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ID0512822300

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    Deutscher Bundestag 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Inhalt: Begrüßung einer Vertretung des dänischen Parlaments unter Führung seines Präsidenten 6444 C Abg. Härzschel tritt in den Bundestag ein 6441 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 6441 A Amtliche Mitteilungen 6441 B Fragestunde (Drucksachen V/2188, V/2206) Frage des Abg. Genscher: Tarifkonflikt der Metallindustrie Nordwürttembergs-Nordbadens Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär- 6441 B Genscher (FDP) . . . . . . . . 6441 C Dr. Staratzke (FDP) 6442 A Matthöfer (SPD) . . . . . . . 6442 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . 6442 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . 6442 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6443 A Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 6443 B Dr. Friderichs (FDP) 6443 C Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 6444 A Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . 6444 B Fragen der Abg. Rawe und Schlager: Verhalten des hessischen Generalstaatsanwalts im Falle der Ausstellung des „Braun-Buches über Kriegs- und Naziverbrecher" Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6444 D Rollmann (CDU/CSU) 6445 A Schlager (CDU/CSU) 6445 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 6446 A Matthöfer (SPD) 6446 B Damm (CDU/CSU) . . .. . . . 6446 C Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 6446 C Lenze (Attendorn) (CDU/CSU) . 6447 A Zoglmann (FDP) 6447 B Genscher (FDP) 6447 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 6447 D Schoettle, Vizepräsident . . . . 6448 A Frage der Abg. Frau Freyh: Verbesserung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6448 A Frau Freyh (SPD) 6448 B Westphal ,(SPD) 6448 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 Fragen der Abg. Frau Renger und Kaffka: Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen Schoettle, Vizepräsident . 6449 A, 6449 B Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 6449 B, 6452 C Frau Renger (SPD) 6449 D Frau Freyh (SPD) - 6450 A Frau Funcke (FDP) 6450 C Dr. Müller (München) (SPD) . . 6451 A Moersch (FDP) 6451 B Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU) 6451 C Frau Eilers (SPD) . . . . . . . 6452 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 6452 A Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 6452 B Fragen der Abg. Frau Eilers: Weibliche Beamte des höheren Dienstes und weibliche Angestellte in vergleichbaren Dienststellungen in den Personalabteilungen der obersten Bundesbehörden Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6453 A Frau Eilers (SPD) . . . . . . 6453 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Feststellung bzw. Verfolgung von Verbrechen an deutschen Soldaten, Kriegsgefangenen und deutschen Vertriebenen Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6453 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6453 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 6454 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Vorschlag der Seliger-Gemeinde zur Bildung einer neutralen Kommission zur Untersuchung des auf deutscher und tschechoslowakischer Seite geschehenen Unrechts Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6454 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6454 C Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Erlaß einer einstweilige Anordnung a) dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen auf Grund des Parteiengesetzes zu erteilen, b) dem Herrn Bundesfinanzminister zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten, c) den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes bereits empfangen haben, nicht zu verfügen — Drucksache V/2190 — 6454 D Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht i . Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Feststellung ,der Vereinbarkeit der §§ 18, 34 und 35 sowie 39 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) 2. Antrag der Deutschen Friedens-Union (DFU) auf Feststellung, daß die §§ 18, 20, 21, 34 und 35 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) verfassungswidrig und nichtig sind 3. Antrag der Europäischen Föderalistischen Partei Deutschlands (Europa-Partei) auf Feststellung, daß § 2 Abs. 2, §§ 5, 18, 25 und 34 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen — Drucksache V/2191 — . . . . . . 6455 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) (Drucksache V/2150) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 (Drucksache V/2149) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Verbilligung von Gasöl für Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verbilligungsgesetz — Landwirtschaft) (Drucksache .V/2194) — Erste Beratung —, mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung (Finanzplanungsrat) (Drucks ache V/2134) und mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 III Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern (Drucksache V/2164) Dichgans (CDU/CSU) zur GO . . . 6455 D Schoettle, Vizepräsident, zur GO . 6456 A, 6456 C Schulte (SPD) zur GO 6456 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . 6457 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 6462 D Windelen (CDU/CSU) 6472 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 6477 C Röhner (CDU/CSU) 6480 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 6482 C Dr. Miessner (FDP) 6484 D, 6486 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6485 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6486 A Ertl (FDP) 6487 A Wurbs (FDP) 6488 B Nächste Sitzung 6489 C Anlage 6491 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 6441 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 27. 10. Dr. Arnold 25. 10. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 25. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Behrendt * 27. 10. Bergmann * 27. 10. Blachstein ** 25. 10. Blumenfeld ** 25. 10. Böhm 3. 11. Dr. Dittrich * 27. 10. Draeger ** 25. 10. Frau Dr. Elsner 27. 10. Dr. Emde 27. 10. Flämig ** 25. 10. Frau Geisendörfer 26. 10. Gerlach* 27. 10. Gibbert 27. 10. Haase (Kellinghusen) 28. 10. Hamacher 27. 10. Dr. Hellige ** 25. 10. Herold ** 25. 10. Hussong 27. 10. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der WEU Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ils 25. 10. Jacobi (Köln) 26. 10. Dr. Jungmann 31. 10. Kahn-Ackermann ** 25. 10. Dr. Kempfler ** 25. 10. Kiep 27. 10. Klinker * 25. 10. Dr. Kopf ** 25. 10. Kriedemann * 26. 10. Kunze 31. 10. Lemmer 25. 10. Lenz (Brühl) 31. 10. Lenze (Attendorn) ** 25. 10. Liehr 10. 11. Dr. von Merkatz 3. 11. Merten 31. 10. Mertes 25. 10. Müller (Aachen-Land) * 27. 10. Paul 27. 10. Pöhler ** 25. 10. Dr. Rutschke ** 25. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 10. Dr. Schulz (Berlin) 30. 11. Dr. Starke (Franken) 25. 10. Steinhoff 27. 10. Strohmayr 26. 10. Stücklen 25. 10. Weimer 25. 10. Frau Dr. Wex 25. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Ertl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege, darf ich Ihrer Frage entnehmen, daß Sie auch den kommenden Bundesbankpräsidenten der sachlichen Unkenntnis geziehen haben? Denn er hat sich ähnlich geäußert wie ich.
    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller '(SPD): Das ist völlig ausgeschlossen. Ich bitte Sie, sich nicht in einem Atemzug mit dem Bundesbankpräsidenten zu nennen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Ich will noch ein offenes Wort hinzusetzen. Ganz gleich, wo man in diesem Hohen Hause steht, wir müssen immer davon ausgehen — ich habe das sehr oft als Sprecher der Opposition gesagt —, daß sich alle Fraktionen in diesem Hohen Hause zum demokratischen Staat und zur demokratischen Grundordnung bekennen. Wir sind gemeinsam daran interessiert, daß die Preisstabilität erhalten bleibt. Wir alle sollten uns zehnmal hüten, das Wort „Inflation" auszusprechen. So oft, wie Sie, Herr Kollege Haas, das Wort „Inflation" in Ihrer heutigen Rede ausgesprochen haben, hört man es draußen kaum. Das ist ein sehr gefährliches Unterfangen. Ich will gar nicht daran erinnern, daß Sie sich auf ein anderes Beispiel beziehen können, nämlich auf ein Fernsehinterview. Aber man braucht nicht alles nachzuahmen.
    Meine Damen und Herren, ich darf nun einige allgemeine Bemerkungen zum Haushalt 1968 machen, ohne dabei auf Einzelheiten einzugehen.
    Auch der Haushalt 1968, der im Entwurf mit 80,7 Milliarden DM abschließt, muß den Aufgaben gerecht werden, die sich aus der Zielsetzung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien ergeben: Sicherung und Arbeitsplätze, der Währung und des wirtschaftlichen Wachstums, Sanierung der Staatsfinanzen sowie Wiedergewinnung der politischen Handlungsfähigkeit im allgemeinen.
    Dem Haushaltsplan des Bundes für 1968 kommt in zweifacher Hinsicht besondere Bedeutung zu: Der Entwurf ist der erste Etat, den die neue Bundesregierung aufgestellt hat und nun dem Parlament vorlegt; er ist zum anderen das erste Glied in der Kette einer mittelfristigen Finanzplanung, die durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ein festes Fundament erhalten hat. Dieser erste mittelfristige Finanzplan kommt den Forderungen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion nach einer Abstimmung von gesamtwirtschaftlicher Entwicklung und mehrjähriger Haushaltspolitik bereits aus dem Jahre 1956 nach, auch wenn er zwangsläufig nicht umgehend zum perfekten Instrument einer koordinierten Wirtschafts- und Finanzpolitik werden kann.
    Die Finanzpolitik wird damit endlich auf neue Grundlagen gestellt. Sie wird von den Zufälligkeiten und Unzulänglichkeiten der bisherigen Einjahreshaushalte befreit und zwingt zu vorausschauendem, koordiniertem Handeln. Das Debakel einer unkontrollierten Ausgabenflut muß der Vergangenheit angehören und darf sich nicht wiederholen!
    Dem in eine mehrjährige Finanzplanung eingebetteten öffentlichen Etat kommt aber auch in steigendem Maße Bedeutung zu als Instrument der Bundesregierung zur Sicherung einer stetig wachsenden Wirtschaft. An diesem Maßstab ist der vor uns liegende Bundeshaushalt 1968 ebenfalls zu messen, der davon ausgeht, daß es der Wirtschaftspolitik bis Anfang 1968 gelingen wird, einen gesicherten Aufschwung in die Wege zu leiten.
    Unter dieser Voraussetzung erscheint der Haushaltsentwurf vertretbar. Konjunkturell gesehen, wird er nicht expansiv wirken. Beim Vergleich des Haushaltsvolumens 1968 mit dem um die beiden Investitionshaushalte erweiterten Soll 1967 ergibt sich eine Ausgabensteigerung von 2,8 v. H. Läßt man bei diesem Vergleich den zweiten Konjunkturhaushalt außer Betracht — und unter dem Gesichtspunkt der mittelfristigen Finanzplanung, die konjunkturelle Schwankungen nicht berücksichtigt, sondern eine Periodenbetrachtung darstellt, muß dieser Vergleich zulässig sein —, ergibt sich eine Zuwachsrate von 4,5 v. H.
    Konjunkturpolitisch ist bei der Bewertung dieser Veränderungsraten allerdings zu berücksichtigen, daß sich die Verwirklichung des zweiten Konjunkturhaushalts bis in das Jahr 1968 hinein erstrecken



    Dr. h. c. Dr.-Ing. B. h. Möller
    wird und deshalb die Steigerung der nachfragewirksamen Ausgaben 1968 gegenüber 1967 nicht genau fixiert werden kann. Es ist nur feststellbar, daß der effektive Zuwachs in 1968 etwas stärker sein wird, als er in der von mir genannten Rate von 2,8 v. H. zum Ausdruck kommt. Bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, in der sich ein neues Wachstum erst anbahnt, kann dieser Umstand nur erwünscht sein.
    Lassen Sie mich einige Ausführungen zur Steuerpolitik machen. Dem Hohen Hause liegt als Ausführungsgesetz zur Einnahmenseite der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Steueränderungsgesetz 1967 vor; die Novelle zum Mehrwertsteuergesetz wurde bereits in der Sondersitzung des Parlaments im September verabschiedet. Aus beiden Steuervorlagen ergeben sich Mehreinnahmen, die mit der Notwendigkeit des Etatausgleichs begründet sind.
    Diese Maßnahmen der Bundesregierung sind auf Kritik in der Öffentlichkeit gestoßen. Das eine Lager der Kritiker fordert höhere Steuerbelastungen, das andere wünscht Steuerentlastungen — beide führen unterschiedliche Motive an. Die Haltung der Sozialdemokraten in der gegebenen Situation ist klar. Der Änderung des Mehrwertsteuergesetzes haben wir aus Gründen der Finanzierungsnotwendigkeit für die flankierenden konjunkturanregenden Maßnahmen zugestimmt, allerdings schweren Herzens.
    Die zweite gewichtige Steueränderung, die Einführung einer Ergänzungsabgabe auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer für einkommenstärkere Schichten, halten wir für sozial gerechtfertigt. Sie trägt dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung und ist das geeignete Instrument, um jetzt in Notzeiten Anwendung zu finden, wenn es darum geht, die nun einmal vorhandenen schweren Lasten möglichst sozial gerecht zu verteilen. Von der Ergänzungsabgabe in der Fassung der Regierungsvorlage, die wir nicht zu ändern beabsichtigen, werden rund 50 000 Körperschaften und ca. 600 000 der über 24 Millionen Einkommensteuerpflichtigen erfaßt.
    Wir halten die auch vom Herrn Kollegen Haas geäußerte Befürchtung, daß die Gewinnerwartungen der Unternehmen und das Konjunkturklima durch die Ergänzungsabgabe beeinträchtigt werden, für sachlich nicht gerechtfertigt, nicht nur, weil den kontraktiven Effekten einer Steuererhöhung durch ein zusätzliches öffentliches Investitionsprogramm entgegengewirkt wird, sondern weil sich die Steuerbelastung in sehr — ich unterstreiche das Wort „sehr" — engen Grenzen hält. Wenn ein Verheirateter bei einem zu versteuernden Einkommen von 32 040 DM im Jahr — da fängt es nämlich erst an — eine Ergänzungsabgabe von 4 DM jährlich zahlt, oder jemand bei einem zu versteuernden Einkommen von 50 000 DM im Jahr eine Ergänzungsabgabe von 374 DM jährlich leistet — „jährlich" muß man immer hinzufügen, denn draußen in den Veranstaltungen meinen die Leute, das sei in einem Monat zu zahlen; deswegen wiederhole ich hier: das sind jährliche Beträge —, dann wird doch niemand ernsthaft über unzumutbare Belastungen der Höherverdienenden klagen können. Das ist meine persönliche Überzeugung.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Wenn wir, meine Damen und Herren, noch einige größere Aufgaben zu lösen haben, dann ist das, wie jeder hier im Hause weiß, nur mit hohen zusätzlichen materiellen Opfern möglich. Man muß wissen, daß irgendwann einmal auch unser Volk nicht nach dem Text des Grundgesetzes gemessen wird, sondern nach dem Inhalt, den wir, wir als Legislative, dem Grundgesetz geben, und danach, inwieweit wir dafür sorgen, daß dieser Staat ein Staat der sozialen Gerechtigkeit wird und insoweit eine echte, großartige politische Alternative zum kommunistischen Imperium bietet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Auch eine Regulierung der Steuerprivilegien im Kreditgewerbe erscheint uns unerläßlich. Ich darf das wiederholen und beziehe mich auf die Hearings und die bisherigen Beratungen des Finanzausschusses. Nach meiner Überzeugung wird es hier zu einer vertretbaren Regelung für alle Teile kommen.
    Nach unseren Berechnungen bleibt, ausgehend von den Daten der mittelfristigen Finanzplanung, trotz dieser Steuerrechtsänderungen die Steuerquote in vertretbarer Höhe, auch im internationalen Vergleich. Die Steuerquote, also der Anteil der gesamten Steuern am Bruttosozialprodukt wird sich von derzeit rund 23,6 vom Hundert bis 1971 auf etwa 24,4 vom Hundert erhöhen und damit das Niveau des Jahres 1962 erreichen. Eine Gefährdung der Selbstfinanzierungsquote und des unternehmerischen Elans in der privaten Wirtschaft ist daher nicht gegeben und sollte auch nicht unterstellt werden.
    In der öffentlichen Diskussion spielt — unbeschadet der konjunkturellen Situation — die Frage nach dem zukünftigen Steuersystem und dem Ausbau der einzelnen Steuerarten im Rahmen der europäischen Steuerharmonisierung eine beachtliche Rolle. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß eine von uns für notwendig gehaltene Steuerreform sorgfältig und gründlich vorbereitet werden muß. Wir legen daher dem Deutschen Bundestag einen Antrag vor, mit dem die Bundesregierung ersucht wird, eine unabhängige Sachverständigenkommission einzusetzen, die den Auftrag hat, zu prüfen, wie sich eine Reform der direkten und der indirekten Steuern verwirklichen läßt, und zwar unter Berücksichtigung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zur Reform der direkten Steuern, aber auch im Hinblick auf die Harmonisierung der Steuern innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Eine solche Ausarbeitung sollte, ähnlich wie das auf dem Gebiet der Finanzreform durch das Troeger-Gutachten mit Erfolg geschehen ist, die Gesetzgebungsarbeit vorbereiten.
    Eine Detaillierung 'der Aufgaben für die Kommission müßte nach Abstimmung über bestimmte politische Daten innerhalb der Bundesregierung er-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    folgen. Zum Beispiel hätte die Bundesregierung über das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern Zielvorstellungen zu entwickeln, die sich unter Umständen erst aus der Abstimmung mit den EWG-Partnern festlegen lassen. Die vorgeschlagene Expertenkommission könnte jedoch damit beginnen, die notwendigen Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Steuern und den verschiedenen Steuerwirkungen in der EWG anzustellen. Nach der Fassung unseres Antrags soll die Kommission ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1969 abschließen. Wir würden damit erreichen, daß unbeschadet der von Bundesfinanzminister Strauß dargestellten Arbeitsüberlastung seines Hauses in dieser Legislaturperiode die Steuerpolitik nicht einfach auf Eis gelegt wird, sondern unter Beobachtung und in Bearbeitung bleibt und der Gesetzgeber dadurch später in der Lage wäre eine Steuerreform zu realisieren, die diese Bezeichnung wirklich verdient.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion legt mit der Drucksache V/2134 dem Deutschen Bundestag außerdem einen Antrag vor, die Bundesregierung zu ersuchen, die Vorbereitungen zur Bildung eines Finanzplanungsrats zu treffen und dem Deutschen Bundestag alsbald einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die Notwendigkeit, Herr Kollege Haas, einer solchen rechtzeitigen und gegenseitigen Abstimmung der längerfristigen Finanzplanungen von Bund, Ländern und Gemeinden mit den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen in einem Gesamtrahmen ist von den Sozialdemokraten während der Koalitionsverhandlungen vergangenen Jahres mit Nachdruck hervorgehoben worden und sowohl von dem Koalitionsgesprächspartner CDU/ CSU als auch von dem Gesprächspartner FDP akzeptiert worden. Der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesfinanzminister haben sich in ,der Zwischenzeit mehrfach öffentlich für die Schaffung eines Finanzplanungsrats ausgesprochen, so auch gestern Herr Kollege Strauß in seiner Rede. Im Bundesrat ist durch das Land Hessen eine derartige Koordinierung aller Ebenen der öffentlichen Finanzwirtschaft als Ergänzung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gefordert worden.
    Unser sozialdemokratischer Antrag legt großes Gewicht auf die Abgrenzung der Zuständigkeit des Finanzplanungsrats zu dem bereits errichteten Konjunkturrat. Insbesondere aus diesem Grunde hält meine Fraktion .ihren Antrag trotz des Vorgehens des Landes Hessen im Bundesrat für erforderlich. Die von uns empfohlene Aufgabenstellung tränt den durch das Grundgesetz gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen Rechnung und beschränkt den Finanznlanungsrat im wesentlichen auf eine beratende Tätigkeit, die aber von hohem Nutzen sein kann.
    Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, der Ausschußüberweisung dieser beiden Anträge zuzustimmen.
    Mit dem Haushalt 1968. dem Finanzänderungsgesetz 1967 und dem Steueränderungsgesetz, in denen sich die mittelfristige Finanzplanung zum erstenmal konkretisiert, treffen wir gesellschaftspolitische Entscheidungen von großer Tragweite.
    Hier werden die Weichen für die weitere gesellschaftspolitische Entwicklung gestellt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist sich dieser Entscheidung und deren Bedeutung für die Zukunft voll bewußt.
    Durch die Einordnung in einen größeren, die übersehbare Zukunft einbeziehenden Zusammenhang wird die Haushaltspolitik — wie auch der Herr Bundesfinanzminister gestern zutreffend vorgetragen hat — wieder zur Finanzpolitik. In der Finanzpolitik aber konkretisieren sich ,die gesellschaftlichen Verhältnisse. So wird der Haushaltsplan wieder zum Schicksalsbuch der Nation.

    (der Staat heute seine Funktionsfähigkeit bis zur Daseinsvorsorge auszudehnen hat. An die Stelle von Einzelmaßnahmen und die Beschäftigung mit haushaltstechnischen Details haben für die verschiedenen Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens ausformulierte Programme zu treten. Erst dann sind Regierung und Parlament in der Lage, in Alternativen zu denken und über sie zu entscheiden. Wir brauchen nicht in erster Linie eine kurzfristige Ausgabenplanung, sondern vor allem eine weitsichtige Programmplanung, aus der sich dann u. a. ergeben wird, ,daß die öffentliche Finanzwirtschaft (die Hauptlast der konjunkturellen Stabilisierung tragen muß, durch mittelbare und unmittelbare Förderung die notwendigen privaten und öffentlichen Investitionen anregt, strukturell benachteiligten Wirtschaftszweigen und Gebieten einen geordneten Anschluß an die Wirtschaftsentwicklung ermöglicht, eine gerechtere Einkommensund Vermögensverteilung mit der sozialen Sicherheit für alle konstruktiv verbindet. Die uns vorliegende mittelfristige Finanzplanung ist nach dem Stabilitätsgesetz eine Planung der Bundesregierung. In ihr spiegeln sich aber selbstverständlich das Kräfteverhältnis und 'der Wille der diese Regierung im Parlament tragenden Mehrheit wider. Die mittelfristige Finanzplanung ist von der Opposition und in der Öffentlichkeit u. a. mit der Bemerkung kritisiert 'worden, sie 'bringe nur Koalitionskompromisse zum Ausdruck. Gestern abend sprach Herr Kollege Mischnick sogar von einem „Umfall der SPD". Ohne die aus der Vergangenheit herrührende Sachkenntnis eines FDP-Kollegen im Umfallen in Zweifel ziehen zu wollen, muß ich aber in diesem Fall erklären, daß es Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, und zwar nicht nur zwischen den Fraktionen der Koalition, sondern auch innerhalb der Fraktionen. Bei dem Umfang und der großen materiellen Tragweite 'der zu beratenden Gesetze dürfte sich 'darüber eigentlich niemand wundern, am 'wenigsten idie, die sich hinsichtlich der Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller früher gemachten und jetzt zu beseitigenden Fehler nicht gerade, Herr Kollege Haas, in Unschuld sonnen können. Im übrigen vollzieht sich die Willensbildung in einem demokratischen Staat in einer Wertung zwischen verschiedenen Rangordnungen, wobei jede politische Kraft ihre Auffassungen, ihr Bild von einer demokratischen Gesellschaft, weitgehend durchzusetzen versucht. Das ist legitim. Dieser unvermeidbare Vorgang unterscheidet eben, meine Herren Freien Demokraten, den demokratischen von einem in 'den Meinungen gleichgeschalteten Staat. Vor bald elf Monaten haben sich CDU/CSU und SPD zur Großen Koalition zusammengefunden. Diese Koalition ist ein politisches Zweckbündnis. Die Einigung auf ein gemeinsames Regierungsprogramm hebt nicht die Eigenständigkeit der sie tragenden politischen Parteien und deren politische Zielsetzungen auf. Infolgedessen wird jede Finanzplanung entsprechend der jeweiligen politischen Konstellation ausfallen. Ich möchte daher nochmals unterstreichen, was ich wiederholt in der Öffentlichkeit gesagt habe, daß die Finanzplanung einer sozialdemokratischen Mehrheitsregierung anders aussehen würde als die Finanzplanung der Großen Koalition und selbstverständlich auch die Finanzplanung einer CDU/CSU-Regierung anders als die jetzt vorliegende. Jede Finanzplanung muß notwendigerweise von nicht wegzudiskutierenden Fakten ausgehen, so z. B. von der wirtschaftlichen Lage, den Zukunftsaussichten und den finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand. Die diesmal vorliegenden Fakten waren für die Fraktionen der Großen Koalition wenig erfreulich. Die desolate Lage der Bundesfinanzen — siehe die ersten drei Seiten der Rede des Herrn Bundesfinanzministers von gestern — und die krisenhafte Entwicklung der Wirtschaft sind — was man nicht vergessen darf — die Ursachen für das Zweckbündnis dieser Großen Koalition. Daran muß sich auch jeder FDP-Redner erinnern, der zu diesen Gesetzen so, wie heute geschehen, Stellung nimmt. Bei einer solchen Vorbelastung ist diese Koalition trotz ihrer großen Mehrheit, die sicher vieles vollbringen kann, aber immer noch kein Zauberstab. Der drückende Umfang der Hypotheken aus der Vergangenheit zwingt die Koalition zu dem Versuch, innerhalb einer mittelfristigen Finanzplanung eine vertretbare Kombination von Möglichem und Zumutbarem zu erreichen. Das geschieht durch Ausgabekürzungen von insgesamt rund 30 Milliarden DM, Einnahmeverbesserungen von insgesamt rund 13,6 Milliarden DM sowie Kreditfinanzierung von insgesamt rund 20,1 Milliarden DM. Wer berücksichtigt, daß diese Koalition einschließlich der beiden Investitionshaushalte in den ersten zehn Monaten ihres. Bestehens innerhalb der Bundesfinanzen rund 20 Milliarden DM bewegt hat — Ausgabeveränderungen, Einnahmeverbesserungen, Gesetzesänderungen mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen — und sich nun in der mittelfristigen Finanzplanung noch mit einer Deckungslücke von rund 64 Milliarden DM auseinandersetzen muß, der kann sich doch nicht wundern, daß bei den verschiedenen denkenden demokratischen Politikern auch verschiedene Auffassungen über die richtigen Wege bestehen. Warum dieser Zustand entstehen konnte, hat Bundeskanzler Kiesinger in seiner Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 ohne jede Beschönigung festgestellt: Es fehlte an der mittelfristigen Vorausschau. Hätten wir schon rechtzeitig die schlichten Finanzprognosen, wie wir sie heute aufstellen, erarbeitet, so wäre diese Entwicklung vermieden worden. Meine Damen und Herren, die Wiederholung einer derartigen Situation können wir uns in der Zukunft nicht mehr leisten. Denn immer verheerender würden in einer dynamischen Wirtschaft und Gesellschaft die Folgen für Staat und Bürger sein, wollte sich die politische Führung undiszipliniert an dem Augenblicksinteresse orientieren. Für die Bewältigung der Zukunft müssen wir einen anderen Stil entwickeln, der sich von dem der Vergangenheit durch noch stärkere Verantwortung für das Gesamtwohl und Loslösung von Einzelinteressen unterscheidet. Lassen Sie mich daher, meine Damen und Herren, dazu einige grundsätzliche Ausführungen machen. Wenn wir unsere Freiheit sichern wollen, müssen wir daran denken, was wir nicht zufällig, sondern bewußt in den kommenden Jahren zu tun haben. Das geht nicht ohne Planung. In der Bundesrepublik Deutschland ist über lange Zeit hinweg eine Antiplanungsideologie kultiviert worden, die uns, meine Damen und Herren ,wenn sie nicht durch eine rationale Haltung abgelöst würde, vom internationalen Trend in unseren Partnerländern isoliert und den Zugang zur Mitgestaltung der Zukunft unseres Volkes verbaut. Wir leben auch in diesem Punkt nicht auf einer einsamen Insel; wir können auch in diesem Punkt nicht autark sein. Das stürmische Wachstum in den letzten 15 Jahren war bekanntlich durch viele Sonderfaktoren begünstigt. Deswegen ist es auch kein Gegenbeweis für die hier von mir aufgestellte These. Dieses Wachstum war kein Geschenk, aber auch keine Heldentat. Ich brauche hoffentlich nicht näher auszuführen, daß Planung nicht Dirigismus bedeutet. Vielmehr beschwört fehlende oder mangelnde Planung den Dirigismus erst herauf. Wir sehen das auf einigen Gebieten jetzt ganz deutlich auf uns zukommen. Die Energiepolitik vor allem bietet hier leider sehr bedrückendes Anschauungsmaterial. Planung hat auch nichts mit Ideologie und Weltverbesserung zu tun. Sie ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Mittel der Daseinsbewältigung von Gegenwart Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller und Zukunft, das wir ebenso wie viele andere Mittel der Wissenschaft und technischen Erkenntnis nutzen sollten. Planung in diesem Sinne ist nicht zuletzt der Versuch, die Gestaltung unserer sozialen Ordnung auf die Zukunftsperiode auszurichten. Planung setzt Dynamik frei, soll aber auch dort, wo sich der Wandlungsprozeß unter allzu großen und von den betroffenen Menschen nicht zu verantwortenden und deshalb nicht zumutbaren Opfern überstürzt, die Dynamik in geordnete Bahnen lenken. Ich denke dabei nicht nur an die Bewältigung der beinahe tragischen regionalen Strukturkrisen, wie im Ruhrgebiet oder an der Saar, sondern auch an die uns jetzt beschäftigende neue Welt der Automation, der Elektronengehirne und der atomaren Kräfte. Darf ich an dieser Stelle den Vertreter eines Landes zitieren, das in diesem Zusammenhang unverdächtig sein dürfte, nämlich den Schweizer Soziologen Richardt Behrendt: Planung ... ist also kennzeichnend und notwendig für eine dynamische Gesellschaft, aber unnötig, ja sogar unmöglich in einer statischen Gesellschaft, weil diese ja gerade durch die Kontinuität der grundlegenden Tatbestände und den Glauben an ihre ewige Geltung regiert wird. Ich habe Verständnis dafür, daß diese Feststellung viele unter uns, die noch konservativen Gedankengängen anhängen, etwas erschreckt. Abschiednehmen vom Überlebten ist oft schmerzlich. Aber wir werden nicht davor bewahrt, diesen Übergang zu vollziehen. Erfahrungsgemäß ist das allgemeine Bewußtsein leider nicht immer und nicht früh genug mit der Wirklichkeit harmonisiert. Wir müssen uns daher bemühen, diese Diskrepanz nicht zu groß werden zu lassen. Auch Bürger und Unternehmen planen für ihren eigenen kleineren oder größeren Bereich. Ihre Plansicherheit aber wird größer, wenn sie sich auf ein langfristig erkennbares Verhalten der öffentlichen Hand verlassen können. Das gilt für die Altersvorsorge des einzelnen Bürgers genauso wie für die Geschäftspolitik eines Unternehmens. Natürlich hat Planung, wie wir sie anstreben, ihre Grenzen. Daß wir nicht Dirigismus und nicht Hineinreden in Einzeldispositionen oder die Aufstellung von vollzugsverbindlichen Plänen meinen, habe ich bereits dargelegt. Ich meine unter anderem die Überlegungen, die sich aus der zunehmenden internationalen Integration in verschiedenen Bereichen für uns einfach unwiderstehlich ergeben. Das gilt für die Wirtschaftsund Agrarpolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft — wer wollte das bestreiten? — ebenso wie für die Verteidigungspolitik innerhalb der NATO. Überall ist ein hohes Maß an Abstimmung erforderlich. Unser Beitrag in diesen Bereichen wiegt aber um so stärker, je besser wir durch Planung die notwendige Übersicht in unserem eigenen Hause und über unsere eigenen Möglichkeiten haben. Mit diesen Ausführungen soll nicht behauptet werden, daß es bisher gar keine längerfristigen Pläne gegeben hat. Es gibt sie für den Sport — den Goldenen Plan —, es gibt den vieldiskutierten „Grünen Plan" und den Straßenverkehrsplan für den Ausbau des Straßennetzes. Diese Pläne blieben aber immer isoliert auf Einzelbereiche. Im Unterschied zu solchen isolierten Plänen ist bei der auf einer gesamtwirtschaftlichen Projektion beruhenden mittelfristigen Finanzplanung die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen langfristigen Programme zu berücksichtigen. Außerdem muß die Bundesregierung die Möglichkeit der finanziellen Realisierung in einem bestimmten Zeitabschnitt quantitativ aufzeigen. Ich habe über die veränderten Wachstumsbedingungen unserer Volkswirtschaft gesprochen. In der Vergangenheit wurden diejenigen privaten Investitionen bevorzugt gefördert, die einen hohen und schnellen Wachstumseffekt hatten. Das mag zu bestimmten Zeiten richtig gewesen sein, war aber nicht immer sehr vorausschauend. Die Tatsache jedoch, daß diese Politik der Vernachlässigung der Infrastruktur trotz reichlich fließender Steuerquellen zu lange durchgehalten wurde, führte langfristig zu gesamtwirtschaftlich verfehlten Strukturen in beachtlichem Ausmaß. Das Unterlassene wird nun nachgeholt. Solche Versäumnisse sind aber nicht kurzfristig gutzumachen. Die Investitionen in die Infrastruktur haben eine lange Vorbereitungszeit und erfordern hohen Kapitaleinsatz. Dennoch ist die ausreichende Erfüllung und die zeitlich richtige Lösung der Gemeinschaftsaufgaben unser wichtigstes Problem, wenn wir davon ausgehen, daß unser Volk in Frieden und Freiheit seine Zukunft gestalten kann. Der von der Bundesregierung vorgelegte erste Finanzplan trägt dieser Notwendigkeit durch die starke Betonung der investiven Ausgaben Rechnung. Die Ausgaben des Bundes für Investitionen sollen bis 1971 um fast die Hälfte gegenüber dem Stand von 1967 steigen, und zwar von 13,17 Milliarden DM auf 18 Milliarden DM. Lassen Sie mich, bevor ich zur Behandlung der Schwergewichtsverlagerung des Bundeshaushalts zu den investiven Ausgaben hin im einzelnen komme, ein Wort zur Finanzreform einfügen, zumal das in der Rede des Herrn Kollegen Haas eine Rolle gespielt hat. Das ist schon deswegen geboten, weil die vor uns liegende Finanzplanung zeitlich in Jahre hineinreicht, für die wir eine Neuordnung der finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erwarten. Die großen Aufgaben, die in der Zukunft zu bewältigen sind, können für die Zusammenarbeit der verschiedenen Gebietskörperschaften — also für Bund, Länder und Gemeinden — nicht ohne Folgen bleiben. Für die Lösung dieser Aufgaben müssen optimale Voraussetzungen geschaffen werden. Hier bedarf es wirklich neuer Formen der Aufgabenerfüllung. Wir bejahen den föderativen Charakter unseres Staates, sind aber der Meinung — und wir befinden uns damit im Grundsatz in Übereinstimmung mit den Ländern —, daß auf einer Reihe wichDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller tiger Gebiete eine neue Ordnung der Zusammenarbeit gefunden werden muß, sowohl hinsichtlich der Planung als auch bei der Finanzierung. Die mittelfristige Finanzplanung mit ihren Programmplanungen und die neuen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften werden uns in die Lage versetzen, Strukturveränderungen so rechtzeitig zu begegnen, daß keine neuen gesellschaftspolitischen Notstände entstehen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben erfreulicherweise anerkannt, daß die regionale Strukturpolitik in Zukunft eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern sein soll. Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, die Probleme in den Griff zu bekommen. Wie brennend notwendig es ist, für die strukturellen Förderungsgebiete eine Lösung zu finden, zeigt uns die Situation an Ruhr und Saar, die man gar nicht ernst genug nehmen kann. Nach unserer Auffassung ist Vorsorge zu treffen, daß diese Bergbaugebiete in einem zeitlich gestreckten Programm wirklich gesunden können. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Verantwortlichen in der Bundesrepublik. Das, was im Ruhrgebiet geschieht, geht uns alle an. Wir müssen aber auch — um ein weiteres Beispiel herauszugreifen — dringend durch Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden erreichen, daß die Krankenhausversorgung auf die Dauer und in allen Regionen der Bundesrepublik gesichert wird. Das läßt sich meines Erachtens nur durchführen, wenn die Finanzreform das Krankenhauswesen auf eine neue finanzielle Grundlage stellt. Hier haben wir eine gesundheitspolitische Aufgabe von weitreichender Bedeutung zu bewältigen. Meine Damen und Herren, die wirtschaftsund finanzpolitische Konzeption der Bundesregierung zielt auf eine langfristig gesicherte Vollbeschäftigung ab. Eine solche Politik kann ihre Aufgabe nicht nur darin sehen, konjunkturelle Schwankungen auszugleichen. Wir müssen vielmehr systematisch darauf hinarbeiten, alle Voraussetzungen für ein gesichertes stetiges Wachstum zu schaffen. Wir wollen keine Arbeitslosenquote von 3 v. H. oder mehr; wir Sozialdemokraten sind vielmehr der Auffassung, daß die Wirtschaftspolitik eines hochzivilisierten Landes die Arbeitslosenquote unter einem Prozent zu halten hat. Arbeitswillige und arbeitsfähige Menschen sollen nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, sondern sie müssen die Sicherheit haben, ihren produktiven Beitrag zum allgemeinen Wohlstand zu leisten und Befriedigung in einer angemessenen Beschäftigung zu finden. Dieses Ziel erfordert unter den gegebenen Bedingungen eine höhere berufliche und regionale Mobilität der Arbeitskräfte. Eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik hat deshalb einer Freisetzung von Arbeitskräften infolge von wirtschaftlichen Strukturveränderungen rechtzeitig durch staatliche Hilfestellung beim Arbeitsplatzund Berufswechsel vorzubeugen. Wir begrüßen deshalb das dem Deutschen Bundestag vorliegende Arbeitsmarktanpassungsgesetz als eine langfristige Maßnahme, die die bereits laufenden kurzfristigen Konjunkturprogramme zur Sicherung der Arbeitsplätze sinnvoll ergänzen muß. Im Rahmen der Finanzplanung sollen mehr staatliche Mittel in den Bereich der Wissenschaft und der Forschung geleitet werden. Wenn wir im internationalen Wettbewerb um die Absatzmärkte konkurrenzfähig bleiben wollen — und was die Absatzmärkte für uns bedeuten, hat gerade die jetzige Rezession bewiesen —, müssen wir für den technischen Fortschritt die geistigen und materiellen Voraussetzungen schaffen. Wir brauchen mehr und besser ausgerüstete Forschungsinstitute in den verschiedenen Sektoren der Wissenschaft. Wir müssen mehr tun für alle Sparten unserer Schulen und Hochschulen. Nicht nur die staatlichen Ausgaben für Bauund Ausrüstungsinvestitionen werden steigen, sondern auch die dafür notwendigen öffentlichen Personalkosten, wobei ich meine, daß dabei auch Frauen in Führungspositionen eine immer größere Bedeutung haben werden. Wir müssen ,den Menschen in unserer hochtechnisierten und komplexen Gesellschaft eine qualifizierte Ausbildung geben, damit sie mündige Bürger dieses 20. Jahrhunderts sein können. Das erfordert eine intensive Bildungsplanung. Wegen der langen Ausreifungszeit bildungsfördernder Maßnahmen ist die Planung in diesem Bereich ganz besonders notwendig. Der vor wenigen Tagen dem Deutschen Bundestag zugegangene Bericht der Bundesregierung über den Stand der Bildungsplanung enthält die bemerkenswerte Feststellung, daß die Bildungsplanung in der Bundesrepublik noch nicht die Rolle spielt, die ihr heute bereits in anderen westeuropäischen Ländern zukommt. Die mittelfristige Finanzplanung sieht eine überdurchschnittliche Verstärkung der öffentlichen Mittel für den Verkehr vor. Der „Leber-Plan" wird für eine dauerhafte gesunde Struktur im Verkehrswesen sorgen; :wir wollen erreichen, daß wir in absehbarer Zeit auf den Straßen — vor allem in den Ballungsräumen — im Verkehr nicht 'untergehen und vor allem Kinder und alte Menschen sichern. Wir wollen das Problem Bundesbahn vernünftig lösen und im Bereich des Luftund Wasserverkehrs Fehlinvestitionen vermeiden. Mit einem zukunftsorientierten Verkehrsprogramm gewährleisten wir größere Sicherheit für Leben und Gesundheit auf den Straßen und reduzieren Iden kostspieligen Zeitverlust auf jetzt überfüllten Verkehrswegen. Damit wird aber auch garantiert, daß die Milliardenbeträge für Verkehrsinvestiitonen die sinnvolle Verwendung finden, die wir alle durch Steuern oder Anleihenzeichnung mitfinanzieren. Die mittelfristige Finanzplanung sorgt dafür, daß der soziale Wohnungsbau im notwendigen Maße fortgeführt wird. Die stärkere marktwirtschaftliche Anpassung bei ,der Mietkostenberechnung durch das sogenannte Zinserhöhungsgesetz hilft, die FinanzieDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller rung des Wohnungsbaues zu sichern. Soziale Härten, die für ,den einzelnen durch diese Anpassung entstehen, werden je nach den Einkommensverhältnissen durch das Wohngeld ausgeglichen. Wegen dieses Zusammenhangs erfolgt keine Verschlechterung der jetzigen Wohngeldregelung. Wir sehen die zügige Fortführung des sozialen Wohnungsbaus auch als Voraussetzung für eine größere Mobilität der Arbeitskräfte. Unsere Bemühungen in dieser Richtung dürfen nicht daran scheitern, daß ,der im Zuge von Strukturveränderungen notwendige Wechsel von Beruf und Wohnsitz durch mangelndes Wohnungsangebot abgebremst wird oder gar daran scheitert. Das gilt auch für die Bedarfswünsche der alleinstehenden Frauen und Männer. Ich habe dargelegt, warum meine Fraktion sich für das zukunftsorientierte Konzept der mittelfristigen Finanzplanung und seine erste Konkretisierung im Haushalt 1968 ausspricht. Ich will aber auch klarstellen, daß diese Ausgabenverlagerung bei einer normalen Konjunkturlage und einer geordneten Finanzwirtschaft aus dem Zuwachs des Sozialprodukts ohne Abstriche im Sozialbereich zu erfüllen gewesen wären. Der wirtschaftliche Abschwung des letzten Jahres mit den enormen Wachstumsverlusten und die Notwendigkeit, den hinterlassenen Ausgabenübergang abzubauen, zwingen uns zu den Maßnahmen, die nun schon einige Zeit im Brennpunkt lebhafter Diskussionen stehen. Entgegen vielen in der Öffentlichkeit erhobenen Forderungen haben wir uns bemüht, das Wachstum der sozialen Leistungen weiter zu sichern. Von sozialer Demontage kann keine Rede sein. Die Sozialdemokraten haben sich mit allem Nachdruck für die Beibehaltung der bruttolohnbezogenen Sozialrente eingesetzt. Für uns ist jede Verschlechterung der 1957 beschlossenen dynamischen Rentenformel indiskutabel. Ein Manipulieren an dem jetzigen System der Sozialrenten würde bedeuten, das Vertrauen der Mehrheit unserer Bürger in diesem Staat und seine Schutzpflicht aufs Spiel zu setzen. Seit 10 Jahren vertrauen die arbeitenden Menschen auf die in diesem Hause gefaßten Beschlüsse zur finanziellen und sozialen Sicherung ihres Alters. Wir meinen, bei der Bevölkerung eher Verständnis für vertretbare Leistungsbeschränkungen in anderen sozialen Bereichen zu finden als bei einer Veränderung der geltenden Rentenformel. Lassen Sie mich an die Äußerung eines international anerkannten Nationalökonomen erinnern. Professor Bombach hat in seinem Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer unlängst in Baden-Baden ausgeführt: Die dynamische Rente steht heute im Kreuzfeuer der Kritik. Erst später wird man feststellen, daß sie eine der großen sozialen Taten dieses Jahrhunderts war. Darüber bestehen für mich keine Zweifel. Bei den Beratungen zur mittelfristigen Finanzplanung ist festgestellt worden, die Renten der Kriegsopfer von Haushaltsstreichungen auszunehmen; über die Besteuerung von Sozialversicherungsrenten wird hoffentlich nicht mehr gesprochen werden. Meine Damen und Herren! Die Beratungen über den Sozialbereich in der mittelfristigen Finanzplanung innerhalb und zwischen den Koalitionsfraktionen haben deutlich werden lassen, daß es notwendig ist, eine sozialpolitische Bilanz aufzustellen. Nur noch wenige Fachleute sind in der Lage, die vielfältigen Arten sozialer Leistungen und deren finanzielle Größenordnungen zu überblicken. Die Tatsache, daß viele Ressorts unabhängig voneinander Programme konzipieren und aus verschiedenen Töpfen Sozialleistungen gewähren, macht eine zusammenfassende Darstellung unumgänglich. Es sollte das Bestreben der Bundesregierung sein, die einzelnen Bestandteile der Gesellschaftspolitik zu harmonisieren und sie sowohl für uns hier im Bundestag als auch der Bevölkerung deutlich zu machen. Wir denken dabei an eine Verzahnung der Gesundheits-, Wohnungs-, Familien-, Arbeitsund Sozialpolitik. Um eine solche Planung der sozialen Sicherung in Deutschland hat die Sozialdemokratische Partei die jeweiligen Bundesregierungen seit dem Jahre 1952 immer wieder gebeten. Wir tun es auch heute. Nachdem wir durch eine längerfristig angelegte Wirtschaftsund Finanzpolitik Ordnung und Transparenz in diesem Bereich geschaffen haben, ist es vordringlich, eine vorausschauende Gesellschaftspolitik einzuleiten. Nur so werden sich in Zukunft kurzfristige Änderungen und störende Eingriffe in die notwendige Dynamik der sozialen Leistung vermeiden lassen. Ich möchte daher der Bundesregierung vorschlagen, den gegenwärtigen Stand der Gesellschaftspolitik und die Programme für die zukünftige Entwicklung in einem längerfristigen Sozialplan darzulegen. Selbstverständlich ist eine solche soziale Strukturpolitik nur dann realistisch und brauchbar, wenn sie mit dem wirtschaftsund finanzpolitischen Plänen koordiniert wird. Meine Damen und Herren! Die mittelfristige Finanzplanung ist von der Sozialdemokratie schon vor vielen Jahren als Fundament versachlichter Politik erkannt und in diesem Hohen Hause wiederholt gefordert worden. Niemand, der sich dieser Tatsache bewußt war, konnte daran zweifeln, daß sich die Sorgen und Schwierigkeiten um so mehr häufen würden, je länger die Aufstellung der ersten Finanzplanung hinausgeschoben wurde. Die Bundesregierung der Großen Koalition und ihre Parlamentsmehrheit haben sich nun an dieses Werk gewagt. Ich bin gewiß, daß sich schon in relativ kurzer Zeit erweisen wird, in welch hohem Maße die finanzwirtschaftlichen Beschlüsse des Jahres 1967 — und hierzu gehört auch der Haushalt für das Jahr 1968 — zusammen mit den wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Großen Koalition die Grundlage für einen wieder wachsenden Wohlstand und Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller die soziale Sicherheit des deutschen Volkes in der Zukunft bilden werden. (Lebhafter, anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien)





    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)


    (Beifall bei der SPD.)


    (Sehr wahr! bei der SPD)


    (Beifall bei der SPD.)





    (Beifall bei der SPD.)





    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


    (Beifall bei der SPD.)





    (Beifall bei der SPD.)






Rede von Walter Scheel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Windelen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Windelen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte wird alle die tief enttäuschen, die auf Streit, die auf Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Koalition und die auf Streit und Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern gehofft hatten. Dieser Tag wird aber auch die widerlegen, die der Meinung sind, daß Große Koalition Lähmung der parlamentarischen Arbeit bedeute, Langeweile und Sterilität. Aber vielleicht ist es auch eine Schlagzeile wert, daß diese Koalition entgegen vielen voreiligen Prognosen bereit und in der Lage ist, auch schwierige Fragen anzugehen, daß sie in der Lage ist, Alternativen zu Vorlagen ihrer Regierung zu finden, ohne die gemeinsame Geschäftsgrundlage zu verlassen.
    Diese gemeinsame Geschäftsgrundlage zwischen Koalition und Regierung ist der Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, den dieses Parlament in § 9 des Stabilitätsgesetzes der Regierung, aber auch sich selbst gesetzt hat. Das ist auch der wichtige Unterschied des Bundeshaushalts 1968 gegenüber allen seinen Vorgängern, daß er erstmalig aus einer mittelfristigen Finanzplanung heraus entwickelt wurde. Das bedeutet, daß der vorliegende Haushaltsentwurf nicht mehr nur die Addition der Ergebnisse von Ressortbesprechungen über die Einzelpläne darstellt, sondern aus einer längerfristigen Gesamtschau heraus entwickelt worden ist.
    Das ist aber nur die Seite, die in erster Linie die Regierung angeht und die sie bei der Aufstellung des Haushaltsplans zu neuen Methoden gezwungen hat. Hier stehen die Konsequenzen für das Parlament zur Debatte, dem die mittelfristige Finanzplanung ja auch vorgelegen hat. Das Parlament hat diese mittelfristige Planung hier diskutiert und hat zustimmend von ihr Kenntnis genommen. Aus dieser Planung ergeben sich die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten des Bundes, die nicht ohne Gefahr für Währung und Wirtschaft überschritten werden dürfen. Nachdem das Parlament den Planungsrahmen grundsätzlch akzeptiert hat, muß es sich nun mit seinen Entscheidungen über den Bundeshaushalt in diesen Rahmen einfügen und den Mut haben, eigene Vorschläge zu machen, wenn es Schwerpunkte verschieben oder der Regierung in Einzelpunkten nicht folgen will.
    Der Herr Kollege Haas hat in seiner Haushaltsrede Betrachtungen darüber angestellt, wie es ,denn zu der jetzigen Finanzmisere gekommen sei. Er hat leider in völlig falscher Bescheidenheit vergessen, in diesem Zusammenhang auf den Beitrag seiner Fraktion hinzuweisen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    die seinerzeit allein in einem einzigen Jahr Anträge in einem Umfang von ca. 8 Milliarden DM jährlicher Mehrbelastung eingebracht hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Ich hatte vor einigen Wochen Gelegenheit, dieses Sündenregister hier zu verlesen. Ich möchte es Ihnen ersparen, es sich noch einmal anzuhören. Es kann jederzeit wiederholt werden. Ich sage aber auch hier wieder, Herr Kollege Haas: Ich halte es für völlig fruchtlos, hier immer nur nach Schuldigen in der Vergangenheit zu suchen und die Schuldigen immer nur auf .der anderen Seite zu finden. Wir hätten von Ihnen erwartet, .daß Sie uns bessere Lösungen für die Zukunft vorgeschlagen hätten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Aber da war leider wieder Fehlanzeige.

    Wenden wir uns der Gesamtkonzeption dieses Haushaltsentwurfs zu! Auch .der böswilligste Kritiker kann nicht an der Tatsache vorbeigehen, ,daß der vorliegende Haushalt auf einer Gesamtkonzeption beruht — ,die man natürlich ablehnen kann, wenn man eine bessere Lösung hat.

    (Zustimmung bei ,den Regierungsparteien.)

    Diese Konzeption geht im wesentlichen von zwei Voraussetzungen aus.
    Einmal hat sie zur Voraussetzung ein erneutes Wirtschaftswachstum. Die Einnahmeschätzungen dieses Entwurfs beruhen auf einem unterstellten Wirtschaftswachstum von 6,5 %. Diese Annahme war bei Aufstellung des Haushaltsentwurfs gewiß sehr kühn und wurde noch in der Debatte vom 6. Juli 1967 von den Sprechern der Opposition lediglich als Zweckoptimismus abgetan. Die Bundesregierung und die Mehrheit des Parlaments haben aber durch .das erste und das zweite Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 7,8 Milliarden DM wesentliche Voraussetzungen für ein erneutes Wachstum der Wirtschaft geschaffen, so .daß der Bundesminister der Finanzen in seiner Haushaltsrede feststellen konnte, daß die unabhängigen wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die sich in der Vergangenheit durch besonderen Pessimismus ausgezeichnet hatten, nunmehr für 1968 mit einem Wirtschaftswachstum von 6,8 % rechnen. Wir alle hoffen, daß sich diese Erwartungen erfüllen. Aber ich glaube, unter diesen Umständen sind gegen die Veranschlagung der ordentlichen Einnahmen im Haushaltsentwurf ersnthafte Einwendungen kaum mehr zu erheben. Im übrigen werden ja der Finanzausschuß und der Haushaltsausschuß vor Abschluß der Beratungen noch Gelegenheit haben, sich mit der üblichen Steuerschätzung durch den hierfür eigens eingesetzten Arbeitskreis auseinandersetzen.
    Die zweite Voraussetzung für den Ausgleich des Haushalts 1968 ist die Verabschiedung des Finanzänderungsgesetzes 1967. Der vorliegende Haushaltsentwurf erfordert, daß dieses Gesetz in dem von der Regierung vorgesehenen Volumen verabschiedet wird; andernfalls würde dieser Haushalt in der Luft hängen und den Anforderungen des Art. 10 des Grundgesetzes nicht entsprechen. Dabei ist zu



    Windelen
    unterstreichen, daß es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht um eine Neuauflage des Haushaltssicherungsgesetzes von Weihnachten 1965 handelt, das ebenso wie das Finanzplanungsgesetz 1966 nur mühsam den Ausgleich für das nächste Rechnungsjahr sicherte. Das Finanzänderungsgesetz 1967 ist auf den Zeitraum von 1968 bis 1971 abgestellt, so daß bei Einhaltung des vorgegebenen Rahmens und bei einer normalen Konjunkturentwicklung vom Bundeshaushalt her neue gesetzgeberische Maßnahmen erst für die Zeit nach 1971 notwendig werden. Hierin liegt der entscheidende Fortschritt. Der Entwurf des Finanzänderungsgesetzes 1967 zielt darauf ab, die Einnahmeseite um jährlich 300 Millionen DM zu verbessern und die Ausgabeseite von gesetzlich festgelegten konsumtiven Ausgaben von 2,2 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1968 steigend auf 4,1 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1971 zu entlasten.
    Die Vorschläge im einzelnen tragen natürlich vielfach den Stempel des Kompromisses; wie sollte es im Rahmen einer Zweiparteienregierung denn anders sein, deren Vorstellungen auf vielen Gebieten eben voneinander abweichen? Auch die Alternativen der Koalitionsfraktionen können aus dem gleichen Grunde nur Kompromisse sein. Aber diese Kompromisse müssen zwei Voraussetzungen erfüllen: einmal muß ein Bleichhoher Kürzungseffekt erzielt werden, wie er in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, und zum anderen muß verlangt werden, daß diese Ausgabenbegrenzung endgültig und für den Planungszeitraum unwiderruflich ist.
    Hier dürfen nicht, wie in den vergangenen Jahren vielfach geschehen, die Schwierigkeiten durch Manipulationen wie Herauszögerung des Inkrafttretens, Stundungen oder formale Kreditgewährungen auf die Zukunft verschoben werden. Ebenso wenig aber dürfte es den Ausweg geben, Ausgabenbegrenzungen im konsumtiven Sektor durch weitere Steuererhöhungen, insbesondere durch eine stärkere Anspannung der Ergänzungsabgabe, auszuweichen.
    Die vorgeschlagenen, steuerlichen Maßnahmen, von denen die Mehrwertsteuer ja bereits Gesetz geworden ist, waren mit Recht sehr umstritten. Der Bundesregierung wurde vorgeworfen, den Kurs antizyklischen Steuerpolitik verlassen zu haben und Steuern in einem Zeitpunkt zu erhöhen, in dem eigentlich eine Steuersenkung angezeigt gewesen wäre. Die Bundesregierung hat dennoch, unterstützt von der Mehrheit dieses Hauses, mit guten Gründen an ihren Vorschlägen festgehalten, da die Mehreinnahmen aus Steuererhöhungen im Rahmen der mittelfristigen Planung nicht dazu dienen, höhere Ausgaben zu finanzieren, sondern die Kreditfinanzierung, die erstmalig im laufenden Rechnungsjahr zur Bekämpfung der Wirtschaftsflaute eingeleitet worden ist, langfristig auf eine solide Grundlage zu stellen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Die Aufnahme kurz- und mittelfristiger Kredite zur
    Finanzierung von Investitionen war und ist nur
    dann zu vertreten, wenn der damit verbundene Zinsendienst und der langfristige Abbau aus ordentlichen Einnahmen gesichert werden kann.

    (Beifall in der Mitte.)

    Insofern scheinen mir auch die Einwendungen des Kollegen Haas nicht sehr logisch zu sein. Er äußerte erst Bedenken gegen eine höhere Verschuldung, ohne ein anderes Rezept bieten zu können, und anschließend äußerte er natürlich auch Bedenken gegen die Steuern, die zur Deckung des Schuldendienstes notwendig sind.
    Ohne diese Steuererhöhung wäre 'die Kreditaufnahme, die im Planungszeitraum immerhin 21 Milliarden DM beträgt, der Ausstellung eines ungedeckten Schecks gleichgekommen. So aber handelt es sich um ,die Ausstellung eines Wechsels, dessen Einlösung durch entsprechende Steuereinnahmen in der Zukunft gesichert wurde. Wir sind uns der Risiken auch einer Wechselfinanzierung sehr wohl bewußt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Aber gerade 'deswegen werden wir darauf zu achten haben, daß mit diesen Mitteln nur effektive Investitionen finanziert, keinesfalls aber Ausgaben des normalen Staatskonsum bestritten werden.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die Bundesbank hat seinerzeit keinen Zweifel daran gelassen, daß sie nur auf dieser Grundlage bereit war, ,die geplante Kreditfinanzierung mitzumachen. Diese erreicht im vorliegenden Haushaltsentwurf einen Jahresbetrag von 8,1 Milliarden DM.
    Nun wurden Erwägungen angestellt, der Begrenzung der Zuwachsraten im sozialen Bereich durch Steuererhöhungen aus dem Wege zu gehen. Diesen Absichten muß entschieden widersprochen werden, weil damit die Konzeption der Bundesregierung aufgegeben würde. Dadurch würde nämlich die Weiche zu einer Verstärkung der Investitionen wieder auf eine stärkere Zunahme der konsumtiven Ausgaben zurückgestellt.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß der Bestand unseres Staates davon abhängt, daß den öffentlichen Investitionen für die Zukunftsvorsorge ein weit größerer Anteil der öffentlichen Ausgaben gewidmet wird, als das in Ider Vergangenheit der Fall war, aber auch noch in dem vorliegenden Haushaltsentwurf der Fall ist.

    (Beifall in der Mitte.)

    Diese Verschiebung des Schwergewichts konnte durch die mittelfristige Finanzplanung bis zum Rechnungsjahr 1971 erst eingeleitet werden, wenn nicht im sozialen Sektor noch größere Härten entstehen sollten. Die Vermeidung von Kürzungen im sozialen Bereich durch Steuererhöhungen würde bedeuten, daß die konsumtiven Ausgaben erneut stärker wachsen als die Zukunftsinvestitionen und daß auf längere Sicht das stetige Wachstum der Wirtschaft nicht mehr gesichert erscheint. Damit würden wir unsere wirtschaftliche Grundlage ruinieren und jeden sozialen Fortschritt unmöglich machen. Darüber hinaus würden wir den jetzigen sozialen Status kaum noch sichern können.



    Windelen
    Hinsichtlich der Ausgleichsvorschläge der Bundesregierung waren eine Reihe von Vorstellungen innerhalb der Fraktionen und zwischen den Fraktionen kontrovers. Das betraf vor allem die Höhe der Besteuerung der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, den Wegfall der Versicherungspflichtgrenze, der gerade bei uns große Bedenken ausgelöst hat, die Einschränkung im Bereich ,des Familienlastenausgleichs durch Änderung wohnungsbaurechtlicher Vorschriften, durch Einschränkung des Wohngeldes, durch Einführung von Einkommensgrenzen beim Kindergeld, schließlich die Umgestaltung des Leistungsrechts in der Knappschaftsversicherung und die Erhebung eines Beitrags von 4 % für die Krankenversicherung der Rentner.
    Hier wurde nun durch lange und gründliche, teilweise recht lebhafte Beratung innerhalb der Koalitionsfraktionen und zwischen ,den Fraktionsspitzen ein Kompromiß erzielt, der inzwischen von den Fraktionen mit großen Mehrheiten gebilligt wurde. Dieser Kompromiß schlägt andere Lösungen vor, bei denen jedoch ,der Umfang der Ausgabenkürzungen erhalten bleibt, andere Lösungen, bei denen nicht auf Steuererhöhungen ausgewichen wird, bei denen nicht die Investitionsrate vermindert wird und bei denen auch nicht auf ,den Weg zusätzlicher Verschuldung ausgewichen wird. Damit sollten finanz-
    und haushaltswirtschaftliche Bedenken gegen diesen Kompromiß gegenstandslos sein.
    Allerdings bleiben die Vorschläge hinsichtlich der vorgesehenen Entlastung der Krankenkassen — das muß man deutlich sehen — hinter der Regierungsvorlage erheblich zurück.

    (Beifall in der Mitte.)

    Das wird uns um so mehr und um so eher zwingen, die Reform der sozialen Krankenversicherung baldigst anzupacken.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der Mitte: Hoffentlich!)

    Aber auch die Vorschläge zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Bund und den Rentenversicherungsträgern haben die Schwäche, daß sie die Probleme nur für den Planungszeitraum lösen und noch keine endgültige Neuregelung bringen. Sicherlich könnte man sich auch hier andere Lösungen vorstellen als z. B. die begrenzte Entlastung der Knappschaftsversicherung und die Einführung eines Krankenkassenbeitrages der Rentner. Aber das wäre dann kaum ohne Änderung der Rentenformel möglich gewesen. So scheint bei einer nüchternen und leidenschaftslosen Betrachtung der Dinge der Regierungsvorschlag noch das geringere Übel zu sein. Dabei muß immer wieder betont werden, daß die Behauptung, damit sei eine absolute Kürzung der Renten verbunden, einfach nicht stimmt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Wenn ein Fernsehkommentator, der es doch eigentlich besser wissen müßte,

    (Abg. Haase [Kassel] : Woher denn?)

    die Dinge so darstellt, daß ein Rentner mit 400 DM
    Rente monatlich künftig wegen des Krankenkassenbeitrages nur noch 384 DM erhalten würde, so ist das doch eine Irreführung.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ein Verleumder ist das! — Bewußte Verdrehung und Verleumdung! — Weiter Zurufe von der Mitte. — Unruhe.)

    Denn er verschwieg doch, daß diese gleiche Rente gleichzeitig auf 432 DM angehoben wird, so daß der betreffende Rentner trotz des Krankenkassenbeitrages ab 1. Januar 1968 statt 400 DM nach den Regierungsvorstellungen 416 DM und nach dem Kompromiß zwischen den Fraktionen nicht 384, sondern 424 DM Rente erhält.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Das sind die Monopolisten, die öffentlich-rechtlichen Meinungsverdreher!)

    Die schmerzlichsten Kürzungen für meine Fraktion liegen im Bereich des Familienlastenausgleichs. Es ist nicht zu bestreiten, daß hier die empfindlichsten Streichungen vorgenommen worden sind. Nicht nur durch die endgültige Abschaffung der Ausbildungszulage ohne eine gleichzeitige Ersatzlösung, sondern auch durch die Einführung einer Einkommensgrenze beim Kindergeld. Die hiermit verbundenen Kürzungen werden sich einfach wegen ihrer Größenordnung jetzt und in diesem Verfahren nicht anderweitig ausgleichen lassen. Wir müssen leider auch hier erkennen, daß durch nicht ausreichend bedachte Entscheidungen in der Vergangenheit dem Bund für den Familienlastenausgleich Leistungen abverlangt wurden, die er jetzt einfach nicht mehr hergeben kann. Hätte man sich das rechtzeitig vor Augen gehalten, hätte das heutige Debakel vermieden werden können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das darf aber nicht daran hindern, wenn nicht im Rechnungsjahr 1968, so doch aber für die Zukunft eine angemessenere Verteilung der verfügbaren Mittel zu erreichen. Wir sind für die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesfinanzministers in seiner Haushaltsrede dankbar.
    Durch die Vereinbarungen zwischen den Koalitionsfraktionen ist es aber doch wenigstens gelungen, die zusätzliche Belastung der Familien im Wohnungsbau und beim Wohngeld hei voller Deckung an anderer Stelle zu vermeiden. Darüber hinaus ist die vorgesehene Einkommensgrenze beim Kindergeld gefallen. Ich begrüße das besonders.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Solche Einkommensgrenzen sind von Übel. Wir kennen ihre Problematik noch vom Zweitkindergeld her. Sie sind ein Fremdkörper in unserer Leistungsgesellschaft, sie verursachen einen Wust von Verwaltungsarbeit, sie verführen zur Unehrlichkeit, und sie nivellieren nach unten. Schließlich widersprechen sie auch allen Grundsätzen innerhalb der EWG, wo wir doch harmonisieren wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    In diesem Zusammenhang aber noch einen weiteren Gesichtspunkt. Es ist in dieser Debatte soviel



    Windelen
    von der Bedeutung der Zukunftsinvestitionen die Rede. Nun, die Leistungen, die wir für die Familien aufwenden, sind Leistungen für die Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Bei dem heutigen System unserer sozialen Sicherung werden sich künftige Verpflichtungen nur dann erfüllen lassen, wenn eine ausreichend starke und leistungsfähige Generation heute heranwächst. Die technischen und wissenschaftlichen Leistungen der Zukunft, von denen unsere Wettbewerbsfähigkeit im Weltmarkt — Herr Kollege Möller hat noch einmal sehr nachdrücklich darauf hingewiesen — und unsere Leistungsfähigkeit als Industrienation abhängen, werden wir nur dann erbringen können, wenn neben den Institutionen, neben den Universitäten, neben den Ausbildungsstätten die Voraussetzungen für die Ausbildung der Kinder auch materiell gegeben sind. Dafür brauchen die Familien unsere Hilfe.
    Wir haben oft mit Stolz verkündet, daß wir mit unseren sozialen Leistungen innerhalb der EWG an der Spitze stehen. Die Sozialleistungen Frankreichs z. B. sind insgesamt niedriger als unsere. Aber bei uns werden von den hohen Sozialleistungen nur etwa 13 % für die kommende Generation, d. h. für die Zukunft, eingesetzt, 87 % also für die Bewältigung einer — gewiß harten und schmerzhaften — Vergangenheit. In Frankreich dagegen werden etwa 42 % der Sozialleistungen auf die kommende Generation bezogen und damit für die Zukunft eingesetzt. Das ist ein Vielfaches von dem, was wir tun. Warum beginnen wir gerade bei dem am schwächsten entwickelten Gebiet unserer Sozialordnung zu kürzen? Merkwürdigerweise tut Frankreich das Entsprechende, indem es die knappen Krankenversicherungsleistungen noch kürzt. Es sollte bei unserem insgesamt doch recht hohen Sozialaufwand mehr Raum für Zukunftsaufgaben sein. Hier müssen die Familienpolitiker und die Sozialpolitiker ansetzen. Sonst fehlt uns bald auch das Geld für die Bewältigung der Gegenwart.
    Gestatten Sie mir noch einige Ausführungen zur beabsichtigten Verbesserung der Beamtenbesoldung. Für diesen Zweck sind 724 Millionen DM in den Bundeshaushalt eingestellt. Der Bundesrat hat bekanntlich vorgeschlagen, davon 674 Millionen DM zu streichen. Er macht geltend, daß zwangsläufige personelle Mehraufwendungen in der veranschlagten Höhe nicht zu erwarten seien, daß Tarif- und Besoldungserhöhungen in dem hier offenbar zugrunde gelegten Ausmaß in Anbetracht der Haushaltssituation von Ländern und Gemeinden zu erheblichen Verzerrungen des Besoldungsgefüges führen müßten und daß damit das Ziel einer Besoldungsharmonisierung nachhaltig gefährdet würde. Die Bundesregierung stellt demgegenüber fest, daß gerade die Besoldungspolitik der Länder zu Verzerrungen des Besoldungsgefüges der Beamten geführt habe.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die vom Bund vorgesehenen Maßnahmen bezweckten lediglich die Angleichung der Besoldung der Beamten des Bundes an die der Länder. Es gehe hier ausschließlich um eine Harmonisierung.
    Ich sage offen, daß insoweit gegen den Ansatz nichts einzuwenden ist. Es wird aber sehr genau zu prüfen sein, wieweit der Ansatz tatsächlich für Harmonisierungen benötigt wird und wieweit man hier gehen muß, ohne zu neuen Verzerrungen zu kommen. Vor allem ist es aber zwingend notwendig, nunmehr durch Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes endlich zu erreichen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    daß die Beamtenbesoldung in Bund und Ländern nicht erneut auseinanderläuft. Deshalb ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort an den Bundesrat ausdrücklich feststellt, daß die angestrebte Harmonisierung die Verabschiedung des neu gefaßten Art. 75 des Grundgesetzes voraussetzt.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Aber zuerst müssen wir natürlich eine Gesamtkonzeption auf dem Gebiete der Besoldung haben!)

    — Ich glaube, wir müssen zunächst einmal einen
    Rahmen haben, damit das Besoldungsgefüge nicht
    auseinanderläuft, ehe wir es harmonisieren können.
    Auch der Bundesrechnungshof hat sich mit diesem leidigen Thema wiederholt beschäftigt. In der Drucksache V/1603 weist der Präsident des Bundesrechnungshofs auf die Vorschläge der Kommission für die Finanzreform hin, welche festgestellt hat, daß bei dem Gewicht der finanziellen Belastung, die sich aus der Entwicklung der Personalausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden ergibt, auf eine Harmonisierung der Beamtenbesoldung nicht verzichtet werden kann.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Belastung macht beim Bund inzwischen immerhin 10 %, bei den Ländern aber 40 bis annähernd 50 % der Haushalte aus. Das sei am besten über eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes zu erreichen. Der Bund solle ermächtigt werden, neben der Festsetzung von Mindest- und Höchstbeträgen die Bewertung von Ämtern verbindlich festzulegen.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Insoweit war die alte Fassung des Art. 75 ungenügend!)

    — So ist es.
    Der Rechnungshof sieht in der vorgeschlagenen Ergänzung des Art. 75 des Grundgesetzes den allein erfolgversprechenden Weg, ein das Gesamtinteresse der Bundesrepublik wahrendes einheitliches Besoldungsgefüge sicherzustellen, wenn man sich nicht überhaupt entschließen will — so der Bundesrechnungshof —, dem Bund die Vollkompetenz für die Besoldungsgesetzgebung auf dem Wege über eine Ergänzung des Art. 74 des Grundgesetzes zu geben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre das einzig Richtige!)

    Das Ziel der Neugestaltung des Besoldungsrechts — so immer noch der Bundesrechnungshof — müsse die Wiederherstellung sachgerechter Relationen innerhalb der Besoldungsordnungen und der Stellenpläne aller Dienstherren sein. Dabei müsse auch bedacht werden, daß der im Zuge der Verbesserung der Stellenkegel erreichte, inzwischen sehr hohe Vom-



    Windelen
    hundertsatz an Spitzenstellungen in den einzelnen Laufbahnen mit den funktionellen Notwendigkeiten im Rahmen einer vernünftigen Behördenorganisation kaum mehr vereinbar sei.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Dem muß nach den Erfahrungen im Haushaltsausschuß leider vorbehaltlos zugestimmt werden.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Es wird wirklich höchste Zeit, daß der Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes, den die Regierung mit der Bundestagsdrucksache V/1586 bereits vor fast einem Jahr eingebracht hat und gegen den auch der Bundesrat im ersten Durchgang keine grundsätzlichen Einwendungen erhoben hat, nunmehr endlich mit Vorrang verabschiedet wird,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. SchmittVockenhausen: Aber doch mit der Gesamtkonzeption der Besoldung!)

    ehe neue Harmonisierungsmaßnahmen in Angriff genommen werden.

    (Abg. Dr. Miessner: Mit der zweiten Stufe!)

    — Herr Kollege Miessner, darüber reden wir seit Jahren. Wir haben jeweils die Änderung des Art. 75 mit der jeweils nächsten Stufe angeboten bekommen,

    (Widerspruch bei der SPD und der FDP.)

    und wir warten heute noch auf diese Änderung. Andernfalls hätte sich das Besoldungsgefüge nicht in der vom Bundesrechnungshof geschilderten Weise auseinanderentwickeln können.

    (Abg. Schmitt-Vockenhausen: Weil der Bund zu spät kam, sind die Länder schrecklich ausgebrochen, und jetzt haben wir die Folgen!)

    — Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich verstehe, daß das für Sie persönlich ein etwas peinliches Thema ist; denn wir standen ja vor einigen Jahren schon einmal fast davor, uns in dieser Frage zu einigen. Im letzten Augenblick ist das durch Ihre sehr wirksame, aber von mir sehr bedauerte Intervention verhindert worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nicht ohne makabren Beigeschmack, daß ausgerechnet die Länder, die auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung so viel gesündigt haben, die Mittel, die sie nur durch weitgehende Streichung des Ansatzes für die Verbesserung der Besoldung gewinnen würden, zur Entlastung der Länderfinanzen verwendet haben wollen.

    (Abg. Brese: Niedersachsen!)

    — Es war nicht nur Niedersachsen, es waren auch andere, Herr Kollege Brese. Der Bundesrat hat nämlich vorgeschlagen, daß der Anteil der Länder am Wohngeld und an den Bausparprämien um die Hälfte zu senken sei und daß die Leistungen des Bundes an die finanzschwachen Länder von 260 auf 520 Millionen DM zu erhöhen seien. Das bedeutet also praktisch, daß von den Verbesserungsvorschlägen zum Haushaltsentwurf, die der Bundesrat in
    einer Größenordnung von insgesamt 1000 Millionen
    DM unterbreitet hat, auf diesem Wege allein 700
    Millionen DM in die Länderkassen fließen sollen.
    Dabei muß man sich vor Augen halten, daß die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Ländern durch das Gesetz vom 9. und das Gesetz vom 15. März 1967 durch Erhöhung des Länderanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 61 auf 63 % und die Bemessung des Zuschusses an die finanzschwachen Länder auf 260 Millionen DM geregelt worden ist. Dadurch sind die Länder, was seinerzeit gar nicht vorauszusehen war, in eine ungleich günstigere Lage als der Bund gekommen, da nämlich entgegen allen Erwartungen die Rückläufigkeit der Umsatzsteuer stärker war als die der Ertragsteuern. — Das zeigt sich am deutlichsten daran, daß die Einnahmen der Länder in den ersten acht Monaten des laufenden Rechnungsjahres gegenüber dem Vorjahr um 3,2 % gleich 831 Millionen DM gestiegen sind, während die Einnahmen des Bundes um 0,2 %, nämlich 108 Millionen DM, unter dem Vorjahresbetrag blieben. Hiernach sollte eigentlich keine Veranlassung sein, das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern vor Ablauf der jetzigen Regelung, die bis zum 31. Dezember 1968 läuft, zu ändern.
    Das sollte uns aber nicht daran hindern, sehr sorgfältig im Einzelfall zu prüfen, wo bei besonderen strukturellen Schwierigkeiten einzelnen Ländern geholfen werden kann.
    Der Hinweis darauf, daß die steuerlichen Maßnahmen, nämlich die Erhöhung der Umsatzsteuer und die Einführung der Ergänzungsabgabe,. lediglich dem Bund zugute kämen, kann hieran nichts ändern, da diese Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Bundesfinanzen unerläßlich sind und, wie ich schon ausgeführt habe, Voraussetzung für die starke Neuverschuldung des Bundes waren, eine Neuverschuldung, die weit über das Ausmaß der Neuverschuldung der Länder im gleichen Zeitraum hinausgeht. Diese Neuverschuldung des Bundes diente wesentlich der Konjunkturbelebung. Die Wirkungen dieser Maßnahmen werden aber über die Steigerung der Ertragsteuern gleichermaßen den Ländern zugute kommen.
    Ich glaube, daß der Bundesrat mit diesem Vorschlag seinem Ansehen als Bundesorgan keinen besonderen Gefallen getan hat.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Wenn auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung oder an anderer Stelle des Haushalts überhaupt noch Einsparungen erzielt werden können, dann dürfen diese keinesfalls für andere Konsumzwecke ausgegeben werden, sondern sie müssen der Senkung des Anleihebedarfs und damit der Konsolidierung des Haushalts dienen, der immer noch genügend Risiken und Wagnisse enthält. Jede Mark, die wir so einsparen, vermindert die drückende Zins- und Tilgungslast in kommenden Jahren und gibt uns um so eher die Möglichkeit, statt immer nur Haushaltssicherung zu betreiben, wieder neue politische Schwerpunkte zu setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)




    Windelen
    Lassen Sie mich noch wenige Worte zur Frage der Subventionen sagen. Hierauf richteten sich bei der notwendigen Bereinigung des Haushalts die größten Hoffnungen und Erwartungen bei allen Fraktionen. Hohe Millionen-. und Milliardenbeträge sollten hier kurzfristig herausgewirtschaftet werden. Mein Kollege Dr. Althammer und auch ich warnten damals schon vor übertriebenen Vorstellungen. In Zeiten raschen Strukturwandels sind Subventionen auch in einer Marktwirtschaft legitime Mittel. So hören wir nun vom Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede, daß die Subventionen 1968 trotz aller Einschränkungen auf einigen Gebieten noch ansteigen werden, besonders als Folge der Eingliederung der Landwirtschaft in die EWG oder wegen der Probleme des Bergbaus und wegen größerer Verpflichtungen aus dem Sparprämiengesetz. Diese Steigerungen sind sicher unabweisbar. Aber das enthebt uns nicht der Verpflichtung, die Subventionen in anderen Bereichen um so kritischer zu prüfen. Insofern sind wir dem Bundesfinanzminister dankbar für seine Zusage, den Subventionsbericht, der nach § 12 des Stabilitätsgesetzes alle zwei Jahre dem Parlament vorzulegen ist, noch in diesem Jahr abzuschließen. Wie schwer es im übrigen ist, auch nur eine einzige Vergünstigung abzubauen, erleben wir jetzt wohl in der Frage der Besteuerung der Kreditinstitute.
    Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wenn man ehrlich ist, kann man der Bundesregierung die Anerkennung für ihre Gesamtkonzeption nicht versagen.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

    In Einzelheiten mag Kritik berechtigt sein. Aber man muß sehen, daß eine Lösung, die alle Teile befriedigt, im Hinblick auf die starke Dynamisierung der konsumtiven Ausgaben einfach nicht möglich war. Die Bundesregierung mußte versuchen, angesichts der vorhandenen Gegensätze zu einem Kompromiß zu kommen. Nach der Reaktion, die durch die Kabinettsbeschlüsse in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, muß man annehmen, daß es kaum jemanden gibt, der nicht betroffen wurde. Diese Feststellung soll keineswegs hindern, im Laufe der Beratung sehr gründlich zu prüfen, ob es und wo es noch bessere Lösungen gibt. Ich habe keine Illusionen, der Spielraum wird nicht sehr groß sein. Das Finanzänderungsgesetz 1967 muß zwingend vor Schluß dieses Rechnungsjahres in Kraft treten. Um die Bundesfinanzen zu sichern, bleibt nur wenig Zeit für die Beratung. Alles hängt deshalb davon ab, daß die Fraktionen, daß die Ausschüsse unverzüglich und zügig an die Arbeit gehen. Nachdem sich erste deutliche Zeichen einer wirtschaftlichen Erholung zeigen, gilt es nun, durch rasche und reibungslose Verabschiedung von Finanzänderungsgesetz und Bundeshaushaltsplan 1968 die solide Grundlage für einen dauerhaften Aufschwung unserer Volkswirtschaft und eine sichere Zukunft unseres Volkes zu schaffen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)