Protokoll:
5128

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 128

  • date_rangeDatum: 25. Oktober 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:19 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Inhalt: Begrüßung einer Vertretung des dänischen Parlaments unter Führung seines Präsidenten 6444 C Abg. Härzschel tritt in den Bundestag ein 6441 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 6441 A Amtliche Mitteilungen 6441 B Fragestunde (Drucksachen V/2188, V/2206) Frage des Abg. Genscher: Tarifkonflikt der Metallindustrie Nordwürttembergs-Nordbadens Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär- 6441 B Genscher (FDP) . . . . . . . . 6441 C Dr. Staratzke (FDP) 6442 A Matthöfer (SPD) . . . . . . . 6442 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . 6442 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . 6442 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6443 A Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 6443 B Dr. Friderichs (FDP) 6443 C Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 6444 A Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . 6444 B Fragen der Abg. Rawe und Schlager: Verhalten des hessischen Generalstaatsanwalts im Falle der Ausstellung des „Braun-Buches über Kriegs- und Naziverbrecher" Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6444 D Rollmann (CDU/CSU) 6445 A Schlager (CDU/CSU) 6445 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 6446 A Matthöfer (SPD) 6446 B Damm (CDU/CSU) . . .. . . . 6446 C Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 6446 C Lenze (Attendorn) (CDU/CSU) . 6447 A Zoglmann (FDP) 6447 B Genscher (FDP) 6447 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 6447 D Schoettle, Vizepräsident . . . . 6448 A Frage der Abg. Frau Freyh: Verbesserung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6448 A Frau Freyh (SPD) 6448 B Westphal ,(SPD) 6448 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 Fragen der Abg. Frau Renger und Kaffka: Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen Schoettle, Vizepräsident . 6449 A, 6449 B Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 6449 B, 6452 C Frau Renger (SPD) 6449 D Frau Freyh (SPD) - 6450 A Frau Funcke (FDP) 6450 C Dr. Müller (München) (SPD) . . 6451 A Moersch (FDP) 6451 B Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU) 6451 C Frau Eilers (SPD) . . . . . . . 6452 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 6452 A Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 6452 B Fragen der Abg. Frau Eilers: Weibliche Beamte des höheren Dienstes und weibliche Angestellte in vergleichbaren Dienststellungen in den Personalabteilungen der obersten Bundesbehörden Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6453 A Frau Eilers (SPD) . . . . . . 6453 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Feststellung bzw. Verfolgung von Verbrechen an deutschen Soldaten, Kriegsgefangenen und deutschen Vertriebenen Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6453 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6453 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 6454 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Vorschlag der Seliger-Gemeinde zur Bildung einer neutralen Kommission zur Untersuchung des auf deutscher und tschechoslowakischer Seite geschehenen Unrechts Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6454 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6454 C Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Erlaß einer einstweilige Anordnung a) dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen auf Grund des Parteiengesetzes zu erteilen, b) dem Herrn Bundesfinanzminister zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten, c) den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes bereits empfangen haben, nicht zu verfügen — Drucksache V/2190 — 6454 D Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht i . Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Feststellung ,der Vereinbarkeit der §§ 18, 34 und 35 sowie 39 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) 2. Antrag der Deutschen Friedens-Union (DFU) auf Feststellung, daß die §§ 18, 20, 21, 34 und 35 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) verfassungswidrig und nichtig sind 3. Antrag der Europäischen Föderalistischen Partei Deutschlands (Europa-Partei) auf Feststellung, daß § 2 Abs. 2, §§ 5, 18, 25 und 34 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen — Drucksache V/2191 — . . . . . . 6455 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) (Drucksache V/2150) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 (Drucksache V/2149) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Verbilligung von Gasöl für Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verbilligungsgesetz — Landwirtschaft) (Drucksache .V/2194) — Erste Beratung —, mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung (Finanzplanungsrat) (Drucks ache V/2134) und mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 III Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern (Drucksache V/2164) Dichgans (CDU/CSU) zur GO . . . 6455 D Schoettle, Vizepräsident, zur GO . 6456 A, 6456 C Schulte (SPD) zur GO 6456 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . 6457 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 6462 D Windelen (CDU/CSU) 6472 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 6477 C Röhner (CDU/CSU) 6480 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 6482 C Dr. Miessner (FDP) 6484 D, 6486 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6485 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6486 A Ertl (FDP) 6487 A Wurbs (FDP) 6488 B Nächste Sitzung 6489 C Anlage 6491 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 6441 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 27. 10. Dr. Arnold 25. 10. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 25. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Behrendt * 27. 10. Bergmann * 27. 10. Blachstein ** 25. 10. Blumenfeld ** 25. 10. Böhm 3. 11. Dr. Dittrich * 27. 10. Draeger ** 25. 10. Frau Dr. Elsner 27. 10. Dr. Emde 27. 10. Flämig ** 25. 10. Frau Geisendörfer 26. 10. Gerlach* 27. 10. Gibbert 27. 10. Haase (Kellinghusen) 28. 10. Hamacher 27. 10. Dr. Hellige ** 25. 10. Herold ** 25. 10. Hussong 27. 10. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der WEU Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ils 25. 10. Jacobi (Köln) 26. 10. Dr. Jungmann 31. 10. Kahn-Ackermann ** 25. 10. Dr. Kempfler ** 25. 10. Kiep 27. 10. Klinker * 25. 10. Dr. Kopf ** 25. 10. Kriedemann * 26. 10. Kunze 31. 10. Lemmer 25. 10. Lenz (Brühl) 31. 10. Lenze (Attendorn) ** 25. 10. Liehr 10. 11. Dr. von Merkatz 3. 11. Merten 31. 10. Mertes 25. 10. Müller (Aachen-Land) * 27. 10. Paul 27. 10. Pöhler ** 25. 10. Dr. Rutschke ** 25. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 10. Dr. Schulz (Berlin) 30. 11. Dr. Starke (Franken) 25. 10. Steinhoff 27. 10. Strohmayr 26. 10. Stücklen 25. 10. Weimer 25. 10. Frau Dr. Wex 25. 10.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren: ich habe zunächst folgendes mitzuteilen. Als Nachfolger für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Geißler ist am 19. Oktober 1967 der Abgeordnete Härzschel in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße den uns bekannten Kollegen in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall.)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die .Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. Das Haus ist damit einverstanden? — Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 23. Oktober 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauknecht, Ehnes, Stooß und Genossen betr. bedrohliche Situation auf dem Apfelmarkt — Drucksache V/2169 — beantwortet. Sein Schreiben wird els Drucksache V/2184 verteilt.
Dann kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache V/2188 —
Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Mündlichen Anfragen auf Drucksache V/2206, und zwar zu der Frage des Abgeordneten Genscher aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft:
Wird die Bundesregierung die Situation im Tarifkonflikt der Metallindustrie Nordwürttembergs-Nordbadens zum Anlaß nehmen, unverzüglich zu einem Gespräch im Rahmen der konzertierten Aktion einzuladen?
Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte antworten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512800100
Die Antwort auf Ihre Frage, Herr Kollege Genscher, ist nein. Der Teilnehmerkreis der konzertierten Aktion ist zwar zum 9. November 1967 eingeladen worden, aber völlig unabhängig vom Tarifkonflikt in der Metallindustrie, auch unabhängig von anderen Tarifgesprächen.
Tatsächlich dienen die laufenden Erörterungen im Rahmen der konzertierten Aktion ja auch in erster Linie der gegenseitigen Information der Teilnehmer über die wirtschaftliche Lage, der Klärung der wirtschaftlichen Zielvorstellungen der Bundesregierung und der Vorbereitung etwa notwendig werdender wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Eine Einschränkung der Tarifautonomie oder eine Beeinflussung der Tarifpartner wird von den Teilnehmern weder gewünscht, noch ist sie von der Bundesregierung beabsichtigt, wenn auch für den Aufschwung Orientierungsdaten über wichtige gesamtwirtschaftliche Einkommensgrößen von den Teilnehmern erarbeitet werden sollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512800200
Herr Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0512800300
Herr Staatssekretär, da Ihnen gewiß nicht entgangen ist, daß ich keineswegs die Absicht hatte, den Herrn Wirtschaftsminister aufzufordern, etwa eine Schlichterrolle zu übernehmen, muß ich noch einmal fragen: Finden Sie nicht, daß die gegenwärtige Situation — übrigens nicht nur in Nordwürttemberg und Nordbaden, sondern auch an vielen anderen Stellen — Anlaß wäre, zu einer aktuellen Sitzung im Rahmen der konzertierten Aktion einzuladen, oder halten Sie in dieser Situation die konzertierte Aktion gar nicht mehr für ein geeignetes Mittel?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512800400
Die konzertierte Aktion — ich darf das noch einmal präzisieren, Herr Kollege Genscher — steht nicht zur Schlichtung oder auch nur zur Beeinflussung von Tarifverhandlungen zur Verfügung. Selbstverständlich ist der Bundeswirtschaftsminister bereit, bei drohenden Tarifkonflikten zu Erörterungen des Gesamtproblems zu laden, wenn er darum gebeten wird. Dies ist auch im .Falle des Tarifkonflikts in Nordbaden-Nordwürttemberg geschehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512800500
Herr Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0512800600
Herr Staatssekretär, darf ich aus dieser Ihrer Antwort entnehmen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht von selbst tätig geworden, sondern von beiden Parteien aufgefordert worden ist, tätig zu werden?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512800700
Er ist von einer Partei aufgefordert worden, tätig zu werden.

(Abg. Genscher: Können Sie sagen, von welcher?)

— Nein, das möchte ich hier nicht sagen. Vizepräsident Schoettle: Herr Staratzke!

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0512800800
Herr Staatssekretär, soweit wir unterrichtet sind, war doch für den 13. Oktober eine Zusammenkunft im Rahmen der konzertierten Aktion vorgesehen. Warum ist dieser Termin verschoben worden, obgleich doch die prekäre Situation gerade eine solche Einberufung im Rahmen der konzertierten Aktion notwendig gemacht hätte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512800900
Herr Kollege Staratzke, das waren reine Termingründe. Es war einfach keine Zeit für die notwendige Vorbereitung. Die prekäre Situation hat dann zu der Deutung Anlaß gegeben, daß andere Gründe dafür verantwortlich seien. Aber das ist tatsächlich nicht der Fall gewesen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512801000
Herr Matthöfer!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0512801100
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die Gelegenheit der nächsten Gespräche im Rahmen der konzertierten Aktion dazu benutzen, darauf hinzuweisen, daß ein weiterer Abbau der Reallöhne und Realgehälter den Konjunkturaufschwung durch die dadurch hervorgerufene Verminderung der Massenkaufkraft gefährden könnte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512801200
Herr Kollege Matthöfer, der Teilnehmerkreis hat schon in einer der letzten Sitzungen darüber Übereinstimmung erzielt, daß eine negative Lohnpolitik nicht in Frage kommen kann und mit zunehmender Konjunkturbesserung sich von selbst erledigt, auch bei den Unternehmen, die diese Politik einschlagen mußten oder eingeschlagen haben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512801300
Eine Zusatzfrage, Herr Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0512801400
Ist die Bundesregierung — wenn sie eine negative Lohnpolitik nicht befürwortet — der Meinung, daß die jetzigen Bemühungen der IG Metall um eine Sicherung der Effektivverdienste zu begrüßen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512801500
Die Bundesregierung geht nicht so weit, in Tarifverhandlungen mit Rat oder gar mit Tat einzugreifen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die Gespräche, die der Bundeswirtschaftsminister geführt hat, waren auch nur zur Erörterung des Gesamtproblems bestimmt. Sie sind soeben zu Ende gegangen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512801600
Herr Zoglmann!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0512801700
Herr Staatssekretär, nachdem Sie soeben hier erklärt haben, daß nur einer der beiden beteiligten Partner den Herrn Bundesminister Schiller veranlaßt hat, zu Gesprächen einzuladen, darf ich an Sie die Frage richten, ob Sie das Verhalten dieses einen Tarifpartners in der augenblicklichen wirtschaftlichen Lage als einen konstruktiven Beitrag betrachten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512801800
Herr Kollege Zoglmann, das Verhalten von Tarifpartnern, von Unternehmern und von Arbeitnehmern, ist in diesem Jahr durch die Folgen der Rezession bestimmt, die sie nicht selbst verursacht haben.

(Abg. Memmel: Wer ist denn der eine Geheimnisvolle?)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512801900
Herr Zoglmann zu einer Zusatzfrage.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0512802000
Herr Staatssekretär, nachdem Sie soeben erklärt haben, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller keine konkreten Ratschläge erteilen wird, möchte ich Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller in diesen Gesprächen auch nicht über das Problem der Mitbestimmung gesprochen hat.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512802100
Herr Kollege Zoglmann, vielleicht können wir Ihre Frage durch das Ergebnis des Gesprächs als erledigt betrachten. Das Gespräch hat nämlich damit geendet, daß sich die Tarifpartner in den nächsten Tagen erneut zu eigenen Verhandlungen zusammenfinden werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512802200
Herr Ertl!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512802300
Herr Staatssekretär, ist nach Ihrer Auffassung eine andere Situation als im vorigen Jahr gegeben, wo der Herr Bundesminister Schiller von der damaligen Regierung genaue Lohnleitlinien zur Orientierungshilfe bei Maßnahmen zur Stabilisierung, aber auch bei Maßnahmen der Tarifpartner gefordert hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512802400
Erstens einmal ist die Situation anders, und zweitens hat weder der Bundeswirtschaftsminister Schiller noch der Abgeordnete Schiller Lohnleitlinien gefordert. Er hat sich dafür eingesetzt — und das ist auch jetzt noch seine Politik in Übereinstimmung mit der Bundesregierung —, daß Orientierungsdaten auch über diese



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
Größen erarbeitet werden, wenn der Aufschwung naht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512802500
Herr Ertl!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512802600
Darf ich dann fragen, ob diese Orientierungsdaten erarbeitet worden sind und wie sie lauten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512802700
Die Orientierungsdaten des Jahres 1967 sind nicht mehr ganz aktuell, Herr Kollege Ertl. Es wird in den nächsten Monaten darauf ankommen, sich über das Jahr 1968 Gedanken zu machen. Es liegen schon Vorausschätzungen von wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten vor. Wir werden auch eine Prognose vom Sachverständigenrat bekommen. In diesem Zusammenhang ist die Bundesregierung veranlaßt und gezwungen — und sie wird das auch rechtzeitig tun —, einen Jahresbericht mit ihren eigenen Zielvorstellungen vorzulegen. Das wird selbstverständlich auch im Rahmen der konzertierten Aktion erörtert werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512802800
Herr Müller-Hermann!

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0512802900
Herr Staatssekretär, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, wäre ich Ihnen für eine Auskunft darüber dankbar, ob Sie die Tatbestände, die zu dem jetzigen Tarifstreit geführt haben, als einen Akt negativer Lohnpolitik betrachten, wie es Kollege Matthöfer ausdrückte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512803000
Es ist wahrscheinlich kein Akt negativer Lohnpolitik, und ich glaube nicht, daß ich dieses Mißverständnis hervorgerufen habe, Herr Kollege Müller-Hermann. Es ist ein Akt des Lohnabbaues, der durch die allgemeine Rezession erzwungen worden ist und vielleicht auch in dem einen oder anderen Falle in Formen stattgefunden hat, die überflüssig waren. Daß da die eine Seite eine Sicherung wünschte, ist verständlich.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512803100
Herr Imle!

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0512803200
Herr 'Staatssekretär, habe ich Sie soeben richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, daß die damalige Aussage wegen der Lohnleitlinien von dem Abgeordneten Schiller gemacht worden sei, während heute die Situation eine andere sei, weil er Minister sei? Darf ich daraus schließen, daß, wenn ich als Abgeordneter einmal etwas gesagt habe, es für mich keine Geltung mehr hat, wenn ich Minister bin?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512803300
Da haben Sie mich durchaus falsch verstanden, Herr Kollege.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0512803400
Können Sie mir dann erklären, wie Sie es richtig gemeint haben?

(Heiterkeit. — Zuruf von der SPD: Protokoll nachlesen!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512803500
Der Abgeordnete Schiller hat im vorigen Jahr an die damalige Bundesregierung, wenn auch ohne Erfolg, appelliert, die Vorschläge des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — eines von diesem Hause geschaffenen Gremiums — auf Einberufung und Durchführung einer konzertierten Stabilisierungsaktion zu unterstützen. Dem ist nicht Folge geleistet worden. Die Folgen haben wir heutzutage alle gemeinsam zu tragen und diese Folgen haben auch bei der Verschärfung der Lohnkonflikte eine Rolle gespielt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512803600
Herr Friderichs!

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0512803700
Herr Staatssekretär, nachdem mein Kollege Genscher zum Ausdruck gebracht hat, daß er keineswegs die Absicht hatte, den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu einem Eingriff als Bundesschlichter in die Tarifauseinandersetzungen zu bringen, frage ich Sie, ob die Bundesregierung in dem nächsten Gespräch, also im November, objektive Orientierungsdaten zur Verfügung stellen wird, oder subjektive im Sinne des Kollegen Matthöfer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512803800
Es geht immer nur um objektive Daten, Herr Kollege. Ich habe auch den Kollegen Matthöfer nicht so verstanden, daß er Subjektivität in seine Ausführungen hinein legen wollte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512803900
Herr Friderichs!

Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0512804000
Darf ich Ihnen eine Zusatzfrage stellen, Herr Staatssekretär. Hängt die Verschiebung des Gesprächs und die Vorbereitung des nächsten konzertierten Aktionsgesprächs unter Umständen mit dem Vorschlag zusammen, für die aktive Rolle innerhalb der Bundesregierung außer dem Bundeswirtschaftsministerium nunmehr auch das Schatzressort und das auch von der CDU geführte Ressort Arbeit zu beteiligen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512804100
Soweit Fragen der Vermögens- und Einkommenspolitik zur Diskussion stehen werden, wird selbstverständlich der Bundesminister für Arbeit eingeschaltet werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512804200
Herr Staratzke, Sie können sich setzen; Sie kommen nicht mehr dran. Sie haben schon zwei Fragen gehabt.

(Zuruf: Eine!)

— Nein, nein, so machen wir es nicht.




Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0512804300
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren bisherigen Ausführungen entnehmen, daß die Bundesregierung die augenblickliche Situation in Baden-Württemberg und die daraus sich ergebenden Verhandlungen usw als ein Musterbeispiel konzertierter Aktion ansieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512804400
Nein; ich habe gerade klarzumachen versucht, daß ein solcher Zusammenhang nicht besteht. Die Frage Ihres Kollegen Genscher zielte ja auch dahin, ob in der konzertierten Aktion solche Gespräche geführt werden sollen, und da habe ich gesagt: nein. Tatsächlich ist die Rolle eines Schlichters für einen Bundesminister nicht gut denkbar, und sie wird vom Bundeswirtschaftsminister abgelehnt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512804500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0512804600
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob es stimmt, daß von dem Vorsitzenden des DGB zwei Briefe an die Herren Minister Schmücker und Katzer in diesem Zusammenhang geschrieben worden sind.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512804700
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Schmidt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512804800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0512804900
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, unter welcher Leitlinie die Bundesregierung den augenblicklichen Arbeitskampf, die Auseinandersetzung zwischen der IG Metall und dem Metallindustriellen-Verband beurteilt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512805000
Die Bundesregierung, Herr Kollege Dahlgrün, ist auf das äußerste daran interessiert, daß die gegenwärtigen Keime des Konjunkturaufschwungs nicht durch einen Streik gefährdet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung ist ebenfalls auf das äußerste daran interessiert, daß das augenblickliche soziale Klima der Rezession nicht andauert. Aus diesem Grunde hat der Bundeswirtschaftsminister die Aufforderung zu einem derartigen vorbereitenden Gespräch akzeptiert, und dementsprechend haben sich nach sehr langen Unterhaltungen, nach einer sehr ausführlichen Erörterung von nahezu 20 Stunden die Teilnehmer in ehrlicher Bemühung zu neuen Verhandlungen verabredet und werden ihren Beschlußgremien empfehlen, den Streik zunächst auszusetzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512805100
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dahlgrün.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0512805200
Herr Staatssekretär, können Sie mir irgendwie zahlenmäßig die Leitlinie dabei nennen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512805300
Das ist in diesem Falle unmöglich, das können nicht einmal Tarifexperten — so habe ich mich belehren lassen müssen —, weil es weitgehend um qualitative Probleme des Lohnrahmentarifvertrages geht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512805400
Keine weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich.
Darf ich zwischendurch eine Vertretung des dänischen Parlaments unter Führung des Herrn Präsidenten herzlich begrüßen.

(Lebhafter Beifall.)

Wir freuen uns über Ihren Besuch und hoffen, daß Sie während Ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik große und bleibende Eindrücke gewinnen.
Wir fahren in der Fragestunde fort, und zwar kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Zunächst die Frage 53 des Abgeordneten Rawe:
Sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, warum der hessische Generalstaatsanwalt gegen die Ausstellung des „Braun-Buches über Kriegs- und Naziverbrecher" nicht eingeschritten ist und nun . sogar gegen die Beschlagnahme dieses „Braun-Buches" durch das Frankfurter Amtsgericht Beschwerde eingelegt hat?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Rollmann übernommen.
Herr Justizminister, wollen Sie bitte die Frage beantworten.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512805500
Herr Präsident, darf ich damit auch die Beantwortung der drei Dringlichkeitsfragen verbinden?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512805600
Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe dann auch aus der Drucksache V/2206 die Dringlichen Mündlichen Anfragen 2, 3 und 4 des Abgeordneten Schlager auf:
Treffen die in der Öffentlichkeit gegen die Frankfurter Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe zu, daß sie die auf Grund der Verunglimpfung des Herrn Bundespräsidenten durch das sog. Braun-Buch eines mitteldeutschen Verlages gebotenen Anträge auf Durchsuchung und Beschlagnahme des Buches bewußt und gewollt unterlassen habe, obwohl sie rechtzeitig u. a. von Amtsgerichtsrat Dr. Pawlik darauf hingewiesen worden ist, daß im Zusammenhang mit der Ausstellung des Buches der Verdacht einer öffentlichen Verunglimpfung des Herrn Bundespräsidenten bestehe, und daß, falls die Staatsanwaltschaft selbst nicht tätig werden sollte, er von Amts wegen die erforderliche Durchsuchung und Beschlagnahme anordnen müßte?
Treffen die in diesem Zusammenhang auch gegen den Herrn hessischen Generalstaatsanwalt, Dr. Bauer, erhobenen Vorwürfe zu, daß er ausdrücklich erklärt habe, daß er nichts gegen die Ausstellung dieses den Herrn Bundespräsidenten verunglimpfenden Buches unternehmen wolle?
Bedeutet diese Erklärung nicht zugleich die ungeheuerliche Feststellung eines obersten Anklagevertreters, das Legalitätsprinzip durch Nichtstun verletzen zu wollen, und gerät dadurch der Herr Generalstaatsanwalt nicht in den Verdacht einer sachlichen Begünstigung nach § 257 StGB?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512805700
Die vier Fragen, um die es also nunmehr geht, beziehen sich auf Handlungen oder Unterlassungen der Staatsanwaltschaft in Frankfurt. Diese Staatsanwaltschaft ist eine hessische Behörde, 'ihr oberster



Bundesminister Dr. Dr. Heinemann
Dienstvorgesetzter ist der Hessische Minister der Justiz.

(Anhaltende Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512805800
Ich bitte, im Saal Ruhe zu bewahren und Unterhaltungen einzustellen.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512805900
Nur dem Hessischen Minister der Justiz und nicht mir steht es zu, die Handlungen oder Unterlassungen der Staatsanwaltschaft tin Frankfurt zu beurteilen. Ich bedaure daher, sehr geehrte Herren Kollegen, aus Gründen der Achtung vor der bundesstaatlichen Ordnung und der Kompetenzverteilung auf den sachlichen Gehalt ihrer Fragen nicht eingehen zu können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512806000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0512806100
Herr Minister, geht Ihre wünschens- und dankenswerte Achtung vor dem Herrn Hessischen Minister der Justiz so weit, daß Sie nicht einmal in der Lage sind, unsere Frage nach den Gründen zu beantworten, aus denen der Herr hessische Generalstaatsanwalt gegen die Ausstellung des Braunbuchs nicht eingeschritten ist?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512806200
Über diese Gründe ist mir, Herr Kollege Rollmann, nichts bekannt. Ich bin ihnen auch nicht nachgegangen, einfach weil dies nicht meines Amtes sein könnte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512806300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0512806400
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Minister, daß es Ihre Pflicht ist, diesen Gründen nachzugehen, wenn Fragen aus dem Parlament an Sie gestellt werden?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512806500
Herr Kollege Rollmann, dann appelliere ich einmal an den Bundestag im ganzen und dessen Verständnis von bundesstaatlicher Ordnung. Wenn ich mich hier im Bundestag je in einem Fall auf die Beurteilung von Vorgängen in einem Lande oder in einer Kommune — auch das haben wir ja gehabt, als es einmal um eine Preisverteilung in Nürnberg ging — ein-. lassen würde, dann wäre überhaupt kein Damm mehr gegen die Inanspruchnahme des Bundesjustizministers aus dem ganzen Lande für alle möglichen Fragen nach irgendwelchen Prozessen, Begnadigungen und dergleichen mehr. Ich muß darauf halten, daß die Dinge der Landesjustiz in- den Ländern und eventuell in den Landesparlamenten behandelt werden und nicht hier.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512806600
Sie haben keine Frage mehr, Herr Rollmann. Herr Schlager!

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0512806700
Herr Bundesjustizminister, ist es aber — so darf ich im Hinblick auf Ihre Darlegungen fragen — nicht doch so, daß das Bundeskabinett diese Affäre des Braunbuchs und des Generalstaatsanwalts Bauer in einer Kabinettsitzung in Berlin behandelt hat, und mit welchem Ergebnis?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512806800
Davon ist mir nichts bekannt. Das mag aber daran liegen, daß ich an einer Ministerbesprechung in Berlin nicht teilgenommen habe, da zu gleicher Zeit eine Justizministerkonferenz stattfand. Aber wie immer das auch sei: das Bundeskabinett kann sich freilich mit den politischen Problemen eines solchen Vorganges wie dem auf der Frankfurter Buchmesse beschäftigen, aber nicht in Beurteilungen über das Versagen oder die angemessene Pflichterfüllung eines hessischen Beamten eintreten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512806900
Herr Schlager!

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0512807000
Herr Bundesjustizminister, würde es nicht doch der Bundesregierung und auch Ihnen gut anstehen, wenn Sie in einer solch politisch brisanten Affäre, in der das Staatsoberhaupt in erheblicher Weise in den Schmutz gezogen wird, in der einem Amtsrichter vom obersten Ankläger eines Landes der Vorwurf gemacht wird, er begehe Rechtsbeugung, und in der dieser oberste Ankläger selber in den Verdacht gerät — oder jedenfalls der Vorwurf erhoben wird —, das Legalitätsprinzip in erheblicher Weise durchbrochen und sich möglicherweise einer strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben, ein klärendes Wort in der deutschen Öffentlichkeit sagten?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512807100
Ich bleibe dabei, daß weder dieser Bundestag noch die Bundesregierung beliebig Vorkommnisse im Land oder in einer Kommune an sich ziehen oder hier zur Diskussion bringen können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Doch nicht beliebig!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512807200
Herr Schlager!

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0512807300
Herr Bundesjustizminister, wollen Sie diesem Haus glaubhaft machen, daß es sich um eine Bagatellaffäre gehandelt hat, oder war es nicht doch eine Angelegenheit von erheblichem politischem Gewicht, die auch im Ausland sehr aufmerksam betrachtet wird?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512807400
Ich habe nichts davon gesagt und ich bin keineswegs der Meinung, daß es sich um eine Bagatellangelegenheit handelt. Es handelt sich vielmehr um eine sehr wesentliche politische Angelegenheit, die sehr wohl ihre Beachtung verdient. Aber ich möchte darauf bestehen, daß sie in den Zusammenhängen, das heißt vor allen Dingen in dein Parlament erörtert wird, wo sie hingehört.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512807500
Herr Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0512807600
Herr Bundesminister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es sich ,nicht um irgendeine Angelegenheit handelt, wenn eine Verunglimpfung und Beschimpfung des Bundespräsidenten vorliegt?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512807700
Genau das habe ich soeben gesagt. Es handelt sich nicht um irgendeine, sondern um eine bedeutsame Angelegenheit. Aber, Herr Kolege Klepsch, Sie nehmen besonders Bezug auf den Bundespräsidenten. Da muß ich hier daran erinnern, daß er ja selber erklärt hat, er wünsche keine strafrechtlichen Weiterungen in bezug auf dieses Braunbuch.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512807800
Herr Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0512807900
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung nicht gehalten, sich durchaus Gedanken über die Durchführung von Bundesgesetzen wie das Bundesstrafrecht zu machen?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512808000
Wenn Sie damit auf die Vollstreckung von Beschlüssen anderer Gerichte anspielen — es ist ja in Zeitungen von Hamburg und Lüneburg die Rede gewesen —, so kann ich nur sagen: es ist Sache des Gerichts, das einen Beschlagnahmebeschluß faßt, selber für die Vollstreckung dieses Beschlusses zu sorgen und dafür die jeweiligen örtlichen Stellen — die Polizei ist das — in Anspruch zu nehmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512808100
Sie haben Ihre zwei Fragen gehabt, Herr Klepsch. Herr Matthöfer!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0512808200
Herr Bundesminister, finden Sie und die Bundesregierung es nicht auch bemerkenswert', daß diese Dringliche mündliche Anfrage und die Zusatzfragen von dem Abgeordneten einer Partei gestellt werden, die im Jahre 1949 gegen das Grundgesetz gestimmt hat, weil sie es für zu zentralistisch hielt?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512808300
Ich verstehe Ihre Frage in dem Sinne, daß auch Sie sagen wollen: wir müssen diese bundesstaatliche Gliederung ernst nehmen und dürfen uns hier nicht auf die Verwischung aller Kompetenzen einlassen, selbst in einem Fall nicht, der belangvoll sein könnte.

(Beifall bei der SPD.) Vizepräsident Schoettle: Herr Matthöfer!


Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0512808400
Ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, daß, wenn Sie in der Sache auf diese oder ähnliche Fragen eingingen, das dazu führen könnte, daß wir unter Umständen hier in diesem Hause auch die Probleme der bayerischen Schulpolitik noch einmal behandeln müßten?

(Oho-Rufe von der CDU/CSU.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512808500
Wenn wir in irgendeinem Fall die allgemeine Linie, die durch das Grundgesetz gegeben ist, verlassen, kommen wir unter Umständen sehr ins Rutschen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512808600
Herr Damm!

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0512808700
Herr Minister, halten Sie es für eine Verletzung der zwischen Bund und Ländern festgelegten Kompetenzen, wenn Sie sich darum bemühen, die Gründe zu erfahren, die den hessischen Generalstaatsanwalt veranlaßt haben, die hier in Frage stehenden Handlungen zu unternehmen?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512808800
Eine Nachfrage nach den Gründen wäre immerhin noch vertretbar. Aber das Ganze soll doch unverkennbar — das weisen hier die vielen Zusatzfragen aus — der Einstieg in eine sachliche Diskussion mit dem Ziel sein, Vorwürfe zu rechtfertigen oder Entschuldigungen für das Verhalten eines hessischen Beamten vorzubringen. Da kann ich nur dabei bleiben: Es ist Sache des hessischen Justizministeriums und eventuell des dortigen Parlaments, diese Dinge zu tun.

Carl Damm (CDU):
Rede ID: ID0512808900
Würden Sie, Herr Minister, es für der Sache dienlicher halten, uns Abgeordneten des Bundestages hier die von Hessen offiziell genannten Gründe mitzuteilen, damit wir nicht auf Pressemeldungen angewiesen sind?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512809000
Keineswegs. Aber Ihre politischen Freunde in Hessen sind ja in der Lage, all dem nachzugehen und uns alle mit den nötigen Unterrichtungen zu versorgen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ob Sie in Hessen stark oder schwach sind, wird doch wohl nicht von Einfluß darauf sein, ob im hessischen Parlament auf das geantwortet wird, was Ihre Freunde fragen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512809100
Herr Erhard!

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0512809200
Herr Bundesjustizminister, wären Sie bereit, sich mit Ihrem Kabinettskollegen Lauritzen auszutauschen, um von ihm zu erfahren, was für Schwierigkeiten er als hessischer Justizminister mit dem Herrn Generalstaatsanwalt Bauer gehabt hat, und uns das mitzuteilen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512809300
Nehmen Sie doch dem hessischen Landtag nicht eines der offenbar reizvollsten Themen weg!

(Heiterkeit.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512809400
Herr Lenze (Attendorn) !

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Ich wollte noch eine Frage stellen!)

— Sie haben keinen Anspruch auf eine zweite Frage.

Franz Lenze (CDU):
Rede ID: ID0512809500
Herr Minister, können Sie sich einen anderen Staat vorstellen, in dem das zuständige staatliche Organ bei einem Angriff auf das Staatsoberhaupt untätig bleibt?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512809600
Das kann ich mir sehr wohl unter der Voraussetzung vorstellen, daß das Staatsoberhaupt selber öffentlich erklärt hat, es wünsche keine strafrechtlichen Weiterungen.

(Hört! Hört! bei der FDP.)


Franz Lenze (CDU):
Rede ID: ID0512809700
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Verfolgung eines solchen Vorgangs im Grunde genommen eine Frage der Selbstachtung aller Staatsbürger ist?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512809800
Herr Lenze, die Verfolgung öffentlicher Verunglimpfungen des Staatsoberhaupts, also des Bundespräsidenten, ist — das steht ausdrücklich im Gesetz — davon abhängig, daß es eine Ermächtigung zu dieser Strafverfolgung gibt oder gar einen Strafantrag stellt. An beidem fehlt es.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512809900
Sie können Ihre Konten nicht nachträglich noch ausgleichen. Jetzt hat Herr Zoglmann das Wort.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0512810000
Herr Bundesminister, nachdem Sie eben erklärt haben, daß der Herr Bundespräsident die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht erteilt hat, darf ich daraus zwei Fragen an Sie ableiten: 1. Ist damit einer der hoch bedeutsamen politischen Gründe weggefallen? 2. Hat vielleicht die Prüfung dieses Materials durch den ehemaligen Staatssekretär Bülow irgendeinen Zusammenhang mit der Erklärung des Herrn Bundespräsidenten?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512810100
Das nehme ich an. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. Oktober wird aus Berlin berichtet, daß der Herr Bundespräsident dort folgende Erklärung abgegeben habe — was ich jetzt vorlese, steht in der Zeitung in Anführungsstrichen —:
Der Bundespräsident erklärte am Donnerstag in Berlin: „Die im sogenannten Braunbuch der Sowjetzone aufgestellten Behauptungen sind von mir und der Bundesregierung bereits mit eingehender Begründung zurückgewiesen worden. Der Bundesminister des Innern hat in einer Dokumentation vom 28. Oktober 1966 die Fälschung von sogenannten Dokumenten auf Grund eidesstattlicher Versicherungen und eines
Schriftgutachtens nachgewiesen. Deshalb erübrigt sich
— so die Erklärung des Herrn Bundespräsidenten — die Ermächtigung zur Strafverfolgung."
Ich interpretiere das so, daß der Herr Bundespräsident von der Wahrheit seiner Darstellung oder, mit anderen Worten, von der Fälschung dessen, was im „Braunbuch" steht, überzeugt ist und er es der Wahrheit zutraut, daß sie sich — ohne gerichtliche Weiterungen — durchsetzt.

(Zustimmung bei der SPD.) Vizepräsident Schoettle: Herr Genscher!


Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0512810200
Herr Bundesminister, angesichts der unterschiedlichen Zielrichtung in der Fragestellung aus den Reihen der beiden sonst — wie man hört und liest — eng verbundenen Koalitionspartner bedauere ich die Frage stellen zu müssen: Sprechen Sie für die ganze Bundesregierung oder nur für den Teil der Bundesregierung, der auch in Hessen Regierungsverantwortung trägt?

(Heiterkeit bei der FDP.)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512810300
Die Fragen, die der Eingang zu diesem Frage- und Antwortspiel gewesen sind, wurden an die Bundesregierung gerichtet und mir vom Bundeskanzleramt zuständigkeitshalber zur Beantwortung zugewiesen. Auf dieser Grundlage habe ich sie hier beantwortet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512810400
Herr Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0512810500
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß der Teil der Bundesregierung, der in Hessen keine Regierungsverantwortung trägt, nach dieser Art der Beantwortung ihrer Fragen in Gegensatz steht zur eigenen Fraktion im Bundestag?

(Rufe von der Mitte: Na, na!)


Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512810600
Entschuldigen Sie, den Sinn dieser Frage habe ich nicht ganz verstanden.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512810700
Herr Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0512810800
Herr Bundesjustizminister, wie erklären Sie es gerade in Ihrer Eigenschaft als Bundesjustizminister, daß nun auch der Herr Bundespräsident bei Verleumdungen auf gerichtliche Schritte verzichtet, wie das vorher auch schon andere prominente Politiker in der Bundesrepublik, und zwar aus allen Lagern — wenn ich das richtig sehe —, getan haben?




Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512810900
Es mag sein, daß man mit solchen Schritten schlechte Erfahrungen gemacht hat. Ich gehöre auch zu denen, die nicht in allen Fällen Strafantrag stellen.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0512811000
Herr Bundesjustizminister, würden Sie das etwas näher erläutern? Worin bestehen Ihre offenbar schlechten Erfahrungen z. B. mit der deutschen Justiz?

(Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512811100
Diese Frage hat mit der Ausgangsfrage überhaupt nichts mehr zu tun.

(Zurufe: Doch!)

Die Frage lasse ich nicht zu. Im übrigen ist das Thema jetzt genug breitgetreten worden. Ich schließe die Behandlung dieses Punktes.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst zu der Frage der Abgeordneten Frau Freyh:
Welche Ergebnisse hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen mit den Ländern Über die von ihr befurwortete Verbesserung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell erzielt?
Herr Staatssekretär Benda, bitte!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512811200
Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern haben bisher nur zu Absprachen über geringfügige Verbesserungen geführt. Diese Absprachen bedürfen jedoch noch der Bestätigung durch die zuständigen Gremien der Länder. Die gemeinsame Tagung der Konferenz der Länderkultusminister und der Konferenz der Länderfinanzminister findet am 3. November 1967, also in ganz kurzer Zeit, statt. Dann wird man hoffentlich gewisse Ergebnisse haben.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Verbesserungen: Gewährung von Zusatzdarlehen über den normalen Regelsatz hinaus in besonderen Härtefällen, Gewährung von Bürgschaftsdarlehen, wenn die Unterhaltsverpflichteten keine ihnen zumutbare Unterhaltsleistungen erbringen, Erleichterungen bei der Gewährung von Studienbeihilfen für asylberechtigte Studenten, schließlich die Ausdehnung der Förderung in besonderen Fällen auch auf solche Studenten, die erst nach Vollendung des 40. Lebensjahres in die Förderung aufgenommen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512811300
Frau Freyh!

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0512811400
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit den Ländern die Berechnungen des Deutschen Studentenwerkes, die ja schon seit Jahren bekannt sind, berücksichtigt und auch die Empfehlungen der Deutschen Hochschulkonferenz vom Herbst 1965, nach denen festgestellt worden ist, daß auch bei einem bescheidenen Ansatz für den Lebensunterhalt die Stipendien mindestens monatlich 350 DM betragen müßten.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512811500
Alle diese Angaben, Frau Kollegin, sind uns selbstverständlich bekannt und werden berücksichtigt. Aber Sie wissen, daß wir darauf angewiesen sind, zwischen Bund und Ländern in dieser Frage zu einer Einigung zu kommen. Es hängt also nicht nur von unserem Willen ab, sondern auch von dem des Gesprächspartners, daß wir zu einem Ergebnis kommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512811600
Frau Freyh!

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0512811700
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Staatssekretär, ob Ihr Ressort trotz der, wie Sie sicher verstehen werden, nicht ganz befriedigenden Antwort auf die letzte Kleine Anfrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion den Herrn Bundesfinanzminister von der Notwendigkeit einer Erhöhung in der soeben angedeuteten Form überzeugen wird.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512811800
Es mag sein, daß die Beantwortung der Kleinen Anfrage, auf die Sie sich beziehen, nicht in allen Punkten ausreichend Auskunft gab und — nach dem damaligen Stand der Dinge — geben konnte. Aber, Frau Kollegin, ich bitte, auch zu verstehen, daß ich hier, wie sich aus einer Frage an den Herrn Justizminister Heinemann soeben ergab, für die Bundesregierung und nicht für ein Ressort spreche. Ich kann also nicht über Einigkeit oder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ressorts im einzelnen Auskunft geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512811900
Herr Westphal!

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0512812000
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Ihr Haus in dem Etatentwurf 1968 für den in Rede stehenden Bereich der Studentenförderung zwar von sich aus eine Verbesserung vorgesehen hat, aber nur für ein halbes Jahr?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512812100
Wir haben im Haushaltsentwurf 1968 — und das ist vom Bundeskabinett insoweit auch beschlossen — für die weiteren Verbesserungen im Laufe des Jahres 1968 5,5 Millionen DM vorgesehen. Allerdings setzt das nicht nur die Verabschiedung des Haushaltsplans durch das Parlament, sondern auch die Einigung mit den Ländern voraus.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512812200
Herr Westphal!

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0512812300
Können Sie noch eine Auskunft darüber geben, Herr Staatssekretär, warum der Ansatz in Ihrem Haus nur für ein halbes Jahr vorgesehen worden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512812400
Ich bin nicht in der Lage, das im Augenblick zu sagen. Ich bin gern bereit, dem nachzugehen und Ihnen eine Auskunft zu geben.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512812500
Keine weiteren Fragen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu einem ganz besonders schwierigen Kapitel, nämlich zu einer ganzen Anzahl von Fragen, die alle das gleiche Thema behandeln. Der Herr Staatssekretär wird sicher die Fragen 26 bis 41, 45 bis 50 und 75 bis 77 zusammen beantworten wollen; oder haben Sie vor, jede einzelne Frage zu beantworten?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512812600
Nein, meine Antwort auf alle Fragen ist die gleiche. Ich wäre dankbar, wenn die Fragen insgesamt aufgerufen und von mir beantwortet werden könnten. Ich bin sehr gern bereit, Herr Präsident, die Begründung für diesen Wunsch, die zugleich die Antwort auf die einzelnen Fragen darstellt, jetzt zu geben, wenn Sie einverstanden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512812700
Ich muß dazu das Einverständnis der Fragesteller voraussetzen, die aus mehreren Fraktionen kommen; oder ist es nur eine Fraktion?

(Zurufe: Eine Fraktion!)

— Es sieht so aus, als ob es nur eine Fraktion wäre.

(Abg. Schulte: Herr Präsident, die Kollegen bitten darum, daß der Herr Staatssekretär die Fragen einzeln beantwortet, vielleicht zu gewissen Teilbereichen zusammengefaßt, aber doch untergliedert!)

Ja, also machen Sie den Versuch, Herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512812800
Das ist für mich weniger schwierig, Herr Präsident, als für das Hohe Haus. Ich gebe dann zunächst die Antwort zu der Frage 26, und ich habe vor, dann zu den weiteren Fragen die gleiche Antwort zu geben, wobei ich mich aus Zeitgründen vielleicht jeweils auf die Antwort beziehen kann, die ich zu Frage 26 zu geben beabsichtige.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512812900
Ich rufe also die Frage 26 der Frau Abgeordneten Renger auf:
Ist der dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages erstattete Bericht des Bundesinnenministers vom 8. September 1967 — II a 1-210 105/4 — zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes (Drucksache V/1091) auch als das Ergebnis der vom Bundesinnenminister am 2. Dezember 1965 (Drucksache V/99) zugesagten Prüfung und Würdigung aller Gesichtspunkte des Problems der Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen anzusehen?
Ich darf noch einmal bitten, daß Unterhaltungen im Saal unterbleiben. Wenn Sie sich schon unterhalten müssen, dann gehen Sie doch in die Wandelhalle hinaus.
Ich will noch ein Zweites sagen, nachdem der Stein des Anstoßes bereits verschwunden ist. Ich halte es nicht für sehr geschmackvoll, wenn Abgeordnete hier an der Regierungsklagemauer stehen und dem Hause ihre sicher sehr schätzenswerte Kehrseite zukehren. Auch das muß ich einmal sagen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512813000
Ihre Frage, Frau Kollegin Renger, beschäftigt sich ebenso wie die weiteren Fragen, die von einer Reihe anderer Kollegen des Hauses eingebracht worden sind, mit einem bestimmten Fragekomplex, nämlich dem Problem der Teilzeitbeschäftigung für Beamtinnen.
Sie zitieren in Ihrer Frage genau wie auch die anderen Kollegen den Bericht des Bundesministers des Innern vom 8. September 1967 zu dieser Frage. Diesen Bericht hat der Bundesminister des Innern als der für Fragen des Dienstrechts zuständige Ressortminister entsprechend einer Bitte des Innenausschusses des Deutschen Bundestages angefertigt und dem Innenausschuß zur Verfügung gestellt. Der Sinn dieses Berichtes und die Begründung der Bitte des Innenausschusses war, diejenigen verfassungsrechtlichen, dienstrechtlichen, personalpolitischen und sonstigen Probleme darzustellen, die sich aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes ergeben, den die Fraktion der Freien Demokratischen Partei dem Hohen Hause in dieser Wahlperiode mit Drucksache V/1091 vorgelegt hat. Der Bericht ist also der Bericht eines Ressortministers, nicht eine Stellungnahme der Bundesregierung. Das Kabinett hat auch bisher keine Veranlassung gehabt oder genommen, sich mit diesem Bericht zu beschäftigen.
Wie Sie wissen, Frau Kollegin Renger, ist der Gesetzentwurf der Fraktion der FDP, der genau dieses Thema behandelt, dem federführenden Innenausschuß und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung überwiesen worden. Beide Ausschüsse beraten diesen Entwurf zur Zeit. Sinn des Berichts, den ich bereits erwähnt habe, war eben, diese Beratungen durch Material, um das gebeten worden ist, zu bereichern. Beide Ausschüsse werden Gelegenheit haben und zweifellos auch nehmen, den Bericht des Bundesministers sowie alle Fragen, die durch ihn aufgeworfen werden können, auch eine Kritik, wie sie in Ihrer Fragestellung anklingen mag, zu prüfen.
Unter diesen Umständen halte ich es weder für sinnvoll noch auch im Verhältnis des beteiligten Bundesressorts zu dem beteiligten Ausschuß dieses Hohen Hauses für angemessen, die in Ihrer Frage genauso wie in den Fragen der übrigen Damen und Herren Abgeordneten aufgeworfenen Einzelprobleme zu erörtern. Die Beratungen in den beteiligten Ausschüssen und — sofern diese in Ihrem Sinne nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen — anschließend im Plenum werden. Gelegenheit geben, alle diese Fragen in allen Einzelheiten nach Ihrem Wunsche zu behandeln.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich zunächst auf diese allgemeine Form der Beantwortung der Frage 26 beschränke.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512813100
Frau Renger!

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0512813200
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht doch der Meinung, daß es den Beratungen des Innenausschusses und des Arbeitsausschusses sowie der Information der interessierten Kreise



Frau Renger
draußen sehr dienlich gewesen wäre, wenn hier auf die gestellten Fragen sachliche, ausreichende Antworten gegeben worden wären, um den Eindruck des Berichts ein wenig zu widerlegen, der anscheinend nur von den beamtenrechtlichen Auffassungen ausgeht und gar nicht das gesellschaftspolitische Problem sieht, das in der ganzen Sache steckt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512813300
Frau Kollegin Renger, Sie gehören ja selbst dem Innenausschuß an. Ich meine, daß die Frage, ob der Bericht zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen ist und welche Ergänzungen eventuell zweckmäßig oder notwendig sind, von derjenigen Stelle erörtert und entschieden werden sollte, die in erster Linie den Bericht angefordert hat, also vom Innenausschuß dieses Hohen Hauses.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512813400
Frau Freyh!

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0512813500
Herr Staatssekretär, da Sie sicherlich mit mir übereinstimmen werden, daß nur hier an dieser Stelle diese Fragen der Öffentlichkeit zugänglich erörtert werden können, möchte ich Sie fragen, ob die zögernde Haltung, die die Bundesregierung bisher gegenüber diesem Fragenkomplex eingenommen hat — das ist ja z. B. auch aus der Enquete deutlich geworden —, vielleicht auf die Auffassung zurückzuführen ist, daß es erhebliche Schwierigkeiten gäbe, wenn die Teilzeitarbeit für Beamtinnen eingeführt würde, Schwierigkeiten, die beispielsweise dazu führen könnten, daß Frauen auch im Vorbereitungsdienst dann nicht mehr in entsprechender Anzahl berücksichtigt würden.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512813600
Frau Kollegin Freyh, aus meiner Sicht geht es gar nicht um die Frage der Verzögerung. Im Gegenteil! Ich halte — ohne daß ich Ihnen Ratschläge geben oder mir eine Kritik erlauben will — das Verfahren, Probleme, die in den Ausschußberatungen zur Sprache stehen, gleichzeitig im Rahmen der Fragestunde im Plenum zu diskutieren, für das unökonomischste Verfahren — sowohl aus der Sicht des Parlaments wie auch aus der Sicht der beteiligten Bundesressorts —, das man sich vorstellen kann. Das Plenum und der Innenausschuß werden Gelegenheit haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen, und selbstverständlich steht die Bundesregierung pflichtgemäß zur Beantwortung aller Fragen, die dann nach den Beratungen im Innenausschuß noch gestellt werden, sehr gern zur Verfügung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512813700
Frau Freyh!

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0512813800
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß eine solche Meinung, wie Sie sie soeben hier vertreten haben, dazu führen müßte, daß dann in den Fragestunden eine ganze Reihe von Fragen nicht mehr behandelt werden könnte und daß gerade der Gesichtspunkt, den ich am Anfang angeführt habe, daß nämlich nur hier der
Ort der öffentlichen Erörterung sein kann, zu einer anderen Haltung in dieser Frage führen müßte?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512813900
Frau Kollegin, ich bin versucht, Ihre Frage zu bejahen. Aber ich möchte davon absehen, weil ich nicht glaube, daß es hier meines Amtes ist, mir über den Ablauf der Fragestunden ein Urteil allgemeiner Art zu erlauben. Aber, wie gesagt, ich muß mich zurückhalten, um Ihrer Fragestellung nicht uneingeschränkt zuzustimmen und zu sagen, daß es mancher Frage in der Tat gut täte, wenn sie nicht unmittelbar in der Fragestunde, sondern woanders, z. B. im Ausschuß, behandelt würde. Ich darf eben noch sagen: Das ist keine Frage der Öffentlichkeit, Frau Kollegin. Selbstverständlich haben alle Dinge hier vor dem Plenum und vor aller Öffentlichkeit erörtert zu werden. Dafür wird für meinen Komplex jede Gelegenheit bestehen, wie ich noch einmal wiederholen darf. Wir scheuen die öffentliche Diskussion über dieses Thema In keiner Weise.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512814000
Frau Funcke!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0512814100
Herr Staatssekretär, Sie haben die Ausarbeitung mehrfach „Bericht" genannt. Sind Sie nicht der Auffassung, daß einerseits durch die Stellungnahme des Innenministeriums die Form des reinen Berichts der Länder — und darum war gebeten worden — überschritten ist und daß auf der anderen Seite dadurch, daß Sie z. B. zur Verfassungsfrage das Justizministerium nicht zitiert haben, die Form des Berichts doch wohl sehr einseitig gewesen ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512814200
Ich möchte auch in diesem Punkte, Frau Kollegin, zu der Frage, ob Ihre Kritik insoweit berechtigt ist, nicht Stellung nehmen. Ich kann nur sagen — und ich habe das Protokoll der entsprechenden Sitzung des Innenausschusses ebenso wie den Bericht, der in der Tat „Bericht" überschrieben ist, hier —: der Innenausschuß hat nicht von der Bundesregierung, sondern vom Bundesminister des Innern einen Bericht angefordert. Den haben wir pflichtgemäß erstellt. Hätte der Innenausschuß den Wunsch gehabt, das Bundesjustizministerium zu beteiligen, hätte er diesen Wunsch nur auszusprechen brauchen. Ich bin sicher, daß der Herr Bundesminister der Justiz diesem Wunsch entsprochen hätte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512814300
Frau Funcke!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0512814400
Herr Staatssekretär, ist es aber nicht merkwürdig, daß Sie zwar die Berichte der Justizminister der Länder zitieren, aber das Justizministerium des Bundes auslassen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512814500
Frau Kollegin, Sie versuchen, mich in eine Sachdiskussion hineinzubringen. So gern ich dieser Versuchung nachgeben würde,



Parlamentarischer Staatssekretär Benda
möchte ich mich doch zurückhalten. Im übrigen muß ich mich bezüglich dessen, was ich Ihnen eben gesagt habe, berichtigen. Ich werde darauf hingewiesen, daß der Bundesminister der Justiz in der Tat beteiligt gewesen ist. Ich bitte also, den Irrtum, dem ich unterlegen bin, zu entschuldigen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512814600
Herr Müller (München) !

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0512814700
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß Ihre vorherige Antwort, die Einbringung von Fragen in der Fragestunde sei unökonomisch, dem Gewicht der Frage, die wir angesprochen haben, entspricht, oder gilt das für alle Fragen, die hier im Parlament eingebracht werden?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512814800
Herr Kollege Müller, ich wiederhole zunächst, das es mir gar nicht zusteht, von diesem Platz aus darüber Meinungen zu äußern. Ich beschränke mich also durchaus auf das Thema, das hier zur Debatte steht — gar nicht einmal zur Debatte, sondern zur Frage steht. Für diesen Punkt bin ich allerdings — und, wie ich glaube, mit sehr guten Gründen — der Meinung, daß das Verfahren, das hier eingeschlagen worden ist, sehr unökonomisch ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512814900
Man kann in der Tat dieser Meinung sein. — Herr Müller (München) !

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0512815000
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die hier angesprochenen Fragen die Öffentlichkeit draußen bewegen und daß z. B. Fragen des Lehrermangels u. a. auf ungelöste Probleme der Teilzeitarbeit zurückzuführen sind?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512815100
Ja, Herr Kollege. Ich sage wohl zum drittenmal bei der Beantwortung einer Zusatzfrage: ich glaube, daß die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Behandlung des Berichts im Ausschuß und der Beratung des Ausschußberichts im Plenum Gelegenheit haben wird, eine vollständige Unterrichtung über alle diese Fragen zu erhalten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512815200
Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0512815300
Herr Staatssekretär, Sie haben eben erfreulicherweise die Enthaltsamkeit gegenüber dem Justizministerium von Ihrem Hause aus dementieren können. Darf ich Sie nun fragen, auf welcher Seite des Berichts die Verfassungslage vom Justizministerium dargestellt worden ist.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512815400
Herr Kollege Moersch, ich möchte auch Ihnen jetzt nicht den Bericht im einzelnen vortragen. Er liegt allen Mitgliedern des Innenausschusses und auch des anderen beteiligten
Ausschusses vor. Die Herren können leicht selber nachschlagen, auf welchen Seiten das steht. Sollte ihnen das zuviel Mühe machen, bin ich sehr gern bereit, ihnen diese Arbeit abzunehmen und ihnen die Seiten anzugeben. Da ich noch ein paar andere Fragen zu beantworten habe, bitte ich die Beratung im Augenblick nicht damit aufzuhalten, daß ich das jetzt nachschlage.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512815500
Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0512815600
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß dieser Teil, da ihn die Kollegen, die das nachgeschlagen haben, nicht gefunden haben, mit unsichtbarer Tinte geschrieben worden ist?

(Heiterkeit.)


Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512815700
Ich würde vorschlagen, daß audi diese Frage — eventuelle Lücken, die Sie im Bericht sehen oder zu sehen glauben — im Innenausschuß weiterbehandelt wird, Herr Kollege Moersch.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512815800
Frau Schwarzhaupt!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0512815900
Sind Sie in folgender Grundfrage mit uns einig, Herr Staatssekretär: Sind Sie mit uns der Meinung, daß das Angebot von Teilzeitarbeit für verheiratete Frauen ein ganz wichtiges und grundlegendes gesellschaftspolitisches Anliegen ist, dem wir uns stellen müssen? Sind Sie zweitens mit mir darin einig, daß der Staat im öffentlichen Dienst bei der Lösung dieser Frage vorangehen muß? Und sind Sie drittens mit mir darin einig, daß die Bedenken, die in dem Bericht angeführt worden sind, nur darin ihren Grund haben können, daß es schwierig ist, die vielen Einzelfragen bei der Durchführung in den verschiedenen Bereichen zur Erörterung zu stellen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512816000
Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich, so gerne ich das jetzt tun würde, auch Ihnen nicht meine Meinung oder die Meinung des Bundesinnenministeriums zu dieser Frage im einzelnen darlegen kann. Ich darf vielleicht in allgemeiner Form darauf hinweisen, daß die gesellschaftspolitische Bedeutung des Problems nach Überzeugung des Bundesministers des Innern und nach meiner persönlichen Überzeugung in dem Bericht durchaus erkannt worden und zum Ausdruck gekommen ist und daß der Bericht dann auftragsgemäß versucht, sich mit den einzelnen Problemen, die sich in der Tat ergeben, auseinanderzusetzen. Ob er das in richtiger Weise getan hat und welche zusätzlichen Erwägungen eventuell anzustellen sind, das sollte, wie gesagt, nach meiner Überzeugung in den beteiligten Ausschüssen erörtert werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512816100
Frau Eilers!




Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0512816200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, auch denjenigen interessierten Mitgliedern dieses Hauses, die dem Innenausschuß und dem Ausschuß für Arbeit nicht angehören, den hier einige Male zitierten und in der Frage angeschnittenen Bericht zuzustellen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512816300
Selbstverständlich, Frau Kollegin.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512816400
Frau Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0512816500
Herr Staatssekretär, ich darf noch einmal auf die Frage von Frau Kollegin Schwarzhaupt zurückkommen. Eigentlich war diese derart, daß Sie mit einem Ja hätten antworten müssen, wenn Sie die Auffassung von Frau Kollegin Schwarzhaupt teilten. Beruht Ihre ausweichende Antwort darauf, daß Sie die gleiche negative Einstellung zu der Teilzeitarbeit der Beamtinnen haben, wie sie in dem Bericht eindeutig zum Ausdruck kommt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512816600
Das hat mit der Meinung des Innenministeriums — und nur die steht hier zur Diskussion, nicht meine persönliche Meinung — gar nichts zu tun, Frau Kollegin. Das ist eine reine Taktfrage. Wenn ich die Fragestellerin Frau Kollegin Renger um Verständnis bitte, daß ich ihre Frage nicht beantworte, kann ich schlecht einer Dame, die eine Zusatzfrage stellt, eine Antwort geben, die ich zuvor einer anderen Fragestellerin verweigert habe. Es ist nur eine Höflichkeitsfrage. Ich würde diese Fragen sehr gern im einzelnen beantworten, wenn ich das Verfahren für sinnvoll und zweckmäßig hielte.

(Abg. Moersch: Gleiches Unrecht für alle!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512816700
Frau Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0512816800
Herr Staatssekretär, teilen Sie denn insofern meine Auffassung, daß eine solche Zusammenstellung all dieser Negativen in dem Bericht absolut auf eine negative Einstellung des Innenministeriums auch zu der Frage als solcher schließen läßt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512816900
Ich teile die Unterstellung durchaus nicht, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, die Ihrer Frage zugrunde liegt. Eine Diskussion darüber, ob diese Frage richtig gestellt ist, würde allerdings wiederum eine Diskussion des materiellen Inhalts des Berichts voraussetzen, zu der 'ich aus den dargestellten Gründen nicht bereit bin.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512817000
Herr Kaffka!

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0512817100
Herr Staatssekretär, welche konkreten Untersuchungen liegen denn bereits vor?
Hat das Ministerium einmal erwogen, durch eine Fragebogenaktion das nötige Zahlenmaterial beizuschaffen, oder haben Sie Kontakte aufgenommen und die einschlägigen Verbände eingeschaltet?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512817200
Ich schlage vor, diese Fragen, soweit sie nicht aus dem Inhalt des Berichts bereits beantwortet werden, in dem zuständigen Ausschuß zu erörtern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512817300
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann, Herr Staatssekretär, bitte ich, in der Beantwortung der übrigen Fragen fortzufahren. Ich rufe Frage 27 der Frau Abgeordneten Renger auf:
Hält es die Bundesregierung — falls Frage 26 bejaht wird — für ausreichend, daß das Problem vorwiegend danach geprüft und gewürdigt wird, welche Bedenken rechtlicher, haushaltsmäßiger und personalpolitischer und -wirtschaftlicher Art sich gegen die Teilzeitbeschäftigung seitens der Verwaltung ins Feld führen lassen, oder sieht sie Erwägungen darüber, wie die fraglos mit einer Zulassung der Teilzeitarbeit der Beamtinnen verbundenen praktischen Schwierigkeiten überwunden werden könnten, nicht als eine ihr ebenso obliegende Pflicht an?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512817400
Ich beabsichtige, die gleiche Antwort zu geben wie zu Frage 26. Falls die Frau Fragestellerin damit einverstanden ist, verzichte ich auf die erneute Verlesung dieser Antwort.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512817500
Damit scheint die Frage beantwortet zu sein.
Ich rufe die Frage 28 der Frau Abgeordneten Renger auf:
Aus welchen Gründen hat der Bundesinnenminister an keiner Stelle dieses Berichts das Problem der Teilzeitarbeit der Beamtin unter dem verfassungsrechtlichen Aspekt des gleichen Zuganges von Männern und Frauen zu jedem öffentlichen Amt (Artikel 33 Abs. 2 GG), worin auch die gleiche Chance des Verbleibens in einem öffentlichen Amt und des Aufstiegs enthalten ist, geprüft und gewürdigt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512817600
Das gleiche gilt, Herr Präsident, für die Frage 28.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512817700
Hätte man die Prozedur nicht etwas vereinfachen können?
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Kaffka auf:
Liegen den in dem Bericht des Bundesinnenministers vom 8. September 1967 — IT a 1-210 105/4 — ausgesprochenen Würdigungen und Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen einer Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen empirische Ermittlungen zugrunde oder beruhen diese auf den Vorstellungen, die sich die mit der Ausarbeitung befaßten Beamten von den tatsächlichen Auswirkungen einer solchen Möglichkeit gemacht haben?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512817800
Die gleiche Antwort, Herr Präsident.

(Abg. Schulte: Herr Präsident, es wird auf die Beantwortung aller weiteren Fragen dieses Bereiches verzichtet!)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512817900
Das vereinfacht die Sache.
Herr Staatssekretär, dann können wir jetzt sinnvollerweise mit den Fragen fortfahren, die nicht zu diesem Thema gehören. Ich rufe die Frage 42 der Frau Abgeordneten Eilers auf:
Wie viele weibliche Beamte des höheren Dienstes und wie viele weibliche Angestellte in vergleichbaren Dienststellungen sind in den Personalabteilungen der obersten Bundesbehorden tätig?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512818000
Darf ich mit Einverständnis der Frau Kollegin Eilers die Fragen 42 bis 44 zusammen beantworten? Sie betreffen den gleichen Sachzusammenhang.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512818100
Sind Sie einverstanden, Frau Eilers? — Das scheint so. Ich rufe also auch die Fragen 43 und 44 der Frau Abgeordneten Eilers auf:
Welche Dienststellungen sind den in Frage 42 erwähnten Frauen dort übertragen?
In welchem prozentualen Verhältnis steht die Zahl der in Frage 42 erwähnten weiblichen Bediensteten zu den männlichen Bediensteten in den Personalabteilungen und in welchem Verhältnis zur Gesamtzahl der weiblichen Bediensteten bei diesen Behörden überhaupt?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512818200
Ich bedauere sehr, Frau Kollegin Eilers, daß zur Zeit keine Unterlagen zur Verfügung stehen, die es dem Bundesminister des Innern ermöglichen, Ihre Fragen bereits heute zu beantworten. Falls Sie Ihre Fragen aufrechterhalten, bitte ich Sie, mit einer schriftlichen Antwort einverstanden zu sein. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß die Beantwortung ganz umfangreiche Erhebungen erfordert. Ich möchte Sie bitten, vielleicht im Gespräch mit dem Herrn Minister oder mir noch einmal zu klären, ob hier Aufwand und erhoffter Ertrag in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ich wäre dafür sehr dankbar.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512818300
Frau Eilers!

Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0512818400
Ist es Ihnen nicht möglich, Herr Staatssekretär, irgendwelche Zahlen über den Anteil der Frauen in den Personalabteilungen, vor allen Dingen in der Leitung von Personalabteilungen der obersten Bundesbehörden, heute schon zu nennen, wie es meine erste Frage beinhaltete?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0512818500
Leider nicht, wie ich bereits sagte. Da müssen wir Erhebungen anstellen. Es gibt leider kein präsentes Material zu der Frage, und ohne Erhebungen können wir die Antwort nicht geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512818600
Frau Eilers!

Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0512818700
Daraus muß ich wahrscheinlich die bittere Erkenntnis ziehen — soweit liegen die Dinge für mich jetzt schon klar —, daß kaum Frauen an diesen Stellen vorhanden sein werden, denn sonst müßte man doch zumindest einige Zahlen haben?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512818800
Fragezeichen!

Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0512818900
Das war ein Fragezeichen. Es war, glaube ich, hörbar.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512819000
Nein, nicht mehr.
Benda, Parlamentarischer •Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Da ich Ihre Frage hinsichtlich der Zahlen nicht beantworten kann, weiß ich nicht, Frau Kollegin, ob die Schlußfolgerung richtig ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512819100
Keine weiteren Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, um im Sinne der vom damaligen Bundesjustizminister, Dr. Jaeger, am 15. Juni 1966 im Deutschen Bundestag gegebenen Auskunft die Feststellung bzw. Verfolgung von Verbrechen an deutschen Soldaten, Kriegsgefangenen und deutschen Vertriebenen in die Wege zu leiten?
Der Abgeordnete ist anwesend. — Bitte, Herr Bundesjustizminister!

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512819200
Herr Kollege, auf Veranlassung meines Amtsvorgängers hat sich die 34. Justizministerkonferenz im Oktober 1966 in Kiel mit der Frage der Verfolgung der Verbrechen befaßt, die in Zusammenhang mit dem Krieg namentlich bei der Vertreibung begangen worden sind. Mit Rücksicht darauf, daß die meisten Beschuldigten aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen von der deutschen Justiz nicht belangt werden können, hat die Justizministerkonferenz der Länder nach eingehender Erörterung davon abgesehen, bestimmte Tatkomplexe einzelnen Staatsanwaltschaften zu einer zusammenfassenden Aufklärung zuzuweisen. Damit werden auf diese Verbrechen auch weiterhin die allgemeinen Vorschriften angewendet.
Die im Bundesjustizministerium eingehenden oder eingegangenen Anzeigen wegen noch verfolgbarer Straftaten habe ich dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe übersandt, um für jeden Fall eine Gerichtsstandbestimmung nach § 13 a der Strafprozeßordnung durch den Bundesgerichtshof herbeizuführen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512819300
Herr Dr. Becher!

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0512819400
Herr Bundesjustizminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß allein im Zuge der Austreibung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2 184 000 Deutsche Opfer der von mir gemeinten Verbrechen wurden und daß sich diese Zahl erheblich erhöht, wenn man die Verbrechensopfer unter den Kriegsgefangenen und Zivilpersonen aus dem Binnenreich hinzunimmt?



Dr. Becher (Pullach)

Und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Eindruck zu vermeiden, daß die Verfolgung dieser Art von Verbrechen unter Kompetenzschwierigkeiten leidet und daß man dabei nur allzusehr vor Schwierigkeiten kapituliert, vor denen man nicht kapitulieren sollte?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512819500
Herr Kollege, der Gesamtvorgang, von dem Sie sprechen, ist der Bundesregierung bekannt. Ich kann jetzt aber nicht zu den Zahlen, die Sie nannten, Stellung nehmen. Ich bin auch nicht der Meinung, daß die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten an Kompetenzschwierigkeiten scheitert. Soweit es sich um Möglichkeiten deutscher Staatsanwaltschaften oder deutscher Gerichte handelt, wird die Bestimmung der zuständigen Staatsanwaltschaft und des Gerichts jeweils durch den Bundesgerichtshof herbeigeführt. Damit ist jede Kompetenzschwierigkeit für den innerdeutschen Bereich behoben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512819600
Herr Becher!

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0512819700
Herr Bundesminister, sollte die Bundesregierung, die Bundesjustiz überhaupt und auch die Justiz der Länder nicht auch aus dem Grunde zu erhöhter Aktivität auf diesem Gebiete angehalten sein, weil die bevorstehende Entschließung der UNO über die Aufhebung der Verjährung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch die Verfolgung von Verbrechen gegen Deutsche erheischt, die von bestimmten Staaten — ich nenne z. B. die Tschechoslowakei — bereits unter Amnestie gestellt wurden?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512819800
Was zur Aufklärung und Fixierung von Tatbeständen oder Personen geschehen kann, geschieht. Aber wir haben natürlich keine Möglichkeit, etwa in der Tschechoslowakei derartige Dinge zu betreiben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512819900
Herr Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0512820000
Herr Bundesjustizminister, könnten Sie mir in der Meinung zustimmen, daß über die verfahrensrechtliche Frage der Verfolgung der Täter hinaus die Frage eines so umfangreichen Verstoßes gegen die Menschenrechte einer auf Justizebene erfolgenden Feststellung bedarf, und sehen Sie eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung unter Verwendung des Materials, das sich im Archiv in Koblenz und an anderen Stellen — auch in den Prozeßakten über Lamsdorf und anderswo — befindet, eine solche Dokumentation, die auch juristisch gut untermauert ist, erstellt?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512820100
Herr Kollege, die Frage einer Dokumentation alles dessen, was geschehen ist, ist im Juli dieses Jahres zwischen den beteiligten Bundesressorts erörtert worden. Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat es übernommen, dieses Thema in der Bundesregierung zur Beratung und eventuellen Beschlußfassung vorzubereiten und einzureichen. Das ist bis zum gegenwärtigen Augenblick aber noch nicht geschehen.
Es ist vorgesehen, diese Dokumentationsarbeit dem Bundesarchiv in Koblenz zuzuweisen und die dafür gebotenen Grundlagen und Voraussetzungen zu schaffen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512820200
Frage 52 des Abgeordneten Dr. Becher (Pullach) :
Ist die Bundesregierung bereit, ire Zusammenhang ihrer Bemühungen das Verlangen der sozialdemokratischen sudetendeutschen Seliger-Gemeinde zu unterstützen, die in einem Schreiben an den tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Jozef Lenart die Bildung einer neutralen Kommission vorschlug, welche die Tatbestände des auf deutscher und tschechoslowakischer Seite geschehenen Unrechts untersuchen und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Herbeiführung eines freundnachbarlichen Verhältnisses schaffen soll?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512820300
Diese Frage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen dahin, daß es gegenwärtig nicht erfolgversprechend erscheint, dem Vorschlag der Seliger-Gemeinde seitens der Bundesregierung nachzugehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512820400
Herr Dr. Becher!

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0512820500
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung nicht auch der Überzeugung, daß die Einsetzung neutraler Untersuchungskommissionen über die auf beiden Seiten geschehenen Verbrechen, so wie sie die sudetendeutsche sozialdemokratische Seliger-Gemeinde verlangt, eine der Voraussetzungen für eine Versöhnung ist, die eben nur dann echt sein kann, wenn man auf beiden Seiten nach der geschichtlichen Wahrheit und nach dem Recht sucht, und könnte die Bundesregierung oder könnten die Länderinstanzen die Vertreter unserer Justiz, die nun z. B. in Prag und in anderen Städten nach Akten fahnden, nicht auch beauftragen, in diesem Sinne vorstellig zu werden, d. h. daß man nicht nach Akten sucht, die einseitig nur Verbrechen betreffen, die — Gott sei es geklagt — im deutschen Namen begangen wurden, sondern auch die Verbrechen untersucht, die an den Deutschen begangen wurden, was ja ein Verfahren nahelegt, das legitim ist und das von den betroffenen Bevölkerungsschichten verlangt wird?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0512820600
Ich würde es für eine durchaus gute und erwägenswerte Sache halten, wenn eine gemischte Kommission, ich meine, eine national gemischte Kommission, derartigen Dingen nachgehen könnte und wenn alle beteiligten Länder ihr die dafür gebotenen Arbeitsvoraussetzungen geben würden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512820700
Keine weiteren Fragen mehr. Damit ist die Fragestunde beendet.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Einverständnis, daß ich den Punkt 8 der Tagesordnung aufrufe, der aus Termingründen jetzt erledigt werden sollte:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die Streit-



Vizepräsident Schoettle
sache vor dem Bundesverfassungsgericht Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung,
a) dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen auf Grund des Parteiengesetzes zu erteilen,
b) dem Herrn Bundesfinanzminister zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten,
c) den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes bereits empfangen haben, nicht zu verfügen
— Drucksache V/2190 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wilhelmi
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
1. Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Feststellung der Vereinbarkeit der §§ 18, 34 und 35 sowie 39 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773)
2. Antrag der Deutschen Friedens-Union (DFU) auf Feststellung, daß die §§ 18, 20, 21, 34 und 35 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I
S. 773) verfassungswidrig und nichtig sind
3. Antrag der Europäischen Föderalistischen Partei Deutschlands (Europa-Partei) auf Feststellung, daß § 2 Abs. 2, §§ 5, 18, 25 und 34 Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen
— Drucksache V/2191 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wilhelmi
Der Bericht des Rechtsausschusses auf Drucksache V/2190 liegt Ihnen vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wilhelmi.

(Abg. Dr. Kempfler: Er möchte auf den mündlichen Bericht verzichten!)

— Er verzichtet auf den mündlichen Bericht.
Wir können dann gleich darüber abstimmen. Wer dem Antrag des Rechtsausschusses auf Drucksache V/2190 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Es liegt noch ein zweiter Antrag des Rechtsausschusses auf Drucksache V/2191 vor. Dieser Antrag hängt, wie ich sehe, mit dem ersten zusammen. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache V/2191 zustimmt, den bitte ich um ein
Handzeichen. — Danke! Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu Punkt 3 a) bis e) :
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) — Drucksache V/2150 —
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967
— Drucksache V/2149 —

(Gasöl-VerbilligungsgesetzLandwirtschaft)

—Drucksache V/2194 —
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung (Finanzplanungsrat)

— Drucksache V/2134 —
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern — Drucksache V/2164 —
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Dichgans.

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0512820800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Gemäß § 39 der Geschäftsordnung möchte ich für den Punkt 3 der heutigen Tagesordnung folgende Anträge stellen.
1. Der erste Redner jeder Fraktion hat eine Redezeit von 60 Minuten.
2. Alle folgenden haben eine Redezeit von höchstens 15 Minuten.
3. Die Praxis dieses Hohen Hauses, Manuskripte zu Protokoll zu nehmen, soll dadurch nicht eingeschränkt werden.
Erlauben Sie mir wenige Worte zur Begründung. Der Ausgangspunkt ist das Bild, das sich hier am 13. Oktober bei der großen außenpolitischen Debatte nachmittags um 4 Uhr bot: 30 Abgeordnete im Saal. Wir können die Präsenz nur verbessern, wenn die Debatten lebhafter werden und wenn auch die individuellen Abgeordneten, die nicht die Meinung ihrer Fraktion, sondern eine eigene Meinung vortragen, eine Chance haben, zu Wort zu kommen. Das können wir nur durch eine Begrenzung der Redezeit erreichen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)




Dichgans
In diesem Sinne habe ich den Antrag gestellt. Ich höre, daß der Ältestenrat ihn bereits abgelehnt hat, aus mehreren Gründen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512820900
Herr Abgeordneter Dichgans, der Ältestenrat hat keinen Antrag abgelehnt — ich möchte das hier feststellen —, weil er gar nicht in der Lage ist, zu beschließen.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0512821000
Ich danke Ihnen sehr, Herr Präsident.
In der Debatte des Ältestenrats ist das Argument aufgetaucht, die Sache bedürfe einer eingehenden Prüfung im Geschäftsordnungsausschuß. Das gleiche wurde mir auch am 16. Februar 1966, vor mehr als 18 Monaten, hier gesagt. Aber die einschlägigen Anträge liegen immer noch im Geschäftsordnungsausschuß. Das liegt, wie ich ausdrücklich betonen möchte, nicht an dem Vorsitzenden, dem Herrn Kollegen Bauer. Aber mächtige Kräfte in allen Fraktionen, auch mächtige Kräfte in der Hierarchie dieses Hohen Hauses sind offenbar der Meinung, wir müßten die bisherige Praxis beibehalten.
Das zweite Argument. Es ist gesagt worden, daß gerade bei der Haushaltsdebatte die Grundsatzreden, die hier erforderlich wären, nicht in der notwendigen Länge gehalten werden könnten. Meine Damen und Herren, ich stelle mir die Frage: brauchen wir wirklich soviel Grundsatzreden? Sollten wir hier nicht mehr neue Gesichtspunkte, neue Informationen, neue Überlegungen hören? Es ist erfahrungsgemäß nicht ganz einfach, auch nur 15 Minuten mit wirklich neuen Überlegungen zu füllen.

(Beifall in der Mitte.)

Mir ist auch das Argument entgegengehalten worden, die gegenwärtige Praxis habe den Vorteil, daß sie daran hindere, daß hier zuviel Unsinn geredet werde.

(Heiterkeit.)

Nun, ich möchte hier leidenschaftlich für das Recht der Abgeordneten eintreten, Unsinn zu reden.

(Heiterkeit und Beifall.)

Es ist eines der Grundrechte des Parlaments

(Erneute Heiterkeit und Beifall.)

Gute Debatten brauchen falsche Argumente ebenso wie die richtigen; die richtigen entzünden sich an den falschen, und die Kollegen, die zuviel Unsinn fürchten, kann ich damit trösten: auch der Unsinn soll ja auf maximal 15 Minuten beschränkt werden.

(Heiterkeit und Beifall.)

In diesem Sinne, Herr Präsident, möchte ich bitten, den Antrag hier im Plenum zur Abstimmung zu stellen. Die Fraktionen möchte ich bitten, die Abstimmung freizugeben. Ich glaube, es wäre kein gutes Bild,

(Zurufe von der Mitte und von der SPD)

wenn eine Abstimmung nach Fraktionen erfolgen
würde. Meine Kolleginnen und Kollegen, ich möchte
Sie bitten, den Unmut, den Sie in privaten Gesprächen so reichlich geäußert haben, hier auch durch eine mutige Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.

(Beifall in der Mitte.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512821100
Ich stelle fest, daß der Antrag zulässig ist; denn gemäß § 39 der Geschäftsordnung setzt der Bundestag die Zeitdauer für die Beratung eines Gegenstandes fest.
Wird das Wort zu dem Antrag gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Schulte.

Manfred Schulte (SPD):
Rede ID: ID0512821200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dichgans hat dafür plädiert, hier vor dem Hause Unsinn reden zu können, und ich glaube, wir haben ihn dabei sehr ruhig angehört. Damit wird es aber auch, glaube ich, sein Bewenden haben. Es ist tatsächlich so, daß wir hier heute und in den nächsten Tagen schwere und schwerste Probleme erörtern, und da könnte jede Redezeitbeschränkung danach aussehen, als wolle man Kollegen, die auch sehr Ernstes zu diesen Dingen hier zu sagen haben, das Maul verbieten. Herr Kollege Dichgans, das wollen Sie, glaube ich, als letzter. Wir alle unterstützen die grundsätzlichen Bestrebungen, und der Applaus des Hauses hat Ihnen das sicherlich gezeigt. Aber dies ist sicherlich das denkbar schlechteste Objekt, um damit anzufangen. Wir plädieren deshalb heftig dafür, 'diese Anträge abzulehnen, und ich bitte Sie darum, dies durch Ihre Ablehnung auch ganz deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0512821300
Das Wort wird nicht weiter begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Dichgans. Wer stimmt ihm zu? —Gegenprobe! —
Meine Damen und Herren, ich bin mir selber nicht ganz klar 'darüber, und auch das Präsidium ist nicht einer Meinung, wo die Mehrheit lag. Ich glaube, wir müssen die Abstimmung wiederholen, und zwar würde ich bitten, sie durch Erheben von den Plätzen zu wiederholen. Wer für den Antrag Dichgans ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Ich würde vorschlagen, daß wir die Frage durch Auszählen klären. —

(Heiterkeit.)

Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Abgestimmt haben insgesamt 328 Mitglieder 'des Hauses. Enthalten hat sich ein Abgeordneter; es kann auch eine Abgeordnete gewesen sein.

(Heiterkeit.)

Ja-Stimmen sind abgegeben worden 161, Nein-Stimmen 166.

(Heiterkeit und Beifall. — Unruhe.)

Wenn sich die Erregung gelegt hat und die Damen und Herren wieder Platz genommen haben, können wir mit der Beratung der Punkte 3 a bis e beginnen. Die Beratung 'der Punkte 3 a bis e soll verbunden werden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haas.




Dr. Christian Albrecht Haas (FDP):
Rede ID: ID0512821400
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Zunächst ein einleitendes Wort zur Volumensmehrung des Haushalts 1968 gegenüber dem Kernhaushalt 1967, und nur dieser kann zum Vergleich herangezogen werden, nicht der durch zwei Investitionsprogramme aufgestockte Haushalt 1967. Nach unserer Rechnung beträgt diese Mehrung 9,1 %, nach der Rechnung des Herrn Bundesfinanzministers 8,2 %. Die rechnerische Differenz ist nicht ganz unwichtig. Wichtig ist aber die in jedem Fall zu hohe Volumensmehrung.
Das Produktionsvolumen der ersten acht Monate des Jahres 1967 ist im Verhältnis zum Produktionsvolumen der ersten acht Monate des Jahres 1966 um 4,8 % zurückgegangen. Das Bruttosozialprodukt ist in denselben acht Monaten von 1967 praktisch unverändert geblieben — nämlich je 228 Milliarden DM —, ebenso auch die Steuereinnahmen des Bundes; die Minderung gegenüber 1966 beträgt nur 0,2 %.
Nun gibt es zwar in jüngster Zeit seitens der deutschen Konjunkturforschungsinstitute optimistische Einschätzungen der konjunkturellen Entwicklung des Jahres 1968. Diesen Optimismus scheint sich der Herr Bundesfinanzminister zu eigen gemacht zu haben. Offenbar erwartet er den von diesen Instituten für das erste Halbjahr 1968 vorausgesehenen Bruttosozialproduktzuwachs von real 5,5 % und nominal 6,8 %. Dann wäre das Hineinpumpen von vielen Milliarden DM an Investitionen in die Wirtschaft wenigstens nicht wirkungslos geblieben. Das aber, was diese Milliardenhilfe in erster Linie bezwecken sollte, nämlich den in die Privatwirtschaft überspringenden Funken zu erzeugen, dürfte nach den bisherigen Erkenntnissen kaum erfolgen. Dort aber liegt die konjunkturelle Schlüsselposition, der dynamische Faktor in jedem Konjunkturwachstumszyklus überhaupt, nämlich bei den Ausrüstungsinvestitionen der Privatwirtschaft. Es ist auch nicht einzusehen, wie sie sich wesentlich verstärken sollte, zumal da doch die Ertragslage der privaten Unternehmungen im ersten Halbjahr 1967 erheblich abgenommen hat. Das gilt ebenso für die Nettoinvestition als auch für die Ersatzinvestition als auch für die Geldvermögensbildung. Alle drei Faktoren sind aber seit dem Jahre 1965 rückläufig. Die bekannte Unterkapitalisierung der deutschen Wirtschaft hat sich also verstärkt. Im Durchschnitt hat die deutsche Wirtschaft eben zuwenig Möglichkeiten, Rücklagen zu bilden. Angesichts dieser wirtschaftspolitischen Gesamtsituation ist die genannte Volumensmehrung von 9,1 % haushaltspolitisch nicht zu verantworten.
Die haushaltspolitische Misere von heute ist bekannt. Man kann sagen, daß bei ihrer Größe ein Rückblick ziemlich unfruchtbar wäre. Aber ich vertrete nicht diese Auffassung. Gerade weil die Schwierigkeit der Haushaltslage von heute so groß ist, müssen die Fehler der Vergangenheit gesucht, ausgemacht und für die Zukunft vermieden werden; sonst kann unsere Haushaltssituation nicht gesunden.

(Beifall bei der FDP.)

Hier ist nun folgendes feststellbar:
Die Ursachen für die Defizite in den Rechnungsergebnissen des Haushaltsjahres 1962 und der folgenden Haushaltsjahre lagen nicht in einem zu geringen Steueraufkommen oder in einer unabänderlichen Zwangsläufigkeit der Bundesausgaben, sondern in der mangelnden Berücksichtigung der in Zukunft auftretenden Bedürfnisse und vor allem in einer hemmungslosen Ausgabenwirtschaft. Jedem Einsichtigen muß klar sein, daß bei überschäumender Konjunktur und einer Belastung des Sozialprodukts mit Steuern, das innerhalb der EWG absolut und in der westlichen Welt eine Spitzenstellung einnimmt, eine dennoch defizitäre Haushaltswirtschaft des Bundes nur den Schluß zuläßt, daß wir von der Ausgabenseite her über unsere Verhältnisse leben und gelebt haben.
So wörtlich auf Seite 3 des Heftes 95 des Instituts Finanzen und Steuern.
Dabei fehlte es durchaus nicht an warnenden Worten. Die beiden Bundesfinanzminister der FDP z. B. haben solche mehrfach gesprochen. Herr Dr. Starke hat 1961 und 1962 wiederholt mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hingewiesen, die laufende Ausgabenmehrung des Bundes einzuschränken. Er betonte auch die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und forderte eine Rangordnung für die öffentlichen Ausgaben. Näheres kann in Dr. Starkes Haushaltsrede 1962 nachgelesen werden.
Herr Dr. Dahlgrün hat in seinem zum 1. Februar 1966 abgeschlossenen Finanzbericht 1966 die Finanzierungslücke etwa des Jahres 1969 mit 6,9 Milliarden DM bis 7,9 Milliarden DM beziffert und beschwörend erklärt, daß es zur Beseitigung der Finanzierungslücken der nächsten Haushalte einschneidender Maßnahmen und tiefgreifender Umstellungen auf der Ausgabenseite bedürfe. Näheres kann auf Seite 97 dieses Berichtes nachgelesen werden. Es heißt dort wörtlich:
Alle Ausgabenansätze, und zwar auch die, welche bisher als politisch unantastbar angesehen wurden, müssen daraufhin untersucht werden, ob sie zur Erhaltung unseres Staatswesens und zur Zukunftssicherung unabweisbar sind.
Und so weiter.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Aber in diesem Zeitpunkt war der Großteil der haushaltspolitischen Sünden bereits begangen. Der sogenannte Juliusturm mit seinen über 7 Milliarden DM Ersparnissen war vom sogenannten „Kuchenausschuß" dieses Hohen Hauses verplant und verteilt, nicht nur durch die Wahlgeschenk-Gesetzgebung des Wahljahres 1957, sondern auch durch eine sehr tiefgreifende sozialpolitische Gesetzgebung vor allem des Jahres 1956. Die FDP hat damals wohlüberlegt gegen die Rentenautomatik gestimmt, weil sie daran dachte, daß dieses Haus dann auf



Dr. Haas
lange Sicht oder für immer der Gefangene dieser Automatik sein würde. Und das ist geschehen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Matthöfer: Gott sei Dank, daß wir mit ihnen keine Koalition gemacht haben!)

Die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes, die wir so sehr beklagen und die unsere haushaltspolitische Lage von heute so fatal gemacht hat, ist nicht zuletzt das Ergebnis der ausgabewirksamen Gesetze dieses Hohen Hauses vor allem der Jahre 1956 und 1957.

(Zustimmung bei der FDP.)

Leider hat der damalige Bundeskanzler Adenauer den ihm unbequemen Herrn Schäffer auf die Rosenburg versetzt. Sein großenteils kranker Nachfolger Dr. Etzel stellte laut Finanzbericht 1956 fest, daß die effektiven Ausgaben des Haushaltsjahres 1956 gegenüber dem Jahre 1955 mit einer Steigerung von 24,3 % eine geradezu sprunghafte Vermehrung der Bundesausgaben gebracht hätten. Aber nun war es eben passiert. Eigentlich hätten nun wahrhaftig keine neuen Sünden mehr begangen zu werden brauchen. Aber sie wurden vor allem im Wahljahre 1965 gleichwohl begangen, und zwar unter tatkräftiger Assistenz der damaligen Opposition, nämlich der SPD.
Gleich nach dem Zusammentritt dieses Bundestages war der Katzenjammer offenbar geworden. Es wurde das Haushaltssicherungsgesetz 1965 aufgelegt, das eine Deckungslücke von rund 7 Milliarden DM zu beseitigen hatte. Es war zum Teil ein Schritt in der richtigen Richtung, zum Teil — nämlich in Höhe von 2 Milliarden DM — freilich nur ein Bündel von dilatorischen Maßnahmen, das neue Belastungen nur um ein Jahr hinausschob und deshalb die folgenden Haushalte zusätzlich belastete.
Es kann nicht wundernehmen, daß mit der Vergrößerung der Deckungslücke ein Jahr später auch die Schwierigkeiten in der Koalition wachsen mußten. Die FDP legte eine lange Liste von Haushaltskürzungen vor, welche die damals mit rund 4 Milliarden DM geschätzte Deckungslücke ohne Steuererhöhungen geschlossen hätte. Die CDU/CSU freilich nannte dieses Programm von wohlüberlegten Kürzungen soziale Demontage und holte sich einen anderen Koalitionspartner, der auch durchaus zu Steuererhöhungen bereit war.

(Beifall bei der FDP.)

Es begann ganz harmlos mit der Sektsteuer, dann kam die Erhöhung der Branntweinsteuer, der Mineralölsteuer und der Tabaksteuer. Schließlich erfolgte nach einiger Zeit die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 % schon in einem Zeitpunkt, in dem das neue Mehrwertsteuergesetz noch gar nicht in Kraft getreten war. Dabei bedeutet aber eine 1%ige Erhöhung des Steuersatzes nach der Größenordnung dieser Steuer immerhin 3 Milliarden DM. Zur Zeit ist die Einführung der 3%igen Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, gefordert vor allem von der SPD, geplant; sie ist für bestimmte Einkommen und ohne zeitliche Begrenzung vorgesehen. Bestrebungen von
Teilen der Koalition, diese Ergänzungsabgabe sogar auf 5 % zu erhöhen, scheinen vorerst keinen Erfolg zu haben.
Ein Großteil dieser Steuererhöhungen war möglich, obwohl der Herr Bundesfinanzminister, teilweise auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, immer wieder beteuerte, daß Steuererhöhungen oder weitere Steuererhöhungen nicht mehr in Frage kämen. Wer kann da noch auf ein Ministerwort vertrauen?
Auch jetzt wieder erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister in Frankfurt, daß es endgültig Schluß sei mit weiteren Steuererhöhungen. Aber gleichzeitig forderte sein Kabinettskollege Leber Steuererhöhungen für den Straßengüter- und den Werkfernverkehr. Das ist wahrhaftig ein schlimmer Katalog und eine traurige steuerpolitische Bilanz dieser Großen Koalition für das erste Jahr ihrer gemeinsamen Arbeit.
Gut, diese Koalition hat die bereits von Finanzminister Dahlgrün vorgelegte fünfjährige Finanzvorausschau institutionalisiert als mittelfristige Finanzplanung — erstmals leider nicht für fünf, sondern nur für vier Jahre — und in deren Rahmen ihren Willen zu einer antizyklischen Finanzgebarung demonstriert, sehr lebhaft sogar; wir fürchten, zu lebhaft. Aber darüber später.
Zunächst ein Wort zu den Ausgabekürzungen. Auf sozialpolitischem Gebiet ist ein reiches Bukett vorhanden, aber gewiß keine Maßnahmen einer organischen Konzeption: Kürzung der Haushaltszuschüsse zu den Rentenversicherungen, Beteiligung der Rentner an den Beiträgen zur Krankenversicherung, Begrenzung beim Kindergeld, beim Mutterschaftsgeld, bei der Kriegsfolgengesetzgebung und anderes mehr. Man sieht einen bunten Teppich aus vielerlei Stücken. Vielleicht ist auch ein wenig talentierter Wünschelrutengänger über die sozialpolitische Wiese gegangen und hat einfach die Ausschläge der Rute registriert. Keine Worte findet der Herr Bundesfinanzminister zu den wirklich dringenden Problemen unserer Sozialpolitik, etwa zur Rentenautomatik. Nur die unrichtige Behauptung, daß die 4 %ige Beteiligung der Rentner an den Kosten der Rentenversicherung dazu dienlich sei, die bisherige Rentenformel aufrechtzuerhalten, wird gebracht. Kein Wort darüber, daß die vorgesehenen Steigerungen der Beitragssätze zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten von zur Zeit 14 auf 17 % bis 1970 und die sonstigen vorgeschlagenen Maßnahmen in den nächsten vier Jahren zusammen die Arbeitgeber zusätzlich um 12,6 Millarden DM belasten. Für die Arbeitnehmer bedeutet diese Maßnahme eine Reduzierung ihrer Einkommen in gleicher Höhe. Beide Belastungen wirken bestimmt nicht antizyklisch, sondern sehr prozyklisch, ebenso wie die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer.
Nun glaubt der Herr Bundesfinanzminister, daß auch diese Verlagerung von Bundeshaushaltslasten in die Haushalte der Beitragspflichtigen dazu dienen könnte, die Leistungspflichten der Sozialversicherungen bis 1971 aufrechtzuerhalten. Wir fragen aber:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 6459
Dr. Haas
Erstens. Hat der Herr Bundesfinanzminister bedacht, daß es 1971 2 Millionen Rentner und Pensionäre in der Bundesrepublik mehr geben wird als heute?
Zweitens. Hat der Herr Bundesfinanzminister bedacht, daß es 1971 eine halbe Million Arbeitskräfte weniger geben wird als heute?
Drittens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß seine Annahme, wonach ein ausgeglichenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten vorhanden sei, höchst zweifelhaft ist? Weiß er, daß der Verband der Rentenversicherungsträger folgende Defizite errechnet: 1968 1,5 Milliarden DM, 1969 1,8 Milliarden DM, 1970 1,9 Milliarden DM, 1971 3,3 Milliarden DM, insgesamt also für diese vier Jahre 8,5 Milliarden DM? Es ist selbstverständlich, daß dann, wenn bei gleichen Grundannahmen im Endergebnis solche Differenzen entstehen, den Dingen in den Ausschüssen eingehend nachgegangen werden muß. Andernfalls müßte sich das Parlament den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen, wenn es Ergebnisse, die in diesem Umfang bestritten sind, ungeprüft hinnehmen würde.
Viertens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß die oben erwähnte Schere bei den Einnahmen und Ausgaben des Bundes gerade bei der Rentenautomatik besonders gefährlich weit geöffnet ist, so daß nichts dringlicher erscheint als die Reform der Rentenreform, wenn man nicht Gefahr laufen will, daß die Rentenversicherungen schon in einigen Jahren zahlungsunfähig werden?
Fünftens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, die Deutsche Bundesbank, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Verband der Lebensversicherungsunternehmen die Annahmen der Bundesregierung über die zusätzlichen Beitragseinnahmen aus der Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte für übertrieben hoch halten? Die errechneten Differenzen betragen jährlich mehrere hundert Millionen DM. Die Bundesregierung sagt, es seien 636 Millionen DM, die anderen Institute sagen, es seien maximal 400 Millionen DM pro Jahr.
Sechstens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß sowohl seine sozialpolitischen Kürzungsmaßnahmen als auch seine Steuererhöhungen nicht nur nicht antizyklisch wirken, sondern speziell den sogenannten kleinen Mann, den kleinen und mittelständischen Unternehmer, besonders hart treffen? Im Zeitalter der Unternehmenskonzentration müßte alles getan werden, um einer breiten Schicht mittelständischer Menschen den Lebensraum nicht noch weiter zu verengen.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist nach unserer Meinung vor allem eine staatspolitische Notwendigkeit. Die NPD ist ja nicht von ungefähr gekommen. Vergessen wir nicht, daß vor allem der in seiner Existenz auf das äußerste be-
drohte deutsche Kleinbürger der Jahre 1930 bis 1933 es gewesen ist, der den Nationalsozialismus gemacht hat! Manche Parallelität zwischen heute und den unheilschwangeren Jahren von damals läßt sich leider feststellen. Eine leichte Rezession hat genügt, die Extremisten links und rechts zu einem erheblichen Anwachsen zu bringen. Wenn wir glaubten, mit staatspolitischer Erziehung Boden gewonnen zu haben, so war das leider eine weitgehend trügerische Annahme. Selbst große Teile unserer studentischen Jugend beweisen beinahe tagtäglich, daß nicht rationale, sondern emotionale Überlegungen ihr Handeln bestimmen.
Der Herr Bundesfinanzminister ist sich des unorganischen Charakters seiner Kürzungen auf sozialpolitischem Gebiete auch durchaus bewußt. Er sagte wörtlich:
Es soll nicht geleugnet werden, daß die vorgesehenen sozialpolitischen Maßnahmen das Ergebnis eines politischen Kompromisses sind.
Nun, wenn Sie es nicht gesagt hätten, Herr Minister, hätten wir es auch gewußt! Und auch den pompösen Nachsatz hätten Sie sich sparen können, der wörtlich lautet:
Das darf jedoch über die positiven, in die Zukunft weisenden Komponenten nicht hinwegtäuschen.
Nichts, gar nichts an Ihrer Programmatik weist in die Zukunft!

(Beifall bei der FDP.)

Allenfalls ist Ihr Wille feststellbar, demnächst wieder auf dem Felde der Sozialpolitik einsammeln zu gehen, aber hoffentlich nicht in Anlehnung an das Bibelwort: Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie sammeln doch in die Scheuern!
Die Pferdefüße Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sind Ihnen, Herr Finanzminister, ebenfalls zur Genüge bekannt. Sie verteidigen die bisher erfolgten Haushaltsausweitungen, die bei Bund, Ländern und Gemeinden zusammen nach dem ersten und dem zweiten Investitionshilfeprogramm und mit Hilfe von zinslosen Darlehen zusammen runde 15 Milliarden DM innerhalb kurzer Zeit in die öffentlichen Haushalte hineinpumpen. Sie weisen auf die Höhe der kurz- und langfristigen Neuverschuldung und auf die Höhe des Zinsendienstes hin. Sie halten die exorbitante Höhe der Neuverschuldung gleichwohl für gerechtfertigt und geben der Hoffnung Ausdruck, daß es gelingt, einen größeren Teil der kurzfristig aufgenommenen Darlehen zu konsolidieren. Aber auch wenn dies gelingt, bleiben die Tatsache der stark angestiegenen Bundesschuld, die Verpflichtung zu ihrer Abdeckung und die Höhe des Zinsendienstes für lange Jahre bestehen.
Wir glauben gern, daß Sie nach Konsolidierung streben. Denn würde die kurzfristige Neuverschuldung in ihrer Höhe bestehenbleiben, dann hätten Sie nach Ihren Planungen für 1972 und 1973 für deren Tilgung und für die Abdeckung der Prolongationen rund 8 bzw. 6 Milliarden DM in diesen beiden Jahren zu leisten. Daß der Bund das niemals kann, ist klar, es sei denn, das goldene Zeitalter wäre 1972 und 1973 ausgebrochen, im ersten und



Dr. Haas
zweiten Jahr nach dem Ablauf der ersten Finanzplanung! Aber was dann, wenn sich im nächsten Jahr herausstellen sollte, daß der eingangs erwähnte Zündfunke in dem privaten Wirtschaftssektor tatsächlich nicht übergesprungen ist und daß das Gespenst der Rezession nach wie vor vor der Türe steht? Wird dann der Bundeswirtschaftsminister nicht mit einem dritten und vierten Investitionshilfeprogramm kommen und das Kabinett es aus Angst vor dem Sichtbarwerden der Rezession — womöglich im Jahr der Bundestagsneuwahl! — nicht wieder bewilligen? Werden Sie auch dann noch behaupten, daß Sie nicht gewillt seien, verstärktes Wachstum durch schleichende Inflation zu erkaufen?

(Beifall bei der FDP.)

Herr Finanzminister, ich glaube, daß die von Ihnen in Ihrer Rede vorgenommene Aufteilung der deutschen Nachkriegswirtschaftsgeschichte in die drei Jahrfünfte von 1950 bis 1955, von 1955 bis 1960 und 1960 bis 1965 recht aufschlußreich ist. Sie selbst weisen für diese drei Zeiträume Rückgänge des realen Bruttosozialprodukt-Zuwachses von reichlich 9 % auf 6,5 % und auf 4,8 % aus. Was ist natürlicher, als daß das weitere Absinken dieser Zuwachsraten gar nicht in erster Linie als mehr oder minder starke Rezession unserer Wirtschaft, sondern vor allem als die verstärkte Abflachung der konjunkturellen Anstiegskurve aufzufassen ist? Dann hätten wir also gar nicht die von Ihnen und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister behauptete exzeptionelle Lage einer starken Rezession, die Sie zu so abnorm hohen Investitionsspritzen unter antizyklischen Vorzeichen zwingen würde! Dann würden wir also wiederum in gefährlicher Weise auch jetzt über unsere Verhältnisse leben, und zwar ohne jede Hoffnung darauf, daß die angekurbelte oder wieder befestigte Wirtschaft uns jemals die Milliardenbeträge zurückgeben könnte, die wir heute angeblich antizyklisch in sie hineingeben! Hoffentlich ist der Ruf „quelle terrible vision" unbegründet. Leider habe ich das Gefühl, daß sich ein Teil dieser Vorstellungen vielleicht schon im nächsten, vielleicht auch erst im übernächsten oder überübernächsten Jahre bewahrheitet. Ich hoffe es jedenfalls nicht, und die ganze Opposition hofft es nicht, und zwar schon aus den oben erwähnten staatspolitischen Aspekten, denen auch wir uns verhaftet fühlen. Es wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn dann Sie, Herr Bundesfinanzminister, als. der Bundesfinanzminister der Inflation und wenn der Herr Bundeskanzler als der Bundeskanzler der Inflation bezeichnet würden. Aber unerträglich wäre ganz gewiß eine neuerliche Inflation, wenn man sich vor Augen hält, mit welch schmerzlichen Verlusten und Verzichten die Deutsche Mark 1948 geboren wurde und was die Erhaltung ihrer Kaufkraft für das ganze deutsche Volk bedeutet.

(Beifall bei der FDP.)

Wir befürchten allerdings, daß Sie, Herr Minister, und das ganze Kabinett sich bereits in einem sehr schnell fahrenden Zuge befinden, der nicht mehr zum Anhalten und nur schwer zu einer Geschwindigkeitsminderung gebracht werden kann, auch wenn Sie den Willen dazu haben, was wir Ihnen gern unterstellen wollen. Wir wissen auch, wie rasch — leider! — in der Politik das „Kreuziget!" dem „Hosianna" folgt, wie auch umgekehrt manchmal das „Kreuziget!" von einem neuen „Hosianna" abgelöst wird. Wie sehr hat gerade der von ihrer Fraktion vor Jahresfrist im Stich gelassene frühere Herr Bundeskanzler inzwischen — zwar nicht bei Ihnen, aber doch schon weitgehend in der Öffentlichkeit — zumindest moralisch ein Comeback feiern können, was wir ihm gerne gönnen.
Nicht umsonst haben wir zum Zweiten Investitionshilfeprogramm vor allem wegen seines Volumens nein gesagt. Freilich gefielen uns auch andere Dinge nicht. Viele der investiven Maßnahmen waren keineswegs vordringlich oder besonders notwendig. Teilweise handelte es sich um jahrelang fein ausgearbeitete und in gewissen Referenten-Schubläden schlummernde Ladenhüter. Wenn nur wenigstens das System, das der bayerische Finanzminister Pöhner bei den investiven Maßnahmen für seinen Landesbereich angewandt hat, auch im Bund Platz gegriffen hätte! In Bayern wurden nämlich die für das folgende Haushaltsjahr vorgesehenen Investitionen in die neu aufgelegte Investitionshilfe übernommen, so daß dann wenigstens für das kommende Haushaltsjahr Luft geschaffen wurde.
Über das Verhältnis von Stabilität und Wachstum gehen die Meinungen auseinander. Wir, die FDP, fordern Wachstum durch Stabilität oder Wachstum aus der Stabilität. Das frühere Kabinett sagte: Stabilität und Wachstum und brachte schon damit zum Ausdruck, daß es die Stabilität für vorrangig halte. Bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister werden wir den Verdacht nicht los, daß er das von ihm vorrangig gewünschte Wachstum thermostatisch steuern will, um einen Ausdruck zu gebrauchen, den Herr Abs bei dem kürzlichen Jubiläum seines Ministeriums verwandt hat. Eine solche Steuerung aber ist schon deshalb unmöglich, weil von der Analyse unserer wirtschaftlichen Lage bis zur Festlegung der korrigierenden Impulse und bis zur Hereingabe von geldlichen Beihilfen 'in die Wirtschaft oder deren Herausnahme ein Zeitablauf von mindestens 8 bis 9 Monaten vergeht. Mit diesem gerade in gefährlichen Situationen besonders empfindlichen zeitlichen Verzug kann also bestenfalls der Thermostat der Wirtschaft bedient werden. Bis dahin mindestens läuft der oben erwähnte Zug mit der alten Geschwindigkeit weiter. Eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle!
Der Herr Bundesfinanzminister hat eine Reihe von anderen Problemen angesprochen, auf die teilweise meine Kollegen Peters, Spitzmüller, Mischnick und andere eingehen werden. So z. B. hat er auf die Schwierigkeiten bei der EWG-Finanzierung hingewiesen. Seit Jahren haben wir unsererseits die hierfür ausgebrachten haushaltsmäßigen Belastungen herausgestellt. Jetzt soll gespart werden. Aber die finanziellen Verpflichtungen gegenüber Brüssel bleiben als feste Größenordnung bestehen. Zwangsläufig müssen also jetzt die Förderungsmaßnahmen für die heimische Landwirtschaft gekürzt werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat sich zur raschen Durchführung der großen Finanzreform, und



Dr. Haas
zwar noch in dieser Legislaturperiode, bekannt. Wir begrüßen diese Erklärung, wiewohl wir bei der Größe und Schwierigkeit der hier zu lösenden Probleme nicht glauben, daß das Wunschbild des Herrn Finanzministers in Erfüllung geht. Leider!
Auch wir 'bekennen uns zu ,dem Grundsatz eines kooperativen Föderalismus. Aber wir sehen schon im Falle ,der im Grundgesetz auszubringenden Enumeration der Gemeinschaftsaufgaben, welche Schwierigkeiten sich hier auftürmen. Nur zwei von Ihnen vorgeschlagene Gemeinschaftsaufgaben sind bisher von den Ländervertretungen akzeptiert worden, nämlich der Aus- und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen und .die Förderung ,der wissenschaftlichen Lehre sowie die regionale Wirtschaftsförderung. Für den Rest wird es noch eine lange und wahrscheinlich teilweise auch endgültig ablehnende Diskussion geben. Dabei gehen die Bedenken der Länder nicht nur dahin, daß sie nunmehr ihre Kompetenzen auf vielen Gebieten, auf denen sie bisher die Alleinzuständigkeit hatten, mit dem Bund teilen sollen, sondern auch dahin, daß häufig eine für beide Teile unerquickliche Mischverwaltung entstehen kann. Hier soll offensichtlich der neu zu schaffende Finanzplanungsrat dem Bundesfinanzminister Hilfestellung leisten. Wir verhehlen nicht, daß wir gegen die Institutionalisierung neuer Räte immer grundsätzliche Bedenken haben, zumal dann, wenn sie durch Gesetze erfolgt. Der Herr Bundesfinanzminister möge uns bitte dartun, warum er mit der Ständigen Finanzministerkonferenz der Länder hier nicht mehr weiterzukommen glaubt. Am Ende hat dieses Haus in jüngster Vergangenheit mit dem Investitionsförderungsvolumen des Stabilitätsgesetzes und seinem Konjunkturrat eine Machtfülle vom Parlament an die Exekutive und an eine außerparlamentarische Institution weggegeben, die bedenklich ist. Die Opposition muß im Prinzip fordern, diesen Weg möglichst nicht weiter zu beschreiten. Vorsicht zumindest wird daher am Platze sein.
Ein besonders wichtiges Anliegen meiner Fraktion hätte ich noch vorzutragen. Der schon längst eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes liegt als weiterer Gesetzentwurf im Rahmen der Neuordnung des Besoldungsgefüges vor. Mit ihm soll der Bund verfassungsrechtlich ermächtigt werden, in der Besoldung Mindest- und Höchstbeträge festzulegen sowie einheitliche Maßstäbe für den Aufbau der Besoldungsordnung zu schaffen. Die Größe des Besoldungswirrwarrs in Bund und Ländern ist u. a. auch kürzlich bei der Beratung der Besoldungsneuregelung im Haushaltsausschuß des Bundestages zur Genüge besprochen worden. Alle Harmonisierungsbestrebungen sind unnütz vertan, wenn nicht endlich auf diesem wichtigen Gebiet eine verfassungsmäßige Kompetenz des Bundesgesetzgebers hergestellt wird.
Im Jahre 1963 haben sich leider die Spitzenorganisationen der Beamtenschaft gegen diese Grundgesetzänderung ausgesprochen. Ihre Erklärungen betonen die. föderative Ordnung dieses Gesamtstaates. Aber jeder Kundige weiß, daß der Verdacht besteht, daß die föderative Ordnung dieses Staates von den Beamtenverbänden nur deshalb begrüßt wird, weil sie ihnen die Möglichkeit gibt, immer wieder einzelne Länder zum Vorprellen in der Besoldung zu verleiten und die anderen, häufig finanzschwächeren Länder zum Nachziehen zu zwingen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau das ist es!)

Im übrigen hat sich meine Fraktion für die Durchführung der Besoldungsreform und die Hereinnahme eines entsprechenden Postens in den Bundeshaushalt ausgesprochen. Denn es ist unseres Erachtens unzumutbar, die Beamtenschaft mit ihren berechtigten Ansprüchen noch weiter zu vertrösten.

(Abg. Leicht: Dann hätten Sie auch im Haushaltsausschuß so stimmen müssen!)

Meine Damen und Herren, wenn nun vielleicht Aufforderungen an uns ergehen, genaue Vorschläge für haushaltsmäßige Deckungen zu machen, so glaube ich zunächst, daß Sie dies derzeit füglich nicht von uns verlangen können, weil Sie doch selbst in Ihrem eigenen Bereich bis zur Stunde Unklarheiten über 'den Umfang Ihrer Einsparungen nicht oder kaum 'ausgeräumt haben. Zum anderen darf ich auf die lange Liste von möglichen Einsparungen verweisen, die wir vor Jahresfrist bei der Regierungskrise der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt haben. Darunter befand sich z. B. ,der Vorschlag, in der Einkommensteuer sämtliche Pauschalfreibeträge abzuschaffen, immerhin eine Maßnahme mit einem Effekt von rund 800 Millionen DM.
Wir glauben auch an erhebliche Einsparungsmöglichkeiten im Verteidigungshaushalt. Um sie beraten zu können und überhaupt aufscheinen zu lassen, haben wir schon vor Monaten die Darlegung einer Verteidigungskonzeption durch den Herrn Bundesverteidigungsminister im Rahmen einer doch wohl geänderten außenpolitischen Situation verlangt. Daß sie bis jetzt noch nicht erstellt wurde, beklagen wir, wobei wir selbstverständlich die Erkrankung des Herrn Ministers berücksichtigen. Wir beklagen auch die Ablehnung unserer Forderung nach einer Verkürzung des Grundwehrdienstes von 18 auf 12 Monate, welche allein gewaltige Einsparungen auf dem Gebiet der Personalausgaben gebracht hätte. Jedenfalls wäre, wenn diese erfolgt wäre, die vom Herrn Finanzminister im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung erwähnte Steigerung der Verfügungssummen von 1967 bis 1971 in Höhe von 3,5 Milliarden DM nicht nötig gewesen. Schon für das Jahr 1968 hätte sich eine Absenkung der 'Verteidigungsausgaben durchführen lassen.
Herr Finanzminister, Sie wissen, daß ich Ihre rhetorischen Äußerungen mit stets wachsendem Interesse verfolge. Dies gilt auch für Ihre im Bayerischen Rundfunk am 13. September 1967 gehaltene Rede. Es ist geradezu erbaulich, sie zu lesen. Es heißt dort u. a.:
Es ist noch kein Jahr her, da stand die neugebildete Bundesregierung vor einem schier unüberwindlichen Berg finanzieller und wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Es drohten riesige Finanzierungslücken in den Bundeshaushalten der kommenden Jahre. Die Wirtschaft erlitt einen starken Rückschlag. Das Vertrauen der



Dr. Haas
Bevölkerung war erschüttert. Jetzt sind neue tragfähige Fundamente gelegt worden. Der Rückschlag ist aufgefangen. Die allgemeine Richtung stimmt wieder. Es geht weiter aufwärts, wenn auch zunächst nur in kleinen Schritten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die neue Bundesregierung hat sich als 'handlungsfähig erwiesen. Sie hat planvoll und zielbewußt gehandelt.

(Beifall in der Mitte.)

Zügig ist ein Programm dem anderen gefolgt.

(Zuruf von der Mitte: Prima!)

Bereits für das nächste Jahr sagen Sie in dieser Rede eine neue wirtschaftliche Blüte voraus.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) Sie loben die Koalition, indem Sie sagen:

Die Vertreter der beiden großen Regierungsparteien haben sich im Kabinett zu einer guten Zusammenarbeit gefunden,

(Zuruf von der FDP: Das sieht man!)

und schon heute kann die Regierung mit einer gewissen Befriedigung auf das Erreichte zurückschauen. Wir sind aus dem Gröbsten heraus.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Endlich heißt .es dort:
Wir können mit einem gewissen Stolz feststellen, daß wir die erste Ernte unter Dach und Fach gebracht haben.
Herr Finanzminister, verzeihen Sie, wenn wir Ihnen hier doch wohl etwas Wasser in den Wein hineingeben müssen. Bis jetzt haben Sie nämlich noch gar keine Ernte unter Dach und Fach gebracht.

(Beifall bei der FDP.)

Sie können allenfalls nur Hoffnungen haben, und wieweit diese sich realisieren lassen, das mag das Erntedankfest des nächsten oder übernächsten Jahres, aber nicht des heurigen erweisen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon vorbei!)

Immerhin halten wir es für fair, daß Sie sich zu der nun einmal bestehenden Koalition bekannt haben, obwohl Ihnen diese tagtäglich sehr erhebliche Kopfschmerzen bereitet.
Ich darf den von Ihnen gestern verschluckten, aber auf Seite 31 Ihrer Haushaltsrede ausgedruckten Satz hier zitieren:
Mir ist aber bisher
— so sagen Sie bei der Behandlung der sozialpolitischen Ausgabenkürzungen —
keine annehmbare Alternativlösung bekanntgeworden, über die im politischen Raum auch nur annähernd Einigkeit herbeigeführt werden könnte.
„Im politischen Raum" heißt ja wohl im Rahmen der bestehenden Großen Koalition, die in diesem Hohen Hause eine Bandbreite von 90 % besitzt. Da war der Herr Bundesaußenminister kürzlich schon ehrlicher, als er auf eine entsprechende Frage erklärte, daß er sich etwas Schöneres als die Große Koalition vorstellen könne.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

In der Tat, diese Koalition ist zu groß, um schön zu sein.

(Erneute Heiterkeit und Beifall bei der FDP. — Zuruf von der FDP: Zu schön, um groß zu sein.)

Wäre sie schön, dann wäre sie wahrscheinlich zu schön, um wahr zu sein.

(Anhaltende Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Natürlich hat Herr Brandt recht: es gibt wirklich schönere Dinge auf dieser Welt als diese Große Koalition, z. B. ein schönes Theater oder ein schönes Konzert, wenn auch nicht in Form einer konzertierten Aktion, die ja jetzt gerade wieder sehr fragwürdig geworden ist. Welchen Preis, meine Damen und meine Herren von der CDU/CSU, haben Sie vor Jahresfrist für diese Zusicherung der konzertierten Aktion seitens des Partners gezahlt? Nun erweist sich dieses Versprechen heute schon weitgehend als Schimäre. Diejenigen, denen „soziale Symmetrie" immer wieder vom Bundeswirtschaftsminister versprochen wurde, wollen offensichtlich nicht mehr warten. Was Wunder, wenn Risse im Gebälk auch Ihrer Finanzpolitik, Herr Bundesminister, sich abzeichnen, um die wir Sie jedenfalls nicht beneiden.
Die FDP als Oppositionspartei lehnt selbstverständlich den vorgelegten Entwurf des Bundeshaushalts 1968 ab.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0512821500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0512821600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat wiederholt auf den Zielkonflikt hingewiesen, unter dem unsere Beschlüsse in den Sondersitzungen des Deutschen Bundestages im September gestanden haben. Dieser Zielkonflikt bestand und besteht in seinen Auswirkungen noch heute darin, daß wir Maßnahmen zur Sanierung des Bundeshaushalts in einem Zeitpunkt ergreifen müssen, zu dem von der gesamtwirtschaftlichen Lage her ein expansives Verhalten der öffentlichen Hand erforderlich wäre.
Wir haben dieser Konfliktsituation durch ein kombiniertes Programm von Ausgabekürzungen und Einnahmeerhöhungen zu begegnen versucht und können schon jetzt — im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner — feststellen, daß dieses Programm erste Wirkungen zeigt. Seit der Jahresmitte 1967 ist der Konjunkturabschwung zum Stillstand gekommen. Es mehren sich die Anzeichen für eine beginnende Erholung und einen baldigen Wiederbe-



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
ginn des Wachstums. Das Konjunkturklima hat sich gegenüber der Zeit um die Jahreswende 1966/67 entscheidend gewandelt. Anstelle verbreiteter Krisenfurcht ist wieder eine zuversichtliche Beurteilung der Entwicklungsaussichten getreten.

(Zuruf von der FDP: Siehe Baden-Württemberg!)

— Das hat mit der zuversichtlichen Beurteilung der Entwicklungsaussichten nichts zu tun. Ich glaube, in der Fragestunde ist einiges über den Hintergrund dieses höchst bedauerlichen Konflikts zum Ausdruck gekommen.
Die entschlossene und zielbewußte Konjunkturpolitik der neuen Bundesregierung hat den ausschlaggebenden Anteil an der Beendigung der Rezession und der Wiederherstellung des Vertrauens in eine aufwärtsführende Weiterentwicklung der Wirtschaft.
Diese Auffassung — davon müßte eigentlich auch die Opposition Kenntnis nehmen, die sich ja selbstverständlich ebenfalls um eine völlig objektive Beurteilung der jetzigen Lage bemüht — wird von den wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten bestätigt. In ihrer Gemeinschaftsdiagnose vom 6. Oktober 1967 heißt es dazu:
Die Industrie steht wieder im Zeichen eines konjunkturellen Anstiegs des Auftragseingangs. Wie die bis zuletzt anhaltende kräftige Zunahme der Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern zeigt, hat das Vertrauen auf konjunkturpolitische Aktivität der neuen Regierung die Investitionsneigung, die um die Jahreswende 1966/67 weitgehend erlahmt war, trotz der im allgemeinen geringen Auslastung der Produktionskapazitäten belebt.
Das erste Konjunkturprogramm des Bundes verhinderte den weiteren wirtschaftlichen Abschwung im ersten Halbjahr 1967.
Um die Aufwärtsbewegung in Gang zu bringen und zu verstärken, bedurfte es aber der Verabschiedung des zweiten Konjunkturprogramms mit zusätzlichen Investitionen des Bundes, der Länder und der Gemeinden in Höhe von 5,3 Milliarden DM sowie mit verstärkter steuerlicher Entlastung der Altvorräte beim Übergang zur Mehrwertsteuer.
Niemand kann bestreiten, daß sich die neue Bundesregierung hier etwas hat einfallen lassen. Wer etwa vor einem Jahr in diesem Hohen Hause oder an einer anderen Stelle erklärt hätte, daß in einer solchen Situation die Bundesregierung bereit sei, aus ERP-Mitteln 500 Millionen DM den finanzschwachen Gemeinden zur Verfügung zu stellen, der wäre nicht ernst genommen worden. Das hätte man für völlig unrealistisch gehalten. Aber die besondere Lage, in der wir uns befinden, hat die Bundesregierung veranlaßt, auch außergewöhnliche Maßnahmen einzuleiten. Ich kann nur bedauern, daß das von dem Herrn Kollegen Haas nicht richtig gesehen wird.
Hatte das erste Konjunkturprogramm allenfalls die rückläufigen Investitionsausgaben der öffentlichen Hand ausgeglichen, so brachte das zweite Konjunkturprogramm die für eine Wiederbelebung unerläßliche Klimabesserung. Der inzwischen zu verzeichnende Stimmungsumschwung unterstreicht diesen Zusammenhang deutlich.
Die konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung fanden die volle Unterstützung der Deutschen Bundesbank, durch deren aktive Mitwirkung die Durchführung des zweiten Programms gesichert werden konnte. Ich möchte diese Tatsache ausdrücklich und dankbar anerkennen und meinen, daß diese Beurteilung der Bundesbank hinsichtlich des zweiten Programms der Bundesregierung eigentlich auch jede Opposition zum Nachdenken veranlassen müßte.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand hat auch nicht, wie beispielsweise Herr Mischnick in der Septembersitzung behauptete, das Kreditvolumen der privaten Wirtschaft eingeengt. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank ist die Kreditnachfrage der Unternehmen im ersten Halbjahr 1967 gegenüber dem ersten Halbjahr 1966 um 10,2 v. H. zurückgegangen; die Kreditnachfrage der öffentlichen Haushalte ist dagegen nur um 4,2 v. H. gestiegen. Die Verschuldung der öffentlichen Hand hat also im ersten Halbjahr 1967 nur einen Teil des Ausfalls an privater Kreditnachfrage ausgeglichen. Sie wird auch in der zweiten Hälfte dieses Jahres nicht dazu führen, den Kreditspielraum der Unternehmen einzuengen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, die Sie zu den Ungläubigen gehören, diesen Darstellungen eines Vertreters der Regierungskoalition nicht beipflichten können, dann empfehle ich Ihnen, das sehr aufschlußreiche und eingehende Interview zu studieren, das Herr Dr. Emminger von der Deutschen Bundesbank am 5. September dieses Jahres im Deutschlandfunk gegeben hat. Es wird sicherlich auch das Konzept Ihrer nächsten Redner, meine Herren von der FDP, wohltuend beeinflussen, wenn sie sich an die hier von Dr. Emminger vorgetragenen Tatsachen halten.
Meine Damen und Herren, die Alternative zur öffentlichen Verschuldung, nämlich die öffentlichen Ausgaben den sinkenden Steuereinnahmen anzupassen, kann wohl von niemandem ernsthaft gewollt werden; sicherlich auch nicht von der FDP. Dabei muß ich allerdings sagen, daß ich zwar Kritik gehört habe, daß aber jeder konstruktive Gegenvorschlag gefehlt hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich darf mir erlauben, an die denkwürdige Sitzung vom 10. September 1966 zu erinnern, als wir uns mit dem damaligen Haushalt beschäftigten. Ich kann Ihnen versichern, daß sich meine politischen Freunde in den vorangegangenen Monaten, als nicht daran zu denken war, daß es mitten in der Legislaturperiode zu einer Neubildung der Bundesregierung kommen würde, wirklich den Kopf darüber zerbrochen haben, wie sie Alternativen entwickeln könnten. Sie waren sich darüber im klaren, daß man in einer so schwierigen Situation zu einer Regierungsvorlage nicht einfach nein sagen kann,



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
sondern daß man sich etwas anderes, nach Möglichkeit etwas Besseres einfallen lassen muß.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind damals zu der Konstruktion des Kernhaushalts und des Investitionshaushalts gekommen, und haben ein Programm vorgelegt, das auch bei der damaligen Koalition Anerkennung fand, was ich hiermit gern bestätigen will. Wenn Herr Kollege Haas oder einer der folgenden Redner der FDP nun Alternativen zu Teilen des Haushaltsplans 1968 oder den Finanzierungsgesetzen vorträgt, dann werden wir das sehr sorgfältig prüfen, weil wir der Auffassung sind, daß das Bessere immer der Feind des Guten ist. Wenn Sie etwas Besseres vorzutragen haben, dann werden Sie sicherlich bei allen Fraktionen des Hohen Hauses Beifall finden und Freude darüber auslösen, daß sich nicht nur die Koalition um eine Sanierung der Bundesfinanzen und eine Überwindung der Rezession bemüht, sondern daß dies. das Anliegen aller Fraktionen dieses Hohen Hauses ist.
Die bisherige Entwicklung — darauf muß ich Herrn Haas und seine Kollegen noch besonders aufmerksam machen — hat zu einer weitgehenden Preisniveaustabilität geführt. Hatte die Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts' 1966 noch 3,7 v. H. betragen, so verminderte sie sich im ersten Halbjahr 1967 auf 1,4 v. H.; für das zweite Halbjahr des Jahres 1967 wird sie auf 0,2 v. H. geschätzt.
Diese Entwicklung ist ein entscheidender Erfolg auf dem Weg zur Preisstabilität. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion vertritt allerdings die Auffassung, daß wir das Ergebnis auch mit geringeren Wachstumsverlusten hätten erzielen können, wenn frühzeitig entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen ergriffen worden wären. Wir haben 1967 auf ein Wachstum des Sozialproduktes verzichten müssen, das nahezu den gesamten Barleistungen der Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter eines Jahres — 1966 handelte es sich um eine Summe von etwa 25 Milliarden DM — entspricht.
Über den Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung im Jahre 1968 gehen die Auffassungen auseinander. Wir stimmen erfreulicherweise darin überein, daß sich ein neues Wachstum anbahnt. Insoweit kann ich alle hier aus einer Rede vom Bundesfinanzminister Strauß zitierten Sätze unterstreichen. Die bereits erwähnte Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der Bundesrepublik vom 6. Oktober dieses Jahres kommt zu der erfreulichen Prognose, daß im ersten Halbjahr 1968 das Sozialprodukt real um 5,5 v. H., nominal um 6,7 v. H. zunehmen wird.
Die Wirtschafts- und Finanzzeitung „Der Volkswirt", die wahrhaftig nicht der Sozialdemokratie nahesteht, bemerkt zu dieser Vorausschau in ihrer Ausgabe vom 13. Oktober 1967:
Wenn die Prognose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute auch nur annähernd zuträfe, so wäre das ein glänzender Erfolg der „Neuen Wirtschaftspolitik". Auch in der Bundesrepublik wäre dann der Beweis erbracht, daß mit globalwirkenden, marktkonformen Mitteln der Geld- und Fiskalpolitik ein Konjunkturrückgang aufgefangen und eine Aufwärtsbewegung eingeleitet werden kann.
Ich bin sicher, daß diese Politik erfolgreich sein wird und daß damit zum ersten Mal bewiesen werden kann, daß die marktwirtschaftliche Globalsteuerung funktionsfähig ist und zum Erfolg führt.
Der neue Aufschwung wird es uns erleichtern, die anstehenden strukturpolitischen Probleme zu lösen. Ein Anfang ist dadurch gemacht worden, daß wir das zweite Konjunkturprogramm mit einem strukturpolitischen Akzent versehen haben. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht der Auffassung ist, es hätte erst eines wirtschaftlichen Rückganges bedurft, um die strukturellen Probleme unserer Wirtschaft hervortreten und erkennbar werden zu lassen. Wirtschaftlichen Rückgang brauchen wir weder zur Herstellung von Preisniveaustabilität, noch als Voraussetzung für die endliche Inangriffnahme einer zukunftsorientierten Strukturpolitik.

(Beifall bei der SPD.)

Aber ausgelassene Wachstumschancen — das muß auch gesagt werden — behindern eine solche früh genug in Angriff zu nehmende Strukturpolitik.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich habe Anlaß, noch einmal auf das Problem der Stabilisierung des Preisniveaus einzugehen. Die Freien Demokraten haben hier wiederholt — leider auch heute — die Behauptung aufgestellt, daß die Koalitionsfraktionen der Preisstabilität keinen hohen Wert beimessen und daß die Bundesregierung von der Mehrheit des Parlaments, also von den Koalitionsfraktionen, in ihrem antizyklischen Verhalten negativ beeinflußt werde. Ich möchte, daran erinnern, daß wir Sozialdemokraten es waren, die Wert darauf gelegt haben, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zur Zielvorstellung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zu erheben. Mit dieser gesetzlich festgelegten Dokumentation ist die Auffassung des Hohen Hauses eindeutig dahin gehend geklärt, daß die amtliche Wirtschaftspolitik keines dieser vier Ziele vernachlässigen kann, die das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ausmachen, nämlich erstens, Herr Haas, Stabilität des Preisniveaus, zweitens hoher Beschäftigungsstand, drittens außenwirtschaftliches Gleichgewicht und viertens stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum.
Ich habe vorhin ein Interview erwähnt, das das Direktoriumsmitglied der Deutschen Bundesbank, Dr. Ottmar Emminger, am 5. September 1967 dem Deutschlandfunk gegeben hat. In diesem Interview ist Herr Emminger auch nach der Preis- und Geldwertstabilität gefragt worden. Er hat sich dazu sehr eingehend geäußert. Meine Herren von der FDP, nehmen Sie doch bitte seine Erklärung endlich zur Kenntnis, und zwar so, daß Sie sich darüber freuen, daß dieser sachverständige und objektive Mann eine derartige Feststellung treffen kann:



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Wir haben gegenwärtig kein anderes Land, das eine so große Preisstabilität wie Deutschland aufweisen kann, und insofern, glaube ich, kann die Entwicklung uns sehr befriedigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0512821700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Ertl?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512821800
Herr Kollege, glauben Sie, daß die Preisstabilität von heute eine Folge der Finanz- und Haushaltspolitik der neuen Bundesregierung oder mehr eine Folge der Finanz- und Haushaltspolitik der vorigen Regierung und der Bundesbankpolitik war?

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0512821900
Meine Damen und Herren, wenn die Frage nicht in diesem Hohen Hause gestellt würde, müßte ich sagen: Von keiner Sachkenntnis getrübt!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Ich habe soeben die Zahlen aus der Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Institute vorgetragen. Diese Zahlen zeigen doch wohl eindeutig, daß im Rahmen der Arbeit dieser Bundesregierung eben erfreulicherweise ein hoher Grad von Preisstabilität erreicht worden ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0512822000
Gestatten Sie Herrn Ertl eine Zusatzfrage?

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0512822100
Ja. Ich bitte aber Herrn Dichgans um Entschuldigung, wenn es nicht bei einer Stunde bleibt. Das ist nämlich die Kehrseite eines solchen Antrags, daß es dann eben nicht zu diesem Wechselspiel von Frage und Antwort kommen kann.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512822200
Herr Kollege, darf ich Ihrer Frage entnehmen, daß Sie auch den kommenden Bundesbankpräsidenten der sachlichen Unkenntnis geziehen haben? Denn er hat sich ähnlich geäußert wie ich.
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller '(SPD): Das ist völlig ausgeschlossen. Ich bitte Sie, sich nicht in einem Atemzug mit dem Bundesbankpräsidenten zu nennen.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich will noch ein offenes Wort hinzusetzen. Ganz gleich, wo man in diesem Hohen Hause steht, wir müssen immer davon ausgehen — ich habe das sehr oft als Sprecher der Opposition gesagt —, daß sich alle Fraktionen in diesem Hohen Hause zum demokratischen Staat und zur demokratischen Grundordnung bekennen. Wir sind gemeinsam daran interessiert, daß die Preisstabilität erhalten bleibt. Wir alle sollten uns zehnmal hüten, das Wort „Inflation" auszusprechen. So oft, wie Sie, Herr Kollege Haas, das Wort „Inflation" in Ihrer heutigen Rede ausgesprochen haben, hört man es draußen kaum. Das ist ein sehr gefährliches Unterfangen. Ich will gar nicht daran erinnern, daß Sie sich auf ein anderes Beispiel beziehen können, nämlich auf ein Fernsehinterview. Aber man braucht nicht alles nachzuahmen.
Meine Damen und Herren, ich darf nun einige allgemeine Bemerkungen zum Haushalt 1968 machen, ohne dabei auf Einzelheiten einzugehen.
Auch der Haushalt 1968, der im Entwurf mit 80,7 Milliarden DM abschließt, muß den Aufgaben gerecht werden, die sich aus der Zielsetzung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien ergeben: Sicherung und Arbeitsplätze, der Währung und des wirtschaftlichen Wachstums, Sanierung der Staatsfinanzen sowie Wiedergewinnung der politischen Handlungsfähigkeit im allgemeinen.
Dem Haushaltsplan des Bundes für 1968 kommt in zweifacher Hinsicht besondere Bedeutung zu: Der Entwurf ist der erste Etat, den die neue Bundesregierung aufgestellt hat und nun dem Parlament vorlegt; er ist zum anderen das erste Glied in der Kette einer mittelfristigen Finanzplanung, die durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ein festes Fundament erhalten hat. Dieser erste mittelfristige Finanzplan kommt den Forderungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nach einer Abstimmung von gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und mehrjähriger Haushaltspolitik bereits aus dem Jahre 1956 nach, auch wenn er zwangsläufig nicht umgehend zum perfekten Instrument einer koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik werden kann.
Die Finanzpolitik wird damit endlich auf neue Grundlagen gestellt. Sie wird von den Zufälligkeiten und Unzulänglichkeiten der bisherigen Einjahreshaushalte befreit und zwingt zu vorausschauendem, koordiniertem Handeln. Das Debakel einer unkontrollierten Ausgabenflut muß der Vergangenheit angehören und darf sich nicht wiederholen!
Dem in eine mehrjährige Finanzplanung eingebetteten öffentlichen Etat kommt aber auch in steigendem Maße Bedeutung zu als Instrument der Bundesregierung zur Sicherung einer stetig wachsenden Wirtschaft. An diesem Maßstab ist der vor uns liegende Bundeshaushalt 1968 ebenfalls zu messen, der davon ausgeht, daß es der Wirtschaftspolitik bis Anfang 1968 gelingen wird, einen gesicherten Aufschwung in die Wege zu leiten.
Unter dieser Voraussetzung erscheint der Haushaltsentwurf vertretbar. Konjunkturell gesehen, wird er nicht expansiv wirken. Beim Vergleich des Haushaltsvolumens 1968 mit dem um die beiden Investitionshaushalte erweiterten Soll 1967 ergibt sich eine Ausgabensteigerung von 2,8 v. H. Läßt man bei diesem Vergleich den zweiten Konjunkturhaushalt außer Betracht — und unter dem Gesichtspunkt der mittelfristigen Finanzplanung, die konjunkturelle Schwankungen nicht berücksichtigt, sondern eine Periodenbetrachtung darstellt, muß dieser Vergleich zulässig sein —, ergibt sich eine Zuwachsrate von 4,5 v. H.
Konjunkturpolitisch ist bei der Bewertung dieser Veränderungsraten allerdings zu berücksichtigen, daß sich die Verwirklichung des zweiten Konjunkturhaushalts bis in das Jahr 1968 hinein erstrecken



Dr. h. c. Dr.-Ing. B. h. Möller
wird und deshalb die Steigerung der nachfragewirksamen Ausgaben 1968 gegenüber 1967 nicht genau fixiert werden kann. Es ist nur feststellbar, daß der effektive Zuwachs in 1968 etwas stärker sein wird, als er in der von mir genannten Rate von 2,8 v. H. zum Ausdruck kommt. Bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, in der sich ein neues Wachstum erst anbahnt, kann dieser Umstand nur erwünscht sein.
Lassen Sie mich einige Ausführungen zur Steuerpolitik machen. Dem Hohen Hause liegt als Ausführungsgesetz zur Einnahmenseite der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Steueränderungsgesetz 1967 vor; die Novelle zum Mehrwertsteuergesetz wurde bereits in der Sondersitzung des Parlaments im September verabschiedet. Aus beiden Steuervorlagen ergeben sich Mehreinnahmen, die mit der Notwendigkeit des Etatausgleichs begründet sind.
Diese Maßnahmen der Bundesregierung sind auf Kritik in der Öffentlichkeit gestoßen. Das eine Lager der Kritiker fordert höhere Steuerbelastungen, das andere wünscht Steuerentlastungen — beide führen unterschiedliche Motive an. Die Haltung der Sozialdemokraten in der gegebenen Situation ist klar. Der Änderung des Mehrwertsteuergesetzes haben wir aus Gründen der Finanzierungsnotwendigkeit für die flankierenden konjunkturanregenden Maßnahmen zugestimmt, allerdings schweren Herzens.
Die zweite gewichtige Steueränderung, die Einführung einer Ergänzungsabgabe auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer für einkommenstärkere Schichten, halten wir für sozial gerechtfertigt. Sie trägt dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung und ist das geeignete Instrument, um jetzt in Notzeiten Anwendung zu finden, wenn es darum geht, die nun einmal vorhandenen schweren Lasten möglichst sozial gerecht zu verteilen. Von der Ergänzungsabgabe in der Fassung der Regierungsvorlage, die wir nicht zu ändern beabsichtigen, werden rund 50 000 Körperschaften und ca. 600 000 der über 24 Millionen Einkommensteuerpflichtigen erfaßt.
Wir halten die auch vom Herrn Kollegen Haas geäußerte Befürchtung, daß die Gewinnerwartungen der Unternehmen und das Konjunkturklima durch die Ergänzungsabgabe beeinträchtigt werden, für sachlich nicht gerechtfertigt, nicht nur, weil den kontraktiven Effekten einer Steuererhöhung durch ein zusätzliches öffentliches Investitionsprogramm entgegengewirkt wird, sondern weil sich die Steuerbelastung in sehr — ich unterstreiche das Wort „sehr" — engen Grenzen hält. Wenn ein Verheirateter bei einem zu versteuernden Einkommen von 32 040 DM im Jahr — da fängt es nämlich erst an — eine Ergänzungsabgabe von 4 DM jährlich zahlt, oder jemand bei einem zu versteuernden Einkommen von 50 000 DM im Jahr eine Ergänzungsabgabe von 374 DM jährlich leistet — „jährlich" muß man immer hinzufügen, denn draußen in den Veranstaltungen meinen die Leute, das sei in einem Monat zu zahlen; deswegen wiederhole ich hier: das sind jährliche Beträge —, dann wird doch niemand ernsthaft über unzumutbare Belastungen der Höherverdienenden klagen können. Das ist meine persönliche Überzeugung.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Wenn wir, meine Damen und Herren, noch einige größere Aufgaben zu lösen haben, dann ist das, wie jeder hier im Hause weiß, nur mit hohen zusätzlichen materiellen Opfern möglich. Man muß wissen, daß irgendwann einmal auch unser Volk nicht nach dem Text des Grundgesetzes gemessen wird, sondern nach dem Inhalt, den wir, wir als Legislative, dem Grundgesetz geben, und danach, inwieweit wir dafür sorgen, daß dieser Staat ein Staat der sozialen Gerechtigkeit wird und insoweit eine echte, großartige politische Alternative zum kommunistischen Imperium bietet.

(Beifall bei der SPD.)

Auch eine Regulierung der Steuerprivilegien im Kreditgewerbe erscheint uns unerläßlich. Ich darf das wiederholen und beziehe mich auf die Hearings und die bisherigen Beratungen des Finanzausschusses. Nach meiner Überzeugung wird es hier zu einer vertretbaren Regelung für alle Teile kommen.
Nach unseren Berechnungen bleibt, ausgehend von den Daten der mittelfristigen Finanzplanung, trotz dieser Steuerrechtsänderungen die Steuerquote in vertretbarer Höhe, auch im internationalen Vergleich. Die Steuerquote, also der Anteil der gesamten Steuern am Bruttosozialprodukt wird sich von derzeit rund 23,6 vom Hundert bis 1971 auf etwa 24,4 vom Hundert erhöhen und damit das Niveau des Jahres 1962 erreichen. Eine Gefährdung der Selbstfinanzierungsquote und des unternehmerischen Elans in der privaten Wirtschaft ist daher nicht gegeben und sollte auch nicht unterstellt werden.
In der öffentlichen Diskussion spielt — unbeschadet der konjunkturellen Situation — die Frage nach dem zukünftigen Steuersystem und dem Ausbau der einzelnen Steuerarten im Rahmen der europäischen Steuerharmonisierung eine beachtliche Rolle. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß eine von uns für notwendig gehaltene Steuerreform sorgfältig und gründlich vorbereitet werden muß. Wir legen daher dem Deutschen Bundestag einen Antrag vor, mit dem die Bundesregierung ersucht wird, eine unabhängige Sachverständigenkommission einzusetzen, die den Auftrag hat, zu prüfen, wie sich eine Reform der direkten und der indirekten Steuern verwirklichen läßt, und zwar unter Berücksichtigung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zur Reform der direkten Steuern, aber auch im Hinblick auf die Harmonisierung der Steuern innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Eine solche Ausarbeitung sollte, ähnlich wie das auf dem Gebiet der Finanzreform durch das Troeger-Gutachten mit Erfolg geschehen ist, die Gesetzgebungsarbeit vorbereiten.
Eine Detaillierung 'der Aufgaben für die Kommission müßte nach Abstimmung über bestimmte politische Daten innerhalb der Bundesregierung er-



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
folgen. Zum Beispiel hätte die Bundesregierung über das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern Zielvorstellungen zu entwickeln, die sich unter Umständen erst aus der Abstimmung mit den EWG-Partnern festlegen lassen. Die vorgeschlagene Expertenkommission könnte jedoch damit beginnen, die notwendigen Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Steuern und den verschiedenen Steuerwirkungen in der EWG anzustellen. Nach der Fassung unseres Antrags soll die Kommission ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1969 abschließen. Wir würden damit erreichen, daß unbeschadet der von Bundesfinanzminister Strauß dargestellten Arbeitsüberlastung seines Hauses in dieser Legislaturperiode die Steuerpolitik nicht einfach auf Eis gelegt wird, sondern unter Beobachtung und in Bearbeitung bleibt und der Gesetzgeber dadurch später in der Lage wäre eine Steuerreform zu realisieren, die diese Bezeichnung wirklich verdient.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt mit der Drucksache V/2134 dem Deutschen Bundestag außerdem einen Antrag vor, die Bundesregierung zu ersuchen, die Vorbereitungen zur Bildung eines Finanzplanungsrats zu treffen und dem Deutschen Bundestag alsbald einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die Notwendigkeit, Herr Kollege Haas, einer solchen rechtzeitigen und gegenseitigen Abstimmung der längerfristigen Finanzplanungen von Bund, Ländern und Gemeinden mit den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen in einem Gesamtrahmen ist von den Sozialdemokraten während der Koalitionsverhandlungen vergangenen Jahres mit Nachdruck hervorgehoben worden und sowohl von dem Koalitionsgesprächspartner CDU/ CSU als auch von dem Gesprächspartner FDP akzeptiert worden. Der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesfinanzminister haben sich in ,der Zwischenzeit mehrfach öffentlich für die Schaffung eines Finanzplanungsrats ausgesprochen, so auch gestern Herr Kollege Strauß in seiner Rede. Im Bundesrat ist durch das Land Hessen eine derartige Koordinierung aller Ebenen der öffentlichen Finanzwirtschaft als Ergänzung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gefordert worden.
Unser sozialdemokratischer Antrag legt großes Gewicht auf die Abgrenzung der Zuständigkeit des Finanzplanungsrats zu dem bereits errichteten Konjunkturrat. Insbesondere aus diesem Grunde hält meine Fraktion .ihren Antrag trotz des Vorgehens des Landes Hessen im Bundesrat für erforderlich. Die von uns empfohlene Aufgabenstellung tränt den durch das Grundgesetz gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen Rechnung und beschränkt den Finanznlanungsrat im wesentlichen auf eine beratende Tätigkeit, die aber von hohem Nutzen sein kann.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, der Ausschußüberweisung dieser beiden Anträge zuzustimmen.
Mit dem Haushalt 1968. dem Finanzänderungsgesetz 1967 und dem Steueränderungsgesetz, in denen sich die mittelfristige Finanzplanung zum erstenmal konkretisiert, treffen wir gesellschaftspolitische Entscheidungen von großer Tragweite.
Hier werden die Weichen für die weitere gesellschaftspolitische Entwicklung gestellt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist sich dieser Entscheidung und deren Bedeutung für die Zukunft voll bewußt.
Durch die Einordnung in einen größeren, die übersehbare Zukunft einbeziehenden Zusammenhang wird die Haushaltspolitik — wie auch der Herr Bundesfinanzminister gestern zutreffend vorgetragen hat — wieder zur Finanzpolitik. In der Finanzpolitik aber konkretisieren sich ,die gesellschaftlichen Verhältnisse. So wird der Haushaltsplan wieder zum Schicksalsbuch der Nation.

(der Staat heute seine Funktionsfähigkeit bis zur Daseinsvorsorge auszudehnen hat. An die Stelle von Einzelmaßnahmen und die Beschäftigung mit haushaltstechnischen Details haben für die verschiedenen Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens ausformulierte Programme zu treten. Erst dann sind Regierung und Parlament in der Lage, in Alternativen zu denken und über sie zu entscheiden. Wir brauchen nicht in erster Linie eine kurzfristige Ausgabenplanung, sondern vor allem eine weitsichtige Programmplanung, aus der sich dann u. a. ergeben wird, ,daß die öffentliche Finanzwirtschaft (die Hauptlast der konjunkturellen Stabilisierung tragen muß, durch mittelbare und unmittelbare Förderung die notwendigen privaten und öffentlichen Investitionen anregt, strukturell benachteiligten Wirtschaftszweigen und Gebieten einen geordneten Anschluß an die Wirtschaftsentwicklung ermöglicht, eine gerechtere Einkommensund Vermögensverteilung mit der sozialen Sicherheit für alle konstruktiv verbindet. Die uns vorliegende mittelfristige Finanzplanung ist nach dem Stabilitätsgesetz eine Planung der Bundesregierung. In ihr spiegeln sich aber selbstverständlich das Kräfteverhältnis und 'der Wille der diese Regierung im Parlament tragenden Mehrheit wider. Die mittelfristige Finanzplanung ist von der Opposition und in der Öffentlichkeit u. a. mit der Bemerkung kritisiert 'worden, sie 'bringe nur Koalitionskompromisse zum Ausdruck. Gestern abend sprach Herr Kollege Mischnick sogar von einem „Umfall der SPD". Ohne die aus der Vergangenheit herrührende Sachkenntnis eines FDP-Kollegen im Umfallen in Zweifel ziehen zu wollen, muß ich aber in diesem Fall erklären, daß es Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, und zwar nicht nur zwischen den Fraktionen der Koalition, sondern auch innerhalb der Fraktionen. Bei dem Umfang und der großen materiellen Tragweite 'der zu beratenden Gesetze dürfte sich 'darüber eigentlich niemand wundern, am 'wenigsten idie, die sich hinsichtlich der Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller früher gemachten und jetzt zu beseitigenden Fehler nicht gerade, Herr Kollege Haas, in Unschuld sonnen können. Im übrigen vollzieht sich die Willensbildung in einem demokratischen Staat in einer Wertung zwischen verschiedenen Rangordnungen, wobei jede politische Kraft ihre Auffassungen, ihr Bild von einer demokratischen Gesellschaft, weitgehend durchzusetzen versucht. Das ist legitim. Dieser unvermeidbare Vorgang unterscheidet eben, meine Herren Freien Demokraten, den demokratischen von einem in 'den Meinungen gleichgeschalteten Staat. Vor bald elf Monaten haben sich CDU/CSU und SPD zur Großen Koalition zusammengefunden. Diese Koalition ist ein politisches Zweckbündnis. Die Einigung auf ein gemeinsames Regierungsprogramm hebt nicht die Eigenständigkeit der sie tragenden politischen Parteien und deren politische Zielsetzungen auf. Infolgedessen wird jede Finanzplanung entsprechend der jeweiligen politischen Konstellation ausfallen. Ich möchte daher nochmals unterstreichen, was ich wiederholt in der Öffentlichkeit gesagt habe, daß die Finanzplanung einer sozialdemokratischen Mehrheitsregierung anders aussehen würde als die Finanzplanung der Großen Koalition und selbstverständlich auch die Finanzplanung einer CDU/CSU-Regierung anders als die jetzt vorliegende. Jede Finanzplanung muß notwendigerweise von nicht wegzudiskutierenden Fakten ausgehen, so z. B. von der wirtschaftlichen Lage, den Zukunftsaussichten und den finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand. Die diesmal vorliegenden Fakten waren für die Fraktionen der Großen Koalition wenig erfreulich. Die desolate Lage der Bundesfinanzen — siehe die ersten drei Seiten der Rede des Herrn Bundesfinanzministers von gestern — und die krisenhafte Entwicklung der Wirtschaft sind — was man nicht vergessen darf — die Ursachen für das Zweckbündnis dieser Großen Koalition. Daran muß sich auch jeder FDP-Redner erinnern, der zu diesen Gesetzen so, wie heute geschehen, Stellung nimmt. Bei einer solchen Vorbelastung ist diese Koalition trotz ihrer großen Mehrheit, die sicher vieles vollbringen kann, aber immer noch kein Zauberstab. Der drückende Umfang der Hypotheken aus der Vergangenheit zwingt die Koalition zu dem Versuch, innerhalb einer mittelfristigen Finanzplanung eine vertretbare Kombination von Möglichem und Zumutbarem zu erreichen. Das geschieht durch Ausgabekürzungen von insgesamt rund 30 Milliarden DM, Einnahmeverbesserungen von insgesamt rund 13,6 Milliarden DM sowie Kreditfinanzierung von insgesamt rund 20,1 Milliarden DM. Wer berücksichtigt, daß diese Koalition einschließlich der beiden Investitionshaushalte in den ersten zehn Monaten ihres. Bestehens innerhalb der Bundesfinanzen rund 20 Milliarden DM bewegt hat — Ausgabeveränderungen, Einnahmeverbesserungen, Gesetzesänderungen mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen — und sich nun in der mittelfristigen Finanzplanung noch mit einer Deckungslücke von rund 64 Milliarden DM auseinandersetzen muß, der kann sich doch nicht wundern, daß bei den verschiedenen denkenden demokratischen Politikern auch verschiedene Auffassungen über die richtigen Wege bestehen. Warum dieser Zustand entstehen konnte, hat Bundeskanzler Kiesinger in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 ohne jede Beschönigung festgestellt: Es fehlte an der mittelfristigen Vorausschau. Hätten wir schon rechtzeitig die schlichten Finanzprognosen, wie wir sie heute aufstellen, erarbeitet, so wäre diese Entwicklung vermieden worden. Meine Damen und Herren, die Wiederholung einer derartigen Situation können wir uns in der Zukunft nicht mehr leisten. Denn immer verheerender würden in einer dynamischen Wirtschaft und Gesellschaft die Folgen für Staat und Bürger sein, wollte sich die politische Führung undiszipliniert an dem Augenblicksinteresse orientieren. Für die Bewältigung der Zukunft müssen wir einen anderen Stil entwickeln, der sich von dem der Vergangenheit durch noch stärkere Verantwortung für das Gesamtwohl und Loslösung von Einzelinteressen unterscheidet. Lassen Sie mich daher, meine Damen und Herren, dazu einige grundsätzliche Ausführungen machen. Wenn wir unsere Freiheit sichern wollen, müssen wir daran denken, was wir nicht zufällig, sondern bewußt in den kommenden Jahren zu tun haben. Das geht nicht ohne Planung. In der Bundesrepublik Deutschland ist über lange Zeit hinweg eine Antiplanungsideologie kultiviert worden, die uns, meine Damen und Herren ,wenn sie nicht durch eine rationale Haltung abgelöst würde, vom internationalen Trend in unseren Partnerländern isoliert und den Zugang zur Mitgestaltung der Zukunft unseres Volkes verbaut. Wir leben auch in diesem Punkt nicht auf einer einsamen Insel; wir können auch in diesem Punkt nicht autark sein. Das stürmische Wachstum in den letzten 15 Jahren war bekanntlich durch viele Sonderfaktoren begünstigt. Deswegen ist es auch kein Gegenbeweis für die hier von mir aufgestellte These. Dieses Wachstum war kein Geschenk, aber auch keine Heldentat. Ich brauche hoffentlich nicht näher auszuführen, daß Planung nicht Dirigismus bedeutet. Vielmehr beschwört fehlende oder mangelnde Planung den Dirigismus erst herauf. Wir sehen das auf einigen Gebieten jetzt ganz deutlich auf uns zukommen. Die Energiepolitik vor allem bietet hier leider sehr bedrückendes Anschauungsmaterial. Planung hat auch nichts mit Ideologie und Weltverbesserung zu tun. Sie ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Mittel der Daseinsbewältigung von Gegenwart Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller und Zukunft, das wir ebenso wie viele andere Mittel der Wissenschaft und technischen Erkenntnis nutzen sollten. Planung in diesem Sinne ist nicht zuletzt der Versuch, die Gestaltung unserer sozialen Ordnung auf die Zukunftsperiode auszurichten. Planung setzt Dynamik frei, soll aber auch dort, wo sich der Wandlungsprozeß unter allzu großen und von den betroffenen Menschen nicht zu verantwortenden und deshalb nicht zumutbaren Opfern überstürzt, die Dynamik in geordnete Bahnen lenken. Ich denke dabei nicht nur an die Bewältigung der beinahe tragischen regionalen Strukturkrisen, wie im Ruhrgebiet oder an der Saar, sondern auch an die uns jetzt beschäftigende neue Welt der Automation, der Elektronengehirne und der atomaren Kräfte. Darf ich an dieser Stelle den Vertreter eines Landes zitieren, das in diesem Zusammenhang unverdächtig sein dürfte, nämlich den Schweizer Soziologen Richardt Behrendt: Planung ... ist also kennzeichnend und notwendig für eine dynamische Gesellschaft, aber unnötig, ja sogar unmöglich in einer statischen Gesellschaft, weil diese ja gerade durch die Kontinuität der grundlegenden Tatbestände und den Glauben an ihre ewige Geltung regiert wird. Ich habe Verständnis dafür, daß diese Feststellung viele unter uns, die noch konservativen Gedankengängen anhängen, etwas erschreckt. Abschiednehmen vom Überlebten ist oft schmerzlich. Aber wir werden nicht davor bewahrt, diesen Übergang zu vollziehen. Erfahrungsgemäß ist das allgemeine Bewußtsein leider nicht immer und nicht früh genug mit der Wirklichkeit harmonisiert. Wir müssen uns daher bemühen, diese Diskrepanz nicht zu groß werden zu lassen. Auch Bürger und Unternehmen planen für ihren eigenen kleineren oder größeren Bereich. Ihre Plansicherheit aber wird größer, wenn sie sich auf ein langfristig erkennbares Verhalten der öffentlichen Hand verlassen können. Das gilt für die Altersvorsorge des einzelnen Bürgers genauso wie für die Geschäftspolitik eines Unternehmens. Natürlich hat Planung, wie wir sie anstreben, ihre Grenzen. Daß wir nicht Dirigismus und nicht Hineinreden in Einzeldispositionen oder die Aufstellung von vollzugsverbindlichen Plänen meinen, habe ich bereits dargelegt. Ich meine unter anderem die Überlegungen, die sich aus der zunehmenden internationalen Integration in verschiedenen Bereichen für uns einfach unwiderstehlich ergeben. Das gilt für die Wirtschaftsund Agrarpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — wer wollte das bestreiten? — ebenso wie für die Verteidigungspolitik innerhalb der NATO. Überall ist ein hohes Maß an Abstimmung erforderlich. Unser Beitrag in diesen Bereichen wiegt aber um so stärker, je besser wir durch Planung die notwendige Übersicht in unserem eigenen Hause und über unsere eigenen Möglichkeiten haben. Mit diesen Ausführungen soll nicht behauptet werden, daß es bisher gar keine längerfristigen Pläne gegeben hat. Es gibt sie für den Sport — den Goldenen Plan —, es gibt den vieldiskutierten „Grünen Plan" und den Straßenverkehrsplan für den Ausbau des Straßennetzes. Diese Pläne blieben aber immer isoliert auf Einzelbereiche. Im Unterschied zu solchen isolierten Plänen ist bei der auf einer gesamtwirtschaftlichen Projektion beruhenden mittelfristigen Finanzplanung die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen langfristigen Programme zu berücksichtigen. Außerdem muß die Bundesregierung die Möglichkeit der finanziellen Realisierung in einem bestimmten Zeitabschnitt quantitativ aufzeigen. Ich habe über die veränderten Wachstumsbedingungen unserer Volkswirtschaft gesprochen. In der Vergangenheit wurden diejenigen privaten Investitionen bevorzugt gefördert, die einen hohen und schnellen Wachstumseffekt hatten. Das mag zu bestimmten Zeiten richtig gewesen sein, war aber nicht immer sehr vorausschauend. Die Tatsache jedoch, daß diese Politik der Vernachlässigung der Infrastruktur trotz reichlich fließender Steuerquellen zu lange durchgehalten wurde, führte langfristig zu gesamtwirtschaftlich verfehlten Strukturen in beachtlichem Ausmaß. Das Unterlassene wird nun nachgeholt. Solche Versäumnisse sind aber nicht kurzfristig gutzumachen. Die Investitionen in die Infrastruktur haben eine lange Vorbereitungszeit und erfordern hohen Kapitaleinsatz. Dennoch ist die ausreichende Erfüllung und die zeitlich richtige Lösung der Gemeinschaftsaufgaben unser wichtigstes Problem, wenn wir davon ausgehen, daß unser Volk in Frieden und Freiheit seine Zukunft gestalten kann. Der von der Bundesregierung vorgelegte erste Finanzplan trägt dieser Notwendigkeit durch die starke Betonung der investiven Ausgaben Rechnung. Die Ausgaben des Bundes für Investitionen sollen bis 1971 um fast die Hälfte gegenüber dem Stand von 1967 steigen, und zwar von 13,17 Milliarden DM auf 18 Milliarden DM. Lassen Sie mich, bevor ich zur Behandlung der Schwergewichtsverlagerung des Bundeshaushalts zu den investiven Ausgaben hin im einzelnen komme, ein Wort zur Finanzreform einfügen, zumal das in der Rede des Herrn Kollegen Haas eine Rolle gespielt hat. Das ist schon deswegen geboten, weil die vor uns liegende Finanzplanung zeitlich in Jahre hineinreicht, für die wir eine Neuordnung der finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erwarten. Die großen Aufgaben, die in der Zukunft zu bewältigen sind, können für die Zusammenarbeit der verschiedenen Gebietskörperschaften — also für Bund, Länder und Gemeinden — nicht ohne Folgen bleiben. Für die Lösung dieser Aufgaben müssen optimale Voraussetzungen geschaffen werden. Hier bedarf es wirklich neuer Formen der Aufgabenerfüllung. Wir bejahen den föderativen Charakter unseres Staates, sind aber der Meinung — und wir befinden uns damit im Grundsatz in Übereinstimmung mit den Ländern —, daß auf einer Reihe wichDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller tiger Gebiete eine neue Ordnung der Zusammenarbeit gefunden werden muß, sowohl hinsichtlich der Planung als auch bei der Finanzierung. Die mittelfristige Finanzplanung mit ihren Programmplanungen und die neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften werden uns in die Lage versetzen, Strukturveränderungen so rechtzeitig zu begegnen, daß keine neuen gesellschaftspolitischen Notstände entstehen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben erfreulicherweise anerkannt, daß die regionale Strukturpolitik in Zukunft eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein soll. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, die Probleme in den Griff zu bekommen. Wie brennend notwendig es ist, für die strukturellen Förderungsgebiete eine Lösung zu finden, zeigt uns die Situation an Ruhr und Saar, die man gar nicht ernst genug nehmen kann. Nach unserer Auffassung ist Vorsorge zu treffen, daß diese Bergbaugebiete in einem zeitlich gestreckten Programm wirklich gesunden können. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Verantwortlichen in der Bundesrepublik. Das, was im Ruhrgebiet geschieht, geht uns alle an. Wir müssen aber auch — um ein weiteres Beispiel herauszugreifen — dringend durch Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden erreichen, daß die Krankenhausversorgung auf die Dauer und in allen Regionen der Bundesrepublik gesichert wird. Das läßt sich meines Erachtens nur durchführen, wenn die Finanzreform das Krankenhauswesen auf eine neue finanzielle Grundlage stellt. Hier haben wir eine gesundheitspolitische Aufgabe von weitreichender Bedeutung zu bewältigen. Meine Damen und Herren, die wirtschaftsund finanzpolitische Konzeption der Bundesregierung zielt auf eine langfristig gesicherte Vollbeschäftigung ab. Eine solche Politik kann ihre Aufgabe nicht nur darin sehen, konjunkturelle Schwankungen auszugleichen. Wir müssen vielmehr systematisch darauf hinarbeiten, alle Voraussetzungen für ein gesichertes stetiges Wachstum zu schaffen. Wir wollen keine Arbeitslosenquote von 3 v. H. oder mehr; wir Sozialdemokraten sind vielmehr der Auffassung, daß die Wirtschaftspolitik eines hochzivilisierten Landes die Arbeitslosenquote unter einem Prozent zu halten hat. Arbeitswillige und arbeitsfähige Menschen sollen nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, sondern sie müssen die Sicherheit haben, ihren produktiven Beitrag zum allgemeinen Wohlstand zu leisten und Befriedigung in einer angemessenen Beschäftigung zu finden. Dieses Ziel erfordert unter den gegebenen Bedingungen eine höhere berufliche und regionale Mobilität der Arbeitskräfte. Eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik hat deshalb einer Freisetzung von Arbeitskräften infolge von wirtschaftlichen Strukturveränderungen rechtzeitig durch staatliche Hilfestellung beim Arbeitsplatzund Berufswechsel vorzubeugen. Wir begrüßen deshalb das dem Deutschen Bundestag vorliegende Arbeitsmarktanpassungsgesetz als eine langfristige Maßnahme, die die bereits laufenden kurzfristigen Konjunkturprogramme zur Sicherung der Arbeitsplätze sinnvoll ergänzen muß. Im Rahmen der Finanzplanung sollen mehr staatliche Mittel in den Bereich der Wissenschaft und der Forschung geleitet werden. Wenn wir im internationalen Wettbewerb um die Absatzmärkte konkurrenzfähig bleiben wollen — und was die Absatzmärkte für uns bedeuten, hat gerade die jetzige Rezession bewiesen —, müssen wir für den technischen Fortschritt die geistigen und materiellen Voraussetzungen schaffen. Wir brauchen mehr und besser ausgerüstete Forschungsinstitute in den verschiedenen Sektoren der Wissenschaft. Wir müssen mehr tun für alle Sparten unserer Schulen und Hochschulen. Nicht nur die staatlichen Ausgaben für Bauund Ausrüstungsinvestitionen werden steigen, sondern auch die dafür notwendigen öffentlichen Personalkosten, wobei ich meine, daß dabei auch Frauen in Führungspositionen eine immer größere Bedeutung haben werden. Wir müssen ,den Menschen in unserer hochtechnisierten und komplexen Gesellschaft eine qualifizierte Ausbildung geben, damit sie mündige Bürger dieses 20. Jahrhunderts sein können. Das erfordert eine intensive Bildungsplanung. Wegen der langen Ausreifungszeit bildungsfördernder Maßnahmen ist die Planung in diesem Bereich ganz besonders notwendig. Der vor wenigen Tagen dem Deutschen Bundestag zugegangene Bericht der Bundesregierung über den Stand der Bildungsplanung enthält die bemerkenswerte Feststellung, daß die Bildungsplanung in der Bundesrepublik noch nicht die Rolle spielt, die ihr heute bereits in anderen westeuropäischen Ländern zukommt. Die mittelfristige Finanzplanung sieht eine überdurchschnittliche Verstärkung der öffentlichen Mittel für den Verkehr vor. Der „Leber-Plan" wird für eine dauerhafte gesunde Struktur im Verkehrswesen sorgen; :wir wollen erreichen, daß wir in absehbarer Zeit auf den Straßen — vor allem in den Ballungsräumen — im Verkehr nicht 'untergehen und vor allem Kinder und alte Menschen sichern. Wir wollen das Problem Bundesbahn vernünftig lösen und im Bereich des Luftund Wasserverkehrs Fehlinvestitionen vermeiden. Mit einem zukunftsorientierten Verkehrsprogramm gewährleisten wir größere Sicherheit für Leben und Gesundheit auf den Straßen und reduzieren Iden kostspieligen Zeitverlust auf jetzt überfüllten Verkehrswegen. Damit wird aber auch garantiert, daß die Milliardenbeträge für Verkehrsinvestiitonen die sinnvolle Verwendung finden, die wir alle durch Steuern oder Anleihenzeichnung mitfinanzieren. Die mittelfristige Finanzplanung sorgt dafür, daß der soziale Wohnungsbau im notwendigen Maße fortgeführt wird. Die stärkere marktwirtschaftliche Anpassung bei ,der Mietkostenberechnung durch das sogenannte Zinserhöhungsgesetz hilft, die FinanzieDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller rung des Wohnungsbaues zu sichern. Soziale Härten, die für ,den einzelnen durch diese Anpassung entstehen, werden je nach den Einkommensverhältnissen durch das Wohngeld ausgeglichen. Wegen dieses Zusammenhangs erfolgt keine Verschlechterung der jetzigen Wohngeldregelung. Wir sehen die zügige Fortführung des sozialen Wohnungsbaus auch als Voraussetzung für eine größere Mobilität der Arbeitskräfte. Unsere Bemühungen in dieser Richtung dürfen nicht daran scheitern, daß ,der im Zuge von Strukturveränderungen notwendige Wechsel von Beruf und Wohnsitz durch mangelndes Wohnungsangebot abgebremst wird oder gar daran scheitert. Das gilt auch für die Bedarfswünsche der alleinstehenden Frauen und Männer. Ich habe dargelegt, warum meine Fraktion sich für das zukunftsorientierte Konzept der mittelfristigen Finanzplanung und seine erste Konkretisierung im Haushalt 1968 ausspricht. Ich will aber auch klarstellen, daß diese Ausgabenverlagerung bei einer normalen Konjunkturlage und einer geordneten Finanzwirtschaft aus dem Zuwachs des Sozialprodukts ohne Abstriche im Sozialbereich zu erfüllen gewesen wären. Der wirtschaftliche Abschwung des letzten Jahres mit den enormen Wachstumsverlusten und die Notwendigkeit, den hinterlassenen Ausgabenübergang abzubauen, zwingen uns zu den Maßnahmen, die nun schon einige Zeit im Brennpunkt lebhafter Diskussionen stehen. Entgegen vielen in der Öffentlichkeit erhobenen Forderungen haben wir uns bemüht, das Wachstum der sozialen Leistungen weiter zu sichern. Von sozialer Demontage kann keine Rede sein. Die Sozialdemokraten haben sich mit allem Nachdruck für die Beibehaltung der bruttolohnbezogenen Sozialrente eingesetzt. Für uns ist jede Verschlechterung der 1957 beschlossenen dynamischen Rentenformel indiskutabel. Ein Manipulieren an dem jetzigen System der Sozialrenten würde bedeuten, das Vertrauen der Mehrheit unserer Bürger in diesem Staat und seine Schutzpflicht aufs Spiel zu setzen. Seit 10 Jahren vertrauen die arbeitenden Menschen auf die in diesem Hause gefaßten Beschlüsse zur finanziellen und sozialen Sicherung ihres Alters. Wir meinen, bei der Bevölkerung eher Verständnis für vertretbare Leistungsbeschränkungen in anderen sozialen Bereichen zu finden als bei einer Veränderung der geltenden Rentenformel. Lassen Sie mich an die Äußerung eines international anerkannten Nationalökonomen erinnern. Professor Bombach hat in seinem Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer unlängst in Baden-Baden ausgeführt: Die dynamische Rente steht heute im Kreuzfeuer der Kritik. Erst später wird man feststellen, daß sie eine der großen sozialen Taten dieses Jahrhunderts war. Darüber bestehen für mich keine Zweifel. Bei den Beratungen zur mittelfristigen Finanzplanung ist festgestellt worden, die Renten der Kriegsopfer von Haushaltsstreichungen auszunehmen; über die Besteuerung von Sozialversicherungsrenten wird hoffentlich nicht mehr gesprochen werden. Meine Damen und Herren! Die Beratungen über den Sozialbereich in der mittelfristigen Finanzplanung innerhalb und zwischen den Koalitionsfraktionen haben deutlich werden lassen, daß es notwendig ist, eine sozialpolitische Bilanz aufzustellen. Nur noch wenige Fachleute sind in der Lage, die vielfältigen Arten sozialer Leistungen und deren finanzielle Größenordnungen zu überblicken. Die Tatsache, daß viele Ressorts unabhängig voneinander Programme konzipieren und aus verschiedenen Töpfen Sozialleistungen gewähren, macht eine zusammenfassende Darstellung unumgänglich. Es sollte das Bestreben der Bundesregierung sein, die einzelnen Bestandteile der Gesellschaftspolitik zu harmonisieren und sie sowohl für uns hier im Bundestag als auch der Bevölkerung deutlich zu machen. Wir denken dabei an eine Verzahnung der Gesundheits-, Wohnungs-, Familien-, Arbeitsund Sozialpolitik. Um eine solche Planung der sozialen Sicherung in Deutschland hat die Sozialdemokratische Partei die jeweiligen Bundesregierungen seit dem Jahre 1952 immer wieder gebeten. Wir tun es auch heute. Nachdem wir durch eine längerfristig angelegte Wirtschaftsund Finanzpolitik Ordnung und Transparenz in diesem Bereich geschaffen haben, ist es vordringlich, eine vorausschauende Gesellschaftspolitik einzuleiten. Nur so werden sich in Zukunft kurzfristige Änderungen und störende Eingriffe in die notwendige Dynamik der sozialen Leistung vermeiden lassen. Ich möchte daher der Bundesregierung vorschlagen, den gegenwärtigen Stand der Gesellschaftspolitik und die Programme für die zukünftige Entwicklung in einem längerfristigen Sozialplan darzulegen. Selbstverständlich ist eine solche soziale Strukturpolitik nur dann realistisch und brauchbar, wenn sie mit dem wirtschaftsund finanzpolitischen Plänen koordiniert wird. Meine Damen und Herren! Die mittelfristige Finanzplanung ist von der Sozialdemokratie schon vor vielen Jahren als Fundament versachlichter Politik erkannt und in diesem Hohen Hause wiederholt gefordert worden. Niemand, der sich dieser Tatsache bewußt war, konnte daran zweifeln, daß sich die Sorgen und Schwierigkeiten um so mehr häufen würden, je länger die Aufstellung der ersten Finanzplanung hinausgeschoben wurde. Die Bundesregierung der Großen Koalition und ihre Parlamentsmehrheit haben sich nun an dieses Werk gewagt. Ich bin gewiß, daß sich schon in relativ kurzer Zeit erweisen wird, in welch hohem Maße die finanzwirtschaftlichen Beschlüsse des Jahres 1967 — und hierzu gehört auch der Haushalt für das Jahr 1968 — zusammen mit den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Großen Koalition die Grundlage für einen wieder wachsenden Wohlstand und Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller die soziale Sicherheit des deutschen Volkes in der Zukunft bilden werden. (Lebhafter, anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei der SPD.)


(Sehr wahr! bei der SPD)


(Beifall bei der SPD.)





(Beifall bei der SPD.)





(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der SPD.)





(Beifall bei der SPD.)





Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0512822300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0512822400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte wird alle die tief enttäuschen, die auf Streit, die auf Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Koalition und die auf Streit und Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern gehofft hatten. Dieser Tag wird aber auch die widerlegen, die der Meinung sind, daß Große Koalition Lähmung der parlamentarischen Arbeit bedeute, Langeweile und Sterilität. Aber vielleicht ist es auch eine Schlagzeile wert, daß diese Koalition entgegen vielen voreiligen Prognosen bereit und in der Lage ist, auch schwierige Fragen anzugehen, daß sie in der Lage ist, Alternativen zu Vorlagen ihrer Regierung zu finden, ohne die gemeinsame Geschäftsgrundlage zu verlassen.
Diese gemeinsame Geschäftsgrundlage zwischen Koalition und Regierung ist der Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, den dieses Parlament in § 9 des Stabilitätsgesetzes der Regierung, aber auch sich selbst gesetzt hat. Das ist auch der wichtige Unterschied des Bundeshaushalts 1968 gegenüber allen seinen Vorgängern, daß er erstmalig aus einer mittelfristigen Finanzplanung heraus entwickelt wurde. Das bedeutet, daß der vorliegende Haushaltsentwurf nicht mehr nur die Addition der Ergebnisse von Ressortbesprechungen über die Einzelpläne darstellt, sondern aus einer längerfristigen Gesamtschau heraus entwickelt worden ist.
Das ist aber nur die Seite, die in erster Linie die Regierung angeht und die sie bei der Aufstellung des Haushaltsplans zu neuen Methoden gezwungen hat. Hier stehen die Konsequenzen für das Parlament zur Debatte, dem die mittelfristige Finanzplanung ja auch vorgelegen hat. Das Parlament hat diese mittelfristige Planung hier diskutiert und hat zustimmend von ihr Kenntnis genommen. Aus dieser Planung ergeben sich die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten des Bundes, die nicht ohne Gefahr für Währung und Wirtschaft überschritten werden dürfen. Nachdem das Parlament den Planungsrahmen grundsätzlch akzeptiert hat, muß es sich nun mit seinen Entscheidungen über den Bundeshaushalt in diesen Rahmen einfügen und den Mut haben, eigene Vorschläge zu machen, wenn es Schwerpunkte verschieben oder der Regierung in Einzelpunkten nicht folgen will.
Der Herr Kollege Haas hat in seiner Haushaltsrede Betrachtungen darüber angestellt, wie es ,denn zu der jetzigen Finanzmisere gekommen sei. Er hat leider in völlig falscher Bescheidenheit vergessen, in diesem Zusammenhang auf den Beitrag seiner Fraktion hinzuweisen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

die seinerzeit allein in einem einzigen Jahr Anträge in einem Umfang von ca. 8 Milliarden DM jährlicher Mehrbelastung eingebracht hat.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich hatte vor einigen Wochen Gelegenheit, dieses Sündenregister hier zu verlesen. Ich möchte es Ihnen ersparen, es sich noch einmal anzuhören. Es kann jederzeit wiederholt werden. Ich sage aber auch hier wieder, Herr Kollege Haas: Ich halte es für völlig fruchtlos, hier immer nur nach Schuldigen in der Vergangenheit zu suchen und die Schuldigen immer nur auf .der anderen Seite zu finden. Wir hätten von Ihnen erwartet, .daß Sie uns bessere Lösungen für die Zukunft vorgeschlagen hätten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Aber da war leider wieder Fehlanzeige.

Wenden wir uns der Gesamtkonzeption dieses Haushaltsentwurfs zu! Auch .der böswilligste Kritiker kann nicht an der Tatsache vorbeigehen, ,daß der vorliegende Haushalt auf einer Gesamtkonzeption beruht — ,die man natürlich ablehnen kann, wenn man eine bessere Lösung hat.

(Zustimmung bei ,den Regierungsparteien.)

Diese Konzeption geht im wesentlichen von zwei Voraussetzungen aus.
Einmal hat sie zur Voraussetzung ein erneutes Wirtschaftswachstum. Die Einnahmeschätzungen dieses Entwurfs beruhen auf einem unterstellten Wirtschaftswachstum von 6,5 %. Diese Annahme war bei Aufstellung des Haushaltsentwurfs gewiß sehr kühn und wurde noch in der Debatte vom 6. Juli 1967 von den Sprechern der Opposition lediglich als Zweckoptimismus abgetan. Die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments haben aber durch .das erste und das zweite Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 7,8 Milliarden DM wesentliche Voraussetzungen für ein erneutes Wachstum der Wirtschaft geschaffen, so .daß der Bundesminister der Finanzen in seiner Haushaltsrede feststellen konnte, daß die unabhängigen wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die sich in der Vergangenheit durch besonderen Pessimismus ausgezeichnet hatten, nunmehr für 1968 mit einem Wirtschaftswachstum von 6,8 % rechnen. Wir alle hoffen, daß sich diese Erwartungen erfüllen. Aber ich glaube, unter diesen Umständen sind gegen die Veranschlagung der ordentlichen Einnahmen im Haushaltsentwurf ersnthafte Einwendungen kaum mehr zu erheben. Im übrigen werden ja der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß vor Abschluß der Beratungen noch Gelegenheit haben, sich mit der üblichen Steuerschätzung durch den hierfür eigens eingesetzten Arbeitskreis auseinandersetzen.
Die zweite Voraussetzung für den Ausgleich des Haushalts 1968 ist die Verabschiedung des Finanzänderungsgesetzes 1967. Der vorliegende Haushaltsentwurf erfordert, daß dieses Gesetz in dem von der Regierung vorgesehenen Volumen verabschiedet wird; andernfalls würde dieser Haushalt in der Luft hängen und den Anforderungen des Art. 10 des Grundgesetzes nicht entsprechen. Dabei ist zu



Windelen
unterstreichen, daß es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht um eine Neuauflage des Haushaltssicherungsgesetzes von Weihnachten 1965 handelt, das ebenso wie das Finanzplanungsgesetz 1966 nur mühsam den Ausgleich für das nächste Rechnungsjahr sicherte. Das Finanzänderungsgesetz 1967 ist auf den Zeitraum von 1968 bis 1971 abgestellt, so daß bei Einhaltung des vorgegebenen Rahmens und bei einer normalen Konjunkturentwicklung vom Bundeshaushalt her neue gesetzgeberische Maßnahmen erst für die Zeit nach 1971 notwendig werden. Hierin liegt der entscheidende Fortschritt. Der Entwurf des Finanzänderungsgesetzes 1967 zielt darauf ab, die Einnahmeseite um jährlich 300 Millionen DM zu verbessern und die Ausgabeseite von gesetzlich festgelegten konsumtiven Ausgaben von 2,2 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1968 steigend auf 4,1 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1971 zu entlasten.
Die Vorschläge im einzelnen tragen natürlich vielfach den Stempel des Kompromisses; wie sollte es im Rahmen einer Zweiparteienregierung denn anders sein, deren Vorstellungen auf vielen Gebieten eben voneinander abweichen? Auch die Alternativen der Koalitionsfraktionen können aus dem gleichen Grunde nur Kompromisse sein. Aber diese Kompromisse müssen zwei Voraussetzungen erfüllen: einmal muß ein Bleichhoher Kürzungseffekt erzielt werden, wie er in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, und zum anderen muß verlangt werden, daß diese Ausgabenbegrenzung endgültig und für den Planungszeitraum unwiderruflich ist.
Hier dürfen nicht, wie in den vergangenen Jahren vielfach geschehen, die Schwierigkeiten durch Manipulationen wie Herauszögerung des Inkrafttretens, Stundungen oder formale Kreditgewährungen auf die Zukunft verschoben werden. Ebenso wenig aber dürfte es den Ausweg geben, Ausgabenbegrenzungen im konsumtiven Sektor durch weitere Steuererhöhungen, insbesondere durch eine stärkere Anspannung der Ergänzungsabgabe, auszuweichen.
Die vorgeschlagenen, steuerlichen Maßnahmen, von denen die Mehrwertsteuer ja bereits Gesetz geworden ist, waren mit Recht sehr umstritten. Der Bundesregierung wurde vorgeworfen, den Kurs antizyklischen Steuerpolitik verlassen zu haben und Steuern in einem Zeitpunkt zu erhöhen, in dem eigentlich eine Steuersenkung angezeigt gewesen wäre. Die Bundesregierung hat dennoch, unterstützt von der Mehrheit dieses Hauses, mit guten Gründen an ihren Vorschlägen festgehalten, da die Mehreinnahmen aus Steuererhöhungen im Rahmen der mittelfristigen Planung nicht dazu dienen, höhere Ausgaben zu finanzieren, sondern die Kreditfinanzierung, die erstmalig im laufenden Rechnungsjahr zur Bekämpfung der Wirtschaftsflaute eingeleitet worden ist, langfristig auf eine solide Grundlage zu stellen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die Aufnahme kurz- und mittelfristiger Kredite zur
Finanzierung von Investitionen war und ist nur
dann zu vertreten, wenn der damit verbundene Zinsendienst und der langfristige Abbau aus ordentlichen Einnahmen gesichert werden kann.

(Beifall in der Mitte.)

Insofern scheinen mir auch die Einwendungen des Kollegen Haas nicht sehr logisch zu sein. Er äußerte erst Bedenken gegen eine höhere Verschuldung, ohne ein anderes Rezept bieten zu können, und anschließend äußerte er natürlich auch Bedenken gegen die Steuern, die zur Deckung des Schuldendienstes notwendig sind.
Ohne diese Steuererhöhung wäre 'die Kreditaufnahme, die im Planungszeitraum immerhin 21 Milliarden DM beträgt, der Ausstellung eines ungedeckten Schecks gleichgekommen. So aber handelt es sich um ,die Ausstellung eines Wechsels, dessen Einlösung durch entsprechende Steuereinnahmen in der Zukunft gesichert wurde. Wir sind uns der Risiken auch einer Wechselfinanzierung sehr wohl bewußt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber gerade 'deswegen werden wir darauf zu achten haben, daß mit diesen Mitteln nur effektive Investitionen finanziert, keinesfalls aber Ausgaben des normalen Staatskonsum bestritten werden.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bundesbank hat seinerzeit keinen Zweifel daran gelassen, daß sie nur auf dieser Grundlage bereit war, ,die geplante Kreditfinanzierung mitzumachen. Diese erreicht im vorliegenden Haushaltsentwurf einen Jahresbetrag von 8,1 Milliarden DM.
Nun wurden Erwägungen angestellt, der Begrenzung der Zuwachsraten im sozialen Bereich durch Steuererhöhungen aus dem Wege zu gehen. Diesen Absichten muß entschieden widersprochen werden, weil damit die Konzeption der Bundesregierung aufgegeben würde. Dadurch würde nämlich die Weiche zu einer Verstärkung der Investitionen wieder auf eine stärkere Zunahme der konsumtiven Ausgaben zurückgestellt.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß der Bestand unseres Staates davon abhängt, daß den öffentlichen Investitionen für die Zukunftsvorsorge ein weit größerer Anteil der öffentlichen Ausgaben gewidmet wird, als das in Ider Vergangenheit der Fall war, aber auch noch in dem vorliegenden Haushaltsentwurf der Fall ist.

(Beifall in der Mitte.)

Diese Verschiebung des Schwergewichts konnte durch die mittelfristige Finanzplanung bis zum Rechnungsjahr 1971 erst eingeleitet werden, wenn nicht im sozialen Sektor noch größere Härten entstehen sollten. Die Vermeidung von Kürzungen im sozialen Bereich durch Steuererhöhungen würde bedeuten, daß die konsumtiven Ausgaben erneut stärker wachsen als die Zukunftsinvestitionen und daß auf längere Sicht das stetige Wachstum der Wirtschaft nicht mehr gesichert erscheint. Damit würden wir unsere wirtschaftliche Grundlage ruinieren und jeden sozialen Fortschritt unmöglich machen. Darüber hinaus würden wir den jetzigen sozialen Status kaum noch sichern können.



Windelen
Hinsichtlich der Ausgleichsvorschläge der Bundesregierung waren eine Reihe von Vorstellungen innerhalb der Fraktionen und zwischen den Fraktionen kontrovers. Das betraf vor allem die Höhe der Besteuerung der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, den Wegfall der Versicherungspflichtgrenze, der gerade bei uns große Bedenken ausgelöst hat, die Einschränkung im Bereich ,des Familienlastenausgleichs durch Änderung wohnungsbaurechtlicher Vorschriften, durch Einschränkung des Wohngeldes, durch Einführung von Einkommensgrenzen beim Kindergeld, schließlich die Umgestaltung des Leistungsrechts in der Knappschaftsversicherung und die Erhebung eines Beitrags von 4 % für die Krankenversicherung der Rentner.
Hier wurde nun durch lange und gründliche, teilweise recht lebhafte Beratung innerhalb der Koalitionsfraktionen und zwischen ,den Fraktionsspitzen ein Kompromiß erzielt, der inzwischen von den Fraktionen mit großen Mehrheiten gebilligt wurde. Dieser Kompromiß schlägt andere Lösungen vor, bei denen jedoch ,der Umfang der Ausgabenkürzungen erhalten bleibt, andere Lösungen, bei denen nicht auf Steuererhöhungen ausgewichen wird, bei denen nicht die Investitionsrate vermindert wird und bei denen auch nicht auf ,den Weg zusätzlicher Verschuldung ausgewichen wird. Damit sollten finanz-
und haushaltswirtschaftliche Bedenken gegen diesen Kompromiß gegenstandslos sein.
Allerdings bleiben die Vorschläge hinsichtlich der vorgesehenen Entlastung der Krankenkassen — das muß man deutlich sehen — hinter der Regierungsvorlage erheblich zurück.

(Beifall in der Mitte.)

Das wird uns um so mehr und um so eher zwingen, die Reform der sozialen Krankenversicherung baldigst anzupacken.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Hoffentlich!)

Aber auch die Vorschläge zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Bund und den Rentenversicherungsträgern haben die Schwäche, daß sie die Probleme nur für den Planungszeitraum lösen und noch keine endgültige Neuregelung bringen. Sicherlich könnte man sich auch hier andere Lösungen vorstellen als z. B. die begrenzte Entlastung der Knappschaftsversicherung und die Einführung eines Krankenkassenbeitrages der Rentner. Aber das wäre dann kaum ohne Änderung der Rentenformel möglich gewesen. So scheint bei einer nüchternen und leidenschaftslosen Betrachtung der Dinge der Regierungsvorschlag noch das geringere Übel zu sein. Dabei muß immer wieder betont werden, daß die Behauptung, damit sei eine absolute Kürzung der Renten verbunden, einfach nicht stimmt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn ein Fernsehkommentator, der es doch eigentlich besser wissen müßte,

(Abg. Haase [Kassel] : Woher denn?)

die Dinge so darstellt, daß ein Rentner mit 400 DM
Rente monatlich künftig wegen des Krankenkassenbeitrages nur noch 384 DM erhalten würde, so ist das doch eine Irreführung.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ein Verleumder ist das! — Bewußte Verdrehung und Verleumdung! — Weiter Zurufe von der Mitte. — Unruhe.)

Denn er verschwieg doch, daß diese gleiche Rente gleichzeitig auf 432 DM angehoben wird, so daß der betreffende Rentner trotz des Krankenkassenbeitrages ab 1. Januar 1968 statt 400 DM nach den Regierungsvorstellungen 416 DM und nach dem Kompromiß zwischen den Fraktionen nicht 384, sondern 424 DM Rente erhält.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Das sind die Monopolisten, die öffentlich-rechtlichen Meinungsverdreher!)

Die schmerzlichsten Kürzungen für meine Fraktion liegen im Bereich des Familienlastenausgleichs. Es ist nicht zu bestreiten, daß hier die empfindlichsten Streichungen vorgenommen worden sind. Nicht nur durch die endgültige Abschaffung der Ausbildungszulage ohne eine gleichzeitige Ersatzlösung, sondern auch durch die Einführung einer Einkommensgrenze beim Kindergeld. Die hiermit verbundenen Kürzungen werden sich einfach wegen ihrer Größenordnung jetzt und in diesem Verfahren nicht anderweitig ausgleichen lassen. Wir müssen leider auch hier erkennen, daß durch nicht ausreichend bedachte Entscheidungen in der Vergangenheit dem Bund für den Familienlastenausgleich Leistungen abverlangt wurden, die er jetzt einfach nicht mehr hergeben kann. Hätte man sich das rechtzeitig vor Augen gehalten, hätte das heutige Debakel vermieden werden können.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das darf aber nicht daran hindern, wenn nicht im Rechnungsjahr 1968, so doch aber für die Zukunft eine angemessenere Verteilung der verfügbaren Mittel zu erreichen. Wir sind für die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede dankbar.
Durch die Vereinbarungen zwischen den Koalitionsfraktionen ist es aber doch wenigstens gelungen, die zusätzliche Belastung der Familien im Wohnungsbau und beim Wohngeld hei voller Deckung an anderer Stelle zu vermeiden. Darüber hinaus ist die vorgesehene Einkommensgrenze beim Kindergeld gefallen. Ich begrüße das besonders.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Solche Einkommensgrenzen sind von Übel. Wir kennen ihre Problematik noch vom Zweitkindergeld her. Sie sind ein Fremdkörper in unserer Leistungsgesellschaft, sie verursachen einen Wust von Verwaltungsarbeit, sie verführen zur Unehrlichkeit, und sie nivellieren nach unten. Schließlich widersprechen sie auch allen Grundsätzen innerhalb der EWG, wo wir doch harmonisieren wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In diesem Zusammenhang aber noch einen weiteren Gesichtspunkt. Es ist in dieser Debatte soviel



Windelen
von der Bedeutung der Zukunftsinvestitionen die Rede. Nun, die Leistungen, die wir für die Familien aufwenden, sind Leistungen für die Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei dem heutigen System unserer sozialen Sicherung werden sich künftige Verpflichtungen nur dann erfüllen lassen, wenn eine ausreichend starke und leistungsfähige Generation heute heranwächst. Die technischen und wissenschaftlichen Leistungen der Zukunft, von denen unsere Wettbewerbsfähigkeit im Weltmarkt — Herr Kollege Möller hat noch einmal sehr nachdrücklich darauf hingewiesen — und unsere Leistungsfähigkeit als Industrienation abhängen, werden wir nur dann erbringen können, wenn neben den Institutionen, neben den Universitäten, neben den Ausbildungsstätten die Voraussetzungen für die Ausbildung der Kinder auch materiell gegeben sind. Dafür brauchen die Familien unsere Hilfe.
Wir haben oft mit Stolz verkündet, daß wir mit unseren sozialen Leistungen innerhalb der EWG an der Spitze stehen. Die Sozialleistungen Frankreichs z. B. sind insgesamt niedriger als unsere. Aber bei uns werden von den hohen Sozialleistungen nur etwa 13 % für die kommende Generation, d. h. für die Zukunft, eingesetzt, 87 % also für die Bewältigung einer — gewiß harten und schmerzhaften — Vergangenheit. In Frankreich dagegen werden etwa 42 % der Sozialleistungen auf die kommende Generation bezogen und damit für die Zukunft eingesetzt. Das ist ein Vielfaches von dem, was wir tun. Warum beginnen wir gerade bei dem am schwächsten entwickelten Gebiet unserer Sozialordnung zu kürzen? Merkwürdigerweise tut Frankreich das Entsprechende, indem es die knappen Krankenversicherungsleistungen noch kürzt. Es sollte bei unserem insgesamt doch recht hohen Sozialaufwand mehr Raum für Zukunftsaufgaben sein. Hier müssen die Familienpolitiker und die Sozialpolitiker ansetzen. Sonst fehlt uns bald auch das Geld für die Bewältigung der Gegenwart.
Gestatten Sie mir noch einige Ausführungen zur beabsichtigten Verbesserung der Beamtenbesoldung. Für diesen Zweck sind 724 Millionen DM in den Bundeshaushalt eingestellt. Der Bundesrat hat bekanntlich vorgeschlagen, davon 674 Millionen DM zu streichen. Er macht geltend, daß zwangsläufige personelle Mehraufwendungen in der veranschlagten Höhe nicht zu erwarten seien, daß Tarif- und Besoldungserhöhungen in dem hier offenbar zugrunde gelegten Ausmaß in Anbetracht der Haushaltssituation von Ländern und Gemeinden zu erheblichen Verzerrungen des Besoldungsgefüges führen müßten und daß damit das Ziel einer Besoldungsharmonisierung nachhaltig gefährdet würde. Die Bundesregierung stellt demgegenüber fest, daß gerade die Besoldungspolitik der Länder zu Verzerrungen des Besoldungsgefüges der Beamten geführt habe.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die vom Bund vorgesehenen Maßnahmen bezweckten lediglich die Angleichung der Besoldung der Beamten des Bundes an die der Länder. Es gehe hier ausschließlich um eine Harmonisierung.
Ich sage offen, daß insoweit gegen den Ansatz nichts einzuwenden ist. Es wird aber sehr genau zu prüfen sein, wieweit der Ansatz tatsächlich für Harmonisierungen benötigt wird und wieweit man hier gehen muß, ohne zu neuen Verzerrungen zu kommen. Vor allem ist es aber zwingend notwendig, nunmehr durch Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes endlich zu erreichen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

daß die Beamtenbesoldung in Bund und Ländern nicht erneut auseinanderläuft. Deshalb ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort an den Bundesrat ausdrücklich feststellt, daß die angestrebte Harmonisierung die Verabschiedung des neu gefaßten Art. 75 des Grundgesetzes voraussetzt.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Aber zuerst müssen wir natürlich eine Gesamtkonzeption auf dem Gebiete der Besoldung haben!)

— Ich glaube, wir müssen zunächst einmal einen
Rahmen haben, damit das Besoldungsgefüge nicht
auseinanderläuft, ehe wir es harmonisieren können.
Auch der Bundesrechnungshof hat sich mit diesem leidigen Thema wiederholt beschäftigt. In der Drucksache V/1603 weist der Präsident des Bundesrechnungshofs auf die Vorschläge der Kommission für die Finanzreform hin, welche festgestellt hat, daß bei dem Gewicht der finanziellen Belastung, die sich aus der Entwicklung der Personalausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden ergibt, auf eine Harmonisierung der Beamtenbesoldung nicht verzichtet werden kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Diese Belastung macht beim Bund inzwischen immerhin 10 %, bei den Ländern aber 40 bis annähernd 50 % der Haushalte aus. Das sei am besten über eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes zu erreichen. Der Bund solle ermächtigt werden, neben der Festsetzung von Mindest- und Höchstbeträgen die Bewertung von Ämtern verbindlich festzulegen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Insoweit war die alte Fassung des Art. 75 ungenügend!)

— So ist es.
Der Rechnungshof sieht in der vorgeschlagenen Ergänzung des Art. 75 des Grundgesetzes den allein erfolgversprechenden Weg, ein das Gesamtinteresse der Bundesrepublik wahrendes einheitliches Besoldungsgefüge sicherzustellen, wenn man sich nicht überhaupt entschließen will — so der Bundesrechnungshof —, dem Bund die Vollkompetenz für die Besoldungsgesetzgebung auf dem Wege über eine Ergänzung des Art. 74 des Grundgesetzes zu geben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre das einzig Richtige!)

Das Ziel der Neugestaltung des Besoldungsrechts — so immer noch der Bundesrechnungshof — müsse die Wiederherstellung sachgerechter Relationen innerhalb der Besoldungsordnungen und der Stellenpläne aller Dienstherren sein. Dabei müsse auch bedacht werden, daß der im Zuge der Verbesserung der Stellenkegel erreichte, inzwischen sehr hohe Vom-



Windelen
hundertsatz an Spitzenstellungen in den einzelnen Laufbahnen mit den funktionellen Notwendigkeiten im Rahmen einer vernünftigen Behördenorganisation kaum mehr vereinbar sei.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Dem muß nach den Erfahrungen im Haushaltsausschuß leider vorbehaltlos zugestimmt werden.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Es wird wirklich höchste Zeit, daß der Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes, den die Regierung mit der Bundestagsdrucksache V/1586 bereits vor fast einem Jahr eingebracht hat und gegen den auch der Bundesrat im ersten Durchgang keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben hat, nunmehr endlich mit Vorrang verabschiedet wird,

(Beifall bei der CDU/CSU — Abg. SchmittVockenhausen: Aber doch mit der Gesamtkonzeption der Besoldung!)

ehe neue Harmonisierungsmaßnahmen in Angriff genommen werden.

(Abg. Dr. Miessner: Mit der zweiten Stufe!)

— Herr Kollege Miessner, darüber reden wir seit Jahren. Wir haben jeweils die Änderung des Art. 75 mit der jeweils nächsten Stufe angeboten bekommen,

(Widerspruch bei der SPD und der FDP.)

und wir warten heute noch auf diese Änderung. Andernfalls hätte sich das Besoldungsgefüge nicht in der vom Bundesrechnungshof geschilderten Weise auseinanderentwickeln können.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Weil der Bund zu spät kam, sind die Länder schrecklich ausgebrochen, und jetzt haben wir die Folgen!)

— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich verstehe, daß das für Sie persönlich ein etwas peinliches Thema ist; denn wir standen ja vor einigen Jahren schon einmal fast davor, uns in dieser Frage zu einigen. Im letzten Augenblick ist das durch Ihre sehr wirksame, aber von mir sehr bedauerte Intervention verhindert worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist nicht ohne makabren Beigeschmack, daß ausgerechnet die Länder, die auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung so viel gesündigt haben, die Mittel, die sie nur durch weitgehende Streichung des Ansatzes für die Verbesserung der Besoldung gewinnen würden, zur Entlastung der Länderfinanzen verwendet haben wollen.

(Abg. Brese: Niedersachsen!)

— Es war nicht nur Niedersachsen, es waren auch andere, Herr Kollege Brese. Der Bundesrat hat nämlich vorgeschlagen, daß der Anteil der Länder am Wohngeld und an den Bausparprämien um die Hälfte zu senken sei und daß die Leistungen des Bundes an die finanzschwachen Länder von 260 auf 520 Millionen DM zu erhöhen seien. Das bedeutet also praktisch, daß von den Verbesserungsvorschlägen zum Haushaltsentwurf, die der Bundesrat in
einer Größenordnung von insgesamt 1000 Millionen
DM unterbreitet hat, auf diesem Wege allein 700
Millionen DM in die Länderkassen fließen sollen.
Dabei muß man sich vor Augen halten, daß die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Ländern durch das Gesetz vom 9. und das Gesetz vom 15. März 1967 durch Erhöhung des Länderanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 61 auf 63 % und die Bemessung des Zuschusses an die finanzschwachen Länder auf 260 Millionen DM geregelt worden ist. Dadurch sind die Länder, was seinerzeit gar nicht vorauszusehen war, in eine ungleich günstigere Lage als der Bund gekommen, da nämlich entgegen allen Erwartungen die Rückläufigkeit der Umsatzsteuer stärker war als die der Ertragsteuern. — Das zeigt sich am deutlichsten daran, daß die Einnahmen der Länder in den ersten acht Monaten des laufenden Rechnungsjahres gegenüber dem Vorjahr um 3,2 % gleich 831 Millionen DM gestiegen sind, während die Einnahmen des Bundes um 0,2 %, nämlich 108 Millionen DM, unter dem Vorjahresbetrag blieben. Hiernach sollte eigentlich keine Veranlassung sein, das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern vor Ablauf der jetzigen Regelung, die bis zum 31. Dezember 1968 läuft, zu ändern.
Das sollte uns aber nicht daran hindern, sehr sorgfältig im Einzelfall zu prüfen, wo bei besonderen strukturellen Schwierigkeiten einzelnen Ländern geholfen werden kann.
Der Hinweis darauf, daß die steuerlichen Maßnahmen, nämlich die Erhöhung der Umsatzsteuer und die Einführung der Ergänzungsabgabe,. lediglich dem Bund zugute kämen, kann hieran nichts ändern, da diese Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Bundesfinanzen unerläßlich sind und, wie ich schon ausgeführt habe, Voraussetzung für die starke Neuverschuldung des Bundes waren, eine Neuverschuldung, die weit über das Ausmaß der Neuverschuldung der Länder im gleichen Zeitraum hinausgeht. Diese Neuverschuldung des Bundes diente wesentlich der Konjunkturbelebung. Die Wirkungen dieser Maßnahmen werden aber über die Steigerung der Ertragsteuern gleichermaßen den Ländern zugute kommen.
Ich glaube, daß der Bundesrat mit diesem Vorschlag seinem Ansehen als Bundesorgan keinen besonderen Gefallen getan hat.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung oder an anderer Stelle des Haushalts überhaupt noch Einsparungen erzielt werden können, dann dürfen diese keinesfalls für andere Konsumzwecke ausgegeben werden, sondern sie müssen der Senkung des Anleihebedarfs und damit der Konsolidierung des Haushalts dienen, der immer noch genügend Risiken und Wagnisse enthält. Jede Mark, die wir so einsparen, vermindert die drückende Zins- und Tilgungslast in kommenden Jahren und gibt uns um so eher die Möglichkeit, statt immer nur Haushaltssicherung zu betreiben, wieder neue politische Schwerpunkte zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Windelen
Lassen Sie mich noch wenige Worte zur Frage der Subventionen sagen. Hierauf richteten sich bei der notwendigen Bereinigung des Haushalts die größten Hoffnungen und Erwartungen bei allen Fraktionen. Hohe Millionen-. und Milliardenbeträge sollten hier kurzfristig herausgewirtschaftet werden. Mein Kollege Dr. Althammer und auch ich warnten damals schon vor übertriebenen Vorstellungen. In Zeiten raschen Strukturwandels sind Subventionen auch in einer Marktwirtschaft legitime Mittel. So hören wir nun vom Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede, daß die Subventionen 1968 trotz aller Einschränkungen auf einigen Gebieten noch ansteigen werden, besonders als Folge der Eingliederung der Landwirtschaft in die EWG oder wegen der Probleme des Bergbaus und wegen größerer Verpflichtungen aus dem Sparprämiengesetz. Diese Steigerungen sind sicher unabweisbar. Aber das enthebt uns nicht der Verpflichtung, die Subventionen in anderen Bereichen um so kritischer zu prüfen. Insofern sind wir dem Bundesfinanzminister dankbar für seine Zusage, den Subventionsbericht, der nach § 12 des Stabilitätsgesetzes alle zwei Jahre dem Parlament vorzulegen ist, noch in diesem Jahr abzuschließen. Wie schwer es im übrigen ist, auch nur eine einzige Vergünstigung abzubauen, erleben wir jetzt wohl in der Frage der Besteuerung der Kreditinstitute.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wenn man ehrlich ist, kann man der Bundesregierung die Anerkennung für ihre Gesamtkonzeption nicht versagen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

In Einzelheiten mag Kritik berechtigt sein. Aber man muß sehen, daß eine Lösung, die alle Teile befriedigt, im Hinblick auf die starke Dynamisierung der konsumtiven Ausgaben einfach nicht möglich war. Die Bundesregierung mußte versuchen, angesichts der vorhandenen Gegensätze zu einem Kompromiß zu kommen. Nach der Reaktion, die durch die Kabinettsbeschlüsse in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, muß man annehmen, daß es kaum jemanden gibt, der nicht betroffen wurde. Diese Feststellung soll keineswegs hindern, im Laufe der Beratung sehr gründlich zu prüfen, ob es und wo es noch bessere Lösungen gibt. Ich habe keine Illusionen, der Spielraum wird nicht sehr groß sein. Das Finanzänderungsgesetz 1967 muß zwingend vor Schluß dieses Rechnungsjahres in Kraft treten. Um die Bundesfinanzen zu sichern, bleibt nur wenig Zeit für die Beratung. Alles hängt deshalb davon ab, daß die Fraktionen, daß die Ausschüsse unverzüglich und zügig an die Arbeit gehen. Nachdem sich erste deutliche Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung zeigen, gilt es nun, durch rasche und reibungslose Verabschiedung von Finanzänderungsgesetz und Bundeshaushaltsplan 1968 die solide Grundlage für einen dauerhaften Aufschwung unserer Volkswirtschaft und eine sichere Zukunft unseres Volkes zu schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0512822500
Das Wort hat der Abgeordnete Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0512822600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einige Worte zu den Ausführungen von Herrn Windelen und Herrn Dr. Möller. Sie haben die Ausführungen meines Kollegen Haas aufgegriffen. Dazu ist zu sagen, daß die Freien Demokraten immer, seit wir darüber reden, eine mittelfristige Finanzplanung bejahen. Schließlich war es unser Kollege Dr. Dahlgrün, der den ersten mittelfristigen Bericht im Januar 1966 gab, aus ,dem damals schon die Defizitreihen der zukünftigen Jahre zu ersehen waren. Herr Windelen, Sie können heute nicht mit Recht eine Darstellung geben, nach der frühere Haushalte nur aus Ressortberatungen zustande gekommen seien. Zweifellos hat es auch damals, auch bevor ein Finanzbericht gegeben wurde, im Finanzressort — vor der Zeit, als FDP-Minister dieses Ressort hatten, auch zu der Zeit, als CDU-Minister dort im Hause waren
— schon längerfristige Planungen gegeben.
Dann haben Sie, Herr Dr. Möller, beklagt, daß die FDP keine Alternative zu bieten hätte.

(Abg. Matthöfer: Allerdings!)

Meine Damen und Herren, wir haben zum Haushalt 1967 eine komplette Alternative dargeboten. Wir haben sie hier im Plenum verteilt, und sie ist jedem zugänglich gemacht worden. Wir haben dann, als das erste Investitionsprogramm zur Diskussion stand, diesem zugestimmt, weil wir der Meinung waren, daß das Investitionsprogramm richtig und nötig sei. Wir bedauern es, daß die Maßnahmen der Bundesregierung aus diesem Programm so spät anliefen; denn sonst wäre .die Wirkung sehr wahrscheinlich eine größere gewesen.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben dann, als über das zweite Investitionsprogramm beraten wurde, nicht grundsätzlich nein gesagt, sondern wir haben gesagt: Auch jetzt halten wir wieder Investitionsmaßnahmen für erforderlich. Aber wir haben damals auch gesagt: Wir wollen die 1,8 Milliarden DM Steuererhöhungen nicht; dafür werden wir eine andere Deckung bringen, und das Investitionsprogramm kann dann um diese Summe vermindert werden. Die volkswirtschaftliche Wirkung wäre mindestens die gleiche gewesen. Also, meine Damen und Herren, Sie können jetzt nicht sagen, wir hätten keine Alternativen geboten.

(Abg. Matthöfer: Doch! Der Wegfall der Arbeitnehmerfreibeträge!)

— Es war eine Alternative, selbstverständlich. Das bestreiten wir gar nicht. Wir bekennen uns dazu, daß wir diesen Beitrag gebracht haben.

(Abg. Matthöfer: Und die Senkung der Fahrzeugkostenpauschale auf 10 Pfennig!)

— Die 10 Pfennig haben Sie ja selbst mit beschlossen.

(Widerspruch bei der SPD.)

— Um 10 Pfennig! Es war nicht unser Vorschlag: auf 10 Pfennig. Es fragt sich nur, ob die Maßnahmen, die im 'Sozialbereich jetzt beschlossen werden,



Peters (Poppenbüll)

nicht härter sind als die geringe Minderung bei der Kilometerpauschale.

(Beifall bei der FDP.)

Und nun ein letztes Wort zu dem Zwischenruf meines Kollegen Ertl in bezug auf die Preisstabilität. Entweder ist er falsch verstanden worden, meine Damen und Herren von der SPD, oder Sie wollten ihn falsch verstehen. Es ist, glaube ich, völlig klar — darüber braucht wohl nicht mehr mit Herrn Dr. Möller gestritten zu werden —, daß die Preisstabilität, die um die Jahreswende 1966/1967 eingetreten ist, in erster Linie eine Folge ,der Maßnahmen der Bundesbank drei Vierteljahre vorher und von Maßnahmen war, die unter der Regierung Erhard eingeleitet wurden, ob Sie das begrüßen oder nicht.

(Beifall bei der FDP.)

Sie können ja doch gar keine Maßnahme treffen, die am nächsten Tag schon ihre Wirkung hat. Solche Maßnahmen brauchen für ihre Wirkung immer längere Zeit. Das hat mein Kollege Ertl gemeint, und damit hat er völlig recht. Und wenn Sie das noch genauer wissen wollen, so will ich es Ihnen aus dem Sozialbericht der Bundesregierung mit dem neuesten Datum vom 19. September 1967 vorlesen. Da wird von der Bundesregierung geschrieben:
Die Preise verhalten sich allgemein stabil. Dieser an sich erfreuliche Sachverhalt ist indessen allein ein Resultat der Konjunkturabschwächung.

(Hört! Hört! bei der FDP.)

Sehen Sie, so ist es gewesen, und da brauchen wir gar keinen Aufstand gegen Ertl, wenn er eine sachlich richtige Frage stellt.

(Abg. Matthöfer: Es handelt sich um die völlig überflüssigen Wachstumsverluste, die Sie verursacht haben!)

— Die Wachstumsverluste sind nicht durch die FDP verursacht worden.

(Abg. Matthöfer: Mit verursacht!)

— Es fragt sich, inwieweit Sie durch Ihr Verhalten im Bundestag in bezug auf den Haushalt dazu beigetragen haben.

(Beifall bei der FDP.)

Nun, meine Damen und Herren, zu dem Bereich, zu dem ich hier zu sprechen habe, zur Agrarpolitik und zu den Folgerungen aus dem Finanzänderungsgesetz.
Herr Bundesernährungsminister Höcherl hat in der gestrigen Fragestunde den Eindruck erweckt, als bekenne er sich voll zu den schockierenden Ausführungen von Vizepräsident Mansholt zur künftigen Agrarpolitik. Nachdem auch der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede in dieser Richtung tendierte, muß angenommen werden, daß die Bundesregierung als Ganzes diese gefährliche Änderung der agrarpolitischen Konzeption ansteuert. Der Finanzminister hält eine Überprüfung der bisherigen Konzeption — so hat er wörtlich gesagt — für „unausweichlich", ohne allerdings klar zu sagen, was er auf Dauer für wettbewerbsfähige Betriebsstrukturen hält.

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)

— Als Dahlgrün Finanzminister war, Herr Schmitt, hat sich die Landwirtschaft in diesem Bereich bessergestanden; das steht fest.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Vielleicht die Landwirtschaft! Aber wie stand es um unsere gesamte Finanzpolitik?)

Der Finanzminister hat sich gegen den automatischen Zwang zur Intervention und Ausfuhrerstattung ausgesprochen; er hat sich auch gegen Preiskorrekturen, also gegen Erhöhungen von EWG-Preisen, ausgesprochen, weil nach seiner Meinung höhere Erzeugerpreise zur Mehrproduktion und zu höheren Exportüberschüssen führen, die den EWG-Fonds über Gebühr belasten.
Der Finanzminister kennt den Agrarmarktmechanismus nach unserer Meinung nicht, der bewirkt, daß gerade ein allgemein niedriges Preisniveau zu hoher Produktion zwingt, weil die Landwirtschaft nicht wie die gewerbliche Wirtschaft auf andere Produktionen ausweichen kann, sondern weil sie ihre Erzeugung auf die Hauptprodukte, auf Getreide, Milch und Fleisch, beschränkt sieht und zur Mehrproduktion gezwungen wird, um die erforderlichen Einnahmen zu erzielen.

(Beifall bei der FDP.)

Der Herr Finanzminister hat dem Bundestag nicht erklärt, das die bisherige Überproduktion in der EWG nicht deutschen Ursprungs ist, auch nicht bei der Milch. Der Herr Finanzminister hätte darlegen .sollen, daß wir mit dem Haushalt 1968 700 Millionen DM für die Überschüsse der EWG-Partner finanzieren.

(Beifall bei der FDP.)

Diese Summe soll der eigenen Landwirtschaft durch Kürzung von 500 Millionen DM bei Strukturmaßnahmen und 260 Millionen DM bei der EWG-Anpassung vorenthalten werden.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Der Herr Finanzminister scheint mir bei seiner Überprüfung der bisherigen Agrarkonzeption bei der These von Herrn Mansholt zu landen, bei der These nämlich, daß in der EWG der landwirtschaftliche Großbetrieb die wettbewerbsfähige Betriebsstruktur darstellt. Wir möchten wissen, ob die vom Herrn Finanzminister vertretene Ansicht die Meinung der Bundesregierung darstellt. Wir möchten wissen, wohin die agrarpolitische Reise gehen soll.
Der Herr Finanzminister hat dargelegt, daß er mit seinem Konzept die deutsche Landwirtschaft für die Wettbewerbsverhältnisse der Zukunft rüsten will. Unsere Meinung war und ist es heute noch, daß der Bundestag dafür das EWG-Anpassungsgesetz beschlossen hat, das nun nach der Entscheidung der Bundesregierung annulliert werden soll. Die vorzeitige Getreidepreissenkung und die Agrarpreisangleichung in der EWG hatten die Zusagen der früheren Bundesregierung und — auch wenn Sie, meine Damen und Herren, es nicht gerne hören — aller



Peters (Poppenbüll)

Parteien zur Voraussetzung, eine EWG-Anpassungshilfe von jährlich 1,030 Milliarden DM und den vollen Getreidepreisausgleich bis 1970 vorzusehen. Jetzt wollen Regierung und Koalition durch Art. 11 des Finanzänderungsgesetzes von der EWG-Anpassungshilfe nur 770 Millionen DM statt 1,03 Milliarden DM einhalten, und ab 1969 soll es freie Bahn für weitere Kürzungen geben. Den Getreidepreisausgleich wollen Regierung und Koalition nur noch in Höhe der aus Brüssel rückfließenden Mittel gewähren, also mit einer starken Degression, und nicht, wie im EWG-Anpassungsgesetz festgelegt ist, in voller Höhe des Preisverlustes.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sind sich anscheinend nicht darüber im klaren, wie schwierig die Lage der Landwirtschaft auf Grund der Getreidepreissenkung und der niedrigeren Erzeugerpreise für Rinder und Schweine ist. Sie scheinen sich ebenfalls nicht bewußt zu sein, daß die Landwirtschaft Ihr Vorhaben als Wortbruch ansieht.

(Sehr gut! rechts.)

Die FDP wird dem Art. 11 nicht zustimmen.
Der Herr Finanzminister hat sich für die Umstellung der Gasölbetriebsbeihilfen auf das Gutscheinverfahren ab 1. Mai 1968 ausgesprochen. Er hat den Vorschlag des Bundesrats abgelehnt, für den Verbrauch von 1967 — auszahlbar nach dem Rückerstattungsprinzip — im Haushalt 1968 32,15 Pf je Liter zu vergüten anstatt der von der Bundesregierung vorgesehenen 19,3 Pf je Liter. Diesen Teil des Bundesratsvorschlages unterstützen wir, weil er in etwa gleiche Wettbewerbsverhältnisse für unsere Landwirtschaft in der EWG bedeutet. Für den Verbrauch im Jahre 1968 halten wir an unserem Antrag fest, leichtes Heizöl und Gasöl für landwirtschaftliche Zwecke zu färben. Dieses Verfahren hat den Vorteil eines geringen Verwaltungsaufwandes. Staatssekretär Grund hat bestätigt, daß ein beträchtlicher Steuerausfall durch gesetzwidrige Verwendung bei Heizöl verhindert würde, der in etwa mit 100 bis 150 Millionen DM anzusetzen ist.
Art. 6 des Finanzänderungsgesetzes, der die Neuregelung der Altershilfe für Landwirte betrifft, lehnen wir ebenfalls ab. Die Beitragspflichtigen sollen hier bei gleichen Leistungen der Alterskasse zu jährlich steigenden Beiträgen herangezogen werden, obgleich ihre Einkommen auf Grund der EWG-Beschlüsse gesenkt werden und sich die Koalition der Verpflichtung des Ausgleichs entziehen will.
Nun zur Frage der Deckung. Auf Grund unserer Stellungnahme ist folgendes zu sagen. Die Bundesregierung hat für das Gutscheinverfahren für Gasöl 300 Millionen DM Steuerausfall als Ausgabe eingesetzt. Wir halten diese Handhabung für unmöglich. Von den von der Bundesregierung insgesamt genannten 12 Milliarden DM Steuervergünstigungen im Bundeshaushalt ist keine Position etatisiert; nur an dieser einzigen Stelle wird diese Praxis erstmals gehandhabt. Diese 300 Millionen DM stehen zur Verfügung wie die 100 bis 150 Millionen DM Steuerausfall, der verhindert würde, wenn man unserem Antrag auf Färbung von leichtem Heizöl entspräche.
Da der Herr Finanzminister die Agrarpolitik aus der Sicht der EWG-Finanzierung so ausführlich behandelt hat, will ich bei dieser Gelegenheit ankündigen, daß wir einen Einzelplan „EWG und Marktordnung" beantragen werden. Wir wünschen, daß alle Einnahmen und Ausgaben, die die EWG und die Marktordnungen betreffen, in einem Einzelplan zusammengefaßt werden. Dort sollen als Einnahmen die Abschöpfungen, die Rückflüsse aus der Abteilung Garantie und Ausrichtung getrennt aufgeführt werden. Es ist verwaltungsmäßig und für die Kontrollfunktion des Parlaments ein unerträgliches Verfahren, daß die Förderungen für Agrar- und Marktstruktur von Brüssel nicht über den Bundeshaushalt laufen. Bei den Ausgaben wünschen wir die Verbuchung des Betrages an den EWG-Agrarfonds, die Marktordnungstitel aus Kap. 10 03 und den Getreidepreisausgleich, der jetzt in Kap. 10 02 gebucht ist. Nur auf Grund einer solchen Haushaltsaufstellung ist klar zu erkennen, was der Bund für die eigene Landwirtschaft, für den Verbraucher und für Agrarwirtschaften der Partnerländer leistet.

(Sehr gut! bei der FPD.)

Zum Schluß möchte ich betonen, daß die Kernfrage der Agrarpolitik für die Freien Demokraten die Preispolitik ist und bleibt.

(Beifall bei der FDP.)

Hier hat die Bundesregierung die eigene Landwirtschaft sowohl bei nationalen Entscheidungen als auch bei den Verhandlungen in Brüssel im Stich gelassen. Folgt man dem Finanzminister, dann soll dieser verhängnisvolle Weg weiter beschritten werden.
Die Leistungen an den EWG-Agrarfonds von 1970 an können nur dann in einem für den Bundeshaushalt tragbaren Rahmen gehalten werden, wenn die Abgaben an den Fonds in ein angemessenes Verhältnis zu den Rückflüssen gebracht werden. Darüber hinaus müssen schnellstens Preiskorrekturen vorgenommen werden, um das richtige Verhältnis der Agrarpreise zueinander herzustellen. Dadurch würde die Produktion von Agrargütern belebt, für die die EWG Einfuhrbedarf hat, und gehemmt, wo die Bedarfsdeckungsgrenze überschritten wird. Nur auf diese Weise läßt sich der Agrarfonds im Rahmen halten.
Eine Beschränkung des Agrarfonds durch Senkung oder Festhalten der heutigen landwirtschaftlichen Erzeugerpreise wird zur Zerschlagung vieler landwirtschaftlicher Betriebe — nicht der kleinen, meine Damen und Herren, sondern mittlerer und größerer Betriebe — führen. Wenn dieser Weg beschritten wird, muß die Bundesregierung, müssen die Koalitionsparteien alles das widerrufen, was sie der Landwirtschaft gesagt haben, als der Weg in die EWG beschritten wurde.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der SPD: Wir brauchen nichts zu widerrufen!)

Wir wollen den rationell geführten bäuerlichen Familienbetrieb und die Erhaltung der Nebenerwerbsbetriebe aus volkswirtschaftlichen und soziologischen Gründen. Die künftige Agrarpolitik in



Peters (Poppenbüll)

der Bundesrepublik und in der EWG kann nach unserer Auffassung durchaus so entwickelt werden, daß die bäuerlichen Betriebe nicht in ihrer Existenz gefährdet werden. Das war das agrarpolitische Ziel der FDP in der Regierungsverantwortung, auch, meine Damen und Herren, als wir den Finanzminister stellten. Es bleibt genauso unser Ziel in der Opposition.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512822700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Röhner.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0512822800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat gestern bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 1968 und des Finanzänderungsgesetzes 1967 der Landwirtschaft in seiner auch sehr quantitativen Rede einen eigenen umfangreichen Abschnitt gewidmet; und ich möchte sagen, aus gutem Grund. Denn ich bin der Meinung, daß gerade bei solchen Gesetzesvorlagen, wie eine mittelfristige Finanzplanung und wie ein beabsichtigtes Gesetzgebungswerk Finanzänderungsgesetz-Steueränderungsgesetz sie darstellen, einmal mehr und vielleicht auch deutlicher die gesamtwirtschaftliche Bedeutung eben dieser Landwirtschaft sichtbar wird. Zum anderen kann man nicht übersehen, daß diese Landwirtschaft gerade in der jetzigen Zeit — darauf hat der Herr Bundesfinanzminister mehrfach ausdrücklich hingewiesen — ihre besonderen und, ich möchte sagen, ihre zusätzlichen Probleme hat.
Diese besonderen und zusätzlichen Probleme resultieren für mich erstens daraus, daß unsere Landwirtschaft — ich möchte das heute aussprechen — in den letzten fünfzehn Jahren verstärkt mit der Frage einer Integration in eine moderne Industriegesellschaft konfrontiert ist. Sie resultieren aber auch daraus — das kommt zu diesem Problem noch hinzu —, daß die gleiche Landwirtschaft durch die EWG zusätzlich und beschleunigt in einen außerordentlich verschärften Wettbewerb hineingestellt worden ist. Und vielleicht noch ein Drittes: Diese Umstellungsphasen übersteigen im letzten die eigenen Kräfte dieser Landwirtschaft. Nicht zuletzt ist es eine zusätzliche Belastung, daß sie auch noch in eine Zeit der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession fallen.
Ich stimme deshalb mit dem Herrn Bundesfinanzminister voll und ganz überein, wenn er in Anbetracht dieser Situation eine Überprüfung der bisherigen Konzeptionen als unausweichlich bezeichnet.
Wenn Herr Kollege Peters soeben kritisierte, daß der Herr Bundesfinanzminister wohl neue Konzeptionen, ein neues Überdenken und Überprüfen und Überlegen gefordert habe, ohne aber bereits konkrete Pläne auf den Tisch des Hauses zu legen, so möchte ich dazu sagen: Es ist doch nicht zuletzt eine erste und wichtigste, ich möchte fast sagen, die vornehmste Pflicht und Aufgabe auch dieses Hauses, an dieser Konzeption mitzuarbeiten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Wochen verstärkt alle diese
Vorgänge gründlich überdenken müssen, wir werden uns zu neuen Schwerpunktbildungen durchringen müssen und werden uns auch dazu bringen müssen — lassen Sie mich das in aller Klarheit aussprechen, es ist meine Überzeugung —, daß wir dabei auch das eine oder andere, das wir geschaffen und durchgeführt haben, daß in der Vergangenheit richtig war und das wir in der Zwischenzeit mehr oder weniger lieb gewonnen haben, in dieser Hinsicht überprüfen, daß wir es umstellen oder daß wir auch darauf verzichten. Ich bin der Meinung, daß nur auf diese Weise auch über neue Maßnahmen, über neue Konzeptionen das Ziel erreicht werden kann, eine existenzgesicherte Landwirtschaft in ihrer ganzen notwendigen Vielfalt, zu der ich mich ausdrücklich bekenne, zu erhalten und sie aus der Position des „vielgeschmähten Subventionsempfängers" — Herr Bundesfinanzminister, daß Sie dieses Wort in diesem Sinne gebraucht haben, dafür bin ich Ihnen besonders dankbar — einmal herauszubringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich nun etwas konkreter auf die geplanten Gesetzesänderungen eingehen, die in den vorliegenden Gesetzentwürfen enthalten sind und über die das Hohe Haus zu beraten und zu beschließen hat.
Ich möchte zunächst ein kurzes Wort zu dem Art. 6 des Finanzänderungsgesetzes sagen. Hier sieht bekanntlich die Regierungsvorlage vor, daß der Beitrag zu den Landwirtschaftlichen Alterskassen von bisher 20 DM in den nächsten vier Jahren der mittelfristigen Finanzplanung jährlich um 2 DM, also bis zum Jahre 1971 insgesamt um 8 DM erhöht wird. Das bedeutet — und ich glaube, um des Zusammenhanges willen muß das ausgesprochen werden —, daß seit der Schaffung dieses Gesetzes zum 1. Oktober 1957 bis zum Jahre 1971 eine Beitragssteigerung von dem Ausgangspunkt von 10 DM auf 28 DM erfolgen würde. Das bedeutet aber auch, wenn man einen kürzeren Zeitraum nimmt, nämlich den Zeitraum von 1966 — die letzte Beitragsänderung wurde bekanntlich durch das Finanzplanungsgesetz vom Dezember 1966 beschlossen — bis 1971, immerhin eine Beitragssteigerung von 16 DM je Monat und Betrieb auf 28 DM. Wir haben in den Vorbesprechungen die Zahlen, die diesem Gesetzesantrag zugrunde liegen, eingehend überprüft, und meine Freunde und ich sind zu der Meinung gekommen, daß es in den Ausschüssen einer nochmaligen Überprüfung bedarf, ob es nicht — und es spricht sehr vieles dafür — möglich sein wird, diese beabsichtigte Beitragssteigerung von viermal 2 DM auf zweimal 2 DM zu reduzieren. Darüber ist noch entsprechend zu beraten und zu befinden.
Ein Zweites möchte nch kurz ansprechen: Der Art. 11 des Finanzänderungsgesetzes sieht im Zusammenhang mit dem EWG-Anpassungsgesetz vor, daß die gesamten restlichen Mittel aus dem EWG-Anpassungsgesetz auch für die zurückliegende Zeit in Höhe von viermal 260 Millionen DM aufgehoben werden sollen. Auch hierzu ein paar kurze grundsätzliche Bemerkungen!. Zunächst darf ich erwähnen, welche Gründe damals zu dem EWG-Anpassungsge-



Röhner
setz geführt haben. Ein Grund für die Schaffung dieses Gesetzes war einmal, daß eine vorzeitige Vereinheitlichung des europäischen Getreidepreises im Herbst 1964 beschlossen worden ist, zum zweiten, daß die im Vertrag von Rom vorgesehene Übergangszeit zum Gemeinsamen Markt erheblich, nämlich um zweieinhalb Jahre, verkürzt worden ist. Das waren die wesentlichen Gründe für dieses EWG-Anpassungsgesetz.
Die Folgen, die sich aus dieser Ausgangsposition für unsere Landwirtschaft und für die einzelnen Betriebe ergaben und auch heute noch ergeben — sie bestehen unverändert —, sind, daß unsere landwirtschaftlichen Betriebe einmal gerade dadurch zu einem beschleunigten Tempo bei den Investitionen gezwungen worden sind und ,daß sie zum zweiten auch hinsichtlich des Umfangs ihrer Investitionen stärker einsteigen mußten, als es dem einen oder anderen Betrieb oder ganzen landwirtschaftlichen Betriebsgruppen letztlich bekommt.
Zu all diesen Gegebenheiten kommen auch die anderen sattsam bekannten Probleme unserer Landwirtschaft, die sich bei einem verstärkten europäischen Wettbewerb natürlich auch verstärkt auswirken. Ich meine das jährliche Ernterisiko ebenso wie das jährliche Preisrisiko, das unsere landwirtschaftlichen Betriebe zu tragen und zu ertragen haben.
Ich stehe nicht an, hier festzustellen, daß bei einer ersatzlosen Streichung dieser EWG-Anpassungshilfen die Situation in unserer Landwirtschaft und für unsere landwirtschaftlichen Betriebe zweifellos verschärft wird. Damit würde aber das letzte Ziel des EWG-Anpassungsgesetzes nicht erreicht werden, zumal eine Harmonisierung der Kosten im EWG-Bereich nach wie vor nicht gegeben ist. Ich darf nur summarisch feststellen, daß die Kosten in den Landwirtschaften der einzelnen Partnerstaaten zum Teil bis zu 20 % niedriger liegen. Im Hinblick auf die derzeitige Preisentwicklung im gesamten landwirtschaftlichen Bereich darf ich darauf hinweisen, daß der Ausgleich der Preisauswirkungen und der Preissenkungen noch nicht erreicht ist.
Ich wollte diese Dinge kurz erwähnen, um damit aufzuzeigen, daß 'die Landwirtschaft tatsächlich arg betroffen ist, wenn es zur Annahme dieses Gesetzes kommt. Diese Tatsache sollte für dieses Hohe Haus Anlaß sein, bei den weiteren Beratungen nach Möglichkeiten und einem Weg zu suchen, um eventuell über langfristige günstige Darlehen ohne zusätzliche Belastung des Haushalts zu einem Strukturverbesserungs- und vielleicht auch zu einem Marktstrukturprogramm zu kommen.
Es wäre verlockend, hier auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Peters einzugehen, die er im Zusammenhang mit Äußerungen des Bundeslandwirtschaftsministers Höcherl machte, mit denen 'dieser in der gestrigen Fragestunde zu Erklärungen des Herrn EWG-Vizepräsidenten Mansholt vom 16. dieses Monats Stellung nahm. Herr Kollege Peters, ich habe den Herrn Bundeslandwirtschaftsminister — ich möchte annehmen, die Mehrheit dieses Hauses ebenso — ganz anders verstanden, als Sie ihn hier zu interpretieren versuchten. Ich glaube, es muß um der Wahrheit willen in diesem Zusammenhang gesagt werden, daß der Vertreter der Bundesregierung in Brüssel unmittelbar nach den Mansholtschen Äußerungen klar und ganz eindeutig darauf hingewiesen hat, daß diese Mansholtschen Vorstellungen praktisch einen Sprung vom 19. in das 21. Jahrhundert, .d. h. einen unzumutbaren Sprung, bedeuten würden. Ich glaube, mich sehr gut erinnern zu können, rdaß in der Fragestunde Herr Bundesminister Höcherl bei der Beantwortung meiner letzten Frage ebenso klar und eindeutig herausgestellt hat, daß für ihn neben den Mitteln der Strukturpolitik, vor allem aber den Mitteln einer Marktstrukturpolitik, die anderen Instrumente der Preispolitik nach wie vor ihren Platz haben wenden. Ich glaube, das muß in diesem Zusammenhang festgestellt werden.
Lassen Sie mich noch kurz auf einen letzten Punkt eingehen, der durch die Gesetzesvorlage berührt wird und der die Landwirtschaft betrifft. Ich meine den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Gasölverbilligung. Die Regierungsvorlage, die dem Hohen Hause vorliegt, bedeutet in meinen Augen einen eindeutigen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustand. Für mich liegt dieser Fortschritt darin, daß nach Annahme des Gesetzentwurfs bei Dieselkraftstoff ein Rechtsanspruch auf die gesamte Verbilligungssumme besteht. Einen weiteren Vorteil sehe ich darin, daß die Landwirtschaft dann nicht mehr gezwungen sein wird, die anstehenden Betriebsmittel über ein Jahr vorzufinanzieren. Nicht zuletzt sehe ich einen Fortschritt auch darin, daß die Verbilligungsquote gegenüber dem letztjährigen Verbilligungssatz etwas aufgestockt werden konnte.
Sicherlich hätte ich es lieber gesehen, wenn eine andere, noch etwas weitergehende Lösung heute schon möglich wäre. Ich möchte bitten, dieses Ziel auch weiterhin im Auge zu behalten, nämlich eine Lösung, die darauf hinausläuft, daß der Direktbezug nicht mehr über ein Verbilligungsscheinverfahren, sondern nach einer Denaturierung in der Weise möglich ist, daß auch die jährlichen Verbilligungssummen nicht mehr im Haushalt eingestellt werden müssen. Genauso also, wie es beim Heizöl seit eh und je der Fall ist, weil — aber nicht nur deshalb — damit von der Optik her der Ruch des Subventionsempfängers abgemildert bzw. in diesem Punkt nach meinem Dafürhalten beseitigt werden könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512822900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Peters?

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0512823000
Ja, bitte!

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0512823100
Herr Kollege Röhner, Sie halten es doch gewiß nicht für eine Vergünstigung, wenn die Landwirtschaft vier Monate keinerlei Verbilligung bekommt. Aber würden Sie nicht den FDP-Gesetzentwurf für günstiger halten, der Färbung vorsieht? Ist das für die Landwirtschaft nicht noch günstiger?

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0512823200
Herr Kollege Peters, gestatten Sie doch, wenn Sie Zwischenfragen stellen, die



Röhner
Empfehlung, meine vorausgegangenen Ausführungen aufzunehmen und zu verwerten.

(Beifall in der Mitte.)

Ich habe soeben klar und deutlich festgestellt: es sollte nicht für alle Zukunft ausgeschlossen sein, daß eine weitere Verbesserung über eine Denaturierung bei der Gasölverbilligung mit im Gespräch bleibt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512823300
Herr Abgeordneter Röhner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ertl?

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0512823400
Sehr gern!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512823500
Herr Kollege Röhner, ich darf Sie nach Ihren jetzigen Ausführungen fragen, ob Sie sich nachdrücklich für die Annahme des FDP-Entwurfs einsetzen werden.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0512823600
Herr Kollege Ertl, ich bin der Meinung: Alles zu der Zeit — und das ist Politik —, wo es möglich ist!

(Beifall in der Mitte.)

Wenn wir mit der Annahme des Gesetzentwurfs zum jetzigen Zeitpunkt einen echten Fortschritt erzielen, dann sind wir froh und dankbar. Wir werden das weitergehende Ziel, so es uns nützlich und förderlich erscheint, deshalb trotzdem nicht aus dem Auge verlieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich zum Abschluß nun noch einmal die Brücke zu meinen Eingangsworten schlagen. Ich erwähnte eingangs die sehr grundsätzlichen Probleme, die die heutige Lage der Landwirtschaft bestimmen, ohne damit einen vollständigen Katalog aufgestellt zu haben. Ich bin nicht auf Einzelheiten eingegangen. Wenn ich das hätte tun wollen, hätte ich auch — Bezug nehmend auf die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers bei seiner Einführungsrede — das Überschußproblem in der Landwirtschaft anschneiden müssen. Ich hätte hier auch darauf hinweisen müssen, daß es nach wie vor einfach fraglich ist, ob über einen niedrigeren Preis die Produktion — zumindest vorübergehend — nicht erst recht angereizt wird oder ob es nicht doch bei einem ausgeglicheneren Preis auch hinsichtlich des Produktionsvolumens geordnetere Verhältnisse gäbe.
Auf diese Dinge konnte und wollte ich nicht eingehen. Aber lassen Sie mich noch folgenden Gedanken aussprechen. Ich bin der Meinung — das gehört mit in den Rahmen einer solchen Debatte —, daß unsere Landwirtschaft und unsere landwirtschaftliche Bevölkerung wie 'in der vergangenen Zeit auch zum jetzigen Zeitpunkt sehr wohl weiß, daß und wie sie sich anzupassen und in die Gesamtentwicklung, in das Volksganze und auch in die gesamte Wirtschaft einzufügen hat. Ich glaube, daß es auch in der jüngeren Zeit dafür hinreichende und durchschlagende Beweise gegeben hat. Es sei nur daran erinnert, daß die Landwirtschaft zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, obwohl sie von vornherein wußte, wie sie bei der Bildung dieser Gemeinschaft betroffen sein würde, aus politischen Gründen ein volles Ja gesagt, aber auch in der Erwartung, daß die daraus resultierenden Lasten angemessen verteilt werden.
Ich bin der Überzeugung — auch das möchte ich noch kurz erwähnen —, daß unsere Landwirtschaft sehr wohl bereit ist, im Rahmen des ihr Zumutbaren und des Möglichen und auch in Anbetracht der heutigen rezessiven Wirtschaftslage einen Beitrag zu leisten, damit die Dinge wieder in Ordnung kommen, einfach deshalb, weil die Landwirtschaft weiß, daß sie die optimalen Lebens- und Existenzbedingungen zuvörderst in einer stabilisierten Gesamtwirtschaft haben wird. Weil unsere Landwirtschaft diese Einstellung hat, verdient sie es um so mehr, daß ihre Sorgen und bedeutenden Probleme mit dem ihnen zukommenden Ernst beraten und geprüft werden — mit dem Ziel, daß wir auch in Zukunft viele existenzgesicherte landwirtschaftliche Betriebe als integrierten Bestandteil unserer Gesamtwirtschaft erhalten können.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512823700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0512823800
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede die finanzpolitischen Entscheidungen in den Dienst der gesetzespolitischen Zielsetzungen gestellt, Ziele, von denen er sagte, daß von deren Erreichung das künftige Leben der Gesamtheit unseres Volkes abhängt. Im Hinblick auf dieses Motto war es dann auch nicht verwunderlich, daß Sie, Herr Bundesminister, einen beträchtlichen Teil Ihrer Ausführungen den Problemen der Agrarwirtschaft zugewandt haben. Immer wird deutlicher, daß der Anpassungs- und Umstellungsprozeß der deutschen Landwirtschaft eines unserer großen Strukturprobleme überhaupt darstellt. Ähnlich aber wie beim Steinkohlenbergbau sind in der Vergangenheit entscheidende Fehler gemacht worden. Ich will darauf verzichten, sie hier darzustellen.
Aber ich muß in diesem Gesamtzusammenhang auf die Grenzen aufmerksam machen. Strukturpolitik kann hier nicht einseitig Wirtschaftspolitik sein, sondern die weitreichenden Fragen der Regional-und Sozialpolitik setzen Leitplanken, die den arbeitenden Menschen im Mittelpunkt des Wirtschaftsgeschehens hervorheben. Agrarpolitische Entscheidungen müssen gesellschaftliche Zielvorstellungen über die Entwicklung des gesamten ländlichen Raumes beinhalten. Soweit diese Bemerkungen vorweg.
Angesichts der Tatsache, daß wir Mitte November eine ausführliche Agrardebatte haben werden, will ich mich an dieser Stelle nur zu den Fragen der mittelfristigen Finanzplanung und dem vorgelegten Haushaltsentwurf äußern. Diese Fragen sind durch folgende Faktoren gekennzeichnet: erstens durch



Dr. Schmidt (Gellersen)

eine sehr starke Ausweitung der Mittel für die EWG-Agrarpolitik; diese Ausgaben — das muß auch hier immer wieder ganz deutlich gesagt werden — kommen der deutschen Landwirtschaft nur zu einem Teil zugute, zweitens durch eine Zurücknahme politischer Zusagen aus den kalten Dezembertagen des Jahres 1964, die das Parlament sogar in Form eines Gesetzes bestätigt hat. Wie dieses Gesetz zustande gekommen ist, darüber will ich mich nicht verbreiten. Ich möchte aber nicht den Hinweis unterlassen, daß das EWG-Anpassungsgesetz hier in diesem Hause verabschiedet worden ist, nachdem die Regierung erklärt hatte, es sei erfüllbar. Das alles sind wahrlich harte Brocken auf der steinigen Straße, die für die deutschen Landwirte in den Gemeinsamen Markt führt. Auf dieser Straße — das muß hinzugefügt werden — gibt es kein Zurück mehr. Aber die gesellschaftspolitische Landschaft, durch die sie führt, muß noch durch Festlegungen und Entscheidungen bestimmt werden; darin stimme ich dem Bundesfinanzminister zu. Drittens ist festzustellen, daß die mittelfristige Finanzplanung und der Haushaltsentwurf für den Bereich der Strukturpolitik empfindliche Kürzungen vorsehen. Wenn man die Zusammenhänge kennt, weiß man, daß das wohl zwangsläufig war. Die Abstriche — das muß ich Herrn Peters bestätigen — erreichen fast eine halbe Milliarde, wenn man noch zu den Absätzen für das laufende Jahr 1967 auch die Mittel des Investitionsprogramms hinzuzählt.
Mit diesen drei Feststellungen möchte ich kein grünes Klagelied anstimmen und auch nicht jetzt schon irgendwelche Änderungsanträge zu einzelnen Positionen begründen, — keineswegs. Dennoch erscheint es notwendig, darauf hinzuweisen, in welche Schwierigkeiten die Haushaltspraxis der Vergangenheit — und das gerade unter Herrn Starke und Herrn Dahlgrün — auch die Agrarpolitik gebracht hat, und das ausgerechnet in einer für die Landwirtschaft sehr kritischen Phase der europäischen Integration.

(Beifall bei der SDP.)

Ich hätte es für gut befunden, wenn der Herr Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede dazu einige Worte gesagt hätte. Ich verstehe das schon. Aber es wäre gut gewesen.
Es wäre auch sicher, Herr Bundesminister, kein Fehler gewesen, wenn Sie auf das anrüchige Wort von der Landwirtschaft als dem Subventionsempfänger verzichtet hätten. Solche sicher doch einseitigen Bemerkungen schaffen nur weiteren Ärger und tragen nicht zum ländlichen Frieden bei.
Ich stimme der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers zu, daß es unausweichlich geworden ist, die bisherige agrarpolitische Konzeption zu überprüfen. Damit sind wir bereits beschäftigt; denn — und diese Feststellung ist fast überflüssig — die Haushaltslage und die EWG-Politik lassen uns gar keine andere Wahl. Wir haben das wiederholt hier in diesem Hause und an dieser Stelle in den letzten Jahren gesagt. Wir erwarten, daß die Bundesregierung unsere Bemühungen unterstützt, und wir hoffen, daß die Bundesregierung in der Lage ist, uns in absehbarer Zeit einige jener Vorlagen zuzuleiten, von denen in der Grünen-Plan-Debatte im März hier in diesem Hause die Rede war.
Ich bin mit dem Bundesfinanzminister auch der Meinung, daß die EWG-Agrarfinanzierung für die Finanzplanung und den Bundeshaushalt erhebliche Risiken enthalten. Über einige dieser Risiken wird im Zusammenhang mit der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Milchpolitik zu sprechen sein. Es wäre vielleicht nützlich, Herr Bundesminister, wenn Sie sich dann als Zuhörer beteiligen könnten. Dann würden Sie nämlich feststellen, daß die Sache mit dem Butterberg nicht ganz so einfach ist, wie Sie es dargestellt haben. Sie ist nämlich viel, viel weitschichtiger und schwieriger.
Vom Regierungsentwurf Einzelplan 10 wird man nicht unbedingt sagen können, er sei so gut, daß man ihn nicht verbessern könnte. Grundsätzlich ist jedenfalls zu begrüßen, daß die Bundesregierung auf die Aufteilung in einen Normaletat, einen Grünen Plan und eine EWG-Anpassungshilfe verzichtet hat. Das erleichtert die Übersicht und erspart unfruchtbare Diskussionen. Es ist zu hoffen, daß bei der Vorlage des nächsten Grünen Berichts auch darauf verzichtet wird, alle möglichen und unmöglichen Haushaltspositionen zu addieren; denn diese Methode hat doch dazu geführt, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, die Landwirtschaft sei der Subventionsempfänger schlechthin, und dagegen wende ich mich.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir ganz unbegreiflich, Herr Bundesminister, wieso eigentlich in einer Tabelle des Einzelplans 10 auf Seite 30 die Rückerstattung von Abgaben auf Gasöl als Maßnahme zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung bezeichnet wird. Dazu ist doch festzustellen, daß in allen EWG-Ländern der Treibstoff für landwirtschaftliche Maschinen entweder völlig von Abgaben befreit oder zumindest steuerbegünstigt ist.

(Abg. Ertl: Sehr richtig!)

In keinem Land der EWG, Herr Bundesminister, wird dieser Steuerverzicht des Staates im Agraretat als Ausgabe verbucht,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

und nirgendwo wird der Öffentlichkeit erzählt, das sei eine Einkommenssubvention.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn auch die Bundesregierung darauf verzichten könnte, Herr Bundesminister, würden wir uns und Sie sich manchen Ärger ersparen.
Herr Minister Strauß hat in seiner Rede das Gasölverbilligungsgesetz verteidigt. Das verstehe ich. Wir begrüßen, Herr Bundesminister, die Umstellung des Verfahrens. Aber ich möchte doch ausdrücklich hinzufügen, daß dieses Thema noch einer eingehenden Erörterung in den beiden dafür zuständigen Ausschüssen bedarf. In der vorliegenden Form, so könnte man meinen, erscheint der Entwurf . noch korrekturbedürftig.
Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung über das Verbuchen der Mittel für die EWG-Agrarfinanzierung. Soweit es sich um Marktordnungsausgaben



Dr. Schmidt (Gellersen)

handelt, stehen sie im Einzelplan 10. Die gleichen Ausgaben tauchen dann noch einmal auf, und zwar einige Jahre später im Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung — als Teil des deutschen Beitrags zum europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds. Die Einnahmen aus diesem Fonds sind aber nur einmal verbucht, nämlich im Einzelplan 60. Daß das optisch ein falsches Bild ergibt, ist wohl nicht zu bezweifeln. Dazu kommt noch, daß die Zahlungen an den Fonds als Ausgaben bezeichnet werden und die Ansprüche an den Fonds als Einnahmen, obwohl es sich bei diesem EWG-Fonds nicht um eine Kasse handelt, sondern um eine Clearing-Stelle, die nur Salden verrechnet. Nur das jeweilige Saldo belastet den deutschen Haushalt, und dieses Saldo entspricht ungefähr jener Summe, die wir zur Finanzierung der Agrarpolitik in anderen Ländern ausgeben müssen.
Meine Damen und Herren, ich kenne die Bedenken der Haushaltssachverständigen. Wir haben sie gehört. Ich kenne den Hinweis auf die „greisenhafte" Reichshaushaltsordnung, aber die Vermischung von neuem EWG-Recht mit diesen alten Zöpfen im Haushaltsrecht wird, auf die Dauer gesehen, unerträglich.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Ich meine, bei gutem Willen sollte es den Haushaltsexperten in diesem Hause und in der Regierung möglich sein, vernüftige Lösungen zu finden.
Ich bitte diese Bemerkung nicht als Vorwurf aufzufassen, Herr Bundesminister. Niemand wird ernsthaft in Zweifel ziehen, daß sich das Bundesfinanzministerium streng an die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung gehalten hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512823900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0512824000
Herr Kollege, weil Sie soeben von den alten Zöpfen der Reichshaushaltsordnung gesprochen haben, möchte ich Sie Fragen: Ist Ihnen bekannt, daß die Vorarbeiten zu einer Haushaltsrechtsreform kurz vor dem Abschluß stehen und wir demnächst mit der Vorlage einer neuen Bundeshaushaltsordnung rechnen können?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0512824100
Das ist mir natürlich nicht bekannt. Ich danke Ihnen aber für den Hinweis. Ich nehme das mit Befriedigung zur Kenntnis.
Allerdings glaube ich nicht, daß es einen Verstoß gegen diese Ordnung bedeuten würde, wenn man sich entschließen könnte — und jetzt kommt mein positiver Vorschlag —, alle Ausgaben und Einnahmen, die im Zusammenhang mit den europäischen Gemeinschaften stehen, in einem besonderen Einzelplan zusammenzufassen. Einige Freunde haben einen entsprechenden Antrag anläßlich der letzten Debatte gestellt; er liegt noch im Ausschuß. Das würde den Bund nicht einen einzigen Pfennig mehr kosten. Damit könnte aber deutlich gemacht werden, was uns die Agrarpolitik kostet in Gestalt
von erstens Maßnahmen in nationaler Zuständigkeit, zweitens Marktordnungsmaßnahmen auf Grund von EWG-Beschlüssen und drittens Zahlungen zugunsten der Partnerländer. Ich bitte um Verzeihung, meine Damen und Herren, wenn ich in dieser Frage so hartnäckig bin und nach wie vor am Mann bleibe.
Die finanziellen Risiken der EWG-Agrarpolitik, von denen der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat, hängen auf jeden Fall, Herr Minister, nicht allein von der Preispolitik ab. Sicher ist das ein wichtiger Punkt, aber das ganze Grundkonzept der europäischen Agrarpolitik hat nicht minder Verantwortung dafür. Wenn man die Dinge bei Licht betrachtet, dann kommt man nicht daran vorbei, festzustellen, daß für vier Partnerländer die Bilanz der Beiträge und Ansprüche ungefähr ausgeglichen ist, während ein Land per Saldo nur kassiert und das letzte Land, die Bundesrepublik, per Saldo nur bezahlt. Die Beträge, um die es sich dabei handelt, liegen in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM und mehr, die wir für die Agrarpolitik in den anderen Ländern bezahlen.
Das geht auf politische, nicht auf agrarpolitische Entscheidungen zurück. Mit diesen politischen Entscheidungen habe ich mich an dieser Stelle nicht zu beschäftigen. Es erscheint mir aber notwendig, darauf hinzuweisen, daß bei einer derart ungleichen Lastenverteilung die permanente Versuchung besteht, in Brüssel Agrarpolitik auf unsere Kosten zu treiben. Die letzten Agrarministersitzungen haben das wieder deutlich gemacht. Nach Lage der Dinge — so möchte ich meinen — wird sich das kaum ändern lassen. Dieses Risiko wird sich in absehbarer Zeit kaum beseitigen lassen. Ich bin aber der Meinung, daß die Bundesregierung den Versuch machen muß, dieses Risiko zu mindern. Ich könnte mir vorstellen, daß der Herr Bundesfinanzminister ein besonderes Interesse dafür aufbringt. Sie wissen, daß die Entscheidungen dafür allein in Brüssel fallen. Wenn der Herr Finanzminister seinen Kollegen Höcherl in bayerischer Offenheit darum fragte, so könnte dieser ihm sicher ein EWG-Preislied singen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512824200
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0512824300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion möchte ich einige Bemerkungen zu Art. 13 des Finanzänderungsgesetzes machen. Der Bundespost wird durch die hier vorgesehene Maßnahme ab 1968 jährlich eine finanzielle Belastung von 300 Millionen DM aufgebürdet. Außerdem wird die Befreiung von politischen Lasten in Höhe von 140 Millionen DM, die vor zwei Jahren mit der Bundesregierung vereinbart war, wieder zurückgezogen. Dies bedeutet also eine künftige zusätzliche Belastung der Bundespost in Höhe von jährlich insgesamt 440 Millionen DM.
Bei allem Verständnis dafür, daß die Bundesregierung bei ihrem Suchen nach Geld dort zugreift,



Dr. Miessner
wo sie glaubt, etwas holen zu können, muß doch hier sehr eindringlich davor gewarnt werden, aus dem Gewinn des Jahres 1966 bei der Deutschen Bundespost in Höhe von 284,5 Millionen DM falsche Schlüsse zu ziehen. Dieser Gewinn konnte nämlich nur erzielt werden, weil nach den Gebührenerhöhungen in den vorangegangenen Jahren sowohl auf dem postalischen Sektor als auch auf dem Fernmeldesektor die Einnahmenseite entscheidend erhöht wurde, andererseits die Ausgabenseite ziemlich stabil geblieben ist. Das Verwunderliche an dieser neuerlichen Belastung ist, daß damit der vor zwei Jahren beschrittene Weg der finanziellen Sanierung der Bundespost wieder verlassen wird.
In Übereinstimmung mit dem Gutachten der Sachverständigenkommissionen sind damals zwei Maßnahmen als unumgänglich notwendig angesehen worden. Damals waren sich auch alle Beteiligten darüber einig, daß nur beide Wege zusammen zur finanziellen Sanierung der Post führen würden, nämlich einmal die Anpassung der Gebühren an die Kostenentwicklung und ferner die Verstärkung des Eigenkapitals der Bundespost mit dem Ziel, ein gesundes Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital zu erreichen. Die Maßnahmen, die vor zwei Jahren noch in Vereinbarung mit dem damaligen Bundesfinanzminister Dr. Dahlgrün eingeleitet worden waren, haben sich in der Tat in den letzten zwei Jahren durchaus positiv ausgewirkt. Die Post ist im Jahre 1966 nicht nur wieder zu einem kleinen Gewinn gekommen, sondern das bis auf 12 % abgesunkene Eigenkapital der Bundespost ist inzwischen wieder auf 18 % angewachsen. Allerdings ist die Bundespost noch heute mit einem Zinsendienst — ohne Kapitalrückzahlung — von mehr als 500 Millionen jährlich belastet.
Da diese vor zwei Jahren eingeleitete Entwicklung nach Auffassung aller Sachverständigen sich als erfolgreich erwiesen hat, muß es um so bedenklicher erscheinen, wenn man trotzdem von dieser Entwicklung jetzt wieder abgeht und wenn damit die eingeleitete gute Entwicklung jäh abgebrochen wird. Diese Kritik muß hier einmal vorgetragen werden. Ich darf dazu bemerken, daß ich das nicht so sehr als Sprecher der Opposition tue. Ich bin der Überzeugung, daß auch die Sachverständigen in den Reihen der beiden Regierungsparteien die Dinge nicht anders sehen. Ich könnte mir denken, daß sie diese Ausführungen durch eine Wortmeldung vielleicht noch unterstützen. Meine Damen und Herren, es muß schon kritisch angemerkt werden, daß es in der Tat keine gute Sache ist, nach so kurzer Zeit einen bestimmten Weg, den alle in höchster Not, möchte ich sagen, als nicht nur dringend erforderlich, sondern geradezu als den einzigen und letzten Ausweg ansahen, nun wieder zu verlassen. Erschwerend ist, daß die Bundespost nicht nur für ein Jahr, sondern für fünf Jahre ab 1968 mit dieser Belastung belegt werden soll. Das wird zweifellos dazu führen, daß die jetzt begonnene Entwicklung der finanziellen Gesundung ab 1. Januar 1968 nicht nur abgebrochen wird, sondern daß die Tendenz der Eigenkapitalbildung wieder rückläufig sein wird. Nach einigen Jahren sind wir womöglich bei einem geringeren Eigenkapital angekommen, als es vor zwei Jahren war. Damals bei einem Eigenkapital von nur 12 % war die Situation aber schon äußerst bedrohlich.
Meine Damen und Herren, wir warnen davor, diese schlechte Entwicklung, die sich ab 1. Januar 1968 anbahnt, etwa dadurch noch schlechter zu machen, daß man, wie vielleicht geplant ist, zum Ausgleich die Gebühren nochmals erhöht. Hierbei ist anzumerken, daß Raum für weitere Gebührenerhöhungen auch kaum noch gegeben ist, da die Deutsche Bundespost sowohl auf dem postalischen Sektor als auch auf dem Fernmeldesektor an die äußerste Grenze, die im Augenblick wirtschaftlich möglich ist, gegangen ist.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend gestatten Sie mir die Bemerkung: es ist eine schlechte Sache, einen Weg, der sich als gut erwiesen hat, der auch bereits seine guten Auswirkungen gezeigt hat, nun wiederabzubrechen, nur um im Haushalt einige Löcher zu stopfen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512824400
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0512824500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was der Herr Bundesfinanzminister zur Frage der Bereitstellung von Mitteln für die Beamtenbesoldung gesagt hat, hätte keiner weiteren Erörterung in diesem Hause bedurft. Ich kann dem nur zustimmen. Was aber der Herr Kollege Windelen hier zu einer Andeutung des Art. 75 des Grundgesetzes gesagt hat, bedarf, Herr Kollege Windelen, einer bessernden Erläuterung, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Zuruf von der FDP.)

— Entschuldigen Sie, Herr Kollege, in dieser Frage gibt es natürlich Meinungsverschiedenheiten quer durch das Haus, wenn ich z. B. an die Abstimmungen über diese Frage denke, in denen ich mich mit Kollegen Ihrer Fraktion in guter Gemeinschaft befunden habe ebenso wie der Herr Kollege Windelen mit anderen aus der Fraktion der Freien Demokraten. So sollte man das hier nicht sehen und man sollte auch nicht versuchen, hier eine falsche Ebene zu erreichen.
Weil der Bundesgesetzgeber in Besoldungsfragen oft — Herr Kollege Windelen, das wissen Sie —sehr spät gehandelt hat, haben sich die Länder in der Stellenplangestaltung vielfach — das kann man nicht bestreiten — übernommen. Meine Damen und Herren, das hat natürlich zu einer starken Verzerrung des Besoldungsgefüges zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geführt. Es sind die Länder, die ja dann nach der Änderung des Art. 75 gerufen haben. Meine Damen und Herren und Herr Kollege Windelen, darüber bestehen keine Meinungsverschiedenheiten, auch nicht zwischen den Kollegen aus Ihrer Fraktion, daß das Ziel, das mit der Änderung des Art. 75 Nr. 1 des Grundgesetzes erstrebt wird, schon allein durch die unterschiedliche Ämterbewertung von Bund, Ländern und Gemeinden weitgehend wieder hinfällig werden könnte. Das heißt,



Schmitt-Vockenhausen
wir müssen eine Fassung finden, die auch diese Fragen wirksam einschließt. Wir haben zwei Ziele anzusteuern, erstens die Harmonisierung der Besoldung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zweitens die Absicherung einer erreichten Harmonisierung gegen erneute Einbrüche von den Ländern.
Meine Damen und Herren, das ist das, was vor uns liegt, und dazu brauchen wir, Herr Kollege Windelen die zweite Stufe der Besoldungsneuordnung. Wir befinden uns in diesen beiden Grundzielen der Besoldungspolitik wohl auch mit dem Bundesfinanzminister in Übereinstimmung, wenn sie verbunden und nicht einzeln gesehen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512824600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0512824700
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich habe auch nur das Wort ergriffen, um diesen Punkt klarzustellen. Ich glaube, uns allen ist der lange Leidensweg der Harmonisierungsbemühungen bekannt. Ich bin völlig mit Ihnen einer Meinung, daß in früheren Jahren die Länder hier vorgeprellt sind und daß sich daraus natürlich sehr viel Unzufriedenheit ergeben hat, weil es ja Situationen gibt, wo ein Bundesbeamter und ein Landesbeamter in derselben Behörde sitzen und auch vergleichsweise ,dieselbe Arbeit tun. Hier ist es also ungut, wenn dann unterschiedliche Bezahlungen erfolgen.
Der Bundesrechnungshof hat diesen Punkt in seinem Gutachten zur Haushaltsrechnung 1963 auch ausdrücklich angesprochen und hat auf Grund von 'Beispielen nachgewiesen, daß in den Ländern im Vergleich zum Bund die Besoldung, die Einstufung im Stellenkegel besser ist und daß ,damit für ,den Bund sehr schwerwiegende Probleme entstehen. Es wird idem Hohen Hause aber nicht entgangen sein, daß zur Korrektur 'dieser Situation zunächst einmal Stellenhebungen beim Bund in drei Jahresphasen durchgeführt worden sind, wobei pro Jahr eine Vielzahl von Stellen 'gehoben worden ist. Der letzte Akt in dieser Harmonisierung war dann die Ausführung des Ersten Besoldungsneuregelungsgesetzes, wobei ja auch ein ganz dicker Katalog von Tausenden von Stellenhebungen vom Haushaltsausschuß in einem Akt vor kurzem ibeschlossen worden ist.
Das alles ergibt natürlich in dieser kurzen Frist von drei Jahren auf der Seite des Bundes ein Gefüge von ,Stellenhebungen, das zu der Frage Anlaß gibt, wann denn nun endlich hier die Harmonisierung realisiert werden kann. Es war ja so, daß es in früheren Jahren die Länder waren, die einer Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes widersprochen haben. Damals haben sie sich noch sehr stark auf ihre Hoheit auf diesem Gebiet berufen, und erst als die Situation erkennbar war, daß beide Seiten, Bund und Länder, an ;die Grenzen ihrer Möglichkeiten auf 'dem Personalsektor stoßen, haben sich die Länder bereit erklärt, eine solche Harmonisierung durchzusetzen.
Nun aber werden Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, verstehen, wenn von seiten der Mitglieder des Haushaltsausschusses die Frage gestellt wird, wann denn nun diese Harmonisierung durch eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes garantiert werden soll. Diese Sache ist ja wieder aufgenommen worden, als der Bundesrat bei der ersten Lesung ides Haushalts 1968 den Vorschlag machte, einen Ansatz von 724 Millionen DM für Tarif- und Besoldungsverbesserungen um die Summe von 674 Millionen DM zu kürzen. Hier hat die Bundesregierung sofort erklärt, daß sie diesem Votum der Länder nicht folgen wolle, sondern daß sie es für notwendig halte, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung auch eine Anpassung auf dem Tarif- und Beamtenbesoldungssektor durchzuführen. Die Äußerung der Bundesregierung zu diesem Punkte besagt aber ausdrücklich:
Die vorgesehenen 'Maßnahmen werden sich im Rahmen der vom Bund angestrebten Harmonisierung bewegen und setzen eine Verabschiedung des neugefaßten Art. 75 des Grundgesetzes voraus.
Es gibt nun eine Vorlage vom 3. November 1966, die hier in ,diesem Hohen Hause noch zu verabschieden ist. Meine konkrete Frage ist, ob auf Grund dieser Vorlage eine solche Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes möglich ist. Ich gehe noch so weit, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, 'daß ich Ihnen zugestehe, daß diese Änderung in einem Akt mit der letztmaligen Harmonisierungsmaßnahme vollzogen werden soll. Aber dann möchten wir auf jeden Fall die Sicherheit haben, daß dann über die Grundgesetzänderung diese Sache, die ja sicherlich für alle Beteiligten nun allmählich zu einem leidigen Problem geworden ist, bereinigt ist.
Ich nehme an, daß wir uns hier in der Sache einig sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zustimmung des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512824800
Das Wort hat .der Abgeordnete Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0512824900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß eigentlich nicht recht, was es soll, daß jetzt die Frage des Art. 75 plötzlich wieder hochgespielt wird. Die Dinge waren doch längst erledigt, Herr Kollege Windelen und Herr Kollege Althammer. Als der Bundesinnenminister hier, ich glaube, zu Beginn dieser Legislaturperiode vor etwa zwei Jahren, sein Programm für die gesamte Zeit dieses Bundestages vortrug, nämlich in dieser Zeit die Harmonisierung der Besoldung der Bundes- und Länderbeamten und auch unter den Länderbeamten selbst durchzuführen, waren sich doch alle Sprecher dieses Hohen Hauses darin einig, daß die Angelegenheit zu einer wirklich abschließenden Regelung gebracht werden sollte.
Gewiß, damals wurde ein wenig hin- und hergeredet, ob nun die Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes zu Anfang, in der Mitte oder am Schluß der Harmonisierung kommen sollte. Aber im Grun-



Dr. Miessner
de war die Frage am Ende der Debatte in Übereinstimmung mit dem Innenminister dahin ausgestanden, daß der Art. 75 nicht zu Beginn, sondern zusammen mit dem Abschluß der Harmonisierung geändert werden sollte. Darüber ist doch hier im Plenum jedenfalls während der 5. Wahlperiode nie etwas anderes gesagt worden, und mir ist auch nicht bekannt, daß darüber von den Beamten-Verbänden etwas anderes gesagt worden wäre.
Ich meine also, daß es unnötig war, die Debatte von damals hier noch einmal zu führen. Gewiß, Herr Kollege Althammer, ich habe Sie jetzt schon verstanden. Sie sind als Mitglied des Haushaltsausschusses in Sorge, daß das nun auch wirklich eingehalten wird. Sie haben soeben Ihr Mißtrauen zum Ausdruck gebracht, daß etwa noch einmal eine Harmonisierungsstufe kommen würde und das andere nicht. Darum wollen Sie ein Junktim. Aber dazu ist zu sagen: die Dinge sind im Rollen. Darüber herrscht im Grunde Einmütigkeit; das ist keine neue Problematik.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512825000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo hast dein Lederhosn? — Heiterkeit.)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512825100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. h. c. Möller hat mit der ihm eigenen Sachkunde dafür Sorge getragen, daß die neue Regierung insbesondere für sich in Anspruch nehmen kann, die Preisstabilität herbeigeführt zu haben. Auf eine entsprechende Zwischenfrage von mir hat er dann Zweifel an der Sachkunde geäußert, auch wie ich dem Protokoll entnommen habe, unter dem Beifall seiner Fraktionskollegen. Das spricht für deren Sachkunde. Ich darf mir doch einmal erlauben, auf das hinzuweisen, was beispielsweise in der Beurteilung der Wirtschaftslage von der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute im Frühjahr 1967 festgestellt wurde. Dort heißt es:
In der Industrie, die am härtesten von dem Nachfragerückgang betroffen wurde, ist das Preisniveau seit 1966 leicht rückläufig.

(Zurufe von der SPD.)

Ich darf weiter aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank zitieren:
Preise und Löhne: Die Abschwächung der Inlandsnachfrage führte zu weitgehender Preisberuhigung. Nach Jahren anhaltender Preissteigerung sind namentlich die Erzeugerpreise industrieller Produkte ab Mitte 1966 nicht mehr weiter gestiegen.
Ich könnte noch andere Zahlen nennen, beispielsweise aus dem Bericht der Bundesregierung vom April 1967: Erzeugerpreise November 1966 Null beim Indexvergleich von 100. — Kollege Althammer!

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0512825200
Herr Kollege Ertl, können Sie, nachdem Sie jetzt so richtig dargelegt haben, wie sich das Preisniveau beruhigt hat, erklären, warum Ihr Kollege Haas heute in seiner Rede dauernd von der bevorstehenden Inflation gesprochen hat?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512825300
Ich glaube, Kollege Althammer, Sie können dem, was der Kollege Haas gesagt hat, nicht ganz logisch folgen. Wir fürchten in der Tat, daß auf Grund der starken Verschuldung der öffentlichen Hand von den Investitionshaushalten her ein Preis-und Lohnauftrieb erfolgt, der eine inflationistische Tendenz nach sich ziehen kann. Das fürchten wir, und wir werden uns darüber in zwei, drei Jahren, spätestens im Jahre 1972 unterhalten. Fest steht auf jeden Fall — das ist erwiesen —, daß die Preisstabilität schon Mitte 1966 gegeben war.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512825400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Porzner?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512825500
Herr Porzner?

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0512825600
Herr Ertl, ist Ihnen nicht bekannt, daß die zusätzliche Nachfrage nach Krediten durch die öffentliche Hand nicht einmal ein Ersatz für den Ausfall der Kreditnachfrage der privaten Wirtschaft ist? Die öffentliche Hand hat die Lücke, die die private Wirtschaft durch ihre mangelnde Investitionsbereitschaft geschaffen hat, noch nicht ausgefüllt. Sonst wären wir nämlich in der Konjunktur schon viel weiter.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512825700
Herr Kollege Porzner, da stecken gerade mögliche gefährliche Tendenzen drin, wenn nämlich der Staat dort einspringen soll, wo keine echte Nachfrage vorhanden ist. Aber ich möchte diese volkswirtschaftliche Frage jetzt nicht vertiefen. Jedenfalls könnte darin eine inflationistische Gefahr liegen. Das möchte ich hier nur als Antwort feststellen. Fest steht auf jeden Fall — und das sei den sachkundigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses gesagt — Preisstabilität gab es schon Mitte vorigen Jahres, und das war doch während der Regierung Erhard-Mende. Wer heute etwas anderes behauptet, will eine neue Legende schaffen. Ich weiß, daß diese Legende notwendig ist, weil es vielleicht in den eigenen Reihen mit der Vertrauensbasis dieser Koalition ein bissel schwieriger wird. So braucht man neue Legenden. Aber diese Legenden lassen wir nicht durchgehen; darüber müssen Sie sich im klaren sein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512825800
Herr Abgeordneter Ertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthöfer?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512825900
Bitte sehr!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0512826000
Herr Kollege Ertl, ist Ihnen entgangen, daß es nicht so sehr darauf ankommt, nur Preisstabilität herzustellen — das kann jeder



Matthöfer
Narr —, sondern daß es darauf ankommt, Preisstabilität ohne Wachstumsverluste zu bekommen?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512826100
Herr Kollege Matthöfer, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sagen, jeder Narr kann Preisstabilität herbeiführen?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0512826200
Allerdings; jeder wirtschaftspolitische Narr, mit den entsprechenden Wachstumsverlusten.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0512826300
Ich muß Ihnen ganz offen sagen, daß ich in der Wertung der Dinge eine andere Auffassung habe. Aber das sind eben grundsätzliche Unterschiede. Ich bin der Meinung: das Wichtigste ist die Stabilität, und Wachstum um jeden Preis unter Inkaufnehmen einer Inflation ist für das Volk einfach gefährlich, ja ich möchte sogar sagen, nicht nur für die Wirtschaft, sondern für die Politik lebensgefährlich. Das ist der Unterschied; hier stehen wir auf verschiedenen Standpunkten. Sie mögen eben die Stabilität anders einschätzen. Das mag Ihre Sache sein! Fest steht — ich will es hier gar nicht weiter ausführen; das sind Tatsachen, das sind die Fakten —: Stabilität, Preisstabilität war bereits zur Zeit der Regierung Erhard/Mende gegeben.

(Zurufe von der SPD.)

Daher ist ein für allemal erklärt, daß das Krisengerede nicht am Platze war. Es war ein Zweckgerede, um einen Regierungssturz herbeizuführen, damit neue Leute hereinkamen.

(Zurufe von der SPD.)

Nun freuen Sie sich darüber. Aber nun sollen Sie sich auch nicht der Verantwortung entziehen, nun müssen Sie auch die Probleme lösen. Wir werden Sie immer zur Wahrheit und Klarheit zwingen, Sie aber hier nicht mit Legenden operieren lassen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512826400
Ich bin etwas erstaunt; wir haben nur noch einen einzigen Redner. Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Wurbs.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0512826500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Bundesminister hat in seinen gestrigen Ausführungen auch Anmerkungen gemacht, die den Wohnungsbau im einzelnen betreffen. Es geht im wesentlichen um zwei Dinge: erstens um die •Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, zweitens um die Kürzung von Mitteln des Wohngeldes. Ich möchte zu diesen Punkten nur einige kurze grundsätzliche Bemerkungen machen, da die Vorlagen noch eingehender Beratung in den Ausschüssen bedürfen.
Der Herr Bundesminister führte gestern ails, daß es nicht Ziel der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung sein könne, die heutige Produktion zu beleben, sondern vielmehr durch verstärkte öffentliche Investitionen vor allem im Bereich der materiellen und geistigen Infrastruktur die Grundlagen für die Produktion der Zukunft zu schaffen. Diese Aussage trifft in besonderem Maße für den Wohnungsbau als einen Teil der materiellen Infrastruktur zu.
Als Begründung der Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes — es geht hier immerhin um die Verwendung von 150 Millionen DM — wird ausgeführt, daß eine stärkere Konzentration und ein wirkungsvollerer Mitteleinsatz auf die Bedarfsbrennpunkte erreicht werden solle. Mit dieser notwendigen Erkenntnis kommt man einer Forderung meiner Fraktion entgegen. Aber so, wie sie in der Begründung zum Gesetz steht, ist sie ein lapidarer Satz, weiter nichts; denn die Auskunft darüber, nach welchen Erkenntnissen und welchen Arbeitsunterlagen die Mittel künftig wirkungsvoller und konzentrierter eingesetzt werden sollen, fehlt. Wenn man die Gelder wieder nach dem bisherigen Schlüssel verteilen will, ohne Schwerpunkte zu setzen, dann kann von einem gezielten Einsatz der Mittel keine Rede sein. Es scheint mir unerläßlich zu sein, daß die Regierung Ermittlungen, d. h. eingehende Analysen anstellt, um die Gelder sinnvoll einsetzen zu können. Ich warne davor, Wohnungsbaumittel allein aus konjunkturpolitischen Gründen zu mobilisieren, ohne vorher Schwerpunkte festgesetzt zu haben. Ein Vorbeibauen am Bedarf liegt durchaus im Bereich des Möglichen, wenn es nicht schon in manchen Bereichen geschehen ist. Ein Bauen auf Vorrat, gewissermaßen auf Halde, hätte volkswirtschaftlich verheerende Auswirkungen. Eine Situation ähnlich wie bei der Kohle können wir uns in keinem Falle erlauben.
Es erscheint mir notwendig, an dieser Stelle noch einmal festzuhalten, daß die hektischen Jahre des Wiederaufbaus im wesentlichen abgeschlossen sind und daß sich die Verhältnisse in allen Bereichen zu normalisieren beginnen und damit das Wirtschaftswachstum künftig geringere Wachstumsraten aufweisen wird, als das bisher der Fall war. Die Konjunkturabschwächung, die in der Phase des Normalisierungsprozesses einsetzte, wurde durch aufbauschende Meldungen der verschiedensten Stellen noch begünstigt, und zum Teil wurde dadurch eine Krisenpsychose erzeugt. Sie trug dazu bei, daß den Jahren der Überkonjunktur, der Überhitzung eine gewisse Unterkühlung folgte, die zum Rückgang der Nachfrage, der Produktion und der Investitionsneigung führte.
Von den Auswirkungen der Konjunkturabschwächung wurde vor allem die Bauwirtschaft betroffen. Gerade aber die Bauwirtschaft in ihrer Gesamtheit als Schlüsselindustrie und damit als Stabilisierungsfaktor der Gesamtwirtschaft hat ein Recht darauf, zu erfahren, wohin die Reise geht. Kann die Bauwirtschaft auch künftig noch mit einem Wohnungsbauvolumen von etwa 40 % des Gesamtbauaufkommens rechnen, oder werden zwangsläufig Umstellungen und Umschichtungen auf andere Baubereiche eintreten? Es geht hier um die Erhaltung von Existenzen auch mittlerer und kleinerer Betriebe. Die letzten Monate haben gezeigt, und die Zukunft wird es weiter bestätigen, daß gerade die selbständigen Mittelschichten aller Branchen am krisenunempfindlichsten waren. Ich warne davor, erneut einen



künstlichen Boom zu erzeugen, mit allen seinen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Eine Ausweitung der Kapazitäten um jeden Preis wäre verhängnisvoll.

(Abg. Matthöfer: Gesundschrumpfen!)

Die Bauwirtschaft z. B. sollte mit ihren bisherigen Kapazitäten auskommen.
Meines Erachtens ist es die vordringlichste Aufgabe der Regierung, nunmehr eine kontinuierliche Wirtschafts- und Finanzentwicklung einzuleiten. Es ware interessant, gestern von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, zu hören — ich darf zitieren —: „Keine weiteren Manipulationen an der Steuerschraube, keine anderen wirtschaftspolitischen Eingriffe mehr!" Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Großen Koalition ist das eine Botschaft, die wir gern vernehmen, aber erst glauben, wenn danach gehandelt wird. Unternehmerische Entscheidungen können auf lange Sicht nur gefällt werden, wenn der Staat verläßliche Auskünfte über die zukünftige Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik gibt und damit wieder Vertrauen in die Wirtschaft einkehrt. An Ihnen wird es mit liegen, Herr Minister, diese Ihre eigenen Grundsätze durchzusetzen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0512826600
Keine Wortmeldungen mehr. Dann darf ich die Beratungen an diesem Punkt unterbrechen.
Die nächste Sitzung berufe ich auf Donnerstag, den 26. Oktober 1967, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung geschlossen.