Rede:
ID0306300800

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Metadaten
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    Vokabeln: 10
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Meyer-Laule 3383 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Privatisierung des Bundesvermögens (Drucksache 617) Dr. Atzenroth (FDP) . . 3383 B, 3407 A Dr. Lindrath, Bundesminister . . . 3386 C Dr. Bleiß (SPD) . . . . 3391 A, 3398 B, 3405 B, C, 3406 A Dr. Hellwig (CDU/CSU) . 3395 A, 3398 B, 3404 D, 3405 C Dr. Steinmetz (DP) 3400 C Dr. Burgbacher (CDU/CSU) 3402 C, 3406 A Jacobi (SPD) . . . . . . . 3404 B, D Katzer (CDU/CSU) 3406 B Nächste Sitzung 3407 D Anlage 3409 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Februar 1959 3383 63. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 4. 4. Dr. Arndt 1. 3. Dr. Bärsch 28. 3. Dr. Barzel 20. 2. Bazille 20. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Berendsen 12 3. Dr. Besold 20. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 2. Birkelbach 20. 2. Dr. Birrenbach 20. 2. Blachstein 20. 2. Börner 27. 3. Dr. Brecht 20. 2. Caspers 20. 2. Dr. Deist 8. 3. Diel (Horressen) 23. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 28. 2. Eilers (Oldenburg) 20. 2. Dr. Furler 20. 2. Gaßmann 20. 2. Geiger (München) 20. 2. Frau Geisendörfer 20. 2. Gleisner (Unna) 20. 2. Dr. Götz 15. 3. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 31. 3. Günther 20. 2. Freiherr zu Guttenberg 12. 3. Hahn 20. 2. Hamacher 26. 2. Heinrich 16. 5. Hermsdorf 31. 3. Hesemann 20. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 4. 4. Illerhaus 20. 2. Jacobs 31. 3. Dr. Jaeger 20. 2. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Jordan 20. 2. Knobloch 20. 2. Kramel 7. 3. Dr. Kreyssig 20. 2. Krüger (Olpe) 20. 2. Kunst 21. 4. Kurlbaum 8. 3. Leber 20. 2. Dr. Leiske 20. 2. Leukert 20. 2. Lohmar 20. 2. Lünenstrauß 20. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Mattick 20. 2. Frau Dr. Maxsein 20. 2. Mensing 20. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 16. 3. Frau Meyer-Laule 20. 2. Murr 28. 2. Müser 24. 2. Neuburger 20. 2. Odenthal 20. 2. Dr. Oesterle 21. 2. Pietscher 14. 3. Dr. Pflaumbaum 20. 2. Pöhler 20. 2. Probst (Freiburg) 20. 2. Rademacher 20. 2. Ramms 28. 2. Reitzner 20. 2. Frau Rösch 14. 3. Scheel 21. 2. Schmidt (Hamburg) 20. 2. Schneider (Hamburg) 20. 2. Dr. Schneider (Saarbrücken) 20. 2. Schröder (Osterode) 31. 3. Schwarz 2. 4. Seuffert 20. 2. Dr. Starke 20. 2. Theis 20. 2. Dr. Weber (Koblenz) 20. 2. Weinkamm 7. 3. Wendelborn 20. 2.
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    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großer Aufmerksamkeit die Begründung der Großen Anfrage durch Herrn Kollegen Atzenroth und die Beantwortung durch den Herrn Bundesschatzminister gehört. In der Begründung und in der Antwort ist auf die Notwendigkeit der Privatisierung hingewiesen worden. Über das Tempo, in dem die Privatisierung durchgeführt werden soll, bestehen anscheinend sehr unterschiedliche Auffassungen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe vermißt, daß auch auf die abträglichen Folgen einer Privatisierung für unser Wirtschaftsleben hingewiesen wurde. Die abträglichen Folgen sind überhaupt nicht erwähnt worden. Ich werde mir erlauben, gerade auf diesen, wie mir scheint, sehr wichtigen Tatbestand ausführlicher einzugehen.
    Bevor ich das tue, möchte ich einige Punkte herausstellen, in denen wir uns, Herr Kollege Atzenroth, vielleicht einigen können. Ich meine damit die Bereinigung des Bundesbesitzes und die bessere Gliederung des Besitzstandes.
    Das Ministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat im Oktober 1958 eine Schrift herausgegeben, die viele interessante Angaben enthält, so z. B. die Aufführung der verschiedenen Unternehmen. So gehören nach dieser Veröffentlichung insgesamt 236 Unternehmungen zum wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Das ist zweifellos eine enorme Zahl. Sicherlich befinden sich darunter viele Firmen. die für den Bund nur Ballast sind und von denen er
    sich so schnell wie möglich trennen sollte, weil sie für eine aktive Wirtschaftspolitik unerheblich sind und nur Verwaltungskosten verursachen. Auf diesen Tatbestand haben wir schon zu einem früheren Zeitpunkt sehr nachdrücklich hingewiesen. Aber an- scheinend trennt sich der Herr Bundesschatzminister nicht so gern von den Mittel- und Kleinbetrieben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deswegen den Gedankengang heute noch einmal aufnehmen. Ich würde mich freuen, wenn die Möglichkeit bestünde, im zuständigen Ausschuß die Liste der 236 Firmen genau durchzugehen und alles auszusondern, was unorganisch und gesamtwirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung ist. Dann werden wir sicherlich den Kreis der Firmen erheblich vermindern können, und, Herr Kollege Atzenroth, soweit sich das Anliegen der FDP nach Privatisierung auf diese Betriebe erstreckt, sind wir durchaus bereit, Sie darin zu unterstützen. Denn auch für uns ist nicht zu erkennen, welche gesamtwirtschaftlichen Zwecke der Bund mit diesem Kleinbesitz verfolgen sollte.
    Man kann auch darüber streiten, Herr Kollege Atzenroth, ob es sinnvoll ist, das Bundesvermögen auf mindestens acht Konzerne zu verteilen. Mir würde es sinnvoller erscheinen, den Verwaltungsapparat zu vereinfachen und dadurch erhebliche Verwaltungskosten einzusparen. Soweit es um die Lösung auch dieser Aufgaben geht, sind wir gern bereit, mit Ihnen darüber zu sprechen und positiv an einer solchen Bereinigung mitzuarbeiten. Ich glaube, daß sich sehr vieles vereinfachen ließe.
    Aber um alle diese Dinge handelt es sich bei der Großen Anfrage nicht. Es geht Ihnen, Herr Kollege Atzenroth, vielmehr darum, die wertvollen Industrieunternehmungen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung

    (Abg. Dr. Atzenroth: Alle!)

    — zunächst die wertvollen von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung — aus dem Besitz des Bundes herauszubrechen. Ich habe mitunter den Eindruck, daß man nur die leeren Mäntel oder die Betriebe, die mit Verlust arbeiten, in der Obhut des Bundes belassen wollte. Mir ist vorhin aufgefallen, daß Sie z. B. gesagt haben, bei den Howaldtwerken in Hamburg sollte man sich beeilen, sie zu veräußern; wenn vielleicht eines Tages die Wirtschaftlichkeit geringer wird, verringert sich auch die Möglichkeit einer Privatisierung.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist der Erlös kleiner!)

    Der Wunsch nach Privatisierung besteht also immer dann, wenn die Betriebe rentabel sind. Wenn es aber einmal in die andere Richtung geht, kommt gleich von Ihnen ein deutliches Stoppzeichen.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Dann ist der Erlös kleiner!)

    — Ich bin doch der Meinung, Herr Kollege Atzenroth, daß Sie zuerst auf die wirtschaftlichen Betriebe abzielen. Ich könnte Ihnen einige Beispiele nennen von Betrieben, in denen eine Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben ist und deshalb auch der Wunsch nach einer Privatisierung bis heute noch nicht laut geworden ist. Aber in zwei oder drei Jahren vielleicht, wenn die Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, die Unternehmen rentabel werden sollten, wird bei Ihnen wahrscheinlich der Wunsch nach einer Privatisierung sehr lebhaft sein.
    Wir haben die Debatte um die Privatisierung im Bundestag seit acht Jahren geführt, und ich darf hier noch einmal feststellen: Solange der Besitz vom Bundesfinanzministerium verwaltet wurde, war die Forderung nach einer Privatisierung eine ausschließliche Angelegenheit der FDP und, in concreto, ein besonderes Steckenpferd des Herrn Kollegen Atzenroth. Seit Oktober 1957 hat sich nun die Situation geändert. Der Bundesschatzminister hat im Januar 1958 erklärt, daß über das Ob im Kabinett entschieden sei und daß man sich nur noch über das Wie unterhalten müsse. Das Bundesschatzministerium hat die schwierige Aufgabe erhalten, die Wahlthese der Volksaktie und der breiten Vermögensstreuung — das würde doch Besitz von Aktien bedeuten — in die Praxis umzusetzen, zu realisieren.
    Nun, breite Vermögensstreuung ist ein gern gehörtes Wort, und es hat erhebliche Hoffnungen erweckt. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, wenn es Ihnen wirklich ernst damit ist, breiteste Schichten unseres Volkes am Eigentum am Produktivvermögen zu beteiligen, dann, glaube ich, wäre das eine Aufgabe, an der wir alle positiv mitarbeiten würden.



    Dr. Bleiß
    Aber, meine Damen und Herren, eine Lösung dieser Aufgabe setzt voraus, daß Sie erst ein neues Sparkapital bilden müssen, um neue, bisher minderbemittelte Schichten unseres Volkes für den Ankauf dieser Aktien zu gewinnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Einkommensteuertarif!)

    — Das allein genügt nicht. Der Einkommensteuertarif bevorzugt im wesentlichen die großen Einkommen. Es geht uns darum, daß auch diejenigen erfaßt werden, die über ein geringeres Einkommen verfügen. Da möchte ich Ihnen nachher gern einige Vorschläge machen; ich hoffe auf Ihre Unterstützung.
    Die Schaffung neuen, zusätzlichen Sparkapitals läßt sich — ich komme nun gleich mit den Vorschlägen — nach unserer Auffassung auf zwei Wegen erreichen: einmal durch die Einschränkung der Eigenfinanzierung bei Kapitalgesellschaften, zum anderen durch eine Senkung der Preise, eine Lockerung der Preisabsprachen und eine Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand. Auf diese Zusammenhänge haben wir schon in der Kartelldebatte sehr ausführlich hinweisen dürfen. Ich möchte Ihnen aber zu diesem Punkt einige Tatsachen und Zahlen mitteilen.
    Nach einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist der gesamte jährliche Vermögenszuwachs von 1956 auf 1958 von 36,3 Milliarden auf 43 Milliarden DM gestiegen. Hiervon entfallen auf die Selbstfinanzierung der Unternehmen 1956 13,5 Milliarden, das ist eine Quote von 37 %, 1958 aber 17,9 Milliarden, das ist eine Quote von 42 %. Allein im letzten Jahr ist die Selbstfinanzierung der Unternehmungen von 14,9 Milliarden auf 17,9 Milliarden, also um 3 Milliarden DM gestiegen; die Quote hat sich von 37 % auf 42 % erhöht.
    Meine Damen und Herren, damit hat die Quote der Selbstfinanzierung ein beängstigendes Ausmaß erreicht. Gerade deswegen scheinen mir wirkliche Ansatzpunkte dafür vorhanden zu sein, durch einen Abbau der Selbstfinanzierung breitere Schichten der Bevölkerung an dem Zuwachs des Produktivvermögens zu beteiligen.
    Die Selbstfinanzierung, die ein volkswirtschaftlich äußerst ungesundes Ausmaß erreicht hat, geht nicht zuletzt darauf zurück, daß unsere Wirtschaft weitgehend so fest kartellisiert ist, daß die Preisabsprachen und Preisbindungen so fest und so weitreichend sind, daß von einem echten Leistungs- und Preiswettbewerb überhaupt keine Rede mehr sein kann. Wer in der Wirtschaft versucht, die Preisbindungen der zweiten Hand von sich aus zu lockern und mit verringerten Gewinnspannen zu arbeiten, der läuft Gefahr, mit Liefersperren belegt und damit dem Wirtschaftsboykott ausgesetzt zu werden. So sieht heute teilweise unsere „freie Wirtschaft" aus.
    Der Verbraucher kann sich nur von Zeit zu Zeit einen Begriff von den Gewinnspannen machen, die in den abgesprochenen Preisen einkalkuliert sind, nämlich dann, wenn sich die Großinteressenten einmal uneinig werden, wenn einige aus der Preiskonvention ausbrechen und wenn dann plötzlich infolge dieser Uneinigkeit die Abgabepreise erheblich gesenkt werden. Die Vorgänge bei den Herstellern von Fernsehapparaten haben doch gezeigt, daß, wenn es sein muß, die Preise um 20 bis 25 % herabgesetzt werden können, ohne daß man damit aus der Gewinnzone herauskommt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen].)

    — Herr Kollege Dr. Fritz, die vielen Tausende, die vor Weihnachten ihren Fernsehapparat zum alten Preis gekauft haben, dürften sich inzwischen darüber klargeworden sein, daß sie einen nicht unerheblichen Beitrag zur Eigenfinanzierung der Herstellerfirmen geleistet haben. Das ist ein Beispiel, das für viele andere gleichgelagerte Fälle maßgeblich ist.

    (Zuruf von der Mitte: Das kann man nicht bestreiten!)

    Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung versprochen, breitere Schichten an den Produktionsmitteln zu beteiligen. Es schiene mir richtig, hier den Hebel anzusetzen und die Preisabsprachen und Preisbindungen zu untersuchen und zu kontrollieren sowie sich durch Kostenanalysen einen Überblick über die erhöhten Preisforderungen zu verschaffen.
    Wir haben seit einiger Zeit ein Bundeskartellamt. Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte es eigentlich auch sein, sich um diese Preisbindungen zu kümmern. Die Aufgabe des Bundeskartellamtes sollte nicht nur darin bestehen, die Zulassung neuer Kartelle zu prüfen. Das Bundeskartellamt sollte sich vielmehr auch darum bemühen, die bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen zu lockern. Wenn das Kartellamt darin seine Aufgabe sähe, könnte vielerlei erreicht werden.
    So würde sich zweifellos erreichen lassen, den Wettbewerb wieder zu beleben und die in vielen Teilen unserer Wirtschaft zunehmende Gefahr der wachsenden Überkapazitäten durch eine Ausweitung des Marktes aufzufangen. Es wäre denkbar, durch eine umfassende Preissenkungsaktion das soeben von Ihnen gewünschte Sparkapital in breiter Hand zu bilden. Dann wäre es möglich, aus diesem Sparkapital die wirtschaftlich notwendigen Investitionen zu finanzieren.
    Das schiene mir der geeignete und auch der vernünftige Weg zu sein, um Ihre Forderung nach einer Beteiligung breiter Schichten an den Produktionsmitteln zu realisieren. Es fragt sich nur, ob die Bundesregierung diese wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen will und ob sie in der Lage ist, sie durchzusetzen.
    Wir hätten von der Bundesregierung gern gehört — ich bedauere, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht anwesend ist —, ob sie überhaupt etwas und, wenn ja, was sie seit der Regierungserklärung unternommen hat, um eine derartige Sparkapitalbildung zu fördern. Ich fürchte, daß wir auch diesmal ohne eine Antwort auf unsere Frage bleiben werden.
    Inzwischen geht nun der Herr Bundesschatzminister einen anderen Weg, den Weg der Pflästerchen,



    Dr. Bleiß
    sehr behutsam, sehr vorsichtig, um tunlichst keine Panne zu erleiden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

    Im Falle der Preußag bleibt der Bundesbesitz unangetastet. Durch die beschlossene Kapitalerhöhung verschiebt sich nur die prozentuale Beteiligung des Bundes von 100 auf 71,5 %. Der Ausgabekurs der Aktien ist mit 140 bis 150 % — wie er genannt wurde — denkbar niedrig gehalten. Er entspricht — das hat der Herr Kollege Atzenroth auch schon ausgeführt — keinesfalls dem inneren Wert der Unternehmungen.
    Nun ein Weiteres. Schon vor der Zeichnung der Aktien wird den Erwerbern zugesichert, daß bereits in wenigen Monaten die Börseneinführung erfolgen solle. Es wird gesagt, die Börseneinführung werde zu einem Kurs erfolgen, der um mindestens 15 bis 20 % über dem Ausgabekurs liegen werde, und man werde gleichzeitig auch eine Pflege des Aktienkurses betreiben. Mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wird also der Aktienerwerber in kurzer Zeit erhebliche Kursgewinne machen können. Dieses Geschäft — daß man schon bei der Zeichnung der Aktie eine Garantie für einen Kursgewinn mitbekommt — hat, auch wenn es nur von einer geringen Größenordnung ist, in der Geschichte der Börsen seinesgleichen zu suchen. Unter solchen Bedingungen ist wiederum mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß ein Run auf diese Aktien einsetzen wird, ein Run, an dem sich in erster Linie der Personenkreis beteiligen wird, der bereits heute über Aktienbesitz verfügt.

    (Abg. Katzer: Unter 16 000 DM Einkommen, Herr Dr. Bleiß! Auf fünf Aktien beschränkt!)

    — Aber es werden doch bestimmte Kreise dabei sein, die heute schon sparen! Ich glaube nicht, daß Sie damit allzu breite neue Schichten erfassen werden. Das Börsenpublikum wird sich sicher sehr darum bemühen, diese Aktien zu zeichnen, und wir werden sehen, wie unerwünscht die Aktion nachher verlaufen wird. Lassen Sie mich nur diese Bedenken anmelden.
    Meine Damen und Herren, wie sieht nun aber der zweite Schritt aus? Die weitere Entwicklung der Börsenkurse wird doch — und man muß mit einer Kurssteigerung rechnen — wahrscheinlich auch den Anreiz steigern, Kursgewinne zu realisieren, d. h. die Aktien zu verkaufen. Und dann werden die kapitalkräftigen Gruppen auf dem Plan erscheinen, die aus übergeordneten preis- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten Einfluß auf die Preußag gewinnen wollen.
    Bisher hatte ich geglaubt, daß man es vorerst bei einem Anteil von 30 Millionen DM belassen wird. Der Herr Bundesschatzminister hat aber soeben noch einmal bestätigt, daß das nur der erste Schritt sei. Man wird sich, auf die Dauer gesehen, von der Preußag trennen. Sie können mir glauben: die Preußag-Aktien finden dann den Weg zu denjenigen Interessenten, die es sich etwas kosten lassen, das Aktienkapital zu erwerben.
    Ein solcher Umschichtungsprozeß, wie er sich heute bei der Preußag vollzieht und wie er sich morgen und übermorgen unter der Regie der CDU wahrscheinlich bei anderen bedeutsamen Beteiligungen vollziehen wird, braucht nicht sofort klar erkennbar zu sein. Er braucht nicht in einer sehr kurzen Frist abzulaufen. Die Interessentengruppen gehen im allgemeinen sehr vorsichtig zu Werke. Sie operieren mit längeren Zeitspannen. Aber nach manchem Umweg und nach vielleicht mehrmaligem Wechsel kann dann ein solcher veräußerter Bundesbesitz dazu beitragen, das Netz der Preisabsprachen und die Summe der Preisbindungen noch mehr zu verdichten, die Eigenfinanzierung zu erhöhen, die Gefahr der Überkapazitäten zu steigern und die Stellung des Verbrauchers weiter zu schwächen.


Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Bleiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Becker?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte sehr!
    Dr. Becker (Mönchen-Gladbach) (CDU/CSU) : Herr Dr. Bleiß, haben Sie nicht soeben gehört, daß der Minister gesagt hat, daß beabsichtigt ist, die Konzentration der Aktien dadurch zu verhindern, daß das Höchststimmrecht wie beim Volkswagenwerk begrenzt wird?