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ID0512821500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Inhalt: Begrüßung einer Vertretung des dänischen Parlaments unter Führung seines Präsidenten 6444 C Abg. Härzschel tritt in den Bundestag ein 6441 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 6441 A Amtliche Mitteilungen 6441 B Fragestunde (Drucksachen V/2188, V/2206) Frage des Abg. Genscher: Tarifkonflikt der Metallindustrie Nordwürttembergs-Nordbadens Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär- 6441 B Genscher (FDP) . . . . . . . . 6441 C Dr. Staratzke (FDP) 6442 A Matthöfer (SPD) . . . . . . . 6442 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . 6442 C Ertl (FDP) . . . . . . . . . 6442 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 6443 A Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 6443 B Dr. Friderichs (FDP) 6443 C Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 6444 A Dr. Dahlgrün (FDP) . . . . . 6444 B Fragen der Abg. Rawe und Schlager: Verhalten des hessischen Generalstaatsanwalts im Falle der Ausstellung des „Braun-Buches über Kriegs- und Naziverbrecher" Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6444 D Rollmann (CDU/CSU) 6445 A Schlager (CDU/CSU) 6445 A Dr. Klepsch (CDU/CSU) 6446 A Matthöfer (SPD) 6446 B Damm (CDU/CSU) . . .. . . . 6446 C Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 6446 C Lenze (Attendorn) (CDU/CSU) . 6447 A Zoglmann (FDP) 6447 B Genscher (FDP) 6447 C Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 6447 D Schoettle, Vizepräsident . . . . 6448 A Frage der Abg. Frau Freyh: Verbesserung der Studienförderung nach dem Honnefer Modell Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6448 A Frau Freyh (SPD) 6448 B Westphal ,(SPD) 6448 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 Fragen der Abg. Frau Renger und Kaffka: Teilzeitbeschäftigung von Beamtinnen Schoettle, Vizepräsident . 6449 A, 6449 B Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 6449 B, 6452 C Frau Renger (SPD) 6449 D Frau Freyh (SPD) - 6450 A Frau Funcke (FDP) 6450 C Dr. Müller (München) (SPD) . . 6451 A Moersch (FDP) 6451 B Frau Dr. Schwarzhaupt (CDU/CSU) 6451 C Frau Eilers (SPD) . . . . . . . 6452 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 6452 A Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 6452 B Fragen der Abg. Frau Eilers: Weibliche Beamte des höheren Dienstes und weibliche Angestellte in vergleichbaren Dienststellungen in den Personalabteilungen der obersten Bundesbehörden Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 6453 A Frau Eilers (SPD) . . . . . . 6453 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Feststellung bzw. Verfolgung von Verbrechen an deutschen Soldaten, Kriegsgefangenen und deutschen Vertriebenen Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6453 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6453 D Dr. Czaja (CDU/CSU) 6454 B Frage des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Vorschlag der Seliger-Gemeinde zur Bildung einer neutralen Kommission zur Untersuchung des auf deutscher und tschechoslowakischer Seite geschehenen Unrechts Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister 6454 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 6454 C Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Erlaß einer einstweilige Anordnung a) dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen auf Grund des Parteiengesetzes zu erteilen, b) dem Herrn Bundesfinanzminister zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten, c) den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes bereits empfangen haben, nicht zu verfügen — Drucksache V/2190 — 6454 D Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht i . Antrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) auf Feststellung ,der Vereinbarkeit der §§ 18, 34 und 35 sowie 39 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) 2. Antrag der Deutschen Friedens-Union (DFU) auf Feststellung, daß die §§ 18, 20, 21, 34 und 35 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) verfassungswidrig und nichtig sind 3. Antrag der Europäischen Föderalistischen Partei Deutschlands (Europa-Partei) auf Feststellung, daß § 2 Abs. 2, §§ 5, 18, 25 und 34 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstoßen — Drucksache V/2191 — . . . . . . 6455 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968 (Haushaltsgesetz 1968) (Drucksache V/2150) — Erste Beratung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil — Finanzänderungsgesetz 1967 (Drucksache V/2149) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Verbilligung von Gasöl für Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verbilligungsgesetz — Landwirtschaft) (Drucksache .V/2194) — Erste Beratung —, mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bildung eines Rates für Finanzplanung (Finanzplanungsrat) (Drucks ache V/2134) und mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Einsetzung einer unabhängigen Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 III Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer Reform der direkten und indirekten Steuern (Drucksache V/2164) Dichgans (CDU/CSU) zur GO . . . 6455 D Schoettle, Vizepräsident, zur GO . 6456 A, 6456 C Schulte (SPD) zur GO 6456 C Dr. Haas (FDP) . . . . . . . 6457 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 6462 D Windelen (CDU/CSU) 6472 A Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 6477 C Röhner (CDU/CSU) 6480 A Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 6482 C Dr. Miessner (FDP) 6484 D, 6486 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 6485 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 6486 A Ertl (FDP) 6487 A Wurbs (FDP) 6488 B Nächste Sitzung 6489 C Anlage 6491 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 6441 128. Sitzung Bonn, den 25. Oktober 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 27. 10. Dr. Arnold 25. 10. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 25. 10. Bauer (Wasserburg) 28. 10. Behrendt * 27. 10. Bergmann * 27. 10. Blachstein ** 25. 10. Blumenfeld ** 25. 10. Böhm 3. 11. Dr. Dittrich * 27. 10. Draeger ** 25. 10. Frau Dr. Elsner 27. 10. Dr. Emde 27. 10. Flämig ** 25. 10. Frau Geisendörfer 26. 10. Gerlach* 27. 10. Gibbert 27. 10. Haase (Kellinghusen) 28. 10. Hamacher 27. 10. Dr. Hellige ** 25. 10. Herold ** 25. 10. Hussong 27. 10. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der WEU Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ils 25. 10. Jacobi (Köln) 26. 10. Dr. Jungmann 31. 10. Kahn-Ackermann ** 25. 10. Dr. Kempfler ** 25. 10. Kiep 27. 10. Klinker * 25. 10. Dr. Kopf ** 25. 10. Kriedemann * 26. 10. Kunze 31. 10. Lemmer 25. 10. Lenz (Brühl) 31. 10. Lenze (Attendorn) ** 25. 10. Liehr 10. 11. Dr. von Merkatz 3. 11. Merten 31. 10. Mertes 25. 10. Müller (Aachen-Land) * 27. 10. Paul 27. 10. Pöhler ** 25. 10. Dr. Rutschke ** 25. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 10. Dr. Schulz (Berlin) 30. 11. Dr. Starke (Franken) 25. 10. Steinhoff 27. 10. Strohmayr 26. 10. Stücklen 25. 10. Weimer 25. 10. Frau Dr. Wex 25. 10.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christian Albrecht Haas


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Zunächst ein einleitendes Wort zur Volumensmehrung des Haushalts 1968 gegenüber dem Kernhaushalt 1967, und nur dieser kann zum Vergleich herangezogen werden, nicht der durch zwei Investitionsprogramme aufgestockte Haushalt 1967. Nach unserer Rechnung beträgt diese Mehrung 9,1 %, nach der Rechnung des Herrn Bundesfinanzministers 8,2 %. Die rechnerische Differenz ist nicht ganz unwichtig. Wichtig ist aber die in jedem Fall zu hohe Volumensmehrung.
    Das Produktionsvolumen der ersten acht Monate des Jahres 1967 ist im Verhältnis zum Produktionsvolumen der ersten acht Monate des Jahres 1966 um 4,8 % zurückgegangen. Das Bruttosozialprodukt ist in denselben acht Monaten von 1967 praktisch unverändert geblieben — nämlich je 228 Milliarden DM —, ebenso auch die Steuereinnahmen des Bundes; die Minderung gegenüber 1966 beträgt nur 0,2 %.
    Nun gibt es zwar in jüngster Zeit seitens der deutschen Konjunkturforschungsinstitute optimistische Einschätzungen der konjunkturellen Entwicklung des Jahres 1968. Diesen Optimismus scheint sich der Herr Bundesfinanzminister zu eigen gemacht zu haben. Offenbar erwartet er den von diesen Instituten für das erste Halbjahr 1968 vorausgesehenen Bruttosozialproduktzuwachs von real 5,5 % und nominal 6,8 %. Dann wäre das Hineinpumpen von vielen Milliarden DM an Investitionen in die Wirtschaft wenigstens nicht wirkungslos geblieben. Das aber, was diese Milliardenhilfe in erster Linie bezwecken sollte, nämlich den in die Privatwirtschaft überspringenden Funken zu erzeugen, dürfte nach den bisherigen Erkenntnissen kaum erfolgen. Dort aber liegt die konjunkturelle Schlüsselposition, der dynamische Faktor in jedem Konjunkturwachstumszyklus überhaupt, nämlich bei den Ausrüstungsinvestitionen der Privatwirtschaft. Es ist auch nicht einzusehen, wie sie sich wesentlich verstärken sollte, zumal da doch die Ertragslage der privaten Unternehmungen im ersten Halbjahr 1967 erheblich abgenommen hat. Das gilt ebenso für die Nettoinvestition als auch für die Ersatzinvestition als auch für die Geldvermögensbildung. Alle drei Faktoren sind aber seit dem Jahre 1965 rückläufig. Die bekannte Unterkapitalisierung der deutschen Wirtschaft hat sich also verstärkt. Im Durchschnitt hat die deutsche Wirtschaft eben zuwenig Möglichkeiten, Rücklagen zu bilden. Angesichts dieser wirtschaftspolitischen Gesamtsituation ist die genannte Volumensmehrung von 9,1 % haushaltspolitisch nicht zu verantworten.
    Die haushaltspolitische Misere von heute ist bekannt. Man kann sagen, daß bei ihrer Größe ein Rückblick ziemlich unfruchtbar wäre. Aber ich vertrete nicht diese Auffassung. Gerade weil die Schwierigkeit der Haushaltslage von heute so groß ist, müssen die Fehler der Vergangenheit gesucht, ausgemacht und für die Zukunft vermieden werden; sonst kann unsere Haushaltssituation nicht gesunden.

    (Beifall bei der FDP.)

    Hier ist nun folgendes feststellbar:
    Die Ursachen für die Defizite in den Rechnungsergebnissen des Haushaltsjahres 1962 und der folgenden Haushaltsjahre lagen nicht in einem zu geringen Steueraufkommen oder in einer unabänderlichen Zwangsläufigkeit der Bundesausgaben, sondern in der mangelnden Berücksichtigung der in Zukunft auftretenden Bedürfnisse und vor allem in einer hemmungslosen Ausgabenwirtschaft. Jedem Einsichtigen muß klar sein, daß bei überschäumender Konjunktur und einer Belastung des Sozialprodukts mit Steuern, das innerhalb der EWG absolut und in der westlichen Welt eine Spitzenstellung einnimmt, eine dennoch defizitäre Haushaltswirtschaft des Bundes nur den Schluß zuläßt, daß wir von der Ausgabenseite her über unsere Verhältnisse leben und gelebt haben.
    So wörtlich auf Seite 3 des Heftes 95 des Instituts Finanzen und Steuern.
    Dabei fehlte es durchaus nicht an warnenden Worten. Die beiden Bundesfinanzminister der FDP z. B. haben solche mehrfach gesprochen. Herr Dr. Starke hat 1961 und 1962 wiederholt mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hingewiesen, die laufende Ausgabenmehrung des Bundes einzuschränken. Er betonte auch die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und forderte eine Rangordnung für die öffentlichen Ausgaben. Näheres kann in Dr. Starkes Haushaltsrede 1962 nachgelesen werden.
    Herr Dr. Dahlgrün hat in seinem zum 1. Februar 1966 abgeschlossenen Finanzbericht 1966 die Finanzierungslücke etwa des Jahres 1969 mit 6,9 Milliarden DM bis 7,9 Milliarden DM beziffert und beschwörend erklärt, daß es zur Beseitigung der Finanzierungslücken der nächsten Haushalte einschneidender Maßnahmen und tiefgreifender Umstellungen auf der Ausgabenseite bedürfe. Näheres kann auf Seite 97 dieses Berichtes nachgelesen werden. Es heißt dort wörtlich:
    Alle Ausgabenansätze, und zwar auch die, welche bisher als politisch unantastbar angesehen wurden, müssen daraufhin untersucht werden, ob sie zur Erhaltung unseres Staatswesens und zur Zukunftssicherung unabweisbar sind.
    Und so weiter.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Aber in diesem Zeitpunkt war der Großteil der haushaltspolitischen Sünden bereits begangen. Der sogenannte Juliusturm mit seinen über 7 Milliarden DM Ersparnissen war vom sogenannten „Kuchenausschuß" dieses Hohen Hauses verplant und verteilt, nicht nur durch die Wahlgeschenk-Gesetzgebung des Wahljahres 1957, sondern auch durch eine sehr tiefgreifende sozialpolitische Gesetzgebung vor allem des Jahres 1956. Die FDP hat damals wohlüberlegt gegen die Rentenautomatik gestimmt, weil sie daran dachte, daß dieses Haus dann auf



    Dr. Haas
    lange Sicht oder für immer der Gefangene dieser Automatik sein würde. Und das ist geschehen.

    (Beifall bei der FDP. — Abg. Matthöfer: Gott sei Dank, daß wir mit ihnen keine Koalition gemacht haben!)

    Die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben des Bundes, die wir so sehr beklagen und die unsere haushaltspolitische Lage von heute so fatal gemacht hat, ist nicht zuletzt das Ergebnis der ausgabewirksamen Gesetze dieses Hohen Hauses vor allem der Jahre 1956 und 1957.

    (Zustimmung bei der FDP.)

    Leider hat der damalige Bundeskanzler Adenauer den ihm unbequemen Herrn Schäffer auf die Rosenburg versetzt. Sein großenteils kranker Nachfolger Dr. Etzel stellte laut Finanzbericht 1956 fest, daß die effektiven Ausgaben des Haushaltsjahres 1956 gegenüber dem Jahre 1955 mit einer Steigerung von 24,3 % eine geradezu sprunghafte Vermehrung der Bundesausgaben gebracht hätten. Aber nun war es eben passiert. Eigentlich hätten nun wahrhaftig keine neuen Sünden mehr begangen zu werden brauchen. Aber sie wurden vor allem im Wahljahre 1965 gleichwohl begangen, und zwar unter tatkräftiger Assistenz der damaligen Opposition, nämlich der SPD.
    Gleich nach dem Zusammentritt dieses Bundestages war der Katzenjammer offenbar geworden. Es wurde das Haushaltssicherungsgesetz 1965 aufgelegt, das eine Deckungslücke von rund 7 Milliarden DM zu beseitigen hatte. Es war zum Teil ein Schritt in der richtigen Richtung, zum Teil — nämlich in Höhe von 2 Milliarden DM — freilich nur ein Bündel von dilatorischen Maßnahmen, das neue Belastungen nur um ein Jahr hinausschob und deshalb die folgenden Haushalte zusätzlich belastete.
    Es kann nicht wundernehmen, daß mit der Vergrößerung der Deckungslücke ein Jahr später auch die Schwierigkeiten in der Koalition wachsen mußten. Die FDP legte eine lange Liste von Haushaltskürzungen vor, welche die damals mit rund 4 Milliarden DM geschätzte Deckungslücke ohne Steuererhöhungen geschlossen hätte. Die CDU/CSU freilich nannte dieses Programm von wohlüberlegten Kürzungen soziale Demontage und holte sich einen anderen Koalitionspartner, der auch durchaus zu Steuererhöhungen bereit war.

    (Beifall bei der FDP.)

    Es begann ganz harmlos mit der Sektsteuer, dann kam die Erhöhung der Branntweinsteuer, der Mineralölsteuer und der Tabaksteuer. Schließlich erfolgte nach einiger Zeit die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 % schon in einem Zeitpunkt, in dem das neue Mehrwertsteuergesetz noch gar nicht in Kraft getreten war. Dabei bedeutet aber eine 1%ige Erhöhung des Steuersatzes nach der Größenordnung dieser Steuer immerhin 3 Milliarden DM. Zur Zeit ist die Einführung der 3%igen Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, gefordert vor allem von der SPD, geplant; sie ist für bestimmte Einkommen und ohne zeitliche Begrenzung vorgesehen. Bestrebungen von
    Teilen der Koalition, diese Ergänzungsabgabe sogar auf 5 % zu erhöhen, scheinen vorerst keinen Erfolg zu haben.
    Ein Großteil dieser Steuererhöhungen war möglich, obwohl der Herr Bundesfinanzminister, teilweise auch der Herr Bundeswirtschaftsminister, immer wieder beteuerte, daß Steuererhöhungen oder weitere Steuererhöhungen nicht mehr in Frage kämen. Wer kann da noch auf ein Ministerwort vertrauen?
    Auch jetzt wieder erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister in Frankfurt, daß es endgültig Schluß sei mit weiteren Steuererhöhungen. Aber gleichzeitig forderte sein Kabinettskollege Leber Steuererhöhungen für den Straßengüter- und den Werkfernverkehr. Das ist wahrhaftig ein schlimmer Katalog und eine traurige steuerpolitische Bilanz dieser Großen Koalition für das erste Jahr ihrer gemeinsamen Arbeit.
    Gut, diese Koalition hat die bereits von Finanzminister Dahlgrün vorgelegte fünfjährige Finanzvorausschau institutionalisiert als mittelfristige Finanzplanung — erstmals leider nicht für fünf, sondern nur für vier Jahre — und in deren Rahmen ihren Willen zu einer antizyklischen Finanzgebarung demonstriert, sehr lebhaft sogar; wir fürchten, zu lebhaft. Aber darüber später.
    Zunächst ein Wort zu den Ausgabekürzungen. Auf sozialpolitischem Gebiet ist ein reiches Bukett vorhanden, aber gewiß keine Maßnahmen einer organischen Konzeption: Kürzung der Haushaltszuschüsse zu den Rentenversicherungen, Beteiligung der Rentner an den Beiträgen zur Krankenversicherung, Begrenzung beim Kindergeld, beim Mutterschaftsgeld, bei der Kriegsfolgengesetzgebung und anderes mehr. Man sieht einen bunten Teppich aus vielerlei Stücken. Vielleicht ist auch ein wenig talentierter Wünschelrutengänger über die sozialpolitische Wiese gegangen und hat einfach die Ausschläge der Rute registriert. Keine Worte findet der Herr Bundesfinanzminister zu den wirklich dringenden Problemen unserer Sozialpolitik, etwa zur Rentenautomatik. Nur die unrichtige Behauptung, daß die 4 %ige Beteiligung der Rentner an den Kosten der Rentenversicherung dazu dienlich sei, die bisherige Rentenformel aufrechtzuerhalten, wird gebracht. Kein Wort darüber, daß die vorgesehenen Steigerungen der Beitragssätze zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten von zur Zeit 14 auf 17 % bis 1970 und die sonstigen vorgeschlagenen Maßnahmen in den nächsten vier Jahren zusammen die Arbeitgeber zusätzlich um 12,6 Millarden DM belasten. Für die Arbeitnehmer bedeutet diese Maßnahme eine Reduzierung ihrer Einkommen in gleicher Höhe. Beide Belastungen wirken bestimmt nicht antizyklisch, sondern sehr prozyklisch, ebenso wie die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer.
    Nun glaubt der Herr Bundesfinanzminister, daß auch diese Verlagerung von Bundeshaushaltslasten in die Haushalte der Beitragspflichtigen dazu dienen könnte, die Leistungspflichten der Sozialversicherungen bis 1971 aufrechtzuerhalten. Wir fragen aber:
    Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 128, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Oktober 1967 6459
    Dr. Haas
    Erstens. Hat der Herr Bundesfinanzminister bedacht, daß es 1971 2 Millionen Rentner und Pensionäre in der Bundesrepublik mehr geben wird als heute?
    Zweitens. Hat der Herr Bundesfinanzminister bedacht, daß es 1971 eine halbe Million Arbeitskräfte weniger geben wird als heute?
    Drittens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß seine Annahme, wonach ein ausgeglichenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten vorhanden sei, höchst zweifelhaft ist? Weiß er, daß der Verband der Rentenversicherungsträger folgende Defizite errechnet: 1968 1,5 Milliarden DM, 1969 1,8 Milliarden DM, 1970 1,9 Milliarden DM, 1971 3,3 Milliarden DM, insgesamt also für diese vier Jahre 8,5 Milliarden DM? Es ist selbstverständlich, daß dann, wenn bei gleichen Grundannahmen im Endergebnis solche Differenzen entstehen, den Dingen in den Ausschüssen eingehend nachgegangen werden muß. Andernfalls müßte sich das Parlament den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen, wenn es Ergebnisse, die in diesem Umfang bestritten sind, ungeprüft hinnehmen würde.
    Viertens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß die oben erwähnte Schere bei den Einnahmen und Ausgaben des Bundes gerade bei der Rentenautomatik besonders gefährlich weit geöffnet ist, so daß nichts dringlicher erscheint als die Reform der Rentenreform, wenn man nicht Gefahr laufen will, daß die Rentenversicherungen schon in einigen Jahren zahlungsunfähig werden?
    Fünftens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, die Deutsche Bundesbank, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Verband der Lebensversicherungsunternehmen die Annahmen der Bundesregierung über die zusätzlichen Beitragseinnahmen aus der Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze für Angestellte für übertrieben hoch halten? Die errechneten Differenzen betragen jährlich mehrere hundert Millionen DM. Die Bundesregierung sagt, es seien 636 Millionen DM, die anderen Institute sagen, es seien maximal 400 Millionen DM pro Jahr.
    Sechstens. Weiß der Herr Bundesfinanzminister, daß sowohl seine sozialpolitischen Kürzungsmaßnahmen als auch seine Steuererhöhungen nicht nur nicht antizyklisch wirken, sondern speziell den sogenannten kleinen Mann, den kleinen und mittelständischen Unternehmer, besonders hart treffen? Im Zeitalter der Unternehmenskonzentration müßte alles getan werden, um einer breiten Schicht mittelständischer Menschen den Lebensraum nicht noch weiter zu verengen.

    (Beifall bei der FDP.)

    Das ist nach unserer Meinung vor allem eine staatspolitische Notwendigkeit. Die NPD ist ja nicht von ungefähr gekommen. Vergessen wir nicht, daß vor allem der in seiner Existenz auf das äußerste be-
    drohte deutsche Kleinbürger der Jahre 1930 bis 1933 es gewesen ist, der den Nationalsozialismus gemacht hat! Manche Parallelität zwischen heute und den unheilschwangeren Jahren von damals läßt sich leider feststellen. Eine leichte Rezession hat genügt, die Extremisten links und rechts zu einem erheblichen Anwachsen zu bringen. Wenn wir glaubten, mit staatspolitischer Erziehung Boden gewonnen zu haben, so war das leider eine weitgehend trügerische Annahme. Selbst große Teile unserer studentischen Jugend beweisen beinahe tagtäglich, daß nicht rationale, sondern emotionale Überlegungen ihr Handeln bestimmen.
    Der Herr Bundesfinanzminister ist sich des unorganischen Charakters seiner Kürzungen auf sozialpolitischem Gebiete auch durchaus bewußt. Er sagte wörtlich:
    Es soll nicht geleugnet werden, daß die vorgesehenen sozialpolitischen Maßnahmen das Ergebnis eines politischen Kompromisses sind.
    Nun, wenn Sie es nicht gesagt hätten, Herr Minister, hätten wir es auch gewußt! Und auch den pompösen Nachsatz hätten Sie sich sparen können, der wörtlich lautet:
    Das darf jedoch über die positiven, in die Zukunft weisenden Komponenten nicht hinwegtäuschen.
    Nichts, gar nichts an Ihrer Programmatik weist in die Zukunft!

    (Beifall bei der FDP.)

    Allenfalls ist Ihr Wille feststellbar, demnächst wieder auf dem Felde der Sozialpolitik einsammeln zu gehen, aber hoffentlich nicht in Anlehnung an das Bibelwort: Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie sammeln doch in die Scheuern!
    Die Pferdefüße Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sind Ihnen, Herr Finanzminister, ebenfalls zur Genüge bekannt. Sie verteidigen die bisher erfolgten Haushaltsausweitungen, die bei Bund, Ländern und Gemeinden zusammen nach dem ersten und dem zweiten Investitionshilfeprogramm und mit Hilfe von zinslosen Darlehen zusammen runde 15 Milliarden DM innerhalb kurzer Zeit in die öffentlichen Haushalte hineinpumpen. Sie weisen auf die Höhe der kurz- und langfristigen Neuverschuldung und auf die Höhe des Zinsendienstes hin. Sie halten die exorbitante Höhe der Neuverschuldung gleichwohl für gerechtfertigt und geben der Hoffnung Ausdruck, daß es gelingt, einen größeren Teil der kurzfristig aufgenommenen Darlehen zu konsolidieren. Aber auch wenn dies gelingt, bleiben die Tatsache der stark angestiegenen Bundesschuld, die Verpflichtung zu ihrer Abdeckung und die Höhe des Zinsendienstes für lange Jahre bestehen.
    Wir glauben gern, daß Sie nach Konsolidierung streben. Denn würde die kurzfristige Neuverschuldung in ihrer Höhe bestehenbleiben, dann hätten Sie nach Ihren Planungen für 1972 und 1973 für deren Tilgung und für die Abdeckung der Prolongationen rund 8 bzw. 6 Milliarden DM in diesen beiden Jahren zu leisten. Daß der Bund das niemals kann, ist klar, es sei denn, das goldene Zeitalter wäre 1972 und 1973 ausgebrochen, im ersten und



    Dr. Haas
    zweiten Jahr nach dem Ablauf der ersten Finanzplanung! Aber was dann, wenn sich im nächsten Jahr herausstellen sollte, daß der eingangs erwähnte Zündfunke in dem privaten Wirtschaftssektor tatsächlich nicht übergesprungen ist und daß das Gespenst der Rezession nach wie vor vor der Türe steht? Wird dann der Bundeswirtschaftsminister nicht mit einem dritten und vierten Investitionshilfeprogramm kommen und das Kabinett es aus Angst vor dem Sichtbarwerden der Rezession — womöglich im Jahr der Bundestagsneuwahl! — nicht wieder bewilligen? Werden Sie auch dann noch behaupten, daß Sie nicht gewillt seien, verstärktes Wachstum durch schleichende Inflation zu erkaufen?

    (Beifall bei der FDP.)

    Herr Finanzminister, ich glaube, daß die von Ihnen in Ihrer Rede vorgenommene Aufteilung der deutschen Nachkriegswirtschaftsgeschichte in die drei Jahrfünfte von 1950 bis 1955, von 1955 bis 1960 und 1960 bis 1965 recht aufschlußreich ist. Sie selbst weisen für diese drei Zeiträume Rückgänge des realen Bruttosozialprodukt-Zuwachses von reichlich 9 % auf 6,5 % und auf 4,8 % aus. Was ist natürlicher, als daß das weitere Absinken dieser Zuwachsraten gar nicht in erster Linie als mehr oder minder starke Rezession unserer Wirtschaft, sondern vor allem als die verstärkte Abflachung der konjunkturellen Anstiegskurve aufzufassen ist? Dann hätten wir also gar nicht die von Ihnen und dem Herrn Bundeswirtschaftsminister behauptete exzeptionelle Lage einer starken Rezession, die Sie zu so abnorm hohen Investitionsspritzen unter antizyklischen Vorzeichen zwingen würde! Dann würden wir also wiederum in gefährlicher Weise auch jetzt über unsere Verhältnisse leben, und zwar ohne jede Hoffnung darauf, daß die angekurbelte oder wieder befestigte Wirtschaft uns jemals die Milliardenbeträge zurückgeben könnte, die wir heute angeblich antizyklisch in sie hineingeben! Hoffentlich ist der Ruf „quelle terrible vision" unbegründet. Leider habe ich das Gefühl, daß sich ein Teil dieser Vorstellungen vielleicht schon im nächsten, vielleicht auch erst im übernächsten oder überübernächsten Jahre bewahrheitet. Ich hoffe es jedenfalls nicht, und die ganze Opposition hofft es nicht, und zwar schon aus den oben erwähnten staatspolitischen Aspekten, denen auch wir uns verhaftet fühlen. Es wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn dann Sie, Herr Bundesfinanzminister, als. der Bundesfinanzminister der Inflation und wenn der Herr Bundeskanzler als der Bundeskanzler der Inflation bezeichnet würden. Aber unerträglich wäre ganz gewiß eine neuerliche Inflation, wenn man sich vor Augen hält, mit welch schmerzlichen Verlusten und Verzichten die Deutsche Mark 1948 geboren wurde und was die Erhaltung ihrer Kaufkraft für das ganze deutsche Volk bedeutet.

    (Beifall bei der FDP.)

    Wir befürchten allerdings, daß Sie, Herr Minister, und das ganze Kabinett sich bereits in einem sehr schnell fahrenden Zuge befinden, der nicht mehr zum Anhalten und nur schwer zu einer Geschwindigkeitsminderung gebracht werden kann, auch wenn Sie den Willen dazu haben, was wir Ihnen gern unterstellen wollen. Wir wissen auch, wie rasch — leider! — in der Politik das „Kreuziget!" dem „Hosianna" folgt, wie auch umgekehrt manchmal das „Kreuziget!" von einem neuen „Hosianna" abgelöst wird. Wie sehr hat gerade der von ihrer Fraktion vor Jahresfrist im Stich gelassene frühere Herr Bundeskanzler inzwischen — zwar nicht bei Ihnen, aber doch schon weitgehend in der Öffentlichkeit — zumindest moralisch ein Comeback feiern können, was wir ihm gerne gönnen.
    Nicht umsonst haben wir zum Zweiten Investitionshilfeprogramm vor allem wegen seines Volumens nein gesagt. Freilich gefielen uns auch andere Dinge nicht. Viele der investiven Maßnahmen waren keineswegs vordringlich oder besonders notwendig. Teilweise handelte es sich um jahrelang fein ausgearbeitete und in gewissen Referenten-Schubläden schlummernde Ladenhüter. Wenn nur wenigstens das System, das der bayerische Finanzminister Pöhner bei den investiven Maßnahmen für seinen Landesbereich angewandt hat, auch im Bund Platz gegriffen hätte! In Bayern wurden nämlich die für das folgende Haushaltsjahr vorgesehenen Investitionen in die neu aufgelegte Investitionshilfe übernommen, so daß dann wenigstens für das kommende Haushaltsjahr Luft geschaffen wurde.
    Über das Verhältnis von Stabilität und Wachstum gehen die Meinungen auseinander. Wir, die FDP, fordern Wachstum durch Stabilität oder Wachstum aus der Stabilität. Das frühere Kabinett sagte: Stabilität und Wachstum und brachte schon damit zum Ausdruck, daß es die Stabilität für vorrangig halte. Bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister werden wir den Verdacht nicht los, daß er das von ihm vorrangig gewünschte Wachstum thermostatisch steuern will, um einen Ausdruck zu gebrauchen, den Herr Abs bei dem kürzlichen Jubiläum seines Ministeriums verwandt hat. Eine solche Steuerung aber ist schon deshalb unmöglich, weil von der Analyse unserer wirtschaftlichen Lage bis zur Festlegung der korrigierenden Impulse und bis zur Hereingabe von geldlichen Beihilfen 'in die Wirtschaft oder deren Herausnahme ein Zeitablauf von mindestens 8 bis 9 Monaten vergeht. Mit diesem gerade in gefährlichen Situationen besonders empfindlichen zeitlichen Verzug kann also bestenfalls der Thermostat der Wirtschaft bedient werden. Bis dahin mindestens läuft der oben erwähnte Zug mit der alten Geschwindigkeit weiter. Eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle!
    Der Herr Bundesfinanzminister hat eine Reihe von anderen Problemen angesprochen, auf die teilweise meine Kollegen Peters, Spitzmüller, Mischnick und andere eingehen werden. So z. B. hat er auf die Schwierigkeiten bei der EWG-Finanzierung hingewiesen. Seit Jahren haben wir unsererseits die hierfür ausgebrachten haushaltsmäßigen Belastungen herausgestellt. Jetzt soll gespart werden. Aber die finanziellen Verpflichtungen gegenüber Brüssel bleiben als feste Größenordnung bestehen. Zwangsläufig müssen also jetzt die Förderungsmaßnahmen für die heimische Landwirtschaft gekürzt werden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat sich zur raschen Durchführung der großen Finanzreform, und



    Dr. Haas
    zwar noch in dieser Legislaturperiode, bekannt. Wir begrüßen diese Erklärung, wiewohl wir bei der Größe und Schwierigkeit der hier zu lösenden Probleme nicht glauben, daß das Wunschbild des Herrn Finanzministers in Erfüllung geht. Leider!
    Auch wir 'bekennen uns zu ,dem Grundsatz eines kooperativen Föderalismus. Aber wir sehen schon im Falle ,der im Grundgesetz auszubringenden Enumeration der Gemeinschaftsaufgaben, welche Schwierigkeiten sich hier auftürmen. Nur zwei von Ihnen vorgeschlagene Gemeinschaftsaufgaben sind bisher von den Ländervertretungen akzeptiert worden, nämlich der Aus- und Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen und .die Förderung ,der wissenschaftlichen Lehre sowie die regionale Wirtschaftsförderung. Für den Rest wird es noch eine lange und wahrscheinlich teilweise auch endgültig ablehnende Diskussion geben. Dabei gehen die Bedenken der Länder nicht nur dahin, daß sie nunmehr ihre Kompetenzen auf vielen Gebieten, auf denen sie bisher die Alleinzuständigkeit hatten, mit dem Bund teilen sollen, sondern auch dahin, daß häufig eine für beide Teile unerquickliche Mischverwaltung entstehen kann. Hier soll offensichtlich der neu zu schaffende Finanzplanungsrat dem Bundesfinanzminister Hilfestellung leisten. Wir verhehlen nicht, daß wir gegen die Institutionalisierung neuer Räte immer grundsätzliche Bedenken haben, zumal dann, wenn sie durch Gesetze erfolgt. Der Herr Bundesfinanzminister möge uns bitte dartun, warum er mit der Ständigen Finanzministerkonferenz der Länder hier nicht mehr weiterzukommen glaubt. Am Ende hat dieses Haus in jüngster Vergangenheit mit dem Investitionsförderungsvolumen des Stabilitätsgesetzes und seinem Konjunkturrat eine Machtfülle vom Parlament an die Exekutive und an eine außerparlamentarische Institution weggegeben, die bedenklich ist. Die Opposition muß im Prinzip fordern, diesen Weg möglichst nicht weiter zu beschreiten. Vorsicht zumindest wird daher am Platze sein.
    Ein besonders wichtiges Anliegen meiner Fraktion hätte ich noch vorzutragen. Der schon längst eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes liegt als weiterer Gesetzentwurf im Rahmen der Neuordnung des Besoldungsgefüges vor. Mit ihm soll der Bund verfassungsrechtlich ermächtigt werden, in der Besoldung Mindest- und Höchstbeträge festzulegen sowie einheitliche Maßstäbe für den Aufbau der Besoldungsordnung zu schaffen. Die Größe des Besoldungswirrwarrs in Bund und Ländern ist u. a. auch kürzlich bei der Beratung der Besoldungsneuregelung im Haushaltsausschuß des Bundestages zur Genüge besprochen worden. Alle Harmonisierungsbestrebungen sind unnütz vertan, wenn nicht endlich auf diesem wichtigen Gebiet eine verfassungsmäßige Kompetenz des Bundesgesetzgebers hergestellt wird.
    Im Jahre 1963 haben sich leider die Spitzenorganisationen der Beamtenschaft gegen diese Grundgesetzänderung ausgesprochen. Ihre Erklärungen betonen die. föderative Ordnung dieses Gesamtstaates. Aber jeder Kundige weiß, daß der Verdacht besteht, daß die föderative Ordnung dieses Staates von den Beamtenverbänden nur deshalb begrüßt wird, weil sie ihnen die Möglichkeit gibt, immer wieder einzelne Länder zum Vorprellen in der Besoldung zu verleiten und die anderen, häufig finanzschwächeren Länder zum Nachziehen zu zwingen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau das ist es!)

    Im übrigen hat sich meine Fraktion für die Durchführung der Besoldungsreform und die Hereinnahme eines entsprechenden Postens in den Bundeshaushalt ausgesprochen. Denn es ist unseres Erachtens unzumutbar, die Beamtenschaft mit ihren berechtigten Ansprüchen noch weiter zu vertrösten.

    (Abg. Leicht: Dann hätten Sie auch im Haushaltsausschuß so stimmen müssen!)

    Meine Damen und Herren, wenn nun vielleicht Aufforderungen an uns ergehen, genaue Vorschläge für haushaltsmäßige Deckungen zu machen, so glaube ich zunächst, daß Sie dies derzeit füglich nicht von uns verlangen können, weil Sie doch selbst in Ihrem eigenen Bereich bis zur Stunde Unklarheiten über 'den Umfang Ihrer Einsparungen nicht oder kaum 'ausgeräumt haben. Zum anderen darf ich auf die lange Liste von möglichen Einsparungen verweisen, die wir vor Jahresfrist bei der Regierungskrise der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt haben. Darunter befand sich z. B. ,der Vorschlag, in der Einkommensteuer sämtliche Pauschalfreibeträge abzuschaffen, immerhin eine Maßnahme mit einem Effekt von rund 800 Millionen DM.
    Wir glauben auch an erhebliche Einsparungsmöglichkeiten im Verteidigungshaushalt. Um sie beraten zu können und überhaupt aufscheinen zu lassen, haben wir schon vor Monaten die Darlegung einer Verteidigungskonzeption durch den Herrn Bundesverteidigungsminister im Rahmen einer doch wohl geänderten außenpolitischen Situation verlangt. Daß sie bis jetzt noch nicht erstellt wurde, beklagen wir, wobei wir selbstverständlich die Erkrankung des Herrn Ministers berücksichtigen. Wir beklagen auch die Ablehnung unserer Forderung nach einer Verkürzung des Grundwehrdienstes von 18 auf 12 Monate, welche allein gewaltige Einsparungen auf dem Gebiet der Personalausgaben gebracht hätte. Jedenfalls wäre, wenn diese erfolgt wäre, die vom Herrn Finanzminister im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung erwähnte Steigerung der Verfügungssummen von 1967 bis 1971 in Höhe von 3,5 Milliarden DM nicht nötig gewesen. Schon für das Jahr 1968 hätte sich eine Absenkung der 'Verteidigungsausgaben durchführen lassen.
    Herr Finanzminister, Sie wissen, daß ich Ihre rhetorischen Äußerungen mit stets wachsendem Interesse verfolge. Dies gilt auch für Ihre im Bayerischen Rundfunk am 13. September 1967 gehaltene Rede. Es ist geradezu erbaulich, sie zu lesen. Es heißt dort u. a.:
    Es ist noch kein Jahr her, da stand die neugebildete Bundesregierung vor einem schier unüberwindlichen Berg finanzieller und wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Es drohten riesige Finanzierungslücken in den Bundeshaushalten der kommenden Jahre. Die Wirtschaft erlitt einen starken Rückschlag. Das Vertrauen der



    Dr. Haas
    Bevölkerung war erschüttert. Jetzt sind neue tragfähige Fundamente gelegt worden. Der Rückschlag ist aufgefangen. Die allgemeine Richtung stimmt wieder. Es geht weiter aufwärts, wenn auch zunächst nur in kleinen Schritten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Die neue Bundesregierung hat sich als 'handlungsfähig erwiesen. Sie hat planvoll und zielbewußt gehandelt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Zügig ist ein Programm dem anderen gefolgt.

    (Zuruf von der Mitte: Prima!)

    Bereits für das nächste Jahr sagen Sie in dieser Rede eine neue wirtschaftliche Blüte voraus.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.) Sie loben die Koalition, indem Sie sagen:

    Die Vertreter der beiden großen Regierungsparteien haben sich im Kabinett zu einer guten Zusammenarbeit gefunden,

    (Zuruf von der FDP: Das sieht man!)

    und schon heute kann die Regierung mit einer gewissen Befriedigung auf das Erreichte zurückschauen. Wir sind aus dem Gröbsten heraus.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Endlich heißt .es dort:
    Wir können mit einem gewissen Stolz feststellen, daß wir die erste Ernte unter Dach und Fach gebracht haben.
    Herr Finanzminister, verzeihen Sie, wenn wir Ihnen hier doch wohl etwas Wasser in den Wein hineingeben müssen. Bis jetzt haben Sie nämlich noch gar keine Ernte unter Dach und Fach gebracht.

    (Beifall bei der FDP.)

    Sie können allenfalls nur Hoffnungen haben, und wieweit diese sich realisieren lassen, das mag das Erntedankfest des nächsten oder übernächsten Jahres, aber nicht des heurigen erweisen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist schon vorbei!)

    Immerhin halten wir es für fair, daß Sie sich zu der nun einmal bestehenden Koalition bekannt haben, obwohl Ihnen diese tagtäglich sehr erhebliche Kopfschmerzen bereitet.
    Ich darf den von Ihnen gestern verschluckten, aber auf Seite 31 Ihrer Haushaltsrede ausgedruckten Satz hier zitieren:
    Mir ist aber bisher
    — so sagen Sie bei der Behandlung der sozialpolitischen Ausgabenkürzungen —
    keine annehmbare Alternativlösung bekanntgeworden, über die im politischen Raum auch nur annähernd Einigkeit herbeigeführt werden könnte.
    „Im politischen Raum" heißt ja wohl im Rahmen der bestehenden Großen Koalition, die in diesem Hohen Hause eine Bandbreite von 90 % besitzt. Da war der Herr Bundesaußenminister kürzlich schon ehrlicher, als er auf eine entsprechende Frage erklärte, daß er sich etwas Schöneres als die Große Koalition vorstellen könne.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

    In der Tat, diese Koalition ist zu groß, um schön zu sein.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der FDP. — Zuruf von der FDP: Zu schön, um groß zu sein.)

    Wäre sie schön, dann wäre sie wahrscheinlich zu schön, um wahr zu sein.

    (Anhaltende Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

    Natürlich hat Herr Brandt recht: es gibt wirklich schönere Dinge auf dieser Welt als diese Große Koalition, z. B. ein schönes Theater oder ein schönes Konzert, wenn auch nicht in Form einer konzertierten Aktion, die ja jetzt gerade wieder sehr fragwürdig geworden ist. Welchen Preis, meine Damen und meine Herren von der CDU/CSU, haben Sie vor Jahresfrist für diese Zusicherung der konzertierten Aktion seitens des Partners gezahlt? Nun erweist sich dieses Versprechen heute schon weitgehend als Schimäre. Diejenigen, denen „soziale Symmetrie" immer wieder vom Bundeswirtschaftsminister versprochen wurde, wollen offensichtlich nicht mehr warten. Was Wunder, wenn Risse im Gebälk auch Ihrer Finanzpolitik, Herr Bundesminister, sich abzeichnen, um die wir Sie jedenfalls nicht beneiden.
    Die FDP als Oppositionspartei lehnt selbstverständlich den vorgelegten Entwurf des Bundeshaushalts 1968 ab.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Walter Scheel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat wiederholt auf den Zielkonflikt hingewiesen, unter dem unsere Beschlüsse in den Sondersitzungen des Deutschen Bundestages im September gestanden haben. Dieser Zielkonflikt bestand und besteht in seinen Auswirkungen noch heute darin, daß wir Maßnahmen zur Sanierung des Bundeshaushalts in einem Zeitpunkt ergreifen müssen, zu dem von der gesamtwirtschaftlichen Lage her ein expansives Verhalten der öffentlichen Hand erforderlich wäre.
    Wir haben dieser Konfliktsituation durch ein kombiniertes Programm von Ausgabekürzungen und Einnahmeerhöhungen zu begegnen versucht und können schon jetzt — im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner — feststellen, daß dieses Programm erste Wirkungen zeigt. Seit der Jahresmitte 1967 ist der Konjunkturabschwung zum Stillstand gekommen. Es mehren sich die Anzeichen für eine beginnende Erholung und einen baldigen Wiederbe-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    ginn des Wachstums. Das Konjunkturklima hat sich gegenüber der Zeit um die Jahreswende 1966/67 entscheidend gewandelt. Anstelle verbreiteter Krisenfurcht ist wieder eine zuversichtliche Beurteilung der Entwicklungsaussichten getreten.

    (Zuruf von der FDP: Siehe Baden-Württemberg!)

    — Das hat mit der zuversichtlichen Beurteilung der Entwicklungsaussichten nichts zu tun. Ich glaube, in der Fragestunde ist einiges über den Hintergrund dieses höchst bedauerlichen Konflikts zum Ausdruck gekommen.
    Die entschlossene und zielbewußte Konjunkturpolitik der neuen Bundesregierung hat den ausschlaggebenden Anteil an der Beendigung der Rezession und der Wiederherstellung des Vertrauens in eine aufwärtsführende Weiterentwicklung der Wirtschaft.
    Diese Auffassung — davon müßte eigentlich auch die Opposition Kenntnis nehmen, die sich ja selbstverständlich ebenfalls um eine völlig objektive Beurteilung der jetzigen Lage bemüht — wird von den wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstituten bestätigt. In ihrer Gemeinschaftsdiagnose vom 6. Oktober 1967 heißt es dazu:
    Die Industrie steht wieder im Zeichen eines konjunkturellen Anstiegs des Auftragseingangs. Wie die bis zuletzt anhaltende kräftige Zunahme der Inlandsnachfrage nach Investitionsgütern zeigt, hat das Vertrauen auf konjunkturpolitische Aktivität der neuen Regierung die Investitionsneigung, die um die Jahreswende 1966/67 weitgehend erlahmt war, trotz der im allgemeinen geringen Auslastung der Produktionskapazitäten belebt.
    Das erste Konjunkturprogramm des Bundes verhinderte den weiteren wirtschaftlichen Abschwung im ersten Halbjahr 1967.
    Um die Aufwärtsbewegung in Gang zu bringen und zu verstärken, bedurfte es aber der Verabschiedung des zweiten Konjunkturprogramms mit zusätzlichen Investitionen des Bundes, der Länder und der Gemeinden in Höhe von 5,3 Milliarden DM sowie mit verstärkter steuerlicher Entlastung der Altvorräte beim Übergang zur Mehrwertsteuer.
    Niemand kann bestreiten, daß sich die neue Bundesregierung hier etwas hat einfallen lassen. Wer etwa vor einem Jahr in diesem Hohen Hause oder an einer anderen Stelle erklärt hätte, daß in einer solchen Situation die Bundesregierung bereit sei, aus ERP-Mitteln 500 Millionen DM den finanzschwachen Gemeinden zur Verfügung zu stellen, der wäre nicht ernst genommen worden. Das hätte man für völlig unrealistisch gehalten. Aber die besondere Lage, in der wir uns befinden, hat die Bundesregierung veranlaßt, auch außergewöhnliche Maßnahmen einzuleiten. Ich kann nur bedauern, daß das von dem Herrn Kollegen Haas nicht richtig gesehen wird.
    Hatte das erste Konjunkturprogramm allenfalls die rückläufigen Investitionsausgaben der öffentlichen Hand ausgeglichen, so brachte das zweite Konjunkturprogramm die für eine Wiederbelebung unerläßliche Klimabesserung. Der inzwischen zu verzeichnende Stimmungsumschwung unterstreicht diesen Zusammenhang deutlich.
    Die konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung fanden die volle Unterstützung der Deutschen Bundesbank, durch deren aktive Mitwirkung die Durchführung des zweiten Programms gesichert werden konnte. Ich möchte diese Tatsache ausdrücklich und dankbar anerkennen und meinen, daß diese Beurteilung der Bundesbank hinsichtlich des zweiten Programms der Bundesregierung eigentlich auch jede Opposition zum Nachdenken veranlassen müßte.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand hat auch nicht, wie beispielsweise Herr Mischnick in der Septembersitzung behauptete, das Kreditvolumen der privaten Wirtschaft eingeengt. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank ist die Kreditnachfrage der Unternehmen im ersten Halbjahr 1967 gegenüber dem ersten Halbjahr 1966 um 10,2 v. H. zurückgegangen; die Kreditnachfrage der öffentlichen Haushalte ist dagegen nur um 4,2 v. H. gestiegen. Die Verschuldung der öffentlichen Hand hat also im ersten Halbjahr 1967 nur einen Teil des Ausfalls an privater Kreditnachfrage ausgeglichen. Sie wird auch in der zweiten Hälfte dieses Jahres nicht dazu führen, den Kreditspielraum der Unternehmen einzuengen.
    Wenn Sie, meine Damen und Herren, die Sie zu den Ungläubigen gehören, diesen Darstellungen eines Vertreters der Regierungskoalition nicht beipflichten können, dann empfehle ich Ihnen, das sehr aufschlußreiche und eingehende Interview zu studieren, das Herr Dr. Emminger von der Deutschen Bundesbank am 5. September dieses Jahres im Deutschlandfunk gegeben hat. Es wird sicherlich auch das Konzept Ihrer nächsten Redner, meine Herren von der FDP, wohltuend beeinflussen, wenn sie sich an die hier von Dr. Emminger vorgetragenen Tatsachen halten.
    Meine Damen und Herren, die Alternative zur öffentlichen Verschuldung, nämlich die öffentlichen Ausgaben den sinkenden Steuereinnahmen anzupassen, kann wohl von niemandem ernsthaft gewollt werden; sicherlich auch nicht von der FDP. Dabei muß ich allerdings sagen, daß ich zwar Kritik gehört habe, daß aber jeder konstruktive Gegenvorschlag gefehlt hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich darf mir erlauben, an die denkwürdige Sitzung vom 10. September 1966 zu erinnern, als wir uns mit dem damaligen Haushalt beschäftigten. Ich kann Ihnen versichern, daß sich meine politischen Freunde in den vorangegangenen Monaten, als nicht daran zu denken war, daß es mitten in der Legislaturperiode zu einer Neubildung der Bundesregierung kommen würde, wirklich den Kopf darüber zerbrochen haben, wie sie Alternativen entwickeln könnten. Sie waren sich darüber im klaren, daß man in einer so schwierigen Situation zu einer Regierungsvorlage nicht einfach nein sagen kann,



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    sondern daß man sich etwas anderes, nach Möglichkeit etwas Besseres einfallen lassen muß.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir sind damals zu der Konstruktion des Kernhaushalts und des Investitionshaushalts gekommen, und haben ein Programm vorgelegt, das auch bei der damaligen Koalition Anerkennung fand, was ich hiermit gern bestätigen will. Wenn Herr Kollege Haas oder einer der folgenden Redner der FDP nun Alternativen zu Teilen des Haushaltsplans 1968 oder den Finanzierungsgesetzen vorträgt, dann werden wir das sehr sorgfältig prüfen, weil wir der Auffassung sind, daß das Bessere immer der Feind des Guten ist. Wenn Sie etwas Besseres vorzutragen haben, dann werden Sie sicherlich bei allen Fraktionen des Hohen Hauses Beifall finden und Freude darüber auslösen, daß sich nicht nur die Koalition um eine Sanierung der Bundesfinanzen und eine Überwindung der Rezession bemüht, sondern daß dies. das Anliegen aller Fraktionen dieses Hohen Hauses ist.
    Die bisherige Entwicklung — darauf muß ich Herrn Haas und seine Kollegen noch besonders aufmerksam machen — hat zu einer weitgehenden Preisniveaustabilität geführt. Hatte die Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts' 1966 noch 3,7 v. H. betragen, so verminderte sie sich im ersten Halbjahr 1967 auf 1,4 v. H.; für das zweite Halbjahr des Jahres 1967 wird sie auf 0,2 v. H. geschätzt.
    Diese Entwicklung ist ein entscheidender Erfolg auf dem Weg zur Preisstabilität. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion vertritt allerdings die Auffassung, daß wir das Ergebnis auch mit geringeren Wachstumsverlusten hätten erzielen können, wenn frühzeitig entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen ergriffen worden wären. Wir haben 1967 auf ein Wachstum des Sozialproduktes verzichten müssen, das nahezu den gesamten Barleistungen der Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter eines Jahres — 1966 handelte es sich um eine Summe von etwa 25 Milliarden DM — entspricht.
    Über den Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung im Jahre 1968 gehen die Auffassungen auseinander. Wir stimmen erfreulicherweise darin überein, daß sich ein neues Wachstum anbahnt. Insoweit kann ich alle hier aus einer Rede vom Bundesfinanzminister Strauß zitierten Sätze unterstreichen. Die bereits erwähnte Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der Bundesrepublik vom 6. Oktober dieses Jahres kommt zu der erfreulichen Prognose, daß im ersten Halbjahr 1968 das Sozialprodukt real um 5,5 v. H., nominal um 6,7 v. H. zunehmen wird.
    Die Wirtschafts- und Finanzzeitung „Der Volkswirt", die wahrhaftig nicht der Sozialdemokratie nahesteht, bemerkt zu dieser Vorausschau in ihrer Ausgabe vom 13. Oktober 1967:
    Wenn die Prognose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute auch nur annähernd zuträfe, so wäre das ein glänzender Erfolg der „Neuen Wirtschaftspolitik". Auch in der Bundesrepublik wäre dann der Beweis erbracht, daß mit globalwirkenden, marktkonformen Mitteln der Geld- und Fiskalpolitik ein Konjunkturrückgang aufgefangen und eine Aufwärtsbewegung eingeleitet werden kann.
    Ich bin sicher, daß diese Politik erfolgreich sein wird und daß damit zum ersten Mal bewiesen werden kann, daß die marktwirtschaftliche Globalsteuerung funktionsfähig ist und zum Erfolg führt.
    Der neue Aufschwung wird es uns erleichtern, die anstehenden strukturpolitischen Probleme zu lösen. Ein Anfang ist dadurch gemacht worden, daß wir das zweite Konjunkturprogramm mit einem strukturpolitischen Akzent versehen haben. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion nicht der Auffassung ist, es hätte erst eines wirtschaftlichen Rückganges bedurft, um die strukturellen Probleme unserer Wirtschaft hervortreten und erkennbar werden zu lassen. Wirtschaftlichen Rückgang brauchen wir weder zur Herstellung von Preisniveaustabilität, noch als Voraussetzung für die endliche Inangriffnahme einer zukunftsorientierten Strukturpolitik.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber ausgelassene Wachstumschancen — das muß auch gesagt werden — behindern eine solche früh genug in Angriff zu nehmende Strukturpolitik.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich habe Anlaß, noch einmal auf das Problem der Stabilisierung des Preisniveaus einzugehen. Die Freien Demokraten haben hier wiederholt — leider auch heute — die Behauptung aufgestellt, daß die Koalitionsfraktionen der Preisstabilität keinen hohen Wert beimessen und daß die Bundesregierung von der Mehrheit des Parlaments, also von den Koalitionsfraktionen, in ihrem antizyklischen Verhalten negativ beeinflußt werde. Ich möchte, daran erinnern, daß wir Sozialdemokraten es waren, die Wert darauf gelegt haben, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zur Zielvorstellung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zu erheben. Mit dieser gesetzlich festgelegten Dokumentation ist die Auffassung des Hohen Hauses eindeutig dahin gehend geklärt, daß die amtliche Wirtschaftspolitik keines dieser vier Ziele vernachlässigen kann, die das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ausmachen, nämlich erstens, Herr Haas, Stabilität des Preisniveaus, zweitens hoher Beschäftigungsstand, drittens außenwirtschaftliches Gleichgewicht und viertens stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum.
    Ich habe vorhin ein Interview erwähnt, das das Direktoriumsmitglied der Deutschen Bundesbank, Dr. Ottmar Emminger, am 5. September 1967 dem Deutschlandfunk gegeben hat. In diesem Interview ist Herr Emminger auch nach der Preis- und Geldwertstabilität gefragt worden. Er hat sich dazu sehr eingehend geäußert. Meine Herren von der FDP, nehmen Sie doch bitte seine Erklärung endlich zur Kenntnis, und zwar so, daß Sie sich darüber freuen, daß dieser sachverständige und objektive Mann eine derartige Feststellung treffen kann:



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Wir haben gegenwärtig kein anderes Land, das eine so große Preisstabilität wie Deutschland aufweisen kann, und insofern, glaube ich, kann die Entwicklung uns sehr befriedigen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)