Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich die Ehre, die Glückwünsche des Hohen Hauses zum Geburtstag unserer verehrten Kollegin Frau Meyer-Laule auszusprechen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 12. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Furler, Majonica und Genossen betreffend Pflege der kulturellen Beziehungen der Bundesrepublik zum Ausland beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 875 verteilt.
Der Ausschuß für Verteidigung hat mit Schreiben vom 30. Januar
1959 seinen Antrag auf Drucksache 337 zurückgezogen.
Wir fahren nunmehr in der verbundenen Tagesordnung fort. Ich rufe den heute allein zur Beratung anstehenden Punkt auf:
Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung des Bundesvermögens
Wer begründet die Große Anfrage? — Herr Abgeordneter Atzenroth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage, die ich heute für meine Fraktion zu begründen habe, haben wir schon am 5. November vergangenen Jahres eingebracht. Wir bedauern außerordentlich, daß wir erst nach mehr als einem Vierteljahr Gelegenheit haben, diese Anfrage zu begründen und die Antwort der Bundesregierung zu erhalten. Wenn wir die Anfrage erst heute hätten einbringen können, dann wäre die eine oder andere Frage vielleicht etwas anders gestaltet worden. Trotzdem aber werden Sie aus unserer Anfrage bereits ersehen, daß es uns im wesentlichen um die Grundsatzfrage geht: um die Frage, ob sich die öffentliche Hand in der Wirtschaft betätigen solle und dürfe.
Am 30. Oktober 1957 hat der Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes im Bulletin Nr. 208 folgendes verkündet — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Ich bin allerdings der Auffassung, daß man in einer sozialen, freien Marktwirtschaft doch danach trachten sollte, die aus der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand resultierenden Spannungen dadurch zu mindern, daß man jedem das Seine gibt. Man sollte der Wirtschaft lassen, was der Wirtschaft gebührt und gehört. Der Staat sollte sich nicht bemühen, als Konkurrent der freien Wirtschaft aufzutreten. Er soll sich befleißigen, hier doch etwas abzustoßen, möglichst alles.
Diese Worte enthalten ein Programm, das die Freie Demokratische Partei seit einem Jahrzehnt hier im Bundestag verkündet. Unsere heutige Anfrage wäre überflüssig gewesen, wenn diesen Worten des Herrn Ministers auch die Taten gefolgt wären. Das ist nach unserer Meinung — und ich glaube, sie kann nicht bestritten werden — nicht geschehen. Alles das, was in letzter Zeit unter dem Deckwort „Privatisierung" an Maßnahmen angekündigt — nicht durchgeführt — worden ist, hat im Grunde mit unserer Grundsatzforderung nur sehr wenig zu tun. Von der Antwort der Bundesregierung wird es daher für uns abhängen, ob wir unseren Gesetzentwurf, der die Frage der Betätigung der öffentlichen Hand grundsätzlich regeln soll, wieder einbringen werden, wie es im 2. Bundestag schon geschehen ist.
Warum ist nichts geschehen? Wir unterstellen ohne weiteres, daß Herr Minister Lindrath seine Worte ehrlich gemeint hat und den ernsten Willen hat, seine Ansichten durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Redner doch etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Es müssen wohl Widerstände von anderer Seite dazu geführt haben, daß eben praktisch noch nichts geschehen ist. Leider halten sich die Kreise, von denen der Widerstand ausgeht, verborgen im Hintergrund. Daß die SPD eine andere Meinung vertritt, ist offensichtlich. Aber dieser Widerstand wäre ja für Sie, meine Herren von der regierenden Partei, kein Hindernis, die Absichten Ihres Ministers durchzusetzen. Die Hindernisse müssen also wohl in erster Linie bei der CDU selbst liegen.Wir haben seinerzeit sehr bedauert, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu der Frage der Betätigung der öffentlichen Hand auf
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3384 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959
Dr. Atzenrothdem gewerblichen Sektor keine Stellung genommen hat, obwohl unter seiner Führung von der CDU das Schlagwort „Privatisierung" im letzten Wahlkampf ausgiebig — und wir haben den Eindruck: auch mit Erfolg — verwendet wurde.
— O nein! Wenn Sie wüßten, in wieviel Versammlungen mit dem Schlagwort „Privatisierung" hausieren gegangen worden ist — so darf ich das jetzt wohl nennen —, würden Sie meine Ausführungen bestätigen.Es wird uns also interessieren, ob uns heute die Bundesregierung verbindlich erklären kann, daß der Herr Bundeskanzler die Auffassung des Herrn Ministers Lindrath teilt.Wenn es nicht vermessen wäre, in der deutschen Bundesrepublik einen Willen noch über den des Bundeskanzlers zu stellen,
dann möchte ich aber vermuten, daß der Hauptgegner der Pläne des Ministers Lindrath in der hohen Ministerialbürokratie zu suchen ist, die es schon in der Ära Schäffer verstanden hat, alle Privatisierungspläne geschickt zu vereiteln.Wir werden aus Ihrer Antwort also die Gründe hören, die dafür sprechen, daß die öffentliche Hand nicht als Konkurrent der freien Wirtschaft auftreten soll, und wir sind sicher, daß wir bei den Begründungen, die Sie für Ihre Ansicht geben, Herr Minister, mit Ihnen übereinstimmen werden. Für uns beginnt sich erst ganz langsam das Dunkel zu lichten, das über dem gewerblichen Bundesvermögen liegt. Sie alle wissen, wie schwer es war, von Herrn Minister Schäffer auch nur einen Anfang von Angaben zu erhalten. Man mußte sie mit Zangen aus ihm herausziehen, und auch dann erfuhr man nur das Allernotwendigste.Wir haben in der letzten Zeit zwar eine gewisse Zahl von Angaben erhalten, aber völlige Klarheit besitzen wir noch immer nicht. Wir hoffen nun von Ihnen, Herr Minister Lindrath, daß Sie uns bereitwilliger Auskunft geben als Ihr Vorgänger. Es handelt sich ja nicht nur um den Direktbesitz, sondern auch um die Beteiligungen und die durch Kredite oder sonstige Abhängigkeiten gebundenen Unternehmungen.Leider besteht nämlich die große Befürchtung, daß sich der Bundesbesitz nicht verringert, sondern noch vergrößert. In der Presse habe ich vor einigen Tagen gelesen, daß der Anteil der öffentlichen Hand an der Steinkohlenproduktion, der 1954 nur 18,4 % betrug, jetzt auf beinahe 29 % gestiegen ist.
— Durch die Saargruben; gut. Aber immerhin, der Besitz der öffentlichen Hand insgesamt ist gestiegen. Auch in der Rohstahlerzeugung, in der Aluminiumproduktion — und damit hat die Saar nichts zu tun — und in der PKW-Produktion hat sich derAnteil der öffentlichen Hand erhöht. Das, Herr Minister, müßten Sie doch in erster Linie verhindern, wenn Sie schon nicht an den Abbau herangehen. Eine Erweiterung des öffentlichen Besitzes müßte doch von Ihrer Seite trotz aller Widerstände zu verhindern sein.Das Deutsche Industrieinstitut schätzt heute den Wert der Bundesbeteiligungen auf 7,7Milliarden DM. Als ich vor zwei Jahren die Zahl 5 Milliarden nannte, hat Herr Schäffer das entrüstet zurückgewiesen. Sie sehen jetzt, daß meine Zahl doch näher an der Wahrheit lag als die Zahlen, die Herr Schäffer damals angegeben hat.Da drängt sich der Vergleich mit einem anderen Bundesvermögen auf, nämlich mit dem ERP-Vermögen, das ungefähr die gleiche Größenordnung hat. Wieviel wirkungsvoller aber ist dieses Vermögen als das Wirtschaftsvermögen des Bundes! Sämtliche Gewerbebetriebe des Bundes bringen heute, nachdem die sogenannte Übergangszeit doch wohl vorüber ist, dem deutschen Steuerzahler, also dem wirklichen Eigentümer, insgesamt jährlich ganze 80 Millionen DM ein. Davon müssen wir aber noch 30 bis 40 Millionen DM abziehen, die der Staat verliert, da keine Vermögensteuer gezahlt wird. Denn wenn es keine Betriebe der öffentlichen Hand wären, hätten sie je nach dem Kapital 30 bis 40 Millionen DM Vermögensteuer zahlen müssen. Das müssen wir also von den Erträgen abziehen. Dann bleibt etwa 1/2 % Ertrag übrig. Das ist die Leistung des Bundesvermägens nach einer Übergangszeit von zehn Jahren!Wie andere, private Betriebe diese Übergangszeit genutzt haben, zeigen die Bilanzen, die die Aktiengesellschaften in Deutschland — —
— Was heißt: von der Körperschaftsteuer abgezogen? Sie haben aber ihre Erträge den Eigentümern zugeführt. Wir sind Eigentümer des Bundesvermögens, und wir erhalten als Ertrag 1/2 %. Das ist doch nicht zu bestreiten. Das ist keine wirtschaftliche Ausnutzung. Ich bin mir völlig klar darüber, daß diese Unternehmungen viel mehr verdienen. Aber sie geben das, was sie verdienen, nicht an den Eigentümer ab; und Eigentümer sind wir, sind die deutschen Steuerzahler. An den Eigentümer sollte der Ertrag abgeführt werden, und er sollte nicht dort — —
— Ach, Herr Pelster, gerade Sie gehören doch zu den Kreisen, die gegen die Eigenfinanzierung sprechen! Was geschieht denn dort? Dort geschieht nichts anderes als Eigenfinanzierung.Aus dem ERP-Vermögen fließt jedenfalls weitaus mehr als das Zehnfache an Erträgen in die Bundeskasse. Ich bin der Meinung, eine solche Verwendung des Bundesvermögens ist wesentlich besser und dient auch viel mehr der Erfüllung wirtschaftspolitischer Ziele. Dazu ist das starre Betriebsvermögen keineswegs geeignet.
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Dr. AtzenrothIch darf noch kurz auf das Hindernis zu sprechen kommen, das nach unserer Meinung allen Privatisierungsplänen am meisten entgegensteht. Das ist, wie ich vorhin schon sagte, der Widerstand, der aus der Gruppe der in den Aufsichtsräten tätigen Ministerialbeamten und — für uns etwas unverständlich — auch aus den Reihen der Direktoren dieser Bundesunternehmungen kommt. Nach unseren Privatisierungsplänen haben doch diese Herren in ihren Posten nichts zu befürchten. Für sie würde sich doch, wenn sie tüchtig sind — und nur dann können sie dort bleiben —, nur sehr wenig ändern. Also der Widerstand von dieser Seite ist ganz besonders unverständlich.Hier, bei den Beamten der Ministerien, ist aber eine Zusammenballung wirtschaftlicher Macht entstanden, die der Öffentlichkeit immer wieder verheimlicht wird. Man spricht von Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der privaten Sphäre. Man spricht aber nicht von der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der öffentlichen Sphäre; und die ist wesentlich größer als die in der privaten Sphäre.
— Sontra? Da haben wir die Hände drangehabt, Herr Pelster, und endlich hat in Sontra die Vernunft gesiegt. Wir haben uns jahrelang darum bemüht, dieser Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Endlich ist es gelungen, Herr Pelster! Wir sind stolz darauf.
- Aber Herr Pelster, ich war der Vorkämpfer für die Stillegung von Sontra! Fragen Sie doch bitte einmal Ihre Kollegen!Es ist besonders bedauerlich, daß diese Macht, die eigentlich dem Wirtschaftsminister zustehen sollte— der doch die Wirtschaftspolitik des Bundes zu vertreten hat —, häufig in einer Weise genutzt wird, die seinen eigenen wirtschaftspolitischen Ideen entgegensteht, weil hier Ressortstreitigkeiten hineinspielen. Das eine Ressort erhebt Anspruch auf diese Gruppe von Unternehmungen, das andere Ressort auf jene Gruppe usw. Wir können daher einen Betrieb erst dann als privatisiert ansehen, wenn kein Beamter oder Beauftragter der öffentlichen Hand mehr in den entscheidenden Gremien tätig ist.Das, Herr Minister, führt mich zu einer kurzen Behandlung der Pläne, die Sie in letzter Zeit in der Öffentlichkeit angekündigt haben. Zunächst war von der Privatisierung des Volkswagenwerks die Rede. Dann verfiel dieser Plan sehr schnell in eine kleinere Aktion zur Schaffung „breitesten Eigentums". Das war schon keine Privatisierung mehr.Wir sind nicht gegen die Veräußerung der Bundesanteile in möglichst breiter Streuung, wenn wir die Konzessionen, die Sie an gewisse Kreise Ihrer Partei machen müssen, auch nicht für besonders glücklich halten. Aber schließlich ist es so weit gekommen, daß das Volkswagenwerk nicht mehr zur Debatte steht.
In der Öffentlichkeit wird davon nicht mehr gesprochen. Es wird nur noch von den Schwierigkeiten gesprochen, die zwischen Niedersachsen und dem Bund bestehen.
In einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses — ich weiß nicht, ob Sie daran teilgenommen haben, Herr Burgbacher — hat der Herr Minister Lindrath uns das dicke Exposé über die Rechtslage vorgelegt und ausgeführt, damit sei die Rechtslage geklärt. Die andere Seite ist zwar anderer Meinung. Gut, wenn man der Meinung ist, daß die Rechtslage geklärt ist, muß man diese Meinung auch weiterhin vertreten und durchsetzen. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn es anders wäre, aber wir hören nichts mehr von der Privatisierung des Volkswagenwerks. Der Gesetzentwurf jedenfalls, der schon im 2. Bundestag von den Abgeordneten Dr. Adenauer und Dr. Erhard— das war ja die schöne Form, die Sie gefunden haben — eingebracht worden ist, ruht nach wie vor im Ausschuß. Ich habe an keiner Ausschußsitzung teilnehmen können, die sich mit dieser Frage beschäftigt hat. Leider! Ich wäre bestimmt dagewesen.Dann kam das Problem Howaldtswerft. Hier hat man den unglücklichen Weg weiterverfolgt, den Herr Schäffer seinerzeit begonnen hatte. Das war nicht unser Weg, das war nicht unser Gedanke. Er ist mit Recht von vielen Seiten kritisiert worden. Dieser Weg war nämlich der sicherste, die Privatisierung zu verhindern. Ein besseres Mittel hätte man gar nicht finden können. Hoffentlich warten Sie bei der Howaldtswerft nicht so lange, bis der Wert dieses Unternehmens erheblich gesunken ist. Die beste Zeit für die Veräußerung einer Werft ist schon vorüber.
— Woher kommen denn die Klagen der Werften?Jetzt ist schließlich die Preußag an der Reihe. Das, was wir von Ihren Absichten bisher gehört haben, hat mit Privatisierung, wie ich schon sagte, wenig zu tun. Es ist im wesentlichen die Auflage einer Anleihe zugunsten eines bestimmten Bevölkerungskreises. Dann muß man es auch Anleihe nennen, Aktie ist eigentlich ein völlig falscher Begriff für das Papier, das man diesen Leuten geben will. Der Bund behält nicht nur die große Mehrheit des Aktienbesitzes, sondern auch die uneingeschränkte Verfügungsgewalt, denn irgendeinen Einfluß auf die Unternehmung können diese „Aktionäre" nicht ausüben.Eigentum und Wohlstand werden durch Arbeit und Sparen erworben. Sobald man diesen Grundsatz verläßt, entsteht Gefahr für unsere Rechtsordnung, die sich auf den Eigentumsbegriff stützt. Auch wir wollen einer möglichst großen Zahl von Menschen zu Eigentum verhelfen, wir meinen aber, daß der hier vorgesehene Weg nicht zweckmäßig ist.Herr Minister Schäffer hat uns früher einmal den Vorwurf gemacht, daß wir mit unseren Plänen eine Verschleuderung des Bundesvermögens betreiben wollten. Ist es nicht auch so, daß ein Teil des Vermögens der Preußag — ich möchte das Wort nicht gern gebrauchen, aber es bleibt mir nichts anderes
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Dr. Atzenrothübrig — verschleudert wird? Wenn man nämlich Bundesvermögen zu einem allzu niedrigen Preis abgibt, liegt der Gedanke, es werde verschleudert, nicht mehr sehr fern. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um Privatisierung, also Übertragung der Verfügungsberechtigung von der öffentlichen Hand auf die privaten Besitzer.Der Bundeswirtschaftsminister soll, wie ich gehört habe, konkrete Pläne über eine volle Privatisierung im Zusammenhang mit dem Investmentsparen besitzen. Wissen Sie etwas davon, Herr Minister? Es wäre für uns interessant, auch diese Vorschläge zu hören und eventuell zu untersuchen.Jetzt möchte ich noch kurz auf ein spezielles Teilproblem eingehen. Eine der Gesellschaften mit der unübersichtlichsten Gestaltung ist die Industrieverwaltungsgesellschaft mbH. Wir haben schon im Jahre 1953 gefragt, welche Entwicklung dieses Unternehmen genommen hat und welche Werte das Vermögen der jetzigen Industrieverwaltungsgesellschaft ausmachen. Die Antwort, die wir damals von Herrn Minister Schäffer erhalten haben, war völlig unbefriedigend. Es wurde so dargestellt, als ob zum Eigentum der Gesellschaft nur Industriegrundbesitz gehöre, der vor dem Jahre 1945 erworben wurde. Tatsächlich werden aber von dieser Gesellschaft auch so ertragreiche Unternehmen wie die Vereinigte Tanklagergesellschaft und die Fahrzeug- und Maschinenbau-GmbH. Watenstedt verwaltet. Wir würden es begrüßen, wenn dem Deutschen Bundestag gerade über dieses Unternehmen in allernächster Zeit einmal ausführlich Rechenschaft abgelegt würde.Ein Vorfall, der sich in der Aufsichtsratssitzung vom 26. Januar dieses Jahres abgespielt hat, Herr Minister, ist uns besonders interessant. Wir hören, es sei beabsichtigt, daß Herr Staatssekretär Hartmann den Vorsitz im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft niederlegt, und gerade der Vertreter Ihres Ministeriums hat vorgeschlagen, daß Herr Staatssekretär Dr. Rust neuer Vorsitzender wird. Was bedeutet das? Bekanntlich ist Herr Rust Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Warum soll der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Vorsitzender des Aufsichtsrates dieser Gesellschaft werden? Bahnt sich hier ein neuer staatlicher Rüstungskonzern an? Wir sind sehr hellhörig geworden, als wir diese Nachricht erhielten. Wir befürchten, daß die undurchsichtige IVG dem Herrn Bundesverteidigungsminister die Möglichkeit geben soll, gewisse Rüstungsaufträge so abzuwickeln, daß dem Bundestag darüber keine Rechenschaft abgelegt zu werden braucht. Wir erwarten hierüber eine eingehende und klare Auskunft.Ich brauche die in unserer Anfrage gestellten Fragen hier nicht zu verlesen. Ich wiederhole nur, daß es uns heute darum geht, die Grundhaltung der Bundesregierung kennenzulernen. Bisher haben wir feststellen können, daß Sie, Herr Minister Lindrath, die öffentliche Hand aus dem Wirtschaftsleben verbannen wollen, daß Sie aber Angst vor der eigenen Courage haben, da die Einwendungen aus Ihrer Partei zu stark sind. Das muß vor der Öffentlichkeit klargestellt werden. Von Privatisierung sollte in der Öffentlichkeit nur derjenige sprechen, der sie ehrlich meint und ehrlich erstrebt. Wir werden hören, wieweit das bei Ihnen der Fall ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Lindrath.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Privatisierung des Bundesvermögens — Bundestagsdrucksache 617 — beantworte ich namens der Bundesregierung wie folgt.Die Bundesregierung hat letztmalig in der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1958 gelegentlich der Debatte über eine Große Anfrage der Fraktion der SPD zu den mit der Privatisierung des industriellen Bundesvermögens in Zusammenhang stehenden Fragen Stellung genommen. Ich habe damals mit Nachdruck den Wunsch der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, das industrielle Bundesvermögen in größerem Umfang in private Hand zu überführen und dabei zugleich einen Beitrag zu der Verwirklichung der gesellschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung, vor allem der Bildung von Eigentum in der Hand breiter Bevölkerungsschichten, zu leisten. Ich möchte heute erklären, daß diese Absicht nach wie vor unverändert besteht und daß die Bundesregierung mit der Verwirklichung dieser Absicht in der Zwischenzeit auch begonnen hat. Wie Sie wissen, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß im Laufe des Monats März die ersten Volksaktien, und zwar Aktien der Preußag, zum Verkauf gelangen. Entsprechend den gesellschaftspolitischen Zielen der Bundesregierung werden diese Aktien breit gestreut und zu einem Vorzugspreis zunächst den Bevölkerungskreisen angeboten werden, die bisher nicht in dem erforderlichen Umfang an der Eigentumsbildung teilnehmen konnten.Was die Durchführung der Privatisierung angeht, so möchte ich zunächst erklären, daß es ein Zaubermittel, mit dem die Privatisierung schlagartig durchgeführt werden könnte, nicht gibt. Es gibt auch kein allgemeingültiges Rezept, das für die Privatisierung sämtlicher in Betracht kommenden bundeseigenen Unternehmen anwendbar wäre. Die Privatisierung erfordert vielmehr in allen Fällen eine besondere, individuelle und oft langwierige Prüfung und Vorbereitung und kann nur von Fall zu Fall mit der gegenüber der Allgemeinheit, gegenüber dem Unternehmen und nicht zuletzt gegenüber den zukünftigen Aktionären gebotenen Verantwortung durchgeführt werden.„Volksaktie" ist ein politischer Begriff, dessen Inhalt in die Vorstellungswelt sehr großer Kreise unseres Volkes Eingang gefunden hat. Welche Voraussetzungen soll eine Volksaktie erfüllen? Erstens. Die Volksaktie soll bei der Erstausgabe klein gestückelt und breitestmöglich gestreut werden. Zweitens. Es sollen gewisse Erleichterungen für diejenigen Kreise geschaffen werden, die bisher aus
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Bundesminister Dr. Lindrathwirtschaftlichen und psychologischen Erwägungen nicht in der Lage waren, Aktien zu erwerben. Hierzu gehört insbesondere die Einräumung eines Sozialbonus oder eines sozialen Ausgabekurses. Drittens. Es soll Vorsorge getroffen werden, daß die Volksaktionäre ihr Eigentum an Volksaktien nicht durch Börsenmanipulationen oder andere Maßnahmen später wieder verlieren. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die eine breite Streuung der Aktien für lange Zeit sicherstellen. Ich denke hierbei z. B. an eine Verpflichtung des jeweiligen Emissionskonsortiums, sich für viele Jahre jeder Mitwirkung an irgendwelchen Aktienaufkäufen zu enthalten. Gedacht ist ferner an eine Beschränkung des Stimmrechts für die Volksaktien und an ein befristetes Veräußerungsverbot.Was die jetzt zur Ausgabe anstehenden Preußag-Volksaktien angeht, sind die zu 1. und 2. angesprochenen Voraussetzungen erfüllt. Das heißt, die Aktien werden sehr breit gestreut werden, und der Ausgabekurs ist unter Beachtung sozialer Gesichtspunkte ermittelt worden. Weiterhin hat die Bundesregierung zur Erfüllung der übrigen Voraussetzungen — das möchte ich heute hier besonders betonen — vorgesehen, daß für die Preußag-Volksaktien eine Beschränkung des Stimmrechts eingeführt wird. Zweck dieser Maßnahme ist, die breite Streuung der Aktien auch auf weite Sicht zu schützen und darüber hinaus zu verhindern daß die Aktien zum Gegenstand von Börsenmanipulationen oder anderen spekulativen Maßnahmen werden. Die Preußag-Volksaktie soll vielmehr ein gutes Anlagepapier sein und bleiben. Die Stimmrechtsbeschränkung bedeutet auch keinen Nachteil für die Volksaktionäre, die im Zuge der Eigentumspolitik der Bundesregierung diese Volksaktien demnächst erwerben werden.Im einzelnen darf ich nunmehr die in der Großen Anfrage der FDP gestellten Fragen wie folgt beantworten.Zur Frage 1:Billigt die Bundesregierung die von dem Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes unter dem 30. Oktober 1957 . . . geäußerte Meinung, daß der Staat nicht als Konkurrent der freien Wirtschaft auftreten, sondern sich vielmehr befleißigen solle, möglichst das gesamte wirtschaftliche Vermögen zu veräußern?Antwort: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß in der sozialen Marktwirtschaft eine wirtschaftliche Betätigung des Staates um ihrer selbst willen nicht gerechtfertigt ist. Sie vertritt daher die Auffassung, daß der Staat sein erwerbswirtschaftliches Vermögen grundsätzlich veräußern solle, soweit nicht im Einzelfall zur Wahrung wichtiger öffentlicher Belange die Aufrechterhaltung einer Beteiligung des Staates an einem wirtschaftlichen Unternehmen einstweilen oder auf die Dauer geboten ist.Zur Frage 2:Was hat die Bundesregierung unternommen, um das wirtschaftliche Vermögen des Bundes zu veräußern?Der Bund hat bereits in den vergangenen Jahren eine Anzahl von Beteiligungen veräußert. Ich darf insoweit auf die 30. Sitzung des Bundestags am 12. Juni 1958 Bezug nehmen, in der ich diese Beteiligungen im einzelnen genannt habe. Es handelte sich damals um insgesamt 33 Gesellschaften und Beteiligungen, und zwar 8 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich unmittelbar, und 25 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich mittelbar im Eigentum des Bundes befanden. Der Veräußerungserlös betrug insgesamt mehr als 85 Millionen DM. In der Zwischenzeit sind einige Gesellschaften und Beteiligungen verkauft worden, die sich mittelbar im Eigen-turn des Bundes befanden, die im Hinblick auf ihre Größe jedoch für eine breite Streuung des Aktienbesitzes nicht in Betracht kamen und wirtschaftspolitisch auch keine besondere Bedeutung besaßen.Die Kapitalerhöhung bei der Preußag, bei der 30 Millionen DM junger Aktien in breiter Streuung privatisiert werden, wird zur Zeit durchgeführt. Weitere Privatisierungsmaßnahmen sind vorgesehen. Abgesehen von der Privatisierung des Volkswagenwerks, für die die Voraussetzungen durch das dem Bundestag im Entwurf vorliegende Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk GmbH und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand noch geschaffen werden müssen, ist die Veräußerung der Howaldtswerke Hamburg AG in Vorbereitung.Darüber hinaus werden zur Zeit die Möglichkeiten der Privatisierung anderer Bundesgesellschaften geprüft. Ich denke insbesondere an eine Teilprivatisierung der Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG, der Viag, die ähnlich wie jetzt bei der Preußag über eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe junger Aktien erfolgen soll.Die Fragen 3 und 4 möchte ich zusammen behandeln.Frage 3 lautet:Besteht innerhalb des jetzigen Bundeskabinetts noch wie am 24. Juni 1957 innerhalb des damaligen Bundeskabinetts bei Beantwortung der im 2. Deutschen Bundestag gestellten Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung öffentlichen Vermögens — Drucksachen 3527, 3708 der 2. Wahlperiode — Einigkeit über die Grundsätze, nach denen das wirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll?Frage 4:Ist die Bundesregierung bereit, bis zum Ende dieses Jahres— gemeint war 1958 —dem Deutschen Bundestag diese Grundsätze bekannzugeben?Antwort auf diese beiden Fragen: Die Bundesregierung strebt die Zurückführung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Bundes, d. h. die Veräußerung von erwerbswirtschaftlichen Beteiligungen des Bundes auf ein Ausmaß an, das durch die Notwendigkeit der Wahrung des öffentlichen Interesses begrenzt wird. Zugleich ist es das be-
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Bundesminister Dr. Lindrathreits in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 erklärte Ziel der Bundesregierung, mit der Privatisierung des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens einen wesentlichen Beitrag zur Bildung von Eigentum in der Hand breiter Volkskreise, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung, zu leisten.Herr Kollege Dr. Atzenroth hat behauptet, daß in der Regierungserklärung über diese Frage nichts gesagt sei. Ich darf daran erinnern, daß es in der Regierungserklärung, die der Herr Bundeskanzler damals vortrug, ausdrücklich heißt:Mit an erster Stelle nenne ich die Schaffung von Kapital und die Streuung des Besitzes. Schaffung von Kapital . . . ist notwendig, um die Produktivität unserer Wirtschaft zu steigern und sie krisenfest zu machen. Streuung von Besitz in weitem Umfang ist nötig, um einer möglichst großen Zahl von Staatsbürgern Selbstgefühl und das Gefühl der Zugehörigkeit zum Volksganzen zu geben. Ohne größere Spartätigkeit sind beide Ziele nicht zu erreichen. Nur Arbeit und Sparen schafft Kapital und begründet und vermehrt den Besitz. Sparen ist in gleicher Weise wirtschaftlich und ethisch notwendig. Wir wollen aber nicht nur zu einem Feldzug für das Sparen aufrufen, wir wollen das Sparen durch gesetzgeberische Maßnahmen auch lohnend machen. Die Durchführung des Familienheimgesetzes— nun kommt es —und die Einführung der Volksaktie, die sich nicht etwa nur auf Betriebe, die dem Bund gehören, erstrecken soll, sind einige der geeigneten Mittel, die Spartätigkeit anzuregen.
— Die Volksaktie ist doch die Voraussetzung dafür, daß privatisiert wird!Ich sagte eben, daß die Grundsätze darin bestehen, zu privatisieren und gleichzeitig das gesellschaftspolitische Ziel der breiten Streuung des Eigentums zu fördern. Schließlich ist es das besondere Anliegen der Bundesregierung hierbei, zu verhüten, daß durch die Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens unerwünschte Konzentrationstendenzen innerhalb der Privatwirtschaft verstärkt werden. Über diese Grundsätze, nach denen das erwerbswirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll, besteht innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen.Frage 5 lautet:Falls die Fragen 3 und 4 verneint werden, welche sachlichen und politischen Gründe sind dafür maßgebend, daß die Bundesregierung von den entsprechenden Erklärungen der jetzigen und damaligen Kabinettsmitglieder in der Öffentlichkeit abgeht?Nachdem die Fragen 3 und 4 bejaht sind, entfällt eine Beantwortung der Frage 5.Zur letzten Frage, Frage 6:Hat die Bundesregierung eine Vorstellung, innerhalb welcher Zeit und in welchen Stufen die Veräußerung des wirtschaftlichen Vermögens des Bundes möglich sein wird?Antwort: Eine zuverlässige Vorschau hinsichtlich der Zeitdauer der Privatisierung ist bei der gegebenen Sachlage ebensowenig möglich wie die verbindliche Festlegung von „Stufen" für die Veräußerung der Bundesbeteiligungen. Sowohl der Umfang des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens wie auch die Verschiedenheit der Verhältnisse bei den einzelnen für eine Privatisierung in Betracht kommenden Bundesgesellschaften und Konzernen verbieten es, die Privatisierung dieser Unternehmen von vornherein in ein starres Schema zu zwängen. Wenn man die oben dargelegten Ziele, die die Bundesregierung mit der Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens verbindet, in möglichst vollkommener Weise erreichen und zugleich, was selbstverständlich ist, eine Verschleuderung des Bundesvermögens vermeiden will, so wird man die Privatisierung weder überstürzen noch rein schematisch verwirklichen können. Vielmehr wird es angebracht sein, über die Privatisierung der erwerbswirtschaftlichen Bundesbeteiligungen von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und auch des Zeitpunktes zu entscheiden.Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Privatisierung unter den dargelegten Zielen in gewissem Umfange auf Neuland führt. Bei den einzelnen Privatisierungsmaßnahmen werden daher auch die Erfahrungen zu berücksichtigen sein, die bei den vorhergehenden Privatisierungen gewonnen worden sind. Nur auf diese Weise, d. h. durch eine sehr elastische und möglichst wenig dogmatische Anpassung an die jeweils bestehenden besonderen Verhältnisse und Möglichkeiten, wird tatsächlich eine Verwirklichung der Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, erwartet werden können.Ich glaube, daß ich hiermit die Große Anfrage der FDP in allen Punkten beantwortet habe. Ich habe darüber hinaus einleitend auch zu einigen Grundsätzen, die die Privatisierung betreffen, Stellung genommen.Anschließend möchte ich aber noch einmal feststellen: Ziel aller Privatisierungsmaßnahmen ist letzten Endes die Schaffung von individuellem Eigentum in den breiten Schichten unserer Bevölkerung. Breit gestreutes Eigentum ist nicht nur ein Element der sozialen Marktwirtschaft, sondern darüber hinaus auch eine der Grundlagen unseres Staates, der sich zu einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bekennt.Ich weiß, daß die Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone unsere Privatisierungsmaßnahmen mit großem Interesse beobachtet, stellen unsere Maßnahmen doch das Gegenteil dessen dar, was drüben mit der Schaffung von volkseigenen Betrieben geschehen ist. Ich bin überzeugt, daß die bereits in Angriff genommene und eingeleitete Privatisierung von Teilen des industriellen Bundesver-
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Bundesminister Dr. Lindrathmögens zur Verwirklichung unserer gesellschaftspolitischen Ziele in wesentlichen Punkten beitragen wird.Soweit habe ich eine Erklärung namens der Bundesregierung abgegeben. Ich bitte, mir zu gestatten, zu einigen Punkten, die soeben von Herrn Kollegen Dr. Atzenroth bei der Begründung der Großen Anfrage genannt worden sind, noch zusätzlich Stellung zu nehmen.Die Grundsatzforderung, die von Ihnen zur Privatisierung des Bundesvermögens aufgestellt wird, ist wirtschaftspolitisch begründet und wird insoweit auch von uns bejaht. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Privatisierung nur gerechtfertigt ist, wenn sie zugleich gesellschaftspolitische Ziele verwirklicht, die Sie nur wenig angesprochen haben.Sie haben allerdings ebenfalls erklärt, daß Sie mit einer breiten Streuung des Eigentums einverstanden sind. Nur die Gewichtsverteilungen scheinen mir zwischen Ihrer Auffassung und der von mir vorgetragenen Auffassung unterschiedlich zu sein, indem wir der Meinung sind, wir sollten stärker die gesellschaftspolitischen Ziele berücksichtigen.Sie hatten weiterhin erklärt, in der Regierungserklärung sei ein Hinweis auf die Privatisierung nicht erfolgt. Ich habe die entsprechende Stelle der Regierungserklärung bereits wiederholt vorgetragen und bin der Auffassung, daß gerade bei einer Gewichtsverteilung, wie ich sie schilderte, die Volksaktie die Voraussetzung für die Privatisierung ist. Sie sollten infolgedessen die wirtschaftspolitische Seite nicht so stark unterstreichen.Sie haben ferner die Meinung vertreten, die Widerstände gegenüber der Privatisierung lägen sehr stark in der Ministerialbürokratie. Ich darf Ihnen sagen, daß ich in meinem Hause bei der Forderung nach Privatisierung des Bundesvermögens keinerlei Widerstände in der Bürokratie finde. Mein Haus unterstützt mich vielmehr bei diesen Arbeiten tatkräftig.Was die Offenlegung und Auskunftserteilung angeht, so haben wir durch die Herausgabe des Büchleins „Der Bund als Unternehmer" unter Beweis gestellt, daß wir bereit sind, alle Verhältnisse, die mit dem Bundesvermögen zusammenhängen, der Öffentlichkeit in aller Offenheit darzulegen und insbesondere Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren dieses Hohen Hauses, Rechenschaft darüber zu geben, was mit dem Bundesvermögen geschieht.Herr Atzenroth, Sie haben darauf verwiesen, daß der Anteil der bundeseigenen Betriebe größer geworden sei, und insbesondere darauf, daß dieser Anteil beim Steinkohlenbergbau von 18,4 % auf 29 % gestiegen sei. Ich bitte, bei der Beurteilung dieser Frage in Rechnung zu stellen, daß hierbei neuerdings die Saarbergwerke mit einbezogen worden sind, die bei den erstgenannten Zahlen mit ihrer Produktion nicht berücksichtigt worden sind.
— Selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Atzenroth,das ist ein Zuwachs neuen Vermögens, aber ein Zuwachs, der nicht verhindert werden konnte, wennich einmal so sagen darf, und der auch nicht verhindert werden sollte.Im übrigen ist die Zahl der bundeseigenen Betriebe — und darüber müßten wir uns doch einig sein -- nicht größer geworden. Die Produktivität ist allerdings gestiegen, und das können wir nicht drosseln! Hier wirken sich eben die starken Investitionen auf dem Weg der Selbstfinanzierung in gewissem Sinne aus, weil die Betriebe modernisiert und rationalisiert sind und die Produktivität gesteigert ist. Das ist an sich zu begrüßen. Selbstverständlich müssen wir danach trachten, und nur so können wir diese Betriebe nunmehr mit besserem Erfolg zur Veräußerung stellen.Sie beziffern den Wert der Bundesbeteiligungen auf 7,7 Milliarden. Solche Angaben sind wiederholt gemacht worden. Ich muß es ablehnen, eine Zahl für den Wert dieser Bundesbeteiligungen zu nennen. Der Nominalwert beträgt etwa 1,9 Milliarden DM. Wie hoch der tatsächliche Wert ist, wird sich jeweils immer erst im Zeitpunkt der Veräußerung feststellen lassen, weil hier der Ertragswert maßgebend ist.Sie haben auf die Howaldtwerke hingewiesen und haben gesagt, der Wert könne niedriger werden, wenn hier irgendwelche Schwierigkeiten eintreten.
— Der Nominalwert doch nicht! Der Nominalwert der Howaldtwerke beträgt 10 Millionen DM, das ist das Aktienkapital, und für eine Veräußerung solcher Bundesbeteiligungen ist vornehmlich immer der Ertragswert entscheidend, selbst dann, wenn der Substanzwert der Werke über dem Ertragswert liegt. Nur dann, wenn der Substanzwert unter dem Ertragswert liegt, ist der Ertragswert bei einer Veräußerung nicht ohne weiteres zu erzielen.Sie haben ferner an dieser ermittelten Größe 7,7 Milliarden DM — die mit aller Sorgfalt ermittelt sein mag — die Gewinne gemessen.
— Sie haben vorhin von einem halben Prozent gesprochen. Nun müssen Sie ja nach der üblichen Praxis in der Wirtschaft die Erlöse an dem Nominalkapital messen. Hieran gerechnet ergibt sich bei den Betrieben eine Verzinsung des Nominalkapitals von 7,2 %, wenn man die Saarbergwerke außer Rechnung läßt. Das ist natürlich notwendig; denn Sie wissen ja, daß bei den Saarbergwerken besondere Verhältnisse vorliegen. Ohne die Saarbergwerke beträgt also die Rendite, bezogen auf das Nominalkapital 7,2 %. Ich darf hinzufügen, daß die Unternehmen des Bandes in keiner Weise schlechter arbeiten als etwa die Unternehmen in der freien Wirtschaft.Sie haben ferner auf die Aufsichtsratsbesetzung hingewiesen. Ich stimme Ihnen zu, daß die große Zahl der Beamten, insbesondere die Zusammenfassung vieler Aufsichtsratsposten in der Hand eines Beamten, zu beanstanden sind, und ich beanstande es auch. Ich bin bereit — bei einigen Aufsichtsräten
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Bundesminister Dr. Lindrathhabe ich das schon unter Beweis gestellt —, hier Änderungen eintreten zu lassen. Ich darf Ihnen sagen, daß diese Maßnahme durchgeführt wird. Allerdings müssen wir hier und dort unter Umständen den Ablauf des Aufsichtsratsmandats abwarten, ehe wir Änderungen eintreten lassen können. In den Saarbergwerken beispielsweise ist mein Haus nicht durch einen Beamten, sondern durch einen Mann der Wirtschaft vertreten. Auch in anderen Betrieben ist das so. Mein eigenes Haus ist in einer Reihe von Betrieben nicht durch Beamte vertreten. Ich möchte aber davor warnen, nun die Beamten völlig zurückzuziehen. Mein Haus muß selbstverständlich — wenigstens in den wichtigen Konzernen — durch Beamte vertreten sein. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Darüber besteht wohl keine Meinungsverschiedenheit.Sie haben von der Privatisierung des Volkswagenwerkes gesprochen. Der Antrag auf Privatisierung liegt dem Hohen Hause vor. Ich nehme an und hoffe zuversichtlich, daß nunmehr die Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Der Vorsitzende des hauptsächlich in Frage kommenden Ausschusses ist der gleichen Auffassung. Auch er wünscht, daß die Angelegenheit bald aufgegriffen wird und die Verhandlungen über die Privatisierung des Volkswagenwerkes fortgeführt werden. Sie wissen, welche Hindernisse wegen der Eigentumsfrage und wegen ähnlicher Dinge aufgetreten waren. Diese Angelegenheit ist nunmehr einer gewissen Klärung zugeführt.Was die Howaldtswerke in Hamburg angeht — auch davon haben Sie, Herr Kollege Dr. Atzenroth, gesprochen —, so möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Hohe Haus den Beschluß gefaßt hat, durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen, ob eine Möglichkeit besteht, auch hier das gesellschaftspolitische Ziel der Streuung des Aktienbesitzes zu verwirklichen. Dieses Gutachten des Deutschen Kuratoriums für soziale Eigentumsbildung liegt noch nicht vor. Ich nehme aber an, daß es uns in allernächster Zeit übersandt werden wird. Erst dann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem sich die Bundesregierung über die Modalitäten der Veräußerung der Howaldtswerke schlüssig werden und dem Hohen Hause einen entsprechenden Antrag vorlegen kann. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung und ich bisher dem Hohen Hause einen Antrag auf Privatisierung der Howaldtswerke Hamburg noch nicht vorgelegt haben. Es ist lediglich auf Grund einer Anfrage — ich glaube, der Fraktion der SPD — über diese Angelegenheit diskutiert worden. In dieser Debatte war der Wunsch geäußert worden, die Frage der Eigentumsstreuung zu prüfen.Bezüglich der Preußag haben Sie gesagt, die 30 Millionen seien nichts anderes als eine Anleihe. Verehrter Herr Kollege Atzenroth, darüber bin ich ein wenig erschrocken. Eine Anleihe und Aktien sind nun wirklich zwei verschiedene Dinge; das wissen Sie genauso gut wie ich. Daß wir hier einen Teil des Vermögens in private Hand übertragen, kann wirklich nicht bestritten werden. Auf die Frage, ob es dabei sein Bewenden haben solle und ob wir damit die Privatisierung bei der Preußag als beendet ansähen, habe ich immer wieder erklärt und sage es auch hier vor diesem Hohen Hause, daß ich nicht angeben kann, ob und wann die Privatisierung dieses Unternehmens fortgesetzt wird. Aber ich habe auch niemals erklärt, daß damit die Privatisierung bei der Preußag ein Ende haben soll. Im Gegenteil, ich kann auch in diesem Zusammenhang sagen, daß es der Wunsch und der Wille meines Hauses und der Bundesregierung ist, die Privatisierung auch bei der Preußag in der Weise durchzuführen, daß wir uns ganz von dieser Beteiligung trennen.
Zum Schluß haben Sie mich noch auf die Industrieverwaltungsgesellschaft und die Bestellung des Herrn Staatsekretärs des Bundesministeriums für Verteidigung in den Aufsichtsrat der Industrieverwaltungsgesellschaft angesprochen. Sie haben dabei die Vermutung ausgesprochen, die Bundesregierung könnte die Absicht haben, einen Rüstungskonzern aufzubauen. Ich darf Ihnen hierzu sagen, daß mir von dem Aufbau einer bundeseigenen Rüstungsindustrie nichts bekannt ist. Die Industrieverwaltungsgesellschaft, die IVG, in Bad Godesberg wäre für den Aufbau einer Rüstungsindustrie oder für den Aufbau von Flugzeugfabriken auch völlig ungeeignet, da sich diese Gesellschaft seit Jahr und Tag nahezu ausschließlich mit der Verwaltung von Industriegrundstücken befaßt und über eine eigene industrielle Fertigung nicht verfügt. Richtig ist allerdings, daß der Herr Staatsekretär des Bundesministeriums für Verteidigung seit längerer Zeit, ich glaube, seit drei Jahren, dem Aufsichtsrat dieser Gesellschaft angehört. Das hat seinen Grund darin, daß das Bundesministerium für Verteidigung und die Bundeswehr an zahlreichen Grundstücken interessiert sind, die zum Vermögen der IVG gehören. Außerdem betreut die IVG einen Reparaturbetrieb der Bundesmarine in Bremerhaven. Das sind die sachlichen Gründe, die dazu geführt haben, den Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums in diesen Aufsichtsrat zu berufen.
— Die Tankwagengesellschaft ist eine der Gesellschaften, die dazugehören, nicht aber die von Ihnen erwähnte Famas; diese gehört zum Salzgitterkonzern.Ich glaube, daß ich damit zu allen Fragen Stellung genommen habe.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten und die Antwort der Bundesregierung gehört. Gemäß § 106 der Geschäftsorddnung muß ich fragen, ob eine Beratung gewünscht und ob dieser Wunsch von mindestens 30 Abgeordneten unterstützt wird. Das ist offensichtlich der Fall. Wir treten also in die Aussprache über die Große Anfrage ein.Das Wort hat Herr Abgeordneter Bleiß.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Begründung der Großen Anfrage durch Herrn Kollegen Atzenroth und die Beantwortung durch den Herrn Bundesschatzminister gehört. In der Begründung und in der Antwort ist auf die Notwendigkeit der Privatisierung hingewiesen worden. Über das Tempo, in dem die Privatisierung durchgeführt werden soll, bestehen anscheinend sehr unterschiedliche Auffassungen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe vermißt, daß auch auf die abträglichen Folgen einer Privatisierung für unser Wirtschaftsleben hingewiesen wurde. Die abträglichen Folgen sind überhaupt nicht erwähnt worden. Ich werde mir erlauben, gerade auf diesen, wie mir scheint, sehr wichtigen Tatbestand ausführlicher einzugehen.Bevor ich das tue, möchte ich einige Punkte herausstellen, in denen wir uns, Herr Kollege Atzenroth, vielleicht einigen können. Ich meine damit die Bereinigung des Bundesbesitzes und die bessere Gliederung des Besitzstandes.Das Ministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat im Oktober 1958 eine Schrift herausgegeben, die viele interessante Angaben enthält, so z. B. die Aufführung der verschiedenen Unternehmen. So gehören nach dieser Veröffentlichung insgesamt 236 Unternehmungen zum wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Das ist zweifellos eine enorme Zahl. Sicherlich befinden sich darunter viele Firmen. die für den Bund nur Ballast sind und von denen ersich so schnell wie möglich trennen sollte, weil sie für eine aktive Wirtschaftspolitik unerheblich sind und nur Verwaltungskosten verursachen. Auf diesen Tatbestand haben wir schon zu einem früheren Zeitpunkt sehr nachdrücklich hingewiesen. Aber an- scheinend trennt sich der Herr Bundesschatzminister nicht so gern von den Mittel- und Kleinbetrieben.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deswegen den Gedankengang heute noch einmal aufnehmen. Ich würde mich freuen, wenn die Möglichkeit bestünde, im zuständigen Ausschuß die Liste der 236 Firmen genau durchzugehen und alles auszusondern, was unorganisch und gesamtwirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist. Dann werden wir sicherlich den Kreis der Firmen erheblich vermindern können, und, Herr Kollege Atzenroth, soweit sich das Anliegen der FDP nach Privatisierung auf diese Betriebe erstreckt, sind wir durchaus bereit, Sie darin zu unterstützen. Denn auch für uns ist nicht zu erkennen, welche gesamtwirtschaftlichen Zwecke der Bund mit diesem Kleinbesitz verfolgen sollte.Man kann auch darüber streiten, Herr Kollege Atzenroth, ob es sinnvoll ist, das Bundesvermögen auf mindestens acht Konzerne zu verteilen. Mir würde es sinnvoller erscheinen, den Verwaltungsapparat zu vereinfachen und dadurch erhebliche Verwaltungskosten einzusparen. Soweit es um die Lösung auch dieser Aufgaben geht, sind wir gern bereit, mit Ihnen darüber zu sprechen und positiv an einer solchen Bereinigung mitzuarbeiten. Ich glaube, daß sich sehr vieles vereinfachen ließe.Aber um alle diese Dinge handelt es sich bei der Großen Anfrage nicht. Es geht Ihnen, Herr Kollege Atzenroth, vielmehr darum, die wertvollen Industrieunternehmungen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung
— zunächst die wertvollen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung — aus dem Besitz des Bundes herauszubrechen. Ich habe mitunter den Eindruck, daß man nur die leeren Mäntel oder die Betriebe, die mit Verlust arbeiten, in der Obhut des Bundes belassen wollte. Mir ist vorhin aufgefallen, daß Sie z. B. gesagt haben, bei den Howaldtwerken in Hamburg sollte man sich beeilen, sie zu veräußern; wenn vielleicht eines Tages die Wirtschaftlichkeit geringer wird, verringert sich auch die Möglichkeit einer Privatisierung.
Der Wunsch nach Privatisierung besteht also immer dann, wenn die Betriebe rentabel sind. Wenn es aber einmal in die andere Richtung geht, kommt gleich von Ihnen ein deutliches Stoppzeichen.
— Ich bin doch der Meinung, Herr Kollege Atzenroth, daß Sie zuerst auf die wirtschaftlichen Betriebe abzielen. Ich könnte Ihnen einige Beispiele nennen von Betrieben, in denen eine Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben ist und deshalb auch der Wunsch nach einer Privatisierung bis heute noch nicht laut geworden ist. Aber in zwei oder drei Jahren vielleicht, wenn die Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, die Unternehmen rentabel werden sollten, wird bei Ihnen wahrscheinlich der Wunsch nach einer Privatisierung sehr lebhaft sein.Wir haben die Debatte um die Privatisierung im Bundestag seit acht Jahren geführt, und ich darf hier noch einmal feststellen: Solange der Besitz vom Bundesfinanzministerium verwaltet wurde, war die Forderung nach einer Privatisierung eine ausschließliche Angelegenheit der FDP und, in concreto, ein besonderes Steckenpferd des Herrn Kollegen Atzenroth. Seit Oktober 1957 hat sich nun die Situation geändert. Der Bundesschatzminister hat im Januar 1958 erklärt, daß über das Ob im Kabinett entschieden sei und daß man sich nur noch über das Wie unterhalten müsse. Das Bundesschatzministerium hat die schwierige Aufgabe erhalten, die Wahlthese der Volksaktie und der breiten Vermögensstreuung — das würde doch Besitz von Aktien bedeuten — in die Praxis umzusetzen, zu realisieren.Nun, breite Vermögensstreuung ist ein gern gehörtes Wort, und es hat erhebliche Hoffnungen erweckt. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn es Ihnen wirklich ernst damit ist, breiteste Schichten unseres Volkes am Eigentum am Produktivvermögen zu beteiligen, dann, glaube ich, wäre das eine Aufgabe, an der wir alle positiv mitarbeiten würden.
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Dr. BleißAber, meine Damen und Herren, eine Lösung dieser Aufgabe setzt voraus, daß Sie erst ein neues Sparkapital bilden müssen, um neue, bisher minderbemittelte Schichten unseres Volkes für den Ankauf dieser Aktien zu gewinnen.
— Das allein genügt nicht. Der Einkommensteuertarif bevorzugt im wesentlichen die großen Einkommen. Es geht uns darum, daß auch diejenigen erfaßt werden, die über ein geringeres Einkommen verfügen. Da möchte ich Ihnen nachher gern einige Vorschläge machen; ich hoffe auf Ihre Unterstützung.Die Schaffung neuen, zusätzlichen Sparkapitals läßt sich — ich komme nun gleich mit den Vorschlägen — nach unserer Auffassung auf zwei Wegen erreichen: einmal durch die Einschränkung der Eigenfinanzierung bei Kapitalgesellschaften, zum anderen durch eine Senkung der Preise, eine Lockerung der Preisabsprachen und eine Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand. Auf diese Zusammenhänge haben wir schon in der Kartelldebatte sehr ausführlich hinweisen dürfen. Ich möchte Ihnen aber zu diesem Punkt einige Tatsachen und Zahlen mitteilen.Nach einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist der gesamte jährliche Vermögenszuwachs von 1956 auf 1958 von 36,3 Milliarden auf 43 Milliarden DM gestiegen. Hiervon entfallen auf die Selbstfinanzierung der Unternehmen 1956 13,5 Milliarden, das ist eine Quote von 37 %, 1958 aber 17,9 Milliarden, das ist eine Quote von 42 %. Allein im letzten Jahr ist die Selbstfinanzierung der Unternehmungen von 14,9 Milliarden auf 17,9 Milliarden, also um 3 Milliarden DM gestiegen; die Quote hat sich von 37 % auf 42 % erhöht.Meine Damen und Herren, damit hat die Quote der Selbstfinanzierung ein beängstigendes Ausmaß erreicht. Gerade deswegen scheinen mir wirkliche Ansatzpunkte dafür vorhanden zu sein, durch einen Abbau der Selbstfinanzierung breitere Schichten der Bevölkerung an dem Zuwachs des Produktivvermögens zu beteiligen.Die Selbstfinanzierung, die ein volkswirtschaftlich äußerst ungesundes Ausmaß erreicht hat, geht nicht zuletzt darauf zurück, daß unsere Wirtschaft weitgehend so fest kartellisiert ist, daß die Preisabsprachen und Preisbindungen so fest und so weitreichend sind, daß von einem echten Leistungs- und Preiswettbewerb überhaupt keine Rede mehr sein kann. Wer in der Wirtschaft versucht, die Preisbindungen der zweiten Hand von sich aus zu lockern und mit verringerten Gewinnspannen zu arbeiten, der läuft Gefahr, mit Liefersperren belegt und damit dem Wirtschaftsboykott ausgesetzt zu werden. So sieht heute teilweise unsere „freie Wirtschaft" aus.Der Verbraucher kann sich nur von Zeit zu Zeit einen Begriff von den Gewinnspannen machen, die in den abgesprochenen Preisen einkalkuliert sind, nämlich dann, wenn sich die Großinteressenten einmal uneinig werden, wenn einige aus der Preiskonvention ausbrechen und wenn dann plötzlich infolge dieser Uneinigkeit die Abgabepreise erheblich gesenkt werden. Die Vorgänge bei den Herstellern von Fernsehapparaten haben doch gezeigt, daß, wenn es sein muß, die Preise um 20 bis 25 % herabgesetzt werden können, ohne daß man damit aus der Gewinnzone herauskommt.
— Herr Kollege Dr. Fritz, die vielen Tausende, die vor Weihnachten ihren Fernsehapparat zum alten Preis gekauft haben, dürften sich inzwischen darüber klargeworden sein, daß sie einen nicht unerheblichen Beitrag zur Eigenfinanzierung der Herstellerfirmen geleistet haben. Das ist ein Beispiel, das für viele andere gleichgelagerte Fälle maßgeblich ist.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung versprochen, breitere Schichten an den Produktionsmitteln zu beteiligen. Es schiene mir richtig, hier den Hebel anzusetzen und die Preisabsprachen und Preisbindungen zu untersuchen und zu kontrollieren sowie sich durch Kostenanalysen einen Überblick über die erhöhten Preisforderungen zu verschaffen.Wir haben seit einiger Zeit ein Bundeskartellamt. Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte es eigentlich auch sein, sich um diese Preisbindungen zu kümmern. Die Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte nicht nur darin bestehen, die Zulassung neuer Kartelle zu prüfen. Das Bundeskartellamt sollte sich vielmehr auch darum bemühen, die bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen zu lockern. Wenn das Kartellamt darin seine Aufgabe sähe, könnte vielerlei erreicht werden.So würde sich zweifellos erreichen lassen, den Wettbewerb wieder zu beleben und die in vielen Teilen unserer Wirtschaft zunehmende Gefahr der wachsenden Überkapazitäten durch eine Ausweitung des Marktes aufzufangen. Es wäre denkbar, durch eine umfassende Preissenkungsaktion das soeben von Ihnen gewünschte Sparkapital in breiter Hand zu bilden. Dann wäre es möglich, aus diesem Sparkapital die wirtschaftlich notwendigen Investitionen zu finanzieren.Das schiene mir der geeignete und auch der vernünftige Weg zu sein, um Ihre Forderung nach einer Beteiligung breiter Schichten an den Produktionsmitteln zu realisieren. Es fragt sich nur, ob die Bundesregierung diese wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen will und ob sie in der Lage ist, sie durchzusetzen.Wir hätten von der Bundesregierung gern gehört — ich bedauere, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht anwesend ist —, ob sie überhaupt etwas und, wenn ja, was sie seit der Regierungserklärung unternommen hat, um eine derartige Sparkapitalbildung zu fördern. Ich fürchte, daß wir auch diesmal ohne eine Antwort auf unsere Frage bleiben werden.Inzwischen geht nun der Herr Bundesschatzminister einen anderen Weg, den Weg der Pflästerchen,
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Dr. Bleißsehr behutsam, sehr vorsichtig, um tunlichst keine Panne zu erleiden.
Im Falle der Preußag bleibt der Bundesbesitz unangetastet. Durch die beschlossene Kapitalerhöhung verschiebt sich nur die prozentuale Beteiligung des Bundes von 100 auf 71,5 %. Der Ausgabekurs der Aktien ist mit 140 bis 150 % — wie er genannt wurde — denkbar niedrig gehalten. Er entspricht — das hat der Herr Kollege Atzenroth auch schon ausgeführt — keinesfalls dem inneren Wert der Unternehmungen.Nun ein Weiteres. Schon vor der Zeichnung der Aktien wird den Erwerbern zugesichert, daß bereits in wenigen Monaten die Börseneinführung erfolgen solle. Es wird gesagt, die Börseneinführung werde zu einem Kurs erfolgen, der um mindestens 15 bis 20 % über dem Ausgabekurs liegen werde, und man werde gleichzeitig auch eine Pflege des Aktienkurses betreiben. Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wird also der Aktienerwerber in kurzer Zeit erhebliche Kursgewinne machen können. Dieses Geschäft — daß man schon bei der Zeichnung der Aktie eine Garantie für einen Kursgewinn mitbekommt — hat, auch wenn es nur von einer geringen Größenordnung ist, in der Geschichte der Börsen seinesgleichen zu suchen. Unter solchen Bedingungen ist wiederum mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß ein Run auf diese Aktien einsetzen wird, ein Run, an dem sich in erster Linie der Personenkreis beteiligen wird, der bereits heute über Aktienbesitz verfügt.
— Aber es werden doch bestimmte Kreise dabei sein, die heute schon sparen! Ich glaube nicht, daß Sie damit allzu breite neue Schichten erfassen werden. Das Börsenpublikum wird sich sicher sehr darum bemühen, diese Aktien zu zeichnen, und wir werden sehen, wie unerwünscht die Aktion nachher verlaufen wird. Lassen Sie mich nur diese Bedenken anmelden.Meine Damen und Herren, wie sieht nun aber der zweite Schritt aus? Die weitere Entwicklung der Börsenkurse wird doch — und man muß mit einer Kurssteigerung rechnen — wahrscheinlich auch den Anreiz steigern, Kursgewinne zu realisieren, d. h. die Aktien zu verkaufen. Und dann werden die kapitalkräftigen Gruppen auf dem Plan erscheinen, die aus übergeordneten preis- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten Einfluß auf die Preußag gewinnen wollen.Bisher hatte ich geglaubt, daß man es vorerst bei einem Anteil von 30 Millionen DM belassen wird. Der Herr Bundesschatzminister hat aber soeben noch einmal bestätigt, daß das nur der erste Schritt sei. Man wird sich, auf die Dauer gesehen, von der Preußag trennen. Sie können mir glauben: die Preußag-Aktien finden dann den Weg zu denjenigen Interessenten, die es sich etwas kosten lassen, das Aktienkapital zu erwerben.Ein solcher Umschichtungsprozeß, wie er sich heute bei der Preußag vollzieht und wie er sich morgen und übermorgen unter der Regie der CDU wahrscheinlich bei anderen bedeutsamen Beteiligungen vollziehen wird, braucht nicht sofort klar erkennbar zu sein. Er braucht nicht in einer sehr kurzen Frist abzulaufen. Die Interessentengruppen gehen im allgemeinen sehr vorsichtig zu Werke. Sie operieren mit längeren Zeitspannen. Aber nach manchem Umweg und nach vielleicht mehrmaligem Wechsel kann dann ein solcher veräußerter Bundesbesitz dazu beitragen, das Netz der Preisabsprachen und die Summe der Preisbindungen noch mehr zu verdichten, die Eigenfinanzierung zu erhöhen, die Gefahr der Überkapazitäten zu steigern und die Stellung des Verbrauchers weiter zu schwächen.
Herr Abgeordneter Bleiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Becker?
Bitte sehr!
Dr. Becker (CDU/CSU) : Herr Dr. Bleiß, haben Sie nicht soeben gehört, daß der Minister gesagt hat, daß beabsichtigt ist, die Konzentration der Aktien dadurch zu verhindern, daß das Höchststimmrecht wie beim Volkswagenwerk begrenzt wird?
Ich habe das wohl gehört, und ich bin der Meinung, daß man eine solche Stimmrechtsbeschränkung im ersten Zuge auch durchführen wird. Aber alle diese Bestimmungen werden sich nachher sehr schnell lockern. Sie dürfen nicht glauben, daß Sie damit eine auf die Dauer wirksame Bremse einbauen; denn Sie werden bald erleben, wie schnell eine solche Bremse wirkungslos wird.Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen mit diesen Bemerkungen nur die Gefahren aufzeigen, die entstehen können. Ich glaube, daß es gerade aus diesem Grunde notwendig ist, schon rechtzeitig und in den Anfängen einer Privatisierung zu widersprechen.In der Argumentation der FDP, des Herrn Kollegen Atzenroth, wird diese Gefahr, die ich Ihnen aufzeigen durfte, nur noch deutlicher. Während Herr Lindrath bemüht ist, durch den Umweg über die Kleinaktie den Weg zur Interessentengruppe zu verlangsamen, hält Herr Kollege Atzenroth einen solchen Umweg nicht für geeignet. Herr Kollege Atzenroth, Sie haben im Januar vergangenen Jahres erklärt, für einen Mann, der 50 Mark zur Verfügung habe, sei eine Aktie nicht die geeignete Kapitalform. Ich nehme dabei an, daß Sie nicht so sehr auf die 50 Mark abstellten, sondern damit die gesamte Kategorie der kleinen Sparer meinten. Sie sagten, für die gebe es andere Formen des Sparens. Damit würden Sie also den Umweg über den kleinen Sparer gar nicht gehen wollen und dem direkten Weg zum kapitalkräftigen Interessenten das Wort reden. Ich bin der Meinung — so fasse ich auch Ihre Anfrage auf —, daß Sie nur einen Druck auf das Tempo der Privatisierung ausüben wollen und daß darin
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Dr. Bleißauch Ihre Forderung nach einem Stufenplan der Versilberung verankert ist. Sie wollen wissen, wie schnell der gesamte Bundesbesitz umgeschichtet werden kann.Wenn wir uns gegen die Privatisierung wirtschaftlich bedeutender Unternehmungen des Bundes aussprechen, um damit zu verhüten, daß der Einfluß marktbeherrschender Unternehmungen weiter verstärkt wird, so berührt das nur die eine Seite des Problems. Ich bin der Meinung, das reicht nicht aus. Die Bundesregierung hat nach unserer Auffassung darüber hinaus die Pflicht, das bundeseigene Vermögen für eine aktive Wirtschaftspolitik einzusetzen. Wir haben uns gerade mit den Notwendigkeiten der Heranziehung des bundeseigenen Vermögens zur aktiven Wirtschaftspolitik in den voraufgegangenen Debatten sehr ausführlich beschäftigt. Ich darf, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Protokolle der früheren Sitzungen hinweisen. Heute möchte ich nur einige ergänzende Bemerkungen machen.Ich gebe gern zu, daß ein paar bescheidene Ansätze zur Aktivierung der Wirtschaftspolitik über bundeseigene Betriebe vorhanden sind. So sind einige schwer betroffene Berliner Betriebe wie Borsig und die Deutschen Werke oder die Luitpold-Hütte in Amberg von der Bergwerks- und Hütten-AG in Salzgitter saniert und dadurch Hunderte von neuen Arbeitsplätzen geschaffen worden. Es trifft auch zu, daß die bundeseigenen Betriebe bei der Vergabe von Aufträgen nach Berlin mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Aber über diese Ansätze ist die Bundesregierung bisher nicht hinausgegangen. Es ist mir wirklich unverständlich, warum das Bundesvermögen nicht stärker für diese Zwecke eingesetzt wird.Der Herr Bundesschatzminister hat im Januar 1958 erklärt, daß das Eigentum an den bundeseigenen Betrieben, besonders der Preußag, für die Führung der Wirtschaftspolitik nicht von Bedeutung sein könne. Nun, Herr Bundesschatzminister, ich darf Sie auch hier mit Ihren eigenen Zahlen in Ihrem Blaubuch widerlegen. Wenn die Zahlen, die hier veröffentlicht worden sind, richtig sind — ich darf das unterstellen —, dann ergibt sich daraus, daß sich der Anteil der Bundesgesellschaften beim Eisenerz auf rund 35 % beläuft — für die Steinkohle haben wir heute morgen eine korrigierte Zahl von 29 % gehört —, daß beim Hüttenaluminium der Bund über 72 % der Produktion verfügt, daß der Bund beim Handelsblei eine Beteiligung von 4 '%, beim Handelszink von 44 %, in der Stromerzeugung von 15 %, im Schiffsbau von 15,6 % besitzt und daß er bei den Personenkraftwagen über eine Beteiligung von rund 42 % verfügt. Nun, meine Damen und Herren und Herr Minister Lindrath, wenn Sie über 42 % der Produktion an Personenkraftwagen verfügen, sollte es dann nicht möglich sein, einen volkswirtschaftlich vernünftigen und angemessenen Preis für Personenkraftwagen zu erreichen?
— Darüber muß der Bundeswirtschaftsminister entscheiden; das ist eben eine Aufgabe einer aktiven Wirtschaftspolitik.
Mir scheint, daß auf vielen Gebieten Möglichkeiten für durchgreifende Preissenkungen durchaus gegeben sind, daß es nur an dem Willen fehlt, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Nun, meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung in ihren bundeseigenen Betrieben eine konsequente Preispolitik triebe, dann hätten sich schon manche Preisabsprachen reduzieren und in viele andere Preisabsprachen ein erheblicher Einbruch erzielen lassen.Lassen Sie mich meine Ausführungen kurz zusammenfassen. Wir Sozialdemokraten bejahen die Beteiligung breiter Volksschichten am Eigentum an Produktivvermögen;
darin sind wir mit Ihnen durchaus einer Meinung. Wir glauben aber — hören Sie gut zu, Herr Dr. Fritz! —, daß ein solcher Einschichtungsprozeß eine vermehrte Sparkapitalbildung zur Voraussetzung hat.
— Sind Sie auch damit einverstanden?
— Gut. Dann gehen wir weiter. Die Erhöhung der Sparrate ist möglich, wenn die übermäßige Eigenfinanzierung der Unternehmungen auf ein volkswirtschaftlich vernünftiges Maß reduziert wird.
Bekommen wir auch dazu Ihre Zustimmung?
Wir halten die Lockerung der Preisabsprachen und die Beseitigung der Preisbindung der zweiten Hand für preispolitisch besonders vordringlich. Nur durch diese Maßnahmen werden breitere Schichten unseres Volkes in den Sparprozeß einbezogen und in die Lage versetzt werden können, Eigentum an Produktivmitteln zu erwerben.Lassen Sie mich noch eines sagen. Die Absicht, durch eine Privatisierung der bundeseigenen Betriebe die These von der breiten Eigentumsstreuung zu verwirklichen, scheint mir ein Versuch am ungeeigneten Objekt zu sein. Dieser Versuch soll nur von der Notwendigkeit ablenken, durch Preissenkung die übermäßige Eigenfinanzierung der Unternehmungen abzubremsen.Die bundeseigenen Betriebe spielen nach unserer Auffassung im Preisbildungsprozeß nicht etwa, wie Sie meinen, eine untergeordnete, sondern eine sehr bedeutende Rolle. Deswegen erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie sich dieses Instrumentes der bundeseigenen Betriebe bedient, um durch gezielte Preisaktionen auf eine Belebung der Konjunktur hinzuwirken. Gerade eine solche Belebung der
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Dr. BleißKonjunktur scheint mir im gegenwärtigen Augenblick besonders vordringlich zu sein.
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Debatte hier sind drei Fragestellungen voneinander zu unterscheiden. Das ging auch schon aus der Begründung der Großen Anfrage durch den Kollegen Dr. Atzenroth hervor und kam bei dem Kollegen Dr. Bleiß, der auf anderen Gebieten so etwas wie eine Entlastungsoffensive für das etwas heikle Thema Sozialisierung oder Privatisierung geritten hat, ebenfalls zum Ausdruck.
Ich möchte die drei Dinge nebeneinanderstellen. Da ist zunächst die wirtschaftspolitische Grundsatzfrage nach der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, in diesem Zusammenhang ganz besonders des Bundes, mit den damit verbundenen Fragen nach dem Ausmaß, das diese wirtschaftliche Betätigung haben, und nach den Gesichtspunkten, denen sie unterliegen soll, und weiterhin den Fragen, die uns hier im Hause seit Jahren beschäftigen, nach der Art der Berichterstattung, nach der Art der Organisation, nach der Art der parlamentarischen Kontrolle als eines wesentlichen Bestandteils des parlamentarischen Budgetrechts.
Der zweite Fragenkomplex ergibt sich daraus, daß die öffentliche Hand nicht überall beliebig Wirtschaft zu treiben hat, daß sie nicht eine beliebige Expansion ihrer Wirtschaftsbetätigung vorzunehmen hat, so daß entweder von Zeit zu Zeit oder in einem besonderen Falle wie jetzt eine grundsätzliche Bereinigung der Bereiche stattzufinden hat, wo die Expansion der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand eine von dem Parlament zu ziehende Grenze überschritten hat. Wir sind seit Jahren in einer solchen Phase der Bereinigung, weil wir eine Erbschaft völlig ungeordneter, zum Teil verwertbarer, zum Teil nicht verwertbarer Komplexe aus der Vergangenheit zu übernehmen hatten.
Die dritte Frage, die in der Debatte, vor allem in den Ausführungen des zuständigen Herrn Bundesministers, zum Ausdruck kam, war die Aufgabenstellung: Welche Wege sind, wenn bei einer ganzen Reihe von Bundesunternehmungen die Privatisierung vorgenommen wird, einzuschlagen, um zu einer gesellschaftspolitisch erwünschten Wirkung zu kommen? Mit anderen Worten: Wie kann vermieden werden, daß unerwünschte Konzentrationen verstärkt werden, und wie kann die erwünschte breitere Streuung von Anteilen am Produktivvermögen herbeigeführt werden?
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst im Bereich des ersten Fragenkomplexes, den ich hier nicht in aller Breite behandeln will, noch einmal einige Fragen aufgreifen, die seit Jahren das Parlament bewegen, weil man unserem Anspruch auf Rechnungslegung und Berichterstattung und einer systematischen parlamentarischen Kontrolle bis heute noch nicht gerecht geworden ist.
Sie haben das Beispiel vom Kollegen Dr. Atzenroth — Herr Minister Lindrath ist darauf eingegangen — bezüglich des relativ geringen Anteils, den die ausgeschüttete Dividende der bundeseigenen Erwerbsunternehmungen gegenüber dem tatsächlich darin steckenden Vermögen ausmacht, gehört. Meine Damen und Herren, das Spiegelbild der ungewöhnlich niedrigen Dividende, der auch in der Branche ungewöhnlichen Dividende ist doch die hohe Thesaurierung der Gewinne in diesen Unternehmungen, mit der eine weitere Expansion durch die Selbstfinanzierung ermöglicht worden ist.
Nach den Angaben, die uns die Berichterstattung des Herrn Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes allmählich auf Vollständigkeit zu bringen bemüht ist, ergibt sich allein für die drei großen Industrie-Holding-Gesellschaften des Bundes in den Jahren 1948 bis 1957 ein Durchschnitt von 66 % Anteil der Selbstfinanzierung an den vorgenommenen Investitionen.
Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich vielleicht, daß der Kollege Dr. Bleiß von einer Selbstfinanzierungsquote der gesamten Wirtschaft in einem Jahr in Höhe von, ich glaube, 37 %, in einem anderen Jahr von 42 % gesprochen hat. Ich möchte gern, Herr Kollege Dr. Bleiß, Ihre Meinung über die durchschnittliche Selbstfinanzierungsquote der drei großen Bundeskonzerne in diesen 10 Jahren von 66 % hören. Sie ist 1957 im Schnitt der drei Konzerne auf 77 % angestiegen.
Herr Abgeordneter Hellwig, Herr Bleiß möchte sich dazu äußern.
Bitte!
Herr Kollege Hellwig, ist Ihnen entgangen, daß ich nicht von der Selbstfinanzierungsquote an der Investition gesprochen, sondern gesagt habe: „Die Selbstfinanzierung der Unternehmungen hat eine solche Quote am gesamten volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs"?
Ich komme gleich zu Ihrem Einwand, obwohl er mit dem Thema der Selbstfinanzierung und ihrem Vergleich noch nicht unmittelbar etwas zu tun hat. Denn ich muß Ihren Angaben entgegenhalten, daß diese Rechnung saber das tatsächliche Ausmaß der Selbstfinanzierung in den Unternehmungen nichts aussagt. Sie können nur die Selbstfinanzierung für die vorgenommene Investition mit dem Gesamtwert der Investitionen abzüglich Abschreibungen vergleichen. Sie können nicht vom Anteil am volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs auf die Höhe der Selbstfinanzierungsquote schließen; denn dann haben Sie außerordentlich schwierige Abgrenzungsfragen. Wohin gehört beispielsweise die Sparkapitalbildung der Bauherren für den Wohnungsbau? Bei der Investitionsfinanzierung ist bisher der Wohnungsbau, auch der der privaten Bauherren, immer in der Vermögensbil-
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Dr. Hellwigdung der Unternehmungen registriert worden, so daß die private Sparkapitalleistung der Bauherren plötzlich der Selbstfinanzierungsquote oder der Vermögensbildung der Unternehmungen zugerechnet wird. Die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten haben Sie bei dem gesamten Wirtschaftsbereich der Selbständigen — Handwerk, Einzelhandel, Ärzte, Rechtsanwälte, sonstige freie Berufe —, deren Sparleistungen ja, wenn sie in die Verbesserung der eigenen Betriebe gehen, auch in dieser Globalrechnung verschwinden.Wir können hier also nur auf die Berichtigung der Vermögensrechnungen und Selbstfinanzierungsrechnungen verweisen, die die Bank deutscher Länder, jetzige Bundesbank, vor einiger Zeit in ihren Berichten vorgenommen hat. Daraus ergibt sich, daß die Selbstfinanzierung bzw. der Anteil der nichtentnommenen Gewinne an der Vermögensbildung der Unternehmungen sich in den Jahren 1950 bis 1957 im Schnitt auf 36 % stellte; im Jahre 1957 ist er um einige Punkte zurückgegangen. Seit 1957 —und die Entwicklung hat 1958 sicher angehalten—haben wir einen Rückgang des Anteils der Vermögensbildung im Bereich „Unternehmungen und Selbständige" zugunsten der Vermögensbildung in der Hand der Sparer.Damit komme ich zu einem Ihrer Hauptpostulate. Sie sagen, die Eigentumsstreuung auch unter Einbeziehung der Aktie könne erst beginnen, wenn die Sparkapitalbildung wesentlich verbessert sei. Nun, dann ist der Zeitpunkt gerade richtig gewählt, um damit zu beginnen, denn das Jahr 1958 hat eine ganz ungewöhnliche Ausdehnung der Spartätigkeit gebracht. Wir sind also durchaus auf dem Wege, den auch Sie uns empfehlen.
Nun zurück zu den Fragen der Rechnungslegung und zu dem Gesamtkomplex der Werte, um die es sich handelt. Der Herr Minister Lindrath hat schon selber über die Problematik der in den Nachweisungen des Haushalts vorgelegten Gesamtredmungswerte gesprochen. Er hat anerkennenswerterweise sowohl in der Sonderveröffentlichung des letzten Jahres wie in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushaltsplan 1959 darauf hingewiesen und den Hinweis an einigen Beispielen illustriert, daß die tatsächlichen Substanzwerte erheblich über den in den Nachweisungen enthaltenen Gesamtrechnungswerten liegen. Ich glaube, daß er bei der Angabe von Substanzwerten noch sehr vorsichtig zu Wege gegangen ist. Den etwa 2,5 Milliarden DM Gesamtrechnungswert, die nachgewiesen werden, entsprechen wohl allein bei den industriellen Beteiligungen des Bundes etwa 7 Milliarden DM Substanzwert, von denen nach meinen Schätzungen 4,3 Milliarden DM auf die drei genannten großen Industriekonerne und 2,7 Milliarden DM auf die übrigen industriellen Beteiligungen einschließlich des Volkswagenwerkes entfallen. Man müßte aber noch zurechnen die die verkehrswirtschaftlichen, wohnungswirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Unternehmungen sowie die Kreditinstitute, von anderen kleineren Dingen nicht zu sprechen. Deren Substanzwert ist wohl auf 500 Millionen DM zu schätzen, so daß wir auf insgesamt 7,5 Milliarden DM Substanzwert, cl. h. auf rund das Dreifache des bisher ausgewiesenen Gesamtrechungswertes kommen. Diese Zahl stellt ungefähr die Hälfte des gesamten in der Wirtschaft arbeitenden Erwerbsvermögens von Bund, Ländern und Gemeinden dar. Der Bund hat damit nicht nur eine führende Stellung, sondern meines Erachtens auch eine Verantwortung in der Problematik: „Wieviel öffentliche Wirtschaft?" und „Wo hat eine Korrektur zur Wiederherstellung angemessener Grenzen stattzufinden?"
Es wäre unaufrichtig, wenn wir nicht anerkennten — darin sind sich wohl alle Parteien im Hause einig —, daß sich der Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes in bemerkenswerter Weise bemüht hat, die Berichterstattung auf den Stand zu bringen, den wir seit Jahren gefordert halben. Wenn ich hier weitere Wünsche äußere, dann bedeutet das nicht etwa, daß rich den bisherigen Bemühungen die Anerkennung versage. Im Gegenteil, wir wollen helfen — und wir sind hier im Hause, glaube ich, einer Meinung mit dem zuständigen Ressort —, daß der Anspruch des Parlamentes und damit der Öffentlichkeit und des Steuerzahlers auf eine volle Unterrichtung gewahrt wird.Wir haben vor allem noch Klagen hinsichtlich der Vollständigkeit der Verzeichnisse. In den Verzeichnissen verändern sich die Namen der unmittelbaren Beteiligungen. Übergänge von unmittelbaren zu mittelbaren Beteiligungen und umgekehrt finden statt, ohne daß sie dem Parlament in irgendeiner Weise notifiziert werden. Weitere Mängel bestehen hinsichtlich der sonstigen wesentlichen Veränderungen, die stattgefunden haben.Vor allem möchten wir eine Kontinuität in den Angaben über die einzelnen Gruppen, sowohl was die konsolidierten Bilanzen, Gewinn- und Verlustredmungen, wie was die Einzelbilanzangaben angeht, haben. Bei der Lektüre von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen ist eine Kontinuität mit vergleichbaren Angaben notwendig. Es ist uns nicht damit gedient, daß wir in dem einen Jahr für den einen Konzern und im nächsten Jahr nur für den anderen Konzern die Angaben bekommen und sie mühselig in einen Zusammenhang bringen müssen.Was seit Jahren gewünscht wird, soll nochmals in die Erinnerung gerufen werden: das Kapitel der Kreditverflechtungen zwischen den einzelnen Unternehmungen und Unternehmensgruppen im Bundesbesitz.Allgemeinwirtschaftlich sind wir mit den Angaben über den Anteil an der volkswirtschaftlichen Leistung, wie sie für einzelne Industrieproduktionen gegeben werden, durchaus zufrieden. Sie erlauben heute schon bestimmte wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen und ermöglichen beispielsweise die Warnung, daß der Produktionsanteil von bundeseigenen Unternehmungen sich, nicht zuletzt im Gefolge der hohen Selbstfinanzierungsquote, in manchen Bereichen bermerkenswert gehoben hat. Wir möchten aber auch noch die Beschäftigtenzahlen für den Gesamtkomplex erreichbar machen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959 3397
Dr. HellwigIn dem besonderen Bereich der wohnungswirtschaftlichen Gesellschaften ist es wohl nicht unbillig, wenn wir verlangen, auch den Anteil des Bundes an dem gesamten Wohnungsbestand der öffentlichen Hand, aber auch im Verhältnis zu dem übrigen Wohnungsbestand, insbesondere den Wohnungsbestand der einzelnen Gesellschaften, zu erfahren.Ich glaube hier schon eine Anregung aufgreifen zu sollen. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, daß wir in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt, einem recht dicken Band, eine Fülle von Material über die bundeseigenen Unternehmungen vorgelegt bekommen. Wir haben aber — so glaube ich feststellen zu müssen — zur Zeit nicht das Gremium in diesem Hause, welches sich laufend mit diesem Bericht, seiner Ergänzung, der Berichterstattung an das Plenum bei der Verabschiedung des Haushalts in zweiter und dritter Lesung usw. befaßt.
Hier ist eine Lücke in der arbeitsmäßigen Bewältigung dieser Vorlagen in unserer eigenen Organisation, die wir irgendwann einmal systematisch und nicht nur für vorübergehende Einzelfragen schließen müssen.Nun darf ich zu dem zweiten Thema kommen, zur Abgrenzung zwischen der öffentlichen und der privaten Wirtschaft bzw. zur Frage: Soll privatisiert werden oder nicht? Herr Dr. Bleiß hat in dieser Frage das Grundsätzliche nicht behandelt, sondern zunächst ganz global gesagt: Von Bagatellfällen wollen auch wir nichts wissen; die Bereinigung soll in irgendeiner Weise stattfinden. Er hat aber dann ausgeführt: Wir möchten aber, daß der Bund die bundeseigenen Unternehmungen da, wo sie eine bestimmte Bedeutung haben, wirtschaftspolitisch einsetzt.Dazu ist zweierlei zu sagen. Welches sind die Gesichtspunkte, die für eine Veräußerung von Erwerbsunternehmungen maßgebend sind? Ist das nur ein frei über den Daumen gepeilter Grundsatz: Was sehr groß ist, bleibt beim Bund, was sehr klein ist, wird privatisiert? oder: Was rentabel ist, wird privatisiert, was unrentabel ist, wird nicht privatisiert?Herr Dr. Bleiß, die Objekte, die in den letzten Jahren verkauft worden sind, waren in vielen Fällen durchaus keine rentablen Unternehmungen, sondern Vermögensrestwerte von völlig unlukrativen, wirtschaftlich sinnlos gewordenen Dingen, die in dem Großreinemachen der Nachkriegsjahre einmal abgestoßen wurden.
Ich glaube, daß uns aber auch diese Fragestellung „rentabel oder unrentabel" noch nicht weiterführt. Wir müssen einmal zu einigermaßen objektiven Maßstäben für die Entscheidung kommen, ob der Bund ein bestimmtes Wirtschaftsunternehmen betreiben soll oder nicht. Ich darf daran erinnern, daß wir, soweit ich die Landesgesetzgebung übersehe, auf Landesebene — nämlich in den Gemeindeordnungen — überall bereits den Versuch haben, einen bestimmten Gesichtspunkt aufzustellen, nämlich das Subsidiaritätsprinzip für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde. Die Gemeinde soll wirtschaftliche Unternehmungen nur dort betreiben, wo ein bestimmtes Bedürfnis dafür vorliegt und wo der gleiche Zweck nicht von anderen erfüllt werden kann.
Diese Abgrenzung variiert in den Ländern etwas. Am engsten ist sie in Bayern gezogen. In Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern ist sie auch relativ eng gezogen. Dort wird von einem „dringenden" öffentlichen Bedürfnis gesprochen. In anderen Ländern wie in Hessen — was ja wohl niemand wunder nimmt — ist sie weiter gefaßt, um die Betätigungsmöglichkeit der kommunalen Wirtschaft nicht allzusehr einzuengen.Ich glaube, daß man von diesem Kriterium ausgehend auch die Frage nach der wirtschaftlichen Notwendigkeit von großen Unternehmungen des Bundes stellen und beantworten muß. Man kann nicht a priori sagen: Das und das wird verkauft und das nicht. Das war, Herr Kollege Atzenroth, die große Schwäche des Gesetzentwurfs, den Ihre Fraktion im vorigen Bundestag eingebracht hatte. Sie wollten gewissermaßen eine Globalentscheidung haben und die beiden Dinge miteinander verbinden: nämlich das Gesetz zur Regelung, gewissermaßen zur Begrenzung der öffentlichen Wirtschaft mit dem Verfahren der Privatisierung. Ich glaube, diese beiden Dinge kann man nicht miteinander verbinden. Das war auch ein wesentlicher Grund dafür, warum uns damals die weitere Beratung dieses Antrags nicht sehr, sagen wir einmal, erfolgversprechend schien.
Ich glaube also, daß wir von Fall zu Fall bei den einzelnen Erwerbsunternehmungen des Bundes zu prüfen haben, ob dort eine wirtschaftliche Betätigung notwendig ist oder nicht. Ich mache allerdings darauf aufmerksam — und komme damit zu der anderen Bemerkung, die Herr Dr. Bleiß zu diesem Thema machte —, daß es natürlich von der wirtschaftspolitischen Gesamtlinie, die letzten Endes eine Mehrheitsentscheidung des Parlaments ist, abhängt, wie im Einzelfall diese Entscheidung aussieht. Ich gebe mich nicht damit zufrieden, daß gesagt wird: Das eine oder andere Bundesunternehmen soll hier von der Verwaltung eingesetzt werden, um Wirtschaftspolitik zu treiben, wenn etwa diese Wirtschaftspolitik sich gegen die Ansicht des Parlaments richten sollte bzw. von ihm auf Grund seiner Gesamtkonzeption nicht geteilt würde. Was bedeutet denn der Einsatz von solchen bundeseigenen Unternehmungen für die Wirtschaftspolitik? Das setzt zunächst voraus, daß diese bundeseigenen Unternehmungen — und das gilt cum grano salis auch für Land und Gemeinden —, den gleichen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen unterliegen wie ihre privaten Wettbewerber, die sie ja am
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3398 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959
Dr. HellwigMarkt zu einem bestimmten Verhalten beeinflussen sollen. Das aber ist einstweilen bisher nicht gegeben. Ich erwähne die Befreiung der öffentlichen Unternehmen von der Vermögensteuer. Sie sind von der Vermögensteuer befreit, wenn die Anteile an ihnen ausschließlich dem Bund, einem Land, einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einem Zweckverband gehören und die Erträge an ihnen ausschließlich diesen Körperschaften zufließen.Einen ähnlichen Vorwurf gibt es gegen die Umsatzsteuer. Sie kennen das leidige Thema der Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, die von der Umsatzsteuer frei sind, wenn die Unternehmen ausschließlich der öffentlichen Hand gehören und auch die Erträge ausschließlich diesen Körperschaften zufließen. Die gleiche Frage muß hinsichtlich der Befreiung bestimmter Bereiche von der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Grundsteuer gestellt werden. Wenn hier bejaht wird, daß öffentliche Unternehmen, die nicht Monopolverwaltungen sind, im Wettbewerb mit anderen Unternehmen wirtschaftspolitisch eingesetzt werden sollen, müssen zuvor gleiche Methoden der steuerlichen Behandlung festgelegt werden;
sonst wäre das eine Wirtschaftspolitik, die praktisch zum Ende einer sauberen Wettbewerbswirtschaft führt.
Herr Abgeordneter Hellwig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bleiß?
Ja.
Herr Kollege Dr. Hellwig, halten Sie die Befreiung der bundeseigenen Unternehmen von der Vermögensteuer für eine so große wirtschaftliche Bevorzugung?
— Ein Promille maximal!
Ich glaube schon, daß das durchaus eine Rolle spielt. Es handelt sich in einem Jahr um etwa 40 Millionen, wie Kollege Dr. Atzenroth sagt. Das ist immerhin ein Betrag, der für bestimmte Investitionen im einen oder anderen Falle eine Rolle spielt, auch wenn er zunächst in der Größenordnung gegenüber den Milliarden, von denen vorhin die Rede war, nicht groß erscheint. Aber es kommt nicht darauf an, was die Vermögensteuer im Verhältnis zu dem Gesamtvermögen ausmacht, sondern was sie in einer konkreten Marktsituation im Verhältnis zu den Erlösmöglichkeiten, zur Ertragslage ausmacht. Das ist doch eigentlich der Punkt, wo die private Konkurrenz der Schuh drückt.Ich muß hier, was die Gleichstellung angeht, nochmals auf das Thema Dividenden zurückkommen. Wenn die großen bundeseigenen Unternehmen dem gleichen Dividendendruck ihrer Aktionäre wie die privaten Gesellschaften unterlägen, dann könnten sie mit Sicherheit nicht diese Thesaurierung zur Finanzierung der Expansion betrieben haben, wie es hier der Fall ist. Das gehört dann auch mit zu dem Thema gleiche Wettbewerbsbedingungen, wenn man den wirtschaftspolitischen Einsatz dieser Unternehmungen bejahen sollte.Ich darf jetzt auf ein Kapitel eingehen, das schon in den Ausführungen von Herrn Dr. Atzenroth angeklungen ist: auf die außergewöhnlichen Schwierigkeiten, die sich der Realisierung einer jeden Privatisierungsabsicht entgegenstellen. Man hat manchmal das Gefühl, daß es sich hier um Besitzstände handelt, die so zementiert sind, daß man sie kaum noch aufknacken kann. Das liegt an der sehr verworrenen Gesamtsituation. Es handelt sich einmal um Widerstände — ich registriere sie hier nur objektiv, ohne einen Vorwurf persönlicher Art machen zu wollen — in der Verwaltung der Gesellschaften selber. Es ist einfacher, wenn man in der Hauptversammlung den Herrn Staatssekretär des zuständigen Ressorts als Gesprächspartner hat, als wenn man einige hundert wißbegierige und dividendenhungrige Aktionäre vor sich hat. Es sind aber auch Widerstände in der Ministerialbürokratie vorhanden, die in vielen Fällen in den Verwaltungen dieser Gesellschaften sitzt. Schwierigkeiten liegen aber auch — wir wollen hier unsere eigene Verantwortung nicht verkleinern — im Parlament und in der parlamentarischen Beratung. Die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien und innerhalb der Parteien und die Schwierigkeiten vor allem auch im Hinblick auf die Mitwirkung der Länder spielen eine Rolle. Die Länder haben durch das Vorschaltgesetz in einem großen Teil dieser Unternehmungen Sitz und Stimme und verteidigen hier mit allen Mitteln eine Art von Besitzstand.Bei manchen Privatisierungsvorgängen sind noch rechtliche Fragen zu lösen, etwa die, wer Eigentümer ist. Wie schwer sie zu entscheiden ist, zeigt das leidige Schicksal der Privatisierungsversuche beim Volkswagenwerk. Ich hoffe — ich darf hier auf die Bemerkung von Herrn Dr. Atzenroth zurückkommen —, daß durch das im Volkswagensparerprozeß ergangene höchstgerichtliche Urteil nunmehr eine Klärung in dem Sinne möglich ist, daß der Bund die Zuständigkeit für die Regelung der Eigentumsverhältnisse hat und daß die Volkswagenwerk GmbH — wie es unsere Auffassung ist — nicht als aufgelöst zu gelten hat. Die These des Landes Niedersachsen lautete bekanntlich anders. Daß wir aber bei der Behandlung einer Vorlage von höchstgerichlichen Entscheidungen abhängig sind, zeigt schon, wie kompliziert die Vorgänge im Einzelfall sind. Wenn hier etwas behutsamer vorgegangen wird, darf das nicht gleich als ein Versagen oder Nichtwollen interpretiert werden. Der Antrag bezüglich des Volkswagenwerks ist nicht in der Versenkung verschwunden; er wird nunmehr im Ausschuß zur Beratung kommen, da die eigentumsrechtliche Problematik jetzt eine vorläufige Lösung in unserem Sinne gefunden hat.Die Schwierigkeiten bei Howaldt, Hamburg, sind Schwierigkeiten einer gesetzlichen Genehmigung, einer Genehmigung durch das Parlament. Die
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Dr. HellwigSchwerfälligkeit eines solchen Verfahrens hat unter Umständen zur Folge, daß sich bei der Schnellebigkeit der Wirtschaft unterdessen die Bewertungsmaßstäbe völlig ändern. Denken Sie etwa an die Konjunktureinflüsse, wie wir sie im Schiffsbau in den letzten drei, vier Jahren hatten! Aber auch unsere eigenen Maßnahmen wie die Korrekturen der Körperschaftsteuer haben den Ertragswert dieses Objekts wesentlich beeinflußt. Dadurch sind neue Bewertungen nötig geworden. Ich glaube daher, daß dem Hause und dem zuständigen Ressort nicht der Vorwurf gemacht werden kann, es fehle an gutem Willen, wenn bei der Bewertung im Sinne des auf die Vermögenserhaltung bedachten Parlaments mit Sorgfalt vorgegangen wurde und weitere Gutachten eingeholt wurden.Hinsichtlich der Schwierigkeiten in anderen Fällen, etwa im Falle der Preußag, darf ich mich kurz fassen. Von dem Herrn Minister ist dazu schon einiges gesagt worden. Zu der gesellschaftspolitischen Seite der angestrebten Konstruktion werden sich noch weitere Kollegen von mir äußern. Ich möchte nur folgendes erwähnen. Ich bin nicht der Meinung, Herr Kollege Atzenroth, daß man von vornherein sagen könnte, es sei nicht als Privatisierung anzusehen, wenn eine bundeseigene Aktiengesellschaft ihr Kapital erhöht und man dann diese neuen Aktien nicht vom Steuerzahler bezahlen läßt, der nichts davon hat, sondern vom Sparer kaufen läßt, so daß also der kauflustige Steuerzahler immerhin einen Anteil erhält.Ich glaube, man sollte den Sammelbegriff Privatisierung etwas nuancieren. Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die ich als Voraussetzung einer Privatisierung oder als relative Privatisierung bezeichnen möchte. Beispielsweise wäre ein eindeutiger Expansionsstopp der bundeseigenen Unternehmungen gegenüber der Expansion als einer anhaltenden Erscheinung in der gesamten Wirtschaft schon eine relative Privatisierung, weil sich die Marktanteile dieser öffentlichen Unternehmungen verringern würden und damit auch deren relatives Gewicht. Eine Voraussetzung für die Privatisierung wäre vielfach auch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, wovon ich vorhin schon gesprochen habe; denn nur dann, wenn gleiche Wettbewerbsbedingungen gegeben sind, lassen sich Ertragslage und Ertragswert einwandfrei beurteilen. Ebenso ist die Vorbereitung einwandfreier Bewertungen ein wesentlicher Schritt und eine Voraussetzung für die Privatisierung. Wir wären bei Howaldt, Hamburg, und einigen anderen Komplexen wahrscheinlich nicht in diese langwierigen Bewertungsfragen hineingekommen, wenn, wie es selbstverständlich sein sollte, seit Jahren echte, der Substanz oder der Ertragslage entsprechende Werte und nicht nur kameralistische Globalzahlen oder überholte Buchwerte, mit denen man für den Vorgang einer Privatisierung nichts anfangen kann, angegeben worden wären.Ich komme nun zu der Frage: Wer soll im Einzelfall die Privatisierungsverhandlungen führen und wer soll den Ausschlag geben? Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das Parlament zustimmungsberechtigt ist. Seine Zustimmung ist nötig, wenn es sich um den Verkauf unmittelbarer Beteiligungen im Werte von 250 000 DM und mehr handelt. Bei mittelbaren Beteiligungen sind wir bisher nicht gefragt worden. Wir haben, so möchte ich meinen, auch heute noch nicht einen einwandfreien Überblick darüber, welche mittelbaren Beteiligungen insgesamt veräußert worden sind. Man kann es sich nur mit Mühe aus den einzelnen Listen zusammenstellen. Ich wäre dafür dankbar, wenn man uns auch den Verkauf mittelbarer Beteiligungen zumindest zur Kenntnis bringen würde. Wir führen beispielsweise bei Grundstücksverkäufen von relativ geringem Vermögenswert die Zustimmung des Parlaments herbei. Ich glaube, wir sollten bei der Veräußerung von mittelbaren Beteiligungen, deren Vermögenswert erheblich über dem mancher Grundstücksverkäufe liegt, zum mindesten die Unterrichtung des Parlaments anstreben.In all diesen Fällen, wo es um die kleineren mittelbaren Beteiligungen geht, handelt zunächst die Verwaltung selbst, handeln zum Teil auch die Organe der beteiligten Unternehmungen, also der Eigentümergesellschaften, wenn sie Unter- oder noch weiter verschachtelte Beteiligungen abstoßen. Die Zustimmung des Parlaments ist, wie ich schon sagte, auf die unmittelbaren Beteiligungen von einer bestimmten Größe beschränkt. In diesen Fällen aber muß selbstverständlich die Verwaltung die Verhandlungen führen, und sie bedarf hierzu auch der Vertraulichkeit; sie ist notwendig, wenn man das günstigte Angebot bei den Interessenten herausfinden und realisieren will.Anders aber liegt es mit dem Anspruch des Gesetzgebers, eingeschaltet zu werden, wenn er eine ganz bestimmte, sei es wirtschaftspolitische, sei es gesellschaftspolitische Zielsetzung damit verbindet. Das ist der Fall, den wir ja gerade beim Volkswagenwerk zum Anlaß genommen haben, durch eine eigene Vorlage bestimmte Gesichtspunkte auch gesetzlich zu verankern, wie wir uns die breite Streuung von Aktienbesitz in Kleineigentum mit ganz bestimmten rechtlichen und finanziellen Merkmalen denken. Über die Dinge im einzelnen werden, wie ich sagte, noch Kollegen sprechen. Ich glaube, hier nur sagen zu sollen, daß es uns besonders darauf ankommt, diese Kleinaktien nicht nur klein zu stückeln und nicht nur zu günstigen Erwerbsbedingungen abzugeben, sondern auch den Kreis der Erwerber nach der Einkommenshöhe zu begrenzen, um zu verhüten, daß derjenige, der bereits Aktien besitzt und damit einen bestimmten Vermögensstand hat, hier noch mehr erwirbt, und weiterhin diesen Papieren einen besonderen Schutz gegen Spekulation, gegen unkontrollierbare Konzentrationskäufe zu geben.Dabei ist vorhin schon das Wort Stimmrechtsbeschränkungen in Erinnerung gerufen worden. Um eine Mißdeutung auszuschalten, sollten wir sagen: Nicht das Einzelstimmrecht dieser Aktie soll beschränkt werden, es soll keine Aktie minderen Stimmrechts sein, sondern die Zahl der Stimmrechte, die in einer Hand vertreten werden oder auftreten können, soll begrenzt sein. Man sollte also eigentlich „Höchststimmrechte" und nicht „Stimmrechtsbeschränkungen" sagen.
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3400 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959
Dr. HellwigEs wird wohl noch Gelegenheit sein, von meinen Kollegen darüber im einzelnen einiges zu hören.Ich glaube aber, hier noch auf einige letzte Bemerkungen des Kollegen Dr. Bleiß eingehen zu sollen, nämlich auf die Frage nach den Voraussetzungen für die Spartätigkeit.Er hat, wie ich vorhin schon sagte, eine Art Entlastungsoffensive auf dem Gebiet der Preispolitik geritten, um zu dem Thema Privatisierung selbst relativ wenig zu sagen. Ich glaube, Herr Dr. Bleiß, daß alle Ihre Befürchtungen eigentlich durch das Jahr 1958 widerlegt worden sind. Denn gerade das Jahr 1958 hat nach den Erscheinungen einer überhöhten Konjunktur eine Normalisierung gebracht, die sich ausdrückte in verstärktem Wettbewerb mit Stabilisierung des Preisniveaus, obgleich die Lohnkosten in diesem Jahre nochmals stärker als die Produktivität zugenommen haben. Wenn trotzdem eine solche Kostensteigerung nicht automatisch zu einer Preiserhöhung geführt hat, kann das nur die Folge eines verschärften Wettbewerbsklimas sein. Sie brauchen sich nur die einzelnen Branchen anzusehen; die Praxis wird Ihnen das bestätigen.Sie sprachen dann von der Lockerung der Preisbindung der zweiten Hand. Genau das ist ja eingetreten: daß das Klima des Wettbewerbs so scharf wurde und wahrscheinlich auch weiter sein wird, daß die Unternehmungen von sich aus die Elastizität, die sie haben wollten, auch auf Verzicht auf die Preisbindung der zweiten Hand herstellten.
— Sie wissen, daß es in der Fernsehindustrie doch einen erheblichen Einbruch gegeben hat. In anderen Branchen geschieht es gleichfalls, nur wird es, weil es sich völlig dezentralisiert vollzieht, in der Öffentlichkeit im allgemeinen nicht so bekannt. Ich bin neugierig, was der Bericht des Bundeskartellamtes gerade über die Erfahrungen mit der Preisbindung der zweiten Hand enthalten wird.Dann sprachen Sie von der Forderung: Abbau der Selbstfinanzierung. Genau das ist auch in den Jahren 1957/58 geschehen. Die Selbstfinanzierungsquote war rückläufig. Sie müssen es immer relativ sehen, Sie können nicht absolute Zahlen miteinander vergleichen, wenn wir uns noch in einer allgemeinen Expansion befinden. Wenn Sie sagen: Eigentumsstreuung für die breite Masse, Eigentum am Produktivvermögen, Streuung insbesondere durch Abbau der hohen Selbstfinanzierung — dann ist damit allerdings gerade das Stichwort für unsere Forderung gegeben, dort anzufangen, wo die Selbstfinanzierungsquote ganz besonders hoch, überdurchschnittlich hoch ist, wie bei den Bundes-Industrieunternehmungen. Dann mündet Ihre Forderung in genau die Maßnahmen ein, die wir hier von der Regierung verlangen.Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend nur noch eine Bemerkung machen. Ich sehe mit etwas Besorgnis, daß wir uns bei dem Problem der Bundesunternehmungen immer mehr in den Randfragen oder in den Fragen zweiter oder dritter Stufe auseinanderreden und daß darüber das zentrale Problem zu kurz kommt: die Zuständigkeit des Parlaments für alle Maßnahmen, die in diesem Bereich der bundeseigenen Unternehmungen zur Erörterung stehen. Mein Appell ergeht daher an alle, die Entscheidung über die Privatisierung im Einzelfall, über ihre Ausgestaltung, über die Zielsetzung, die — mit den Worten meiner Freunde — eben in einer ganz bestimmten gesellschaftspolitischen Richtung liegt, nicht zu weit zu treiben. Schließlich würde sich der lachende Dritte — nämlich alle die, die es angeht in der Verwaltung und in den Organen dieser Unternehmungen — in einer, sagen wir einmal, gewissen Sicherheit wiegen und sagen: „Solange das Parlament sich über diese Fragen auseinandersetzt, wird die parlamentarische Kontrolle gegenüber diesem Komplex, die Durchsetzung des Parlamentswillens in diesem Bereich noch lange auf sich warten lassen." Das möchte ich nicht eintreten lassen — als Folge eben der Auseinandersetzung um Privatisierung und um die Arten der Privatisierung —; ich möchte daneben immer noch um die gemeinsame Auffassung des Parlaments hinsichtlich seines Anspruchs gegenüber diesem großen Sektor der öffentlichen Wirtschaft ringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Steinmetz.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ersten Ausführungen des Kollegen Atzenroth haben bei mir den Eindruck erweckt, daß er und seine Freunde die ersten und auch die energischsten Rufer im Streit für die Privatisierung von Bundesvermögen gewesen seien. Das hat mich veranlaßt, schnell einmal nachzuprüfen, welche Anfragen großer und kleiner Art über dieses Thema in den letzten Jahren hier gestartet worden sind. Und da habe ich allerdings feststellen müssen, daß alle Parteien, alle Fraktionen daran stark beteiligt sind. Dabei ist mir auch eine sehr interessanten Anfrage aus dem Jahre 1954 in die Hände gefallen. Sie stammt — wie das bei mir nicht anders zu erwarten war, denn ich bringe sie ja vor — von meinen Freunden, von der Deutschen Partei. Wir haben schon damals in der Drucksache 489 in einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung gefragt, ob sie bereit sei,1. dem Bundestag konkrete Pläne über die endgültige Behandlung dieses Vermögens vorzulegen und2. gegebenenfalls die Errichtung einer selbständigen Bundesoberbehörde für das Bundesvermögen zu erwägen.Das ist doch hochinteressant; auch deshalb interessant, weil es den Entwicklungsgang sehr deutlich zeigt. Darauf hat nämlich die Regierung geantwortet, daß sie im Augenblick noch keine konkreten Pläne habe, denn es komme dabei nicht etwa nur auf den guten Willen der Regierung, sondern auch auf die Bereitschaft der Interessenten in der Wirtschaft an, Anteile aus dem Bundesvermögen zu übernehmen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959 3401
Dr. SteinmetzDaran sehen Sie, wie sehr sich der Standpunkt der Regierung entwickelt hat. Dies ist übrigens typisch Schäffersche Dialektik. Er suchte in der Wirtschaft Leute, die die großen Bundesanteile übernehmen wollen. Heute sind wir auf einem ganz anderen Weg. Heute wollen wir breit streuen und ein gesellschaftspolitisches Ziel erreichen. Es ist sehr interessant, die chronologische Entwicklung einmal zu verfolgen. Man kann dem Herrn Schatzminister heute weiß Gott nicht vorwerfen, daß er allein so lange Zeit gebraucht hat. Er hat sein Amt ja erst in einer Zeit übernommen, in der man sich endgültig auf diesen neuen Weg umstellte.Unsere Empfehlung, eine Bundesoberbehörde zu schaffen, wurde seinerzeit abgelehnt. Damals wurde gesagt, sie sei nicht nötig. Nun, heute haben wir sie. Diese Bundesoberbehörde sitzt hier in der leibhaftigen Gestalt des Herrn Ministers vor uns.
Wir haben hier also eine sehr interessante Entwicklung durchgemacht. Das sollten wir bei allen Diskussionen anerkennen. Vielleicht machen wir noch weitere Entwicklungen durch. Man sollte hier das Tempo nicht allzu hektisch beschleunigen, sondern, wie es auch der Herr Minister gesagt hat, mit ruhiger und klarer Überlegung an diese sehr schwierigen Umstellungsprobleme herangehen.In der Sache selbst ist natürlich noch nicht viel getan. Aber immerhin, die Teilprivatisierung der Preußag, die nun vor uns steht, ist so eine Art Silberstreifen am Horizont. Was der Herr Minister darüber gesagt hat, wie er diese Teilprivatisierung durchführen will, findet unsere volle Zustimmung. Darum will ich darauf ncht mehr im einzelnen eingehen. Ich habe seinerzeit in der Debatte über die Howaldtswerke kurz dargelegt, welches die Einstellung meiner Freunde ist. Wir wollen eine Privatisierung der Bundesvermögen und der Bundesanteile, soweit es möglich ist. Wir wollen aber nicht, daß die Unternehmen dabei aus dem Regen der staatlichen Machtkonzentration in die Traufe der privatwirtschaftlichen Machtkonzentration geraten. Gerade dazu hat der Herr Minister hier sehr grundlegende und klare Ausführungen gemacht, für die wir ihm dankbar sind.Wir hätten es begrüßt, wenn man hier noch ein Wort über die Frage der Publizität gesagt hätte. Ich glaube, wir müssen bei diesem Anfang mit der Preußag sofort daran denken, daß Organe geschaffen werden müssen, die zur Aufklärung der neu gewonnenen Aktionäre dienen und die eine starke Publikationswirkung haben. Hier haben wir — das haben Sie, Herr Minister, ja auch selbst ausgesprochen — ein Mittel zur Erziehung zum Wertpapiersparen. Dazu ist gerade in unserem Volke eine sehr starke Aufklärungsarbeit erforderlich.Wir haben es auch bedauert, Herr Minister, daß Sie hier keine umfassenderen Pläne entwickelt haben, wie Sie sich die Entwicklung der Privatisierung in der Zukunft denken. Wir haben es auch bedauert, daß Sie uns noch keine Einzelheiten darüber sagen konnten, wie Sie sich das bei der Privatisierung des Volkswagenwerks denken. Wir können uns jedoch vorstellen, daß Sie nicht gern mit Plänen herauskommen wollen, ehe Sie die Dinge klar sehen. Das wäre sehr verfehlt. Darum müssen wir das anerkennen. Aber an sich ist es wichtig, nun, nachdem wir diesen Beginn bei der Preußag gemacht haben, auf diesem Weg zu bleiben und ihn sehr energisch fortzusetzen. Denn bei der geringen Emissionsfreudigkeit der Kapitalgesellschaften bleibt dies beinahe der einzige Weg, Produktionsmitteleigentum in breiter Streuung in das Volk zu bringen.Man hat gelesen, daß Sie in Zukunft stufenweise emittieren wollen. Sie wollen, nachdem Sie 25 % der Emissionssumme ausgegeben haben, zunächst abwarten, wie sich der richtige Kurs einspielt. Dann wollen Sie weiter mit 25 % emittieren, um zu sehen, wie sich die Interessengruppen der Wirtschaft verhalten und wie sich die Kleinsparer und Kleinaktionäre verhalten. Das findet völlig unsere Zustimmung. Es ist richtig, auf diesem schwierigen Gebiet allmählich, vernünftig und klar voranzugehen.Vielleicht kann man auch daran denken, die vielen kleinen Komplexe des Bundesvermögens und der Bundesanteile zusammenzufassen, um mit ihnen dann eines Tages im richtigen Augenblick denselben Weg zu gehen, damit auch sie erfaßt werden.Wenn einmal solch ein Unternehmen für eine Privatisierung nicht rentabel genug ist, ist die Frage zu stellen, ob dieses Unternehmen überhaupt noch eine Existenzberechtigung hat. Man sollte dann klar und entschlossen sein und den Mut haben, ein solches Unternehmen abzubauen. Das gehört sicher zu diesem Thema. Ich glaube, es sind nicht wenige Betriebe, bei denen wir diese Prüfung anstellen müssen.
Wir sollten uns nun einmal überlegen, was aus den Erlösen dieser Privatisierungsvorgänge wird. Im Falle der Preußag haben wir uns darüber keine Gedanken zu machen, weil die Aufstockung aus dem Unternehmen heraus erfolgt. Aber bei anderen Privatisierungen, vor allem bei der vollkommenen Privatisierung von größeren Unternehmen, wird eine Wirkung eintreten, die die meisten Außenstehenden noch gar nicht erkennen. Wir werden gewisses Sparkapital, das bis jetzt vielleicht im Rahmen des Kontensparens läuft, auf die Linie des Aktiensparens leiten, damit aber einem Raum unserer Wirtschaft entziehen, der dieses Kapital gerade sehr dringend braucht, weil es ihm daran fehlt, nämlich der mittelständischen Wirtschaft, die im übrigen meistens nicht emissionsfähig ist. Wir werden also Kapital aus einem Raum abziehen, wo wir es im Augenblick gar nicht dürfen.Ich möchte darum anregen, daß die Regierung diese Privatisierungserlöse in Form von Kreditfonds für die mittelständische Wirtschaft bereitstellt. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Überlegung, die wir nicht übersehen dürfen;
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Dr. Steinmetzdenn bei einer weiter fortschreitenden Privatisierung werden wir diesen Raum der mittelständischen Wirtschaft tatsächlich von Kapital entblößen.Nun ein kurzes Wort zu den Grundsätzen der Privatisierung. Der Herr Kollege Hellwig hat dar- über sehr grundlegende Ausführungen gemacht. Ich möchte nur noch eines sagen: unser Standpunkt ist von alters her gewesen, daß alle die Bundesunternehmen privatisiert werden sollten, die zur privaten Wirtschaft in Konkurrenz treten, wenn in dieser privaten Wirtschaft nicht irgendwelche monopolistische Konkurrenz auftritt. Aber wir wünschen — das habe ich anfangs schon angedeutet — auf keinen Fall, daß diese Privatisierungsmethode irgendwelchen privatwirtschaftlichen Machtkonzentrationen in die Hände arbeitet.Um das klar zu erkennen, sollte man eine Analyse der Märkte vornehmen, in denen die Bundesunternehmen arbeiten. Ich habe bei der letzten Debatte über die Howaldtwerke dem Herrn Minister empfohlen, eine Morphologie der Märkte, in denen Bundesunternehmen arbeiten, aufzustellen und uns zuzuleiten. Er hat damals sehr freundlich genickt, aber bei diesem freundlichen Nicken ist es bisher geblieben. Eine solche Morphologie der Märkte ist aber für uns bedingt notwendig, um klar zu sehen, welche Bundesunternehmen wirklich privatisiert werden müssen und welche man zunächst nicht privatisieren sollte.Dann noch ein zweiter Grundsatz. Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir die neu geworbenenAktionäre nicht enttäuschen. Dazu gehört aber eine sehr gute Durchleuchtung der Bundesunternehmen nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern insbesondere in personeller und organisatorischer Hinsicht. Diese große Vorarbeit muß geleistet werden, bevor wir überhaupt zu Entschlüssen kommen, wo wir privatisieren wollen. Wir haben schon in der vorigen Debatte klar herausgestellt, daß wir selbstverständlich in diesem Hause über jeden Einzelfall diskutieren müssen.Zum Schluß möchte ich noch etwas zu dem Sozialbonus sagen. Wir halten es für verkehrt, mit den neuen Aktien einen Sozialbonus zu verbinden. Wir würden auch sehr davor warnen, den Aktienkurs zu niedrig zu setzen. Es dient dem normalen Ablauf der Marktwirtschaft und der Einheit der Marktwirtschaft durchaus nicht, wenn man solche Sondervergünstigungen schafft. Außerdem würden weite Kreise durch solche Bevorrechtigungen benachteiligt werden, z. B. Personen, die mit Einkommen über der 16 000-DM-Grenze liegen, und auch diejenigen, die überhaupt noch nicht zum Sparen kommen können. Es ist also gut, wenn solche überschwenglichen Träume von dem revolutionären Typ der Aktie ausgeträumt sind. Die Aktionäre, die Kleinaktionäre und die Volksaktionäre, wollen die Bevorrechtigung auch gar nicht unbedingt. Sie sind Aktionäre wie alle übrigen Aktionäre, und sie wollen gar nicht irgendwie qualitativ herausgehoben werden. Sie wollen eher Klarheit und Sicherheit.Ich möchte, um die Debatte nicht allzu weit auszudehnen, damit schließen: wenn Sie, Herr Minister,für die Aktionäre die notwendige Aufklärung und Sicherheit schaffen und wenn sie die Privatisierung von Bundesunternehmungen und Bundesanteilen so durchführen, wie wir es hier in unseren Grundsätzen gesagt haben, die sich ja sehr stark mit Ihren Ausführungen decken, dann werden Sie für diese Arbeit immer die Unterstützung meiner Freunde haben, besonders wenn Sie — das möchte ich als ganz besonderen Wunsch noch anschließen — aus dem Privatisierungs-Bummelzug umsteigen in den Privatisierungs-Eilzug und, wenn Sie sich an das neue Tempo des Eilzugs gewöhnt haben, vielleicht sogar eines Tages in den Privatisierungs-D-Zug.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Achtung der Gefühle, die die Kollegen haben, die heute noch eine weite Reise vorhaben, werde ich mich, obwohl ich gereizt bin, es lang zu machen, äußerst kurz fassen; ich hoffe, daß Sie es dann so kollegial verstehen und nicht als ein Zeichen der Schwäche in der Sache ansehen.
Was an Kritik gesagt wurde, können wir zum Teil akzeptieren. Auch wir sind mit dem Tempo der Entwicklung nicht ganz zufrieden. Es gibt nicht nur in den Märchen Fabeltiere, die vor den Höhlen sitzen, in denen die Schätze liegen; die gibt es offenbar auch in der Wirklichkeit. Ich möchte unseren verehrten Herrn Bundesschatzminister und sein Haus davon expressis verbis ausschließen. Sie kämpfen völlig auf unserer Seite, und ich möchte Ihnen dafür unseren herzlichen Dank aussprechen.
Wenn wir diese Frage heute erörtern, dann sollten wir sie in der Größenordnung sehen, in der sie zum Gesamtproblem steht. Das gesellschaftspolitische Gesamtproblem für uns ist und bleibt die Schaffung von Eigentum in Personenhand, breit gestreut und aus dem Willen des Eigentumsberechtigten erwachsen, allerdings mit unserer Förderung Diese Förderung erfolgt aus den gleichen Gründer und Motiven, aus denen wir den Aufbau der Wirtschaft mit den Mitteln des Gesetzes und des Steuerrechts gefördert haben.
Diese Förderung sind wir nunmehr, wenn unsere Politik folgerichtig sein soll, den anderen Ständer aus den gleichen gesellschaftspolitischen Überlegungen schuldig.
Wir stellen mit großer Freude und Genugtuung fest, daß dieser Wille zur Eigentumsbildung — vielleicht auch schon mit durch unsere De batten, durch unsere Anregungen, durch unsere Aussprachen — angeregt worden ist und dal sich die Entwicklung auf dem besten Wege be
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Dr. Burgbacherfindet. Im Jahre 1958 sind im Geldsparen, im Bausparen, im Lebensversicherungssparen und im kleinen Wertpapierzeichnen 12 Milliarden DM gespart bzw. gezeichnet worden. Das ist eine sehr beachtenswerte Summe. Eine Gesellschaftspolitik ist nur dann gesund, wenn sie auch eine gesunde Wirtschaftspolitik ist; umgekehrt kann man es auch sagen.Ich stimme dem Herrn Kollegen Dr. Bleiß darin bei, daß die Rate der Selbstfinanzierung zurückgehen muß. Ich bin auch der Meinung — kann das aber wegen der Zeit nicht ausführen —, daß das in der Dynamik der Wirtschaft liegt, daß ein intakter Kapitalmarkt — intakt durch die Sparprozesse unseres gesamten Volkes — die Dynamik in sich trägt, die Selbstfinanzierungsrate zurückzudrängen, weil dann das Geld zu Preisen und Bedingungen langfristig zu haben ist und damit die Notlösung der Selbstfinanzierung nicht notwendig ist. Wenn dazu noch ein in Angebot und Nachfrage ausgeglichener Markt kommt, dann tritt infolge unserer gesellschaftspolitischen Maßnahme der Förderung des Eigentums in Personenhand automatisch der Rückgang der Selbstfinanzierungsquote ein.Herr Kollege Atzenroth hat gesagt, wir verschleuderten Bundesvermögen.
— Nein? Das Wort „verschleudern" habe ich mir aufgeschrieben. Was verschleudern wir denn?
— Ja, eben, genau da. — Und Herr Kollege Bleiß hat mit Recht gesagt, es bestehe die Gefahr, daß zwischen dem Ausgabekurs und dem mutmaßlichen Börsenkurs eine solche Spanne entstehe, daß der Anreiz zum Verkauf den Willen zum Eigentum überdecke. Es wäre völliger Unsinn, diese Gefahr bestreiten zu wollen. Ich frage aber, Herr Kollege Bleiß: Sind Sie gegen den Sozialbonus? Wenn Sie nicht gegen den Sozialbonus sind, sondern mit uns dafür sind, was uns sehr freut, dann müssen Sie aber die andere Folge, daß durch den Sozialbonus eine Kursdifferenz entsteht, gegen sich gelten lassen. Sie können nicht die zwei Dinge auf einmal machen.
Wir wollen doch auch Vertrauen zum Eigentums- und Sparwillen unserer Mitbürger haben. Ich habe aus den Ausführungen des Kollegen Bleiß mit Freude entnommen, daß er für oder zumindest nicht grundsätzlich gegen die Volksaktie — dieser Sprachgebrauch hat sich nun einmal eingebürgert— ist. Er hat von Gefahren gesprochen. Aber, meine Damen und Herren, ein Eigentum, das nicht frei veräußerlich ist, ist kein Eigentum.
Wir lehnen es ab, der Schutzmann über das Eigentum unserer Bürger zu sein.
Wir wollen ihnen das Eigentum fördernd vermitteln. Dann unterliegt seine Bewahrung der Personenwürde und dem eigenen Entschluß.Freilich wollen wir in Würdigung der Gefahr, die nun einmal bei schwachen Menschen immer vorhanden ist, den Sozialbonus in der Regel mit einer Sperrfrist für die Volksaktien verbinden. Das ist bei der Preußag nicht der Fall. Es ist schon mehrfach erwähnt worden: für die Preußag-Transaktion ist nicht das Parlament zuständig, sondern die Bundesregierung.Bei der Preußag wird aber die andere Gefahr, daß Aufkäufer etwa Gruppeneigentum schaffen, was uns im Hinblick auf die Konzentrationsförderung unerwünscht ist, durch zwei Maßnahmen mit relativer Sicherheit ausgeschlossen sein. Die erste Maßnahme ist, daß eine Stimmrechtsbegrenzung eingeführt wird, und zwar eine recht massive, die dem Kleinaktionär sein volles Stimmrecht läßt, die aber dem, der aufkauft, kein größeres Stimmrecht gibt, als der Kleinaktionär hat. Das zweite ist eine klar verbriefte Abrede mit dem Bankenkonsortium, an dem, soviel ich weiß, alle maßgebenden Institute der Bundesrepublik beteiligt sind, wonach das Bankenkonsortium darauf zu achten hat, daß kein akkumulierter Aufkauf stattfindet und wonach es bei Vertragsstrafe verboten ist, etwa gegen sehr beliebte Aufkaufsprovisionen derartige Geschäfte zu vermitteln.Ich gebe Ihnen zu, daß wir damit nicht an den Himmel der Sicherheit geschmiedet sind. Ich möchte aber immer wieder von dem Grundsatz ausgehen, daß das Eigentum unseres Bürgers seiner freien Verfügung unterliegen muß. Wir wollen seine Eigentumsbildung fördern, ihn aber dann nicht mehr beaufsichtigen, es sei denn in der Sperrfrist, und die wollen wir mit dem Sozialbonus honorieren.
Was ist überhaupt „Volksaktie"? Wir sind uns — das sage ich Ihnen ganz offen -- über die juristische Formulierung im letzten noch nicht klar. Ich möchte aber sagen: ihre Merkmale sind 1. kleine Stückelung, 2. Stimmrechtsbegrenzung auf die kleine Stückelung, 3. Aufkaufverbot im Konsortialvertrag der Banken und Verbot der Mitwirkung bei Aufkäufen. Ich kann sagen, daß die Banken gern dabei mitmachen. Warum? Nicht nur aus Tugend, sondern aus der sehr klaren Überlegung, daß sich auch für die Banken in der Verwaltung des breit gestreuten Personenvermögens ganz andere Möglichkeiten abzeichnen, als sie bisher gegeben waren. Aber ein Vertrag ist immer nur dann vernünftig, wenn er nicht mit widerlaufendem, sondern mit parallel laufendem Interesse abgeschlossen wird.Zur Volksaktie gehört also eine kleine Stückelung, Stimmrechtsbegrenzung, Sperrfrist gegen Sozialbonus oder Sozialkurs. Man hat im Fall der Preußag — gar nicht zu unser aller Freude — statt des Sozialbonus den Sozialkurs gewählt. Der Kurs dürfte vielleicht bei 175 liegen und der soziale Ausgabekurs bei 145. Es sind also 30 Punkte weniger.
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Dr. BurgbacherDas entspricht knapp 20 % Nachlaß, der den Personen mit einem Einkommen unter 16 000 DM in der ersten Emission gewährt wird. Da mit einer 8 %igen Dividende zu rechnen ist, haben wir eine Verzinsung von 5,6 % auf den Sozialkurs. Diese Verzinsung müssen wir auch sehen. Ich glaube, Herr Kollege Bleiß, daß die gute Verzinsung eine gewisse Bremse für eine Verkaufsabsicht des Kleinaktionärs darstellen dürfte.Im übrigen ist die Schaffung von Eigentum in Personenhand eine Aufgabe, die nicht in einem oder zwei Jahren gelöst werden kann, und zwar nicht etwa aus Rechtsgründen. Wenn wir nicht durch die Schaffung von Eigentum in Personenhand andere Schäden wirtschaftlicher Art hervorrufen wollen, dann muß das vielmehr ein organischer Wachstumsprozeß über Jahre hinaus und kann kein revolutionärer, sondern immer nur ein evolutionärer Vorgang sein.Ich versichere Ihnen, meine Damen und Herren, daß meine politischen Freunde in ihren Arbeitskreisen mit Energie und Intensität an einem ganzen Bukett eigentumsfördernder Maßnahmen arbeiten. Darunter ist die Privatisierung des Bundesvermögens gar nicht der größte Fisch.
Im Jahre 1958 haben sich in Personenhand 12 Milliarden DM Eigentum gebildet, und wir sprechen über 30 Millionen DM Preußag-Aktien, über vielleicht 400 oder 500 Millionen DM Volkswagen-Aktien und über vielleicht noch 2 bis 3 Milliarden DM anderer Aktien. Daran sehen Sie die Größenordnung. Diese Erkenntnis der Größenordnung sollte uns allen auch die Erkenntnis geben, daß wir die Dinge leidenschaftslos, wie es heute geschehen ist, und sachlich erörtern und gemeinsam den Weg zur Privatisierung suchen müssen.Ich würde mich freuen, wenn dieses ein gemeinsames Anliegen des Hohen Hauses würde: daß wir „ein Volk von Eigentümern" zu dem „Volk in Freiheit" setzen. Sie können sich darauf verlassen, daß wir, zumal da wir in der Wirtschaftspolitik die Vollbeschäftigung erreicht haben, in der Sozialpolitik das Eigentum für jeden auch erreichen und es mit den Mitteln, mit denen wir es bisher gefördert haben, unter Wahrung der freien Entschließung des einzelnen weiter fördern.
Herr Abgeordneter Jacobi!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde ebenfalls auf die Freitagskalamität Rücksicht nehmen und mich auf ein paar Bemerkungen beschränken. Sie werden ausgelöst durch Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Hellwig, der im Zusammenhang mit den hier aufgeworfenen Fragen auch die kommunale Wirtschaft erwähnt hat. Diese ist eigentlich im Laufe der Jahre immer mehr unumstritten geworden. Bei dem großen Streit über Art, Umfang und Zulässigkeit öffentlichen Wirtschaftens hat gegenüber früher allmählich eine nüchterne Betrachtung der Aufgaben der Gemeinden auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung Platz gegriffen. Ich habe mit großem Interesse und mit Dankbarkeit vermerkt, daß eine der Schriften, die in letzter Zeit herausgekommen sind, nämlich die des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Industrie- und Handelstages, Dr. Frenzel, die Verhältnisse sehr sachlich darlegt und der kommunalen Versorgungswirtschaft und ihren Aufgaben gerecht wird, sie also in den Streit um die öffentliche Wirtschaft nicht einbezieht.
Was mich veranlaßt, dennoch eine kurze Berner-kung zu machen, ist der Hinweis Herrn Dr. Hellwigs, es gebe bei den Kommunen bestimmte Begrenzungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Betätigung, und die Tatsache, daß er in diesem Zusammenhang den Terminus Subsidiaritätsprinzip gebraucht hat.
Dabei möchte ich doch einen Vorbehalt machen, Herr Dr. Hellwig. Denn durch die Gemeindeordnungen ist der Besitzstand gewahrt, und die Frage, die in einer Reihe von Gemeindeordnungen auftritt und unterschiedlich gelöst wird, geht lediglich dahin, ob für den Fall einer Änderung, wenn beispielsweise Unternehmen erweitert oder neu errichtet werden, eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt erfolgen muß, ob andere es nicht besser und wirtschaftlicher machen können. Die Formulierungen in den Gemeindeordnungen sind unterschiedlich, aber in keiner der Gemeindeordnungen, von denen wir ja in der Bundesrepublik eine ganze Reihe haben, ist I irgendwann und irgendwie der Besitzstand in Zweifel gezogen worden.
Das ist nicht unwichtig; denn wenn es richtig wäre, daß hier ein klares Subsidiaritätsprinzip aufgestellt würde, dann müßte sich das auch auf den gegenwärtigen Besitzstand erstrecken. Ich glaubte, auf diese Tatsache hinweisen zu müssen, bin Ihnen, Herr Kollege Dr. Hellwig, aber dankbar, daß Sie mir soeben durch einen Zwischenruf noch einmal bestätigt haben, daß Sie im Streit um die öffentliche Wirtschaft Wert darauf legen, die kommunale Wirtschaft nicht einzubeziehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Jacobi, ich glaube nicht, daß der Besitzstand in allen Gemeindeordnungen ohne weiteres gewahrt ist. Oder wie interpretieren Sie die Bestimmung in der Bayerischen Gemeindeordnung, daß gemeindliche Wirtschaftsunternehmen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken dürfen? Hier ist doch wohl auch eine Grenze in der Wahrung des Besitzstandes gezogen, oder sind Sie anderer Meinung?
Ich darf Ihnen mit dem Text der Bayerischen Gemeindeordnung antworten. In Art. 75 heißt es:
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JacobiDie Gemeinden dürfen wirtschaftliche Unternehmungen nur errichten, übernehmen oder erweitern, wenn1. der öffentliche Zweck das Unternehmen erfordert,2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht,3. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.Und dann heißt es im Absatz 2, auf den Sie abstellen:Gemeindliche Wirtschaftsunternehmen dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken.Das ist eine Eingrenzung, mit der auch der Kommunalwirtschaftler durchaus einverstanden sein wird. Denn wir sind im Laufe der Jahre zu der Überzeugung gekommen, daß es völlig ausreicht, wenn im wesentlichen nur die eigentliche Versorgungswirtschaft Gegenstand der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden ist.
Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe noch einmal um das Wort gebeten, weil ich glaube, daß einige Richtigstellungen erforderlich sind, damit Zahlenangaben von Herrn Kollegen Dr. Hellwig nicht unwidersprochen bleiben. Herr Kollege Dr. Hellwig, Sie haben u. a. gesagt, die Rate der entnommenen Gewinne sei im Jahre 1957, verglichen mit 1950, um 1 % zurückgegangen. Ich glaube, der Vergleich von 1950 und 1957 ist an den Haaren herbeigezogen. Meine Zahlen waren etwas aktueller, ich pflege dem Hause immer ein genau geprüftes Zahlenmaterial vorzulegen.
Ich darf Ihnen auch die Quelle angeben; es ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Ich zitiere aus diesem Zahlenmaterial, daß von 1957 auf 1958 die nicht entnommenen Gewinne von 13,3 auf 16,3 Milliarden DM gestiegen sind und daß der Quotenanteil von 37% auf 42 % angewachsen ist. Darin sehe ich eine erhebliche Gefährdung.
Der Anteil der Ersparnisse der öffentlichen Hand ist von 14,9 auf 11,6 Milliarden DM, quotenmäßig von 37 auf 27 % zurückgegangen. Ich hielt es für notwendig, auf diese Angaben noch einmal hinzuweisen.
— Darauf komme ich auch gleich zu sprechen. Der Anteil der Ersparnisse der privaten Haushalte ist
von 1957 auf 1958 von 10,3 auf 13,3 gestiegen. Das ist von mir auch nicht bestritten worden. Ich habe Ihnen nur nachweisen wollen, daß die Eigenfinanzierung im letzten Jahr ein ungewöhnliches Ausmaß angenommen hat.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, gern!
Herr Kollege Bleiß, wir haben Mitte Februar. Glauben Sie, daß Mitte Februar 1959 schon brauchbare Schätzungen über das Sozialprodukt und den Vermögenszuwachs von 1958 vorgelegt werden können? Das sind doch alles vorläufige Schätzungen. Wir sollten hierauf nicht so weitgehende Schlußfolgerungen aufbauen.
Ich habe großes Vertrauen in die weitgehend mechanisierte Erfassung des Zahlenmaterials. Ich habe mich auf eine Quelle berufen, die auch Ihnen zur Verfügung steht. Falls sich später eine Korrektur der Zahlen ergeben sollte, können wir uns darüber gerne noch einmal verständigen.Lassen Sie mich aber zum Grundsätzlichen des Problems noch einiges sagen. Herr Kollege Hellwig, Sie waren der Meinung, wir hätten uns dazu nicht geäußert. Wir haben die dritte Debatte in einem Jahr. Ich glaube, wir brauchen die grundsätzlichen Erörterungen nicht immer zu wiederholen. Das muß auf die Dauer das Hohe Haus langweilen. Ich habe mir erlaubt, auf eine Vielzahl von Ausführungen, die insbesondere mein Freund Heinrich Deist gemacht hat, hinzuweisen. Sie ergeben sich aus den Protokollen des Bundestages. Das in anderen Worten noch einmal zu sagen schien mir überflüssig zu sein.Ich möchte jedoch auf unseren Grundsatz hinweisen, daß sich der Bund vom wirtschaftlich unerheblichen Besitz trennen soll, daß er aber den wirtschaftlich bedeutenden Besitz behalten und — das ist unsere Auffassung — als Mittel einer aktiven Wirtschaftspolitik und als Gegenmittel gegen die zunehmende Konzentration der Macht in der privaten Wirtschaft einsetzen muß.Herr Kollege Burgbacher, wir sprechen nicht gegen einen Sozialbonus; ich habe kein Wort dagegen gesagt. Wir haben nur überlegt, wie es verhindert werden kann, daß die Aktien auf einem kürzeren oder längeren Weg den Großinteressenten zufließen, und ich habe meine Bedenken geäußert, daß eine starke Kurssteigerung den Anreiz vermehren wird, die Aktien schnell wieder zu verkaufen. Dann kommen die kapitalkräftigen Gruppen auf den Markt, die sich zwar nicht sofort, aber auf längere Sicht eine Einwirkung gerade auf diese Vermögensteile sichern wollen.
Ich möchte hier noch einmal herausstellen, daß wirdie Vermögensbildung bejahen, daß wir uns aber
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3406 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959
Dr. Bleißgegen Auswüchse wehren, und insbesondere wehren wir uns gegen Auswüchse, wenn sich daraus gesamtwirtschaftliche, volkswirtschaftliche Gefahren ergeben; denn man kann ja auch durch eine überhöhte Eigenfinanzierung zu Überkapazitäten kommen, die sich nachher sehr schädlich auf die Wirtschaft auswirken können.
— Ja, gern.
Herr Kollege Bleiß, ich habe folgende Frage: Welche Möglichkeiten der freien Vermögensbildung in Personenhand mit staatlicher Förderung sehen Sie, wenn Sie die von Ihnen genannten Gefahren vermeiden wollen? Es genügt ja nicht, ein Gefahr aufzuzeigen; man muß einen Weg zeigen, wie sie vermieden werden kann.
Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen, Herr Kollege Dr. Burgbacher: Senken Sie die Preise und ermöglichen Sie dadurch eine verbesserte Sparkapitalbildung! Zwingen Sie die Aktiengesellschaften, ihre Investitionsvorhaben nicht ausschließlich oder überwiegend selbst zu finanzieren, sondern den Kapitalmarkt zu beanspruchen. Auf diese Weise werden Sie eine weitgestreute Beteiligung an den Produktivmitteln bekommen. Aber gerade Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik hat es ja bisher in den vergangenen Jahren durch eine übermäßige Förderung der Eigenfinanzierung verhindert, daß der Kapitalmarkt gesunden konnte.
— Ja, aber diese Politik hat verhindert, daß der Kapitalmarkt gesunden konnte.
Wenn das Haus nicht voll besetzt ist, dann entwickelt sich die Diskussion. — Als letzter Redner hat Herr Abgeordneter Katzer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auch auf die „Vollbesetztheit" des Hauses Rücksicht nehmen. Ich glaube, die Diskussion hat bis jetzt zwei erfreuliche Aspekte ergeben. Herr Kollege Dr. Bleiß, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie in Ihren ersten Ausführungen doch ein Ja zur breiten Eigentumsstreuung gesprochen, und speziell haben Sie das auch für den Fall Preußag getan.
— Generell ja, Preußag nein?
— Gut, danke schön. Diese generelle Bereitschaft scheint mir doch wert, festgehalten zu werden.
— Ich komme darauf. Sie meinten, der Weg gehe nur über das Sparen. Hier möchte ich bereits eineEinschränkung machen, und zwar von einer ganz anderen Seite aus. Ich persönlich teile die Auffassung, daß der Weg nur über das Sparen geht, nur teilweise. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft am Kapitalvermögen der Gesellschaften hinweisen, wie sie sich beispielsweise, Herr Kollege Dr. Bleiß, aus der großen Aktienrechtsreform ergibt und wie sie sich aus den daraus resultierenden Möglichkeiten ergibt, diesen Punkt der großen Aktienrechtsreform in der kleinen Aktienrechtsreform vorwegzunehmen. Ich möchte also durchaus feststellen — auch in Übereinstimmung mit Herrn Professor Burgbacher —, daß hier nicht nur e i n Weg gegeben ist. Herr Professor Burgbacher hat meines Erachtens vorhin mit Recht darauf hingewiesen, daß die Privatisierung des Bundesvermögens ja nur ein Teil des Gesamtproblems ist, vor dem wir stehen.Aber bleiben wir jetzt einmal beim Sparen, Herr Kollege Dr. Bleiß. Ich möchte hier auf eine Möglichkeit hinweisen, die im Augenblick im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gegeben ist. Wir beraten dort im Unterausschuß das Sparprämiengesetz. Ich würde es sehr begrüßen, Herr Kollege Lange, wenn man sich gerade unter dem Gesichtspunkt, von dem Herr Dr. Bleiß sprach — er stellte die Frage des Sparens in den Vordergrund —, dazu entschließen könnte, auch das Aktiensparen in das Sparprämiengesetz hineinzunehmen. Über diese Frage haben wir uns ja in der letzten Sitzung eingehend unterhalten, als es darum ging, ob das gesamte Wertpapiersparen in das Gesetz hineingenommen werden sollte.Ich glaube, durch den zweiten erfreulichen Aspekt, den der Herr Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes heute aufzeigte, sind wir zu einer solchen Lösung sehr ermuntert, und ich möchte diesen Aspekt in sehr positivem Sinn erwähnen. Es ist hier endlich einmal von der Bundesregierung der Versuch gemacht worden, eine Definition des Begriffs der Volksaktie zu geben. Wir brauchen diese Definition des Begriffs der Volksaktie nicht nur für das Sparprämiengesetz, sondern für unsere gesamte Privatisierungs- und Eigentumspolitik sehr dringend.Die vier Punkte, die der Herr Bundesminister für den wirtschaftlichen Besitz des Bundes heute in der Regierungserklärung herausgestellt hat, begrüßen wir dankbar. Ich darf sie noch einmal aufgreifen.Die Volksaktie soll — das ist sehr klar zum Ausdruck gebracht worden — kein Spekulationspapier, sondern ein Anlagepapier sein. Das erste, was die Volksaktie besonders auszeichnen soll, ist, daß sie klein gestückelt ist.Der zweite Punkt war der Sozialbonus. Wir bekennen uns nachdrücklich zu ihm.In Verbindung mit diesem Sozialbonus bejahen wir auch den dritten Punkt, nämlich die Sperrfrist für eine Veräußerung. Mit dieser ganzen Aktion ist nämlich auch ein sehr weitgehendes erzieherisches Problem zu lösen. Hier ist die Sperrfrist durchaus nicht negativ, sondern positiv zu sehen.
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KatzerDas vierte war die Stimmrechtsbeschränkung. Ihr Hauptargument gegen die Privatisierung, Herr Dr. Bleiß, war immer das Fehlen dieser Stimmrechtsbeschränkung. Es ist von allen Sprechern der Union — ich wiederhole und betone das nachdrücklich — zum Ausdruck gebracht worden, daß wir nicht für eine Stimmrechtsbeschränkung der einzelnen Volksaktie, wohl aber für eine Höchststimmrechtsbegrenzung eintreten, damit die Gefahren, die wir mit Ihnen sehen, Herr Dr. Bleiß, nicht entstehen können.Das sind die vier Punkte, die herausgestellt wurden und die ich nachdrücklich unterstreichen möchte.Herr Dr. Atzenroth, ich möchte mir noch eine Bemerkung zu Ihrer Begründung der Großen Anfrage erlauben. Unser gesellschaftspolitisches Ziel heißt nicht: Privatisierung des Bundesvermögens, sondern es heißt: Eigentum für jeden. Die Privatisierung des Bundesvermögens ist dabei für uns, wie mir scheinen will, ein erster, aber sehr sinnvoller Anfang.
Herr Abgeordneter Atzenroth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf eine kurze Folgerung aus der heutigen Debatte ziehen.
Die Antwort, die wir von dem Herrn Minister erhalten haben, hat uns nicht befriedigt. Wir haben eine Grundsatzfrage angeschnitten. Die Antwort und die Regierungserklärung der Bundesregierung sind dieser Grundsatzfrage ausgewichen. Bei unserer Anfrage ging es nicht darum, wie man breite Einkommenstreuung vornehmen soll. Darüber sind wir uns einig. Es ging darum: soll wirklich das gewerbliche Bundesvermögen aus der Verfügungsmacht des Bundes, der öffentlichen Hand, in irgendeine private Verfügungsmacht überführt werden?
Wir sind auch der Meinung, daß diese private Verfügungsmacht möglichst breit gestreut werden soll. Darüber sind wir uns einig. Aber das sollte nach unserem Willen nicht das Thema der heutigen Debatte sein; es ist es aber leider fast ausschließlich geworden.
Das Thema der heutigen Debatte sollte vielmehr die Frage sein: will man überhaupt privatisieren? Ich will Ihnen an dem Beispiel der Preußag, das immer wieder vorgeführt wird, beweisen, daß von Privatisierung kaum die Rede sein kann. Eine Privatisierung wäre es erst, wenn man den Erlös in Höhe von 30 Millionen DM irgendwohin führte — in die Bundeskasse oder in eine Stiftung — und ihn irgendwie für die Allgemeinheit verwendete.
Das ist hier nicht geplant, sondern man verwendet diese 30 Millionen DM wieder im Bundesvermögen. Insofern schafft man, angehängt an das Bundesvermögen, einen Teil privates Vermögen. Dem fließt ein Teil der Reserven zu — das gebe ich ohne weiteres zu —, und insofern ist eine wirkliche Privatisierung vorhanden. Aber der Grundsatz der Privatisierung wird völlig durchbrochen. Breiteste Eigentumsstreuung auf dem Wege über die Aktie vorzunehmen, halten wir zudem für einen Fehler.
Ich habe keine Antwort auf meine Frage hinsichtlich der Pläne im Bundeswirtschaftsministerium gehört. Auch dort ist man der Meinung, daß man besser über eine Investmentform vorgehen sollte.
Von uns aus gesehen sollte das aber wie gesagt nicht das heutige Thema sein. Privatisierung war die große Frage, die wir an die Bundesregierung gestellt haben.
Bevor ich die Schlußfolgerung ziehe, lassen Sie mich noch etwas anderes sagen. Es wird immer wieder die Gefahr an die Wand gemalt, daß bei dem Übergang des Besitzes der öffentlichen Hand in die private Hand eine noch stärkere, unerwünschte Konzentration entstehe. Auch wir haben diese Befürchtung. Wenn Sie die Ausführungen nachlesen, die ich in den letzten zehn Jahren gemacht habe, werden Sie erkennen, daß ich immer dagegen gesprochen habe. Aber nun frage ich die Bundesregierung: Welche Vorschläge hat sie uns denn in den letzten anderthalb Jahren vorgelegt, um diese unerwünschte Konzentration in der Wirtschaft einzudämmen, zurückzudrängen oder zu verhindern? Nichts ist bisher geschehen. Das wäre die Aufgabe der Bundesregierung, nicht des Herrn Bundesschatzministers, sondern des Herrn Bundeswirtschaftsministers oder die Aufgabe der gesamten Regierung gewesen.
Ich möchte aus der heutigen Debatte, gemessen an unserer Fragestellung, die Folgerung ziehen — und dafür habe ich die Unterstützung von Herrn Hellwig erhalten —, daß es doch notwendig ist, ein Grundgesetz über die Betätigung der öffentlichen Hand zu schaffen. Sie haben recht, Herr Hellwig, es war der Fehler unseres Entwurfs im 2. Bundestag, daß wir daran gleich konkrete Formulierungen über den Übergang des vorhandenen Besitzes geknüpft haben. Hätten wir das damals ausgeklammert, dann hätten wir an dem Gesetz vielleicht weiter gearbeitet. Aber ein Grundsatzgesetz, so ähnlich wie bei den Gemeindeverbänden, halten wir für notwendig. Ich hoffe, daß wir es in absehbarer Zeit gemeinsam einbringen oder zumindest gemeinsam gestalten können. Dann hätte die heutige Debatte von unserer Sicht her gesehen doch einen Erfolg gehabt.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Die Aussprache ist geschlossen. Irgendwelche Anträge liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 25. Februar, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.