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ID0306300400

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    Deutscher Bundestag 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Meyer-Laule 3383 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung des Bundesvermögens (Drucksache 617) Dr. Atzenroth (FDP) . . 3383 B, 3407 A Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 3386 C Dr. Bleiß (SPD) . . . . 3391 A, 3398 B, 3405 B, C, 3406 A Dr. Hellwig (CDU/CSU) . 3395 A, 3398 B, 3404 D, 3405 C Dr. Steinmetz (DP) 3400 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 3402 C, 3406 A Jacobi (SPD) . . . . . . . 3404 B, D Katzer (CDU/CSU) 3406 B Nächste Sitzung 3407 D Anlage 3409 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959 3383 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Arndt 1. 3. Dr. Bärsch 28. 3. Dr. Barzel 20. 2. Bazille 20. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Berendsen 12 3. Dr. Besold 20. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 2. Birkelbach 20. 2. Dr. Birrenbach 20. 2. Blachstein 20. 2. Börner 27. 3. Dr. Brecht 20. 2. Caspers 20. 2. Dr. Deist 8. 3. Diel (Horressen) 23. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 28. 2. Eilers (Oldenburg) 20. 2. Dr. Furler 20. 2. Gaßmann 20. 2. Geiger (München) 20. 2. Frau Geisendörfer 20. 2. Gleisner (Unna) 20. 2. Dr. Götz 15. 3. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 31. 3. Günther 20. 2. Freiherr zu Guttenberg 12. 3. Hahn 20. 2. Hamacher 26. 2. Heinrich 16. 5. Hermsdorf 31. 3. Hesemann 20. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 4. 4. Illerhaus 20. 2. Jacobs 31. 3. Dr. Jaeger 20. 2. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 20. 2. Knobloch 20. 2. Kramel 7. 3. Dr. Kreyssig 20. 2. Krüger (Olpe) 20. 2. Kunst 21. 4. Kurlbaum 8. 3. Leber 20. 2. Dr. Leiske 20. 2. Leukert 20. 2. Lohmar 20. 2. Lünenstrauß 20. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Mattick 20. 2. Frau Dr. Maxsein 20. 2. Mensing 20. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 16. 3. Frau Meyer-Laule 20. 2. Murr 28. 2. Müser 24. 2. Neuburger 20. 2. Odenthal 20. 2. Dr. Oesterle 21. 2. Pietscher 14. 3. Dr. Pflaumbaum 20. 2. Pöhler 20. 2. Probst (Freiburg) 20. 2. Rademacher 20. 2. Ramms 28. 2. Reitzner 20. 2. Frau Rösch 14. 3. Scheel 21. 2. Schmidt (Hamburg) 20. 2. Schneider (Hamburg) 20. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 2. Schröder (Osterode) 31. 3. Schwarz 2. 4. Seuffert 20. 2. Dr. Starke 20. 2. Theis 20. 2. Dr. Weber (Koblenz) 20. 2. Weinkamm 7. 3. Wendelborn 20. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Atzenroth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Es müssen wohl Widerstände von anderer Seite dazu geführt haben, daß eben praktisch noch nichts geschehen ist. Leider halten sich die Kreise, von denen der Widerstand ausgeht, verborgen im Hintergrund. Daß die SPD eine andere Meinung vertritt, ist offensichtlich. Aber dieser Widerstand wäre ja für Sie, meine Herren von der regierenden Partei, kein Hindernis, die Absichten Ihres Ministers durchzusetzen. Die Hindernisse müssen also wohl in erster Linie bei der CDU selbst liegen.
    Wir haben seinerzeit sehr bedauert, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu der Frage der Betätigung der öffentlichen Hand auf



    Dr. Atzenroth
    dem gewerblichen Sektor keine Stellung genommen hat, obwohl unter seiner Führung von der CDU das Schlagwort „Privatisierung" im letzten Wahlkampf ausgiebig — und wir haben den Eindruck: auch mit Erfolg — verwendet wurde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es hieß: „Eigentum für jeden", nicht „Privatisierung"!)

    — O nein! Wenn Sie wüßten, in wieviel Versammlungen mit dem Schlagwort „Privatisierung" hausieren gegangen worden ist — so darf ich das jetzt wohl nennen —, würden Sie meine Ausführungen bestätigen.
    Es wird uns also interessieren, ob uns heute die Bundesregierung verbindlich erklären kann, daß der Herr Bundeskanzler die Auffassung des Herrn Ministers Lindrath teilt.
    Wenn es nicht vermessen wäre, in der deutschen Bundesrepublik einen Willen noch über den des Bundeskanzlers zu stellen,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    dann möchte ich aber vermuten, daß der Hauptgegner der Pläne des Ministers Lindrath in der hohen Ministerialbürokratie zu suchen ist, die es schon in der Ära Schäffer verstanden hat, alle Privatisierungspläne geschickt zu vereiteln.
    Wir werden aus Ihrer Antwort also die Gründe hören, die dafür sprechen, daß die öffentliche Hand nicht als Konkurrent der freien Wirtschaft auftreten soll, und wir sind sicher, daß wir bei den Begründungen, die Sie für Ihre Ansicht geben, Herr Minister, mit Ihnen übereinstimmen werden. Für uns beginnt sich erst ganz langsam das Dunkel zu lichten, das über dem gewerblichen Bundesvermögen liegt. Sie alle wissen, wie schwer es war, von Herrn Minister Schäffer auch nur einen Anfang von Angaben zu erhalten. Man mußte sie mit Zangen aus ihm herausziehen, und auch dann erfuhr man nur das Allernotwendigste.
    Wir haben in der letzten Zeit zwar eine gewisse Zahl von Angaben erhalten, aber völlige Klarheit besitzen wir noch immer nicht. Wir hoffen nun von Ihnen, Herr Minister Lindrath, daß Sie uns bereitwilliger Auskunft geben als Ihr Vorgänger. Es handelt sich ja nicht nur um den Direktbesitz, sondern auch um die Beteiligungen und die durch Kredite oder sonstige Abhängigkeiten gebundenen Unternehmungen.
    Leider besteht nämlich die große Befürchtung, daß sich der Bundesbesitz nicht verringert, sondern noch vergrößert. In der Presse habe ich vor einigen Tagen gelesen, daß der Anteil der öffentlichen Hand an der Steinkohlenproduktion, der 1954 nur 18,4 % betrug, jetzt auf beinahe 29 % gestiegen ist.

    (Abg. Dr. Hellwig: Durch den Zugang der Saargruben!)

    — Durch die Saargruben; gut. Aber immerhin, der Besitz der öffentlichen Hand insgesamt ist gestiegen. Auch in der Rohstahlerzeugung, in der Aluminiumproduktion — und damit hat die Saar nichts zu tun — und in der PKW-Produktion hat sich der
    Anteil der öffentlichen Hand erhöht. Das, Herr Minister, müßten Sie doch in erster Linie verhindern, wenn Sie schon nicht an den Abbau herangehen. Eine Erweiterung des öffentlichen Besitzes müßte doch von Ihrer Seite trotz aller Widerstände zu verhindern sein.
    Das Deutsche Industrieinstitut schätzt heute den Wert der Bundesbeteiligungen auf 7,7Milliarden DM. Als ich vor zwei Jahren die Zahl 5 Milliarden nannte, hat Herr Schäffer das entrüstet zurückgewiesen. Sie sehen jetzt, daß meine Zahl doch näher an der Wahrheit lag als die Zahlen, die Herr Schäffer damals angegeben hat.
    Da drängt sich der Vergleich mit einem anderen Bundesvermögen auf, nämlich mit dem ERP-Vermögen, das ungefähr die gleiche Größenordnung hat. Wieviel wirkungsvoller aber ist dieses Vermögen als das Wirtschaftsvermögen des Bundes! Sämtliche Gewerbebetriebe des Bundes bringen heute, nachdem die sogenannte Übergangszeit doch wohl vorüber ist, dem deutschen Steuerzahler, also dem wirklichen Eigentümer, insgesamt jährlich ganze 80 Millionen DM ein. Davon müssen wir aber noch 30 bis 40 Millionen DM abziehen, die der Staat verliert, da keine Vermögensteuer gezahlt wird. Denn wenn es keine Betriebe der öffentlichen Hand wären, hätten sie je nach dem Kapital 30 bis 40 Millionen DM Vermögensteuer zahlen müssen. Das müssen wir also von den Erträgen abziehen. Dann bleibt etwa 1/2 % Ertrag übrig. Das ist die Leistung des Bundesvermägens nach einer Übergangszeit von zehn Jahren!
    Wie andere, private Betriebe diese Übergangszeit genutzt haben, zeigen die Bilanzen, die die Aktiengesellschaften in Deutschland — —

    (Abg. Pelster: Die Vermögensteuer haben sie doch auch von der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer abgezogen!)

    — Was heißt: von der Körperschaftsteuer abgezogen? Sie haben aber ihre Erträge den Eigentümern zugeführt. Wir sind Eigentümer des Bundesvermögens, und wir erhalten als Ertrag 1/2 %. Das ist doch nicht zu bestreiten. Das ist keine wirtschaftliche Ausnutzung. Ich bin mir völlig klar darüber, daß diese Unternehmungen viel mehr verdienen. Aber sie geben das, was sie verdienen, nicht an den Eigentümer ab; und Eigentümer sind wir, sind die deutschen Steuerzahler. An den Eigentümer sollte der Ertrag abgeführt werden, und er sollte nicht dort — —

    (Zuruf des Abg. Pelster.)

    — Ach, Herr Pelster, gerade Sie gehören doch zu den Kreisen, die gegen die Eigenfinanzierung sprechen! Was geschieht denn dort? Dort geschieht nichts anderes als Eigenfinanzierung.
    Aus dem ERP-Vermögen fließt jedenfalls weitaus mehr als das Zehnfache an Erträgen in die Bundeskasse. Ich bin der Meinung, eine solche Verwendung des Bundesvermögens ist wesentlich besser und dient auch viel mehr der Erfüllung wirtschaftspolitischer Ziele. Dazu ist das starre Betriebsvermögen keineswegs geeignet.



    Dr. Atzenroth
    Ich darf noch kurz auf das Hindernis zu sprechen kommen, das nach unserer Meinung allen Privatisierungsplänen am meisten entgegensteht. Das ist, wie ich vorhin schon sagte, der Widerstand, der aus der Gruppe der in den Aufsichtsräten tätigen Ministerialbeamten und — für uns etwas unverständlich — auch aus den Reihen der Direktoren dieser Bundesunternehmungen kommt. Nach unseren Privatisierungsplänen haben doch diese Herren in ihren Posten nichts zu befürchten. Für sie würde sich doch, wenn sie tüchtig sind — und nur dann können sie dort bleiben —, nur sehr wenig ändern. Also der Widerstand von dieser Seite ist ganz besonders unverständlich.
    Hier, bei den Beamten der Ministerien, ist aber eine Zusammenballung wirtschaftlicher Macht entstanden, die der Öffentlichkeit immer wieder verheimlicht wird. Man spricht von Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der privaten Sphäre. Man spricht aber nicht von der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der öffentlichen Sphäre; und die ist wesentlich größer als die in der privaten Sphäre.

    (Abg. Pelster: Hände weg von Sontra!)

    — Sontra? Da haben wir die Hände drangehabt, Herr Pelster, und endlich hat in Sontra die Vernunft gesiegt. Wir haben uns jahrelang darum bemüht, dieser Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen. Endlich ist es gelungen, Herr Pelster! Wir sind stolz darauf.

    (Abg. Pelster: Sie waren aber dagegen!)

    - Aber Herr Pelster, ich war der Vorkämpfer für die Stillegung von Sontra! Fragen Sie doch bitte einmal Ihre Kollegen!
    Es ist besonders bedauerlich, daß diese Macht, die eigentlich dem Wirtschaftsminister zustehen sollte
    — der doch die Wirtschaftspolitik des Bundes zu vertreten hat —, häufig in einer Weise genutzt wird, die seinen eigenen wirtschaftspolitischen Ideen entgegensteht, weil hier Ressortstreitigkeiten hineinspielen. Das eine Ressort erhebt Anspruch auf diese Gruppe von Unternehmungen, das andere Ressort auf jene Gruppe usw. Wir können daher einen Betrieb erst dann als privatisiert ansehen, wenn kein Beamter oder Beauftragter der öffentlichen Hand mehr in den entscheidenden Gremien tätig ist.
    Das, Herr Minister, führt mich zu einer kurzen Behandlung der Pläne, die Sie in letzter Zeit in der Öffentlichkeit angekündigt haben. Zunächst war von der Privatisierung des Volkswagenwerks die Rede. Dann verfiel dieser Plan sehr schnell in eine kleinere Aktion zur Schaffung „breitesten Eigentums". Das war schon keine Privatisierung mehr.
    Wir sind nicht gegen die Veräußerung der Bundesanteile in möglichst breiter Streuung, wenn wir die Konzessionen, die Sie an gewisse Kreise Ihrer Partei machen müssen, auch nicht für besonders glücklich halten. Aber schließlich ist es so weit gekommen, daß das Volkswagenwerk nicht mehr zur Debatte steht.

    (Abg. Katzer: Nein, keineswegs!) In der Öffentlichkeit wird davon nicht mehr gesprochen. Es wird nur noch von den Schwierigkeiten gesprochen, die zwischen Niedersachsen und dem Bund bestehen.

    In einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses — ich weiß nicht, ob Sie daran teilgenommen haben, Herr Burgbacher — hat der Herr Minister Lindrath uns das dicke Exposé über die Rechtslage vorgelegt und ausgeführt, damit sei die Rechtslage geklärt. Die andere Seite ist zwar anderer Meinung. Gut, wenn man der Meinung ist, daß die Rechtslage geklärt ist, muß man diese Meinung auch weiterhin vertreten und durchsetzen. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn es anders wäre, aber wir hören nichts mehr von der Privatisierung des Volkswagenwerks. Der Gesetzentwurf jedenfalls, der schon im 2. Bundestag von den Abgeordneten Dr. Adenauer und Dr. Erhard
    — das war ja die schöne Form, die Sie gefunden haben — eingebracht worden ist, ruht nach wie vor im Ausschuß. Ich habe an keiner Ausschußsitzung teilnehmen können, die sich mit dieser Frage beschäftigt hat. Leider! Ich wäre bestimmt dagewesen.
    Dann kam das Problem Howaldtswerft. Hier hat man den unglücklichen Weg weiterverfolgt, den Herr Schäffer seinerzeit begonnen hatte. Das war nicht unser Weg, das war nicht unser Gedanke. Er ist mit Recht von vielen Seiten kritisiert worden. Dieser Weg war nämlich der sicherste, die Privatisierung zu verhindern. Ein besseres Mittel hätte man gar nicht finden können. Hoffentlich warten Sie bei der Howaldtswerft nicht so lange, bis der Wert dieses Unternehmens erheblich gesunken ist. Die beste Zeit für die Veräußerung einer Werft ist schon vorüber.

    (Abg. Katzer: Nein, steigt!)

    — Woher kommen denn die Klagen der Werften?
    Jetzt ist schließlich die Preußag an der Reihe. Das, was wir von Ihren Absichten bisher gehört haben, hat mit Privatisierung, wie ich schon sagte, wenig zu tun. Es ist im wesentlichen die Auflage einer Anleihe zugunsten eines bestimmten Bevölkerungskreises. Dann muß man es auch Anleihe nennen, Aktie ist eigentlich ein völlig falscher Begriff für das Papier, das man diesen Leuten geben will. Der Bund behält nicht nur die große Mehrheit des Aktienbesitzes, sondern auch die uneingeschränkte Verfügungsgewalt, denn irgendeinen Einfluß auf die Unternehmung können diese „Aktionäre" nicht ausüben.
    Eigentum und Wohlstand werden durch Arbeit und Sparen erworben. Sobald man diesen Grundsatz verläßt, entsteht Gefahr für unsere Rechtsordnung, die sich auf den Eigentumsbegriff stützt. Auch wir wollen einer möglichst großen Zahl von Menschen zu Eigentum verhelfen, wir meinen aber, daß der hier vorgesehene Weg nicht zweckmäßig ist.
    Herr Minister Schäffer hat uns früher einmal den Vorwurf gemacht, daß wir mit unseren Plänen eine Verschleuderung des Bundesvermögens betreiben wollten. Ist es nicht auch so, daß ein Teil des Vermögens der Preußag — ich möchte das Wort nicht gern gebrauchen, aber es bleibt mir nichts anderes



    Dr. Atzenroth
    übrig — verschleudert wird? Wenn man nämlich Bundesvermögen zu einem allzu niedrigen Preis abgibt, liegt der Gedanke, es werde verschleudert, nicht mehr sehr fern. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um Privatisierung, also Übertragung der Verfügungsberechtigung von der öffentlichen Hand auf die privaten Besitzer.
    Der Bundeswirtschaftsminister soll, wie ich gehört habe, konkrete Pläne über eine volle Privatisierung im Zusammenhang mit dem Investmentsparen besitzen. Wissen Sie etwas davon, Herr Minister? Es wäre für uns interessant, auch diese Vorschläge zu hören und eventuell zu untersuchen.
    Jetzt möchte ich noch kurz auf ein spezielles Teilproblem eingehen. Eine der Gesellschaften mit der unübersichtlichsten Gestaltung ist die Industrieverwaltungsgesellschaft mbH. Wir haben schon im Jahre 1953 gefragt, welche Entwicklung dieses Unternehmen genommen hat und welche Werte das Vermögen der jetzigen Industrieverwaltungsgesellschaft ausmachen. Die Antwort, die wir damals von Herrn Minister Schäffer erhalten haben, war völlig unbefriedigend. Es wurde so dargestellt, als ob zum Eigentum der Gesellschaft nur Industriegrundbesitz gehöre, der vor dem Jahre 1945 erworben wurde. Tatsächlich werden aber von dieser Gesellschaft auch so ertragreiche Unternehmen wie die Vereinigte Tanklagergesellschaft und die Fahrzeug- und Maschinenbau-GmbH. Watenstedt verwaltet. Wir würden es begrüßen, wenn dem Deutschen Bundestag gerade über dieses Unternehmen in allernächster Zeit einmal ausführlich Rechenschaft abgelegt würde.
    Ein Vorfall, der sich in der Aufsichtsratssitzung vom 26. Januar dieses Jahres abgespielt hat, Herr Minister, ist uns besonders interessant. Wir hören, es sei beabsichtigt, daß Herr Staatssekretär Hartmann den Vorsitz im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft niederlegt, und gerade der Vertreter Ihres Ministeriums hat vorgeschlagen, daß Herr Staatssekretär Dr. Rust neuer Vorsitzender wird. Was bedeutet das? Bekanntlich ist Herr Rust Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Warum soll der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Vorsitzender des Aufsichtsrates dieser Gesellschaft werden? Bahnt sich hier ein neuer staatlicher Rüstungskonzern an? Wir sind sehr hellhörig geworden, als wir diese Nachricht erhielten. Wir befürchten, daß die undurchsichtige IVG dem Herrn Bundesverteidigungsminister die Möglichkeit geben soll, gewisse Rüstungsaufträge so abzuwickeln, daß dem Bundestag darüber keine Rechenschaft abgelegt zu werden braucht. Wir erwarten hierüber eine eingehende und klare Auskunft.
    Ich brauche die in unserer Anfrage gestellten Fragen hier nicht zu verlesen. Ich wiederhole nur, daß es uns heute darum geht, die Grundhaltung der Bundesregierung kennenzulernen. Bisher haben wir feststellen können, daß Sie, Herr Minister Lindrath, die öffentliche Hand aus dem Wirtschaftsleben verbannen wollen, daß Sie aber Angst vor der eigenen Courage haben, da die Einwendungen aus Ihrer Partei zu stark sind. Das muß vor der Öffentlichkeit klargestellt werden. Von Privatisierung sollte in der Öffentlichkeit nur derjenige sprechen, der sie ehrlich meint und ehrlich erstrebt. Wir werden hören, wieweit das bei Ihnen der Fall ist.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister Lindrath.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Lindrath


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Privatisierung des Bundesvermögens — Bundestagsdrucksache 617 — beantworte ich namens der Bundesregierung wie folgt.
    Die Bundesregierung hat letztmalig in der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1958 gelegentlich der Debatte über eine Große Anfrage der Fraktion der SPD zu den mit der Privatisierung des industriellen Bundesvermögens in Zusammenhang stehenden Fragen Stellung genommen. Ich habe damals mit Nachdruck den Wunsch der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, das industrielle Bundesvermögen in größerem Umfang in private Hand zu überführen und dabei zugleich einen Beitrag zu der Verwirklichung der gesellschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung, vor allem der Bildung von Eigentum in der Hand breiter Bevölkerungsschichten, zu leisten. Ich möchte heute erklären, daß diese Absicht nach wie vor unverändert besteht und daß die Bundesregierung mit der Verwirklichung dieser Absicht in der Zwischenzeit auch begonnen hat. Wie Sie wissen, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß im Laufe des Monats März die ersten Volksaktien, und zwar Aktien der Preußag, zum Verkauf gelangen. Entsprechend den gesellschaftspolitischen Zielen der Bundesregierung werden diese Aktien breit gestreut und zu einem Vorzugspreis zunächst den Bevölkerungskreisen angeboten werden, die bisher nicht in dem erforderlichen Umfang an der Eigentumsbildung teilnehmen konnten.
    Was die Durchführung der Privatisierung angeht, so möchte ich zunächst erklären, daß es ein Zaubermittel, mit dem die Privatisierung schlagartig durchgeführt werden könnte, nicht gibt. Es gibt auch kein allgemeingültiges Rezept, das für die Privatisierung sämtlicher in Betracht kommenden bundeseigenen Unternehmen anwendbar wäre. Die Privatisierung erfordert vielmehr in allen Fällen eine besondere, individuelle und oft langwierige Prüfung und Vorbereitung und kann nur von Fall zu Fall mit der gegenüber der Allgemeinheit, gegenüber dem Unternehmen und nicht zuletzt gegenüber den zukünftigen Aktionären gebotenen Verantwortung durchgeführt werden.
    „Volksaktie" ist ein politischer Begriff, dessen Inhalt in die Vorstellungswelt sehr großer Kreise unseres Volkes Eingang gefunden hat. Welche Voraussetzungen soll eine Volksaktie erfüllen? Erstens. Die Volksaktie soll bei der Erstausgabe klein gestückelt und breitestmöglich gestreut werden. Zweitens. Es sollen gewisse Erleichterungen für diejenigen Kreise geschaffen werden, die bisher aus



    Bundesminister Dr. Lindrath
    wirtschaftlichen und psychologischen Erwägungen nicht in der Lage waren, Aktien zu erwerben. Hierzu gehört insbesondere die Einräumung eines Sozialbonus oder eines sozialen Ausgabekurses. Drittens. Es soll Vorsorge getroffen werden, daß die Volksaktionäre ihr Eigentum an Volksaktien nicht durch Börsenmanipulationen oder andere Maßnahmen später wieder verlieren. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die eine breite Streuung der Aktien für lange Zeit sicherstellen. Ich denke hierbei z. B. an eine Verpflichtung des jeweiligen Emissionskonsortiums, sich für viele Jahre jeder Mitwirkung an irgendwelchen Aktienaufkäufen zu enthalten. Gedacht ist ferner an eine Beschränkung des Stimmrechts für die Volksaktien und an ein befristetes Veräußerungsverbot.
    Was die jetzt zur Ausgabe anstehenden Preußag-
    Volksaktien angeht, sind die zu 1. und 2. angesprochenen Voraussetzungen erfüllt. Das heißt, die Aktien werden sehr breit gestreut werden, und der Ausgabekurs ist unter Beachtung sozialer Gesichtspunkte ermittelt worden. Weiterhin hat die Bundesregierung zur Erfüllung der übrigen Voraussetzungen — das möchte ich heute hier besonders betonen — vorgesehen, daß für die Preußag-Volksaktien eine Beschränkung des Stimmrechts eingeführt wird. Zweck dieser Maßnahme ist, die breite Streuung der Aktien auch auf weite Sicht zu schützen und darüber hinaus zu verhindern daß die Aktien zum Gegenstand von Börsenmanipulationen oder anderen spekulativen Maßnahmen werden. Die Preußag-Volksaktie soll vielmehr ein gutes Anlagepapier sein und bleiben. Die Stimmrechtsbeschränkung bedeutet auch keinen Nachteil für die Volksaktionäre, die im Zuge der Eigentumspolitik der Bundesregierung diese Volksaktien demnächst erwerben werden.
    Im einzelnen darf ich nunmehr die in der Großen Anfrage der FDP gestellten Fragen wie folgt beantworten.
    Zur Frage 1:
    Billigt die Bundesregierung die von dem Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes unter dem 30. Oktober 1957 . . . geäußerte Meinung, daß der Staat nicht als Konkurrent der freien Wirtschaft auftreten, sondern sich vielmehr befleißigen solle, möglichst das gesamte wirtschaftliche Vermögen zu veräußern?
    Antwort: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß in der sozialen Marktwirtschaft eine wirtschaftliche Betätigung des Staates um ihrer selbst willen nicht gerechtfertigt ist. Sie vertritt daher die Auffassung, daß der Staat sein erwerbswirtschaftliches Vermögen grundsätzlich veräußern solle, soweit nicht im Einzelfall zur Wahrung wichtiger öffentlicher Belange die Aufrechterhaltung einer Beteiligung des Staates an einem wirtschaftlichen Unternehmen einstweilen oder auf die Dauer geboten ist.
    Zur Frage 2:
    Was hat die Bundesregierung unternommen, um das wirtschaftliche Vermögen des Bundes zu veräußern?
    Der Bund hat bereits in den vergangenen Jahren eine Anzahl von Beteiligungen veräußert. Ich darf insoweit auf die 30. Sitzung des Bundestags am 12. Juni 1958 Bezug nehmen, in der ich diese Beteiligungen im einzelnen genannt habe. Es handelte sich damals um insgesamt 33 Gesellschaften und Beteiligungen, und zwar 8 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich unmittelbar, und 25 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich mittelbar im Eigentum des Bundes befanden. Der Veräußerungserlös betrug insgesamt mehr als 85 Millionen DM. In der Zwischenzeit sind einige Gesellschaften und Beteiligungen verkauft worden, die sich mittelbar im Eigen-turn des Bundes befanden, die im Hinblick auf ihre Größe jedoch für eine breite Streuung des Aktienbesitzes nicht in Betracht kamen und wirtschaftspolitisch auch keine besondere Bedeutung besaßen.
    Die Kapitalerhöhung bei der Preußag, bei der 30 Millionen DM junger Aktien in breiter Streuung privatisiert werden, wird zur Zeit durchgeführt. Weitere Privatisierungsmaßnahmen sind vorgesehen. Abgesehen von der Privatisierung des Volkswagenwerks, für die die Voraussetzungen durch das dem Bundestag im Entwurf vorliegende Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk GmbH und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand noch geschaffen werden müssen, ist die Veräußerung der Howaldtswerke Hamburg AG in Vorbereitung.
    Darüber hinaus werden zur Zeit die Möglichkeiten der Privatisierung anderer Bundesgesellschaften geprüft. Ich denke insbesondere an eine Teilprivatisierung der Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG, der Viag, die ähnlich wie jetzt bei der Preußag über eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe junger Aktien erfolgen soll.
    Die Fragen 3 und 4 möchte ich zusammen behandeln.
    Frage 3 lautet:
    Besteht innerhalb des jetzigen Bundeskabinetts noch wie am 24. Juni 1957 innerhalb des damaligen Bundeskabinetts bei Beantwortung der im 2. Deutschen Bundestag gestellten Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung öffentlichen Vermögens — Drucksachen 3527, 3708 der 2. Wahlperiode — Einigkeit über die Grundsätze, nach denen das wirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll?
    Frage 4:
    Ist die Bundesregierung bereit, bis zum Ende dieses Jahres
    — gemeint war 1958 —
    dem Deutschen Bundestag diese Grundsätze bekannzugeben?
    Antwort auf diese beiden Fragen: Die Bundesregierung strebt die Zurückführung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Bundes, d. h. die Veräußerung von erwerbswirtschaftlichen Beteiligungen des Bundes auf ein Ausmaß an, das durch die Notwendigkeit der Wahrung des öffentlichen Interesses begrenzt wird. Zugleich ist es das be-



    Bundesminister Dr. Lindrath
    reits in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 erklärte Ziel der Bundesregierung, mit der Privatisierung des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens einen wesentlichen Beitrag zur Bildung von Eigentum in der Hand breiter Volkskreise, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung, zu leisten.
    Herr Kollege Dr. Atzenroth hat behauptet, daß in der Regierungserklärung über diese Frage nichts gesagt sei. Ich darf daran erinnern, daß es in der Regierungserklärung, die der Herr Bundeskanzler damals vortrug, ausdrücklich heißt:
    Mit an erster Stelle nenne ich die Schaffung von Kapital und die Streuung des Besitzes. Schaffung von Kapital . . . ist notwendig, um die Produktivität unserer Wirtschaft zu steigern und sie krisenfest zu machen. Streuung von Besitz in weitem Umfang ist nötig, um einer möglichst großen Zahl von Staatsbürgern Selbstgefühl und das Gefühl der Zugehörigkeit zum Volksganzen zu geben. Ohne größere Spartätigkeit sind beide Ziele nicht zu erreichen. Nur Arbeit und Sparen schafft Kapital und begründet und vermehrt den Besitz. Sparen ist in gleicher Weise wirtschaftlich und ethisch notwendig. Wir wollen aber nicht nur zu einem Feldzug für das Sparen aufrufen, wir wollen das Sparen durch gesetzgeberische Maßnahmen auch lohnend machen. Die Durchführung des Familienheimgesetzes
    — nun kommt es —
    und die Einführung der Volksaktie, die sich nicht etwa nur auf Betriebe, die dem Bund gehören, erstrecken soll, sind einige der geeigneten Mittel, die Spartätigkeit anzuregen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Von Privatisierung keine Rede!)

    — Die Volksaktie ist doch die Voraussetzung dafür, daß privatisiert wird!
    Ich sagte eben, daß die Grundsätze darin bestehen, zu privatisieren und gleichzeitig das gesellschaftspolitische Ziel der breiten Streuung des Eigentums zu fördern. Schließlich ist es das besondere Anliegen der Bundesregierung hierbei, zu verhüten, daß durch die Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens unerwünschte Konzentrationstendenzen innerhalb der Privatwirtschaft verstärkt werden. Über diese Grundsätze, nach denen das erwerbswirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll, besteht innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen.
    Frage 5 lautet:
    Falls die Fragen 3 und 4 verneint werden, welche sachlichen und politischen Gründe sind dafür maßgebend, daß die Bundesregierung von den entsprechenden Erklärungen der jetzigen und damaligen Kabinettsmitglieder in der Öffentlichkeit abgeht?
    Nachdem die Fragen 3 und 4 bejaht sind, entfällt eine Beantwortung der Frage 5.
    Zur letzten Frage, Frage 6:
    Hat die Bundesregierung eine Vorstellung, innerhalb welcher Zeit und in welchen Stufen die Veräußerung des wirtschaftlichen Vermögens des Bundes möglich sein wird?
    Antwort: Eine zuverlässige Vorschau hinsichtlich der Zeitdauer der Privatisierung ist bei der gegebenen Sachlage ebensowenig möglich wie die verbindliche Festlegung von „Stufen" für die Veräußerung der Bundesbeteiligungen. Sowohl der Umfang des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens wie auch die Verschiedenheit der Verhältnisse bei den einzelnen für eine Privatisierung in Betracht kommenden Bundesgesellschaften und Konzernen verbieten es, die Privatisierung dieser Unternehmen von vornherein in ein starres Schema zu zwängen. Wenn man die oben dargelegten Ziele, die die Bundesregierung mit der Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens verbindet, in möglichst vollkommener Weise erreichen und zugleich, was selbstverständlich ist, eine Verschleuderung des Bundesvermögens vermeiden will, so wird man die Privatisierung weder überstürzen noch rein schematisch verwirklichen können. Vielmehr wird es angebracht sein, über die Privatisierung der erwerbswirtschaftlichen Bundesbeteiligungen von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und auch des Zeitpunktes zu entscheiden.
    Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Privatisierung unter den dargelegten Zielen in gewissem Umfange auf Neuland führt. Bei den einzelnen Privatisierungsmaßnahmen werden daher auch die Erfahrungen zu berücksichtigen sein, die bei den vorhergehenden Privatisierungen gewonnen worden sind. Nur auf diese Weise, d. h. durch eine sehr elastische und möglichst wenig dogmatische Anpassung an die jeweils bestehenden besonderen Verhältnisse und Möglichkeiten, wird tatsächlich eine Verwirklichung der Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, erwartet werden können.
    Ich glaube, daß ich hiermit die Große Anfrage der FDP in allen Punkten beantwortet habe. Ich habe darüber hinaus einleitend auch zu einigen Grundsätzen, die die Privatisierung betreffen, Stellung genommen.
    Anschließend möchte ich aber noch einmal feststellen: Ziel aller Privatisierungsmaßnahmen ist letzten Endes die Schaffung von individuellem Eigentum in den breiten Schichten unserer Bevölkerung. Breit gestreutes Eigentum ist nicht nur ein Element der sozialen Marktwirtschaft, sondern darüber hinaus auch eine der Grundlagen unseres Staates, der sich zu einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bekennt.
    Ich weiß, daß die Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone unsere Privatisierungsmaßnahmen mit großem Interesse beobachtet, stellen unsere Maßnahmen doch das Gegenteil dessen dar, was drüben mit der Schaffung von volkseigenen Betrieben geschehen ist. Ich bin überzeugt, daß die bereits in Angriff genommene und eingeleitete Privatisierung von Teilen des industriellen Bundesver-



    Bundesminister Dr. Lindrath
    mögens zur Verwirklichung unserer gesellschaftspolitischen Ziele in wesentlichen Punkten beitragen wird.
    Soweit habe ich eine Erklärung namens der Bundesregierung abgegeben. Ich bitte, mir zu gestatten, zu einigen Punkten, die soeben von Herrn Kollegen Dr. Atzenroth bei der Begründung der Großen Anfrage genannt worden sind, noch zusätzlich Stellung zu nehmen.
    Die Grundsatzforderung, die von Ihnen zur Privatisierung des Bundesvermögens aufgestellt wird, ist wirtschaftspolitisch begründet und wird insoweit auch von uns bejaht. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Privatisierung nur gerechtfertigt ist, wenn sie zugleich gesellschaftspolitische Ziele verwirklicht, die Sie nur wenig angesprochen haben.
    Sie haben allerdings ebenfalls erklärt, daß Sie mit einer breiten Streuung des Eigentums einverstanden sind. Nur die Gewichtsverteilungen scheinen mir zwischen Ihrer Auffassung und der von mir vorgetragenen Auffassung unterschiedlich zu sein, indem wir der Meinung sind, wir sollten stärker die gesellschaftspolitischen Ziele berücksichtigen.
    Sie hatten weiterhin erklärt, in der Regierungserklärung sei ein Hinweis auf die Privatisierung nicht erfolgt. Ich habe die entsprechende Stelle der Regierungserklärung bereits wiederholt vorgetragen und bin der Auffassung, daß gerade bei einer Gewichtsverteilung, wie ich sie schilderte, die Volksaktie die Voraussetzung für die Privatisierung ist. Sie sollten infolgedessen die wirtschaftspolitische Seite nicht so stark unterstreichen.
    Sie haben ferner die Meinung vertreten, die Widerstände gegenüber der Privatisierung lägen sehr stark in der Ministerialbürokratie. Ich darf Ihnen sagen, daß ich in meinem Hause bei der Forderung nach Privatisierung des Bundesvermögens keinerlei Widerstände in der Bürokratie finde. Mein Haus unterstützt mich vielmehr bei diesen Arbeiten tatkräftig.
    Was die Offenlegung und Auskunftserteilung angeht, so haben wir durch die Herausgabe des Büchleins „Der Bund als Unternehmer" unter Beweis gestellt, daß wir bereit sind, alle Verhältnisse, die mit dem Bundesvermögen zusammenhängen, der Öffentlichkeit in aller Offenheit darzulegen und insbesondere Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren dieses Hohen Hauses, Rechenschaft darüber zu geben, was mit dem Bundesvermögen geschieht.
    Herr Atzenroth, Sie haben darauf verwiesen, daß der Anteil der bundeseigenen Betriebe größer geworden sei, und insbesondere darauf, daß dieser Anteil beim Steinkohlenbergbau von 18,4 % auf 29 % gestiegen sei. Ich bitte, bei der Beurteilung dieser Frage in Rechnung zu stellen, daß hierbei neuerdings die Saarbergwerke mit einbezogen worden sind, die bei den erstgenannten Zahlen mit ihrer Produktion nicht berücksichtigt worden sind.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Also neues Vermögen!)

    — Selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Atzenroth,
    das ist ein Zuwachs neuen Vermögens, aber ein Zuwachs, der nicht verhindert werden konnte, wenn
    ich einmal so sagen darf, und der auch nicht verhindert werden sollte.
    Im übrigen ist die Zahl der bundeseigenen Betriebe — und darüber müßten wir uns doch einig sein -- nicht größer geworden. Die Produktivität ist allerdings gestiegen, und das können wir nicht drosseln! Hier wirken sich eben die starken Investitionen auf dem Weg der Selbstfinanzierung in gewissem Sinne aus, weil die Betriebe modernisiert und rationalisiert sind und die Produktivität gesteigert ist. Das ist an sich zu begrüßen. Selbstverständlich müssen wir danach trachten, und nur so können wir diese Betriebe nunmehr mit besserem Erfolg zur Veräußerung stellen.
    Sie beziffern den Wert der Bundesbeteiligungen auf 7,7 Milliarden. Solche Angaben sind wiederholt gemacht worden. Ich muß es ablehnen, eine Zahl für den Wert dieser Bundesbeteiligungen zu nennen. Der Nominalwert beträgt etwa 1,9 Milliarden DM. Wie hoch der tatsächliche Wert ist, wird sich jeweils immer erst im Zeitpunkt der Veräußerung feststellen lassen, weil hier der Ertragswert maßgebend ist.
    Sie haben auf die Howaldtwerke hingewiesen und haben gesagt, der Wert könne niedriger werden, wenn hier irgendwelche Schwierigkeiten eintreten.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Aber nicht niedriger als der Nominalwert!)

    — Der Nominalwert doch nicht! Der Nominalwert der Howaldtwerke beträgt 10 Millionen DM, das ist das Aktienkapital, und für eine Veräußerung solcher Bundesbeteiligungen ist vornehmlich immer der Ertragswert entscheidend, selbst dann, wenn der Substanzwert der Werke über dem Ertragswert liegt. Nur dann, wenn der Substanzwert unter dem Ertragswert liegt, ist der Ertragswert bei einer Veräußerung nicht ohne weiteres zu erzielen.
    Sie haben ferner an dieser ermittelten Größe 7,7 Milliarden DM — die mit aller Sorgfalt ermittelt sein mag — die Gewinne gemessen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Die Hälfte von 80 sind 40, die habe ich an 3,5 gemessen, nicht an 7,7!)

    — Sie haben vorhin von einem halben Prozent gesprochen. Nun müssen Sie ja nach der üblichen Praxis in der Wirtschaft die Erlöse an dem Nominalkapital messen. Hieran gerechnet ergibt sich bei den Betrieben eine Verzinsung des Nominalkapitals von 7,2 %, wenn man die Saarbergwerke außer Rechnung läßt. Das ist natürlich notwendig; denn Sie wissen ja, daß bei den Saarbergwerken besondere Verhältnisse vorliegen. Ohne die Saarbergwerke beträgt also die Rendite, bezogen auf das Nominalkapital 7,2 %. Ich darf hinzufügen, daß die Unternehmen des Bandes in keiner Weise schlechter arbeiten als etwa die Unternehmen in der freien Wirtschaft.
    Sie haben ferner auf die Aufsichtsratsbesetzung hingewiesen. Ich stimme Ihnen zu, daß die große Zahl der Beamten, insbesondere die Zusammenfassung vieler Aufsichtsratsposten in der Hand eines Beamten, zu beanstanden sind, und ich beanstande es auch. Ich bin bereit — bei einigen Aufsichtsräten



    Bundesminister Dr. Lindrath
    habe ich das schon unter Beweis gestellt —, hier Änderungen eintreten zu lassen. Ich darf Ihnen sagen, daß diese Maßnahme durchgeführt wird. Allerdings müssen wir hier und dort unter Umständen den Ablauf des Aufsichtsratsmandats abwarten, ehe wir Änderungen eintreten lassen können. In den Saarbergwerken beispielsweise ist mein Haus nicht durch einen Beamten, sondern durch einen Mann der Wirtschaft vertreten. Auch in anderen Betrieben ist das so. Mein eigenes Haus ist in einer Reihe von Betrieben nicht durch Beamte vertreten. Ich möchte aber davor warnen, nun die Beamten völlig zurückzuziehen. Mein Haus muß selbstverständlich — wenigstens in den wichtigen Konzernen — durch Beamte vertreten sein. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Darüber besteht wohl keine Meinungsverschiedenheit.
    Sie haben von der Privatisierung des Volkswagenwerkes gesprochen. Der Antrag auf Privatisierung liegt dem Hohen Hause vor. Ich nehme an und hoffe zuversichtlich, daß nunmehr die Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Der Vorsitzende des hauptsächlich in Frage kommenden Ausschusses ist der gleichen Auffassung. Auch er wünscht, daß die Angelegenheit bald aufgegriffen wird und die Verhandlungen über die Privatisierung des Volkswagenwerkes fortgeführt werden. Sie wissen, welche Hindernisse wegen der Eigentumsfrage und wegen ähnlicher Dinge aufgetreten waren. Diese Angelegenheit ist nunmehr einer gewissen Klärung zugeführt.
    Was die Howaldtswerke in Hamburg angeht — auch davon haben Sie, Herr Kollege Dr. Atzenroth, gesprochen —, so möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Hohe Haus den Beschluß gefaßt hat, durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen, ob eine Möglichkeit besteht, auch hier das gesellschaftspolitische Ziel der Streuung des Aktienbesitzes zu verwirklichen. Dieses Gutachten des Deutschen Kuratoriums für soziale Eigentumsbildung liegt noch nicht vor. Ich nehme aber an, daß es uns in allernächster Zeit übersandt werden wird. Erst dann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem sich die Bundesregierung über die Modalitäten der Veräußerung der Howaldtswerke schlüssig werden und dem Hohen Hause einen entsprechenden Antrag vorlegen kann. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung und ich bisher dem Hohen Hause einen Antrag auf Privatisierung der Howaldtswerke Hamburg noch nicht vorgelegt haben. Es ist lediglich auf Grund einer Anfrage — ich glaube, der Fraktion der SPD — über diese Angelegenheit diskutiert worden. In dieser Debatte war der Wunsch geäußert worden, die Frage der Eigentumsstreuung zu prüfen.
    Bezüglich der Preußag haben Sie gesagt, die 30 Millionen seien nichts anderes als eine Anleihe. Verehrter Herr Kollege Atzenroth, darüber bin ich ein wenig erschrocken. Eine Anleihe und Aktien sind nun wirklich zwei verschiedene Dinge; das wissen Sie genauso gut wie ich. Daß wir hier einen Teil des Vermögens in private Hand übertragen, kann wirklich nicht bestritten werden. Auf die Frage, ob es dabei sein Bewenden haben solle und ob wir damit die Privatisierung bei der Preußag als beendet ansähen, habe ich immer wieder erklärt und sage es auch hier vor diesem Hohen Hause, daß ich nicht angeben kann, ob und wann die Privatisierung dieses Unternehmens fortgesetzt wird. Aber ich habe auch niemals erklärt, daß damit die Privatisierung bei der Preußag ein Ende haben soll. Im Gegenteil, ich kann auch in diesem Zusammenhang sagen, daß es der Wunsch und der Wille meines Hauses und der Bundesregierung ist, die Privatisierung auch bei der Preußag in der Weise durchzuführen, daß wir uns ganz von dieser Beteiligung trennen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Zum Schluß haben Sie mich noch auf die Industrieverwaltungsgesellschaft und die Bestellung des Herrn Staatsekretärs des Bundesministeriums für Verteidigung in den Aufsichtsrat der Industrieverwaltungsgesellschaft angesprochen. Sie haben dabei die Vermutung ausgesprochen, die Bundesregierung könnte die Absicht haben, einen Rüstungskonzern aufzubauen. Ich darf Ihnen hierzu sagen, daß mir von dem Aufbau einer bundeseigenen Rüstungsindustrie nichts bekannt ist. Die Industrieverwaltungsgesellschaft, die IVG, in Bad Godesberg wäre für den Aufbau einer Rüstungsindustrie oder für den Aufbau von Flugzeugfabriken auch völlig ungeeignet, da sich diese Gesellschaft seit Jahr und Tag nahezu ausschließlich mit der Verwaltung von Industriegrundstücken befaßt und über eine eigene industrielle Fertigung nicht verfügt. Richtig ist allerdings, daß der Herr Staatsekretär des Bundesministeriums für Verteidigung seit längerer Zeit, ich glaube, seit drei Jahren, dem Aufsichtsrat dieser Gesellschaft angehört. Das hat seinen Grund darin, daß das Bundesministerium für Verteidigung und die Bundeswehr an zahlreichen Grundstücken interessiert sind, die zum Vermögen der IVG gehören. Außerdem betreut die IVG einen Reparaturbetrieb der Bundesmarine in Bremerhaven. Das sind die sachlichen Gründe, die dazu geführt haben, den Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums in diesen Aufsichtsrat zu berufen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Und die Tankwagengesellschaft?)

    — Die Tankwagengesellschaft ist eine der Gesellschaften, die dazugehören, nicht aber die von Ihnen erwähnte Famas; diese gehört zum Salzgitterkonzern.
    Ich glaube, daß ich damit zu allen Fragen Stellung genommen habe.

    (Beifall in der Mitte.)