Rede von
Prof. Dr.
Fritz
Hellwig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Debatte hier sind drei Fragestellungen voneinander zu unterscheiden. Das ging auch schon aus der Begründung der Großen Anfrage durch den Kollegen Dr. Atzenroth hervor und kam bei dem Kollegen Dr. Bleiß, der auf anderen Gebieten so etwas wie eine Entlastungsoffensive für das etwas heikle Thema Sozialisierung oder Privatisierung geritten hat, ebenfalls zum Ausdruck.
Ich möchte die drei Dinge nebeneinanderstellen. Da ist zunächst die wirtschaftspolitische Grundsatzfrage nach der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, in diesem Zusammenhang ganz besonders des Bundes, mit den damit verbundenen Fragen nach dem Ausmaß, das diese wirtschaftliche Betätigung haben, und nach den Gesichtspunkten, denen sie unterliegen soll, und weiterhin den Fragen, die uns hier im Hause seit Jahren beschäftigen, nach der Art der Berichterstattung, nach der Art der Organisation, nach der Art der parlamentarischen Kontrolle als eines wesentlichen Bestandteils des parlamentarischen Budgetrechts.
Der zweite Fragenkomplex ergibt sich daraus, daß die öffentliche Hand nicht überall beliebig Wirtschaft zu treiben hat, daß sie nicht eine beliebige Expansion ihrer Wirtschaftsbetätigung vorzunehmen hat, so daß entweder von Zeit zu Zeit oder in einem besonderen Falle wie jetzt eine grundsätzliche Bereinigung der Bereiche stattzufinden hat, wo die Expansion der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand eine von dem Parlament zu ziehende Grenze überschritten hat. Wir sind seit Jahren in einer solchen Phase der Bereinigung, weil wir eine Erbschaft völlig ungeordneter, zum Teil verwertbarer, zum Teil nicht verwertbarer Komplexe aus der Vergangenheit zu übernehmen hatten.
Die dritte Frage, die in der Debatte, vor allem in den Ausführungen des zuständigen Herrn Bundesministers, zum Ausdruck kam, war die Aufgabenstellung: Welche Wege sind, wenn bei einer ganzen Reihe von Bundesunternehmungen die Privatisierung vorgenommen wird, einzuschlagen, um zu einer gesellschaftspolitisch erwünschten Wirkung zu kommen? Mit anderen Worten: Wie kann vermieden werden, daß unerwünschte Konzentrationen verstärkt werden, und wie kann die erwünschte breitere Streuung von Anteilen am Produktivvermögen herbeigeführt werden?
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst im Bereich des ersten Fragenkomplexes, den ich hier nicht in aller Breite behandeln will, noch einmal einige Fragen aufgreifen, die seit Jahren das Parlament bewegen, weil man unserem Anspruch auf Rechnungslegung und Berichterstattung und einer systematischen parlamentarischen Kontrolle bis heute noch nicht gerecht geworden ist.
Sie haben das Beispiel vom Kollegen Dr. Atzenroth — Herr Minister Lindrath ist darauf eingegangen — bezüglich des relativ geringen Anteils, den die ausgeschüttete Dividende der bundeseigenen Erwerbsunternehmungen gegenüber dem tatsächlich darin steckenden Vermögen ausmacht, gehört. Meine Damen und Herren, das Spiegelbild der ungewöhnlich niedrigen Dividende, der auch in der Branche ungewöhnlichen Dividende ist doch die hohe Thesaurierung der Gewinne in diesen Unternehmungen, mit der eine weitere Expansion durch die Selbstfinanzierung ermöglicht worden ist.
Nach den Angaben, die uns die Berichterstattung des Herrn Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes allmählich auf Vollständigkeit zu bringen bemüht ist, ergibt sich allein für die drei großen Industrie-Holding-Gesellschaften des Bundes in den Jahren 1948 bis 1957 ein Durchschnitt von 66 % Anteil der Selbstfinanzierung an den vorgenommenen Investitionen.
Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich vielleicht, daß der Kollege Dr. Bleiß von einer Selbstfinanzierungsquote der gesamten Wirtschaft in einem Jahr in Höhe von, ich glaube, 37 %, in einem anderen Jahr von 42 % gesprochen hat. Ich möchte gern, Herr Kollege Dr. Bleiß, Ihre Meinung über die durchschnittliche Selbstfinanzierungsquote der drei großen Bundeskonzerne in diesen 10 Jahren von 66 % hören. Sie ist 1957 im Schnitt der drei Konzerne auf 77 % angestiegen.