Rede:
ID0306300600

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    Deutscher Bundestag 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Meyer-Laule 3383 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung des Bundesvermögens (Drucksache 617) Dr. Atzenroth (FDP) . . 3383 B, 3407 A Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 3386 C Dr. Bleiß (SPD) . . . . 3391 A, 3398 B, 3405 B, C, 3406 A Dr. Hellwig (CDU/CSU) . 3395 A, 3398 B, 3404 D, 3405 C Dr. Steinmetz (DP) 3400 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 3402 C, 3406 A Jacobi (SPD) . . . . . . . 3404 B, D Katzer (CDU/CSU) 3406 B Nächste Sitzung 3407 D Anlage 3409 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959 3383 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Arndt 1. 3. Dr. Bärsch 28. 3. Dr. Barzel 20. 2. Bazille 20. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Berendsen 12 3. Dr. Besold 20. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 2. Birkelbach 20. 2. Dr. Birrenbach 20. 2. Blachstein 20. 2. Börner 27. 3. Dr. Brecht 20. 2. Caspers 20. 2. Dr. Deist 8. 3. Diel (Horressen) 23. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 28. 2. Eilers (Oldenburg) 20. 2. Dr. Furler 20. 2. Gaßmann 20. 2. Geiger (München) 20. 2. Frau Geisendörfer 20. 2. Gleisner (Unna) 20. 2. Dr. Götz 15. 3. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 31. 3. Günther 20. 2. Freiherr zu Guttenberg 12. 3. Hahn 20. 2. Hamacher 26. 2. Heinrich 16. 5. Hermsdorf 31. 3. Hesemann 20. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 4. 4. Illerhaus 20. 2. Jacobs 31. 3. Dr. Jaeger 20. 2. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 20. 2. Knobloch 20. 2. Kramel 7. 3. Dr. Kreyssig 20. 2. Krüger (Olpe) 20. 2. Kunst 21. 4. Kurlbaum 8. 3. Leber 20. 2. Dr. Leiske 20. 2. Leukert 20. 2. Lohmar 20. 2. Lünenstrauß 20. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Mattick 20. 2. Frau Dr. Maxsein 20. 2. Mensing 20. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 16. 3. Frau Meyer-Laule 20. 2. Murr 28. 2. Müser 24. 2. Neuburger 20. 2. Odenthal 20. 2. Dr. Oesterle 21. 2. Pietscher 14. 3. Dr. Pflaumbaum 20. 2. Pöhler 20. 2. Probst (Freiburg) 20. 2. Rademacher 20. 2. Ramms 28. 2. Reitzner 20. 2. Frau Rösch 14. 3. Scheel 21. 2. Schmidt (Hamburg) 20. 2. Schneider (Hamburg) 20. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 2. Schröder (Osterode) 31. 3. Schwarz 2. 4. Seuffert 20. 2. Dr. Starke 20. 2. Theis 20. 2. Dr. Weber (Koblenz) 20. 2. Weinkamm 7. 3. Wendelborn 20. 2.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Lindrath


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Privatisierung des Bundesvermögens — Bundestagsdrucksache 617 — beantworte ich namens der Bundesregierung wie folgt.
    Die Bundesregierung hat letztmalig in der 30. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Juni 1958 gelegentlich der Debatte über eine Große Anfrage der Fraktion der SPD zu den mit der Privatisierung des industriellen Bundesvermögens in Zusammenhang stehenden Fragen Stellung genommen. Ich habe damals mit Nachdruck den Wunsch der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, das industrielle Bundesvermögen in größerem Umfang in private Hand zu überführen und dabei zugleich einen Beitrag zu der Verwirklichung der gesellschaftspolitischen Ziele der Bundesregierung, vor allem der Bildung von Eigentum in der Hand breiter Bevölkerungsschichten, zu leisten. Ich möchte heute erklären, daß diese Absicht nach wie vor unverändert besteht und daß die Bundesregierung mit der Verwirklichung dieser Absicht in der Zwischenzeit auch begonnen hat. Wie Sie wissen, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß im Laufe des Monats März die ersten Volksaktien, und zwar Aktien der Preußag, zum Verkauf gelangen. Entsprechend den gesellschaftspolitischen Zielen der Bundesregierung werden diese Aktien breit gestreut und zu einem Vorzugspreis zunächst den Bevölkerungskreisen angeboten werden, die bisher nicht in dem erforderlichen Umfang an der Eigentumsbildung teilnehmen konnten.
    Was die Durchführung der Privatisierung angeht, so möchte ich zunächst erklären, daß es ein Zaubermittel, mit dem die Privatisierung schlagartig durchgeführt werden könnte, nicht gibt. Es gibt auch kein allgemeingültiges Rezept, das für die Privatisierung sämtlicher in Betracht kommenden bundeseigenen Unternehmen anwendbar wäre. Die Privatisierung erfordert vielmehr in allen Fällen eine besondere, individuelle und oft langwierige Prüfung und Vorbereitung und kann nur von Fall zu Fall mit der gegenüber der Allgemeinheit, gegenüber dem Unternehmen und nicht zuletzt gegenüber den zukünftigen Aktionären gebotenen Verantwortung durchgeführt werden.
    „Volksaktie" ist ein politischer Begriff, dessen Inhalt in die Vorstellungswelt sehr großer Kreise unseres Volkes Eingang gefunden hat. Welche Voraussetzungen soll eine Volksaktie erfüllen? Erstens. Die Volksaktie soll bei der Erstausgabe klein gestückelt und breitestmöglich gestreut werden. Zweitens. Es sollen gewisse Erleichterungen für diejenigen Kreise geschaffen werden, die bisher aus



    Bundesminister Dr. Lindrath
    wirtschaftlichen und psychologischen Erwägungen nicht in der Lage waren, Aktien zu erwerben. Hierzu gehört insbesondere die Einräumung eines Sozialbonus oder eines sozialen Ausgabekurses. Drittens. Es soll Vorsorge getroffen werden, daß die Volksaktionäre ihr Eigentum an Volksaktien nicht durch Börsenmanipulationen oder andere Maßnahmen später wieder verlieren. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die eine breite Streuung der Aktien für lange Zeit sicherstellen. Ich denke hierbei z. B. an eine Verpflichtung des jeweiligen Emissionskonsortiums, sich für viele Jahre jeder Mitwirkung an irgendwelchen Aktienaufkäufen zu enthalten. Gedacht ist ferner an eine Beschränkung des Stimmrechts für die Volksaktien und an ein befristetes Veräußerungsverbot.
    Was die jetzt zur Ausgabe anstehenden Preußag-
    Volksaktien angeht, sind die zu 1. und 2. angesprochenen Voraussetzungen erfüllt. Das heißt, die Aktien werden sehr breit gestreut werden, und der Ausgabekurs ist unter Beachtung sozialer Gesichtspunkte ermittelt worden. Weiterhin hat die Bundesregierung zur Erfüllung der übrigen Voraussetzungen — das möchte ich heute hier besonders betonen — vorgesehen, daß für die Preußag-Volksaktien eine Beschränkung des Stimmrechts eingeführt wird. Zweck dieser Maßnahme ist, die breite Streuung der Aktien auch auf weite Sicht zu schützen und darüber hinaus zu verhindern daß die Aktien zum Gegenstand von Börsenmanipulationen oder anderen spekulativen Maßnahmen werden. Die Preußag-Volksaktie soll vielmehr ein gutes Anlagepapier sein und bleiben. Die Stimmrechtsbeschränkung bedeutet auch keinen Nachteil für die Volksaktionäre, die im Zuge der Eigentumspolitik der Bundesregierung diese Volksaktien demnächst erwerben werden.
    Im einzelnen darf ich nunmehr die in der Großen Anfrage der FDP gestellten Fragen wie folgt beantworten.
    Zur Frage 1:
    Billigt die Bundesregierung die von dem Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes unter dem 30. Oktober 1957 . . . geäußerte Meinung, daß der Staat nicht als Konkurrent der freien Wirtschaft auftreten, sondern sich vielmehr befleißigen solle, möglichst das gesamte wirtschaftliche Vermögen zu veräußern?
    Antwort: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß in der sozialen Marktwirtschaft eine wirtschaftliche Betätigung des Staates um ihrer selbst willen nicht gerechtfertigt ist. Sie vertritt daher die Auffassung, daß der Staat sein erwerbswirtschaftliches Vermögen grundsätzlich veräußern solle, soweit nicht im Einzelfall zur Wahrung wichtiger öffentlicher Belange die Aufrechterhaltung einer Beteiligung des Staates an einem wirtschaftlichen Unternehmen einstweilen oder auf die Dauer geboten ist.
    Zur Frage 2:
    Was hat die Bundesregierung unternommen, um das wirtschaftliche Vermögen des Bundes zu veräußern?
    Der Bund hat bereits in den vergangenen Jahren eine Anzahl von Beteiligungen veräußert. Ich darf insoweit auf die 30. Sitzung des Bundestags am 12. Juni 1958 Bezug nehmen, in der ich diese Beteiligungen im einzelnen genannt habe. Es handelte sich damals um insgesamt 33 Gesellschaften und Beteiligungen, und zwar 8 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich unmittelbar, und 25 Gesellschaften und Beteiligungen, die sich mittelbar im Eigentum des Bundes befanden. Der Veräußerungserlös betrug insgesamt mehr als 85 Millionen DM. In der Zwischenzeit sind einige Gesellschaften und Beteiligungen verkauft worden, die sich mittelbar im Eigen-turn des Bundes befanden, die im Hinblick auf ihre Größe jedoch für eine breite Streuung des Aktienbesitzes nicht in Betracht kamen und wirtschaftspolitisch auch keine besondere Bedeutung besaßen.
    Die Kapitalerhöhung bei der Preußag, bei der 30 Millionen DM junger Aktien in breiter Streuung privatisiert werden, wird zur Zeit durchgeführt. Weitere Privatisierungsmaßnahmen sind vorgesehen. Abgesehen von der Privatisierung des Volkswagenwerks, für die die Voraussetzungen durch das dem Bundestag im Entwurf vorliegende Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk GmbH und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand noch geschaffen werden müssen, ist die Veräußerung der Howaldtswerke Hamburg AG in Vorbereitung.
    Darüber hinaus werden zur Zeit die Möglichkeiten der Privatisierung anderer Bundesgesellschaften geprüft. Ich denke insbesondere an eine Teilprivatisierung der Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG, der Viag, die ähnlich wie jetzt bei der Preußag über eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe junger Aktien erfolgen soll.
    Die Fragen 3 und 4 möchte ich zusammen behandeln.
    Frage 3 lautet:
    Besteht innerhalb des jetzigen Bundeskabinetts noch wie am 24. Juni 1957 innerhalb des damaligen Bundeskabinetts bei Beantwortung der im 2. Deutschen Bundestag gestellten Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung öffentlichen Vermögens — Drucksachen 3527, 3708 der 2. Wahlperiode — Einigkeit über die Grundsätze, nach denen das wirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll?
    Frage 4:
    Ist die Bundesregierung bereit, bis zum Ende dieses Jahres
    — gemeint war 1958 —
    dem Deutschen Bundestag diese Grundsätze bekannzugeben?
    Antwort auf diese beiden Fragen: Die Bundesregierung strebt die Zurückführung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung des Bundes, d. h. die Veräußerung von erwerbswirtschaftlichen Beteiligungen des Bundes auf ein Ausmaß an, das durch die Notwendigkeit der Wahrung des öffentlichen Interesses begrenzt wird. Zugleich ist es das be-



    Bundesminister Dr. Lindrath
    reits in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957 erklärte Ziel der Bundesregierung, mit der Privatisierung des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens einen wesentlichen Beitrag zur Bildung von Eigentum in der Hand breiter Volkskreise, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung, zu leisten.
    Herr Kollege Dr. Atzenroth hat behauptet, daß in der Regierungserklärung über diese Frage nichts gesagt sei. Ich darf daran erinnern, daß es in der Regierungserklärung, die der Herr Bundeskanzler damals vortrug, ausdrücklich heißt:
    Mit an erster Stelle nenne ich die Schaffung von Kapital und die Streuung des Besitzes. Schaffung von Kapital . . . ist notwendig, um die Produktivität unserer Wirtschaft zu steigern und sie krisenfest zu machen. Streuung von Besitz in weitem Umfang ist nötig, um einer möglichst großen Zahl von Staatsbürgern Selbstgefühl und das Gefühl der Zugehörigkeit zum Volksganzen zu geben. Ohne größere Spartätigkeit sind beide Ziele nicht zu erreichen. Nur Arbeit und Sparen schafft Kapital und begründet und vermehrt den Besitz. Sparen ist in gleicher Weise wirtschaftlich und ethisch notwendig. Wir wollen aber nicht nur zu einem Feldzug für das Sparen aufrufen, wir wollen das Sparen durch gesetzgeberische Maßnahmen auch lohnend machen. Die Durchführung des Familienheimgesetzes
    — nun kommt es —
    und die Einführung der Volksaktie, die sich nicht etwa nur auf Betriebe, die dem Bund gehören, erstrecken soll, sind einige der geeigneten Mittel, die Spartätigkeit anzuregen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Von Privatisierung keine Rede!)

    — Die Volksaktie ist doch die Voraussetzung dafür, daß privatisiert wird!
    Ich sagte eben, daß die Grundsätze darin bestehen, zu privatisieren und gleichzeitig das gesellschaftspolitische Ziel der breiten Streuung des Eigentums zu fördern. Schließlich ist es das besondere Anliegen der Bundesregierung hierbei, zu verhüten, daß durch die Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens unerwünschte Konzentrationstendenzen innerhalb der Privatwirtschaft verstärkt werden. Über diese Grundsätze, nach denen das erwerbswirtschaftliche Vermögen des Bundes privatisiert werden soll, besteht innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen.
    Frage 5 lautet:
    Falls die Fragen 3 und 4 verneint werden, welche sachlichen und politischen Gründe sind dafür maßgebend, daß die Bundesregierung von den entsprechenden Erklärungen der jetzigen und damaligen Kabinettsmitglieder in der Öffentlichkeit abgeht?
    Nachdem die Fragen 3 und 4 bejaht sind, entfällt eine Beantwortung der Frage 5.
    Zur letzten Frage, Frage 6:
    Hat die Bundesregierung eine Vorstellung, innerhalb welcher Zeit und in welchen Stufen die Veräußerung des wirtschaftlichen Vermögens des Bundes möglich sein wird?
    Antwort: Eine zuverlässige Vorschau hinsichtlich der Zeitdauer der Privatisierung ist bei der gegebenen Sachlage ebensowenig möglich wie die verbindliche Festlegung von „Stufen" für die Veräußerung der Bundesbeteiligungen. Sowohl der Umfang des erwerbswirtschaftlichen Bundesvermögens wie auch die Verschiedenheit der Verhältnisse bei den einzelnen für eine Privatisierung in Betracht kommenden Bundesgesellschaften und Konzernen verbieten es, die Privatisierung dieser Unternehmen von vornherein in ein starres Schema zu zwängen. Wenn man die oben dargelegten Ziele, die die Bundesregierung mit der Privatisierung des wirtschaftlichen Bundesvermögens verbindet, in möglichst vollkommener Weise erreichen und zugleich, was selbstverständlich ist, eine Verschleuderung des Bundesvermögens vermeiden will, so wird man die Privatisierung weder überstürzen noch rein schematisch verwirklichen können. Vielmehr wird es angebracht sein, über die Privatisierung der erwerbswirtschaftlichen Bundesbeteiligungen von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und auch des Zeitpunktes zu entscheiden.
    Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Privatisierung unter den dargelegten Zielen in gewissem Umfange auf Neuland führt. Bei den einzelnen Privatisierungsmaßnahmen werden daher auch die Erfahrungen zu berücksichtigen sein, die bei den vorhergehenden Privatisierungen gewonnen worden sind. Nur auf diese Weise, d. h. durch eine sehr elastische und möglichst wenig dogmatische Anpassung an die jeweils bestehenden besonderen Verhältnisse und Möglichkeiten, wird tatsächlich eine Verwirklichung der Ziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, erwartet werden können.
    Ich glaube, daß ich hiermit die Große Anfrage der FDP in allen Punkten beantwortet habe. Ich habe darüber hinaus einleitend auch zu einigen Grundsätzen, die die Privatisierung betreffen, Stellung genommen.
    Anschließend möchte ich aber noch einmal feststellen: Ziel aller Privatisierungsmaßnahmen ist letzten Endes die Schaffung von individuellem Eigentum in den breiten Schichten unserer Bevölkerung. Breit gestreutes Eigentum ist nicht nur ein Element der sozialen Marktwirtschaft, sondern darüber hinaus auch eine der Grundlagen unseres Staates, der sich zu einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bekennt.
    Ich weiß, daß die Bevölkerung in der sowjetischen Besatzungszone unsere Privatisierungsmaßnahmen mit großem Interesse beobachtet, stellen unsere Maßnahmen doch das Gegenteil dessen dar, was drüben mit der Schaffung von volkseigenen Betrieben geschehen ist. Ich bin überzeugt, daß die bereits in Angriff genommene und eingeleitete Privatisierung von Teilen des industriellen Bundesver-



    Bundesminister Dr. Lindrath
    mögens zur Verwirklichung unserer gesellschaftspolitischen Ziele in wesentlichen Punkten beitragen wird.
    Soweit habe ich eine Erklärung namens der Bundesregierung abgegeben. Ich bitte, mir zu gestatten, zu einigen Punkten, die soeben von Herrn Kollegen Dr. Atzenroth bei der Begründung der Großen Anfrage genannt worden sind, noch zusätzlich Stellung zu nehmen.
    Die Grundsatzforderung, die von Ihnen zur Privatisierung des Bundesvermögens aufgestellt wird, ist wirtschaftspolitisch begründet und wird insoweit auch von uns bejaht. Wir sind jedoch der Auffassung, daß die Privatisierung nur gerechtfertigt ist, wenn sie zugleich gesellschaftspolitische Ziele verwirklicht, die Sie nur wenig angesprochen haben.
    Sie haben allerdings ebenfalls erklärt, daß Sie mit einer breiten Streuung des Eigentums einverstanden sind. Nur die Gewichtsverteilungen scheinen mir zwischen Ihrer Auffassung und der von mir vorgetragenen Auffassung unterschiedlich zu sein, indem wir der Meinung sind, wir sollten stärker die gesellschaftspolitischen Ziele berücksichtigen.
    Sie hatten weiterhin erklärt, in der Regierungserklärung sei ein Hinweis auf die Privatisierung nicht erfolgt. Ich habe die entsprechende Stelle der Regierungserklärung bereits wiederholt vorgetragen und bin der Auffassung, daß gerade bei einer Gewichtsverteilung, wie ich sie schilderte, die Volksaktie die Voraussetzung für die Privatisierung ist. Sie sollten infolgedessen die wirtschaftspolitische Seite nicht so stark unterstreichen.
    Sie haben ferner die Meinung vertreten, die Widerstände gegenüber der Privatisierung lägen sehr stark in der Ministerialbürokratie. Ich darf Ihnen sagen, daß ich in meinem Hause bei der Forderung nach Privatisierung des Bundesvermögens keinerlei Widerstände in der Bürokratie finde. Mein Haus unterstützt mich vielmehr bei diesen Arbeiten tatkräftig.
    Was die Offenlegung und Auskunftserteilung angeht, so haben wir durch die Herausgabe des Büchleins „Der Bund als Unternehmer" unter Beweis gestellt, daß wir bereit sind, alle Verhältnisse, die mit dem Bundesvermögen zusammenhängen, der Öffentlichkeit in aller Offenheit darzulegen und insbesondere Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren dieses Hohen Hauses, Rechenschaft darüber zu geben, was mit dem Bundesvermögen geschieht.
    Herr Atzenroth, Sie haben darauf verwiesen, daß der Anteil der bundeseigenen Betriebe größer geworden sei, und insbesondere darauf, daß dieser Anteil beim Steinkohlenbergbau von 18,4 % auf 29 % gestiegen sei. Ich bitte, bei der Beurteilung dieser Frage in Rechnung zu stellen, daß hierbei neuerdings die Saarbergwerke mit einbezogen worden sind, die bei den erstgenannten Zahlen mit ihrer Produktion nicht berücksichtigt worden sind.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Also neues Vermögen!)

    — Selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Atzenroth,
    das ist ein Zuwachs neuen Vermögens, aber ein Zuwachs, der nicht verhindert werden konnte, wenn
    ich einmal so sagen darf, und der auch nicht verhindert werden sollte.
    Im übrigen ist die Zahl der bundeseigenen Betriebe — und darüber müßten wir uns doch einig sein -- nicht größer geworden. Die Produktivität ist allerdings gestiegen, und das können wir nicht drosseln! Hier wirken sich eben die starken Investitionen auf dem Weg der Selbstfinanzierung in gewissem Sinne aus, weil die Betriebe modernisiert und rationalisiert sind und die Produktivität gesteigert ist. Das ist an sich zu begrüßen. Selbstverständlich müssen wir danach trachten, und nur so können wir diese Betriebe nunmehr mit besserem Erfolg zur Veräußerung stellen.
    Sie beziffern den Wert der Bundesbeteiligungen auf 7,7 Milliarden. Solche Angaben sind wiederholt gemacht worden. Ich muß es ablehnen, eine Zahl für den Wert dieser Bundesbeteiligungen zu nennen. Der Nominalwert beträgt etwa 1,9 Milliarden DM. Wie hoch der tatsächliche Wert ist, wird sich jeweils immer erst im Zeitpunkt der Veräußerung feststellen lassen, weil hier der Ertragswert maßgebend ist.
    Sie haben auf die Howaldtwerke hingewiesen und haben gesagt, der Wert könne niedriger werden, wenn hier irgendwelche Schwierigkeiten eintreten.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Aber nicht niedriger als der Nominalwert!)

    — Der Nominalwert doch nicht! Der Nominalwert der Howaldtwerke beträgt 10 Millionen DM, das ist das Aktienkapital, und für eine Veräußerung solcher Bundesbeteiligungen ist vornehmlich immer der Ertragswert entscheidend, selbst dann, wenn der Substanzwert der Werke über dem Ertragswert liegt. Nur dann, wenn der Substanzwert unter dem Ertragswert liegt, ist der Ertragswert bei einer Veräußerung nicht ohne weiteres zu erzielen.
    Sie haben ferner an dieser ermittelten Größe 7,7 Milliarden DM — die mit aller Sorgfalt ermittelt sein mag — die Gewinne gemessen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Die Hälfte von 80 sind 40, die habe ich an 3,5 gemessen, nicht an 7,7!)

    — Sie haben vorhin von einem halben Prozent gesprochen. Nun müssen Sie ja nach der üblichen Praxis in der Wirtschaft die Erlöse an dem Nominalkapital messen. Hieran gerechnet ergibt sich bei den Betrieben eine Verzinsung des Nominalkapitals von 7,2 %, wenn man die Saarbergwerke außer Rechnung läßt. Das ist natürlich notwendig; denn Sie wissen ja, daß bei den Saarbergwerken besondere Verhältnisse vorliegen. Ohne die Saarbergwerke beträgt also die Rendite, bezogen auf das Nominalkapital 7,2 %. Ich darf hinzufügen, daß die Unternehmen des Bandes in keiner Weise schlechter arbeiten als etwa die Unternehmen in der freien Wirtschaft.
    Sie haben ferner auf die Aufsichtsratsbesetzung hingewiesen. Ich stimme Ihnen zu, daß die große Zahl der Beamten, insbesondere die Zusammenfassung vieler Aufsichtsratsposten in der Hand eines Beamten, zu beanstanden sind, und ich beanstande es auch. Ich bin bereit — bei einigen Aufsichtsräten



    Bundesminister Dr. Lindrath
    habe ich das schon unter Beweis gestellt —, hier Änderungen eintreten zu lassen. Ich darf Ihnen sagen, daß diese Maßnahme durchgeführt wird. Allerdings müssen wir hier und dort unter Umständen den Ablauf des Aufsichtsratsmandats abwarten, ehe wir Änderungen eintreten lassen können. In den Saarbergwerken beispielsweise ist mein Haus nicht durch einen Beamten, sondern durch einen Mann der Wirtschaft vertreten. Auch in anderen Betrieben ist das so. Mein eigenes Haus ist in einer Reihe von Betrieben nicht durch Beamte vertreten. Ich möchte aber davor warnen, nun die Beamten völlig zurückzuziehen. Mein Haus muß selbstverständlich — wenigstens in den wichtigen Konzernen — durch Beamte vertreten sein. Das ist, glaube ich, eine Selbstverständlichkeit. Darüber besteht wohl keine Meinungsverschiedenheit.
    Sie haben von der Privatisierung des Volkswagenwerkes gesprochen. Der Antrag auf Privatisierung liegt dem Hohen Hause vor. Ich nehme an und hoffe zuversichtlich, daß nunmehr die Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Der Vorsitzende des hauptsächlich in Frage kommenden Ausschusses ist der gleichen Auffassung. Auch er wünscht, daß die Angelegenheit bald aufgegriffen wird und die Verhandlungen über die Privatisierung des Volkswagenwerkes fortgeführt werden. Sie wissen, welche Hindernisse wegen der Eigentumsfrage und wegen ähnlicher Dinge aufgetreten waren. Diese Angelegenheit ist nunmehr einer gewissen Klärung zugeführt.
    Was die Howaldtswerke in Hamburg angeht — auch davon haben Sie, Herr Kollege Dr. Atzenroth, gesprochen —, so möchte ich darauf hinweisen, daß dieses Hohe Haus den Beschluß gefaßt hat, durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen, ob eine Möglichkeit besteht, auch hier das gesellschaftspolitische Ziel der Streuung des Aktienbesitzes zu verwirklichen. Dieses Gutachten des Deutschen Kuratoriums für soziale Eigentumsbildung liegt noch nicht vor. Ich nehme aber an, daß es uns in allernächster Zeit übersandt werden wird. Erst dann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem sich die Bundesregierung über die Modalitäten der Veräußerung der Howaldtswerke schlüssig werden und dem Hohen Hause einen entsprechenden Antrag vorlegen kann. Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung und ich bisher dem Hohen Hause einen Antrag auf Privatisierung der Howaldtswerke Hamburg noch nicht vorgelegt haben. Es ist lediglich auf Grund einer Anfrage — ich glaube, der Fraktion der SPD — über diese Angelegenheit diskutiert worden. In dieser Debatte war der Wunsch geäußert worden, die Frage der Eigentumsstreuung zu prüfen.
    Bezüglich der Preußag haben Sie gesagt, die 30 Millionen seien nichts anderes als eine Anleihe. Verehrter Herr Kollege Atzenroth, darüber bin ich ein wenig erschrocken. Eine Anleihe und Aktien sind nun wirklich zwei verschiedene Dinge; das wissen Sie genauso gut wie ich. Daß wir hier einen Teil des Vermögens in private Hand übertragen, kann wirklich nicht bestritten werden. Auf die Frage, ob es dabei sein Bewenden haben solle und ob wir damit die Privatisierung bei der Preußag als beendet ansähen, habe ich immer wieder erklärt und sage es auch hier vor diesem Hohen Hause, daß ich nicht angeben kann, ob und wann die Privatisierung dieses Unternehmens fortgesetzt wird. Aber ich habe auch niemals erklärt, daß damit die Privatisierung bei der Preußag ein Ende haben soll. Im Gegenteil, ich kann auch in diesem Zusammenhang sagen, daß es der Wunsch und der Wille meines Hauses und der Bundesregierung ist, die Privatisierung auch bei der Preußag in der Weise durchzuführen, daß wir uns ganz von dieser Beteiligung trennen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Zum Schluß haben Sie mich noch auf die Industrieverwaltungsgesellschaft und die Bestellung des Herrn Staatsekretärs des Bundesministeriums für Verteidigung in den Aufsichtsrat der Industrieverwaltungsgesellschaft angesprochen. Sie haben dabei die Vermutung ausgesprochen, die Bundesregierung könnte die Absicht haben, einen Rüstungskonzern aufzubauen. Ich darf Ihnen hierzu sagen, daß mir von dem Aufbau einer bundeseigenen Rüstungsindustrie nichts bekannt ist. Die Industrieverwaltungsgesellschaft, die IVG, in Bad Godesberg wäre für den Aufbau einer Rüstungsindustrie oder für den Aufbau von Flugzeugfabriken auch völlig ungeeignet, da sich diese Gesellschaft seit Jahr und Tag nahezu ausschließlich mit der Verwaltung von Industriegrundstücken befaßt und über eine eigene industrielle Fertigung nicht verfügt. Richtig ist allerdings, daß der Herr Staatsekretär des Bundesministeriums für Verteidigung seit längerer Zeit, ich glaube, seit drei Jahren, dem Aufsichtsrat dieser Gesellschaft angehört. Das hat seinen Grund darin, daß das Bundesministerium für Verteidigung und die Bundeswehr an zahlreichen Grundstücken interessiert sind, die zum Vermögen der IVG gehören. Außerdem betreut die IVG einen Reparaturbetrieb der Bundesmarine in Bremerhaven. Das sind die sachlichen Gründe, die dazu geführt haben, den Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums in diesen Aufsichtsrat zu berufen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Und die Tankwagengesellschaft?)

    — Die Tankwagengesellschaft ist eine der Gesellschaften, die dazugehören, nicht aber die von Ihnen erwähnte Famas; diese gehört zum Salzgitterkonzern.
    Ich glaube, daß ich damit zu allen Fragen Stellung genommen habe.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der Freien Demokraten und die Antwort der Bundesregierung gehört. Gemäß § 106 der Geschäftsorddnung muß ich fragen, ob eine Beratung gewünscht und ob dieser Wunsch von mindestens 30 Abgeordneten unterstützt wird. Das ist offensichtlich der Fall. Wir treten also in die Aussprache über die Große Anfrage ein.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bleiß.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Begründung der Großen Anfrage durch Herrn Kollegen Atzenroth und die Beantwortung durch den Herrn Bundesschatzminister gehört. In der Begründung und in der Antwort ist auf die Notwendigkeit der Privatisierung hingewiesen worden. Über das Tempo, in dem die Privatisierung durchgeführt werden soll, bestehen anscheinend sehr unterschiedliche Auffassungen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe vermißt, daß auch auf die abträglichen Folgen einer Privatisierung für unser Wirtschaftsleben hingewiesen wurde. Die abträglichen Folgen sind überhaupt nicht erwähnt worden. Ich werde mir erlauben, gerade auf diesen, wie mir scheint, sehr wichtigen Tatbestand ausführlicher einzugehen.
    Bevor ich das tue, möchte ich einige Punkte herausstellen, in denen wir uns, Herr Kollege Atzenroth, vielleicht einigen können. Ich meine damit die Bereinigung des Bundesbesitzes und die bessere Gliederung des Besitzstandes.
    Das Ministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat im Oktober 1958 eine Schrift herausgegeben, die viele interessante Angaben enthält, so z. B. die Aufführung der verschiedenen Unternehmen. So gehören nach dieser Veröffentlichung insgesamt 236 Unternehmungen zum wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Das ist zweifellos eine enorme Zahl. Sicherlich befinden sich darunter viele Firmen. die für den Bund nur Ballast sind und von denen er
    sich so schnell wie möglich trennen sollte, weil sie für eine aktive Wirtschaftspolitik unerheblich sind und nur Verwaltungskosten verursachen. Auf diesen Tatbestand haben wir schon zu einem früheren Zeitpunkt sehr nachdrücklich hingewiesen. Aber an- scheinend trennt sich der Herr Bundesschatzminister nicht so gern von den Mittel- und Kleinbetrieben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deswegen den Gedankengang heute noch einmal aufnehmen. Ich würde mich freuen, wenn die Möglichkeit bestünde, im zuständigen Ausschuß die Liste der 236 Firmen genau durchzugehen und alles auszusondern, was unorganisch und gesamtwirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist. Dann werden wir sicherlich den Kreis der Firmen erheblich vermindern können, und, Herr Kollege Atzenroth, soweit sich das Anliegen der FDP nach Privatisierung auf diese Betriebe erstreckt, sind wir durchaus bereit, Sie darin zu unterstützen. Denn auch für uns ist nicht zu erkennen, welche gesamtwirtschaftlichen Zwecke der Bund mit diesem Kleinbesitz verfolgen sollte.
    Man kann auch darüber streiten, Herr Kollege Atzenroth, ob es sinnvoll ist, das Bundesvermögen auf mindestens acht Konzerne zu verteilen. Mir würde es sinnvoller erscheinen, den Verwaltungsapparat zu vereinfachen und dadurch erhebliche Verwaltungskosten einzusparen. Soweit es um die Lösung auch dieser Aufgaben geht, sind wir gern bereit, mit Ihnen darüber zu sprechen und positiv an einer solchen Bereinigung mitzuarbeiten. Ich glaube, daß sich sehr vieles vereinfachen ließe.
    Aber um alle diese Dinge handelt es sich bei der Großen Anfrage nicht. Es geht Ihnen, Herr Kollege Atzenroth, vielmehr darum, die wertvollen Industrieunternehmungen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung

    (Abg. Dr. Atzenroth: Alle!)

    — zunächst die wertvollen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung — aus dem Besitz des Bundes herauszubrechen. Ich habe mitunter den Eindruck, daß man nur die leeren Mäntel oder die Betriebe, die mit Verlust arbeiten, in der Obhut des Bundes belassen wollte. Mir ist vorhin aufgefallen, daß Sie z. B. gesagt haben, bei den Howaldtwerken in Hamburg sollte man sich beeilen, sie zu veräußern; wenn vielleicht eines Tages die Wirtschaftlichkeit geringer wird, verringert sich auch die Möglichkeit einer Privatisierung.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist der Erlös kleiner!)

    Der Wunsch nach Privatisierung besteht also immer dann, wenn die Betriebe rentabel sind. Wenn es aber einmal in die andere Richtung geht, kommt gleich von Ihnen ein deutliches Stoppzeichen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist der Erlös kleiner!)

    — Ich bin doch der Meinung, Herr Kollege Atzenroth, daß Sie zuerst auf die wirtschaftlichen Betriebe abzielen. Ich könnte Ihnen einige Beispiele nennen von Betrieben, in denen eine Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben ist und deshalb auch der Wunsch nach einer Privatisierung bis heute noch nicht laut geworden ist. Aber in zwei oder drei Jahren vielleicht, wenn die Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, die Unternehmen rentabel werden sollten, wird bei Ihnen wahrscheinlich der Wunsch nach einer Privatisierung sehr lebhaft sein.
    Wir haben die Debatte um die Privatisierung im Bundestag seit acht Jahren geführt, und ich darf hier noch einmal feststellen: Solange der Besitz vom Bundesfinanzministerium verwaltet wurde, war die Forderung nach einer Privatisierung eine ausschließliche Angelegenheit der FDP und, in concreto, ein besonderes Steckenpferd des Herrn Kollegen Atzenroth. Seit Oktober 1957 hat sich nun die Situation geändert. Der Bundesschatzminister hat im Januar 1958 erklärt, daß über das Ob im Kabinett entschieden sei und daß man sich nur noch über das Wie unterhalten müsse. Das Bundesschatzministerium hat die schwierige Aufgabe erhalten, die Wahlthese der Volksaktie und der breiten Vermögensstreuung — das würde doch Besitz von Aktien bedeuten — in die Praxis umzusetzen, zu realisieren.
    Nun, breite Vermögensstreuung ist ein gern gehörtes Wort, und es hat erhebliche Hoffnungen erweckt. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn es Ihnen wirklich ernst damit ist, breiteste Schichten unseres Volkes am Eigentum am Produktivvermögen zu beteiligen, dann, glaube ich, wäre das eine Aufgabe, an der wir alle positiv mitarbeiten würden.



    Dr. Bleiß
    Aber, meine Damen und Herren, eine Lösung dieser Aufgabe setzt voraus, daß Sie erst ein neues Sparkapital bilden müssen, um neue, bisher minderbemittelte Schichten unseres Volkes für den Ankauf dieser Aktien zu gewinnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Einkommensteuertarif!)

    — Das allein genügt nicht. Der Einkommensteuertarif bevorzugt im wesentlichen die großen Einkommen. Es geht uns darum, daß auch diejenigen erfaßt werden, die über ein geringeres Einkommen verfügen. Da möchte ich Ihnen nachher gern einige Vorschläge machen; ich hoffe auf Ihre Unterstützung.
    Die Schaffung neuen, zusätzlichen Sparkapitals läßt sich — ich komme nun gleich mit den Vorschlägen — nach unserer Auffassung auf zwei Wegen erreichen: einmal durch die Einschränkung der Eigenfinanzierung bei Kapitalgesellschaften, zum anderen durch eine Senkung der Preise, eine Lockerung der Preisabsprachen und eine Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand. Auf diese Zusammenhänge haben wir schon in der Kartelldebatte sehr ausführlich hinweisen dürfen. Ich möchte Ihnen aber zu diesem Punkt einige Tatsachen und Zahlen mitteilen.
    Nach einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist der gesamte jährliche Vermögenszuwachs von 1956 auf 1958 von 36,3 Milliarden auf 43 Milliarden DM gestiegen. Hiervon entfallen auf die Selbstfinanzierung der Unternehmen 1956 13,5 Milliarden, das ist eine Quote von 37 %, 1958 aber 17,9 Milliarden, das ist eine Quote von 42 %. Allein im letzten Jahr ist die Selbstfinanzierung der Unternehmungen von 14,9 Milliarden auf 17,9 Milliarden, also um 3 Milliarden DM gestiegen; die Quote hat sich von 37 % auf 42 % erhöht.
    Meine Damen und Herren, damit hat die Quote der Selbstfinanzierung ein beängstigendes Ausmaß erreicht. Gerade deswegen scheinen mir wirkliche Ansatzpunkte dafür vorhanden zu sein, durch einen Abbau der Selbstfinanzierung breitere Schichten der Bevölkerung an dem Zuwachs des Produktivvermögens zu beteiligen.
    Die Selbstfinanzierung, die ein volkswirtschaftlich äußerst ungesundes Ausmaß erreicht hat, geht nicht zuletzt darauf zurück, daß unsere Wirtschaft weitgehend so fest kartellisiert ist, daß die Preisabsprachen und Preisbindungen so fest und so weitreichend sind, daß von einem echten Leistungs- und Preiswettbewerb überhaupt keine Rede mehr sein kann. Wer in der Wirtschaft versucht, die Preisbindungen der zweiten Hand von sich aus zu lockern und mit verringerten Gewinnspannen zu arbeiten, der läuft Gefahr, mit Liefersperren belegt und damit dem Wirtschaftsboykott ausgesetzt zu werden. So sieht heute teilweise unsere „freie Wirtschaft" aus.
    Der Verbraucher kann sich nur von Zeit zu Zeit einen Begriff von den Gewinnspannen machen, die in den abgesprochenen Preisen einkalkuliert sind, nämlich dann, wenn sich die Großinteressenten einmal uneinig werden, wenn einige aus der Preiskonvention ausbrechen und wenn dann plötzlich infolge dieser Uneinigkeit die Abgabepreise erheblich gesenkt werden. Die Vorgänge bei den Herstellern von Fernsehapparaten haben doch gezeigt, daß, wenn es sein muß, die Preise um 20 bis 25 % herabgesetzt werden können, ohne daß man damit aus der Gewinnzone herauskommt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen].)

    — Herr Kollege Dr. Fritz, die vielen Tausende, die vor Weihnachten ihren Fernsehapparat zum alten Preis gekauft haben, dürften sich inzwischen darüber klargeworden sein, daß sie einen nicht unerheblichen Beitrag zur Eigenfinanzierung der Herstellerfirmen geleistet haben. Das ist ein Beispiel, das für viele andere gleichgelagerte Fälle maßgeblich ist.

    (Zuruf von der Mitte: Das kann man nicht bestreiten!)

    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung versprochen, breitere Schichten an den Produktionsmitteln zu beteiligen. Es schiene mir richtig, hier den Hebel anzusetzen und die Preisabsprachen und Preisbindungen zu untersuchen und zu kontrollieren sowie sich durch Kostenanalysen einen Überblick über die erhöhten Preisforderungen zu verschaffen.
    Wir haben seit einiger Zeit ein Bundeskartellamt. Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte es eigentlich auch sein, sich um diese Preisbindungen zu kümmern. Die Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte nicht nur darin bestehen, die Zulassung neuer Kartelle zu prüfen. Das Bundeskartellamt sollte sich vielmehr auch darum bemühen, die bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen zu lockern. Wenn das Kartellamt darin seine Aufgabe sähe, könnte vielerlei erreicht werden.
    So würde sich zweifellos erreichen lassen, den Wettbewerb wieder zu beleben und die in vielen Teilen unserer Wirtschaft zunehmende Gefahr der wachsenden Überkapazitäten durch eine Ausweitung des Marktes aufzufangen. Es wäre denkbar, durch eine umfassende Preissenkungsaktion das soeben von Ihnen gewünschte Sparkapital in breiter Hand zu bilden. Dann wäre es möglich, aus diesem Sparkapital die wirtschaftlich notwendigen Investitionen zu finanzieren.
    Das schiene mir der geeignete und auch der vernünftige Weg zu sein, um Ihre Forderung nach einer Beteiligung breiter Schichten an den Produktionsmitteln zu realisieren. Es fragt sich nur, ob die Bundesregierung diese wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen will und ob sie in der Lage ist, sie durchzusetzen.
    Wir hätten von der Bundesregierung gern gehört — ich bedauere, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht anwesend ist —, ob sie überhaupt etwas und, wenn ja, was sie seit der Regierungserklärung unternommen hat, um eine derartige Sparkapitalbildung zu fördern. Ich fürchte, daß wir auch diesmal ohne eine Antwort auf unsere Frage bleiben werden.
    Inzwischen geht nun der Herr Bundesschatzminister einen anderen Weg, den Weg der Pflästerchen,



    Dr. Bleiß
    sehr behutsam, sehr vorsichtig, um tunlichst keine Panne zu erleiden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

    Im Falle der Preußag bleibt der Bundesbesitz unangetastet. Durch die beschlossene Kapitalerhöhung verschiebt sich nur die prozentuale Beteiligung des Bundes von 100 auf 71,5 %. Der Ausgabekurs der Aktien ist mit 140 bis 150 % — wie er genannt wurde — denkbar niedrig gehalten. Er entspricht — das hat der Herr Kollege Atzenroth auch schon ausgeführt — keinesfalls dem inneren Wert der Unternehmungen.
    Nun ein Weiteres. Schon vor der Zeichnung der Aktien wird den Erwerbern zugesichert, daß bereits in wenigen Monaten die Börseneinführung erfolgen solle. Es wird gesagt, die Börseneinführung werde zu einem Kurs erfolgen, der um mindestens 15 bis 20 % über dem Ausgabekurs liegen werde, und man werde gleichzeitig auch eine Pflege des Aktienkurses betreiben. Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wird also der Aktienerwerber in kurzer Zeit erhebliche Kursgewinne machen können. Dieses Geschäft — daß man schon bei der Zeichnung der Aktie eine Garantie für einen Kursgewinn mitbekommt — hat, auch wenn es nur von einer geringen Größenordnung ist, in der Geschichte der Börsen seinesgleichen zu suchen. Unter solchen Bedingungen ist wiederum mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß ein Run auf diese Aktien einsetzen wird, ein Run, an dem sich in erster Linie der Personenkreis beteiligen wird, der bereits heute über Aktienbesitz verfügt.

    (Abg. Katzer: Unter 16 000 DM Einkommen, Herr Dr. Bleiß! Auf fünf Aktien beschränkt!)

    — Aber es werden doch bestimmte Kreise dabei sein, die heute schon sparen! Ich glaube nicht, daß Sie damit allzu breite neue Schichten erfassen werden. Das Börsenpublikum wird sich sicher sehr darum bemühen, diese Aktien zu zeichnen, und wir werden sehen, wie unerwünscht die Aktion nachher verlaufen wird. Lassen Sie mich nur diese Bedenken anmelden.
    Meine Damen und Herren, wie sieht nun aber der zweite Schritt aus? Die weitere Entwicklung der Börsenkurse wird doch — und man muß mit einer Kurssteigerung rechnen — wahrscheinlich auch den Anreiz steigern, Kursgewinne zu realisieren, d. h. die Aktien zu verkaufen. Und dann werden die kapitalkräftigen Gruppen auf dem Plan erscheinen, die aus übergeordneten preis- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten Einfluß auf die Preußag gewinnen wollen.
    Bisher hatte ich geglaubt, daß man es vorerst bei einem Anteil von 30 Millionen DM belassen wird. Der Herr Bundesschatzminister hat aber soeben noch einmal bestätigt, daß das nur der erste Schritt sei. Man wird sich, auf die Dauer gesehen, von der Preußag trennen. Sie können mir glauben: die Preußag-Aktien finden dann den Weg zu denjenigen Interessenten, die es sich etwas kosten lassen, das Aktienkapital zu erwerben.
    Ein solcher Umschichtungsprozeß, wie er sich heute bei der Preußag vollzieht und wie er sich morgen und übermorgen unter der Regie der CDU wahrscheinlich bei anderen bedeutsamen Beteiligungen vollziehen wird, braucht nicht sofort klar erkennbar zu sein. Er braucht nicht in einer sehr kurzen Frist abzulaufen. Die Interessentengruppen gehen im allgemeinen sehr vorsichtig zu Werke. Sie operieren mit längeren Zeitspannen. Aber nach manchem Umweg und nach vielleicht mehrmaligem Wechsel kann dann ein solcher veräußerter Bundesbesitz dazu beitragen, das Netz der Preisabsprachen und die Summe der Preisbindungen noch mehr zu verdichten, die Eigenfinanzierung zu erhöhen, die Gefahr der Überkapazitäten zu steigern und die Stellung des Verbrauchers weiter zu schwächen.