Rede von
Dr.
Karl
Atzenroth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage, die ich heute für meine Fraktion zu begründen habe, haben wir schon am 5. November vergangenen Jahres eingebracht. Wir bedauern außerordentlich, daß wir erst nach mehr als einem Vierteljahr Gelegenheit haben, diese Anfrage zu begründen und die Antwort der Bundesregierung zu erhalten. Wenn wir die Anfrage erst heute hätten einbringen können, dann wäre die eine oder andere Frage vielleicht etwas anders gestaltet worden. Trotzdem aber werden Sie aus unserer Anfrage bereits ersehen, daß es uns im wesentlichen um die Grundsatzfrage geht: um die Frage, ob sich die öffentliche Hand in der Wirtschaft betätigen solle und dürfe.
Am 30. Oktober 1957 hat der Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes im Bulletin Nr. 208 folgendes verkündet — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Ich bin allerdings der Auffassung, daß man in einer sozialen, freien Marktwirtschaft doch danach trachten sollte, die aus der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand resultierenden Spannungen dadurch zu mindern, daß man jedem das Seine gibt. Man sollte der Wirtschaft lassen, was der Wirtschaft gebührt und gehört. Der Staat sollte sich nicht bemühen, als Konkurrent der freien Wirtschaft aufzutreten. Er soll sich befleißigen, hier doch etwas abzustoßen, möglichst alles.
Diese Worte enthalten ein Programm, das die Freie Demokratische Partei seit einem Jahrzehnt hier im Bundestag verkündet. Unsere heutige Anfrage wäre überflüssig gewesen, wenn diesen Worten des Herrn Ministers auch die Taten gefolgt wären. Das ist nach unserer Meinung — und ich glaube, sie kann nicht bestritten werden — nicht geschehen. Alles das, was in letzter Zeit unter dem Deckwort „Privatisierung" an Maßnahmen angekündigt — nicht durchgeführt — worden ist, hat im Grunde mit unserer Grundsatzforderung nur sehr wenig zu tun. Von der Antwort der Bundesregierung wird es daher für uns abhängen, ob wir unseren Gesetzentwurf, der die Frage der Betätigung der öffentlichen Hand grundsätzlich regeln soll, wieder einbringen werden, wie es im 2. Bundestag schon geschehen ist.
Warum ist nichts geschehen? Wir unterstellen ohne weiteres, daß Herr Minister Lindrath seine Worte ehrlich gemeint hat und den ernsten Willen hat, seine Ansichten durchzusetzen.