verwaltung meines Hauses gesagt hat, hat sich hauptsächlich auf zwei Punkte bezogen. Einmal wurde gesagt, daß das Bundesministerium der Finanzen den anderen Ministerien auch kein schönes Beispiel gegeben habe, indem es sich im Laufe des Haushaltsjahres veranlaßt gesehen habe, Nachforderungen zu stellen. Es waren das hauptsächlich Nachforderungen bei Postgebühren, beim Kraftfahrwesen und so fort. Ich glaube, auf die Einzelheiten nicht eingehen zu müssen. Wir haben im Ausschuß schon darauf hingewiesen, daß diese Nachforderungen vielleicht deshalb kamen, weil wir uns von Anfang an möglichst in engem Rahmen halten wollten und nicht voraussehen konnten, welche neuen Aufgaben uns erwachsen und welche Ausdehnung an Personal und an Räumen infolgedessen notwendig werden würde. Wenn ich mehr Beamte habe und wenn ich infolgedessen mehr Räume und in den Räumen Telefonanschluß nun einmal geben muß, damit sie überhaupt arbeitsfähig sind, dann wird ein solcher Voranschlag überschritten. Ich hoffe aber, daß wir nach dem Jahr des Aufbaus, das ja ein Jahr des Versuches ist, nun zu einem festen Stande kommen und deshalb künftig besser in der Lage sind, aus den Ist-Zahlen des Vorjahres die Soll-Zahlen des nächsten Jahres auf sicherer Grundlage zu errechnen.
Ich darf auf eine zweite Frage eingehen, die Verwaltung für Besatzungslasten in Homburg. Ich habe im Ausschuß schon erklären lassen und wiederhole es hier, daß das Bundesministerium der Finanzen beabsichtigt, diese Verwaltung in eine Bundesoberbehörde umzugestalten, was es von Anfang an wollte, wogegen aber die Länder damals Widerstände erhoben haben. Ich glaube, daß diese Schwierigkeiten heute nicht mehr bestehen und damit den Wünschen, wie sie auch im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommen sind, Rechnung getragen werden kann.
Nun zu den politischen Fragen. Es zieht sich wie ein roter Faden seit einem Jahr durch alle Debatten, wenn es sich um das Bundesministerium der Finanzen handelt, der Vorwurf von seiten der Opposition, der Bundesminister der Finanzen habe leichtsinnig durch die Einkommensteuersenkung 900 Millionen oder noch mehr D-Mark Steuereinnahmen hergeschenkt, und daher komme alle Not.
Ich darf zunächst einmal, nur damit die Zahlen sich nicht so in die Köpfe einfressen, jetzt am Schluß des Jahres feststellen, wie groß der Ausfall durch die Einkommensteuersenkung wirklich ist. Ich bitte, den Bundesanzeiger vom 14. April 1951 herzunehmen. Daraus sehen Sie, daß die veranlagte Einkommensteuer gegenüber dem Vorjahr ungefähr ein Mindererträgnis von 431 Millionen DM hat. Aber das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist die Entwicklung, die die Einkommensteuer im letzten Halbjahr genommen hat. Denn das wußte jeder, daß in dem ersten Halbjahr —
in dem die Rückzahlungen und dergleichen erfolgten — ein starker Einnahmeausfall eintreten würde. Wenn wir das Lohnsteueraufkommen je Halbjahr vergleichen, so ergibt sich im Vorjahrshalbjahr ein Erträgnis von 1093 Millionen DM und in diesem Halbjahr von 1 018 Millionen DM, ein Beweis, daß der Anschluß wieder erreicht und das frühere Erträgnis auf diesem Gebiet nunmehr wieder vorhanden ist. Bei der veranlagten Einkommensteuer betrug das Aufkommen im Halbjahr des Vorjahres 1134 Millionen DM und im Halbjahr 1950/51 969 Millionen DM. Die Differenz ist also im Halbjahr 165 Millionen DM. Das dürfte sich von der in der Öffentlichkeit immer zugrunde gelegten Zahl von 900 Millionen DM und mehr doch wesentlich unterscheiden.
Das zunächst einmal vorausgeschickt.
Dann zur Einkommensteuer selbst. Die Einkommensteuersenkung var, wie ich in diesem Hohen Hause ja schon oft betont habe, schon deshalb notwendig geworden, weil im September 1949 die ganze Last der Soforthilfeabgabe plötzlich zu den alten Steuerleistungen und Steuerlasten hinzugekommen ist. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir um die Jahreswende 1949/50 ernsthafte Sorgen haben mußten, ob das Aufkommen an Soforthilfeabgabe rechnungsmäßig erreicht, gesund erhalten werden könnte. Wenn Sie die Belastung — Soforthilfe, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer — zusammenrechnen, dann allein erhalten Sie das richtige Bild der Belastung des deutschen Steuerzahlers. Es war vorauszusehen, daß die alte Belastung plus neue Belastung — Soforthilfeabgabe — wirtschaftlich zu unmöglichen Ergebnissen führte. Ich kann jedenfalls als Ergebnis der Einkommensteuersenkung feststellen, daß die Soforthilfeabgabe von da ab gesundet ist und daß die Soforthilfeabgabe ihrem Zweck — und niemand wird bestreiten, daß das in erster Linie ein sozialer Zweck ist — voll zur Verfügung gestellt werden konnte. Wenn alle Länderregierungen — und ich darf wieder betonen: einmütig, gleichgültig welche politische Richtung in der einzelnen Landesregierung vertreten gewesen ist, auch die, die hier im Hause in der Opposition ist — damals der Einkommensteuersenkung zugestimmt haben, so war das mit aus der Überlegung geboren, daß Einkommensteuer in der alten Höhe plus den Auswirkungen der Soforthilfeabgabe, künftig Lastenausgleich, zusammen das Maß übersteigen, das wirtschaftlich erwartet werden müßte.
Mir werden heute, auch in diesem Hohen Hause, Vorschläge über neue Steuern gemacht, die ich schon längst überlegt habe, die aber aus gewissen Gründen, die leicht darzulegen sind, einfach unmöglich sind. In anderen Ländern kann ich eine Übergewinnsteuer einführen. Ich kann aber eine Übergewinnsteuer in meinem Lande nur einführen, wenn ich auch das Steuersystem des andern Landes habe. Wenn ich heute in Deutschland bei der Einkommensteuer einen Plafond — und ich muß doch von der höchstmöglichen Grenze ausgehen — von 80 % habe, wenn ich daneben rechnen muß, daß der Lastenausgleich mit 3 % Abgabe aus dem Betriebsvermögen eine Besteuerung des Gewinns von 30 % bedeuten kann, dann bin ich bei Einkommensteuer plus Lastenausgleich über 100 % Reineinkommen weit hinaus.
Ich habe ja dem Lastenausgleichsausschuß bereits
eine ziffernmäßige Berechnung gegeben, wie sich
Lastenausgleich plus Steuer in einzelnen Fällen auswirkt. Es war eine ganz stattliche Anzahl von Ziffern in Rot darin enthalten. Das waren die Ziffern, die der Überschuß an Belastung über dem Gesamteinkommen des einzelnen Abgabepflichtigen sind. Ich kann in solchen Fällen eine Übergewinnsteuer, die ja immer die großen Einkommensteuerzahler treffen soll, die durch diese Steuer in erster Linie schon betroffen und zum Teil über 100 % betroffen sind, nicht mehr einführen.
Bei der Körperschaftsteuer ist es das gleiche. Ich habe bei der Körperschaftsteuer künftig einen Satz von 60 %. 3 % Vermögensabgabe auf Grund des Lastenausgleichs, bei 10 % Dividende gerechnet, würden 30 % aus dem Gewinn bedeuten; mit 3 % Berliner Notopfer sind es 93 %. Die 7 %, die übrig bleiben, bieten den nötigen Spielraum für eine Übergewinnsteuer leider nicht. Ich wäre der erste gewesen, der eine Übergewinnsteuer eingeführt hätte, wenn nach dem deutschen Steuersystem dazu die Möglichkeit bestehen würde. Ich glaube, daß man sich zuerst einmal über diese Ziffern und Zahlen unterhalten muß, bevor in der Öffentlichkeit ohne weiteres die Forderung nach einer Übergewinnsteuer erhoben wird, die populär klingt, weil die große Masse glaubt, es trifft nur einen kleinen Teil, die aber praktisch nicht durchführbar ist. Ich bin der Meinung, wir sind auch in der parteipolitischen Werbung zur Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung verpflichtet.
Ich darf zweitens einen anderen Gedanken anführen. Ich habe auch an die Frage eines Spargesetzes, einer sogenannten Mehrverbrauchssteuer gedacht. Ich bin gern bereit, die Ziffern, die hier statistisch erarbeitet sind, der Öffentlichkeit und jedem einzelnen Herrn dieses Hauses zur Verfügung zu stellen. Wir haben ausgerechnet: selbst wenn wir einen Sparzwang schon bei einem Einkommen von 3 600 DM jährlich, also 300 DM monatlich, einführen würden, wäre bei der Einkommenschichtung, die wir haben, bei dem Notwendigen, was ich dem einzelnen für Lebensversicherung, sonstige Prämien und dergleichen belassen muß, der Ertrag erschreckend gering. Wir würden im ganzen Jahr nur auf einen Ertrag von ungefähr 300 Millionen DM gekommen sein und hätten das mit einem Sparzwang und einem Spargesetz erkaufen müssen, das wahrscheinlich in erster Linie nur die Festbesoldeten getroffen und damit nach meinem Dafürhalten in der Auswirkung eine soziale Ungleichheit eher verstärkt als abgeschwächt hätte.
Wie gesagt, ich bin gern bereit, über solche Pläne im einzelnen zu reden. Aber dann muß auch die richtige sachliche Unterlage gegeben sein, und es muß sich um eine rein sachliche Erörterung handeln.
Ich glaube also, sagen zu können: der Vorwurf, daß die Einkommensteuersenkung eine Verschwendung von Geldern gewesen sei, daß sie unsozial gewesen sei, daß das Bundesfinanzministerium sozial wirkende Steuern wie Übergewinnsteuer und dergleichen ablehne, ist wirklich nicht berechtigt. Finanzpolitik besteht darin, die Wirklichkeit und die Möglichkeiten zu erkennen und die Auswirkungen der einzelnen Steuer richtig abzuschätzen.
Es wird dann behauptet, daß in Deutschland die Entwicklung besonders dahin gehe, die indirekten Steuern zuungunsten der direkten Steuern zu steigern. Das wird so erzählt, als ob eine Bundesregierung gar keine andere Absicht hätte, als möglichst unsozial zu sein und möglichst den kleinen Mann zu drücken. Ich darf Ihnen ganz ehrlich sagen: das ist ein deutscher Fehler. Wenn man in Frankreich einen politischen Gegner angreift, dann erzählt man, daß er soundso viel Liaisons hat. Wenn man in Amerika einen Mann angreifen will, dann erzählt man, daß er unsaubere Geschäfte gemacht hat. Wenn man in Deutschland jemand angreifen will, dann besteht das darin, daß man ihm vorwirft, er handele unsozial, unnational und bewußt gegen das Wohl des Volkes.
Ich halte das für einen deutschen Fehler.
Da ist mir das französische System der Liaisons noch lieber!
Also ich möchte nur eines feststellen, eine ganz nüchterne Wahrheit: Deutschland kann sich trotz seiner Notlage mit den europäischen Völkern in dem Verhältnis direkter und indirekter Steuern sehr wohl vergleichen lassen. Es steht in der Liste, wenn ich das Verhältnis nehme, an zweiter Stelle. Frankreich, Italien und selbst England stehen unter Deutschland. Die Dinge liegen aber bei uns so: In den Zeiten, in denen Deutschland hohe Einkommen hatte, war das Erträgnis der direkten Steuern selbstverständlich auch hoch. In den Zeiten, in denen sich die Einkommenschichtung so gestaltet, daß der Steuerfiskus nicht auf eine große Zahl hoher Einkommen zurückgreifen kann, ist es ganz natürlich, daß das Erträgnis der direkten Steuern, verglichen mit dem Erträgnis der indirekten Steuern, zurückgeht und sich das Prozentverhältnis verschiebt. Sie werden auch in den reichsten Ländern, auch in den Vereinigten Staaten, eine ähnliche Entwicklung künftig wohl noch bemerken können.
Ich lehne also den Vorwurf, daß es sich um ein bewußtes Vorgehen der Bundesregierung handle, die indirekten Steuern möglichst zu erhöhen und die direkten Steuern möglichst zu senken, ab. Ich wundere mich auch, daß dieser Vorwurf in der heutigen Zeit erhoben wird, in der doch die Bundesregierung den Weg geht, den neuen Mehrbedarf, der im kommenden Haushaltsjahr an sie herantritt, nicht etwa aus den Bundessteuern, die das Grundgesetz dem Bund nun einmal nur in der Form von indirekten Steuern gegeben hat, wofür die jetzige Bundesregierung nichts kann,
nicht bloß aus den indirekten Bundessteuern zu nehmen, sondern gerade die direkten Steuern, Einkommen- und Körperschaftsteuer, sei es durch Erhöhung der Sätze bei der Körperschaftsteuer, sei es durch Wegfall der Steuervergünstigungen, insbesondere für die Eigenfinanzierung, zu steigern. Die Bundesregierung ist diesen Weg gerade deshalb gegangen, weil sie alle Möglichkeiten ausschöpfen will, um das Verhältnis des Aufkommens zwischen direkten und indirekten Steuern nicht zu verschlechtern, und zwar in dem Sinne zu verschlechtern, daß der Prozentsatz des Aufkommens der indirekten Steuern zu hoch wird. Sie tut das, obwohl ihr dieser Weg doch Schwierigkeiten bereitet, da ja die direkten Steuern Ländersteuern sind und infolgedessen gleichzeitig dafür gesorgt werden muß, daß dieses Mehraufkommen an Landessteuern für den Mehrbedarf des Bundes unmittelbar zur Verfügung gestellt wird.
Nun ist gesagt worden, daß die Haltung der Bundesregierung in bezug auf ihre Steuervorschläge schwankend sei. Der Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung letzten Endes nichts dafür kann, wenn über alle möglichen Pläne, die vielleicht einmal erörtert werden, in der Presse stets sofort große Artikel erscheinen, als ob das Kind schon geboren wäre, als ob es sich um einen festen Vorschlag handelte.
Ich stelle fest: richtig, wir haben seinerzeit im Anschluß an die Einkommensteuersenkung diesem Hohen Hause einen Entwurf über eine Luxussteuer zugeleitet. Diese Luxussteuer hat das Wohlgefallen dieses Hohen Hauses nicht gefunden, und der Entwurf wurde der Bundesregierung zurückgegeben. Es wurde auch über den Entwurf einer Süßwarensteuer gesprochen, die die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften nicht zugeleitet hatte. Ich darf dazu bemerken: Wir haben heute in allen Ländern der demokratischen Welt, in denen der Versuch gemacht werden muß, die Ausgaben, die notwendig sind, um jede Inflation zu vermeiden, um die Mehrlasten, die das Fieber der Welt not- wendigerweise zur Folge hat, doch aufzubringen und von der Gegenwart tragen zu lassen, die Entwicklung, daß nicht nur die Besteuerung des Verbrauchs sehr stark zunimmt, sondern gerade die Besteuerung der gehobenen Lebenshaltung in erster Linie überwiegt. Ich kenne sozialistische Länder wie Norwegen, das seine Umsatzsteuer in diesen Tagen von 6,25 auf 10 % erhöht hat. Ich möchte hören, welche Angriffe die Bundesregierung erfahren würde, wenn sie etwa dem Beispiel Norwegens gefolgt wäre. Es gibt kein Land, das heute nicht in seiner Not zur Besteuerung des Verbrauchs kommt.
Wenn die Bundesregierung Ihnen den Vorschlag einer Sonderumsatzsteuer macht, weil die Bundesregierung den sozial schwachen Schichten dieselbe Menge Brot und dieselbe Menge lebenswichtiger Nahrungsmittel auch mit ihren heutigen Einkommen gewährleisten will, wenn die Bundesregierung also um dieser sozial schwachen Schichten willen eine Steuer vorschlägt, die die gehobene Lebenshaltung betrifft und in der der frühere Ansatz der Luxussteuer und der Süßwarensteuer infolgedessen mit enthalten ist, dann kann man der Bundesregierung keinen Vorwurf daraus machen, daß sie vielleicht etwas Voraussicht gehabt und schon in einer Zeit, als die gesamte Öffentlichkeit von der Entwicklung, die nachher wirklich gekommen ist, noch keine Ahnung hatte, an die Besteuerung des Luxus und bestimmter entbehrlicher Gegenstände gedacht hat. Heute sind wir in der Entwicklung, und wenn Sie, meine Damen und Herren, mir vorlesen, was ich in der Denkschrift Drucksache Nr. 1000 im Jahre 1950 gesagt habe, dann muß ich erklären: Ich wollte, die Verhältnisse, unter denen ich das damals gesagt habe, bestünden noch heute!
Ich könnte dann die Finanzpolitik, die ich damals im Auge und mir als Ziel gesetzt hatte, heute noch durchführen. Das war eine Finanzpolitik, die für Zeiten des vollen Friedens und der vollen Friedenssicherheit gedacht war, eine Finanzpolitik, die davon ausging, daß wir und alle anderen friedliebenden Völker in der Lage sind, unsere ganze Produktionskraft dem Wiederaufbau und der sozialen Befriedung im Inland zu widmen. Heute bestehen diese Voraussetzungen nicht mehr.
— Ich werde Ihnen schon antworten! — Heute bestehen diese Voraussetzungen nicht mehr; heute
muß ich mit den Verhältnissen rechnen, denen ich heute gegenüberstehe. Heute. muß ich erkennen, daß es gewisse Notwendigkeiten im Staatsleben gibt, die nicht an finanziellen Schwierigkeiten scheitern dürfen. Wenn es sich um das Leben einer Nation handelt, dann m u ß ein Weg gefunden werden, ein Weg, den ich in früheren Zeiten nicht gegangen wäre, weil ich in früheren Zeiten auch nicht unter diesem Zwang der Tatsachen gestanden habe und weil die Gefahr, in der wir heute leider stehen, in früheren Zeiten nicht so drohend vor uns gestanden ist.
Es wurde dann gesagt, das Finanzministerium brauche die Steuern nicht, denn seine Schätzungen seien ja ohnehin nicht richtig. Ich darf dem Herrn Redner, der das behauptet hat, einmal sagen: Wer das Urteil ausspricht, daß Schätzungen einer Verwaltung nicht richtig sind, kann das Urteil eigentlich nur begründen, wenn er selbst schon früher einmal den Beweis erbracht hat, daß er besser zu schätzen vermag. Das Bundesfinanzministerium kann zunächst einmal darauf verweisen, daß seine Schätzungen für das vergangene Jahr jedenfalls in den Einnahmen von den Tatsachen nur bestätigt worden sind.
Ich kann heute am Schluß des Haushaltsjahres folgendes sagen: Wir haben das Aufkommen an den gesamten Bundessteuern im Haushaltsplan mit 9733,9 Millionen DM eingeschätzt. Wir haben nach den Ist-Zahlen einschließlich März 9870 Millionen DM erhalten, also einen kleinen 'Überschuß von 136 Millionen DM. Meine Damen und- Herren, ich glaube, das Bundesfinanzministerium kann sagen: es hat damals zwar kühn geschätzt, weil es die Wirtschaftsentwicklung, die die Finanzpolitik erreichen wollte, schon in die Rechnung mit eingesetzt hatte; aber es hat richtig geschätzt, und seine Schätzungen sind durch die Tatsachen nur bestätigt worden.
Ich darf daraus eine Legitimation für die Behauptung ableiten, daß die Schätzungen für das kommende Haushaltsjahr 1951/52 auch eine gewisse Autorität für sich in Anspruch nehmen dürfen.
Es ist nicht richtig, daß wir etwa die kommende Wirtschaftsentwicklung überhaupt nicht eingeschätzt hätten. Ich habe ja doch im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages die ganzen Ziffern im einzelnen bereits bekanntgegeben und brauche sie hier nicht zu wiederholen. Wir sind davon ausgegangen, daß ein großer Teil des Mehrbedarfes dadurch gedeckt werden kann, daß die Entwicklung, die uns aufgezwungen ist, auch eine starke Steigerung der deutschen Beschäftigung, eine Belebung der deutschen Wirtschaft bedingt, soweit das angesichts der Tatsache möglich ist, daß gerade die Schlüsselindustrien wie Kohle, Eisen, Stahl nicht so rasch wachsen. können und nicht binnen so kurzer Zeit entwicklungsfähig sind wie die verarbeitende Industrie, so daß die verarbeitende Industrie in ihrer Entwicklung durch den Zusammenhang mit den Schlüsselindustrien gehemmt ist. Wir haben in diesem Rahmen geschätzt, daß wir etwa eine Steigerung des deutschen Volkseinkommens von 8 bis 10 % zugrunde legen dürfen. Daraus ergibt sich dann die Berechnung des Steuermehraufkommens — mühsam statistisch, aber sicher sta-
tistisch — nach all den Erfahrungssätzen, die sich in der Vergangenheit bei der jeweiligen Steigerung oder Senkung des Volkseinkommens für die prozentuale Berechnung ergeben haben. Das ist die Grundlage, auf der wir aufbauen, und diese Grundlage ist längst in den Steuerschätzungen mit enthalten. Nur der Mehrbedarf, der durch das natürliche Aufkommen nicht gedeckt wird, wird durch die Reformvorschläge für die Einkommen- und die Umsatzsteuer angefordert.
Ich habe selber in diesem Hohen Hause schon betont, daß ich mich sehr schwer entschlossen habe, eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % vorzuschlagen. Aber ich habe auch betont, daß ich, wenn ich eine solche Steuererhöhung vorschlage, abschätzen muß, ob der Zweck, dem diese Steuererhöhung dient, auch das Opfer des Steuerzahlers wert ist. Da ich diese Frage bejahe, da ich ohne die Umsatzsteuererhöhung, die rund 1300 Millionen DM bringt, nicht in der Lage wäre, allein die Steigerung der sozialen Ausgaben, die im nächsten Jahr über 1700 Millionen DM beträgt, zu decken, und da ich weiß, daß das eine soziale Aufgabe des deutschen Volkes ist, habe ich mich entschlossen, Ihnen diese Vorlage vorzulegen. Wenn Sie über diese Vorlage zu entscheiden haben, meine Damen und Herren, dann haben Sie damit auch über den Zweck zu entscheiden, dem sie dient.
Nun wird gesagt, man solle an Ausgaben sparen. Ich glaube, in diesem Hohen Hause kann ich mich auf den Hinweis beschränken — ich habe Ihnen das in früheren Reden schon öfter zahlenmäßig dargelegt —, daß die Verwaltungskosten des Bundes, also die Ausgaben für Personal, für Gebäude und alle Betriebsmittel des Bundes, etwa 40/o des gesamten Haushalts ausmachen. Das sind etwas über 400 Millionen DM. Der Globalabstrich, den der Bundesminister der Finanzen allen übrigen Ressorts als Sparquote aufgezwungen hat, beträgt 220 Millionen DM, also mehr als die Hälfte der gesamten Verwaltungsausgaben des Bundes. Ich glaube, daß der Bund hier hinsichtlich der Sparsamkeit vor dem deutschen Steuerzahler bestehen kann und daß er sich, was den Verwaltungskoeffizienten anlangt, mit allen Körperschaften öffentlichen und privaten Rechts in Deutschland gut vergleichen kann.
Ich hätte um der deutschen Demokratie willen gewünscht, daß in der Öffentlichkeit keine falschen Bilder hervorgerufen worden wären
und daß man nicht soviel über Bonn als einen Sitz der Verschwendung und der Verschleuderung von Geld geredet hätte.
Wenn ich daran denke, daß Ziffern von angeblichen 400-Millionen-Bauten usw.
in die Köpfe der Bevölkerung hineingehämmert worden sind, und wenn ich dann damit die einfachen Ziffern des Haushaltes hier vergleiche, in denen Sie jeden Bau und jede Einrichtung bis zum letzten Pfennig verzeichnet finden, dann muß ich sagen: es würde dem deutschen Volk und dem Ansehen der Demokratie — .ungeachtet aller Parteigrenzen — viel dienlicher sein, wenn wir uns
mehr an die Wirklichkeit und an die gegebenen Zahlen hielten.
Ich bedaure es, wenn vom deutschen Volk immer als einem Volk gesprochen wird, das Geld verschleudert, und wenn gesagt wird, daß unrichtige Schätzungen gemacht würden und infolgedessen noch große Steuerreserven vorhanden seien. Ich bedaure das gerade um des deutschen Volkes willen in dieser Stunde.
Meine Damen und Herren, auch die Bundesregierung vertritt das gesamte deutsche Volk, und auch der Bundesfinanzminister, der heute mit den Besatzungsmächten über den Verteidigungsbeitrag verhandelt, vertritt das gesamte deutsche Volk.
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Ich wäre sehr dankbar, wenn ihm seine Stellung gegenüber den Besatzungsmächten durch die Haltung des deutschen Volkes erleichtert und nicht erschwert würde.
Als die letzte Anforderung von 6,6 Milliarden Besatzungskosten im Haushalt der Besatzungsmächte kam — dazu kommen nicht anerkannte Besatzungskosten, die nur im deutschen Haushalt stehen, in Höhe von etwa 800 Millionen und der sogenannte Überhang des vergangenen Jahres auf das neue Jahr in Höhe von rund 1900 Millionen DM, so daß sich also ein Posten von insgesamt rund 9 Milliarden DM ergibt —, da habe ich in der Öffentlichkeit und privat erklärt, daß die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers nicht ausreicht,
um als Besatzungskosten oder Verteidigungsbeitrag einen höheren Betrag zu leisten als den von mir im Etat für 1951/52 vorgesehenen, der der Öffentlichkeit bereits mitgeteilt ist. Das ist ein Betrag von insgesamt rund 6 Milliarden DM. Ich habe erklärt, daß wir heute am besten täten, überhaupt nicht von „Besatzungskosten" zu sprechen, sondern nur von einem „Verteidigungsbeitrag" und nur von einem Verteidigungsbeitrag, der nicht von uns angefordert wird, sondern über den wir beiderseitig verhandeln müssen. Wir Deutsche sollten erklären, daß wir, weil wir uns als demokratisches Volk, als gleichberechtigtes Glied der gesamten demokratischen Welt fühlen, bereit sind, unsere Lasten um der Sicherheit und Freiheit der demokratischen Welt willen zu tragen, daß wir das aber nur in dem Rahmen tun können, der der deutschen Wirtschaftskraft entspricht und nicht durch Überbelastung inneren Hader und inneren Streit hervorruft und damit das vernichtet, was der Verteidigungsschutz an der deutschen Grenze erreichen will: die Sicherheit des deutschen Volkes und der demokratischen Welt.
Dazu muß der Bundesfinanzminister allerdings auch bei den Besatzungsmächten das Vertrauen finden, daß sein Wort, die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit sei erreicht, richtig ist. Es darf ihm nicht dadurch eine Schwierigkeit gemacht werden, daß es heißt, die Schätzungen, auf die er diese Behauptung gründe, seien völlig unrichtig, und man könne seinen Worten infolgedessen nicht voll vertrauen. Ich bitte daher, daran zu denken, daß der Bundesfinanzminister dem Inland und dem Ausland gegenüber die gleiche Haltung einnehmen muß. Ich muß dem Deutschen Bundestag gegen-
über erklären: Wenn der Bundesfinanzminister erklärt, daß die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Verteidigungsbeitrages erreicht ist, so gilt das als vom Standpunkt des deutschen Steuerzahlers aus gesprochen auch im Inland. Ich werde in den nächsten Monaten in der schweren Lage sein, dem Deutschen Bundestag gegenüber bei manchen Wünschen zu sagen: ich glaube, daß die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit uns dazu zwingt, manches, was wir in diesem Jahre gern täten,
auf eine spätere Zeit zu verschieben, in der die deutsche Leistungsfähigkeit größer ist, es sei denn, wir entschließen uns unter Umständen, weniger wichtige Dinge zurückzustellen, um neue, aber dringlichere Dinge in Angriff zu nehmen.
Ich darf in diesem Zusammenhang, wenn ich von der Zukunft spreche, auch die andere Frage berühren, die in der Debatte eine so große Rolle gespielt hat. Aus einer sozialen Überlegung heraus, nämlich um das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern nicht zu ungünstig zu verschieben, habe ich mich entschlossen, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Deckung des Mehrbedarfs nicht aus den Bundessteuern allein, sondern auch aus den Landessteuern vorzunehmen. Infolgedessen entstand der Zwang, sicherzustellen, daß dieses Mehraufkommen, das geschaffen wird, auch dem Bund für seinen Mehraufwand zugeleitet wird. Das System der Interessenquoten muß verlassen werden. Wir müssen den Weg des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes beschreiten, womit zwangsläufig die Begehung des Weges nach Art. 108 des Grundgesetzes — Übergang der Verwaltung auf den Bund — verbunden ist. Die Länder wären schlecht beraten, wenn sie glauben würden, sie könnten durch ein Matrikularbeitragssystem die Anwendung des Art. 108 vermeiden. Nach dem Grundgesetz, das hier eine ausschließliche Regelung vorsieht, ist nur der Weg des Art. 106 Abs. 3 möglich. Art. 106 Abs. 3 spricht von einer Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Derselbe Wortlaut findet sich im Art. 108. Ich kann nicht dem Wortlaut des Art. 106 eine andere Deutung geben als dem des Art. 108. Wer das Grundgesetz geschaffen hat, hat seine Worte im Art. 106 genau so gemeint wie im Art. 108. Also ob Matrikularsystem oder nicht — die Anwendung des Art. 108 ist auf jeden Fall unvermeidbar. Aber das System der Matrikularbeiträge würde nach meiner Überzeugung im Grundgesetz gar keine Grundlage finden und wäre infolgedessen — abgesehen von allen finanzpolitischen Gesichtspunkten — rein verfassungsrechtlich nicht zulässig.
Die Länder wären auch deswegen finanzpolitisch schlecht beraten, weil die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer das Risiko im Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen Bund und Länder teilt. Wenn der Bund einen Prozentsatz an Einkommen- und Körperschaftsteuer erhält, so ist er am Minderaufkommen genau so beteiligt wie am Mehraufkommen.
Dagegen müßte bei einem festen Beitrag der Bund wahrscheinlich den Beitrag nehmen, der für seine nicht gedeckten Ausgaben reicht, und ein etwaiges Minderaufkommen ginge dann allein zu. Lasten der
Länder. Ich hoffe, daß wir uns infolgedessen grundsätzlich einig werden.
Der Prozentsatz wird von den Ländern bestritten werden. Aber ich möchte dazu bemerken: der Prozentsatz ist so berechnet, daß die Länder von ihren bisherigen Einnahmen nichts verlieren, also ihren Status quo behalten und daß nur das Mehraufkommen dem Bunde zufließt. Das geschieht nicht aus Liebe oder Haß zu irgendeinem System — Bund oder Länder —, sondern aus der ganz einfachen Überlegung — deswegen habe ich vorhin die Zahlen vorgelesen —, daß die Ausgaben für die deutsche Kultur in den letzten Jahren nicht gesteigert werden konnten und daß wir es wohl kaum verantworten können, diese Ausgaben für die deutsche Kultur dadurch zu senken, daß wir den Ländern die Mittel für die Bildung der deutschen Jugend wegnehmen. Ich glaube, daß dieser Weg ein gerechter und billiger ist.
Nun ist es — entschuldigen Sie — vielleicht typisch deutsch, daß bei dieser sich ganz natürlich ergebenden Entwicklung im deutschen Parlament sofort eine große Grundsatzfehde zwischen Föderalisten und Unitaristen beginnt. Meine Damen und Herren, Grundsatzfehden und -aussprachen haben schon manchmal eine , natürliche Entwicklung sehr gehindert. Andere Länder, die politisch ältere Demokratien als wir haben, haben es sich abgewöhnt, viel von Grundsätzen zu sprechen, und haben es sich anerzogen, mehr von Zweckmäßigkeit zu reden. Tun wir im Rahmen des Grundgesetzes das, was der Allgemeinheit des deutschen Volkes dient, und wir werden richtig handeln! Nach dieser Maxime, ohne Streit über Föderalismus und Unitarimus,
weiß ganz genau: Er kann seinen Weg nur dann finden, und er kann die Völker nur dann für sich sturmreif machen, wenn er veranlaßt, daß der Einsatz für dieses Ziel friedlicher Arbeit nicht mehr voll geleistet werden kann, sondern wenn ein großer Teil der Produktivkraft aller Völker nunmehr der Sicherheit gewidmet werden muß.
Und deswegen bitte ich den Deutschen Bundestag,
und deswegen bitte ich den Deutschen Bundestag
und das deutsche Volk, daran zu denken: die Erhaltung der Sicherheit der demokratischen Welt,
der Frieden in dieser Welt und die Sicherheit, daß unsere Söhne leben bleiben, sind mehr wert als ein vorübergehendes Opfer!