Protokoll:
17229

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 229

  • date_rangeDatum: 15. März 2013

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:33 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/229 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 229. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. März 2013 I n h a l t : Absetzung des Zusatztagesordnungspunk- tes 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Ab- wicklung von Kreditinstituten und Fi- nanzgruppen (Drucksache 17/12601) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/ 89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG, 2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/ EG hinsichtlich der zusätzlichen Beauf- sichtigung der Finanzunternehmen ei- nes Finanzkonglomerats (Drucksache 17/12602) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung des Investmentsteu- ergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer- Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG) (Drucksache 17/12603) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Finanzstabilität sichern – Regulie- rung systemrelevanter Finanzinstitute und des internationalen Schattenbanksystems (Drucksache 17/12686) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte: Erpres- sungspotenzial verringern – Geschäfts- und Investmentbanking trennen (Drucksache 17/12687) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 28613 A 28613 B 28613 B 28613 C 28613 D 28613 D 28614 A 28615 D 28617 C 28618 D 28621 A 28622 B 28624 A 28625 B 28626 C 28627 D 28629 A 28630 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 Tagesordnungspunkt 29: a) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwei Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen Atomausstieg keine erfolgreiche Ener- giewende (Drucksache 17/12509) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion der SPD: Lehren aus der Atomkatastrophe in Fukushima zie- hen (Drucksache 17/12688) . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten René Röspel, Rolf Hempelmann, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Euratom-Ver- trag an die Herausforderungen der Zukunft anpassen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Euratom-Vertrag än- dern – Atomausstieg europaweit vo- ranbringen – Atomprivileg beenden (Drucksachen 17/8927, 17/7670, 17/11713) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Eine Europäische Gemein- schaft für die Förderung Erneuerbarer Energien gründen – EURATOM auflö- sen (Drucksachen 17/6151, 17/11723) . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Keine Her- mesbürgschaft für den Bau des Atomkraftwerks Angra 3 – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Dr. Gesine Lötzsch, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abge- ordneten Ute Koczy, Sylvia Kotting- Uhl, Beate Walter-Rosenheimer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Bürgschaft für den Bau des Atom- kraftwerks Angra 3 (Drucksachen 17/9578, 17/9579, 17/12653) f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Markus Tressel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stillle- gung besonders gefährlicher grenzna- her Atomkraftwerke in Frankreich (Drucksachen 17/11206, 17/12675) . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Peter Altmaier, Bundesminister  BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungs- kontrolle, Abrüstung und Nichtverbrei- tung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüs- tungsbericht 2012) (Drucksache 17/12570) . . . . . . . . . . . . . . 28632 A 28632 A 28632 A 28632 B 28632 C 28632 D 28633 A 28634 C 28636 B 28638 A 28639 B 28636 B 28642 B 28643 D 28644 D 28645 D 28646 D 28648 B 28649 D 28650 D 28651 D 28653 B 28655 D 28653 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 III b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, Fritz Rudolf Körper, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Keine Modernisie- rung der US-Nuklearwaffen in Eu- ropa und Deutschland – Abrüs- tungschancen nicht ungenutzt verstreichen lassen – zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abzug statt Modernisierung der US-Atomwaf- fen in Deutschland (Drucksachen 17/11323, 17/11225, 17/12251) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Agnes Brugger, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequent voran- gehen für eine atomwaffenfreie Welt (Drucksachen 17/9983, 17/12733) . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern (Drucksache 17/12689) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine moderne und nachhaltige Verbraucher- politik (Drucksache 17/12694) . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Straßenverkehrsge- setzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/12636) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Paul Schäfer (Köln), Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: An- griffskrieg verfassungs- und völker- rechtskonform unter Strafe stellen (Drucksachen 17/11698, 17/12736, 17/12711) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundge- setzes (Artikel 35 und 87 a) (Drucksachen 17/11591, 17/12711) . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28653 C 28653 D 28654 A 28658 A 28659 D 28661 A 28662 B 28663 B 28665 A 28665 B 28665 C 28666 D 28668 D 28670 A 28671 D 28673 B 28674 C 28675 D 28677 A 28677 A 28678 A 28680 A 28681 A 28681 D 28682 C 28684 A 28684 A 28684 B 28685 A 28686 A 28686 D 28688 A 28689 A 28690 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anette Hübinger und Nadine Schön (St. Wen- del) (beide CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen auf- nehmen zur unverzüglichen Stilllegung be- sonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen auf- nehmen zur unverzüglichen Stilllegung be- sonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung besonders ge- fährlicher grenznaher Atomkraftwerke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) . . . . . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28691 A 28692 B 28692 D 28693 A 28693 C 28693 D 28694 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28613 (A) (C) (D)(B) 229. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. März 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28691 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Behrens, Herbert DIE LINKE 15.03.2013 Bleser, Peter CDU/CSU 15.03.2013 Canel, Sylvia FDP 15.03.2013 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 15.03.2013 Frieser, Michael CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 15.03.2013 Gloser, Günter SPD 15.03.2013 Granold, Ute CDU/CSU 15.03.2013 Groß, Michael SPD 15.03.2013 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 15.03.2013 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 15.03.2013 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 15.03.2013 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Hörster, Joachim CDU/CSU 15.03.2013 Hoff, Elke FDP 15.03.2013 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 15.03.2013 Karl, Alois CDU/CSU 15.03.2013 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Korte, Jan DIE LINKE 15.03.2013 Kossendey, Thomas CDU/CSU 15.03.2013 Kramme, Anette SPD 15.03.2013 Krestel, Holger FDP 15.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Laurischk, Sibylle FDP 15.03.2013 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 15.03.2013 Liebich, Stefan DIE LINKE 15.03.2013 Luksic, Oliver FDP 15.03.2013 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 15.03.2013 Mast, Katja SPD 15.03.2013 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 15.03.2013 Meinhardt, Patrick FDP 15.03.2013 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 15.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 15.03.2013 Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 15.03.2013 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 15.03.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 15.03.2013 Reinhold, Hagen FDP 15.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 15.03.2013 Roth (Heringen), Michael SPD 15.03.2013 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 28692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anette Hübinger und Nadine Schön (St. Wendel) (beide CDU/CSU) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlun- gen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraft- werke in Frankreich (Tagesordnungspunkt 29 f) Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe ich folgende persönliche Erklärung ab: Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze ich mich seit langem dafür ein, dass das französische Kernkraftwerk Cattenom, das in den letzten Jahren im- mer wieder durch Störfälle aufgefallen ist, und weitere Kernkraftwerke in Grenznähe, bei denen Sicherheits- mängel bestehen, schnellstmöglich abgeschaltet werden. Ende 2012 hat die französische Regierung unter Präsi- dent François Hollande nun angekündigt, im Zuge der Neuausrichtung der französischen Energiepolitik das Kernkraftwerk Fessenheim spätestens Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Allerdings sind noch keine Entschei- dungen zu anderen grenznahen Anlagen gefallen. Ich setze mich weiter für einen frühen Abschaltzeitpunkt weiterer Kernkraftwerke ein. Ich begrüße daher ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, die französische Regierung unter An- erkennung deren Souveränität in den bestehenden Ko- operationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- heitsmängel und den Vorteil einer raschen Abschaltung hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen auch die grenznahen Bundesländer Saarland, Rheinland- Pfalz und Baden-Württemberg teil. Auf diese Weise werden in Kooperation mit den Bundesländern insbeson- dere auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Be- denken unserer Bevölkerung zu den grenznahen franzö- sischen Anlagen thematisiert. Bundesumweltminister Peter Altmaier thematisiert die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßigen Gespräche mit seiner fran- zösischen Amtskollegin. Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Aktivitäten baldmöglichst dazu führen, dass alle grenznahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken bestehen, abgeschaltet wer- den. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraftwerke in Frankreich (Tagesordnungs- punkt 29 f) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe ich folgende persönliche Erklärung ab: Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass das älteste französische Kern- kraftwerk Fessenheim, Cattenom und andere, die in den letzten Jahren immer wieder durch Störfälle aufgefallen sind, und weitere Kernkraftwerke in Grenznähe, bei de- nen Sicherheitsmängel bestehen, schnellstmöglich abge- schaltet werden. Ende 2012 hat die französische Regie- rung unter Präsident François Hollande nun angekündigt, im Zuge der Neuausrichtung der französischen Energie- politik das Kernkraftwerk Fessenheim spätestens Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Allerdings sind noch keine Entscheidungen zu anderen grenznahen Anlagen gefal- len. Ich setze mich weiter für einen früheren Abschalt- zeitpunkt der Kernkraftwerke Fessenheim, Cattenom und für die Einbeziehung weiterer Kernkraftwerke ein. Schaaf, Anton SPD 15.03.2013 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 15.03.2013 Schieder (Weiden), Werner SPD 15.03.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 15.03.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 15.03.2013 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Schreiner, Ottmar SPD 15.03.2013 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 15.03.2013 Simmling, Werner FDP 15.03.2013 Dr. Stinner, Rainer FDP 15.03.2013 Strothmann, Lena CDU/CSU 15.03.2013 Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 15.03.2013 Wagner (Schleswig), Arfst BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.03.2013 Weinberg, Harald DIE LINKE 15.03.2013 Werner, Katrin DIE LINKE 15.03.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 15.03.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28693 (A) (C) (D)(B) Ich begrüße ausdrücklich die Bemühungen der Bun- desregierung, die französische Regierung unter Aner- kennung deren Souveränität in den bestehenden Koope- rationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- heitsmängel und den Vorteil einer schnellen Abschaltung hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen auch die grenznahen Bundesländer Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz teil. Auf diese Weise wer- den in Kooperation mit den Bundesländern insbesondere auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Bedenken unserer Bevölkerung zu den grenznahen französischen Anlagen zur Sprache gebracht. Bundesumweltminister Peter Altmaier thematisiert die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßi- gen Gespräche mit seiner französischen Amtskollegin. Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Aktivitäten baldmöglichst dazu führen, dass alle grenz- nahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken bestehen, abgeschaltet werden. Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Zur Debatte zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebe ich folgende persönliche Erklärung ab: Risiken machen nicht an Grenzen Halt. Deshalb setze ich mich seit langem dafür ein, dass das älteste französi- sche Kernkraftwerk Fessenheim, das in den letzten Jah- ren immer wieder durch Störfälle aufgefallen ist, und weitere Kernkraftwerke in Grenznähe, bei denen Sicher- heitsmängel bestehen, wie das Kernkraftwerk Cattenom, schnellstmöglich abgeschaltet werden. Ende 2012 hat die französische Regierung unter Präsident François Hollande nun angekündigt, im Zuge der Neuausrichtung der französischen Energiepolitik das Kernkraftwerk Fes- senheim spätestens Ende 2016 vom Netz zu nehmen. Al- lerdings sind noch keine Entscheidungen zu anderen grenznahen Anlagen gefallen. Ich setze mich weiter für einen früheren Abschaltzeitpunkt des Kernkraftwerkes Fessenheim und für die Einbeziehung weiterer Kern- kraftwerke ein. Ich begrüße daher ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, die französische Regierung unter An- erkennung deren Souveränität in den bestehenden Ko- operationen und regelmäßigen Treffen der Deutsch- Französischen Kommission auf die vorhandenen Sicher- heitsmängel und den Vorteil einer schnellen Abschaltung hinzuweisen. In der 1976 ins Leben gerufenen Deutsch- Französischen Kommission für Fragen der Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen werden diese Fragen the- matisiert. An diesen regelmäßigen Sitzungen nehmen auch die grenznahen Bundesländer Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz teil. Auf diese Weise wer- den in Kooperation mit den Bundesländern insbesondere auch die sicherheitstechnischen Anliegen und Bedenken unserer Bevölkerung zu den grenznahen französischen Anlagen zur Sprache gebracht. Bundesumweltminister Peter Altmaier thematisiert die Sicherheitsbedenken im Rahmen seiner regelmäßi- gen Gespräche mit seiner französischen Amtskollegin. Ich setze darauf, dass all diese Bemühungen und weitere Aktivitäten baldmöglichst dazu führen, dass alle grenz- nahen Kernkraftwerke, bei denen Sicherheitsbedenken bestehen, abgeschaltet werden. Bernhard Kaster (CDU/CSU): Dem heute zur Bera- tung vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Markus Tressel, Hans-Josef Fell, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff, Tabea Rößner, Claudia Roth (Augsburg), Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms kann ich in der vorliegenden Form nicht zustim- men. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Als Wahlkreisabgeordneter von Trier und Trier-Saar- burg, der sich in unmittelbarer geografischer Nachbar- schaft zu dem französischen Atomkraftwerk Cattenom befindet, habe ich mich besonders intensiv mit diesem Antrag beschäftigt. Die Behauptungen des Antrages, die Bundesregie- rung habe bisher kaum Interesse gezeigt, sich ein eigen- ständiges Bild über die Situation und die Sicherheits- mängel grenznaher französischer AKW zu bilden, entsprechen nicht der Realität. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Thematik wird von der Bundesregierung priorisiert. Aufgrund dieser unsachlichen und der Sache nicht dienlichen Behauptungen kann ich dem Antrag nicht zu- stimmen. Es ist richtig – und auf dieses Ziel muss gemein- sam hingearbeitet werden –, sich für eine Abschaltper- spektive für das Atomkraftwerk Cattenom einzusetzen. Die gemeinsamen Anstrengungen der Regierungen des Saarlands, Rheinland-Pfalz und des benachbarten Großherzogtums Luxemburg zusammen mit der Bun- desregierung in dieser Hinsicht sind in besonderem Maße hervorzuheben und zu unterstützen. Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stilllegung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraftwerke in Frankreich (Tagesordnungs- punkt 29 f) In der Abstimmungsliste fehlt mein Name. Mein Votum lautet: „Ja“. 28694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 907. Sitzung am 1. März 2013 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen bzw. eine Einspruch gemäß Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht ein- zulegen: – Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes (Ehrenamts- stärkungsgesetz) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Maßnahmen zur Stärkung und Förderung der Zivilge- sellschaft erfordern ein sicheres Fundament der Staatsfinanzen. Sie stehen im Kontext der Haushalts- konsolidierung und der Begrenzung der Staatsver- schuldung. Unter Ausnutzung aktueller Rechtsprechung des Bun- desfinanzhofs können Unternehmen durch gezielte Vereinbarung von Schuldübernahmen die geltenden Gesetze ins Leere laufen lassen und ihre Steuerlast er- heblich mindern. Darüber hinaus werden Schuldüber- nahmen am Markt von Kreditinstituten bereits als „Dienstleistung“ angeboten. Es drohen Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Allein in den von der Problematik mit erfassten Pensionsrückstellungen ruhen derzeit stille Lasten, deren Aufdeckung bundesweit zu einem Steuerausfallsrisiko von bis zu 20 Milliarden Euro führen und die Finanzierung wichtiger Politikfelder gefährden kann. Der Bundesrat hatte hierzu im Gesetz- gebungsverfahren einen Lösungsvorschlag vorgelegt, den der Bundestag nicht aufgegriffen hat. Im Hinblick auf die drohende Belastung der Haus- halte duldet das Anliegen keinen Aufschub. Bund und Länder sind hier gleichermaßen betroffen. Die not- wendigen Regelungen müssen noch in dieser Legisla- turperiode in Kraft treten, um eine Erosion der Steuer- bemessungsgrundlagen zu verhindern. – Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüh- erkennung und zur Qualitätssicherung durch kli- nische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die in das Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister, Krebsfrüherkennungs- und -regis- tergesetz – KFRG, in § 136a SGB V aufgenom- mene Regelung, bei Zielvereinbarungen der Krankenhäuser mit leitenden Ärzten finanzielle Anreize bei einzelnen Leistungen auszuschlie- ßen, nicht ausreichend ist. Dies kann allenfalls ein erster Schritt sein. Um Fehlanreize zu vermeiden und Krankenhäusern eine verlässliche Finanzierung zur sichern, reicht es nicht aus, immer nur einzelne Schwachstellen in den Fokus zu nehmen. Notwendig ist eine um- fassende Reform der Krankenhausfinanzierung, die Trägervielfalt und flächendeckende Versor- gung sichert, Patienten vor medizinisch nicht in- dizierten Leistungen schützt und Qualität besser honoriert. 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Instru- mente zu entwickeln sind, mit denen Bonusver- einbarungen zwischen Krankenhausträgern und Ärztinnen und Ärzten, die ausschließlich die Stei- gerung von bestimmten Leistungszahlen zum Ziel haben, verhindert werden können. Ebenso sind Zuweiserpauschalen zu unterbinden. 3. Patientinnen und Patienten haben unabhängig da- von, wo sie leben, einen Anspruch darauf, die für sie notwendigen medizinischen und pflegerischen Versorgungsleistungen zu erhalten. Ziel einer jeg- lichen Reform muss es daher sein, eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Versorgung unter Erhalt der Trägervielfalt sicherzustellen. 4. Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass Indikationsstellung ebenso wie die vorgeschlagene Therapie allein medizi- nisch begründet sind. Finanzielle Interessen der Leistungserbringer dürfen dabei keine Rolle spie- len. Dies gilt sowohl für die ambulante als auch die klinische Versorgung. 5. Die Finanzierungsgrundlage der Krankenhäuser unter den Bedingungen der diagnosebezogenen Fallgruppen, Diagnosis Related Groups – DRG, ist zu überprüfen. Unter- und Überdeckungen von DRG’s müssen identifiziert und verändert wer- den. Damit muss auch verhindert werden, dass sich Anbieter ausschließlich auf gut finanzierte Leistungen fokussieren und finanziell unattrak- tive Fälle abweisen. In einem gerechten Finanzie- rungssystem müssen auch die Personalkosten ausreichend Berücksichtigung finden, damit nicht auf eine Mengenausweitung ausgewichen werden muss. Eine angemessene Bezahlung der Beschäf- tigten muss sichergestellt werden, um auch zu- künftig unter den Bedingungen des demografi- schen Wandels noch ausreichend Fachkräfte gewinnen zu können. 6. Die Qualität der Versorgung – und dazu gehört auch eine Indikationsstellung ausschließlich aus medizinischen Gründen – muss stärker in den Fokus treten. Der Mengenentwicklung aus rein ökonomischen Gründen, die sich nicht durch die demografische Entwicklung und/oder den medi- zinischen Fortschritt begründet, muss wirksam begegnet werden. Statt der Degression der Lan- desbasisfallwerte bei Fallzahlsteigerungen sind Mehrleistungen und Mehrleistungsabschläge für das einzelne Krankenhaus anhand von Qualitäts- kriterien zu staffeln, die von den Selbstverwal- tungspartnern auf Bundesebene zu entwickeln sind. Die Qualität der medizinischen Versorgung muss gesichert und verbessert und die Patienten- sicherheit erhöht werden. Bei festzulegenden In- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 28695 (A) (C) (D)(B) dikationen ist ein Zweitmeinungsverfahren obli- gatorisch vorzusehen. 7. Der schon heute bestehende Leistungsanspruch für Patientinnen und Patienten auf Entlassungs- management ist verbindlich umzusetzen. Umfang und Mindeststandards des Entlassungsmanage- ments sind in durch den Gemeinsamen Bundes- ausschuss zu erstellenden Richtlinien zu regeln. 8. Die Qualitätsberichte und Qualitätssicherung der Krankenhäuser sind zu einem für Patientinnen und Patienten und Einweiser verlässlich nutzbaren und verständlichen Instrument weiterzuentwickeln, das ein hilfreiches Mittel bei der Wahl eines Kran- kenhauses sein kann. Mehrleistungen sollen dort erbracht werden dürfen, wo auch nachweislich eine bessere Qualität erbracht wird. Ergebnis und Strukturqualität müssen bei der Krankenhauspla- nung ebenso wie bei der Finanzierung ambulanter und klinischer Leistungen eine stärkere Rolle spielen. 9. Ländliche und strukturschwache Regionen wer- den auf Grund sinkender Einwohnerzahlen in na- her Zukunft vor besondere Herausforderungen ge- stellt sein, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen. Sie benötigen Flexibilität bei der Gestaltung der Versorgungsstrukturen. Hier werden Krankenhäu- ser deshalb zwangsläufig eine wachsende Bedeu- tung auch für die Sicherstellung von ambulanter medizinischer Versorgung übernehmen müssen. Hierfür gilt es, die notwendigen planungs- und vergütungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaf- fen. Überkommene Sektorengrenzen, ungeeignete Planungsgrundlagen und historisch gewachsene zersplitterte Zuständigkeiten sind zu hinterfragen. 10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, für die aufgezeigten Fragen zeitnahe Lösungsvor- schläge zu entwickeln. – Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bun- deswahlgesetzes – Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (Personenstandsrechts-Änderungsge- setz – PStRÄndG) – Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht mit- einander verheirateter Eltern – Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften – Gesetz zum Schutz des Erbrechts und der Verfah- rensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzel- adoptierter Kinder im Nachlassverfahren – Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronik- gerätegesetzes – Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschafts- rechts – Gesetz zu dem Protokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon – Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege – Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes – Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) – Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vor- schriften und der Geschäftsordnungen für Über- weisungen und Lastschriften in Euro und zur Än- derung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA- Begleitgesetz) – Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Antrag Frauenquote bei Gre- mienbesetzungen durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung konsequent ein- halten auf Drucksache 17/5257 zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan 2012 – Drucksachen 17/11750, 17/12441 Nr. 1.1 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Lage der Natur für die 16. Wahlperiode – Drucksachen 16/12032, 17/790 Nr. 1.33 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten 2009 des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Kassensturz für den Weltklimavertrag – Der Budgetan- satz – Drucksachen 17/2273, 17/2548 Nr. 1.3 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Neunzehnter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungs- förderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Absatz 2 – Drucksache 17/8498 – 28696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2013 (A) (C) (D)(B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierter Bericht über die Umsetzung des Bologna-Pro- zesses in Deutschland – Drucksache 17/8640 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationaler Bildungsbericht 2012 – Bildung in Deutsch- land und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksache 17/11465 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 17/12126 Nr. A.1 EP P7_TA-PROV(2012)0445 Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/12244 Nr. A.2 EuB-BReg 12/2013 Drucksache 17/12244 Nr. A.3 EuB-BReg 13/2013 Drucksache 17/12244 Nr. A.7 EP P7_TA-PROV(2012)0506 Drucksache 17/12244 Nr. A.8 Ratsdokument 5118/13 Drucksache 17/12244 Nr. A.9 Ratsdokument 17814/12 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/12244 Nr. A.23 Ratsdokument 18068/12 Drucksache 17/12449 Nr. A.7 Ratsdokument 5560/13 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/12244 Nr. A.24 Ratsdokument 18118/12 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/10208 Nr. A.24 Ratsdokument 10226/12 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 17/8673 Nr. A.15 Ratsdokument 5058/12 Drucksache 17/8967 Nr. A.12 Ratsdokument 6487/12 Drucksache 17/9130 Nr. A.14 Ratsdokument 6596/12 Drucksache 17/9647 Nr. A.21 EP P7_TA-PROV(2012)0072 Drucksache 17/10710 Nr. A.67 Ratsdokument 11750/12 Drucksache 17/10710 Nr. A.69 Ratsdokument 12848/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.28 Ratsdokument 14000/12 229. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 28, ZP 11, 12 Finanzmarktpolitik TOP 29 Europäische und globale Atomenergiepolitik TOP 30, ZP 13 Abrüstung und Rüstungskontrolle TOP 31 Verbraucherpolitik TOP 32 Straßenverkehrsgesetz (Verkehrszentralregister) TOP 33 Angriffskrieg im Strafrecht Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Ich begrüße Sie alle herzlich zur 229. Sitzung des
Bundestages. Ich hoffe, dass sich im Laufe des Vormit-
tags die Regierungsbank noch teilweise füllt, und be-
grüße einzelne Mitglieder der Bundesregierung stellver-
tretend für dieselbe.

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich darauf auf-
merksam machen, dass die für heute verlangte Aktuelle
Stunde zur Haltung der Bundesregierung zur Durchset-
zung des Leistungsprinzips bei exorbitanten Managerge-
hältern nicht stattfindet.


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] – Zurufe: Oh!)


– Der Antrag auf diese Aktuelle Stunde ist zurückgezo-
gen. Damit ist das Thema ja nicht erledigt. Die ent-
täuschten Zwischenrufe werden also bei anderer Gele-
genheit sicher zur Geltung kommen können.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 c
sowie die Zusatzpunkte 11 und 12 auf:

28 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ab-
schirmung von Risiken und zur Planung der Sa-
nierung und Abwicklung von Kreditinstituten
und Finanzgruppen

– Drucksache 17/12601 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss 
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung
der Richtlinie 2011/89/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16. November
2011 zur Änderung der Richtlinien 98/78/EG,
2002/87/EG, 2006/48/EG und 2009/138/EG

hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung
der Finanzunternehmen eines Finanzkonglo-
merats

– Drucksache 17/12602 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-
sung des Investmentsteuergesetzes und ande-
rer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz

(AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFMStAnpG)


– Drucksache 17/12603 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Finanzstabilität sichern – Regulierung system-
relevanter Finanzinstitute und des internatio-
nalen Schattenbanksystems

– Drucksache 17/12686 –

ZP 12 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanz-
märkte: Erpressungspotenzial verringern –
Geschäfts- und Investmentbanking trennen

– Drucksache 17/12687 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss 
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union 
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Einen Wider-
spruch dazu höre ich nicht. Also können wir offenkundig
so verfahren.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Finanz-
minister das Wort, der im Unterschied zu anderen bereits
gleich zu Beginn dieser Sitzung im Saal war. – Bitte
schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sollte
ich hier auch reden, wenn ich nicht da wäre!


(Heiterkeit)


Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung
von Risiken und zur Planung der Sanierung und Ab-
wicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen gehen
wir einen weiteren Schritt auf dem Weg, Konsequenzen
aus der Finanz- und Bankenkrise des Jahres 2008 zu zie-
hen und unser Finanz- und Bankensystem insgesamt kri-
senfester, stabiler zu machen.

Weil die Vielzahl der einzelnen Regelungsschritte auf
globaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene
manchmal fast schon verwirrend sein kann, ist es immer
wieder wichtig, dass man sich die Zusammenhänge klar-
macht bzw. sich darüber vergewissert.

Funktionierende Finanzmärkte – das ist der Aus-
gangspunkt all dessen, was wir 2008 diskutiert haben –
sind für eine hoch arbeitsteilige, global aufgestellte Wirt-
schaft unverzichtbar. Eine Krise in den Finanzmärkten
bedeutet eine Krise für die Wirtschaft insgesamt. Funk-
tionierende Finanzmärkte sind von daher wie eine funk-
tionierende Energieversorgung Teil der öffentlichen
Daseinsvorsorge. Deswegen müssen die Finanzmärkte
stabil gehalten werden, und es muss dafür gesorgt wer-
den, dass Fehlentwicklungen in einzelnen Bereichen
nicht das ganze System in Gefahr bringen.

Im Übrigen müssen die Chancen und die Risiken ab-
gewogen werden. Chance und Risiko müssen immer in
einem angemessenen Verhältnis stehen; andernfalls gibt
es Fehlanreize.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Banken und die Finanzinstitute brauchen also genü-
gend Kapital, damit sie krisenfest sind. Wir brauchen in
Europa funktionierende Aufsichtsinstitutionen auf natio-
naler Ebene. Wenn es irgendwo in einem Teil Fehlent-
wicklungen gibt – das gibt es immer in der Wirtschaft –,
dann muss sichergestellt sein, dass sich daraus keine Ri-
siken, keine nachteiligen Entwicklungen für das System
als Ganzes ergeben können. Das ist die sogenannte An-
steckungsgefahr.

Weil sich das alles auf globaler und auf europäischer
Ebene abspielt, müssen zum Erhalt der Wettbewerbsfä-
higkeit, die für alle Finanzinstitute und Banken eine
große Rolle spielt, natürlich globale oder wenigstens eu-
ropäische Regelungen getroffen werden, die zusammen
mit nationalen Regelungen ein sich verzahnendes Sys-
tem ergeben. Das ist etwa ein ganz wichtiger Gegen-
stand der Debatte um die Finanztransaktionsteuer. Alle

sind dafür, dass wir diese Steuer auf globaler Ebene ein-
führen. Aber wir wissen natürlich, dass es beachtliche
Gegenargumente gibt, sobald man sie nicht global ein-
führen kann.

In diesem Zusammenhang ist allerdings ein weiteres
Argument zu bedenken: Wenn der Langsamste das
Tempo bestimmt, dann geschieht gar nichts. Das Fest-
halten an der Forderung nach globaler Regulierung ist
häufig der Grund dafür, dass insgesamt nichts geschieht.
Insofern müssen wir gelegentlich national Vorreiter in
der Regulierung sein. Das sind wir in dieser Legislatur-
periode mehrfach gewesen. Wir mussten uns immer kri-
tisch fragen lassen, ob unsere Politik richtig ist. Wir
haben immer gesagt: Wir handeln im Vorgriff auf euro-
päische Regelungen. So haben wir zunächst einmal na-
tional die ungedeckten Leerverkäufe verboten. Dafür
sind wir kritisiert worden. Zwei Jahre später gab es eine
entsprechende europäische Regelung. Wären wir in
Deutschland nicht vorangegangen, wäre es nicht zu die-
ser Regelung gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


So haben wir mit dem Restrukturierungsgesetz Re-
geln eingeführt, die ermöglichen, dass Banken, die in
Schwierigkeiten sind, geordnet abgewickelt werden. Zu-
gleich haben wir angefangen, einen Fonds aufzubauen,
der sicherstellen soll, dass die Banken selbst die Kosten
solcher Aktionen tragen. Das geht nicht über Nacht. Das
notwendige Kapital kann nur allmählich erarbeitet wer-
den. Auch in diesem Bereich haben wir national ange-
fangen, im Vorgriff auf die europäische Regelung.

Im Augenblick sind wir dabei, mit nationalen Regeln
den übertriebenen Hochfrequenzhandel wegen seiner ge-
fährlichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu regu-
lieren. Auch das tun wir im Vorgriff auf europäische Re-
gelungen, nicht um sie zu ersetzen, sondern um sie zu
beschleunigen, um sie weiter voranzubringen.

Genau dieser Philosophie folgt der vorliegende Ge-
setzentwurf, mit dem wir den Banken Abwicklungs- und
Sanierungspläne für den Fall, dass etwas schiefgeht, vor-
schreiben. So wollen wir eine geordnete Abwicklung
schwächerer einzelner Teile ermöglichen, ohne dass die
Gefahr der Ansteckung für das gesamte Institut entsteht
und so der gesamte Finanzmarkt in Gefahr gerät. Die
Abschirmung von Risiken aus den unterschiedlichen Ge-
schäftsfeldern ist der schwierigste und komplizierteste
Teil dieser gesetzlichen Regelung. Wir versuchen, Wege
zu finden, wie wir Eigenhandel, Investmentbanking und
die normalen Bankgeschäfte so voneinander abgrenzen
können, dass Risiken in einem Bereich keine Anste-
ckungsgefahren für andere Bereiche bedeuten können.

Dazu muss man im Übrigen sagen: Das Universal-
bankensystem in Deutschland hat sich über Jahrzehnte
bewährt, und es ist nicht die Ursache der Bankenkrise
gewesen. Die global tätigen Unternehmen brauchen
Dienstleistungen von Banken aus einer Hand. Das Uni-
versalbankensystem hat sich insgesamt bewährt. Man
muss allerdings die Entwicklung auf den Finanzmärkten
in den zurückliegenden Jahrzehnten berücksichtigen: Es
gab eine enorme Innovationsfähigkeit hin zu immer





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)


komplexeren Produkten. Die Vielfalt der modernen
Finanzprodukte und die Vielfalt der modernen Finanz-
marktteilnehmer hat außerdem dazu geführt, dass die
Finanztransaktionen um ein Vielfaches stärker gestiegen
sind als das reale Bruttoinlandsprodukt, sei es in Europa,
sei es weltweit. Zugleich ist der Anteil der Finanztrans-
aktionen, der mit der realen Ökonomie unmittelbar zu
tun hat, am Gesamtmarkt der Finanztransaktionen im-
mer geringer geworden. Daraus hat sich die Debatte er-
geben, ob wir bessere Abschichtungen der Risiken im
gesamten Bankensystem vornehmen können. Diese De-
batte wird überall in der Welt geführt.

In den Vereinigten Staaten wurde die „Volcker Rule“
eingeführt. Das wird auch für Europa gefordert; das
muss im Einzelfall aber genau abgegrenzt werden. Es ist
nämlich schwierig, weil man einem Devisengeschäft ei-
ner Bank nicht unmittelbar ansieht, ob es für einen Kun-
den gemacht wird oder ob es gemacht wird, um zukünf-
tig einen entsprechenden Kundenbedarf erfüllen zu
können, oder ob es auf eigene Rechnung gemacht wird.
Das können die Ökonomen zwar abstrakt voneinander
abgrenzen. Dies aber in einem Gesetz zu formulieren, ist
schwierig.

In Großbritannien geht man mit dem Vickers-Report ei-
nen etwas anderen Weg. In Europa hat man die Liikanen-
Kommission beauftragt, die die Fragen intensiv disku-
tiert hat. Daraus wollen wir eine europäische Regelung
ableiten. Gemeinsam mit der französischen Regierung
haben wir uns entschieden, unseren nationalen Gesetz-
gebern vorzuschlagen, den relativ unstreitigen Teil der
Empfehlungen des Liikanen-Reports im Vorgriff in na-
tionale Gesetzgebung umzusetzen. Wir wollen damit
keine europäische Regelung ersetzen, sondern das Zu-
standekommen einer europäischen Regelung befördern.
Im Übrigen wollen wir damit dazu beitragen, dass bei ei-
ner europäischen Regelung ein wenig aus den nationalen
Erfahrungen Frankreichs und Deutschlands geschöpft
werden kann. Deswegen gehen wir diesen Weg.

Der Liikanen-Report besagt ja letztendlich, dass man
nicht wirklich abgrenzen kann, was Eigenhandel und
was Kundenhandel ist. Das ist ja das eigentliche Pro-
blem. Deswegen sagen wir: Ab einer bestimmten Grö-
ßenordnung, also wenn die Bank Handelsaktivitäten von
über 100 Milliarden Euro hat oder wenn dieser Teil der
Geschäfte mehr als 20 Prozent des Volumens der Ge-
schäfte der Bank beträgt, sollen diese Geschäftsbereiche
voneinander getrennt werden in eigene rechtlich abge-
schichtete Institute mit entsprechenden Haftungsbegren-
zungen.

Daraus ergibt sich das Problem, dass die Banken,
wenn sie diese Größenordnung erreicht haben, die Pro-
dukte für ihre Kunden nicht mehr vorrätig halten kön-
nen. Sie können in dem Geschäftsfeld, in dem Kunden-
geschäfte getätigt werden, ja nicht auf Auftrag tätig
werden, sondern sie müssen die Leistung vorrätig halten.
Das ist das sogenannte Market Making. Deswegen sagen
wir: Den eindeutigen Eigenhandel spalten wir ab. Das
Market Making übertragen wir in die Zuständigkeit der
Bankenaufsicht, damit sie im Einzelfall prüfen kann, ob
das Market Making in erster Linie dem Kundengeschäft

oder angesichts seiner Größenordnung doch eher dem
Eigenhandel der Bank dient. Damit können wir Erfah-
rungen sammeln, wie die Empfehlungen des Liikanen-
Reports tatsächlich in der Praxis zu handhaben sind.

Das ist der Kern des Problems. Darüber muss man
nicht so furchtbar viele Grundsatzstreitigkeiten führen.
Ich glaube, es ist vernünftig, dass wir bei der Regulie-
rung von Banken nicht das Kind mit dem Bade ausschüt-
ten, sondern immer daran denken, dass die Funktion und
Leistungsfähigkeit unserer Banken in einem starken
Maße vom Erfolg auf den Weltmärkten abhängt. Es
muss also auch im Auge behalten werden, dass die Wirt-
schaft nicht beeinträchtigt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dann sehen wir schließlich vor, die Strafbarkeit von
Managern und Verantwortlichen der Finanzinstitute bei
Fehlverhalten im Risikomanagement entsprechend zu
verschärfen, weil die geltenden strafrechtlichen Vor-
schriften nicht ausreichen. Das sind die drei Elemente
dieses Gesetzentwurfs.

Ich will darauf hinweisen, dass wir mit diesen Maß-
nahmen unsere Bemühungen fortsetzen, Schritt für
Schritt einen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte zu
schaffen. Wir haben in dieser Legislaturperiode viel er-
reicht. Ich möchte mich auf diesem Weg bei allen Frak-
tionen des Hauses für die Zusammenarbeit herzlich be-
danken. Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen.

Es leiten uns dabei die folgenden Prinzipien: erstens,
das Finanzsystem krisenfester zu machen, zweitens, die
Verursacher immer an den Kosten der Krise zu beteili-
gen, drittens, der Haftung wieder Geltung zu verschaf-
fen, viertens, die Transparenz auf den Finanzmärkten zu
erhöhen, und fünftens, die Aufsicht auf deutscher wie
auf europäischer Ebene funktionsfähiger zu machen.

So schaffen wir Schritt für Schritt einen neuen Ord-
nungsrahmen für die Finanzmärkte. Das Trennbanken-
gesetz ist dabei ein wichtiger Schritt. Ich bitte Sie um zü-
gige Beratung und um Zustimmung zum Gesetzentwurf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900100

Der Kollege Joachim Poß erhält nun das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1722900200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

2008 hat die Lehman-Pleite die Finanzmärkte weltweit
erschüttert. 2010 hat sich mit aller Macht der schädliche
Einfluss von Banken und Finanzspekulanten in der Krise
in Griechenland, Irland, Spanien gezeigt. Vor allem im
Herbst 2011 wurde an vielen Orten im Rahmen der
Occupy-Bewegung gegen die Bankenmacht demons-
triert. Und dann, Herr Bundesfinanzminister, dauert es
noch bis in den Februar 2013, bis Sie endlich reagieren
und endlich einen Gesetzentwurf zur Einschränkung der
Bankenmacht vorlegen. So schön ist Ihre Bilanz an die-





Joachim Poß


(A) (C)



(D)(B)


ser Stelle nicht, wie Sie es vorhin versucht haben, darzu-
stellen.


(Beifall bei der SPD)


Sie malen sich das schöner, als es ist. Das gilt im Übri-
gen auch für Ihre Konsolidierungspolitik wie für Ihre
Steuerpolitik. Ihre Bilanz ist alles andere als überzeu-
gend. Das gilt auch für den Bereich „Einschränkung der
Bankenmacht“.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Gut, dass die Leute das anders sehen!)


Dass Sie jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorlegen, hat nur einen Grund: Sie wollen noch schnell
das Thema Banken besetzen,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


damit es Ihnen im anstehenden Wahlkampf nicht auf die
Füße fällt.


(Beifall bei der SPD)


Wären Sie, Herr Schäuble, tatsächlich an einer Lösung
interessiert, die Bankenmacht und deren Erpressungs-
potenzial wirksam einzuschränken, was dringend not-
wendig wäre, hätten Sie schon viel eher agiert. Ihre
Regierungszeit als Finanzminister dauert jetzt schon
dreieinhalb Jahre an. Dieses jahrelange Zögern können
Sie nicht damit rechtfertigen, dass Sie auf die Empfeh-
lungen von Experten gewartet haben. Es gab schon vor
dem Liikanen-Bericht Überlegungen der OECD, Dis-
kussionen über die „Volcker Rule“ in den USA, auch der
Vickers-Report ist in diesem Zusammenhang zu nennen.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Diskussionen!)


Ganz offensichtlich handelt es sich bei dem heute zu
beratenden Gesetzentwurf bereits um einen Teil Ihres
Bundestagswahlkampfes.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Große Fortschritte im Kampf um die Begrenzung der
Bankenmacht sind mit Ihrem Gesetz auf jeden Fall nicht
zu erzielen. Dafür fehlt es dem Gesetz an Reichweite
und an Biss.


(Manfred Zöllmer [SPD]: So ist das!)


Dass zum Beispiel Herr Fitschen von der Deutschen
Bank diesen Gesetzentwurf ablehnt, ist sein Job, dafür
wird er bezahlt.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ein gutes Zeichen!)


Aber das ist noch lange kein Beleg dafür, dass das Ge-
setz tatsächlich ausreicht und das angestrebte Ziel er-
reicht.

Ein Grundübel dieses Gesetzes ist es, dass es in sei-
nem zentralen Teil aufgrund falsch gesetzter Schwellen-
werte und Größengrenzen im Ergebnis vermutlich nur
wenige große Banken trifft.


(Manfred Zöllmer [SPD]: So ist es!)


Ich frage mich: Warum sollen eher mittelgroße Banken
mit den Einlagen der Kunden weiterhin hochriskante
Geschäfte machen dürfen? Warum soll das nur den ganz
Großen verboten werden? Dafür gibt es keinen Grund,
Herr Bundesfinanzminister.


(Beifall bei der SPD)


Ein weiterer Punkt, warum Ihr Gesetz nicht ausreicht:
Die Abschirmung des Einlagen- und Kreditgeschäfts
vom Eigenhandel und anderen riskanten Geschäften
wird von Ihnen nicht mit der nötigen Konsequenz durch-
geführt. Der Gesetzentwurf enthält zu viele Ausnahmen
und lässt den betroffenen Instituten, so zum Beispiel
auch der Deutschen Bank, immer noch zu viel Spielraum
für spekulative und riskante Geschäfte.

Wenn Ihr Gesetzentwurf in der vorliegenden Form
verabschiedet wird – Sie haben ja angedeutet, dass Sie
für Verbesserungsvorschläge, die im Rahmen der weite-
ren Beratung eingebracht werden, offen sind –,


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das wäre das erste Mal!)


werden wir es nicht schaffen, die Einlagen der Kunden
und Sparer vor Verlusten aus spekulativen und riskanten
Geschäften zu schützen. Es ist aber unser Ziel, diese Ein-
lagen zu schützen.


(Beifall bei der SPD)


Mit Ihrem Gesetz bleibt das Risiko hoch, dass große
Banken in der Krise weiter dem Steuerzahler auf der Ta-
sche liegen können. Auch das wollen wir verhindern.
Das ist unser Ziel.


(Beifall bei der SPD)


Sie bleiben auch hinter der derzeit auf EU-Ebene ver-
handelten Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von
Kreditinstituten zurück. So fordert die EU-Kommission
zum Beispiel die Absetzung der Geschäftsleitung bei ge-
scheiterten Banken. Sie dagegen, Herr Schäuble, halten
das nicht für notwendig und sehen hierzu zahlreiche
Ausnahmen vor.

Ihr Gesetz mag die betroffenen großen Banken ein
wenig ärgern, aber es wird nicht wirklich etwas ändern.
Ein echtes Trennbankenregime wird so jedenfalls nicht
etabliert.

Während der gesamten, jetzt fast abgelaufenen Legis-
laturperiode, in der Sie die Verantwortung im Finanz-
ministerium tragen, Herr Schäuble, sind die Banken von
Ihnen unterm Strich doch eher geschont worden. Denken
Sie nur an die kümmerliche Bankenabgabe, die Sie ein-
geführt haben und die die Banken fast aus der Portokasse
zahlen können.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!)


Einen Abwicklungsfonds, der den Steuerzahler aus der
Staatshaftung für die Risiken der Banken befreit, können
Sie so auf jeden Fall nicht füllen.

In einem Namensartikel in der Börsen-Zeitung vom
27. Februar 2013 bezeichnen Sie richtigerweise nicht
das heute zu beratende Gesetz als „zentrales Projekt der





Joachim Poß


(A) (C)



(D)(B)


Bankenregulierung“, sondern die Umsetzung von Ba-
sel III. Bei dieser Umsetzung haben Sie aber jetzt wieder
zeitlich Leine gelassen, damit die Briten die Möglichkeit
haben, die bereits getroffene Vereinbarung über die Be-
grenzung von Bankerboni aufzuweichen. Das war ein
klarer Fehler. Es ist nicht zu erwarten, dass man hinsicht-
lich der Zustimmung der City of London auf diesem
Feld wirklich vorankommt. Das ist leider so.


(Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie können ja mal nach London fahren! Fahren Sie doch einmal dahin!)


– Ich kenne die Argumente, die dort ausgetauscht wer-
den. Das habe ich Ihnen nicht vorgeworfen. Ich habe nur
eine Feststellung getroffen.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ja, klar!)


Bei genauerem Hinsehen ist und bleibt Ihre Bilanz
hinsichtlich der Banken- und Finanzmarktregulierung
mager. Das sieht man auch an der entsprechenden Auf-
stellung Ihres Ministeriums „Informationen aus dem
Bundesfinanzministerium – Neuer Ordnungsrahmen für
die Finanzmärkte“. Man kann sehr gut erkennen, dass
das allermeiste die Umsetzung von EU-Rechtssetzung in
deutsches Recht ist. Wenn Sie selbst initiativ geworden
sind, haben Sie wie beim Restrukturierungsgesetz bei
Steinbrück abgeschrieben,


(Lachen des Abg. Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU])


oder Sie springen wie bei dem heute zu lesenden Gesetz-
entwurf oder dem Entwurf eines Hochfrequenzhandels-
gesetzes viel zu kurz. Sie versuchen lediglich, durch
viele Worte das alles zu einem großen Feldzug gegen
Banken und Finanzmärkte aufzubauschen; aber die Fak-
ten, Herr Schäuble, sprechen eine andere Sprache. Ihre
Regulierungsvorschläge sind oftmals nicht mehr als
heiße Luft.


(Beifall bei der SPD)


Warum kämpfen Sie denn nicht in Brüssel für ein euro-
paweit einheitliches Bankenrestrukturierungs- und -ab-
wicklungsregime, das zeitgleich mit der europäischen
Bankenaufsicht kommt und nicht erst am Sankt-Nim-
merleins-Tag? Warum hat Ihr großes Haus mit den vie-
len Beamten und Experten noch keinen Aktionsplan ge-
gen das Schattenbankenproblem erarbeitet? Beklagen
Sie nicht die Probleme, sondern fangen Sie an, wirklich
zu arbeiten! Verstecken Sie sich nicht hinter EU-Kom-
mission oder Financial Stability Board! Ihre Politik,
Herr Schäuble, ist keine Erfolgsstory, sondern ein Regu-
lierungsversäumniskatalog.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900300

Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Björn Sänger

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Björn Sänger (FDP):
Rede ID: ID1722900400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Kollege Poß, die Argumentation, die Sie hier
abgeliefert haben, war vorhersehbar.


(Iris Gleicke [SPD]: Bin gespannt, was Sie jetzt gleich bringen!)


Sie zieht sich wie ein roter Faden – welche Farbe sollte
der Faden bei Ihnen auch sonst haben? –


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Schöner Witz!)


durch sämtliche Diskussionen. Sie lautet, es habe zu
lange gedauert. Dazu sage ich: Ja, nach der Regulierung
der Ratingagenturen,


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wann habt ihr denn die Ratingagenturen reguliert? Das ist ja ganz neu!)


nach dem Verbot der Leerverkäufe, nach der Regulie-
rung des Hochfrequenzhandels, nach der Regulierung
der Fondsbranche, nach der Regulierung des grauen Ka-
pitalmarktes, nach der Regulierung der Vergütungssys-
teme und Boni in Instituten, nach der Regulierung des
Derivatehandels, nach der Regulierung der Kreditver-
briefung – ich könnte noch zig weitere Vorhaben anfüh-
ren – hat es in der Tat etwas gedauert, bis wir nun heute
dieses wichtige Regulierungsvorhaben auf dem Tisch
haben.

Lieber Herr Kollege Poß, Sie sind nicht so häufig im
Finanzausschuss; aber jedes Mal, wenn wir derartige
Verfahren im Ausschuss diskutieren, sind es Ihre Kolle-
gen, die sagen, dass das alles irgendwie viel zu schnell
gehe, man sich doch etwas mehr Zeit nehmen müsse. Ich
finde, da sollten Sie sich schon entscheiden und auf eine
Argumentationslinie festlegen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es liegt jetzt ein sehr wichtiges Regulierungsvorha-
ben vor. Das ist nach Umsetzung des Banken-Restruktu-
rierungsgesetzes ein weiterer logischer Schritt in unse-
rem Regulierungssystem. Dabei geht es um die Frage:
Wie schirmt man Risiken ab? Das ist meines Erachtens
eigentlich der entscheidende Regulierungsschritt; denn
es geht darum, Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft
in der Finanzbranche wieder einzuführen. Dazu gehört,
dass man eben auch scheitern kann. Versuch und Irrtum
gehören zur sozialen Marktwirtschaft.

Mit dem Banken-Restrukturierungsgesetz haben wir
ein Insolvenzrecht für Banken geschaffen, das derzeit
leider europaweit noch einmalig ist. Mit dem heute vor-
liegenden Gesetz gehen wir den nächsten Schritt, indem
wir den Banken vorschreiben, Sanierungspläne zu erar-
beiten und klar zu sagen, welcher Bereich überlebensfä-
hig ist und wo die Risiken sind. Das muss den einzelnen
Geschäftsbereichen zugeordnet werden, um im Ernstfall,
wenn ein Unternehmen in der Krise ist bzw. wenn das
Scheitern droht, eine geordnete Abwicklung so zu er-
möglichen, dass zum einen der Einsatz öffentlicher Mit-
tel vermieden – für uns ist ganz besonders wichtig, dass
zuerst die Eigentümer und die Gläubiger zahlen, danach





Björn Sänger


(A) (C)



(D)(B)


erst der Staat – und zum anderen ein Weiterführen des
unbelasteten Teils ermöglicht wird. Zugleich soll ver-
mieden werden, dass dadurch Ansteckungspotenzial
oder Risiken für den Finanzmarkt entstehen.

Im Übrigen haben wir im Banken-Restrukturierungs-
gesetz – das hätten Sie gesehen, lieber Kollege Poß,
wenn Sie einmal hineingeschaut hätten – die Absetzung
der Geschäftsleitung durch die BaFin entsprechend gere-
gelt. Die BaFin kann das anordnen, wenn es notwendig
wird. Insofern hilft auch hier ein Blick ins Gesetz bei der
Rechtsfindung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Zur Frage, ob die Einlagen gefährdet sind: Wir in
Deutschland haben ein Einlagensicherungssystem. Die
Einlagen der Kleinsparer sind entsprechend abgesichert
und durch das Banken-Restrukturierungsgesetz auch ge-
schützt. Wir haben nämlich die entsprechenden Voraus-
setzungen geschaffen, dass die Teile, die sozusagen
„über die Wupper gehen“, ausgelagert werden können.

Darüber hinaus entstehen ab einem gewissen Punkt
– das geben wir ja zu – möglicherweise Risiken, die wir
noch einmal gesondert abschirmen wollen. Das machen
wir mit einem Gesetzentwurf, der sich sehr stark an den
Kabinettsbeschluss anlehnt – zum Teil ist er damit iden-
tisch –, den die französische Regierung am 19. Dezem-
ber 2012 verabschiedet hat. Ich habe nicht unbedingt den
Eindruck, als ob in Frankreich turbokapitalistische Ban-
kenhörige regieren. Mein Eindruck ist da eher ein ande-
rer. Ich glaube, es handelt sich dabei um Ihre Freunde,
die in dem Fall aber ein sehr gutes Gesetz zur Welt ge-
bracht haben.

Zusammen mit den Franzosen sagen wir nun: Wir
schreiten voran und setzen gewissermaßen die unproble-
matischen Teile aus dem sogenannten Liikanen-Report
um, um damit Erfahrungen zu sammeln und um dann
auch auf europäischer Ebene handeln zu können. Wir ge-
hen dabei davon aus, dass der Eigenhandel von Banken
ab einer bestimmten Größenordnung möglicherweise Ri-
siken birgt, die wir – zusätzlich zu den Regelungen, die
wir ohnehin hier im Gesetz haben – entsprechend ab-
schirmen und auslagern wollen.

Es ist kein Wunder, dass sich die gesamte deutsche
Kreditwirtschaft – im Übrigen auch die Sparkassen –
eindeutig für das Universalprinzip aussprechen. Es ist
auch logisch, Bankdienstleistungen aus einer Hand an-
bieten zu wollen. Überlegen Sie einmal, wie sich die
Märkte global entwickeln werden. Glauben Sie denn
ernsthaft, dass wir angesichts der demografischen Ent-
wicklung in Europa hier noch mit einem nennenswerten
Wachstum zu rechnen haben?


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es geht um Spekulationsdienstleistungen!)


Das Wachstum findet auf anderen Märkten statt. Unsere
Mittelständler, die auf Export setzen werden, wenn sie
feststellen, dass sie im Heimatmarkt nicht weiterkom-
men, brauchen eben einen Dienstleister, der in der Lage

ist, sie nach Asien sowie in die Schwellenländer Latein-
amerikas und nach Afrika zu begleiten.


(Beifall bei der FDP)


Dazu muss eine Bank eine gewisse Größenordnung
haben. Dadurch wird eine Bank eben auch komplex;
groß und einfach funktioniert also nicht. Um diese Risi-
ken abschirmen zu können, haben wir diesen Gesetzent-
wurf vorgelegt. Hohe Risiken werden wir auslagern, in-
dem wir die Vorschläge aus dem Liikanen-Report
aufgreifen.

Ich will noch auf einen anderen Bereich eingehen, der
in diesem Gesetzesvorhaben enthalten ist. Auch das ist
nicht uninteressant. Es geht um die Regelung der
Finanzkonglomerate, also Unternehmen, die in verschie-
densten Bereichen der Finanzbranche tätig sind und die
Versicherungen, Fonds und eben auch Bankdienstleis-
tungen anbieten. Momentan sind sie in ihrer Gänze noch
nicht reguliert. Auch hier greifen wir gewissermaßen
eine europäische Regelung auf, die entscheidend von der
Bundesregierung mit geprägt wurde, und setzen sie um.

Des Weiteren – das ist der nächste Schritt, der sich
hier schon am Horizont abzeichnet – kümmern wir uns
darum, dass die Schattenbanken einer Regulierung zuge-
führt werden. Auf dem G-20-Gipfel in St. Petersburg ist
mit entsprechenden Ergebnissen zu rechnen. Hierbei un-
terstützen wir die Bundesregierung – sie ist Vorreiter im
Bereich der Regulierung der Finanzmärkte – mit Nach-
druck. Sie sollten über Ihren Schatten springen und das
ebenfalls tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nichts mit Schattenbanken!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900500

Das Wort erhält nun die Kollegin Sahra Wagenknecht

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722900600

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Alle Finanzmärkte, Produkte und Akteure sollen re-
guliert oder beaufsichtigt werden.

Das hat die G 20 im Jahr eins der großen Finanzkrise im
Herbst 2008 angekündigt. Fast fünf Jahre ist das her. Ich
muss schon sagen: Angesichts der Ausmaße und der
Dramatik der Katastrophe und angesichts der Billionen-
kosten, die auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
abgewälzt wurden, finde ich die seither an den Tag
gelegte politische Untätigkeit der Verantwortlichen
schlicht und ergreifend skandalös.


(Beifall bei der LINKEN)


Fünf Jahre – und nichts hat sich daran geändert, dass
im Finanzsektor obskure Papiere kreiert und aberwitzige
Geschäftsmodelle verfolgt werden, während die Kredit-
vergabe an reale Unternehmen immer dürftiger wird.





Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)


Nichts hat sich daran geändert, dass mit diesen obskuren
Papieren Monat für Monat mehr Geld verdient wird, als
beispielsweise ein Arzt, der jede Woche Menschenleben
rettet, oder ein Ingenieur, der Hightechmaschinen kon-
struiert, im ganzen Leben verdienen kann. Auch die vor-
liegenden Gesetzentwürfe werden an dieser skandalösen
Situation nicht das Geringste verändern.

Derivate, also das, was Warren Buffett finanzielle Mas-
senvernichtungswaffen nannte, sind heute im Nominal-
wert von 640 Billionen Dollar auf dem Markt. Das ist
etwa zehnmal mehr als das, was die gesamte Weltwirt-
schaft an Gütern und Leistungen produziert. 53 Billionen
Euro sind inzwischen im Schattenbankensystem angelegt,
also in dem unregulierten Dickicht von Hedgefonds, von
Private-Equity-Haien und sonstigen Finanzspekulanten,
die gar keiner Aufsicht unterliegen.

Auch für die Banker hat sich doch im Ernst nicht
wirklich etwas verändert. Das Regulierungspaket Ba-
sel III wurde von der Lobby kleingeschossen, und es ist
völlig offen, ob es überhaupt jemals in Kraft treten wird.
Die strengeren Liquiditätsvorgaben wurden aufgeweicht.
Die höheren Eigenkapitalanforderungen sind ein Witz,
solange die Banken einfach nur ihre Modelle, wie sie die
Risiken berechnen, ändern müssen. Schwupp ist dadurch
die Eigenkapitalquote höher, ohne dass ein einziger
müder Euro zusätzliches Eigenkapital aufgenommen
wurde.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ganz dummes Zeug ist das!)


– Sie haben offenbar keine Ahnung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Deutsche Bank hat im letzten Jahr ihre risikoge-
wichteten Aktiva um 12 Prozent reduziert. Wie hat sie
das gemacht? Etwa dadurch, dass sie weniger Derivate
aufgelegt oder weniger in Lebensmitteln spekuliert hat?
Davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Hier dreht
sie wieder ein ganz großes Rad. Sie hat das gemacht, in-
dem sie, wie sie es selber nett formuliert, Model Im-
provements nutzt. Ich kann Ihnen erklären, was das ist.
Das funktioniert in etwa so wie mit dem Armuts- und
Reichtumsbericht. Wer glaubt, dass Armut dadurch ver-
schwindet, dass man sie im Regierungsbericht nicht
mehr erwähnt, der glaubt wahrscheinlich auch, dass Ri-
siko dadurch verschwindet, dass man einfach die Be-
rechnungsmethode verändert. Ich halte diese Logik für
völlig absurd.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das eigentliche Problem ist doch: Eine Bank, die
weiß, dass die Regierung sie niemals fallen lassen kann,
hat es doch gar nicht nötig, Eigenkapital zu bilden. Die
kann es sich, wie die Deutsche Bank, leisten, mitten in
der Euro-Krise Boni in Höhe von 3,2 Milliarden Euro an
ihre Investmentbanker auszuschütten. Insgesamt haben
die Banker im letzten Jahr übrigens 300 Milliarden Euro
an Boni verteilt, die ganzen Dividenden, die ausgeschüt-

tet wurden, nicht mitgerechnet. Angesichts solcher Zu-
stände behaupten Sie, wir seien auf einem guten Weg.

Vielleicht hätten Sie von der Bundesregierung, statt
sich im Laufe dieser Legislaturperiode etwa hundertmal
mit Investmentbankern zu treffen, sich lieber einmal mit
den Geschäftsführern kleiner und mittlerer Unternehmen
austauschen sollen,


(Beifall bei der LINKEN)


die Ihnen vielleicht plastisch geschildert hätten, wie oft
sie schon mit dem Anliegen, einen langfristigen Investi-
tionskredit zu bekommen, bei ihrer Bank abgeblitzt sind
und was das am Ende für die Arbeitsplätze und für die
Innovationsfähigkeit der Wirtschaft bedeutet. Oder Sie
hätten sich vielleicht mit Familien treffen können, die in
der Dispofalle festhängen und von den Banken jeden
Monat mit Überziehungszinsen von 12 oder 14 Prozent
abgezockt werden – von denselben Bankern, die dieses
Geld praktisch gratis von der Europäischen Zentralbank
bekommen.

Die Wahrheit ist leider: Kein Finanzmarkt, kein Pro-
dukt und kein Akteur ist heute wesentlich wirksamer re-
guliert und beaufsichtigt als im Jahre 2008. Das ist ein
Armutszeugnis für die Politik und ein erschreckender
Ausweis ihrer Abhängigkeit und Steuerbarkeit durch die
Lobby der Banker und Finanzjongleure.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Schäuble, Sie haben selbst öffentlich gewarnt,
dass die Demokratie eine nochmalige Finanzmarktkrise
in diesem Ausmaß nicht überleben würde. Ich frage Sie:
Wie können Sie es dann verantworten, alles weiterlaufen
zu lassen? Der Finanzmarkt ist heute doch genauso wie
vor fünf Jahren ein Markt ohne Haftung und Verantwor-
tung, ein Markt, auf dem die normalen Gesetze, denen
sich alle anderen unterwerfen müssen, schlicht und er-
greifend nicht gelten. Die Banken, die jahrelang den Li-
bor manipuliert und sich damit Milliardengewinne er-
gaunert haben, sollen nach dem Wunsch der EU-
Kommission jetzt straffrei ausgehen, genauso wie auch
die ganz großen Finanzmüllproduzenten für das, was sie
angerichtet haben, nie zur Verantwortung gezogen wur-
den.

Für die Situation, in der wir sind, tragen Sie alle eine
Mitverantwortung. Hätte beispielsweise Rot-Grün da-
mals die Hedgefonds in Deutschland nicht zugelassen,


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Blödsinn! Das ist Schwachsinn!)


dann müssten wir uns gar nicht erst den Kopf darüber
zerbrechen, wie diese verrückten Finanzvehikel wieder
reguliert werden können.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wo war denn damals Lafontaine? Sie haben überhaupt keine Ahnung!)


– Das tut Ihnen weh, aber es ist leider die Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Es gibt 18 Hedgefonds in Sahra Wagenknecht Deutschland mit weniger als 2 Milliarden! Das war eine prima Regulierung damals!)





(A) (C)


(D)(B)


Hätte die Große Koalition die Idiotie der Kreditver-
briefungen nicht ausdrücklich gefördert, dann wäre ver-
mutlich weniger von diesem Müll in den Bilanzen der
Landesbanken hängen geblieben. Hätte ein Herr
Steinbrück nicht das Gesetz zur Bankenrettung ausge-
rechnet von den Lobbykanzleien der Banker selber
schreiben lassen, dann hätten sich die Probleme natür-
lich auch weniger generös für die Finanzinstitute und
weniger ruinös für den Steuerzahler lösen lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Blödsinn, was Sie da behaupten!)


Oder will heute noch jemand behaupten, dass es alter-
nativlos war, der Commerzbank mindestens 2 Milliarden
Euro zu schenken? 2 Milliarden Euro, davon könnten
Sie den Heizkostenzuschuss für arme Familien zehn
Jahre weiter zahlen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: BullshitBingo!)


Oder wollen Sie behaupten, dass es alternativlos war,
200 Milliarden Euro in der Hypo Real Estate zu versen-
ken,


(Joachim Poß [SPD]: Das ist Demagogie!)


nur damit der charmante Herr Ackermann seine Forde-
rungen an die Hypo Real Estate nicht abschreiben muss?
Dass Lobbykanzleien wie Freshfields für ihre erfolgrei-
che Interessenvertretung für die Banker dann auch noch
100 Millionen Euro vom Staat bekommen haben, setzt
dem Ganzen allerdings die Krone auf.

Insoweit muss ich schon sagen: Wenn man sich an-
sieht, wie erfolgreich die Finanzmafia in Deutschland
den Steuerzahler über den Tisch gezogen hat und wie en-
gagiert Herr Steinbrück als damaliger Finanzminister da-
bei behilflich war, dann sind die später geflossenen Ho-
norare natürlich durchaus nachvollziehbar. Es ist nur
schade, dass Korruption nach dem Motto „Gezahlt wird
später“ in Deutschland nicht strafbar ist.


(Beifall bei der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh! Das ist natürlich ein starkes Stück!)


Ich muss sagen: Natürlich finde ich es sympathisch,
dass die SPD die Banken jetzt regulieren will; denn das
sagen und fordern wir ja schon lange. Aber ich muss Sie
fragen: Wenn Sie ernsthaft den Banken ans Leder wol-
len, wie konnten Sie dann ausgerechnet den Banken-
mann Peer Steinbrück zu Ihrem Kanzlerkandidaten ma-
chen? Das nimmt Ihnen doch der Dümmste nicht ab,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


zumal die große Koalition der Bankenretter leider bis
heute reibungslos weiterläuft.


(Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Auch die Euro-Rettung war von Beginn an nichts an-
deres als eine einzige große Bankenrettung: Etwa
50 Milliarden Euro sind aus dem Rettungsschirm direkt
an die griechischen Banken geflossen, 5 Milliarden Euro
davon – das hat die Bundesregierung selber bestätigt –
an die Eurobank des griechischen Milliardärs Latsis, der
in einer Villa am Genfer See sein Leben genießt. Wollen
Sie wirklich behaupten, dass der Euro kaputtgegangen
wäre, wenn der griechische Milliardär Latsis einen Teil
seines Vermögens verloren hätte?

Sie reden von einem Bail-in der Gläubiger und von
Haftung; aber Sie tun alles, dass diese Haftung und die-
ser Bail-in nicht kommen. Wo war der Aufschrei der
Bundesregierung, als die Europäische Zentralbank Ir-
land unter Druck gesetzt hat, seine Banken und deren
Gläubiger komplett freizukaufen, obwohl das kleine
Land sich dadurch eine Verschuldung aufgehalst hat, für
die noch Generationen bluten werden? Wo ist der Auf-
schrei der Bundesregierung angesichts des aktuellen
Richtlinienentwurfs der EU-Kommission, nach dem eine
Gläubigerhaftung bis 2018 ausgeschlossen werden soll?
Und hören Sie doch auf, uns zu erzählen, diese elende
Bankenretterei auf unser aller Kosten wäre im Interesse
des Kleinsparers! Das ist nun wirklich eine der dümms-
ten Lügen.


(Beifall bei der LINKEN)


Selbstverständlich könnten wir es in Europa machen,
wie es die Isländer vorgemacht haben: Einlagen bis zu
einer gewissen Höhe werden geschützt – sagen wir bis
500 000 Euro; damit es wirklich niemanden trifft, der für
sein Geld hart gearbeitet hat –, alles andere allerdings
– zunächst die Aktien, dann die Bankschuldverschrei-
bungen und schließlich die Einlagen, die über diese
Grenze hinausgehen – geht, wenn eine Bank pleite ist, in
die Insolvenzmasse ein. Wo ist denn da das Problem?
Jeder Handwerksbetrieb, der für ein Unternehmen gear-
beitet hat, das pleitegeht, muss seine Forderungen ab-
schreiben; da springt auch nicht der Staat bzw. der Steu-
erzahler rettend ein. Für so eine Regelung bräuchte man
keine dicken Gesetze und keine endlosen EU-Richtli-
nien. Man hätte es in Irland und Griechenland so machen
können, und man könnte es jetzt in Spanien und Zypern
so machen – und natürlich auch hier in Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN)


Wäre dieser Weg in Europa beschritten worden, dann
wären die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler heute um
4,5 Billionen Euro reicher. Im Gegenzug gäbe es ver-
mutlich einige Milliardäre weniger, und das Vermögen
der europäischen Oberschicht wäre vielleicht auf das Ni-
veau der 90er-Jahre zurückgestutzt. Dann könnten wir in
Deutschland mehr Lehrer und mehr Krankenschwestern
beschäftigen, und in Griechenland und Spanien wären
wahrscheinlich nicht 60 Prozent aller jungen Menschen
ohne Arbeit und ohne Perspektive. Wäre das eine so
schlechte Alternative?

Ich glaube, der Nobelpreisträger Stiglitz hat völlig
recht: Das Problem ist die Verbindung von Wirtschaft
und Politik. – Wer Demokratie will, muss die Finanz-
mafia entmachten, statt sich von ihr einkaufen zu lassen.


(Beifall bei der LINKEN)






Sahra Wagenknecht


(A) (C)



(D)(B)


Wir brauchen in Deutschland keine große Koalition der
Bankenretter. Was wir brauchen, ist eine Politik, die end-
lich den Mut aufbringt, den Zockern das Handwerk zu
legen. Dafür werden wir als Linke weiterhin streiten.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900700

Ich erteile das Wort dem Kollegen Gerhard Schick,

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach dem Standardvortrag von Sahra Wagenknecht
wäre es einmal sinnvoll, über die Anträge und Gesetz-
entwürfe, die vorliegen, zu sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Man kann den Eindruck gewinnen, dass in diesem
Haus eigentlich eine ganz große Einigkeit herrscht; denn
die Begrifflichkeiten haben sich irgendwie angenähert:
Auf beiden Seiten des Hauses ist von einem Trennban-
kensystem die Rede, auf beiden Seiten des Hauses ist
von Sanierungsplänen für Banken die Rede, und es ist
allgemein von einer Bankenunion die Rede. Die Unter-
schiede sind trotzdem sehr relevant, was ich im Folgen-
den deutlich machen will; denn es kommt darauf an, was
hinter den gerade in Wahlkampfzeiten üblichen Über-
schriften steckt. Schauen wir uns die Punkte also im Ein-
zelnen an:

Erster Punkt: Trennbankensystem. Unsere Fraktion
hat im Oktober 2011 einen Antrag vorgelegt und darin
vorgeschlagen, dass man sich in Deutschland einmal da-
mit beschäftigt, wie wir mit dem Problem der system-
relevanten Großbanken umgehen können, ohne dass es
Schäden für unsere Volkswirtschaft gibt. Wir haben vor-
geschlagen, dass man bis September 2012 zusammen
mit Fachleuten eine Analyse dazu durchführt, um auf
dieser Grundlage ein gutes Gesetz für Deutschland ma-
chen zu können.

Sie haben das damals abgelehnt. In kurzer Frist legen
Sie jetzt schnell einen Gesetzentwurf vor, für den Sie
sich noch nicht einmal die Struktur in Deutschland ange-
schaut haben; sie ist dort nicht eingegangen. Sie haben
einen Gesetzentwurf vorgelegt, ohne sich vorher die Be-
rechnungen anzuschauen. Sie haben jetzt über die BaFin
Berechnungen in Auftrag gegeben und werden diesen
Gesetzentwurf noch ziemlich deutlich ändern müssen,
weil Sie im Wahlkampf erst einmal schnell etwas vorle-
gen wollten, ohne sich die Fakten vorher richtig anzu-
schauen. Meine Prognose ist, dass wir darauf noch ein-
mal zurückkommen werden.

Das Entscheidende ist aber: Es gibt inzwischen längst
einen Politikprozess auf europäischer Ebene. Es gibt den
Liikanen-Vorschlag. Eine Expertenkommission auf
europäischer Ebene hat genau das gemacht, was wir
Grüne für Deutschland vorgeschlagen hatten, und hat
entsprechende Vorschläge vorgelegt. Was passiert jetzt?

Die Opposition, SPD und Grüne, fordern, diese Vor-
schläge aufzugreifen und gesetzgeberisch umzusetzen;
denn Leute haben sich das fachkundig angeguckt und ei-
nen guten Vorschlag gemacht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber was macht die Bundesregierung? Sie legt jetzt
einen Gesetzentwurf vor, der inhaltlich hinter diesen
Vorschlägen bleibt, und tut so, als sei sie der Motor für
eine bessere Regulierung in Europa. Das ist doch ab-
surd!


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Sie bremsen einen bestehenden Politikprozess in Europa
und wollen sich als Motor verkaufen. Das ist nicht nur
Wahlkampf, das ist richtig schlechter Wahlkampf, weil
Sie die Dinge völlig verdrehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der Stellungnahme für den Finanzausschuss sagt
Professor Krahnen, Mitglied der Kommission, die die
europäischen Vorschläge vorgelegt hat – ich zitiere –:

Nach unserem Ermessen läuft der Gesetzesentwurf
in seiner derzeitigen Ausgestaltung jedoch Gefahr,
zwar symbolträchtig zu sein, aber in der Zielerrei-
chung hinsichtlich Stabilität des Finanzmarktes und
Schutz von Einlegern und Steuerzahlern hinter den
Erwartungen zurückzubleiben.

Das zeigt genau: Es gibt konkrete Vorschläge für Trenn-
banken, die wir als Opposition unterstützen, und es gibt
hier einen Wahlkampfgesetzentwurf, der in seiner Sub-
stanz den Schutz von Steuerzahlern nicht erreicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zweiter Punkt: Sanierungspläne/Abwicklungspläne.
Wir fordern das seit langem, und das ist auch richtig.
Entscheidend ist aber doch: Findet das wirklich so statt,
dass Banken im Ernstfall abgewickelt werden können?
Wer ist dafür eigentlich verantwortlich? Die Koalition
sagt: Die Banken sollen einmal etwas aufschreiben, aber
letztlich bleibt die Bankenaufsicht verantwortlich. – Ja,
Moment! Wir lassen doch die Banken nicht aus der Ver-
antwortung, für ihre eigenen Probleme geradezustehen.
Deswegen steht in unserem Antrag, dass die Verantwor-
tung für die Sanierungspläne und dafür, dass eine Bank
ohne Steuerzahlergeld abgewickelt werden kann, bei den
Banken liegen soll. Und das ist auch richtig so.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dritter Punkt: Bankenunion. In Ihrem Antrag schrei-
ben Sie jetzt auch etwas von Restrukturierungsfonds,
aber Sie wollen nationale Restrukturierungsfonds.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)


– Lesen Sie doch Ihren eigenen Antrag! Da steht doch
etwas von nationalen Restrukturierungsfonds.





Dr. Gerhard Schick


(A) (C)



(D)(B)



(Joachim Poß [SPD]: Er weiß doch gar nicht, was er gleich vorträgt!)


Es kommt zu dem Dilemma, dass eine europäische
Aufsicht, die gerade auf den Weg gebracht wird, vor der
Entscheidung steht, was gemacht werden soll, wenn ein
großes, grenzüberschreitendes Institut in Schieflage ge-
rät. Sollen sich Mitgliedstaaten, die nationale Restruktu-
rierungsfonds haben, darüber streiten, was gemacht
wird, was über Monate zu Problemen führt und dazu,
dass im Ernstfall wieder der Steuerzahler einspringen
muss? Nein! Wir sagen, es soll einen von den Banken
finanzierten europäischen Abwicklungsfonds geben, da-
mit der Steuerzahler in der Euro-Zone nie wieder in die
Verlegenheit kommt, mit seinem Geld in Anspruch ge-
nommen werden zu müssen. Das ist der entscheidende
Unterschied: Sie lassen es nach wie vor zu, dass der
Steuerzahler das Risiko hat, wir wollen den Steuerzahler
schonen und die Banken mit ihrem Fonds zahlen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir diskutieren gerade über das Thema Zypern. Hier
muss man eine Sache einmal sehr ernst nehmen: Wo wä-
ren wir denn heute, wenn wir den Vorschlag von Kom-
mission und Parlament, der schon seit über zwei Jahren
auf dem Tisch liegt, bereits umgesetzt hätten? Dann
müsste man jetzt nicht langwierige Verhandlungen
durchführen, in deren Verlauf das Geld aus dem zyprioti-
schen Bankensektor abfließt, sondern dann könnte eine
europäische Bankenabwicklungsinstitution, der von uns
vorgeschlagene europäische Bankenabwicklungsfonds,
die betroffenen Banken zügig sanieren und die Gläubi-
ger zur Kasse bitten. Wir würden damit den Steuerzah-
ler, auch den deutschen Steuerzahler, mit einem Hilfs-
paket für Zypern nicht so belasten müssen, wie das jetzt
der Fall ist.

Man sieht, wie gefährlich es ist, bei den Fragen be-
züglich der Bankenregulierung so zögerlich unterwegs
zu sein und immer wieder auszubremsen, wie es diese
Koalition tut. Wir werden im Gesetzgebungsprozess da-
rauf drängen, dass die Verantwortung hier klar wird. Es
soll, wie auf europäischer Ebene vorgeschlagen, ein
richtiges Trennbankensystem und Sanierungspläne, bei
denen die Verantwortung bei den Banken verbleibt, ge-
ben. Darüber hinaus wollen wir den Steuerzahler mit ei-
nem europäischen Bankenabwicklungsfonds, in den die
Banken einzahlen, schonen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722900800

Klaus-Peter Flosbach ist der nächste Redner für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Klaus-Peter Flosbach (CDU):
Rede ID: ID1722900900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

Herr Poß seine Rede hier gehalten hat, habe ich gedacht:

Warum sagt er eigentlich nichts zu dem Antrag? Warum
poltert er ausschließlich herum?

Ich habe dann auch an den Montag gedacht, als Sie
ein Papier mit dem Titel „Deutschland besser und ge-
rechter regieren“ vorgelegt haben.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!)


Darin stehen auf 4 von insgesamt 102 Seiten ein paar
Bemerkungen zu den Finanzmärkten. Dieses Papier ent-
hält ein paar Allgemeinplätze, aber keine konkreten For-
derungen. Das zeigt doch im Grunde nur, dass Sie sauer
sind. In jeder Debatte zeigt sich, dass Sie sich darüber är-
gern, dass wir in dieser Koalition so viel geregelt haben.
Wo bleibt Ihr Anspruch, es noch besser zu machen, als
wir es gemacht haben?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich weiß, dass die SPD es besser machen will. Aber Sie
beweisen hier jedes Mal aufs Neue, dass Sie es wohl
doch nicht besser können.


(Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD])


Keine Bundesregierung zuvor hat so viel im Finanz-
markt geregelt wie diese Bundesregierung, und zwar
nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch auf euro-
päischer Ebene. Wir sind der Antreiber auf der G-20-
Ebene, und in vielen Bereichen innerhalb Europas sind
wir der Vorreiter und Initiator für neue Gesetze.


(Joachim Poß [SPD]: Das sieht man in Athen aber anders!)


Daher haben wir hier eine stabile Wirtschaft. Wir ha-
ben die geringste Arbeitslosigkeit und die höchste Er-
werbsquote. Gerade im Finanzmarkt sind wir deutlich
stabiler aufgestellt als viele andere Länder. Wenn man
mit den Amerikanern oder Engländern spricht, dann be-
stätigen uns diese, dass wir ein klar umrissenes System
haben. Wir haben auf vielen Ebenen reguliert, aber wir
haben die Wirtschaft nicht kaputtgemacht.

Wir haben auch die Finanzwirtschaft nicht kaputtge-
macht. Denn wir haben ein bankenbasiertes Wirtschafts-
system. Die Unternehmen brauchen Kredite. Sie brau-
chen Banken, die sie bei ihrem internationalen Geschäft
begleiten. Schließlich gehen 40 Prozent unserer wirt-
schaftlichen Leistung ins Ausland. Dafür brauchen wir
ein funktionierendes Bankensystem, aber keine roten
Ampeln, wie sie von Ihrer Seite gefordert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sprechen heute, liebe Kolleginnen und Kollegen,
über ein Gesetz zur Planung der Sanierung und Abwick-
lung von Banken. Wir betrachten dieses Gesetz nicht
isoliert. Vielmehr ist es einer der wichtigen Bausteine im
Ordnungsrahmen für die gesamte Finanzwirtschaft. Wir
werden voraussichtlich in der nächsten Woche den Eini-
gungsprozess auf der europäischen Ebene über Basel III
erleben. Basel III regelt die Eigenkapital- und Liquidi-
tätsanforderungen an Banken; das ist einer der wichtigs-
ten Bereiche, von denen viele nach dem Ausbruch der
Krise bereits angegangen worden sind.





Klaus-Peter Flosbach


(A) (C)



(D)(B)


Wir haben in Europa gemeinsam den außerbörslichen
Derivatehandel geregelt. Wir haben uns mit den Rating-
agenturen befasst. Wir haben gerade in dieser Woche
eine Anhörung zur Regulierung von Hedgefonds, Pri-
vate-Equity-Unternehmen, Investmentfonds und von of-
fenen Immobilienfonds und geschlossenen Fonds durch-
geführt.

Wir haben auf nationaler Ebene in mehreren Gesetzen
den Anlegerschutz gestärkt, und wir haben ein europäi-
sches Aufsichtssystem geschaffen. Wir werden bei der
Europäischen Zentralbank die Europäische Bankenauf-
sicht ansiedeln, um systemrelevante Banken kontrollie-
ren zu lassen. Zusätzlich gibt es eine Aufsicht über Ver-
sicherungen und Wertpapiere.

Wir sind – das hat auch der Bundesfinanzminister
vorhin deutlich gemacht – in vielen Bereichen Vorreiter.
Wir waren die Ersten, die die Leerverkäufe verboten ha-
ben, und waren damit Initiator für Europa. Wir haben
hier vor 14 Tagen den Hochgeschwindigkeitshandel be-
handelt und Regulierungen in diesem Bereich auf den
Weg gebracht. Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.
Nur in Deutschland gibt es eine Regulierung des Hoch-
geschwindigkeitshandels.

Wir haben das Restrukturierungsgesetz geschaffen.
Das heißt: Wir in Deutschland sind in der Lage – dafür
gibt es die rechtlichen Voraussetzungen –, Banken abzu-
wickeln. Auch dies ist wieder die Blaupause für Überle-
gungen auf europäischer Ebene. Meckern Sie also nicht
herum, sondern machen Sie lieber mit, und unterstützen
Sie die Bundesregierung in diesen Fragen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Restrukturierungsgesetz behandelt die rechtli-
chen Grundlagen einer Abwicklung und Sanierung. Wir
wollen aber nicht zwingend abwickeln und sanieren,
sondern wir wollen Vorsorge treffen, präventiv arbeiten.
Dafür ist dieses Gesetz da. Wir wollen, dass die Banken
von vornherein darlegen müssen: Was passiert, wenn sie
in eine Schieflage geraten? Wie können sie sich selbst
sanieren? Wie können sie abgewickelt werden?

Gemeinsam mit der Bundesbank und der Bundesan-
stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht müssen die Ban-
ken darlegen, wie sie im Krisenfall abgewickelt werden
können. Das ist die beste Prävention; denn dann wird für
jeden klar: Hier gibt es ein systemisches Risiko. Es geht
immer um die systemischen Risiken. Wir wollen näm-
lich nicht, dass der Steuerzahler für die Risiken, die Ban-
ken eingehen, haften muss. Wir wollen, dass die Banken
haften, dass sie gegebenenfalls auch pleitegehen und
dass der Steuerzahler nicht für die Kosten herangezogen
wird. Das ist die Linie dieser Bundesregierung. Dazu
müssen die Banken jetzt ein sogenanntes Bankentesta-
ment vorlegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt noch einen zweiten Bereich, der wichtig ist
und über den wir heute diskutieren. Es geht um die
Frage, die auch die Liikanen-Kommission – der ehema-

lige finnische Finanzminister Liikanen hat diese Kom-
mission geleitet – gestellt hat: Ist es nicht sinnvoller, prä-
ventiv einen Teil des Bankengeschäftes auszulagern oder
abzutrennen? Die Antwort findet sich im Liikanen-Be-
richt. Es ist doch richtig, dass wir, wenn sich Europa auf
der Grundlage dieses Berichtes auf eine Position einigt,
diese Position übernehmen und nicht zusätzlich noch
eine eigene aufbauen.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das haben Sie doch gemacht!)


Was wir im Vorgriff auf europäisches Handeln gemacht
haben, haben wir immer mit dem Ziel gemacht, dass wir
in Europa eine gemeinsame Lösung finden. Genau diese
haben wir übernommen.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Nein! Haben Sie nicht!)


In dem Liikanen-Bericht wird deutlich, dass die
Krise, die ihren Ursprung in den Jahren 2007 bis 2009
hat und die noch heute partiell vorhanden ist, nicht durch
das Universalbankensystem entstanden ist. Im dritten
Abschnitt des Berichtes wird darauf hingewiesen, dass
die Krise völlig unterschiedliche Ursachen hatte. Bei der
WestLB – sie ist der SPD bestens bekannt; man kann
nachlesen, was dort alles passiert ist – waren es bei-
spielsweise die strukturierten Papiere. Bei der Hypo
Real Estate war es das Finanzierungsmodell. Es waren
teilweise eben nicht Universalbanken, sondern Invest-
mentbanken, die die Krise ausgelöst haben. Deswegen
haben wir gesagt: Wir übernehmen im Vorgriff auf
Europa den Vorschlag, einen gewissen Bereich von den
Banken zu trennen, um damit auch das Risiko zu beseiti-
gen.

Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer
Baustein im globalen Ordnungsrahmen für die Finanz-
systeme. Wir müssen darauf achten, die Steuerzahler
nicht zu belasten, und darauf, dass vor allen Dingen die
großen systemrelevanten Banken kontrolliert werden.
Nicht die kleinen Banken, nicht die Sparkassen, nicht die
Volksbanken vor Ort sind das Problem. Das Problem
sind die großen systemrelevanten Banken. Dieses Pro-
blem wird mit diesem Gesetz angegangen.

Wir sorgen dafür, dass die Aufsicht für die großen
Banken bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt
ist. Wir fordern eine hohe Eigenkapitalquote. Diese For-
derung muss von den großen Banken erfüllt werden. Wir
haben jetzt das Restrukturierungsgesetz, und wir sehen
die Trennung der Geschäftsbanken von gewissen Berei-
chen vor.

Wir wissen zwar nicht, was in Zukunft passieren
wird. Wir wissen nicht – das kann uns auch die Finanz-
aufsicht nicht sagen –, ob es einmal eine neue Krise auf
anderen Feldern geben wird. Aber unser Ziel ist es, Sta-
bilität sowie Sicherheit für jeden Rentner und für jeden
Steuerzahler zu schaffen. Das ist die Linie dieser Bun-
desregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901000

Nächster Redner ist der Kollege Manfred Zöllmer für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1722901100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Was ist ein Placebo? Ein Placebo ist ein
Scheinmedikament ohne Wirkstoff. Es scheint nur so, als
ob es wirken würde. Lieber Herr Flosbach, man kann
auch Placeboreden halten. Das haben Sie eben gemacht,


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


indem Sie so getan haben, als ob Sie das, was auf euro-
päischer Ebene diskutiert wurde, übernommen hätten.
Das war also eine Placeborede.

Ich werde zunächst einmal den vorliegenden Gesetz-
entwurf der Bundesregierung etwas näher beleuchten
und die Frage ventilieren, ob es sich hierbei nicht um ein
politisches Placebo handelt, also um einen Gesetzent-
wurf, der nur den Anschein erweckt, dass er regulieren
würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr als fünf Jahre
nach der Lehman-Pleite ist die Gefahr einer Wiederho-
lung der Krise noch nicht gebannt. Nach wie vor gibt es
Banken, die „too big to fail“ sind. Nach wie vor machen
Banken hochriskante Geschäfte. Nach wie vor ist die Ei-
genkapitalbasis der Banken in Europa zu gering. Nach
wie vor gibt es unvorstellbar hohe Bonizahlungen. Nach
wie vor müsste der Steuerzahler Banken retten. Nach
wie vor können systemrelevante Banken Staaten erpres-
sen. Nach wie vor haben wir einen völlig unregulierten
Schattenbankensektor, dessen Risiken niemand kennt.

Das ist die Realität. Deshalb wirken der Antrag von
CDU/CSU und FDP zur Finanzstabilität und das, was
Sie eben gesagt haben, wie Realitätsverweigerung. Of-
fensichtlich gilt das Motto: Wenn uns schon keiner lobt,
dann müssen wir es selber tun.

Ich will noch einen Punkt zu Ihrem Antrag erwähnen.
Sie formulieren darin: Wir wollen eine europäische Auf-
sicht – das wollen wir auch –, und dann wollen wir eine
nationale Abwicklung. Ich sage Ihnen: Das wird nicht
funktionieren. Das ist eindeutig falsch. Wenn ich eine
europäische Aufsicht habe, dann brauche ich auch ein
europäisches Abwicklungsregime. Alles andere macht
keinen Sinn. Sie sollten Ihre Position in dieser Frage
wirklich noch einmal überdenken.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jetzt zu den Trennbanken. Ich erinnere mich noch gut,
wie wir kritisiert worden sind, als wir diese Forderung
aufgestellt haben, zum Beispiel durch den stellvertre-
tenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn
Meister, der der Zeitung Euro am Sonntag sagte, die
Pleite der Investmentbank Lehman Brothers habe klar
gezeigt, dass eine Aufspaltung nicht zur Problemlösung
beiträgt.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Wir wollen niemanden daran hindern, klüger zu werden;
aber die große Frage ist: Sind Sie eigentlich klug genug
geworden?


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Was bedeutet das? Erklären Sie das!)


– Ja, das werden wir jetzt erörtern.

Richtig ist, die Banken zu verpflichten, Sanierungs-
pläne – Stichwort: Living Wills – für den Krisenfall auf-
zustellen.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Erklären Sie mal Lehman Brothers!)


Selbst wenn wir davon ausgehen müssen, dass jede
Krise anders sein wird – auch anders, als man vorher ge-
dacht hat –, sind solche Notfallpläne sinnvoll.

Was machen Sie beim Stichwort Trennbankensystem?
Ziel eines Trennbankensystems muss es sein, in Zukunft
zu verhindern, dass hochspekulative Geschäfte mit den
Einlagen der Sparerinnen und Sparer finanziert werden
können. Der Infektionskanal zwischen Kasino auf der ei-
nen Seite und Kreditbank auf der anderen Seite muss
verschlossen werden. Im Falle einer Zahlungsunfähig-
keit muss der Kasinoteil geschlossen und abgewickelt
werden können.


(Beifall bei der SPD)


Sie wollen nun in Ihrem Gesetzentwurf die BaFin
über die Abwicklungsfähigkeit entscheiden lassen. Sie
soll den Nachweis erbringen. Dies ist falsch. Der Nach-
weis der Abwicklungsfähigkeit muss eine Bringschuld
der Banken sein. Jede Bank muss gegenüber der Auf-
sicht den Nachweis erbringen können, dass sie auch ab-
gewickelt werden kann. Diesen Punkt sollten Sie drin-
gend ändern.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dann wollen Sie systemrelevante Geldhäuser ver-
pflichten, den spekulativen Handel in rechtlich selbst-
ständige Einheiten auszulagern. Aber Sie legen die
Hürde für diese Trennung sehr hoch. Das Ergebnis wird
sein, dass höchstens zwei bis drei Banken unter dieses
Gesetz fallen werden. Die Landesbanken haben jetzt
schon begonnen, sich mit Bilanztricks aus dieser gefähr-
lichen Zone zu befreien. Das heißt, es wirkt nicht. Dies
wird ein Trennbankensystem ultralight.

Der nächste Punkt ist die Frage, welche Geschäfte
von der Trennbankenvorschrift eigentlich erfasst sind.
Sie wollen Eigenhandel in Zukunft nicht mehr erlauben,
aber ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt: Die Liste der
erlaubten Geschäfte ist nach wie vor lang, ellenlang, zu
lang. Es ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für die
Kreditinstitute, auch in Zukunft toxische Handelsge-
schäfte ohne Trennung durchführen zu können. Das
heißt, es fehlt der Wirkstoff.

Ich will noch einmal das Market Making erwähnen,
das schon angesprochen worden ist. Es ist klar, dass eine





Manfred Zöllmer


(A) (C)



(D)(B)


Trennung zwischen Eigenhandel und Verkauf auf Rech-
nung des Kunden hier kaum vorzunehmen ist. Aber Sie
erlauben dieses Market Making. Damit unterminieren
Sie den Trennbankenansatz. Dies ist nicht in Ordnung.
Sie gewinnen damit nichts. Um im Bild zu bleiben: Dies
ist weiße Salbe ohne Wirkung. Die Liikanen-Kommis-
sion hat festgestellt, dass eine Trennung in der Praxis
kaum möglich ist. Das heißt, es bleibt ein Gesetzespla-
cebo. Sie tun wieder einmal so, als ob Sie handeln wür-
den, als ob Sie Vorreiter wären.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir sind nicht die Einzigen, die das kritisieren. Ich
darf stellvertretend für die Medien die Süddeutsche Zei-
tung zitieren. Unter der Überschrift „Zerschlagung light“
heißt es:

Jetzt präsentiert auch die Bundesregierung einen
Gesetzentwurf, der nach Aufspaltung der Banken
zumindest klingt.

Ja, es klingt so; es ist aber nicht so.

Schauen Sie sich doch einfach einmal den gemeinsa-
men Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD an.
Dort steht, wie man das richtig macht, wie man ein
Trennbankensystem vernünftig aufbaut.


(Joachim Poß [SPD]: Genau! Lesen Sie doch mal, Herr Brüderle!)


Unter anderem fordern wir dort ein Eigenhandelsverbot
auch für Market-Making-Aktivitäten. Wir brauchen ver-
nünftige Schwellenwerte für die Aufteilung. Wir müssen
verhindern, dass es eine Finanzierung der Finanzhan-
delsinstitute durch Einlagenbanken gibt, indem wir
Kreditobergrenzen festlegen. Wir müssen zukünftig Ver-
stöße gegen das Verbot des Eigenhandels mit strafrecht-
lichen Konsequenzen versehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Nur so wird aus einem Placebo ein richtiges Medika-
ment, und für Risiken und Nebenwirkungen sind dann
nicht mehr die Steuerzahler verantwortlich, sondern die
Bankmanager. Das ist der richtige Weg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901200

Nächster Redner ist der Kollege Volker Wissing für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1722901300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Mit dem Gesetz, dessen Entwurf Ihnen
heute vorliegt, gehen wir einen weiteren Schritt in Rich-
tung Stabilisierung der Finanzmärkte. Es rundet unsere
Regulierungspolitik quasi ab, die wir in den letzten Jah-
ren vorangetrieben haben.

Herr Minister Schäuble, Sie haben zu Recht gesagt,
dass es um eine Abwägung geht: Geht man im nationa-
len Alleingang voran, oder bringt man das Ganze
international im Gleichklang auf den Weg? Der interna-
tionale Weg hat den Vorteil, dass er zur Wettbewerbs-
gleichheit im Bankensektor führt. Das ist zu bevorzugen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Man kann aber nicht immer warten. Es darf nicht sein
– das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik –,
dass am Ende der Langsamste zum Maßstab wird. Es
gibt in der Tat viele, die eine Regulierung verhindern
wollen und sagen: Wir warten so lange, bis es internatio-
nal abgestimmt ist. Vorher machen wir gar nichts. – Die-
sen Weg lehnen wir ausdrücklich ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Minister Schäuble, Sie haben ebenfalls zu Recht
darauf hingewiesen, dass sich – das wollen die Sozialde-
mokraten nicht wahrhaben –, das universale Bankensys-
tem in Deutschland bewährt hat. Das ist die Wahrheit.
Die Krise ging nicht von einer Universalbank aus. Sie
kam vielmehr aus den USA und ging von einer Invest-
mentbank aus. In Deutschland waren die problemati-
schen Banken, die zur Schieflage geführt haben, auch
Trennbanken wie die Landesbanken und nicht Univer-
salbanken.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deswegen kann die Lösung nicht darin bestehen, dass
wir die Banken, die die Krise nicht verursacht haben, ab-
schaffen, während wir die Banken, von denen die Krise
ausgegangen ist, flächendeckend in Europa einführen.
Was ist das denn für ein Unsinn, den sich Sozialdemo-
kraten da haben einfallen lassen?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Kollege Poß hat sich hier an das Mikrofon ge-
stellt und gesagt: Wir müssen die großen Banken in
Deutschland zerschlagen.


(Joachim Poß [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Das habe ich nicht so formuliert!)


Es gibt zwei Gruppen, die eine bestimmte Reaktion
auf diese Äußerung zeigen müssen. Zum einen zucken
die deutsche Wirtschaft und die Industrie zusammen und
sagen: Was ist denn jetzt los? Verstehen die denn nichts
mehr von Wirtschaftspolitik und insbesondere von
Standortpolitik?


(Zuruf von der FDP: Haben sie noch nie!)


Zum anderen schreit eine Gruppe Hurra und sagt:
Das, was Herr Poß vorschlägt, ist ein guter Weg. – Diese
Gruppe besteht aus amerikanischen Investmentbanken,
die nur darauf warten, dass wir den dummen Weg, den
die Sozialdemokraten vorschlagen, gehen, um das In-
vestmentbanking vom regulierten deutschen Markt nach
Amerika zu exportieren. Wie absurd ist das denn, was
die SPD den Menschen hier vormacht?





Dr. Volker Wissing


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Ich bezichtige Sie der Lüge! Der Satz ist nicht gefallen!)


In der Opposition haben Sie über Jahre hinweg ver-
sucht, die Rolle des Oberregulierers einzunehmen. In
Wahrheit haben Sie aber überhaupt keinen Plan. Sie wis-
sen nicht, was Sie wollen. Die SPD sagt heute, das gehe
alles zu langsam. Die Grünen sagen heute, das gehe alles
zu schnell. Die SPD erhebt außerdem den Vorwurf, wir
würden alles von der SPD abschreiben. Im gleichen
Atemzug sagen Sie aber, wir würden alles falsch ma-
chen. Es ist doch absurd, was Sie im Bereich der Finanz-
marktpolitik abliefern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Opposition
kann man ja etwas holzschnittartig vorgehen. Sicherlich
sei Ihnen das zugestanden. Man muss es in der Opposi-
tion nicht so genau nehmen. Deswegen wollen wir
einmal vergleichen, was die eine Seite des Hauses in Re-
gierungsverantwortung im Bereich der Finanzmarkt-
regulierung getan hat und welche Bilanz die andere Seite
des Hauses im Bereich der Finanzmarktregulierung vor-
zuweisen hat.


(Joachim Poß [SPD]: Der Regulierer Wissing ist unterwegs!)


Wir scheuen den Vergleich mit Rot-Grün nicht. Unter
Rot-Grün gab es in Deutschland eine Ära der Deregulie-
rung der Finanzmärkte.


(Joachim Poß [SPD]: Und Sie haben Anträge verfasst, in denen Sie noch mehr Deregulierung gefordert haben!)


Die Ära der christlich-liberalen Koalition ist eine Ära
der Regulierung und der Ordnung der Märkte. Wir sind
stolz auf unsere Regierungsbilanz.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Grünen wollen sich immer noch schnell auf die
Seite der Guten und der Richtigen schlagen. Sie sind je-
doch diejenigen, die die Deregulierung in Deutschland
in Regierungsverantwortung mitgetragen und mit voran-
getrieben haben. Heute wollen Sie sich davon verab-
schieden und nichts mehr damit zu tun haben. Sie sagen,
dass das damals so gewesen sei, aber heute seien Sie die
besseren Regulierer und im Übrigen sowieso die Guten.

Bei der Schuldenbremse war das genauso. Ich kann
mich noch daran erinnern, dass Herr Kretschmann in der
Föderalismuskommission II aktiv gegen die Schulden-
bremse argumentiert hat. Heute tun Sie so, als hätten die
Grünen die Schuldenbremse erfunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben das
Thema Finanzmarktregulierung erst entdeckt, als Sie
keine Regierungsverantwortung mehr hatten. Wir haben
damit angefangen, als wir die Regierungsverantwortung
übernommen haben. Das ist der Unterschied zwischen
einer glaubwürdigen Finanzmarktregulierung und dem
Gefasel einer Opposition, die nur versagt hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deutschland hat nach drei Jahren CDU-, CSU- und
FDP-Regierungsverantwortung mit die reguliertesten Fi-
nanzmärkte weltweit. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
SPD und Grüne haben in diesem Hohen Hause keine Re-
gulierung mitgetragen. Das Bild ist klar. In Regierungs-
verantwortung haben SPD und Grüne den Finanzmarkt
dereguliert. In der Opposition haben SPD und Grüne je-
den Vorschlag zur Finanzmarktregulierung im Deut-
schen Bundestag abgelehnt.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Warum soll ausgerechnet Ihnen jemand glauben, dass
Sie im September mit der Finanzmarktregulierung be-
ginnen wollen? Nein, das werden Ihnen die Menschen
nicht glauben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen und wir werden unsere Politik für stabile
und solide Finanzmärkte fortsetzen, liebe Kolleginnen
und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901400

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Gambke,

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Wissing
hat seine Platte aufgelegt, die wir schon ein Stück weit
kennen. Herr Wissing, damit lenken Sie aber nur ab.

Herr Schick hat vorhin in seinen Ausführungen be-
züglich der Situation der Trennbanken sehr klar be-
schrieben, dass Sie keinen Kompass haben. Wenn er sich
vorhin dafür ausgesprochen hat, abzuwarten, was auf
europäischer Ebene beschlossen wird, hat er damit recht.
Denn er traut Ihnen nicht zu, dass Sie einen klaren Kom-
pass haben und vernünftige Regelungen schaffen. Des-
halb hat er sich dafür ausgesprochen, zunächst einmal
abzuwarten, was auf europäischer Ebene passiert.

Wir haben das Trennbankensystem bereits vorge-
schlagen. Das ist doch nicht neu. Ich bin Mitglied der
Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebens-
qualität“. In der Sitzung am Montag haben wir einstim-
mig


(Joachim Poß [SPD]: Mit der FDP?)


– mit der FDP und mit der CDU/CSU – Grundregeln
zum Finanzmarkt beschlossen. Darüber haben wir zwei
Jahre lang diskutiert. Es ist nicht so, dass das neu war.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wir haben schon alles umgesetzt!)


Dabei standen drei Aspekte im Vordergrund, Herr
Flosbach; Herr King, der Gouverneur der Zentralbank
von England, hat Ihnen das noch in der vergangenen
Woche gesagt. Wir brauchen drei Dinge:





Dr. Thomas Gambke


(A) (C)



(D)(B)


Wir brauchen erstens eine Stärkung des Eigenkapi-
tals. Leverage Ratio war für Sie fast noch ein Fremd-
wort.

Zweitens brauchen wir Trennbanken. Die Debatte um
die Trennbanken läuft ein Stück weit falsch. Uns wird
unterstellt, dass es uns um die Zerschlagung der Univer-
salbanken gehe.


(Joachim Poß [SPD]: Ja eben! Habe ich mit keinem Satz gesagt!)


Vielmehr geht es im Wesentlichen um Transparenz.

Drittens brauchen wir ein europäisches Restrukturie-
rungsregime.

Das sind doch keine neuen Dinge. Jetzt tun Sie so, als
ob wir das erfunden hätten. Das ist seit zwei Jahren in
der Diskussion und muss jetzt umgesetzt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dann kommt immer der Satz: Wir dürfen nicht zu viel
regulieren. – Das hört man immer wieder.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie haben gar nichts gemacht!)


Herr Flosbach, Herr Brinkhaus und Herr Zöllmer waren
dabei, als Herr King auf meine Frage, ob wir ein Pro-
blem mit Hongkong oder Singapur hätten, wenn wir zu
viel regulierten, geantwortet hat: Nein, die haben ein
Problem mit uns, weil wir zu wenig regulieren, zu spät
regulieren und möglicherweise nicht genug regulieren.
Das ist doch das Problem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich halte die Debatte, die Sie hier führen, für eine
Scheindebatte. Ich kann mich in der Tat des Eindrucks
nicht erwehren, dass das, was Sie hier veranstalten, ein
bisschen Wahlkampf ist. Das ist dem Ernst der Sache
nicht angemessen. Wir brauchen eine Stärkung des Ei-
genkapitals, wir brauchen eine substanzielle Anhebung
der Leverage Ratio, wir brauchen Transparenz, wir brau-
chen eine europäische Restrukturierung. Sie sollten das
tun.

Noch etwas ist ganz lustig. Wir haben, wiederum in
der Enquete-Kommission, festgestellt, dass wir eine
ganz merkwürdige Allianz zwischen dem Finanzminis-
ter und der Opposition haben, und zwar bei der Finanz-
markttransaktionsteuer.


(Joachim Poß [SPD]: Gegen die FDP! Gegen Herrn Wissing!)


Es sind doch Vertreter der FDP, Vertreter aus Ihren Rei-
hen, die ständig dagegen schießen, sodass wir die Trans-
aktionsteuer nicht zügig umsetzen können. Herr
Wissing, ich erinnere mich noch an die Diskussion im
Finanzausschuss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Das stimmt überhaupt nicht, und Sie wissen es!)


– Ich weiß es sehr gut; denn ich habe Ihre Bemerkung zu
diesem Thema gehört. Also bitte, verleugnen Sie doch
nicht die Intentionen, die Sie haben. Glauben Sie doch
nicht, dass Sie mit der Art und Weise, in der Sie argu-
mentieren, die sicher schwierige Debatte, die wir in Eu-
ropa zu diesem Thema haben, befördern. Sie hemmen
vielmehr diese Debatte, und Sie hemmen damit die Ein-
führung der Finanzmarkttransaktionsteuer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir können nicht umhin, festzustellen: Dieser Koali-
tion fehlt der Kompass.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dieser Rede fehlt der Kompass!)


Sie kommt zu spät. Sie kommt im Ernstfall mit kleinka-
rierten Lösungen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir
sie ablösen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901500

Hans Michelbach ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1722901600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

internationale Finanzmarktkrise hat uns gezeigt, dass die
Rahmensetzungen für die Finanzbranche unzureichend
waren. Die Krise hat die Staaten und ihre Volkswirt-
schaften in jeder Hinsicht hart getroffen. Der Steuerzah-
ler musste zur Rettung von Instituten einspringen. Die
Realwirtschaft kam in die Krise.

Das darf sich nicht wiederholen. Dafür arbeiten wir
mit großem Engagement; denn wir sind überzeugt: Eine
neue Finanzmarktkrise würde unsere westlichen Demo-
kratien nachhaltig beschädigen. Die soziale Marktwirt-
schaft kann nach unserer Auffassung nur mit einem
glaubwürdigen Ordnungsrahmen zukunftsfest erhalten
werden.

Dazu gehören für diese Koalition eine lückenlose Re-
gulierung des Finanzsystems, eine Risiko- und Haf-
tungsübernahme durch die Marktteilnehmer, höhere Ei-
genkapitalanforderungen für Banken, strengere Kriterien
für alternative Investment- und Hedgefonds, eine ver-
schärfte Aufsicht über den Finanzsektor und insbeson-
dere über das Schattenbankensystem.

Kurzum: Wir ziehen umfassende Lehren aus der Fi-
nanzkrise und haben, um die Stabilität der Finanzsys-
teme zu sichern und die Risiken spekulativer Geschäfte
zu verringern, über 30 Gesetzespakete – das war letzten
Endes eine große Leistung – auf den Weg gebracht. Wir
entwickeln Handlungsmechanismen und Regeln, die
frühzeitig wirken und Gefahren von der Realwirtschaft
abwenden. Dazu haben wir in dieser Legislaturperiode





Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) (C)



(D)(B)


bereits eine Vielzahl von Gesetzen beraten und beschlos-
sen. Ich muss sagen: Es ist eigentlich unterirdisch, dass
Sie nicht bereit sind, diese Leistung anzuerkennen oder
die Gesetzentwürfe in irgendeiner Form positiv mitzube-
raten. Sie betreiben gewissermaßen eine Fundamental-
opposition, aber Sie bringen sich in der Sache nicht ein.

Wir haben die beste Bilanz. Diese gute Bilanz passt
Ihnen nicht. Sie haben bis heute diskutiert, und wir ha-
ben Schritt für Schritt gehandelt, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heute setzen wir einen weiteren Meilenstein, um die
Vorbildfunktion und Vorreiterrolle weiter wahrzu-
nehmen. Weitere wichtige Vorhaben stehen auf der Ta-
gesordnung: die Regulierung systemrelevanter Finanz-
institute und des internationalen Systems der
Schattenbanken, die man nicht in eine neue Grauzone
ausweichen lassen darf – das ist die Aufgabe –, das Ge-
setz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der
Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Fi-
nanzgruppen, das Kapitalanlagegesetzbuch und die Um-
setzung von Basel III


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch alles noch nicht beschlossen! Fehlt doch alles noch!)


mit den Regelungen zur erhöhten Unterlegung der Ban-
ken mit Eigenkapital, mit hartem Kernkapital. Das sind
die wesentlichen Schritte, die das Finanzsystem insge-
samt sichern.

Wir wollen Sicherheit für die Sparer und Stabilität für
die Wirtschaft. Das ist unsere Ausgangslage. Deswegen
müssen wir deutlich machen: Wir sind für eine Regulie-
rung des Finanzsystems mit Vernunft, meine Damen und
Herren.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keinen Kompass!)


Sie hingegen wählen eine Form, zu der ich sage: Das,
was hier Rot-Rot-Grün betreibt, ist eigentlich ideologi-
sche Bankenhetze.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Blödsinn!)


Das kann nicht der Weg sein. Wir müssen deutlich ma-
chen: Die Realwirtschaft muss dienende Banken haben;
das gehört dazu. Sonst können wir mit unserer starken
Wirtschaft nicht Exportweltmeister sein, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Radikalität von Rot-Rot-Grün gegenüber dem Markt
ist Ideologie und dient diesem Land, den Arbeitsplätzen,
den Betrieben, nicht. Deswegen müssen wir deutlich ma-
chen, dass unser Weg der richtige ist.

Natürlich ist die Lernbereitschaft der Branche oft
nicht sehr ausgeprägt. Die Selbstregulierungskräfte rei-
chen eben nicht aus. Sie reichen vor allem deshalb nicht
aus, weil das Verantwortungsbewusstsein in weiten Tei-
len der Finanzbranche weltweit unterentwickelt war und

teilweise noch ist. Etliche haben ihre Lektion bis heute
noch nicht gelernt. Weil das so ist, müssen wir die Bür-
ger, die Unternehmen und den Staat vor den Folgen ver-
antwortungslosen Handelns in der Finanzbranche schüt-
zen.

Meine Damen und Herren, es ist deshalb wichtig,
ohne Ideologie, ohne Schaum vor dem Mund Instru-
mente zu schaffen, um systemrelevante Finanzunterneh-
men auf globaler und nationaler Ebene in einem geord-
neten Verfahren ohne Zutun des Staates entweder zu
sanieren oder abzuwickeln, wenn sie in Schieflage gera-
ten, ohne Einspringen des Steuerzahlers und des Staats;
darauf kommt es an. Wir haben jetzt die richtigen Kon-
sequenzen gezogen. Dieses Gesetz schafft die richtige
Grundlage; das ist die richtige Schrittfolge für die Zu-
kunft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dazu gehören die Sanierungspläne, damit Finanzun-
ternehmen eine Krise möglichst schnell und effektiv aus
eigener Kraft bewältigen, ebenso das Bankentestament,
das eine geordnete Abwicklung von Finanzunternehmen
ermöglicht, wenn deren Sanierung scheitert. Das sind
Dinge, die ein verantwortungsbewusstes Management
eigentlich in der Schublade haben muss. Wir fordern
dies nun per Gesetz ein und setzen hier nicht auf die
Selbstvorsorge der Finanzbranche; denn wir wollen die
Kunden noch besser schützen.

Für viele hochriskante Spekulationsgeschäfte wurden
Kundeneinlagen genutzt. Wir wollen unterscheiden zwi-
schen denen, die systemrelevant sind, und denen, die da-
mit letzten Endes überhaupt nichts am Hut haben. Es ist
wichtig, dass wir differenzieren. Sie können doch nicht
alle gleichsetzen, indem Sie systemrelevante Großban-
ken mit den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen
in einen Topf werfen. Da lassen wir uns nichts vorwer-
fen, auch wenn Sie versuchen, hier eine Diskussion auf-
zumachen und uns anzugreifen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig,
dass der Staat dauerhaft die richtigen Gesetze für den
Fall schwerwiegender Managementfehler hat. Deshalb
ist es konsequent, bei Großbanken die Risikogeschäfte
vom normalen Kundengeschäft zu trennen. Unser Trenn-
bankengesetz ist ein weiteres zentrales Projekt der Fi-
nanzmarktregulierung. Es ist der richtige Weg. Denn es
berücksichtigt zwar aus fachlichen Gründen nicht die
Maximalforderungen, die Sie aufstellen, schafft aber ein
Trennbankensystem mit einer Abgrenzung zwischen Ei-
genhandel und Dienstleistungen. Dabei ist letzten Endes
die Abgrenzung, die Bemessung der Größenordnung der
Bank, wichtig. Insofern ist das der richtige Weg.

Ich meine, wir haben geliefert. Wir werden weiter lie-
fern. Wir sind die, die für die Sparer, für die Wirtschaft
die richtigen Wege beschreiten. „Stabilität und Sicher-
heit“ ist der Weg in die Zukunft. Dabei lassen wir uns
von niemandem überbieten. Wir sind auf dem richtigen
Weg für die Realwirtschaft in unserem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901700

Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Sieling für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1722901800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben
jetzt eine Reihe typischer „Lieferantenreden“ gehört; die
letzte Rede war ein gutes Beispiel dafür. Da wird gesagt:
Wir haben geliefert; wir haben eine Reihe von Vorschlä-
gen gemacht. Dann werden Überschriften der verschie-
denen Gesetze, die Sie vorgelegt haben, verlesen. Wir
erwarten Produktion. Bringen Sie endlich einmal Regeln
auf den Weg, die wirklich wirksam sind. Bisher haben
Sie das nicht gemacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie stimmen ja sowieso dagegen! – Weitere Zurufe von der FDP)


– Es ist typisch, dass von ganz rechts außen in diesem
Saal Zwischenrufe kommen. Es ist immer dasselbe:
Nachdem hier Vorschläge zur Finanzmarktregulierung
gemacht worden sind, tritt in letzter Sekunde der Vor-
stopper auf den Plan, der sich gegen jegliche Finanz-
marktregulierung ausspricht. Dieser Vorstopper heißt
„Wissing“ mit Nachnamen.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Herr Wissing, Sie sind mit Ihrer FDP derjenige, der hier
am stärksten blockiert. Darum haben Sie es nicht ver-
dient, weiter an der Regierung zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie sind eine wirkliche Gefahr für das, was wir errei-
chen müssen.


(Joachim Poß [SPD]: Eine Gefahr für die Demokratie!)


Ich will dies an einigen Punkten deutlich machen.

Wir müssen erreichen, dass die Steuerzahler endlich
wirklich entlastet und nicht weiter belastet werden. Das-
selbe gilt im Übrigen für die Sparer und für die Einlagen.

Zu Ihrem Vorschlag, ein Trennbankensystem aufzu-
bauen, will ich erst einmal sagen: Wir Sozialdemokraten
schlagen eine Trennung von Geschäfts- und Investment-
banking vor, um das Universalbankensystem zu stärken.
Unser Ziel ist ein starkes, stabiles Universalbankensys-
tem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage das ganz klar, damit an dieser Stelle wirklich
kein Zweifel aufkommt.

Was machen Sie? Sie greifen Vorschläge der europäi-
schen Ebene auf. Fachleute nennen das Symbolik – das
ist hier schon zitiert worden – und behaupten, Sie blie-
ben damit weit hinter den Erwartungen zurück. Ich ver-
weise auf das, was Herr Professor Krahnen im Finanz-

ausschuss gesagt hat. Sie wollen den Eigenhandel im
engeren Sinne verbieten. Sprechen Sie doch einmal mit
den Banken, die angeblich Eigenhandel im großen Stil
machen. Diese Banken sagen Ihnen: Wir machen so et-
was in Deutschland gar nicht mehr. Das könnt ihr ruhig
machen. Das ist ein Geschäft, das hier sowieso nicht
mehr funktioniert. Das haben wir ausgelagert. – Sie stel-
len hier etwas übergroß dar, was in der Vergangenheit
ein Problem war, schlagen darauf und meinen, damit
hätten Sie das Problem gelöst. Nichts haben Sie gelöst!


(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Sieling für die Eigenregulierung der Banken!)


Was Sie aber unterlassen, ist das, was man, auf Eng-
lisch gesagt, Market Making, also Marktmachen, nennt.
Worum geht es bei diesem Marktmachen? Es gibt Pro-
duktangebote wie Aktienpakete, für die sich keine Nach-
frager finden. Manche Häuser sagen: Okay, wir nehmen
diese Produkte, schaffen dafür einen Markt, auch wenn
sie keiner will, lassen sie über unsere Bücher laufen, hal-
ten sie und versuchen, sie Stück für Stück zu verkaufen.
Als Sicherheit dafür nehmen diese Häuser die Einlagen
der Sparer. Auch das ist eine Art von Eigenhandel. Wir
sind der Auffassung: Auch das muss abgespalten wer-
den. Ein solches Geschäft muss Risiko derer sein, die da-
ran verdienen; es muss ein Risiko der Banken darstellen.
Doch dafür sorgen Sie nicht.


(Beifall bei der SPD)


Sie belassen die Gefahren bei den Sparern. Das ist un-
sere wesentliche Kritik. Außerdem kritisieren wir das
Fehlen eines ordentlichen Rettungsfonds.

Darüber hinaus will ich etwas zu den Schattenbanken
sagen. Hierzu liegen ja weitere Anträge vor; plötzlich
hat die Koalition auch die Schattenbanken entdeckt. Es
ist nämlich so: Wenn Sie ein solches Gesetz auf den Weg
bringen, werden die großen Häuser in Schattenbereiche
abwandern, und es wird zu einer weiteren Aufblähung
kommen. Schon Ende 2012 befanden sich bei Schatten-
banken weltweit 53 Billionen Euro.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Wo sind die in der Welt?)


Um diese Zahl zu verstehen, muss man wissen, dass es
vor zehn Jahren 20 Billionen Euro waren. Wenn Sie mit
Ihren harmlosen Anträgen so weitermachen, dann wer-
den wir in zehn Jahren wahrscheinlich einen Schatten-
bankensektor in Höhe von 250 Billionen Euro haben,
und die Gefahren bleiben bestehen. Deshalb sind Sie
auch an dieser Stelle ein zahnloser Tiger. Sie nehmen
sich immer einen Teil der Finanzmarktregulierung nach
dem anderen vor, lösen aber nicht das Gesamtproblem.
Sie sorgen hier für keine wirksame Regulierung.

Es gibt einen weiteren Bereich, den ich kurz anspre-
chen möchte, weil wir ihn beraten werden. In diesem
großen Paket liegt ein Entwurf zur Anpassung des In-
vestmentsteuergesetzes vor. Hierbei geht es um die Ein-
führung eines Kapitalanlagegesetzbuchs, das zurzeit dis-
kutiert wird. In diesem Gesetzentwurf geht es auch um
das Problem, dass Veräußerungsgewinne bei offenen Im-





Dr. Carsten Sieling


(A) (C)



(D)(B)


mobilienfonds steuerfrei gestellt sind. Diese Regelung
darf nicht auf geschlossene Fonds ausgedehnt werden,
weil diese vom Kapitalanlagegesetzbuch mit erfasst wer-
den. Ich sage ganz offen: Wir brauchen hier eine Lösung.
Wir werden uns dieser sehr sachlich und sehr konzen-
triert zuwenden. Eines will ich Ihnen sagen: Ihr Gesetz
darf nicht dazu führen, dass neue Lücken entstehen,
indem nicht nur Pensionsverpflichtungen zusammen-
gefasst werden können, sondern zum Beispiel auch un-
ternehmerische Aktivitäten von steuerpflichtigen Perso-
nengesellschaften, die gewerblich aktiv sind, in solche
Fonds überführt werden und damit steuerfrei bleiben.
Darauf haben die Bundesländer hingewiesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden diesen Hinweisen sehr kritisch nachge-
hen und hoffen, dass Sie diese Lücke schließen. Unsere
Erfahrung ist: Ihre Finanzmarktregulierung führte bisher
hinsichtlich der Steuern zu nichts Ordentlichem, weil Sie
keine Lücke schließen wollen. Bisher war es immer eine
Hydraulik für Steuervermeidung. Das wollen wir nicht.
Es kann nicht sein, dass die Großen laufen gelassen wer-
den und die Kleinen herangezogen werden. Wir Sozial-
demokraten stehen dafür, das zu verhindern.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie reden von den Kleinen und machen es für die Großen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722901900

Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der

Kollege Ralph Brinkhaus das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1722902000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aus-

führungen der Opposition waren etwas bemüht. Wenn
ich sie zusammenfasse, dann kann ich sagen: Sie wollen,
genauso wie wir, Sanierungs- und Abwicklungspläne.
Sie wollen sie nur etwas anders organisieren.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein, falsch! Wir wollen sie, und Sie tun nur so, als ob Sie sie wollten!)


Sie wollen, genauso wie wir, eine Trennung der Risiken
im Rahmen eines Trennbankensystems. Sie wollen es
aber ein wenig strenger als wir. Sie wollen, genauso wie
wir, strafrechtliche Vorschriften für Bankmanager ein-
führen, wollen sie aber schärfer als wir formulieren. Sie
wollen, genauso wie wir, das Schattenbankensystem re-
gulieren, behaupten aber, Sie könnten es ein bisschen
schneller als wir.

Das ist nicht nur die Zusammenfassung dieser De-
batte, sondern die Zusammenfassung von dreieinhalb
Jahren Oppositionspolitik in der Finanzmarktregulie-
rung. Irgendwie wollen Sie immer das Gleiche wie wir,
behaupten aber, Sie könnten es schärfer, weitgreifender
und schneller hinbekommen.

Ich möchte Ihnen das anhand des Wahlprogramms der
SPD erläutern. Sie nennen es Regierungsprogramm. Das
ist ein bisschen optimistisch. Ich nenne es Wahlpro-
gramm der SPD. Auf zweieinhalb Seiten von insgesamt
100 Seiten beschäftigen Sie sich mit dem Kernthema Fi-
nanzmärkte.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Lesen Sie doch einmal vor!)


Fangen wir an: Sie sagen, Sie möchten, dass kein Fi-
nanzmarktakteur, kein Produkt, kein Vertriebsweg unre-
guliert bleibt. Das haben wir im Übrigen auch gesagt.
Dies ist umgesetzt worden. Beispielsweise ist der graue
Kapitalmarkt reguliert worden. Das AIFM-Gesetz, das
Finanzanlagenvermittlergesetz, Initiativen im Bereich
der Schattenbanken gibt es schon. Wer hat sie gemacht?
Die Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie möchten, dass Europa im Bereich der Bankenre-
gulierung Vorreiter wird. Europa ist Vorreiter im Bereich
der Bankenregulierung. Wir werden nächste Woche als
eine der ersten Basel III verabschieden. Wir haben Boni
begrenzt und werden darüber hinaus einige Finanz-
marktprodukte verbieten bzw. haben sie verboten. Inner-
halb Europas ist Deutschland Vorreiter; denn Deutsch-
land hat im Bereich der Bankenrestrukturierung, im
Bereich der Leerverkäufe, in der Regulierung des Hoch-
frequenzhandels Maßstäbe gesetzt, die in ganz Europa
und wahrscheinlich in der ganzen Welt umgesetzt wer-
den.

Als Drittes – übrigens ist die Reihenfolge ganz inte-
ressant – fordern Sie die Begrenzung von Boni und Ver-
gütung. Das gibt es schon. 2010 gab es das erste Gesetz
zur Begrenzung der Vergütung in Deutschland, übrigens
mit speziellen deutschen Regelungen. Wer hat es ge-
macht? Die Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie fordern eine Finanztransaktionsteuer, mindestens
dreimal, das scheint Ihnen sehr wichtig zu sein. Wer hat
eine gemeinsame Verständigung auf den Weg gebracht?
Wer hat dafür gesorgt, dass dieses Thema in Europa ver-
nünftig behandelt wird? Wir waren es, diese Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dann geht es weiter: Sie wollen, dass es vernünftige
Eigenkapitalregeln unter besonderer Berücksichtigung
der Besonderheiten der Volksbanken und Sparkassen
gibt. Das wird nächste Woche verabschiedet. Wer hat hi-
neinverhandelt, dass die Sparkassen und Volksbanken
dabei nicht untergehen? Diese Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie wollen, dass ein Trennbankensystem eingerichtet
wird. Wer hat einen Vorschlag gemacht, dass eine Trenn-
bankenregulierung hier in Deutschland stattfindet, bevor
in Europa überhaupt darüber nachgedacht wird, einen
Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen? Diese Koalition.





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)



(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat es erfunden? Die Schweizer!)


Sie wollen die Schattenbanken regulieren. Wer hat
sich wie keine andere Bundesregierung dafür eingesetzt,
dass Schattenbanken weltweit reguliert werden?


(Manfred Zöllmer [SPD]: Ihr habt gar nichts gemacht bei den Schattenbanken! Gar nichts!)


Wer hat dazu Initiativanträge, Entschließungsanträge auf
den Weg gebracht?


(Manfred Zöllmer [SPD]: Da steht nichts drin!)


Wer treibt diesen Prozess voran? Es ist diese Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie fordern in Ihrem Wahlprogramm, dass bestimmte
Produkte auf Finanzmärkten verboten werden. Das ha-
ben wir gemacht. Als erstes Land der Welt haben wir für
ein Verbot von Leerverkäufen gesorgt. Wer hat es ge-
macht?


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Wir haben es gemacht!)


Diese Koalition.

Sie fordern, dass es mehr Verbraucherschutz im Be-
reich Finanzmarkt gibt. Ich kann nur sagen: OGAW, Fi-
nanzanlagenvermittlergesetz, Anlegerschutz- und Funk-
tionsverbesserungsgesetz, AIFM-Umsetzungsgesetz.
Wer hat es gemacht? Diese Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Wir haben es gemacht! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!)


– So ist es, genau.

Sie fordern, dass der Hochfrequenzhandel reguliert
wird. Wer hat als erstes Land dieser Welt den Hochfre-
quenzhandel reguliert? Diese Koalition.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es einen Preis für heiße Luft gäbe, hätten Sie ihn gerade gewonnen!)


Sie gehen noch weiter. Sie fordern, dass Ratingagen-
turen schärfer reguliert werden. Damit haben wir schon
2010 angefangen. Wer hat es gemacht? Diese Koalition.


(Zurufe von der CDU/CSU: Wir!)


Sie fordern, dass es ein Restrukturierungsregime für
Banken gibt. Wer hat als erstes Land etwas vorgelegt,
das maßgeblich für Europa ist? Diese Koalition.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!)


Sie fordern darüber hinaus, dass die Mittelstandskom-
ponente bei der Bankenregulierung berücksichtigt wird.
Wer hat dafür gesorgt, dass diese Mittelstandskompo-
nente Eingang in den europäischen Prozess findet? Diese
Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir!)


Sie fordern in Ihrem Wahlprogramm, dass die Hono-
rarberatung reguliert wird. Wer hat ein Gesetz zur Regu-
lierung der Honorarberatung vorgelegt? Diese Koalition.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir! Wir!)


Ich kann Ihnen jetzt nicht vorwerfen, dass Sie nach
der Identifikation der Probleme auf die gleichen Lösun-
gen kommen wie wir. Das ist normal. Es ist auch das Ge-
schäft der Opposition, zu sagen: Wir können das schär-
fer, weitreichender, schneller und besser. Das ist auch in
Ordnung. Das ist sogar Ihr Job. Ich würde es auch ma-
chen, wenn ich Opposition wäre. Aber was ich Ihnen
nicht durchgehen lassen kann, das ist die Tatsache, dass
Sie in Ihrem Wahlprogramm – mit dem Bewerbungs-
schreiben Ihres Kanzlerkandidaten vom letzten Herbst –
und in Ihren Reden behaupten, Sie würden jetzt etwas
grundlegend Neues und Innovatives im Bereich der Fi-
nanzmarktregulierung machen. Das ist nicht der Fall.

Sie hätten sich mit interessanten Themen beschäfti-
gen können. Wie sieht Ihr Bild vom Finanzplatz
Deutschland im kommenden Jahrzehnt aus? Sie hätten
sich damit beschäftigen können, wie Sie in einer anhal-
tenden Niedrigzinsphase sicherstellen, dass Versicherun-
gen und betriebliche Altersversorgung weiterlaufen. Was
sind denn Ihre konkreten Vorschläge zur Regulierung
der Schattenbanken? Davon findet man in Ihren Papie-
ren nichts.

Am Ende des Tages ist es – irgendwie kann ich Ihre
Verzweiflung auch verstehen – wie in der Geschichte
vom Hasen und vom Igel: Überall da, wo der Steinbrück
regulieren will, da ist der Schäuble schon da.

Danke schön.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722902100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
den Drucksachen 17/12601, 17/12602, 17/12603 und
17/12687 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? –
Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.

Zusatzpunkt 11. Wir kommen zur Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf
Drucksache 17/12686 mit dem Titel „Finanzstabilität si-
chern – Regulierung systemrelevanter Finanzinstitute
und des internationalen Schattenbankensystems“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Antrag ist mit der Mehrheit der Ko-
alition angenommen.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 f auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Zwei Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen
Atomausstieg keine erfolgreiche Energie-
wende

– Drucksache 17/12509 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Auswärtiger Ausschuss 
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Lehren aus der Atomkatastrophe in Fuku-
shima ziehen

– Drucksache 17/12688 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung 
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten René
Röspel, Rolf Hempelmann, Marco Bülow,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD

Den Euratom-Vertrag an die Herausforde-
rungen der Zukunft anpassen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ekin Deligöz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Euratom-Vertrag ändern – Atomausstieg
europaweit voranbringen – Atomprivileg
beenden

– Drucksachen 17/8927, 17/7670, 17/11713 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich,
Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Eine Europäische Gemeinschaft für die Förde-
rung Erneuerbarer Energien gründen – EU-
RATOM auflösen

– Drucksachen 17/6151, 17/11723 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Matthias Lietz
Frank Schwabe
Heinz Golombeck
Alexander Ulrich
Lisa Paus

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf
Hempelmann, Garrelt Duin, Hubertus Heil

(Peine), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion der SPD

Keine Hermesbürgschaft für den Bau des
Atomkraftwerks Angra 3

– zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van
Aken, Dr. Gesine Lötzsch, Ulla Lötzer, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE sowie der Abgeordneten Ute Koczy,
Sylvia Kotting-Uhl, Beate Walter-
Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Bürgschaft für den Bau des Atom-
kraftwerks Angra 3

– Drucksachen 17/9578, 17/9579, 17/12653 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fitz

f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl,
Bärbel Höhn, Markus Tressel, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Bilaterale Verhandlungen aufnehmen zur un-
verzüglichen Stilllegung besonders gefährli-
cher grenznaher Atomkraftwerke in Frank-
reich

– Drucksachen 17/11206, 17/12675 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Paul
Marco Bülow
Angelika Brunkhorst
Dorothée Menzner
Sylvia Kotting-Uhl

Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu bilateralen Verhand-
lungen mit Frankreich werden wir später namentlich ab-
stimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Die Kolleginnen und Kollegen, die die Debatte im
Augenblick nicht hier im Plenarsaal, sondern von ihren
Büros aus verfolgen, möchte ich schon einmal darauf





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


aufmerksam machen, dass wir gegen 12.15 Uhr eine na-
mentliche Abstimmung haben werden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir sind bereit!)


– Das ist beruhigend zu hören, Herr Kollege Grund.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wo ist denn die Facebook-Claudia heute? Wo ist Claudia Roth?)



Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722902200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

am vergangenen Montag der Reaktorkatastrophe von
Fukushima und der vorweggegangenen Flutwelle ge-
dacht. Wir gedenken auch heute der fast 19 000 Opfer
dieser Flutwelle, und wir gedenken der Opfer der Atomka-
tastrophe. Als Folge dieser Katastrophe mussten hundert-
tausend Menschen ihre Heimat verlassen, weil Böden, Luft
und Wasser radioaktiv verseucht sind. 57 000 Japanerinnen
und Japaner konnten bis heute nicht zurückkehren. Sie
sind aus ihrer Heimat vertrieben. Diese Katastrophe hat
uns gezeigt: Die Risiken der Atomtechnologie sind nicht
beherrschbar. Die Welt muss aus dieser Hochrisikotech-
nologie aussteigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist bitter, dass die neue japanische Regierung ge-
gen den Willen von mittlerweile zwei Dritteln der japa-
nischen Bevölkerung versucht, diese Technologie wieder
zum Laufen zu bringen. Hier ist die besondere Verant-
wortung für Deutschland: Es ist unsere Verantwortung,
zu beweisen, dass es möglich ist, dass eine Industriena-
tion seine Stromversorgung ohne Atomenergie und ohne
Rückgriff auf klimazerstörende Kohle realisieren kann.
Das ist die globale Verantwortung, vor der dieses Land
steht. Das, lieber Herr Altmaier, ist die Hausaufgabe die-
ser Regierung, die Sie zu erfüllen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben mit manchen Schülern gemein, dass Sie sich
mit den Hausaufgaben schwertun.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetzt kommt der Oberlehrer! Das ist die Rolle, die er am besten versteht!)


Lange Zeit haben Sie gar nicht verstanden, was Ihre
Hausaufgabe ist. Jahrelang glaubten Sie, Ihre Aufgabe
bestünde darin, alles zu blockieren, was nach Energie-
wende aussah. CDU, CSU und FDP waren gegen das Er-
neuerbare-Energien-Gesetz. Sie waren gegen den Aus-
stieg aus der Nutzung der Atomenergie.


(Christoph Poland [CDU/CSU]: Alles kalter Kaffee!)


Der Altmaier Peter hat es sogar als eine historische Ent-
scheidung bezeichnet, die Laufzeiten von maroden Alt-
meilern zu verlängern.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die hätten abgeschaltet werden müssen, wenn sie marode sind! Das hätten Sie sofort fordern müssen! Marode müssen sofort abgeschaltet werden!)


Unsere Hauptaufgabe in dieser Zeit bestand eigent-
lich darin, Ihren Unsinn abzuräumen. Das haben wir mit
einigem Erfolg gemacht: Nach einem Jahrzehnt erzeu-
gen wir heute 25 Prozent unseres Stroms durch die Nut-
zung erneuerbarer Energien. Das gibt 400 000 Menschen
in diesem Land Arbeit. Nach einem Jahrzehnt schien es
so zu sein, als wenn CDU und CSU ihre Hausaufgaben
gemacht hätten. Plötzlich waren auch Sie für das von Ih-
nen vorher bekämpfte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei
der Atomenergie haben Sie noch ein bisschen länger ge-
braucht. Da bedurfte es der mehrfachen Kernschmelze
von Fukushima, bis bei Ihnen die Erkenntnis eintrat:
Atomkraft ist nicht beherrschbar.

Haben Sie Ihre Hausaufgabe jetzt verstanden? Haben
Sie verstanden, dass der Kern darin besteht, dass derje-
nige, der die Energiewende wirklich will, nicht nur ent-
schlossen und konsequent aussteigen muss, sondern
auch in die Nutzung erneuerbarer Energien einsteigen
muss?


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Was habt ihr eigentlich gemacht?)


Nein, Sie haben es nicht verstanden. Sie steigen nicht
konsequent aus. Zu einem konsequenten Ausstieg würde
zum Beispiel eine Umorientierung der Forschungspolitik
gehören. Nach wie vor wird ein Drittel der Mittel in
Höhe von 2,7 Milliarden Euro für die Forschung im Be-
reich der Reaktortechnologie genutzt.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja, die gibt es noch!)


Nur ein kleiner Teil geht in die Endlagerforschung.

Sie müssten sich, wenn Sie konsequent aus solchen
Vorhaben aussteigen wollten, von solchen Wahnsinns-
projekten wie dem namens ITER verabschieden.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: VogelStrauß-Politik ist das! Nichts anderes!)


Vor allen Dingen müssten Sie, meine Damen und Her-
ren, aufhören, anderswo den Bau von Atomkraftwerken
zu subventionieren, indem Sie Exporthilfen dafür geben,
dass in Erdbebengebieten Atomkraftwerke errichtet wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dorothée Menzner [DIE LINKE])


Sie scheitern schon bei der ersten Herausforderung.
Bei der zweiten sind Sie mittlerweile zu der Position zu-
rückgekehrt, die Sie vor zehn Jahren eingenommen hat-
ten. Statt für einen zügigen Ausbau erneuerbarer Ener-
gien zu fairen Preisen zu sorgen, spielen Peter Altmaier





Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)


und Philipp Rösler lieber im Glashaus Fußball, und die
Kanzlerin steht daneben und verdreht die Augen.

Früher gab es noch – daran erinnere ich mich – einen
Konflikt zwischen Umweltminister und Wirtschafts-
minister. Heute sind sich beide einig: Der Ausbau der er-
neuerbaren Energien in Deutschland muss ausgebremst
werden. Das ist der Konsens zwischen Rösler und
Altmaier. Herr Altmaier beziffert die Kosten der Ener-
giewende mit „Fantastilliarden“-Summen.

Lieber Herr Altmaier, das Forum Ökologisch-Soziale
Marktwirtschaft rechnet Ihnen vor, was alles Sie falsch
gerechnet haben: die Effekte der Preissenkungen an der
Strombörse, die Degression der Förderung und die Kos-
ten für Investitionen in Kohle- und Gastkraftwerke. Sie
nennen die Autoren per Twitter unseriös. Peinlich für Sie
ist, dass sich die Autoren auf die Zahlen Ihres eigenen
Ministeriums berufen. Wollen Sie behaupten, dass das
Bundesumweltministerium unseriöse Zahlen liefert? Das
wäre eine neue Erfahrung, die wir hier zu machen hätten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist dreist, meine Damen und Herren, anderen vor-
zuhalten, sie würden ihre Hausaufgaben nicht machen.
Es ist Aufgabe des Umweltministers, für den Ausbau er-
neuerbarer Energien zu fairen Preisen zu sorgen. Nicht
Ihre Aufgabe, Herr Altmaier, ist es, die Agrarindustrie
zu subventionieren und Banken von Stromkunden be-
zahlen zu lassen. Es ist Aufgabe des Umweltministers,
für mehr Klimaschutz zu sorgen; aber es ist nicht Ihre
Aufgabe, durch Billigzertifikate für CO2 Kohlekraft-
werke zu subventionieren. Weiter ist es die Aufgabe des
Umweltministers, dafür zu sorgen, dass wir letztendlich
100 Prozent erneuerbare Energien bei Strom, Mobilität
und Wärme erreichen. Es ist aber nicht Aufgabe, son-
dern Verfehlen der Aufgabe eines Umweltministers, gar
eine Ausbaubremse zu initiieren, die am Ende dazu füh-
ren wird, dass südlich von Ostfriesland kein einziger
Windpark mehr errichtet wird und Zehntausende Ar-
beitsplätze in Deutschland in Gefahr geraten. Das sind
nicht Ihre Aufgaben, sehr geehrter Herr Altmaier.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie machen lieber das Gegenteil. Ausbauziele für er-
neuerbare Wärme sind aufgegeben worden. Die Gebäu-
desanierung dümpelt dahin und wird zusammengespart.
Der Emissionshandel wurde auf der Grundlage Ihrer ge-
meinsamen Haltung in dieser Regierung konsequent rui-
niert.

Ich sage Ihnen: Sie können Energiewende nicht, weil
Sie sie nicht wollen. Sie sind nicht in der Lage, die Kon-
sequenzen aus dem Reaktorunfall von Fukushima zu zie-
hen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ausstieg aus der Atomenergie geht nur mit konsequen-
tem Einstieg in die Erneuerbaren, mit mehr Energieeffi-
zienz und mehr Energiesparen. Offensichtlich geht Aus-

stieg nicht mit der Merkel-Koalition. Das zu ändern, ist
jetzt unsere Hausaufgabe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722902300

Das Wort erhält der Kollege Christian Hirte für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1722902400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Herr Kollege Trittin hat gerade aus-
geführt, wie die Ereignisse in Fukushima vor zwei Jah-
ren eine menschliche Katastrophe und Tragödie bislang
unbekannten Ausmaßes verursacht haben. Ich denke,
dass sich die Flutwellen in Japan in unser aller Bewusst-
sein eingegraben haben – möglicherweise aber nicht bei
allen Grünen. Anderenfalls hätte Claudia Roth auf ihrer
Facebook-Seite sicherlich nicht den Eindruck erweckt,
als wenn die vieltausendfachen Opfer in Japan Folge der
Reaktorkatastrophe und nicht der Erdbebenkatastrophe
gewesen seien.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist beschämend! Das ist ein schäbiges innenpolitisches Ausnutzen einer Tragödie! Es ist noch nie so schäbig eine Tragödie ausgenutzt worden!)


Herr Trittin, Frau Roth und Sie bzw. Ihre Partei versu-
chen,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Billig Innenpolitik zu machen! – Gegenruf des Abg. Marco Bülow [SPD]: So etwas würden Sie nie machen!)


dieses menschliche Drama, die Tragödie der Menschen
in Japan, billig populistisch zu instrumentalisieren. Sie
spielen Wutbürger und versuchen, das Thema in einem
Wahlkampfjahr in die Debatte einzuführen. Das hilft uns
allen überhaupt nicht weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir in der Koalition haben unsere Hausaufgaben ge-
macht, im Übrigen nicht nur nach Fukushima, sondern
bereits vorher. Wir haben nach Fukushima den Ausstieg
aus der Atomkraft noch einmal forciert.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Noch einmal forciert“! Müssen Sie da nicht selber lachen? Noch einmal“! Das war eine 180-Grad-Wende! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn davor gemacht? Sie sind ja ein Putziger!)


Wir haben nach Fukushima die Risikobewertung für die
Kernkraft in unserem Energiemix noch einmal überdacht
und die notwendigen Konsequenzen gezogen. Es ist





Christian Hirte


(A) (C)



(D)(B)


doch klar, dass vor wie nach Fukushima in Deutschland
feststand: Wir steigen aus der Kernkraft aus.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stand schon vorher fest! Nur Sie sind hinterhergedackelt!)


Das galt im Übrigen schon im Jahr 2010


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das galt schon 2000!)


mit der Verabschiedung unseres Energiekonzeptes; zu-
gegebenermaßen gab es unterschiedliche Auffassungen
zur Dauer der Restlaufzeiten. Aber dem Grunde nach hat
doch politischer Konsens darüber bestanden, dass wir in
Deutschland aus der Kernkraft aussteigen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Marco Bülow [SPD]: Sie sind, glaube ich, in der falschen Partei, Kollege!)


Als Erste überhaupt haben wir in Deutschland den
Atomausstieg mit einem richtigen Konzept zum Ausbau
der erneuerbaren Energien verbunden. Wir haben mit
unserem Energiekonzept den Weg aufgezeigt, wie der
Atomausstieg bei gleichzeitigem Umstieg in eine ökolo-
gische Energiegewinnung gelingen kann. Während Rot-
Grün im Jahr 2000 in der Tat den Atomausstieg be-
schlossen hat, sind wir einen Schritt weiter vorangegan-
gen. Es reicht eben nicht, Herr Trittin, immer nur auf
dem Atomausstieg zu beharren, sondern es ist auch
wichtig und notwendig, diesen mit einem Konzept zum
Umstieg zu begleiten. Genau das haben wir getan.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich meine, Sie haben das blockiert! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Welches Konzept?)


Ich glaube, dass die Erfolge der letzten Jahre uns be-
stätigen.


(Marco Bülow [SPD]: Welche Erfolge?)


Während Sie hier versuchen, den Anschein zu erwecken,
als seien wir auf diesem Weg nicht vorangekommen, zei-
gen die Tatsachen ein ganz anderes Bild. Mittlerweile
beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Ener-
giemix – Sie haben es gerade ausgeführt – etwa 25 Pro-
zent. Als Sie 2000 eine Verdoppelung des Anteils der er-
neuerbaren Energien gefordert haben und dann im Jahr
2005 einen Anteil von 10 Prozent gefeiert haben, war
das für Sie ein Riesenerfolg. Heute sollen 25 Prozent
kein Erfolg sein. Das glauben Sie doch selber nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herrn Altmaier sind 25 Prozent zu viel!)


Während Sie weiterhin den Anschein erwecken wol-
len, als hätten wir mit diesem Eintritt in eine professio-
nelle Energiewende versucht, den Ausbau der erneuerba-
ren Energien abzuwürgen, zeigt die Realität, dass das
Gegenteil der Fall ist. Allein in den letzten beiden Jahren

nach der Energiewende gab es erneut einen Zuwachs des
Anteils der erneuerbaren Energien von 5 Prozentpunk-
ten. Wir sind also von knapp 17 Prozent Anteil der er-
neuerbaren Energien in 2010 auf mittlerweile gut 22, 23,
24 Prozent gekommen. Wenn das kein Erfolg sein soll,
dann weiß ich auch nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Marco Bülow [SPD]: Warum wollen Sie ihn dann bremsen, den Erfolg?)


Herr Trittin und meine Damen und Herren von der
Opposition, statt sich über diesen Erfolg zu freuen und
Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister
Rösler dabei zu unterstützen, den Weg professionell wei-
terzugehen,


(Zuruf von der SPD: Tun wir ja im Gegensatz zu Ihnen!)


nutzen Sie das tragische Ereignis mit vielen Toten in Fu-
kushima, um billig mit parteipolitischem Kalkül Wahl-
kampf zu machen.


(Zuruf von der SPD: Das machen nur Sie!)


Der Ausstieg aus der Kernkraft ist beschlossen, und er
wird auch ganz sicher kommen. Die Frage, die sich da-
bei stellt, ist: Wie schaffen wir ihn konkret? Diese Frage
stellt sich insbesondere auch deshalb, weil wir aus heuti-
ger Sicht noch nicht alle Details vorab planen können;
denn viele Entwicklungen – teilweise über die nächsten
Jahrzehnte – sind noch gar nicht klar abschätzbar. Ich
glaube, ein ganz wichtiger Punkt ist – gerade auch, weil
viele Dinge noch nicht abschätzbar sind –, dass wir ins-
gesamt Vertrauen und Akzeptanz schaffen müssen.
Diese Akzeptanz muss auf breiten Schultern basieren.
Da reichen die breiten Schultern unseres Umweltminis-
ters allein nicht aus. Wir müssen sie auf viel breitere
Schultern stellen. Die Wirtschaft muss dahinterstehen,
aber auch unsere Bevölkerung muss sehen, dass wir uns
auf einem Weg befinden, der langfristig erfolgreich sein
kann.

In dieser Woche hat zum Beispiel Die Welt berichtet,
dass möglicherweise ein weiterer Anstieg der EEG-Um-
lage auf gut 6 Cent bevorsteht. Jedem, der sich mit dem
Thema beschäftigt, ist klar, dass wir nicht so weiterma-
chen können wie bisher, sondern dass wir dringend han-
deln müssen, und zwar sehr kurzfristig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen bin ich Umweltminister Altmaier und auch
Wirtschaftsminister Rösler ausgesprochen dankbar, dass
sie Vorschläge unterbreitet und auch einen politischen
Prozess angestoßen haben, wie wir den Anstieg der
Strompreise bremsen können. Über die einzelnen vorge-
brachten Vorschläge können wir hier im Parlament si-
cherlich noch diskutieren, sie beraten, überarbeiten und
an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch korrigie-
ren.


(Marco Bülow [SPD]: Na ja, sofern man das dann noch kann!)






Christian Hirte


(A) (C)



(D)(B)


Aber dem Grunde nach ist doch klar, dass wir etwas tun
müssen, um den Anstieg der Strompreise zu mindern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Ja, Sie müssten langsam mal was tun! Nach dreieinhalb Jahren an der Regierung wäre das mal ganz gut!)


Ein Vorschlag lautet, bei der Industrie anzusetzen,
weil der Börsenstrompreis in den letzten Jahren massiv
gesunken ist. Aber klar ist doch auch, dass nun nicht je-
der bei jedem Vorschlag sagen kann: Gerade an dieser
Stelle geht es aber nicht. – Wenn das der Maßstab wäre,
dann kämen wir überhaupt nicht weiter. Ich denke, dass
der Vorschlag von Peter Altmaier und Philipp Rösler, da-
rüber nachzudenken, was wir bei Altanlagen tun können,
durchaus sinnvoll ist.

Natürlich müssen wir den Vertrauensschutz hier im
Parlament berücksichtigen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt wechseln Sie aber gerade das Thema!)


Aber wir sollten auch darüber nachdenken – das viel-
leicht als Alternativvorschlag –, ob wir nicht durch einen
kleinen zusätzlichen Steueraufschlag auf den Gewinn
der Anlagen diejenigen heranziehen sollten, die beson-
ders stark von den Einspeisevergütungen profitieren, ob
wir also quasi eine Art Strompreis-Soli erheben sollten.
Mit diesen Einnahmen könnte zum Beispiel die Strom-
steuer gesenkt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um insge-
samt Akzeptanz zu erreichen, brauchen wir also die
Wirtschaft, die Bevölkerung, aber auch die Politik. Wir
müssen gemeinsam eine Lösung finden, um eine ver-
nünftige Strompreisentwicklung zu gewährleisten. Las-
sen Sie uns also konstruktiv zusammenarbeiten und da-
für Sorge tragen, dass wir auf Basis der Vorschläge der
Regierung zu einem vernünftigen Ergebnis kommen, das
am Ende der Wirtschaft, den Bürgern, aber auch uns, der
Politik, zugutekommt, und zwar dahin gehend, dass er-
kennbar wird, dass es uns nicht nur um parteipolitisches
Kalkül, sondern auch um die Interessen der Menschen in
unserem Land geht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: „Auch“? Wow!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722902500

Das Wort erhält nun der Kollege Marco Bülow für die

SPD-Fraktion.


Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1722902600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir gedenken heute der vielen Opfer der Erdbeben-
katastrophe und des Tsunamis in Japan, die vor zwei
Jahren die Welt erschütterten. Ich kann mich daran erin-
nern, dass wir vor zwei Jahren bangend vor dem Fernse-
her gesessen und gesehen haben, dass das Erdbeben und
der Tsunami alleine nicht ausreichten, sondern viele
durch die Atomenergie verursachte Gefahren noch oben-
drauf kamen.

Drei Reaktorkerne sind geschmolzen. Immer noch,
zwei Jahre später, ist ein Abklingbecken gefährdet; es
wird nur notdürftig gestützt, und man weiß nicht, ob es
den Druck aushalten wird. 360 000 Kubikmeter Wasser
wurden durch die Kühlung bzw. das Spülen verseucht.
Man weiß nicht, wo man das Wasser lassen soll; auch
heute ist das immer noch ein riesiges Problem. Jeden
Tag werden 400 000 Liter Wasser durch die Reaktoren
gepumpt, und keiner weiß, wo man das Wasser in Zu-
kunft lassen soll. Bis heute sind bereits 100 000 Kubik-
meter radioaktiver Erde abgetragen und erst einmal ir-
gendwo zwischengelagert worden; auch da weiß man
nicht, wo man dieses Material am Ende lagern soll. Das
waren nur ein paar Zahlen, die deutlich machen, dass das
Problem auch zwei Jahre nach der Katastrophe noch im-
mer riesengroß ist.

77 Milliarden Euro mussten bereits aufgewendet wer-
den bzw. werden aufgewendet, um die schlimmsten Aus-
wirkungen der Katastrophe zu beseitigen. Es stehen
noch 300 Milliarden Euro aus, die als Entschädigungs-
leistungen gezahlt werden müssen. Der Haushalt in Ja-
pan ist zwar relativ gut aufgestellt; aber man weiß nicht,
wie man das bezahlen soll. So viel zum Thema der billi-
gen Atomkraft.

Alle Energieunternehmen in Japan sind im Minus und
können nicht mehr wirtschaften. Auf diese Unternehmen
kann sich die Wirtschaft in Japan nicht mehr verlassen.
Viel schlimmer noch: 160 000 Menschen haben ihre
Heimat verloren und wissen nicht, ob sie jemals zurück-
kehren können. Sie sind entwurzelt und haben ihren Job
verloren. Manche Menschen lebten ja von dem Land, auf
dem sie vorher gewohnt haben, und sie werden nur not-
dürftig versorgt. All das sind die Konsequenzen nicht
nur des Tsunamis und des Erdbebens, sondern vor allen
Dingen auch der Reaktorkatastrophe.

Das Allerschlimmste – man muss mit solchen Zahlen
allerdings immer vorsichtig sein –: Bei 133 000 Untersu-
chungen kleiner Kinder wurde in über 55 000 Fällen,
also in über 40 Prozent der Fälle, eine Schilddrüsenver-
änderung festgestellt. Eine solche Veränderung muss
nicht zwangsläufig zu Krebs führen; sie ist aber ein Zei-
chen, dass es dazu kommen kann. Das ist eine erschre-
ckend hohe Zahl. Wen das nicht alarmiert, wer da noch
sagt: „Fukushima war nicht so schlimm: Da ist ein Erd-
beben passiert, da ist ein Tsunami passiert; aber das mit
den Reaktoren war alles nicht so schlimm“,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wer sagt denn so etwas?)


dem spreche ich jedes Gewissen ab.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schon vor einem Jahr mussten wir leider solche Reden
von einem Teil des Hauses hören, und wir werden wahr-
scheinlich auch heute wieder so etwas hören.

Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima haben be-
wiesen, dass der Mensch mit diesen Reaktoren nicht um-
gehen kann, dass das Risiko zu groß ist und vom Men-
schen nicht beherrscht werden kann.





Marco Bülow


(A) (C)



(D)(B)


Diese Störfälle haben gezeigt: Wolken machen nicht
an Grenzen Halt. Das Problem ist also ein globales Pro-
blem; daher müssen diese Themen international behan-
delt werden. Deswegen finde ich es auch richtig, dass die
Grünen den Antrag gestellt haben, zum Beispiel auch
über Reaktoren, die sich in unmittelbarer Nähe zur deut-
schen Grenze befinden, zu sprechen. Wer sagt: „Die
Atompolitik in anderen Ländern geht uns nichts an“, der
muss sich die Frage stellen, ob er hier denn wirklich
deutsche Interessen wahrnimmt, ob er die Interessen der
Bürgerinnen und Bürger, die an der Grenze zu Frank-
reich wohnen, wirklich vertritt, wenn er sagt: Wir mi-
schen uns in die Atompolitik Frankreichs nicht ein.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Frankreich ist ein souveränes Land!)


Nein, es ist unsere Pflicht, darüber zu diskutieren – so
wie wir das bei anderen Themen auch machen, natürlich
auf diplomatische Art und Weise –,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Mit Steinbrück’scher Diplomatie!)


wir müssen uns Sorgen machen, wir müssen dieses
Thema international behandeln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung macht das Gegenteil. Sie steigt
zwar in Deutschland aus der Atomenergie aus; aber für
den Bau von Reaktoren in aller Welt – auch in Erdbeben-
gebieten, auch in Gebieten, wo Tsunamis entstehen kön-
nen – werden weiter Hermesbürgschaften übernommen.
Nur, dass die Brasilianer – Gott sei Dank – gesagt haben,
sie brauchen unser Geld nicht, hilft der Bundesregie-
rung, dass sie da nicht mehr beteiligt ist.

Deutschland gibt weiterhin viel Geld für Euratom aus.
Euratom fördert nicht nur Atomsicherheit, Euratom för-
dert die Atomenergie insgesamt weiter. Es gibt keine
deutsche Initiative, die sagt: Wir müssen damit aufhören,
wir müssen dafür sorgen, dass Euratom insgesamt an-
ders aufgestellt wird, wir müssen Energieeffizienz för-
dern, Erneuerbare fördern. – Nein, die Bundesregierung
fördert international weiterhin in erster Linie die Atom-
energie. Deswegen fordern wir ein Verbot solcher Her-
mesbürgschaften,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und wir fordern eine Umgestaltung von Euratom. Sie
können unseren Anträgen da gerne einmal folgen!

Die Koalition spricht hier von der Energiewende.
Herr Hirte hat die Geschichtsklitterung mittlerweile so
weit betrieben, zu behaupten, dass die Energiewende ei-
gentlich schon vor Fukushima eingeleitet worden sei.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Ja! – Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ja!)


Welche Energiewende denn? Das, was Sie vor Fuku-
shima eingeleitet haben, war die Verlängerung der Lauf-
zeiten der Atomkraftwerke in Deutschland. Sie hatten

den Atomausstieg beendet und waren wieder eingestie-
gen in diese Technologie; das ist vor Fukushima passiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schön – das haben wir hier mehrfach betont –,
dass Sie nach Fukushima dazugelernt haben;


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu spät!)


aber das reicht nicht aus, um eine Energiewende einzu-
leiten.


(Christian Hirte [CDU/CSU]: Richtig! Es braucht mehr dazu!)


In Deutschland steigen Sie aus der Atomenergie aus, eu-
ropäisch fördern Sie die Atomenergie jedoch weiter. Die
Erneuerbaren bremsen Sie aus, und bei Energieeffizienz
passiert gar nichts.

Auf den Homepages der beiden Ministerien kann man
sich anschauen, wie viel in Sachen Energieeffizienz pas-
siert ist: Die meisten Papiere stammen noch aus der Zeit,
wo Sie noch nicht an der Regierung waren.

Die Minister sitzen jetzt einträglich nebeneinander.
Sonst hört man jeden Tag aus dem Wirtschaftsministe-
rium etwas anderes als aus dem Umweltministerium.
Der Wirtschaftsminister sagt etwas, der Umweltminister
etwas anderes. Das hat uns im Umweltausschuss dazu
verleitet, beide Minister einzuladen. Es war natürlich
nicht möglich, sie auf einen Sitz zu kriegen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herr Altmaier hätte Herrn Rösler auf den Schoß nehmen können!)


Die Minister sind nacheinander zu uns gekommen. Herr
Altmaier hat im Prinzip das Gegenteil gesagt von dem,
was Herr Rösler im Ausschuss eine Stunde zuvor gesagt
hat. Das zeigt Ihre „Einigkeit“ in der Energiepolitik; die
gibt es in dieser Bundesregierung nämlich nicht. Die Ei-
nigkeit besteht allenfalls darin, dass Sie uneinig sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Einzige, wo Sie einig sind, ist – Herr Trittin hat es
schon gesagt –, die Erneuerbaren zu bremsen. Sie nen-
nen es die Strompreisbremse. Ich glaube, es gibt im Um-
welt- und im Wirtschaftsministerium Berater, die Ihnen
gesagt haben: Es gibt beim Heizölpreis einen Anstieg; es
gibt beim Benzinpreis einen Anstieg. – Dort gibt es kein
EEG. Ein Kollege von der Union hat deswegen zu Recht
im Ausschuss gefragt – Herr Rösler war, glaube ich, da-
bei –: Wo, bitte schön, bleibt denn dann die Heizölpreis-
bremse und die Benzinpreisbremse? – Dazu haben wir
von Ihnen nichts gehört. Vielleicht können Sie ja heute
etwas dazu sagen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür hat er eine App!)






Marco Bülow


(A) (C)



(D)(B)


Ich möchte enden mit einem Zitat von Herrn Töpfer
– ich hoffe, dass wir dabei nicht stehen bleiben –, der
einmal gesagt hat:

Die Lobbyisten der Vergangenheit sind stärker als
die Lobbyisten der Zukunft.

Im Energiebereich hat das jahrelang nicht gegolten: weil
wir die Erneuerbaren ausgebaut haben, weil wir einen
Atomausstieg gewagt haben. Aber im Augenblick habe
ich das Gefühl, Sie wollen keine Energiewende, Sie wol-
len zurück zum Atom; einige Stimmen haben wir dazu
schon gehört. Sie wollen die Erneuerbaren ausbremsen
und am Ende sagen: Sehen Sie, es klappt doch alles
nicht; wir müssen die Atomanlagen länger laufen lassen. –
Das ist Ihre Politik. Wir werden versuchen, das zu ver-
hindern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722902700

Als nächster Redner hat jetzt der Kollege Michael

Kauch von der Fraktion der FDP das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1722902800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst

möchte ich doch noch einmal festhalten, wie unerträg-
lich ich es finde, dass die Parteivorsitzende von Bünd-
nis 90/Die Grünen, Claudia Roth, die es nicht einmal für
nötig hält, hier heute in die Debatte zu kommen, sich
hinstellt und behauptet, es gebe 16 000 Tote wegen Fu-
kushima. Hier wird ganz bewusst die Unwahrheit gesagt,
um das Thema „nach oben zu ziehen“. Das finde ich aus-
gesprochen unanständig, meine Damen und Herren von
den Grünen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich möchte auch festhalten, dass es die schwarz-gelbe
Regierung ist, die schneller als Rot-Grün aus der Kern-
kraft aussteigt.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben diese Beschlüsse gefasst.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Ich komme nun zu dem, was der Kollege Trittin ge-
sagt hat. Er hat davon gesprochen, wie toll Sie die erneu-
erbaren Energien ausgebaut haben.

Im letzten Jahr von Herrn Trittin als Umweltminister
lag der Anteil der erneuerbaren Energien bei 10 Prozent.
In der gesamten letzten Wahlperiode, in der Sie Umwelt-
minister waren, haben Sie den Anteil der erneuerbaren
Energien um 2,3 Prozentpunkte gesteigert.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch weit unter Ihrem Niveau!)


Es gab dann den Umweltminister Gabriel, den heuti-
gen SPD-Vorsitzenden. Der Anteil der erneuerbaren
Energien lag zu seiner Zeit bei 16 Prozent; der Zubau
betrug 6,3 Prozentpunkte.

Die Bilanz dieser Koalition sieht so aus: 25 Prozent
Anteil am Strom, plus 8 Prozentpunkte. Wir sind besser,
als Sie es je waren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das wird ganz besonders deutlich, wenn wir uns ein-
mal angucken, was Sie zum Beispiel in Bezug auf den
Solarstrom gemacht haben: Der Zubau unter Herrn
Trittin betrug 2005 0,9 Gigawatt. Im letzten Minister-
jahr von Herrn Gabriel betrug er 3,8 Gigawatt.

Diese Koalition hat die Gesamtinstallation von 2009
in Höhe von 9,9 Gigawatt auf über 30 Gigawatt mehr als
verdreifacht. Und da behaupten Sie, wir würden die Er-
neuerbaren stoppen! Das Gegenteil ist der Fall. Nie war
der Ausbau der erneuerbaren Energien so stark wie unter
der christlich-liberalen Koalition.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brüderle!)


Dass wir es trotz dieses dynamischen Ausbaus, der
Verdreifachung der Solarkapazität, geschafft haben, die
Vergütungssätze um über 60 Prozent abzusenken, zeigt,
dass man an dieser Stelle auch die Kosten im Griff be-
halten kann.

Sie haben uns bei jeder Kürzung gesagt: Es wird
nichts mehr installiert. – Das Gegenteil war der Fall.
Nach jeder Kürzung ging der Ausbau weiter. Das zeigt
doch: Sie haben keine Ahnung vom Markt. Sie wollen
nur entsprechend hohe Vergütungssätze für diejenigen
erhalten, die davon profitieren, für Ihre Klientel. Wir
denken an die Bürgerinnen und Bürger und schaffen es
gleichzeitig, dass die Erneuerbaren nicht abgewürgt wer-
den.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, die Ausbauzahlen zeigen
auch, dass die erneuerbaren Energien erwachsen werden,
und wer erwachsen wird, dem muss man auch mehr ab-
verlangen können. Das bedeutet, dass die Produzentin-
nen und Produzenten von Solarstrom und von Strom aus
anderen erneuerbaren Energien auch Verantwortung für
die Versorgungssicherheit übernehmen müssen.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Machen Sie doch konkrete Vorschläge!)


Deshalb ist es richtig, dass wir stärker in Richtung Di-
rektvermarktung gehen. Sie müssen sich, wie jeder an-
dere Produzent von Gütern in diesem Land auch, einen
Kunden für ihren Strom suchen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Rolf Hempelmann [SPD]: Kein Vorschlag von euch ist auf dem Tisch!)






Michael Kauch


(A) (C)



(D)(B)


Wir müssen auch daran denken, dass die Förderung
der erneuerbaren Energien von jemandem bezahlt wer-
den muss.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Atomstrom muss auch von jemandem bezahlt werden!)


Deshalb ist es nicht irrelevant, dass wir über Kosten
sprechen. Viele Bürgerinnen und Bürger könnten es sich
eben nicht leisten, wenn die Kosten ungebremst steigen
würden. Deshalb ist es richtig, dass der Bundeswirt-
schaftsminister und der Bundesumweltminister hier ent-
sprechende Vorschläge gemacht haben.

Wir denken die erneuerbaren Energien anders als Sie.
Wir denken sie stärker als Energiesystem, und wir den-
ken daran, dass das Ganze am Schluss auch jemand be-
zahlen muss.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Denken! Denken! Aber machen tun Sie nichts!)


Das ist vernünftige, rationale Energiepolitik.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP – Rolf Hempelmann [SPD]: Dann legen Sie doch mal was auf den Tisch!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722902900

Für die Fraktion die Linke spricht jetzt die Kollegin

Dorothée Menzner.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722903000

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Fukushima zu ler-
nen, heißt nicht: AKW müssen sicherer werden. Nein,
sie gehören abgeschaltet, und zwar unverzüglich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Atomenergie ist ein globales Problem. Kein Land dieser
Welt weiß, wohin mit seinem strahlenden Müll. Die
Atomkonzerne sind globale Konzerne, und die Strahlung
ist ebenfalls global. Sie macht an keiner Ländergrenze
halt.

Die Folgen sind langfristig, wenn es zu einem Unfall
kommt. Das wissen wir aus eigener leidvoller Erfahrung.
Für diejenigen von Ihnen, die es vielleicht nicht wissen:
Bis heute, 27 Jahre nach Tschernobyl, müssen neun von
zehn in Teilen des Bayerischen Waldes gejagten Wild-
schweinen vernichtet werden, weil sie zu hoch mit
Strahlen belastet sind. Und das nach 27 Jahren!

Deutschland ist nach wie vor ein Teil des Problems.
Ja, es ist richtig: Vor zwei Jahren haben wir hier einen
Beschluss zum Ausstieg gefasst. Neun AKW sind da-
mals vom Netz gegangen. Aber der Ausstieg erfolgte
nicht schnellstmöglich. Wir als Linke haben nachgewie-
sen, dass er deutlich zügiger und schneller möglich ge-
wesen wäre.

Der Ausstiegsbeschluss, der damals gefasst wurde, ist
nicht unumkehrbar. Das heißt, jede neue Parlaments-
mehrheit kann ihn revidieren. Außerdem erleben wir,
dass der Druck auf uns alle, diese Meinung zu ändern,
sehr groß ist.

Und: Deutschland ist nach wie vor globaler Player im
nuklearen Geschäft. Ich möchte das an einigen Beispie-
len deutlich machen: Die Urananreicherungsanlage in
Gronau produziert weit mehr, als die deutschen Anlagen
brauchen. Weiter sind zu nennen: die Brennelementepro-
duktion in Lingen, der Export von Atomkraftwerkstech-
nik und Investitionen in AKW in anderen Ländern; hier
möchte ich als Beispiele nur Brasilien, die Türkei und
Saudi-Arabien anführen.

Des Weiteren ist Deutschland nach wie vor Teil des
Euratom-Vertrags. Wir nehmen aber keine Initiativen
wahr, um diesen Vertrag aufzulösen oder aus dieser Staa-
tengemeinschaft, die sich zum Ziel gesetzt hat, Atom-
kraft zu fördern und auszubauen, auszusteigen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wären Sie bei der Anhörung dabei gewesen, wüssten Sie, dass das nicht geht!)


Ich sehe von dieser Bundesregierung keine Initiative
dazu.

Gerade neulich haben wir im Umweltausschuss ge-
hört, dass sich die Bundesregierung auf das Prinzip der
Nichteimischung beruft, wenn wir an die Gefahren erin-
nern, die von maroden, alten Kraftwerken in anderen
Ländern dicht hinter der deutschen Grenze ausgehen.

Ich habe am Montag deutsche Initiativen im Saarland
besucht, die sich mit Cattenom beschäftigen. Es schau-
dert einen, wenn man ihre Berichte über Cattenom hört,
wenn sie berichten, dass die Anlage nur alle zehn Jahre
einer Grundrevision unterzogen wird, wenn sie von frei-
liegenden Armierungsstählen an der Betonkuppel be-
richten, wenn sie berichten, dass bei der Revision zwei
Arbeiter tödlich verletzt wurden, weil ein Gerüst nicht
richtig verankert war. Klar, das ist kein nuklearer Unfall,
aber wenn solche Unfälle passieren, deutet dies zumin-
dest auf Sicherheitsmängel hin. Dann möchte ich nicht
wissen, wie es im nuklearen Teil der Anlage aussieht.

Herr Altmaier, ich gehe davon aus, dass Sie als Saar-
länder dies und noch eine ganze Menge mehr berichten
und uns erzählen könnten. Aber Wissen allein reicht
nicht aus. Handeln ist das Gebot der Stunde nach all den
Erfahrungen, die die Menschheit mit dieser Technik in
den letzten Jahren und Jahrzehnten machen musste: in
Sellafield, in Harrisburg, in Tschernobyl und in Fuku-
shima.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich meine, es waren genug dramatische Unfälle, die rei-
chen sollten, dass die Menschheit dazulernt.

Vor zwei Jahren haben wir hier alle unsere Trauer und
Solidarität mit den Japanerinnen und Japanern bekundet.
Ich war seither viele Wochen und zu verschiedenen Ter-
minen in ganz Japan unterwegs. Es ist richtig: Japan
braucht unsere Solidarität, und zwar nach wie vor.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)






Dorothée Menzner


(A) (C)



(D)(B)


Gerade gestern habe ich mit einer japanischen Dele-
gation hier im Haus gesprochen. Sie haben mir berichtet,
dass der deutsche Atomausstieg damals zwar eine große
Hoffnung verbreitet hat, dass sie aber das Gefühl haben:
Wir kommen nicht weiter. – Sie wünschen sich Unter-
stützung und Solidarität beim Ausbau erneuerbarer
Energien in Japan. Wir alle wissen, dass dieses Land auf-
grund von Sonne, Wind und Gezeiten dafür noch viel
besser geeignet ist als Deutschland.

Die Japaner waren ganz erstaunt, als sie hörten, dass
erneuerbare Energien bei uns inzwischen ein Arbeits-
marktmotor sind. Es ist in Japan nämlich nicht bekannt,
dass es in diesem Bereich fast 400 000 Arbeitsplätze
gibt. Das ist ein Argument in einem Land, das von einer
Wirtschaftskrise geschüttelt wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Japan braucht Unterstützung bei der gesundheitlichen
Versorgung; IPPNW hat diese Woche dramatische Zah-
len vorgelegt. Japan braucht weiter Unterstützung und
Solidarität bei der Bewältigung des Desasters. Selbst
Tepco rechnet mit 40 Jahren, bis die Anlage zurückge-
baut und stabil ist. Nicht zuletzt die fast 80 Prozent der
Japanerinnen und Japaner, die sich jetzt gegen Atom-
kraft wenden, brauchen unsere Solidarität und die Unter-
stützung der deutschen Anti-AKW-Bewegung.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marco Bülow [SPD])


Der deutsche Miniausstieg hat in Japan Mut gemacht.
Ich finde, wir sollten die richtigen Konsequenzen ziehen
und unseren Ausstieg konsequent fortschreiben und was-
serdicht machen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marco Bülow [SPD])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722903100

Das Wort hat jetzt der Bundesumweltminister Peter

Altmaier.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Fukushima war mehr als ein tragischer techni-
scher Unfall. Fukushima war eine Zeitenwende. Ich per-
sönlich bin überzeugt, dass wir eines Tages, im Abstand
von 20, 30 oder 40 Jahren, feststellen werden, dass mit
dem Tag des Unfalls von Fukushima die Kernenergie
keine Zukunft mehr hatte und die Entwicklung – auch
weltweit – zum ersten Mal nicht nur auf einen weiteren
Ausbau, sondern in Richtung auf einen Ausstieg aus der
Kernenergie eingeleitet wurde.

Ganz sicher war es das Ende der Kernenergie in
Deutschland. Wir haben in Deutschland die Konsequen-
zen gezogen, und wir haben sie mit großer und mit ein-
drucksvoller Mehrheit gezogen. Es gibt keine andere
Frage, die in der deutschen Innenpolitik in den letzten

30 oder 40 Jahren so heftig umstritten war wie die Frage
der friedlichen Nutzung der Kernenergie.

Ich weiß, wie schwer es vielen meiner Kollegen und
teilweise auch mir selber gefallen ist, nachdem wir über
30 oder 40 Jahre mit dafür gesorgt haben, dass Kern-
energie in Deutschland sicher und ohne schwere Unfälle
und Zwischenfälle genutzt worden ist, zu sagen: Wir zie-
hen einen Schlussstrich, weil wir nach Fukushima über-
zeugt sind, dass diese Energieart langfristig technisch
nicht sicher beherrschbar ist, und weil wir einen Beitrag
zum gesellschaftlichen Frieden leisten wollen.

Lieber Kollege Trittin, ich hätte mir an einem Tag wie
heute auch gewünscht, dass wir einmal nicht nur polari-
sieren und polemisieren, sondern anerkennen, welche
die demokratischen Parteien übergreifende Kraft diesem
Parlament innewohnt, dass es zu solchen richtunggeben-
den Entscheidungen fähig ist.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Elf Jahre früher wäre besser gewesen!)


Deshalb wäre es vielleicht gut gewesen, wenn Sie an
diesem Tag einmal keine Wahlkampfrede, sondern eine
staatsmännische Rede gehalten hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Wir freuen uns über reuige Sünder!)


Ich sage Ihnen voraus – ich bin in Gesprächen mit un-
seren Partnern in Europa, aber auch weltweit –, dass bei
der Frage, wann und in welchen Schritten auch andere
Länder den Ausstieg aus der Kernenergie in Angriff neh-
men und den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Ener-
gien finden, viel davon abhängt, wie es uns in Deutsch-
land gelingt, nicht nur mit dem Ausstieg fertig zu
werden, sondern auch unsere Energieversorgung schritt-
weise auf erneuerbare Energien umzustellen.

Lieber Kollege Trittin, da möchte ich Sie auf einen
Irrtum hinweisen. Die Energiewende für erneuerbare
Energien, die Sie wollen, die ich möchte, die wir alle
wollen,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Die Sie elf Jahre blockiert haben!)


ist nicht dann ein Erfolg, wenn das letzte Kohlekraft-
werk und das letzte Atomkraftwerk geschlossen und
durch Windräder und Solardächer ersetzt sind, sondern
dann, wenn wir diese Energiewende so organisieren,
dass Deutschland eine umweltverträgliche, CO2-neutrale
Energieversorgung hat und immer noch eine der wettbe-
werbsfähigsten Volkswirtschaften dieser Welt ist; denn
nur dann werden andere Länder diese Energiewende
übernehmen und bei sich umsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich hätte mich gefreut, lieber Kollege Trittin, wenn all
die Hausaufgaben, die dafür notwendig sind, gemacht
worden wären. Dann hätte ich jetzt viel mehr Zeit, um
für die Energiewende zu werben.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben das elf Jahre aktiv bekämpft! Elf Jahre lang!)






Bundesminister Peter Altmaier


(A) (C)



(D)(B)


Das tue ich sowieso. Aber wir wussten bereits im Jahr
2000 – wenn Sie Ihren eigenen Anspruch ernst genom-
men haben, wussten Sie das –, wie viele Leitungen wir
bei einem erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren im
Jahr 2013 brauchen würden. Wenn man weiß, dass es
zehn Jahre dauert, um eine solche Leitung zu bauen,
dann frage ich mich: Wo sind denn Ihre Leitungen heute,
Leitungen, die wir dringend bräuchten, damit Strom
nicht abgeregelt werden muss, sondern denen zugute-
kommt, die ihn brauchen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat das im Bundesrat verhindert? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat es verhindert? – Gegenruf von der SPD: Das war der Wirtschaftsminister!)


Lieber Kollege Trittin, es war doch klar, dass die ers-
ten 25 Prozent erneuerbare Energien eine ganz andere
Herausforderung darstellen als die zweiten 25 Prozent.
Wenn man erneuerbare Energien zu Beginn mit hohen
Subventionen und Zuschüssen ermuntert, in den Markt
einzutreten,


(Zuruf von den LINKEN: So wie Atomkraft!)


dann stellt das für die Menschen insgesamt keine große
Belastung dar. Wenn Sie aber 25 Prozent, 30 Prozent,
40 Prozent oder 50 Prozent erneuerbare Energien haben
und Geld für Einspeisevergütungen und das Bereithalten
von Reservekapazitäten in einer Größenordnung zahlen,
die deutlich über dem Börsenstrompreis liegt, der in an-
deren Ländern bezahlt wird, dann ist das nicht neutral
für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Deshalb sind
das keine Peanuts, sondern zentrale Fragen der Energie-
wende. Sie haben das nicht geschafft. Wir werden Ihnen
zeigen, wie das geht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
über Zahlen diskutiert. Ich habe als Umweltminister mit
großem Interesse die Aussagen meiner Vorgänger gele-
sen – Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel –, welche Kos-
ten die Energiewende für den Stromkunden verursacht.
Wenn Sie jetzt sagen, die Zahlen des Kollegen Altmaier
würden von Instituten infrage gestellt und kritisiert, dann
wissen Sie: Das sind zum Teil genau die Institute, deren
Prognosen in den letzten zehn Jahren mit aller Regelmä-
ßigkeit falsch waren. Das beeindruckt mich nun über-
haupt gar nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es waren dieselben Experten, die uns noch vor einiger
Zeit gesagt haben: Der Preis für eine Kilowattstunde
wird nicht über 3,5 Cent steigen. Es waren dieselben Ex-
perten, die gesagt haben: Die Börsenstrompreise werden
weltweit steigen, und mit dem, was wir dann über die
Differenzkosten erlösen, können wir den Neuausbau aus
der Westentasche finanzieren.

Tatsächlich sind die Börsenstrompreise weltweit im
Sinkflug. Tatsächlich steigen die Differenzkosten. Tat-
sächlich muss der Stromkunde in diesem Jahr voraus-
sichtlich 20 Milliarden Euro für Einspeisevergütungen
zahlen, und der Betrag steigt in den nächsten Jahren re-
gelmäßig an.


(Ulrich Kelber [SPD]: Warum gehen Sie nicht mal da dran?)


Deshalb ist die Frage der Bezahlbarkeit elektrischer
Energie nicht nur eine Frage, die viele Rentnerinnen und
Rentner und Familien mit niedrigen Einkommen betrifft;


(Rolf Hempelmann [SPD]: Wo ist Ihr Konzept?)


es ist eine Frage, die unsere Volkswirtschaft insgesamt
berührt, und deshalb muss sie gelöst werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Marco Bülow [SPD]: Das ist ja eine „staatstragende“ Rede! – Weiterer Zuruf von der SPD: Handeln Sie doch mal!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kol-
lege Kelber, ich habe nicht nur Vorschläge für die Strom-
preisbremse gemacht,


(Ulrich Kelber [SPD]: Aber nicht für die Differenzkosten!)


die darin bestehen, dass man irgendwo etwas einspart;
ich habe auch Vorschläge gemacht, um die Bemessungs-
grundlage zu verbreitern. Dazu gehört, dass wir die Aus-
nahmen für energieintensive Unternehmen zum ersten
Mal seit 13 Jahren nicht weiter ausweiten, sondern ein-
schränken.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat es denn ausgeweitet? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich! – Rolf Hempelmann [SPD]: Das Oberlandesgericht zwingt Sie doch dazu!)


Diese Vorschläge habe ich gemacht. Wir verhandeln in-
zwischen mit den Ländern darüber.


(Ulrich Kelber [SPD]: Bundesgesetz! Sie sind der Minister!)


Ich warte bis zum heutigen Tag auf ein gemeinsames
Konzept von SPD- und grün-regierten Ländern und Ih-
ren Bundestagsfraktionen dazu, an welcher Stelle ge-
spart werden soll und wie Sie Ihre lautstarken Ankündi-
gungen in die Praxis umsetzen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Abmahnen! Klassenbucheintrag wegen Arbeitsverweigerung! – Weiterer Zuruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD])


Tatsächlich geht es bei Ihnen zu wie bei Hempels unterm
Sofa, und Sie sind sich in keiner dieser Fragen einig.





Bundesminister Peter Altmaier


(A) (C)



(D)(B)



(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, wie es bei Ihnen unterm Schreibtisch zugeht!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich biete Ih-
nen eines an: Wenn wir gemeinsam überzeugt sind, dass
die Energiewende richtig ist, wenn wir es gemeinsam für
einen Erfolg halten, dass wahrscheinlich in diesem Jahr
in Deutschland mehr erneuerbarer Strom produziert
wird, als es bislang der Fall war, wenn wir wollen, dass
die Energiewende weitergeht, wenn wir wollen, dass der
Standort Deutschland nach Abschluss der Energiewende
nicht schwächer, sondern stärker dasteht, wenn wir all
das wollen, dann haben wir auch ein gemeinsames Inte-
resse daran, nicht nur die Frage der Preisentwicklung aus
dem Wahlkampf herauszuhalten,


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn? Sie machen die ganze Zeit Wahlkampf, statt zu arbeiten!)


sondern auch dafür zu sorgen, dass die Entwicklung so
organisiert wird, dass der Strom in Deutschland heute,
morgen und übermorgen bezahlbar ist.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das doch versemmelt!)


Sie haben die Chance, dabei mitzumachen. Wir werden
Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Marco Bülow [SPD]: Das war eine „staatstragende“ Rede! Hört! Hört!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722903200

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr. Matthias Miersch.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1722903300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Altmaier, so staatstragend war das eben
nicht.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Eines kann ich Ihnen schon versprechen: Aus dem Wahl-
kampf werden wir dieses Thema ganz bestimmt nicht
heraushalten; denn an keinem anderen Thema kann man
so deutlich die Unzulänglichkeit der schwarz-gelben Re-
gierung dokumentieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Man merkt Ihnen an, wie Sie sofort anspringen und
wie sehr Sie hier Ihre Energiepolitik rechtfertigen. Denn
Sie haben ein großes Problem: Sie müssen Ihre Persön-
lichkeitsspaltung, die Sie bei der Energiepolitik in dieser
Legislaturperiode zwangsläufig durchlitten haben, in ir-
gendeiner Form bewältigen. Das klappt natürlich nicht.
Ich bin mir sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger Ih-

nen das nicht durchgehen lassen; denn, Herr Minister
Altmaier, es ist erst zwei Jahre her, dass Sie an diesem
Pult standen und als Parlamentarischer Geschäftsführer
der CDU/CSU in einer Geschäftsordnungsdebatte die
Laufzeitverlängerung zugunsten der Atomkraftwerke
gerechtfertigt haben. Sie haben damals das entspre-
chende Gesetz als das umweltfreundlichste Gesetz, das
jemals in Deutschland beschlossen worden ist, bezeich-
net. Das waren Sie vor zwei Jahren, Herr Minister
Altmaier.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Damit, Herr Kauch, hängt natürlich auch das zusam-
men, was wir seit 2000, seit dem rot-grünen Atomaus-
stiegsbeschluss, erlebt haben. Sie haben seit 2000 – nicht
Sie persönlich, weil Sie damals noch nicht Mitglied des
Deutschen Bundestags waren, wohl aber Schwarz-Gelb –
alles blockiert, was die Energiewende in Deutschland
heute viel besser hätte aussehen lassen. Sie haben immer
weiter auf die Atomenergie und die Kohleenergie gesetzt
und den Ausbau der Erneuerbaren verhindert, und zwar
in jeder Abstimmung, die wir hier durchgeführt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Meierhofer [FDP]: Wir haben mehr ausgebaut, als Sie es sich je erträumt hätten! Sie haben nichts ausgebaut! Das ist lächerlich!)


Lieber Herr Meierhofer, es sind nicht Ihre Erfolge.
Der Ausbau der Erneuerbaren, den wir heute feiern kön-
nen – das machen wir ganz deutlich –, ist nicht auf Ihre
Politik zurückzuführen. Trotz Ihrer Politik bauen wir die
Erneuerbaren aus, ich betone: trotz Ihrer Politik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Meierhofer [FDP]: Sie machen gar nichts!)


Was Sie in den letzten dreieinhalb Jahren in einem
zentralen Punkt, der alle Bürgerinnen und Bürger sowie
die Wirtschaft betrifft, geschaffen haben, ist Verunsiche-
rung. Diese Verunsicherung, Herr Minister Altmaier,
können wir bis zum heutigen Tag spüren. Sprechen Sie
mit Investoren aus dem Bereich der Erneuerbaren. Diese
werden Ihnen sagen: Die Banken finanzieren nichts
mehr, weil wir nicht mehr wissen, was Regierungspolitik
ist, weil wir nicht wissen, wie verlässlich die Pläne sind.
Im Zweifelsfall können wir die Pläne gar nicht erkennen,
weil zwischen Wirtschaftsministerium und Umwelt-
ministerium keine Abstimmung erfolgt. – Das ist Ihre
Politik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Minister Altmaier, wenn wir schon bei der
staatstragenden Rede sind, dann muss ich sagen, dass
Tage wie heute bzw. solche Wochen dazu dienen müss-
ten, den Menschen zu erklären, warum wir von der
Atomkraft weg wollen. Sie hätten zum Beispiel einmal
auflisten können, welche volkswirtschaftlichen Kosten
damit verbunden wären, wenn wir diesen Weg nicht gin-





Dr. Matthias Miersch


(A) (C)



(D)(B)


gen. Uns liegen die Berechnungen von Sir Nicholas
Stern vor, die aufzeigen, welche volkswirtschaftlichen
Kosten entstünden, wenn wir nicht umsteuern und in Eu-
ropa und weltweit weiter auf klimaschädliche Kohlepoli-
tik setzen. Anhand der volkswirtschaftlichen Folgelasten
von Fukushima können wir genau sagen, was es für die
Allgemeinheit, für die Steuerzahler etc. bedeutet, wenn
wir nicht umsteuern und solche Unfälle billigend in Kauf
nehmen. Was aber machen Sie? Sie sprechen nicht von
diesen Folgen, sondern malen eine völlig unsubstan-
ziierte Zahl von 1 Billion Euro Folgekosten an die
Wand. Das ist nicht staatsmännisch. Das ist eines Um-
weltministers nicht würdig. Sie müssen für diese Ener-
giewende brennen und dürfen sie nicht verteufeln, lieber
Herr Kollege Altmaier.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie muss aber auch bezahlbar sein!)


– Ja, Herr Goldmann. Sie bekommen eine Antwort da-
rauf. Wenn Sie sagen, dass das bezahlbar sein muss,
dann begehen Sie gleich den nächsten Fehler. Sie verteu-
feln die Energiewende wiederum, wenn Sie sagen, dass
sie angeblich nicht bezahlbar sei. Meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen, lieber Herr Kollege Goldmann, wer
meint, dass die alte Energiepolitik – Kohle und Atom –
billig gewesen sei und erneuerbare Energien etwas kos-
ten, der lügt. Das sage ich hier an dieser Stelle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auf Seite 1 des Papiers, das der Kollege Herr
Altmaier vorgelegt hat, steht: All das, was ich hier vor-
stelle, kann dazu führen, dass der Strompreis weiter an-
steigt. – Warum schreiben Sie das? Sie schreiben das,
weil Sie an die Wurzel des Übels nicht herangehen. Die
Erneuerbaren senken augenblicklich Großhandelspreise
etc. Aufgrund der Systematik kommt diese Senkung bei
den Verbraucherinnen und Verbrauchern aber nicht an.
An dieser Stelle hätten Sie ansetzen müssen, Herr Minis-
ter, und dafür sind Sie zuständig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE])


Wir erleben aber genau das Gegenteil.

Das konnten wir auch in der Sitzung des Umweltaus-
schusses des Deutschen Bundestages in dieser Woche
feststellen. Wir haben Sie und Herrn Rösler eingeladen,
um von Ihnen zu hören, welche Strategie Sie verfolgen.
Das Erste ist – und das zeigt eigentlich schon alles –,
dass Sie nicht bereit gewesen sind, gemeinsam vor dem
Umweltausschuss aufzutreten. Herr Trittin hat sicherlich
auch seine Erfahrungen damit gemacht. Zwischen Um-
weltministerium und Wirtschaftsministerium gibt es im-
mer Reibung. Wenn diese Reibung aber genutzt wird,
kann sie Wärme erzeugen, und dann ist das positiv. Sie
aber gehen absolut planlos vor.

Zweitens haben Sie kein Konzept. Das erkennt man
am besten an dem von Ihnen eingerichteten Energie- und
Klimafonds, mit dem Sie eigentlich Klimaschutzpro-
jekte bzw. Energiewendeprojekte fördern wollen. Wir
sagen Ihnen seit mindestens zwei Jahren, dass das nicht
funktioniert, weil Sie die Einnahmen, die Sie an die
Wand gemalt haben, niemals erzielen werden. Erst woll-
ten Sie die Einnahmen von den Atomkonzernen auf-
grund der Laufzeitverlängerung. Jetzt wollen Sie diese
Einnahmen durch den Emissionshandel erzielen. Beides
klappt aber nicht. Wir haben in diesem Fonds, mit dem
die Energiewende organisiert werden soll, augenblick-
lich eine Lücke von über 1 Milliarde Euro in diesem Jahr
und von noch einmal mindestens 1 Milliarde Euro im
nächsten Jahr. Herr Minister Altmaier, wir haben Sie ge-
fragt, wie Sie hier vorgehen wollen. Sie haben keine
Antwort.

Das ist ein Symbol schwarz-gelber Energiepolitik: Sie
können das einfach nicht. – Hoffentlich geht es ab Sep-
tember mit einer anderen, mit einer originalen Politik
weiter. Deswegen streiten wir hier. Sie haben in der
Energiepolitik kläglich versagt.

Danke.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722903400

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Angelika Brunkhorst.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1722903500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte das Hauptaugenmerk meiner Rede auf einen
ganz anderen Teil der Debatte richten, nämlich auf den
in der Tagesordnung zuletzt genannten Antrag der Grü-
nen, über den heute immerhin namentlich abgestimmt
werden soll. Davon war bisher noch gar nicht die Rede.
In diesem Antrag wird die unverzügliche Stilllegung der
Kraftwerke in Cattenom und Fessenheim gefordert. Es
gab eine ganze Reihe anderer Anträge dazu. Ich komme
nachher auch noch auf die Vergangenheit zu sprechen.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die EU jedem
Mitgliedstaat das Recht einräumt, die Struktur seiner
Energieversorgung eigenverantwortlich und souverän zu
bestimmen. Deutschland hat, wie wir wissen, nach den
Erkenntnissen der Katastrophe von Fukushima 2011 ent-
schieden, acht Kernkraftwerke sofort stillzulegen und
weitere neun Kernkraftwerke beschleunigt bis 2022 vom
Netz zu nehmen. Wir wollen möglichst umgehend eine
bezahlbare, sichere und ökologische Energieversorgung
forcieren, die weitgehend auf erneuerbaren Energien ba-
siert. Dazu stehen wir auch. Da kann sich Herr Miersch
noch so aufregen. Es ist auch gar nicht gesund, sich so in
Rage zu reden, ganz nebenbei bemerkt. Wir sind auf ei-
nem guten Weg.





Angelika Brunkhorst


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall des Abg. Michael Kauch [FDP] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war engagiert! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Machen Sie sich keine Sorgen!)


In Frankreich gibt es eine ganz andere Entscheidung,
auch wenn es mit Herrn Hollande dort einen anderen
Staatspräsidenten gibt. Auch wenn er gesagt hat, er
wolle den Anteil der Kernenergie auf 50 Prozent zurück-
führen, muss man doch erkennen, dass Frankreich nach
wie vor vorwiegend auf die friedliche Nutzung der Kern-
energie setzt. Deshalb nützt es gar nichts, wenn Sie in Ih-
rem Antrag immer wieder von der Hochrisikotechnolo-
gie sprechen. Das wird nicht dazu geeignet sein, die
Souveränität Frankreichs infrage zu stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])


Es gibt viele souveräne Staaten in Europa. Es gibt
welche, die gar nicht auf Kernkraft gesetzt haben, und es
gibt andere, die es getan haben. Es gibt sicherlich auch
Staaten, die erstaunt oder sogar anerkennend auf
Deutschland schauen und sehen, wie wir das hier regeln.
Sie räumen vielleicht ein, dass sie die Energiewende
nicht wie Deutschland auf den Weg gebracht haben; aber
bei aller Anerkennung, die sie vielleicht für das deutsche
Modell haben, wollen sie deshalb nicht automatisch das
deutsche Modell adaptieren.

Es gibt ganz klare Zuständigkeiten für die sicherheits-
technischen Regelungen. Die Bundesregierung hat nun
einmal nicht die Zuständigkeit, die sicherheitstechni-
schen Kriterien der französischen Anlagen zu bewerten.
Die Richtlinie 2009/71/EURATOM des Rates vom
25. Juni 2009 bestimmt, dass die sicherheitstechnische
Bewertung der Anlagen von den jeweiligen Staaten auf
der Basis der nationalen Regelwerke vorzunehmen ist.
Die sicherheitstechnische Bewertung konkreter französi-
scher Kernkraftwerke wie Cattenom und Fessenheim ob-
liegt der französischen Aufsichtsbehörde ASN. Sie wird
eigenverantwortlich ihre Entscheidungen treffen. Die
Auflagen, die sie an den Weiterbetrieb stellt, wird sie si-
cherlich streng und verantwortlich erfüllen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr
Antrag tendiert an einer Stelle dazu, der Bundesregie-
rung zu unterstellen, sie bemühe sich nicht ausreichend,
einen bilateralen Dialog mit Frankreich zu führen.


(Marco Bülow [SPD]: Das stimmt ja auch!)


Das müssen wir weit von uns weisen; denn das ist wirk-
lich nicht so. Es ist vielmehr so, dass Deutschland und
Frankreich auf bilateraler Ebene in einem ständigen
Austausch stehen, und zwar in der Deutsch-Französi-
schen Kommission, wo regelmäßig Informationen und
Erfahrungen ausgetauscht werden. Die grenznahen Bun-
desländer wie das Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-
Württemberg nehmen an diesen Sitzungen teil. Sie kön-
nen dort die sicherheitstechnischen Bedenken und Anlie-
gen der grenznahen Bevölkerung einbringen.

Die Inhalte der Sitzungen der Deutsch-Französischen
Kommission, die da sind: Strahlenschutz, nukleare Si-

cherheit, Betriebserfahrungen, Ereignisse, Nachrüstun-
gen und Verbesserungen, werden von einem weiteren
europäischen Gremium getoppt. Es handelt sich um die
ENSREG, eine hochrangige Gruppe von atomrechtli-
chen Aufsichtsbehörden, die einen Aktionsplan aufge-
stellt hat, der in nationale Aktionspläne umgesetzt
wurde. Im April wird ein Workshop stattfinden, wo diese
Aktionspläne vorgestellt und ganz konkrete Handlungs-
anweisungen erarbeitet werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722903600

Frau Kollegin Brunkhorst.


Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1722903700

Ja, ich bin so weit.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722903800

Der Kollege Nink möchte Ihnen eine Zwischenfrage

stellen. Erlauben Sie das zum Ende Ihrer Rede?


Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1722903900

Der kann eine Kurzintervention machen. Ich möchte

zum Ende kommen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Keine Sorge, so habe ich es nicht gemeint.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722904000

Dann kommen Sie bitte zum Schluss.


Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1722904100

Das wird eine sehr gute Plattform sein.

Ganz zum Schluss: Der Euratom-Vertrag wird von
der FDP als wichtiges Instrument betrachtet. Wir werden
auch in Zukunft zum Euratom-Vertrag stehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722904200

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Eva

Bulling-Schröter das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722904300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Fukushima war eine Zäsur; die Bundesregie-
rung musste die absurde Verlängerung der Laufzeiten
von AKW zurücknehmen. Aber die Energiewende be-
gann natürlich weit früher, und zwar unter dem Druck
der Anti-AKW-Bewegung. An dieser Stelle herzlichen
Dank an die zahlreichen Bürgerinitiativen, Windmüller,
Biobauern, Energiedörfer und Genossenschaften, an die
Familien, die sich Solarpanel aufs Dach schraubten, an
die Tüftler und Unternehmen, die diese zuverlässige
Technik entwickelt haben!





Eva Bulling-Schröter


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Marco Bülow [SPD] – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Investmentfonds!)


Diese Technik steht immer preiswerter zur Verfügung.
Dafür hat auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ge-
sorgt, das Herr Rösler am liebsten abschaffen will.

Zwei Jahre nach Fukushima scheinen sich nun die
Gegner der Energiewende gesammelt und in Stellung
gebracht zu haben.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was?)


Sie sitzen nicht nur in den alten Strom- und Automobil-
konzernen, sondern vor allem auch im Bundeswirt-
schaftsministerium.


(Lachen bei Abgeordneten der FDP)


Aber diese üble Allianz kennen wir ja; sie sah unter Rot-
Grün ähnlich aus.

Jetzt wird von Ihrer Seite zum Sturm geblasen. Auf
der einen Seite verhindert Herr Rösler den Umbau des
Stromsystems, indem er die Reformen beim Emissions-
handel blockiert. Auf der anderen Seite ziehen Sie die
Debatte über die Verteilung der Kosten der Energie-
wende so auf, dass die erneuerbaren Energien unter Be-
schuss geraten, die Zukunftsenergien also, und nicht die
soziale Schieflage oder die Profite, die vielerorts damit
verdient werden.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die Investmentfonds in der Solarwirtschaft! – HansMichael Goldmann [FDP]: Das ist ja abenteuerlich!)


Es ist schon irrwitzig, dass es die FDP ist, die das ein-
zige marktnahe Instrument zum Klimaschutz zerschie-
ßen will. Dabei ist klar: Im System befinden sich fast
2 Milliarden CO2-Zertifikate zu viel; das entspricht
2 Milliarden Tonnen des Klimakillers CO2. Darum sind
die CO2-Zertifikatspreise im Keller. Es stimmt eben
nicht, Herr Kauch, dass dieser Überschussberg vor allem
durch mehr Effizienz, den schnellen Ökostromausbau
oder die Krise verursacht wurde. Nach Ihrer Philosophie
ist der bessere Klimaschutz für den Preisverfall verant-
wortlich; weil das Cap, die fixe Emissionsobergrenze,
eingehalten werde, gäbe es kein Problem. Genau so hat
es Herr Minister Rösler am Mittwoch im Ausschuss ver-
kauft. Das Gegenteil ist richtig; denn das Cap wurde auf-
gebläht: Zwei Drittel der Überschüsse resultieren aus
CDM-Gutschriften aus dem Ausland. Die Hälfte dieser
Gutschriften ist aber faul, weil sie aus Projekten resultie-
ren, bei denen kein zusätzlicher Klimaschutz stattfand.
Daraus folgt zumindest für jeden, der das System halb-
wegs begriffen hat: Wenn die überschüssigen CO2-Zerti-
fikate nicht dauerhaft stillgelegt werden, führt das nicht
nur zu dauerhaft niedrigen Zertifikatspreisen, sondern
vor allem auch zu einem zusätzlichen CO2-Ausstoß.


(Horst Meierhofer [FDP]: Der CO2-Ausstoß ist zurückgegangen!)


Das aber ist das genaue Gegenteil von Klimaschutz; das
ist das völlige Scheitern des Systems, ja, fast eine Straf-
tat an Mensch und Umwelt.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der niedrige CO2-Zertifikatspreis schafft kaum An-
reize für den Einsatz von Effizienztechnologien. So wer-
den zum Beispiel moderne Gaskraftwerke gegenüber
Kohlemeilern benachteiligt, Stichwort: Irsching 5. Das
ist katastrophal; aber letztlich ist es nur eine Folge des
aufgeblähten Caps. Das läuft eben etwas anders, Herr
Kauch – Herr Rösler ist nicht da –, als im Erstsemester
Volkswirtschaftslehre.

Es geht natürlich nicht nur um Verständnisfragen; es
geht um Macht und Geld. Die Wahrheit ist: Sie wollen
die fossilen Kraftwerke im Spiel halten und bei den er-
neuerbaren Energien bremsen und verhindern, wo es
geht.


(Horst Meierhofer [FDP]: Das ist Pippi-Langstrumpf-mäßig!)


Sonst würden Sie jetzt nicht wieder alte, bereits geschei-
terte Geschichten aus dem Hut ziehen wie Quotensys-
teme beim EEG. Sie würden sonst auch nicht Neuinves-
titionen in den Bereichen Wind und Sonne abwürgen,
indem Sie die Einspeisevergütungen nachträglich strei-
chen.


(Horst Meierhofer [FDP]: Wir machen doch mehr, als es jemals gab, Eva!)


Sie würden sonst die energieintensive Industrie und die
Betreiber von Anlagen – Stichwort: Mindestumlage für
den Eigenverbrauch – nicht nur mit lächerlichen
700 Millionen Euro zur Kasse bitten; denn die Indus-
trieprivilegien, für die die restlichen Stromkunden ble-
chen, sind allein beim EEG achtmal so hoch.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Reden wir noch schnell über die Profite der Kon-
zerne. Für 2012 erwarten allein die beiden größten
Stromkonzerne, Eon und RWE, einen irrwitzigen Ge-
winn von insgesamt über 19 Milliarden Euro. Das sind
3 Milliarden Euro mehr, als die gesamte Förderung der
erneuerbaren Energien den Stromkunden kostet. 19 Mil-
liarden Euro Profit! Da reden wir nicht über Peanuts.
Diesen Profit machen dieselben, die andauernd herum-
jammern, ihre Kraftwerke rechneten sich nicht mehr, sie
brauchten zusätzliche Einnahmen, Stichwort „Kapazi-
tätsmärkte“. Es ist immer die gleiche Geschichte: Die ei-
nen verdienen sich dumm und dämlich, und die anderen
bezahlen. Das ist Ihre Politik.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722904400

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin

Sylvia Kotting-Uhl.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722904500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Was mich in meinen Gesprächen mit Japanern in den





Sylvia Kotting-Uhl


(A) (C)



(D)(B)


letzten Tagen am meisten erschüttert hat, war, zu hören,
dass der oberste gesundheitliche Berater der japanischen
Regierung auf die Frage, ob die nach dem Unglück in
Fukushima frei gewordene Strahlung für die Menschen
gefährlich sei, sagte, Menschen, die lächeln, habe die
Strahlung nichts an, nur wer sich gräme, dem könne die
Strahlung schaden.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)


– Das ist in der Tat unglaublich. – Ich dachte, da leben
wir doch in einem etwas anderen Land. Aber ich muss
sagen: Heute habe ich hier realitätsverweigernde Äuße-
rungen vernommen, die dem nicht unbedingt nachste-
hen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Hirte und Herr Kauch sind stolz auf den Ausbau
der erneuerbaren Energien, brüsten sich, dass unter die-
ser Regierung der Ausbau der erneuerbaren Energien vo-
rangeschritten ist.


(Horst Meierhofer [FDP]: Da wäre mal ein Lob fällig!)


Wo wären wir denn, wenn wir Ihre Konzepte übernom-
men hätten? Wo wäre denn der Ausbau der erneuerbaren
Energien, wenn Sie damals, 2000, darüber zu entschei-
den gehabt hätten. Das ist doch völlig absurd, was Sie
erzählen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Herr Hirte, Sie haben den Atomausstieg angeblich
noch einmal forciert. Waren wir denn 2010 alle im Deli-
rium, und haben wir uns etwas zusammengeträumt? War
es gar nicht so, dass Sie den Atomausstieg rückgängig
gemacht und die Atomkraftlaufzeiten verlängert haben?


(Christian Hirte [CDU/CSU]: Haben Sie mir nicht zugehört?)


Haben wir das geträumt, Herr Hirte, oder haben Sie
heute geträumt, als Sie diese Rede gehalten haben?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


So etwas Absurdes habe ich noch nicht gehört.

Frau Brunkhorst, genauso absurd ist die ständige Er-
klärung: „Wir mischen uns nicht in die Energiepolitik
anderer Länder ein“, oder: Wir sind doch nicht die
Atomaufsicht von Frankreich. – Das ist doch keine Re-
aktion auf ein grenzüberschreitendes Risiko. Sie weigern
sich, ein grenzüberschreitendes Risiko anzuerkennen.
Genauso negieren das die Bundesregierung und Frau
Merkel.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie negieren die Souveränität anderer Länder!)


Eine Bundesregierung hat den Auftrag, ihre Bevölke-
rung vor Risiken zu schützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn die Begründung für den Atomausstieg, die wir in
diesem Haus gehört haben, stimmt – das Risiko der
Atomkraft sei der Gesellschaft in dem bisherigen Maße
nicht mehr zuzumuten; deshalb hätten wir Atomkraft-
werke abschalten müssen, die Cattenom und Fessenheim
in nichts nachstehen –, dann gehört zu diesem Schutz-
auftrag auch, dass die Regierung bilaterale Gespräche
mit Frankreich aufnimmt, um zu eruieren, ob sie ihre Be-
völkerung unter Wahrung der französischen Souveräni-
tät schützen kann. Nichts anderes fordern wir. Dass Sie
sich dem verweigern, das ist ein Skandal. Um das zu be-
legen, gibt es heute eine namentliche Abstimmung. Ich
bin sehr gespannt, wie Sie sich bei dieser Abstimmung
verhalten werden,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


und ob Sie den Menschen im Saarland, in Rheinland-
Pfalz und in Südbaden das Risiko weiter zumuten wol-
len.

Nein, Minister Altmaier, Atomausstieg ist mehr als
ein Abschaltplan für Atomkraftwerke. Dazu gehört ein
Ausstieg aus Kernfusion und Transmutation. Wer in
Kernfusion und Transmutation einsteigen will, der steigt
nicht aus der Atomkraft aus, der hat den Atomausstieg
nicht begriffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber das ist doch nicht allein möglich!)


Dazu gehört eine Überarbeitung von Euratom. Dazu ge-
hört der Ausstieg aus ITER. Außerdem gehören dazu
schärfere Sicherheitsanforderungen, auf die wir bis
heute vergeblich warten. Das alles sind Versäumnisse.
Das ist kein Atomausstieg. Das passt zu den Reden, die
wir hier gehört haben; aber das passt nicht zu dem, was
Sie 2011 in diesem Haus versprochen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722904600

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr. Christian Ruck.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1722904700

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Auch zwei Jahre nach dem Tsunami in Japan
gilt den Menschen in der Region unsere Anteilnahme
und unser Mitgefühl, den Verletzten, den Angehörigen,
den Toten und den Traumatisierten. Unser Dank gilt aber
auch unseren Mitbürgern, die in großartiger Weise mit
ihren Spenden zur Linderung der Not in Japan beigetra-
gen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Christian Ruck


(A) (C)



(D)(B)


Aus dem Unglück in Japan können wir für diese Debatte
mitnehmen, dass wir uns in Fragen der Energie seriös
und mit dem nötigen Ernst beschäftigen, ohne Gegröle
und ohne sich gegenseitig zu unterstellen, man habe eine
versteckte Agenda.

Vor dem Hintergrund von Fukushima hat die Bundes-
regierung, hat die Koalition beschlossen, die zivile Nut-
zung der Kernenergie in Deutschland zu beenden. 2022
wird das letzte AKW vom Netz gegangen sein. Die älte-
ren Kollegen der Opposition wissen, dass auch ich im
Rahmen unseres Energiekonzepts für eine Verlängerung
der Laufzeiten der Kernkraftwerke war, um Geld und
Zeit zu gewinnen. Herr Bülow, ich muss bei Ihnen keine
Nachhilfe nehmen, um zu wissen, was damals die Moti-
vation für unseren Beschluss war. Ich weiß besser als
Sie, was wir vorhatten. Dazu stehe ich nach wie vor.


(Iris Gleicke [SPD]: Aber außer Ihnen weiß das niemand!)


Ich akzeptiere ohne Wenn und Aber die Entscheidung
der Koalition, unserer Partei, des Deutschen Bundesta-
ges. Ich akzeptiere aber nicht, dass aus parteitaktischen
Gründen immer wieder Unkenrufe von Rot-Grün kom-
men, wir nähmen den Ausstieg nicht ernst. Wir werden,
im Gegensatz zu Ihren damaligen Lippenbekenntnissen,
den Ausstieg vollziehen, und zwar ohne Wenn und Aber.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Oh!)


Ich akzeptiere auch nicht, Herr Hempelmann, Ihre
Häme,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Sehr staatsmännisch!)


die immer wieder an den Tag gelegt wird, wenn es
Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Energiewende
gibt.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Häme? Das ist doch Tatsache!)


Ich akzeptiere auch, dass sich die politische Land-
schaft geändert hat. Das ist für diese Diskussion sogar
von Vorteil; denn so können Sie sich mit Ihrer Mehrheit
im Bundesrat nicht länger aus der Verantwortung stehlen
und notwendige Maßnahmen wie die Gebäudesanierung
oder die EEG-Reform blockieren, ohne dass es die Men-
schen merken. Das nimmt Ihnen keiner mehr ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist wahr, dass uns die Herausnahme der Kernkraft-
werke aus unserer Energieproduktion vor massive Pro-
bleme stellt. Es ist aber auch wahr, dass wir Probleme
mit unserem eigenen Erfolg haben, nämlich dem massi-
ven Aufwuchs der erneuerbaren Energien. Herr Miersch,
auch wenn Sie mit Ihrem Geschrei ins Mikrofon beißen:
Es ist wahr – das hat Herr Kauch sehr gut dargestellt –,
dass der Aufwuchs der erneuerbaren Energien vor allem
unter dieser Bundesregierung erfolgte. Das hat natürlich
Folgen. Die kann man auch ansprechen. Das hat übri-
gens auch ein gewisser Gabriel gestern getan; das ist
doch Ihr Parteivorsitzender. Die Volatilität ist dadurch
exorbitant gestiegen. Durch die absurde Ausgestaltung
des EEG gehen die Energiepreise nach oben, obwohl sie

anderswo fallen: In den Vereinigten Staaten zum Bei-
spiel sind die Strompreise in letzter Zeit um 60 Prozent
gefallen. Bei uns sind sie in den letzten Jahren für die
normale Industrie um 20 Prozent, für die Verbraucher
um 25 Prozent gestiegen. Das hat natürlich bedrohliche
Folgen für unsere Wirtschaft. Über diese Folgen müssen
wir uns seriös auseinandersetzen, auch in einem Land
wie Nordrhein-Westfalen. Das kann unter die Haut ge-
hen, wenn wir nicht aufpassen.

Man muss feststellen: Was auch unter unserer Regie-
rung in den 90er-Jahren als Markteinführungsvehikel ge-
dacht war, nämlich das Stromeinspeisungsgesetz, hat
sich zu einer gigantischen Gelddruckmaschine entwi-
ckelt und ist längst von den Klimaschutzzielen abgekop-
pelt. Es kommt zu einer grotesken Entkoppelung inner-
halb der eigenen Gesellschaft: zu einer Privatisierung
gigantischer Gewinne und zu einer Sozialisierung gigan-
tischer Kosten.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wo sind denn die Gewinne? Sagen Sie doch mal! Sie sind doch Spezialist!)


Das muss doch auch die Opposition, das müssen sogar
Sie, Herr Kelber – französisch oder nicht –, kapiert ha-
ben.

Sie können die Auswüchse, die das annimmt, nicht
wollen. Ein Beispiel: Wenn für ein einziges Windkraft-
rad bis zu 80 000 Euro Pacht gezahlt wird, dann bedeutet
das den Ruin der normalen Landwirtschaft in Deutsch-
land.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das können wir nicht hinnehmen.

(Ulrich Kelber [SPD]: Machen Sie einen Vor schlag!)

Angesichts dessen, was die Länder an Zubau planen,
muss doch auch Ihnen aufgefallen sein, dass die Planun-
gen Ihrer Länder mit der vorausschauenden Planung der
Abnahme in keiner Weise übereinstimmen. Die ernüch-
ternde Feststellung ist: Unser Ziel, mit unserer Energie-
wende Vorbild für die Welt zu sein, werden wir nicht er-
reichen, wenn wir jetzt nicht eingreifen.

Es wird immer gesagt, wir müssten uns um die Atom-
energie anderer Länder kümmern. Erstens, Frau Kotting-
Uhl, finden Gespräche über die beiden französischen
Atomkraftwerke statt. Das kann auch Ihnen nicht ent-
gangen sein.


(Christian Hirte [CDU/CSU]: Doch!)

Zweitens. Die beste Argumentation für einen Verzicht
anderer Länder auf Kernkraftwerke liefern wir, wenn es
uns gelingt, eine Technologie wettbewerbsfähig, also
auch bezahlbar zu machen, die bei uns und anderswo
Atomkraftwerke überflüssig macht.

Die SPD liefert uns hier ein absurdes Spektakel mit
der Verdrehung von Ursache und Wirkung, von Feuer-
wehr und Brandstifter; aber wenigstens ist sie aufge-
wacht.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)






Dr. Christian Ruck


(A) (C)



(D)(B)


Ich habe genau aufgepasst, was Herr Gabriel gestern ge-
sagt hat. Obwohl eine Woche vorher Peter Altmaier noch
kritisiert wurde, weil er Kosten von 1 Billion Euro ins
Spiel gebracht hat – die übrigens zu niedrig angesetzt
sind, weil einige Posten gar nicht eingerechnet sind –,


(Rolf Hempelmann [SPD]: In der Großen Anfrage kanntet ihr noch keine Kosten!)


hat Ihr Herr Gabriel gesagt: Die Volatilität ist zu hoch. –
Das ist erstaunlich. Er hat gesagt: Die Preise sind zu
hoch. – Auch das ist erstaunlich. Dann hat er gesagt: Der
CO2-Ausstoß ist zu hoch. – Herr Gabriel hat auch gesagt,
dass das die Analyse des gesamten Hauses sei. Das ist
doch prima. Dann ist es doch nur noch ein kleiner Schritt
– Wahlkampf hin oder Wahlkampf her –, zu gemeinsa-
mem Handeln zu kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist wahr, dass die Energiewende eine Megaaufgabe
ist. Es ist auch wahr, dass wir Berechenbarkeit und Plan-
barkeit brauchen. Genauso wahr ist, dass wir unsere An-
strengungen erhöhen und die Vorgänge beschleunigen
müssen, aber auch Fehlentwicklungen korrigieren und
an anderer Stelle entschleunigen müssen. Wir halten an
unseren ehrgeizigen Zielen fest; aber wir müssen den
Ausbau der Erneuerbaren viel stärker mit dem Netzaus-
bau synchronisieren. Wir müssen den Emissionshandel
neu strukturieren. Wir müssen zusehen, dass wir stärker
als bisher Themen wie Innovation und Technologie in
unsere eigene Politik einspeisen.

Wir müssen eine Abstimmung unter den Ländern her-
beiführen. Das sind nicht nur unsere Länder, sondern
auch die der „Krafts“ und der „Kretschmanns“. Damit
bin ich wieder bei meiner These: Es hat keinen Sinn, mit
dem Finger auf andere zu zeigen. Wir brauchen ein Zu-
sammenspiel von Bundestag, Bundesregierung und Bun-
desrat. Das sind wir den künftigen Generationen schul-
dig. Keiner wird später fragen: Habt ihr damals
Wahlkampf geführt oder nicht? Jetzt geht es darum, die
Blockaden zu beenden. Das gilt auch für Rot-Grün im
Bundesrat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722904800

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Rolf

Hempelmann.


(Beifall bei der SPD)



Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1722904900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! –
Wo ist er? – Dort oben in den Reihen der Abgeordneten.
Herr Abgeordneter, vielleicht darf ich Ihr Tête-à-Tête
unterbrechen. Wir führen eine gemeinsame Debatte in
diesem Haus, und Sie sind keine ganz unwichtige Figur
dabei.

Sie haben sich heute hier wieder breitbeinig hinge-
stellt und erneut behauptet, dass Sie diejenigen seien, die
jetzt endlich mit dem Systemumbau beginnen, und Rot-
Grün zwar den Bereich der erneuerbaren Energien aus-

gebaut, den Systemumbau aber nicht vollzogen hätte.
Ich sage Ihnen, was ich Ihnen schon gestern gesagt habe
– man muss es Ihnen offenbar jeden Tag sagen –: So
geht das nicht. Andere sind weiter: Die Unternehmen ha-
ben längst eingesehen, dass sie nach der Wurst, die ihnen
Ihre Kollegen von Schwarz-Gelb damals in Form von
Laufzeitverlängerungen hingehalten haben, niemals hät-
ten greifen dürfen; denn dadurch wurde der System-
umbau zehn Jahre lang blockiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben dafür gesorgt, dass die Atomkraftwerksbe-
treiber, die zugleich Netzbetreiber waren und an den ent-
sprechenden Schlüsselstellen des Systems saßen, diesen
Systemumbau niemals begonnen, niemals unterstützt ha-
ben. So viel auch zu Ihnen, Herr Dr. Ruck, wenn Sie
jetzt einfordern, wir, die Opposition, sollten die Blo-
ckade beenden. Lassen Sie uns doch wenigstens einmal
feststellen: Zehn Jahre lang haben Sie eine moderne
Energiepolitik, einen Systemumbau hin zu einer stärke-
ren Nutzung der erneuerbaren Energien behindert und
blockiert. Sie sollten das wenigstens einmal offen sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der heutigen Debatte geht es auch um einen Antrag
zum Thema Euratom. Wir sagen: Wir müssen den Eura-
tom-Vertrag erneuern. Damit sind wir nicht allein. Es
gibt zum Beispiel einen EU-Kommissar namens
Oettinger, früher mal CDU-Ministerpräsident, der das
ganz genauso sieht. Im Übrigen haben auch Sie das
schon einmal so gesehen: Im Jahr 2007 hat die heutige
Kanzlerin die Schlussakte des Vertrags von Lissabon un-
terzeichnet. Darin stand eindeutig: Wir brauchen eine
Überarbeitung des Euratom-Vertrags, insbesondere in
Richtung mehr Sicherheit im Bereich der Erzeugung von
Strom in Anlagen zur atomaren Energieerzeugung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Insofern glaube ich, dass diese Anträge sehr berechtigt
sind und eigentlich auch Ihre Unterstützung verdienten.

Herrn Oettinger wurmt im Übrigen, dass es keine
europäische Kompetenz für die Überwachung und Kon-
trolle der Sicherheit der 145 Atomkraftwerke in Europa
gibt. Er bedauert das. Allerdings hat ihm der EuGH, der
Europäische Gerichtshof, grundsätzlich schon in einer
Zeit grünes Licht gegeben, als er noch gar nicht Energie-
kommissar war, als er noch für die Atomenergie stritt. Er
ist aber, glaube ich, ein wirklich Bekehrter. Deswegen
möchte er diese europäische Zuständigkeit, wie auch der
Europäische Gerichtshof sie sieht.

Er hat immerhin Stresstest, Belastungsproben, für die
145 AKW durchgesetzt. Die Ergebnisse sind teilweise
dramatisch, auch für französische Atomkraftwerke, zum
Beispiel für Cattenom – deswegen sind die Fragen, die
auf die grenzüberschreitende Sicherheit von Atomkraft-
werken abstellen, völlig berechtigt –, aber auch für die
17 deutschen Atomkraftwerke. Probleme wurden festge-
stellt bei Notstromaggregaten, beim Erdbebenschutz,
beim Überflutungsschutz, aber auch bei der passiven Si-





Rolf Hempelmann


(A) (C)



(D)(B)


cherheit, zum Beispiel vor Flugzeugabstürzen. Wohlge-
merkt: Das wurde bei den deutschen Atomkraftwerken
festgestellt. Der BUND in Deutschland bedauert, dass
die Probleme auch heute noch nicht beseitigt sind. Es
gibt Risiken durch Brände oder altersbedingte Ausfälle
von Sicherheitssystemen. Es gibt eine mangelhafte Si-
cherheitsarchitektur. Kein deutsches Atomkraftwerk ist
gegen den Ausfall der Stromversorgung gesichert. Ge-
nau das war die Ursache für die Probleme in Fukushima,
für den Austritt von Radioaktivität in Japan und die Ex-
plosion von zwei Reaktoren.

Klar ist: Die Atomkraftwerksbetreiber in ganz Europa
werden nicht freiwillig in die Sicherheit ihrer Anlagen
investieren. Es ist errechnet worden, dass es – dies ist
vermutlich lediglich ein erster Schritt – im Schnitt um
etwa 200 Millionen Euro pro Anlage geht. Deswegen
brauchen wir – das sagt EU-Kommissar Oettinger – eine
gemeinsame EU-Gesetzgebung für nukleare Sicherheit.
Er will im April einen Gesetzesvorschlag unterbreiten.
Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung dazu
stellen wird.

Übrigens sagte gestern ein Vertreter der Koalition:
Wenn wir das machen, wird es teuer, das verteuert dann
den Strompreis. Ich sehe einmal von der Tatsache ab,
dass er offenbar von der Merit-Order noch nichts gehört
und deshalb noch nicht gelernt hat, dass gerade Atom-
kraftwerke die größten Gewinne abwerfen, weil sie im
Vergleich zum konventionellen Kraftwerkspark die ge-
ringsten Brennstoffkosten haben. Weiter sehe ich von
der Tatsache ab, dass eine Verteuerung von Atomstrom
nicht unbedingt eine Erhöhung des Endpreises bedeuten
würde. Abgesehen von diesen beiden Tatsachen zeigt
das natürlich auch Ihre Prioritätensetzung bzw. an wel-
cher Stelle für Sie die Sicherheit der Menschen hier im
Lande steht.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist kein Zufall, dass Sie bei der Überarbeitung des
Euratom-Vertrags so zurückhaltend sind, wenn man
sieht, wie Sie mit dem Export von Atomtechnologien
umgehen. Wir waren – das ist hier schon angesprochen
worden – da schon einmal weiter. Es gab unter Rot-Grün
Leitlinien, die deutlich gemacht haben: Wenn man in ei-
nem Land aus der Atomtechnologie aussteigt, darf es
nicht sein, dass man Atomtechnologieexport mit Her-
mesbürgschaften unterstützt.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So weit waren wir schon. Wenigstens dahin sollten Sie
nach Ihrem Austrittsbeschluss – schon allein zur Steige-
rung Ihrer Glaubwürdigkeit – gelangen.

Wenn Sie im Übrigen wollen, dass die deutsche Ener-
giepolitik international als Modell begriffen werden soll
– einer von Ihnen hat das gerade so gesagt –, müssen Sie
selbstverständlich in Ihrer Politik konsistent sein. Das
heißt, man muss dafür werben, dass uns andere auf die-
sem Weg folgen. Mindestens muss man dafür sorgen,
dass die Sicherheit der Atomkraftanlagen verbessert
wird. Auf gar keinen Fall darf man selbst zum Akteur in

diesem Markt werden. Dies darf schon gar nicht mit
politischen Instrumenten wie Hermesbürgschaften unter-
stützt werden.

Meine Damen und Herren, Angra in Brasilien ist nur
eines der Beispiele. Es gibt viele andere, die da drohen.
Möglicherweise wird Angra kein deutsches bzw. Hermes-
projekt werden. Viele andere aber mit ähnlichen Proble-
men – dabei handelt es sich um Erdrutschgebiete, Erdbe-
bengebiete usw. – sind in der Warteschleife.

Ich würde mir wünschen, dass es keine Abwartehal-
tung gibt, sondern ein klares Wort dieser Bundesregie-
rung und möglichst auch dieser Bundeskanzlerin, dass
solche Exporte in Zukunft von der Bundesregierung
nicht unterstützt werden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie wollen, dass die Menschen Ihnen abneh-
men, dass Sie es mit dem Atomausstieg ernst meinen
– wir alle wollen das gerne glauben –, seien Sie in die-
sem Sinne konsequent und folgen Sie den Vorschlägen,
die wir heute gemacht haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1722905000

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr. Martin Lindner.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Lindner (FDP):
Rede ID: ID1722905100

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Man

kann zum deutschen Ausstieg aus der Kerntechnologie
stehen, wie man will. Man kann ihn für vernünftig halten
oder nicht. Richtig ist aber doch, dass wir ihn jetzt zu ei-
ner gemeinsamen Erfolgsstory machen müssen. Das ist
es doch, was dieses Haus eint und für das wir gemein-
sam stehen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein!)


– Sie schreien herum. Ich weiß, es ärgert Sie, dass da für
Sie persönlich und für Ihre Partei ein Thema wegge-
rutscht ist. Man hat das gerade auch bei dem schäbigen
Versuch Ihrer Parteivorsitzenden Roth gemerkt, die vie-
len Toten dieser Tragödie für billige Parteipolemik und
Parteipolitik auszunutzen. Das ist ein wirklich ekelhafter
Versuch gewesen, aus dem Schicksal dieser Menschen
Kapital zu schlagen.


(Beifall bei der FDP)


Wenn wir eine solche Entscheidung treffen, haben wir
auf der anderen Seite auch zu respektieren und zu akzep-
tieren, dass andere souveräne Länder andere energiepoli-
tische Entscheidungen treffen und dass nicht automa-
tisch das, was wir hier in Deutschland entscheiden, für
andere genauso vorbildhaft und nachahmenswert ist.

Ihre Anträge zu Euratom und Angra 3 zeugen von ei-
ner erheblichen Ignoranz. Die Welt richtet sich eben
nicht ausschließlich an Deutschland und Berlin aus. Zu-





Dr. Martin Lindner (Berlin)



(A) (C)



(D)(B)


erst zu Ihren Euratom-Anträgen. Wissen Sie, wir führen
in den Ausschüssen Anhörungen durch. Zweck dieser
Anhörungen ist üblicherweise ein gewisser Erkenntnis-
gewinn.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Deswegen machen wir Anhörungen!)


Es gab, Herr Hempelmann, keinen Gutachter, der nicht
bestätigt hat, dass es rechtlich gar nicht möglich ist, den
Euratom-Vertrag zu kündigen, ohne gleichzeitig die EU
zu verlassen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Das war eindeutig das Ergebnis. Das kann man auch
nachvollziehen. Die EU hat von Ländern wie Österreich,
die nach Gründung der Euratom in die EU eingetreten
sind,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verträge lesen!)


verlangt, den Euratom-Vertrag zu unterschreiben, ob-
wohl sie selber gar nicht Betreiber von Kernkraftwerks-
anlagen sind, weil im Euratom-Vertrag viele Dinge gere-
gelt werden, die weit über das reine Betreiben von
Kernkraftanlagen hinausgehen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Damit bin ich beim zweiten Punkt. Es geht dabei
nicht nur um eine Rechtsfrage, sondern es stellt sich na-
türlich auch die Frage, ob es für ein Land wie Deutsch-
land vernünftig ist, aus einem Vertrag auszuscheiden, in
dem Strahlenschutz, Reaktorsicherheit und Entsorgungs-
fragen geregelt werden. Ist es nicht vielmehr unsere
Pflicht und Aufgabe, deutsche Technologie zur Verfü-
gung zu stellen, mit am Drücker zu bleiben, mit über
diese Fragen zu entscheiden? Das, was Sie fordern, ist
doch völlig unvernünftig. Das wäre ein nationaler Al-
leingang. Das wäre unvernünftig und wird von uns abge-
lehnt. Das ist doch selbstverständlich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das andere Thema ist Angra 3. Hier rutschen Ihnen
regelmäßig die verschiedenen Ebenen durcheinander.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, Sie passen auf!)


Es gibt drei Ebenen. Die erste Ebene ist die Frage, wel-
che nationale Energiepolitik ein Land macht. Wir ma-
chen einen Ausstieg aus der Kerntechnologie und einen
Einstieg in mehr regenerative Energien. Das ist unser
deutscher Weg. Wir versuchen, ihn zur Erfolgsstory zu
machen und ihn auch als Erfolgsmodell für andere Län-
der darzustellen. Aber wir müssen doch respektieren,
dass beispielsweise die Chinesen, die Inder und auch die
Brasilianer andere Wege in dieser Frage gehen.

Die zweite Ebene ist: Haben wir nicht ein deutsches
Interesse daran, dass in den Ländern, die sich nicht für
einen Atomausstieg entschieden haben, die im Gegenteil
sogar noch weitere Kernkraftwerksanlagen bauen, si-

chere deutsche Technologie zum Einsatz kommt? Haben
wir nicht ein deutsches Interesse daran, dass genau un-
sere Hochqualitätsanlagen in diesen Ländern für ein
Stück mehr Sicherheit, für ein Stück mehr Zuverlässig-
keit dieser Kernkraftwerksanlagen sorgen? Das ist doch
in unserem deutschen Interesse.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Unser deutsches Interesse ist doch nicht, sich daneben-
zustellen und so zu tun, als gäbe es diese ganzen Sachen
nicht mehr.

Während der Debatte über den Atomausstieg war ich
einmal bei einer Podiumsdiskussion und habe eine Karte
gezeigt. Auf dieser waren 140 europäische Kernkraft-
werksanlagen außerhalb von Deutschland eingezeichnet.
Das können wir doch nicht ignorieren. Wir müssen dafür
sorgen, dass diese Anlagen unter bestmöglichen Kondi-
tionen betrieben werden.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! Dann sind es schon einmal zwei weniger!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722905200

Herr Kollege Lindner, erlauben Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Arndt-Brauer?


Dr. Martin Lindner (FDP):
Rede ID: ID1722905300

Ja, bitte.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1722905400

Danke schön. – Herr Kollege Dr. Lindner, haben Sie

mitbekommen, dass sich der Parlamentarische Beirat für
nachhaltige Entwicklung auch mit den Stimmen Ihrer
Fraktion gegen Hermesbürgschaften für Atomkraft-
werke ausgesprochen hat, weil wir denken, dass ein Aus-
stiegsbeschluss für uns auch für Bürgschaften solcher In-
vestitionen im Ausland verbindlich sein sollte?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Martin Lindner (FDP):
Rede ID: ID1722905500

Frau Kollegin, ich sagte gerade: Die erste Ebene ist

die nationale Entscheidung über die Energieform. Die
zweite Ebene ist die Frage der Technologieförderung,
des Technologietransfers. Die dritte Ebene, die davon se-
parat zu betrachten ist, ist die Frage, ob wir Hermesbürg-
schaften für auswärtige Geschäfte zur Verfügung stellen
oder nicht. Ausschließlich auf dieser Ebene ist aus mei-
ner Sicht die Frage zu analysieren: Steht das Ausfall-
risiko mit dem volkswirtschaftlichen Gewinn, Arbeits-
plätze in Erlangen und anderswo,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das war nicht die Frage!)


in einem angemessenen Verhältnis? Es gibt drei ver-
schiedene Ebenen: die Technologiefrage selbst, Techno-
logieförderung, Hermes. Diese Dinge müssen Sie aus-
einanderhalten, wenn Sie zu Ergebnissen kommen
wollen.





Dr. Martin Lindner (Berlin)



(A) (C)



(D)(B)



(Marco Bülow [SPD]: Klare Frage, unklare Antwort! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir haben eine Verantwortung!)


Dies müssen Sie separat betrachten. Das werden Sie
auch zukünftig machen müssen. Wir müssen die Dinge
auseinanderhalten.


(Beifall des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])


Wir müssen – das ist im deutschen Interesse – dafür
sorgen, dass in den Ländern, in denen noch Kernkraft-
werke betrieben werden, optimale Bedingungen herr-
schen, deutsche Technologie zum Einsatz kommt, deut-
sche Arbeitsplätze davon profitieren und insgesamt die
Reaktorsicherheit gestärkt wird. Was Sie machen, ist das
Gegenteil. Sie wollen einen deutschen Alleingang. Sie
wollen anderen Ländern vorschreiben, was sie zu tun ha-
ben. Das ist so eine Art Neokolonialismus des deutschen
Gutmenschentums. Damit lassen wir Sie alleine. Wir
lehnen Ihre Anträge selbstverständlich ab.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722905600

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

jetzt der Kollege Thomas Bareiß von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1722905700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine

Herren! Zum Schluss der Debatte zeigt sich wieder ein-
mal, dass Rot-Grün in der Energiepolitik nur zurück-
schaut, an einem alten Thema, nämlich am Atomaus-
stieg, krampfhaft festhält,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach, hören Sie doch auf!)


keine, aber wirklich keine Konzepte hat, wie diese Ener-
giewende organisiert werden muss,


(Rolf Hempelmann [SPD]: Haben Sie eins?)


und heute Vormittag keinen einzigen Lösungsvorschlag
geliefert hat. Sie hängen immer noch am Atomausstieg
fest. Wir sind diejenigen, die den Einstieg in die Energie-
wende gestaltet und organisiert haben, meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Für uns ist die Energiewende das Wachstums- und
Technologiethema für die nächsten vier Jahrzehnte. Des-
halb – weil es uns so wichtig ist – möchte ich anhand
von acht konkreten Punkten zeigen, was wir in den letz-
ten drei Jahren gemacht haben, um den Einstieg in die
Energiewende zu organisieren.

Erster Punkt. In den letzten drei Jahren haben wir es
geschafft, den Anteil erneuerbarer Energien an der
Stromerzeugung von 15 Prozent auf 25 Prozent auszu-
bauen. Kein einziges Land dieser Welt hat in den letzten

drei Jahren solch einen Zubau geschafft. Kein einziges
Industrieland hat so ambitionierte Ziele wie Deutsch-
land. Wir haben gleichzeitig noch das EEG novelliert
und reformiert und es bezahlbar gemacht. Wir haben im
Bereich der Photovoltaik eine Vergütungsreduktion um
70 Prozent geschafft – gegen Ihren Willen –


(Beifall des Abg. Michael Kauch [FDP])


und damit den Verbrauchern Kosten in Höhe von 2 Mil-
liarden Euro in den nächsten 20 Jahren erspart. Wir ha-
ben den atmenden Deckel eingeführt und damit das EEG
intelligent gestaltet. Wir haben mehr Markt und Wettbe-
werb eingeführt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und eine halbe Milliarde für nichts verschwendet! Jährlich!)


Mit der Marktprämie und dem Eigenanteil haben wir et-
was geschaffen, was die erneuerbaren Energien auch zu-
kunftsfähig macht, lieber Herr Kelber.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Zweiter Punkt. Wir bauen das leistungsfähigste und
modernste Stromnetz der Welt.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Wo denn?)


Wir haben gestern mit dem Netzausbaugesetz den Start-
schuss gegeben für den Bau von 2 800 Kilometern neuer
Leitungen und den Ausbau von 2 900 Kilometern beste-
hender Leitungen. Damit verbinden wir den erzeugungs-
starken Norden mit dem verbrauchsstarken Süden. Wir
machen Schluss mit Zuständigkeitsgewurstel bei der
Planung und Genehmigung von Netzen


(Lachen des Abg. Rolf Hempelmann [SPD])


und verkürzen mit dem NABEG die Dauer des Netzaus-
baus von zehn auf vier Jahre. Wir setzen neue Technolo-
gien ein – HGÜ, Hochtemperaturseile, Erdverkabelung –
und schaffen damit das modernste Netz. Wir machen das
wieder gut, was Rot-Grün in den letzten Jahren versäumt
hat. Wir bauen die Netze.

Drittens. Wir fördern Gebäudesanierung und Energie-
effizienz so stark wie nie zuvor. Allein für die CO2-Ge-
bäudesanierungsprogramme geben wir 1,8 Milliar-
den Euro aus – so viel Geld wie keine andere Regierung
vor uns.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722905800

Herr Kollege Bareiß, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Kelber?


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1722905900

Nein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906000

Keine Zwischenfrage.


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1722906100

Darüber hinaus versuchen wir mit der Mietrechtsno-

velle, die Investoren zu schützen, aber auch die Mieter





Thomas Bareiß


(A) (C)



(D)(B)


zu entlasten. Wir haben es geschafft, den schlafenden
Riesen Energieeffizienz im Gebäudebereich zu wecken.

Viertens. Wir haben die Energiewende zum Arbeits-
platzmotor gemacht. Wir haben im Bereich der erneuer-
baren Energien in den letzten drei Jahren 100 000 Ar-
beitsplätze geschaffen.


(Marco Bülow [SPD]: Oh! Ihr habt die geschaffen? Ihr habt gar nichts! Das hat die Wirtschaft ganz alleine gemacht!)


Im Bereich der Energieeffizienz haben wir 340 000 Ar-
beitsplätze, überwiegend im Handwerk, gesichert und
neu geschaffen. Das ging nicht auf Kosten der Industrie.
Im Gegenteil: Wir haben den industriellen Mittelstand
Stück für Stück entlastet. Sie haben nur die Großkon-
zerne entlastet, wir haben auch den Mittelstand bei unse-
rer Politik berücksichtigt. Wir sorgen mit der Energie-
wende für mehr Arbeitsplätze, gerade auch im
Mittelstand.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Fünftens. Wir stärken den Wettbewerb und den Ver-
braucher. Heute hat der Verbraucher die Wahl zwischen
mehr als 50 Stromanbietern, so vielen wie noch nie zu-
vor. Das haben wir mit gezielten Maßnahmen für mehr
Wettbewerb ermöglicht.


(Marco Bülow [SPD]: Mit welchen denn?)


So haben wir den Stromkunden den Wechsel erleichtert
und die Fristen für den Lieferantenwechsel auf drei Wo-
chen verkürzt. Wir haben eine Schlichtungsstelle einge-
richtet, die allein im ersten Jahr 14 000 Beschwerden
von Verbrauchern entgegengenommen hat und in
90 Prozent der Fälle eine Einigung erzielen konnte. Wir
stärken den Verbraucher und verhindern Abzocke.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sechstens. Deutschland ist im Bereich der Energiefor-
schung so erfolgreich wie kein anderes Land der Welt.
Wir haben die Mittel für die Energieforschung auf über
3,5 Milliarden Euro aufgestockt; das ist Rekord. Wir för-
dern damit die Zukunftstechnologien der Energiewende:
200 Millionen Euro für Speicher, 150 Millionen Euro für
zukunftsfähige Netze, 400 Millionen Euro für die Elek-
tromobilität. Wir machen die Energiewende zum Innova-
tionsmotor für Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Siebtens. Wir bringen Speichertechnologien voran;
denn Speicher sind der Partner für die erneuerbaren
Energien. Wir fördern Speicher schon heute, sowohl im
Alltag als auch in der Forschung. Wir versuchen, die
Wirtschaftlichkeit voranzubringen. Wir haben die Spei-
cher von Netzentgelten und von der EEG-Umlage
befreit. Wir haben Investitionen in Pumpspeicher-
kraftwerke erleichtert und die Mittel für die Speicherfor-
schung um 200 Millionen Euro erhöht. Wir sorgen für
power to gas, wir sorgen für Druckluftspeicher, wir sor-
gen für Batteriespeicher und für Pumpspeicherkraft-
werke; auch damit bringen wir die Energiewende Stück
für Stück voran.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


Achtens. Trotz des massiven Ausbaus der erneuerba-
ren Energien sind wir Spitzenreiter in der Versorgungssi-
cherheit und in der Netzstabilität. Im Jahr 2011 betrug
die durchschnittliche Stromunterbrechung circa 15 Mi-
nuten. Wir sind damit besser als die Jahre zuvor, und wir
sind besser als die USA, besser als Frankreich, besser als
Großbritannien.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wir wollen, dass das in Zukunft so bleibt. Deshalb haben
wir abschaltbare Lasten, deshalb haben wir Smart Meter,
Smart Grids vorangebracht. So bleiben wir auch weiter-
hin Spitzenreiter bei der Versorgungssicherheit und stär-
ken unseren Standort Deutschland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese acht
Punkte zeigen: Unser Weg ist der richtige, die Energie-
wende kommt Stück für Stück voran. Wir lassen uns auf
diesem Weg nicht beirren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass zur Abstimmung
bislang fünf Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord-
nung vorliegen, die wir zu Protokoll nehmen.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
Drucksachen 17/12509 und 17/12688 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.

Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag
der Fraktion der SPD mit dem Titel „Den Euratom-Ver-
trag an die Herausforderungen der Zukunft anpassen“.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 17/11713, den An-
trag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8927 abzu-
lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der Linken gegen die Stim-
men der SPD bei Enthaltung der Grünen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7670
mit dem Titel „Euratom-Vertrag ändern – Atomausstieg
europaweit voranbringen – Atomprivileg beenden“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh-

1) Anlage 2 und 3





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


lung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Grünen
bei Enthaltung der Linken.

Tagesordnungspunkt 29 d. Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Frak-
tion Die Linke mit dem Titel „Eine Europäische
Gemeinschaft für die Förderung Erneuerbarer Energien
gründen – EURATOM auflösen“.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/11723, den Antrag der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/6151 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der SPD bei Gegenstimmen der Linken und Enthal-
tung der Grünen.

Tagesordnungspunkt 29 e. Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und
Technologie zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit
dem Titel „Keine Hermesbürgschaft für den Bau des
Atomkraftwerks Angra 3“.

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12653, den
Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/9578
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist mit Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der SPD und zweier Ab-
geordneter der CDU/CSU-Fraktion bei Enthaltung von
Linken und Grünen angenommen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des gemeinsamen
Antrags der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 17/9579 mit dem Titel „Keine
Bürgschaft für den Bau des Atomkraftwerks Angra 3“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Oppositionsfraktionen und zweier Abge-
ordneter der CDU/CSU-Fraktion angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 f. Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bilaterale
Verhandlungen aufnehmen zur unverzüglichen Stillle-
gung besonders gefährlicher grenznaher Atomkraft-
werke in Frankreich“.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/12675, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11206 abzu-
lehnen.

Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung auf
Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nament-
lich ab.

Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer ihre
Plätze eingenommen? – Gut. Dann eröffne ich die Ab-
stimmung. –

Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimm-
karte eingeworfen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird
Ihnen später bekannt gegeben.1)

Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe auf die Ta-
gesordnungspunkte 30 a und 30 b sowie Zusatzpunkt 13:

30 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht der Bundesregierung zum Stand der
Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüs-
tung und Nichtverbreitung sowie über die Ent-

(Jahresabrüstungsbericht 2012)


– Drucksache 17/12570 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

30 b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Uta Zapf,
Fritz Rudolf Körper, Rainer Arnold, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Keine Modernisierung der US-Nuklearwaf-
fen in Europa und Deutschland – Abrüs-
tungschancen nicht ungenutzt verstreichen
lassen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger,
Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Abzug statt Modernisierung der US-Atom-
waffen in Deutschland

– Drucksachen 17/11323, 17/11225, 17/12251 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Roderich Kiesewetter
Uta Zapf
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Hans-Christian Ströbele

ZP 13 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Brugger, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck

(Bremen), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konsequent vorangehen für eine atomwaffen-
freie Welt

– Drucksachen 17/9983, 17/12733 –

1) Ergebnis Seite 28655 D





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Berichterstattung:
Abgeordnete Roderich Kiesewetter
Uta Zapf
Dr. Rainer Stinner
Jan van Aken
Marieluise Beck (Bremen)


Zum Jahresabrüstungsbericht 2012 der Bundesregie-
rung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
SPD vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und bitte die Kolleginnen
und Kollegen, die an der Aussprache nicht teilzunehmen
wünschen, den Saal zu verlassen, damit die anderen der
Debatte folgen können. – Als erstem Redner erteile ich
dem Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle das
Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Erlauben Sie mir bitte, dass ich mich jenseits
des Protokolls an Frau Kollegin Zapf wende. Frau Kolle-
gin, ich möchte mich aus Anlass der Rede, die Sie gleich
halten werden, sehr herzlich für die exzellente Zusam-
menarbeit insbesondere in der Abrüstungs- und Sicher-
heitspolitik und in der Außenpolitik insgesamt bedanken
und meinen Respekt für Ihr langjähriges Wirken in die-
sem Hause zum Ausdruck bringen. Es wird möglicher-
weise die letzte Gelegenheit sein, dieses anlässlich einer
Rede von Ihnen zum Ausdruck zu bringen. Herzlichen
Dank im Namen der Bundesregierung und vielleicht
auch im Namen der anderen Kolleginnen und Kollegen!


(Beifall)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, Abrüstung,
Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind ein
Schwerpunkt deutscher Außen- und Sicherheitspolitik.
Schon in der Präambel des Grundgesetzes sind die bei-
den Kernpfeiler unserer Außenpolitik benannt, nämlich
in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu die-
nen.

Friedenspolitik, Abrüstung, Rüstungskontrolle und
die Nichtverbreitung insbesondere von Massenvernich-
tungswaffen, das ist ein klarer Zusammenhang, den wir
hier alle gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg beto-
nen und sehen. Wir wollen das Ziel einer nuklearwaffen-
freien Welt erreichen. Wir wollen an dem Ziel einer nuk-
learwaffenfreien Welt arbeiten. Deswegen setzen wir uns
ein für Frieden, für Sicherheit, natürlich auch für Stabili-
tät durch weniger Waffen, die Verhinderung von Prolife-
ration und höhere Transparenz.

Wir alle wissen aus den Erfahrungen der Geschichte,
dass Abrüstungspolitik einen langen Atem braucht. Ab-
rüstungspolitik braucht gelegentlich auch strategische

Geduld, aber Abrüstungspolitik muss gerade dann mit
langem Atem betrieben werden, wenn die großen Er-
folge nicht gleich auf den ersten Blick greifbar sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt: Auch
wenn wir in den letzten Jahren in manchen Bereichen bei
der Abrüstung gern weiter gegangen wären, können sich
die Erfolge der letzten Jahre weltweit sehen lassen. Wir
haben einen sehr erfolgreichen Abschluss der Überprü-
fung des NATO-Verteidigungs- und Abschreckungsdis-
positivs beim NATO-Gipfel in Chicago im letzten Jahr
gehabt. Dort wurde das Profil der Allianz auch in Abrüs-
tungs- und Rüstungskontrollfragen gestärkt. Wenn man
die NATO-Strategien der letzten Jahrzehnte betrachtet,
kann man sagen: So viel Abrüstungsbekenntnis in der
NATO gab es noch nie.


(Beifall bei der FDP)


Das ist ein klarer Erfolg und ein wichtiges Anliegen;
denn wir wissen alle, dass Verteidigung und Sicherheit
engstens zusammengehören.

Der Gipfel in Chicago ist noch kein Durchbruch ge-
wesen, aber es ist ein Aufbruch. Umso wichtiger ist es,
dass weitere Abrüstungsschritte ins Auge gefasst wer-
den. Dazu gibt es ermutigende Zeichen, auch durch die
Administration der Vereinigten Staaten von Amerika.
Mit neuem Elan treibt Präsident Obama die Abrüstungs-
agenda voran. Dabei werden wir Präsident Obama natür-
lich unterstützen. Wir wollen dabei alle Beteiligten mit
an Bord nehmen.

Jetzt gilt es aber, den Dialog mit Russland voranzu-
bringen. Das Angebot der NATO, auch die substrategi-
schen, die sogenannten taktischen Nuklearwaffen in den
Abrüstungsprozess einzubeziehen, steht. Dass sich hie-
rauf die NATO geeinigt hat, trotz mancher Meinungsun-
terschiedlichkeit innerhalb der NATO-Mitgliedsländer,
ist ein guter Erfolg auch der deutschen Abrüstungspoli-
tik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen die Abrüstungsschritte zwischen den USA
und Russland weiter unterstützen. Wir werden weiter auf
eine Reduzierung der in Europa stationierten Waffen
hinarbeiten.


(Christoph Schnurr [FDP]: Sehr gut!)


Die Bundesregierung ist den Zielen, die sie sich zu
Beginn der Legislaturperiode gegeben hat, näher gekom-
men. Wir haben noch nicht alles erreicht – das war auch
nicht zu erwarten –, aber wir werden unbeirrt und mit
langem Atem an der Abrüstungspolitik einschließlich
der nuklearen Abrüstung festhalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung ist natürlich auch für Fort-
schritte bei der konventionellen Rüstungskontrolle; denn





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) (C)



(D)(B)


jeder sieht, dass das eine nicht durch Führbarkeit von
konventionellen Kriegen erkauft werden darf. Das heißt,
auch die konventionelle Rüstungskontrolle in Europa
bleibt ein zentrales und unverzichtbares Element einer
kooperativen Sicherheitsarchitektur.

Ich will in diesem Zusammenhang ein Wort zur Rake-
tenabwehr sagen. Die Haltung der Bundesregierung ist
in dieser Frage glasklar: Wir wollen mehr Sicherheit und
Stabilität in Europa. Wir sind der Überzeugung: Das ist
nur mit Russland und nicht gegen Russland erreichbar.
Wir wollen, dass Russland eingebunden wird. Wir wol-
len, dass Russland bei einer kooperativen Lösung und
beim Dialog, wenn es um die Raketenabwehr geht, kon-
sequent eingebunden wird. Dies ist ein wichtiges Ange-
bot, das die Bundesregierung in der NATO durchgesetzt
hat: Es geht hier nicht darum, sich gegen Russland auf-
zustellen. Es geht um ein Projekt, das gemeinsam mit
Russland für mehr Sicherheit auf unserem Kontinent und
in unserer Weltregion sorgen soll.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Uta Zapf [SPD])


Weil mir nur wenige Minuten Redezeit gegeben sind,


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht uns auch so!)


will ich zum Schluss noch auf zwei Dinge eingehen,
nämlich einmal auf Iran und Nordkorea, und dann folgt
noch ein letzter Gedanke. Im Konflikt mit Iran verfolgt
die Bundesregierung gemeinsam mit den Partnern im so-
genannten E3+3-Format ihren Doppelansatz von Ver-
handlungsbereitschaft und Druckausübung. Wir können
eine nukleare Bewaffnung des Irans nicht akzeptieren.
Wir wollen das auf diplomatischem und politischem
Wege verhindern. Das ist die gemeinsame Auffassung.
Alles andere, was uns unterstellt wird, ist Propaganda:
gegen uns, gegen den Westen, gegen die westlichen und
allgemeinen Sicherheitsinteressen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Iran hat auf unser Verhandlungsangebot in Almaty
mit positiven Worten reagiert; das würdige ich ausdrück-
lich. Ich mache mir keine Illusionen, aber es ist erkenn-
bar zumindest schon einmal ein Fortschritt, dass ein wei-
terer Prozess vereinbart werden konnte. Aber Gespräche
nur um der Gespräche willen reichen nicht, sondern es
braucht substanzielle und greifbare Ergebnisse. Ein
Spielen auf Zeit ist kein Weg, den wir akzeptieren kön-
nen.

Dasselbe gilt auch im Hinblick auf Nordkorea. Die
Bundesregierung verurteilt in aller Schärfe den Nuklear-
test sowie die jüngsten Drohungen Nordkoreas mit ei-
nem nuklearen Erstschlag und der Aufkündigung des

Nichtangriffspaktes mit Seoul. Wir sind alle gemeinsam
der Auffassung: Die Kriegsrhetorik des Regimes in
Nordkorea muss beendet werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Uta Zapf [SPD])


Ich begrüße deshalb ausdrücklich die konstruktive
Rolle Chinas. Wir appellieren an China, diese konstruk-
tive Rolle auch in den sogenannten Sechsergesprächen
weiter wahrzunehmen. Dass China sich an den jüngsten
Sanktionsverschärfungen in New York beteiligt hat, ist
ein wichtiges Signal auch an das Regime.

Meine Damen und Herren, natürlich geht es um un-
sere Nichtverbreitungs- und Abrüstungsinitiative; vor al-
len Dingen geht es aber auch um die Postkonfliktbewäl-
tigung. Wir bleiben dabei, bei der Vernichtung von
Waffen einen wesentlichen Anteil zu leisten. Deutsch-
land hat eine große Expertise bei der Vernichtung zum
Beispiel von chemischen Waffen. Wir zeigen das in
Libyen und auch an anderen Orten. Wir sind bereit, diese
Expertise und dieses Wissen mit einzubringen.

Wir haben noch wichtige Aufgaben vor uns: der
Kampf gegen die Verbreitung auch von Kleinwaffen in
fragilen Staaten oder beispielsweise auch unser deswe-
gen großes Bemühen für ein weltweit gültiges Waffen-
handelsabkommen. Bei den anstehenden Verhandlun-
gen wollen wir einen Erfolg.

Wir wollen, dass Antipersonenminen und Streumuni-
tion endlich von der Welt verschwinden. Wir setzen hier-
bei auf Transparenz, Dialog und Diplomatie in einer en-
gen Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Alles in allem ist der Abrüstungsbericht ein Erfolgs-
bericht, ein Bericht auch über gute Fortschritte in der
Abrüstungspolitik. Wir werden uns nicht auf ihm ausru-
hen, sondern im Interesse des Friedens in der Welt mit
großem Nachdruck, mit großer Energie, aber vor allen
Dingen mit großer Ausdauer weiter auf Abrüstung, Rüs-
tungskontrolle und Nichtverbreitung hinarbeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906300

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile,

gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung – es ging um die Beschlussempfehlung zu
einem Antrag betreffend die Verhandlungsaufnahme mit
Frankreich bezüglich der Stilllegung von Atomkraftwer-
ken – bekannt: abgegebene Stimmen 505. Mit Ja haben
gestimmt 280, mit Nein haben gestimmt 225, Enthaltun-
gen keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 505;
davon

ja: 280
nein: 225

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters

Olav Gutting
Florian Hahn
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Bernhard Kaster
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt

Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang

Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

FDP

Jens Ackermann
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Heinz-Peter Haustein
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Horst Meierhofer
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)






Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane Ratjen-

Damerau
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


Nein

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck

Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Annette Sawade
Axel Schäfer (Bochum)

Ulla Schmidt (Aachen)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze

Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

DIE LINKE
Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Jan Korte
Jutta Krellmann
Caren Lay
Sabine Leidig
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Paul Schäfer (Köln)

Dr. Ilja Seifert
Raju Sharma
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler

Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Jörn Wunderlich

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Susanne Kieckbusch
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Beate Walter-Rosenheimer
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

fraktionsloser
Abgeordneter

Wolfgang Nešković





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Uta Zapf für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1722906400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre freundlichen und
anerkennenden Worte. Das tut einem ganz gut, denke
ich. Herzlichen Dank!

Ich danke aber auch meinerseits, zum einen für den
Bericht, der wie immer ein umfangreiches Kompendium
ist. Das kann man gar nicht alles auf einmal konsumie-
ren. Das verlangt auch keiner von uns. Aber ich glaube,
damit haben wir immer eine Quelle der Information.
Deshalb auch dafür herzlichen Dank!

Zum anderen danke ich ganz besonders für die gute
Zusammenarbeit im Unterausschuss. Ich glaube, wir ha-
ben eine gute Zeit miteinander gehabt in all den Jahren,
die ich in diesem Unterausschuss sein durfte. Auch die
Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt war immer
ausgesprochen positiv. Das muss ich ganz deutlich sa-
gen, auch wenn ich jetzt vielleicht gelegentlich etwas
Kritik anführe.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wir unterstützen die Position der Bundesregierung
nicht immer, aber doch immer wieder. Es ist auch nicht
nur eine positive Bilanz, Herr Minister; in der Frage der
Beurteilung des NATO-Gipfels bin ich ganz anderer
Meinung.

Für mich und für die SPD war das Ergebnis des
NATO-Gipfels eine große Enttäuschung. Aus unserer
Sicht ist die Rolle der Nuklearwaffen nicht wirklich mi-
nimiert worden; denn der bisherige Mix von konventio-
nellen und nuklearen Waffen hat Bestand, solange es
Nuklearwaffen gibt. Ich denke, das ist zu kurz gesprun-
gen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der NATO-Abrüstungsausschuss ist ein Fortschritt.
Das sehe ich auch so. Aber er ist gerade einmal etabliert,
und was er macht und welche Ergebnisse er möglicher-
weise bringt, wissen wir noch nicht.


(Christoph Schnurr [FDP]: Etabliert dank dieser Bundesregierung!)


– Vorher gab es auch schon Anläufe. Ich erinnere mich
ganz gut. Da waren Sie noch nicht im Parlament.

Der Transparenzdialog mit Russland in Bezug auf die
taktischen Nuklearwaffen hat noch nicht begonnen. Er
ist angekündigt, aber ich denke, es ist höchste Zeit, dass
er in Angriff genommen wird. Denn was wir wirklich
anstreben, ist das, was diese Regierung versprochen hat,
nämlich die taktischen Nuklearwaffen von deutschem
Boden zu entfernen. Das zu erreichen, haben wir bisher
keinerlei Aussicht. Stattdessen steht uns die Modernisie-
rung der B61 ins Haus. Der Antwort auf unsere Große
Anfrage entnehmen wir: Das ist eine nationale Angele-

genheit der USA. – Nein, liebe Freunde, das ist es nicht.
Ich glaube, das ist eine Angelegenheit, die auch uns sehr
berührt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister Westerwelle, Sie haben, als Obama
wiedergewählt wurde, gesagt, nun müsse es neue Im-
pulse geben und ein energischer weiterer Schritt ge-
macht werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber
ich sehe keine energischen Schritte, erst recht nicht in
der Frage der Modernisierung der Bomben, die auch in
Büchel liegen. Mutig wäre es in der Tat, wenn wir sagen
würden: Nein, wir modernisieren den Tornado nicht, der
als Trägersystem notwendig ist. Dann kann man die mo-
dernisierte B61 auch nicht dranhängen. – Stattdessen ha-
ben Sie in Chicago unterschrieben – mit Brief und Siegel –,
dass wir die Trägersysteme adäquat in Betrieb halten, so-
dass auch modernisierte B61 in Betrieb genommen wer-
den können. Ich halte das für falsch und hoffe, dass wir
darüber noch intensiv diskutieren werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die NATO will durch Transparenzmaßnahmen bei
den taktischen Nuklearwaffen mit Russland Fortschritte
bei der Abrüstung von substrategischen Nuklearwaffen
erreichen. Wie lange dauert das aber, wenn der Dialog
noch nicht einmal begonnen hat? Die in Europa statio-
nierten substrategischen Nuklearwaffen taugen nicht als
Verhandlungsgegenstand, wie immer behauptet wird.
Russland fordert – ich denke, das ist eine Forderung, die
man ernst nehmen darf –, dass diese Waffen jeweils auf
das eigene Territorium zurückgezogen werden, dass also
die in Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen in
die USA zurückgebracht werden und dass man erst dann
über weitere Schritte redet. Wir sollten noch einmal da-
rüber nachdenken, ob das nicht eine gute Idee ist; denn
diese Waffen sind zu nichts nutze. Sie liegen da und kos-
ten Geld. Das können wir uns in der Tat sparen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch der Herr Minister hat deutlich davon gespro-
chen, dass wir gemeinsame Sicherheit, kooperative
Sicherheit brauchen. Das ist in der Tat wahr. Das ist ins-
besondere für die Aufrechterhaltung oder die Wiederher-
stellung der Rüstungskontrolle in Europa notwendig.
Deshalb frage ich nicht nur mich, sondern uns alle: Was
ist denn mit dem Medwedew-Vorschlag passiert? Was ist
mit dem Korfu-Prozess passiert? Was ist mit den Be-
schlüssen in Astana passiert? Der Korfu-Prozess, der
eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa definieren
sollte – und zwar eine gemeinsame –, ruht. Mit ihm be-
fassen sich momentan nur Wissenschaftler. Aber dieser
Prozess sollte in die Politik überführt werden. Wir soll-
ten genau darüber mit Russland reden, weil wir sonst
einfach nicht vorankommen, auch in den Abrüstungs-
prozessen nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)






Uta Zapf


(A) (C)



(D)(B)


Wir brauchen – das bestätigen Wissenschaftler immer
wieder – mehr Vertrauen zwischen Russland und den
westlichen Partnern, den USA und der NATO. Es gibt
ein tiefes Misstrauen auf beiden Seiten. Nukleare Abrüs-
tung wird ohne Erneuerung der konventionellen Rüs-
tungskontrolle überhaupt nicht möglich sein. Der KSE-
Vertrag ist zurzeit mausetot. Das heißt, er muss dringend
wiederbelebt werden. Durch das Scheitern des KSE-Ver-
trags gibt es keine Inspektionen, keine Transparenz und
keine Vertrauensbildung. Das, was die Bundesregierung
auf den Weg bringen will – das Ziel der verifizierten
Transparenz –, muss noch Formen annehmen, die greif-
bar und umsetzbar sind.

Der A-KSE-Vertrag wurde von den NATO-Staaten
nicht ratifiziert. Ich habe das für einen Fehler gehalten.
Die Nichteinhaltung der Istanbul-Verpflichtungen – das
betrifft die Stationierung von Truppen der Russen in
Georgien zum Beispiel und die Munitionsbestände, die
in Moldawien und Transnistrien lagerten – war ein
Grund dafür. Die Nichtratifizierung war aber ein Fehler,
weil das eigentlich nicht zusammenpasst. Wenn wir an
der Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich fest-
halten wollen, dann müssen wir neue Ansätze finden.
A-KSE wird nicht neu aufgelegt werden können, son-
dern es wird einen neuen Anlauf geben müssen.

Es hat mich sehr gefreut, dass wir im Unterausschuss
ein Gespräch mit Herrn Schmidt von der HSFK hatten,
der ein Spezialist für den KSE-Vertrag ist. Er sagte, die
Initiativen, die die Bundesregierung unternommen habe
– diese waren nicht der Presse zugänglich und lagen
auch nicht offen auf dem Tisch –, seien positiv und daher
sehr zu loben. Insofern habe ich auch keine Schwierig-
keiten damit, an dieser Stelle die Bundesregierung zu lo-
ben und zu ermutigen, in diese Richtung weiterzugehen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Da können ruhig alle klatschen.

Es gibt aber eine Bedingung, deren Einhaltung ich für
dringend notwendig halte, weil die Fortschritte, die wir
uns wünschen, nicht erreicht werden können, wenn wir
nicht bei der Raketenabwehr neue Gedanken entwickeln.
Es gibt eine sicherheitspolitische Veränderung beim De-
sign konventioneller Waffen in Europa und in den USA.
„Prompt Global Strike“ und „Long-Range Strike“ sind
Dinge, die die Russen total irritieren und die eine andere
sicherheitspolitische Situation geschaffen haben. Ich
denke, die Raketenabwehr ist ein wichtiger Punkt. Also
müssen wir an diesen drei Stellen neue Ansätze finden.
Eine kooperative Lösung zwischen der NATO und Russ-
land ist deshalb dringlich. Dringender Handlungsbedarf
wird auch von der Wissenschaft gesehen. Das haben wir
in dieser Woche im Unterausschuss gehört. Ich glaube,
wir sollten in unserem eigenen Interesse dieses Thema
nicht so aus dem Blick verlieren, wie dies vielleicht in
den letzten Monaten und Jahren geschehen ist.

Die neuen östlichen NATO-Staaten haben historisch
bedingt tiefes Misstrauen gegen Russland und wünschen
Sicherheit durch Stationierung westlicher oder US-Trup-
pen. Was passiert dann aber auf russischer Seite? Löst

das dann nicht ein neues Wettrüsten aus? Dies ist nicht in
unserem Interesse. Deshalb werden wir uns bemühen
müssen, alles zu tun, um wieder Vertrauen und Transpa-
renz zu schaffen, aber auch um Strukturen abzubauen,
die dem Interesse entgegenstehen, gemeinsame Sicher-
heit zu organisieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne noch ein paar Stichworte dazu. Das Wiener
Dokument – so wurde es in Astana auf dem OSZE-Gip-
fel verabredet – sollte erweitert und verbessert werden.
Es ist nicht viel passiert. Ich halte das aber für wichtig,
weil das eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme
ist. Als Letztes möchte ich noch den Vertrag über den
Offenen Himmel erwähnen. Dieser macht uns allen Sor-
gen; denn er droht kaputtzugehen. Dieser Vertrag ist aber
eine der wichtigen Maßnahmen. Es mag sein, dass wir
den Streit zwischen der Türkei und Griechenland, der
die Tagesordnung immerfort behindert, noch bereinigen
können. Wir können aber nichts daran ändern, dass die
Flugzeuge, die die Trägersysteme für die optischen Ein-
richtungen darstellen, das Ende ihrer Nutzungsdauer er-
reichen. Deshalb muss eine Lösung gefunden werden.

Der Unterausschuss hat sich dafür ausgesprochen, ein
neues System zu kaufen. Herr Minister, dabei sind wir
uns alle einig gewesen; denn gerade durch diese gemein-
samen Inspektionen und durch den Informationsaus-
tausch ist großes Vertrauen geschaffen worden, das wir
nicht erodieren lassen dürfen. Dafür haben wir uns aus-
gesprochen. Vielleicht gelingt es, auch noch einen An-
trag in der Richtung zu formulieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906500

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Roderich Kiesewetter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1722906600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich
bitte gleich zu Beginn als stellvertretender Vorsitzender
unseres Unterausschusses Ihnen, Frau Kollegin Zapf,
ganz herzlich danken für Ihre Arbeit in den letzten vier
Jahren, in denen ich sie mitverfolgen konnte. Ich glaube,
der heutige Bericht ist Anlass genug, einmal Ihre Arbeit
zu würdigen. Ihnen, Frau Zapf, ist es gelungen, mit dem
Unterausschuss ein wirklich sehr gutes Instrument der
gegenseitigen Information zu schaffen und die Arbeit
trotz parteipolitischer Prägung sehr übergreifend zu or-
ganisieren. Der Unterausschuss ist ein guter Informa-
tionsausschuss geworden, der viele Anregungen gibt.
Herzlichen Dank dafür!


(Beifall)






Roderich Kiesewetter


(A) (C)



(D)(B)


Das Ganze wäre nicht machbar, wenn nicht auf der
Seite der Exekutive das Auswärtige Amt uns so umfas-
send informieren würde. Hier möchte ich insbesondere
Herrn Botschafter Nikel und sein Team ansprechen. Herr
Außenminister, vorzüglich!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gibt nur wenig Anlässe im Deutschen Bundestag,
zu denen wir übergreifend über Sicherheitspolitik disku-
tieren. Die Diskussion über Abrüstung, Rüstungskon-
trolle und Nichtverbreitung bietet einen Anlass dazu,
weil sie Gelegenheit gibt, über übergreifende sicher-
heitspolitische Zielvorstellungen zu sprechen. Wir als
Parlamentarier sind aufgerufen, Dinge, die zusammen-
gehören, zu verzahnen.

Zu einer guten sicherheitspolitischen Strategie gehört
nicht nur die Beantwortung der Frage, wie eine Gemein-
same Außen- und Sicherheitspolitik oder der transatlan-
tische Pfeiler der NATO gestärkt werden können, son-
dern auch, wie wir mit weniger Waffen und mit höherer
Transparenz mehr Vertrauen und vor allen Dingen mehr
Sicherheit schaffen.

Wenn es uns gelingt, Abrüstungspolitik, Rüstungs-
kontrolle und Verifikation mit einer europäischen Si-
cherheitsstrategie, aber auch mit einer nationalen Sicher-
heitsstrategie – das Auswärtige Amt erarbeitet gerade
eine – zu verzahnen, dann sind wir einen erheblichen
Schritt weiter. Deshalb möchte ich aus dem aktuellen
Abrüstungsbericht gerne einige Punkte ansprechen.

Zunächst zur Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Nichtverbreitung mit Blick auf den Nichtverbreitungs-
vertrag. Hier ist es uns gelungen, in Diskussionen dafür
zu werben, eine von Massenvernichtungswaffen freie
Zone im Nahen und Mittleren Osten zu erreichen. Wir
alle wissen, wie verhärtet dort die Lage ist. Deswegen
müssen wir den dortigen Staaten ein Ziel, eine Vision
bieten. Die gegenwärtige Sicherheitspolitik muss irgend-
wann einmal transformiert werden, damit die Waffen,
die dort im Verborgenen sind und über die wir diskutie-
ren, aus dieser Region verbannt werden. Es darf nicht
geschehen, dass sich die Lage zuspitzt und es zu einem
nuklearen Wettrüsten im Nahen und Mittleren Osten
kommt.

Zur konventionelle Abrüstung. Frau Zapf hat zu
Recht die Weiterentwicklung des sogenannten KSE-Ver-
trags angesprochen. Es ist der Bundesrepublik gelungen,
gemeinsam mit den Niederlanden und Dänemark für Im-
pulse zu sorgen, sodass wir im Bereich der konventio-
nellen Abrüstung möglicherweise bald Fortschritte er-
zielen. Herr Außenminister, ich möchte ausdrücklich
Ihre Worte im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit
Russland unterstreichen. Es ist ganz entscheidend, dass
wir in drei Bereichen mehr Kooperation erreichen: im
Bereich der Raketenabwehr, im Bereich der substrategi-
schen Atomwaffen und im Bereich der konventionellen
Abrüstung.

Hilfreich wäre sicherlich, wenn man eine übergrei-
fende Bedrohungsanalyse erreichen würde. Aber, Frau
Zapf, Medwedew ist nicht mehr Präsident; Putin be-
stimmt die Richtlinien der russischen Politik. Ich glaube,

es ist eine ganz wichtige Aufgabe deutscher Sicherheits-
politik, hier weiterhin am Ball zu bleiben. Es ist ein Er-
folg der deutschen Außenpolitik, dass die NATO nicht
nur auf ihrem Gipfel in Chicago, sondern auch beim
Strategischen Konzept Abrüstung und Rüstungskon-
trolle zum Thema gemacht hat. Das ist, glaube ich, ganz
entscheidend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich komme zu einem weiteren Bereich, wo die Bun-
desregierung sehr gut arbeitet. Es handelt sich um das
Einsammeln von Kleinwaffen in Nordafrika. Das betrifft
die Konsequenzen der Proliferation und die Fragen der
Endverbleibskontrolle, was in der Vergangenheit schwierig
zu lösen war. Das Einsammeln von Kleinwaffen bedeu-
tet mehr regionale Sicherheit. Das geht natürlich nur ab-
gestimmt mit den Partnern.

Ein Letztes möchte ich in diesem Zusammenhang an-
sprechen: die internationale Kooperation der G 8, der
acht großen Industriestaaten, speziell die Initiative „Glo-
bale Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massen-
vernichtungswaffen und -materialien“. Hier wurden seit
2002, also seit gut zehn Jahren, 20 Milliarden Euro inter-
national eingesetzt. Deutschland ist mit 1,5 Milliarden
Euro der zweitgrößte Geber. Wir fokussieren insbeson-
dere auf Russland und hier auf die Sicherung von Nu-
klearwaffen und Reaktoren in geschützten Gebäuden.
Darüber hinaus geht es uns um die Vernichtung von Che-
miewaffen in Russland. Das ist uns 1,5 Milliarden Euro
wert. Dies ist sicherlich auch ein Punkt, der Verhandlun-
gen mit Russland beschleunigen müsste. Vielleicht kann
unsere deutsche Diplomatie etwas mehr mit dieser Karte
spielen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschlie-
ßend möchte ich auf den Vertrag über den Offenen Him-
mel eingehen. Er schafft die Grundlage für ein vorbildli-
ches Verifikationsinstrument. So wird es möglich,
Schulter an Schulter mit ehemaligen Gegnern aus Flug-
zeugen heraus Verifikationen über bisher verschlossenen
Gebieten vorzunehmen. Im Jahr 1997 ist das Flugzeug,
das Deutschland hierfür zur Verfügung gestellt hatte, bei
einem schrecklichen Unglück vor der afrikanischen
Küste abgestürzt. Seither nutzen wir Mietlösungen. Eine
Kauflösung würde etwa 34 Millionen Euro kosten. Die
Gelder dafür sind nicht vorhanden. Allerdings bin ich
dem Bundesverteidigungsministerium dankbar, dass es
zurzeit mit unseren rüstungskontrollpolitischen Partnern
auslotet, wer bereit wäre, sich hier zu engagieren. Es
geht darum, die Kosten der Beschaffung von 34 Millio-
nen Euro und des jährlichen Betriebs von etwa 6 Millio-
nen Euro aufzuteilen. Ich denke, wenn es uns gelingt,
hier für mehr Partnerschaft zu sorgen, erhalten wir ein
Instrument, das eine Verifikation im täglichen Erleben
leistet und zugleich eine vertrauensbildende Maßnahme
darstellt.

Die Dinge, die wir in den vergangenen 20 Jahren für
Europa entwickelt haben, brauchen wir, um unsere
Nachbarschaftspolitik besser zu gestalten. Ich sprach
eingangs davon, dass Abrüstung, Rüstungskontrolle und
Nichtverbreitung Themen sind, die in eine sicherheits-
politische Strategie eingebunden sein müssen. Wir haben





Roderich Kiesewetter


(A) (C)



(D)(B)


im Hinblick auf die südliche Nachbarschaft in Afrika
alle Hände voll zu tun, dass den dortigen Staaten eine
Grundstabilität vermittelt wird und sie freiwerdende
Mittel nicht dafür verwenden, in einen Rüstungswettlauf
an der südlichen Küste des Mittelmeers einzutreten. Wir
sollten diesen Staaten helfen, dass sie unter Rückgriff
auf Erfahrungen mitteleuropäischer Staaten im Bereich
der Abrüstung ein vertrauensbildendes Kontrollsystem,
eine Art Verifikationssystem, aufbauen, und zwar hin-
sichtlich des Öffnens ihrer Waffentresore und hinsicht-
lich verbindlicher Obergrenzen für bestimmte Rüstungs-
gegenstände.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es uns
gelingt, innerhalb der EU stärker dafür zu werben, kön-
nen wir zumindest erreichen, dass das, was uns Mitteleu-
ropäer auszeichnet – vertrauensvolle Zusammenarbeit,
Kooperation und Transparenz –, auch für unsere südli-
chen Nachbarn ein Anreiz ist.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Inge Höger von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722906800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein im

letzten Jahr hat die deutsche Rüstungsindustrie das Volu-
men ihrer Exporte in die Golfstaaten mehr als verdop-
pelt: von 570 Millionen Euro auf mehr als 1,4 Milliarden
Euro. Vor diesem Hintergrund ist die Art und Weise, wie
das Thema Abrüstung in dem Bericht der Bundesregie-
rung behandelt wird, ein Hohn.

Das sieht man zum Beispiel daran, wie über den
NATO-Gipfel berichtet wird: Die Ergebnisse von
Chicago werden als Erfolg verkauft. Auf genau diesem
NATO-Gipfel aber hat das Kriegsbündnis seine Atom-
waffen als „Kernkomponente“ bezeichnet.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: „Kriegsbündnis“? Aha! Das stellt ja klar, worum es Ihnen hier geht!)


Von einer atomwaffenfreien Welt sind wir weiter ent-
fernt denn je. Die deutsche Regierung hat sogar zuge-
sagt, ihre Tornadoflotte für teures Geld zu modernisie-
ren, damit sie auch in Zukunft für den Abwurf von
Atombomben bereitsteht. Die NATO hat damit bekräf-
tigt, dass weiterhin mit der Hiroshima-Drohung Politik
gemacht wird. Gegen diese Kriegspolitik haben in
Chicago 20 000 Menschen demonstriert; und das war
gut so.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Westerwelle, Sie haben gesagt, eine atomwaf-
fenfreie Welt sei weiterhin Ihr Ziel. Der vorliegende Jah-
resabrüstungsbericht nennt das geplante Raketenabwehr-
system „einen nachhaltigen Fortschritt in Richtung
größerer Sicherheit“. Das Gegenteil ist der Fall. Das ge-

plante Raketenabwehrsystem sorgt weder für mehr Si-
cherheit in Europa noch für nukleare Abrüstung. Rake-
tenabwehr wird Atomwaffen nicht ersetzen; es ist kein
rein defensives System. Im Gegenteil: Es macht militäri-
sche Offensiven wahrscheinlicher. Schwert und Schild
gehören in der Militärstrategie traditionell zusammen.
Die Aufrüstungsspirale wird dadurch weiter angeheizt.

Die Linke sagt als einzige Partei Nein zu Atomwaffen
und Nein zu dem Raketenabwehrsystem.


(Beifall bei der LINKEN)


Aus diesem Grund müssen wir auch den SPD-Antrag ab-
lehnen, der sich unter anderem für die Raketenabwehr
ausspricht. Schade, denn ansonsten enthält dieser Antrag
viele sinnvolle Forderungen. Aber als Friedenspartei


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


wendet sich die Linke gegen jede Form der militärischen
Aufrüstung.


(Beifall bei der LINKEN)


Dann enthält der Bericht wieder einmal die übliche
Kritik an den Staaten, die die Bundesregierung nicht als
ihre Verbündeten ansieht. Da ist immer wieder die Rede
von der Bedrohung durch den Iran und sein angeblich
militärisches Atomprogramm. Dabei gibt es in allen
IAEO-Berichten keine Beweise dafür, dass der Iran nach
2003 weiter an der Atombombe gebastelt hat. Spekula-
tionen, Halbwahrheiten und Lügen führen schnell zum
Krieg. Hören Sie auf damit! Sorgen Sie zuerst dafür,
dass die US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen
werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesregierung lobt sich dafür, dass sie den
Druck auf Nordkorea erhöht hat. Dieses Thema wird
zurzeit heftig diskutiert. Meine Damen und Herren, ha-
ben Sie zur Kenntnis genommen, dass die USA ihre Mi-
litärpräsenz in der gesamten Region Ostasien und Pazi-
fik massiv ausbauen und gerade ein großes Manöver in
Südkorea durchführen?


(Christoph Poland [CDU/CSU]: Wegen Nordkorea!)


Die Aufrüstung und das Säbelrasseln Nordkoreas leh-
nen auch wir ab;


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Aha!)


aber man muss beides im Zusammenhang mit der star-
ken US-Präsenz in der Region sehen. Hier einseitig
Pjöngjang mit Sanktionen zu belegen, ist kontraproduk-
tiv.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie verdrehen die Tatsachen! – Zuruf der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Regionale Abrüstungsinitiativen werden auch hier nur
Aussicht auf Erfolg haben, wenn alle Beteiligten einbe-
zogen werden.


(Beifall bei der LINKEN)






Inge Höger


(A) (C)



(D)(B)


Ein weiterer Misserfolg der weltweiten Abrüstungs-
politik im Jahre 2012 war die Absage der geplanten
Konferenz für einen atomwaffenfreien Nahen und Mitt-
leren Osten. Es wäre für eine friedliche Entwicklung in
der Region und weltweit gut, wenn es in der Region
keine Atomwaffen mehr geben würde. Dann müsste aber
auch Israel seine Atombomben abschaffen. Die Bundes-
regierung will sich weiter für die Einberufung dieser
Konferenz einsetzen. Allerdings schweigt sie darüber,
wie man das machen will. Hier stellt sich die Frage, wie
man die inoffizielle Atommacht Israel


(Bijan Djir-Sarai [FDP]: Woher wissen Sie das überhaupt?)


zum Mitmachen bewegen kann. Bestimmt nicht durch
die Aufrüstung mit deutschen U-Booten!


(Beifall bei der LINKEN)


Man kann den deutschen Jahresabrüstungsbericht
nicht losgelöst von den deutschen Rüstungsexporten be-
trachten. Deutschland ist inzwischen der drittgrößte Rüs-
tungsexporteur der Welt. Wie passt dies damit zusam-
men, dass die Regierung sich rühmt, 2012 etwas gegen
die Verbreitung von Kleinwaffen getan zu haben? Wie
kann man einerseits das Kleinwaffen-Aktionsprogramm
stärken und andererseits Kleinwaffen an den Menschen-
rechtsmusterknaben Saudi-Arabien exportieren, zumal
man dorthin nicht nur Kleinwaffen exportiert, sondern
auch Panzer und Drohnen? Mit dieser Politik muss end-
lich Schluss sein. Wir wollen keine Geschäfte mit dem
Tod.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn ich den Jahresabrüstungsbericht einem Reali-
tätscheck unterziehe, bleibt von Abrüstung nicht viel üb-
rig – nur die Erkenntnis: Die Regierung will überall ab-
rüsten, nur nicht im eigenen Land und nicht bei den
Verbündeten. Das ist heuchlerisch. Abrüstung beginnt
im eigenen Land. Wir Linken wollen eine echte Abrüs-
tungspolitik.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722906900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Agnes Brugger von

Bündnis 90/Die Grünen.


Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722907000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Uta

Zapf, auch ich möchte mich bei dir ganz herzlich für die
tolle Zusammenarbeit bedanken. Ich finde, in deiner
sechsten Legislaturperiode hast du gezeigt, wie man mit
viel langem Atem, mit viel Hartnäckigkeit, mit viel
Herzblut und Leidenschaft für das wichtige Thema Ab-
rüstung eintreten kann. Das hat mich persönlich sehr be-
eindruckt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich danke auch für den Jahresabrüstungsbericht der
schwarz-gelben Bundesregierung. Er ist in der Tat ein

sehr schön formuliertes und umfangreiches Papier. Doch
seitenweise schöne Worte können nicht darüber hinweg-
täuschen, dass es der schwarz-gelben Abrüstungspolitik
an Substanz fehlt; denn es fehlt ihr auch an Glaubwür-
digkeit, an Elan und an Konsequenz. Dafür möchte ich
drei Beispiele nennen.

Erstens. Herr Minister Westerwelle, Sie bekennen
sich hier mit großen Worten zum Willen der Bundesre-
gierung, für globale Abrüstung einzutreten. Die Frage ist
natürlich – ich greife da das Stichwort „Verzahnung“ des
Kollegen Kiesewetter auf –, was Sie jenseits dessen tun,
was im Bericht geschrieben steht. Da sehen wir: Die
Kanzlerin hält Waffenexporte nach dem Motto „Ertüch-
tigung statt Einmischung“ offensichtlich für ein wesent-
liches Instrument einer neuen deutschen Außenpolitik.
Ausgewählte Staaten, ungeachtet der Menschenrechts-
lage, sollen mit deutschen Waffen befähigt werden, re-
gional für eine vermeintliche Stabilität zu sorgen. Wir
halten diesen Kurs für falsch und für grundgefährlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Oder nehmen wir Verteidigungsminister de Maizière,
der in den Verteidigungspolitischen Richtlinien Deutsch-
lands Festhalten an der nuklearen Abschreckung bekräf-
tigt hat. Herr Minister Westerwelle, was auch immer Sie
heute und an anderer Stelle in Sachen Abrüstung sagen,
solche Aktionen und das Handeln der Bundesregierung
entlarven das als Lippenbekenntnis.

Zweites Beispiel. Die nukleare Abrüstung haben Sie
am Beginn der Legislaturperiode zu einem wichtigen
Ziel erklärt. Auch der Abzug der US-Atomwaffen aus
Deutschland wurde im schwarz-gelben Koalitionsver-
trag in Aussicht gestellt. Und doch werden nun diese
Atombomben im Rahmen des amerikanischen Life-
Extension-Programmes modernisiert und damit nicht ab-
gezogen, sondern für eine lange Zukunft ertüchtigt.
Auch die NATO ist weit davon entfernt, sich von den
Nuklearwaffen zu verabschieden. Nach der Wiederwahl
Barack Obamas als Präsident der Vereinigten Staaten im
November und seiner Ankündigung, neue Verhandlun-
gen mit Russland aufnehmen zu wollen, ließ der Außen-
minister verlauten, er hoffe nun auf neue Impulse in der
Abrüstung. In dieser Äußerung tritt die ganze Passivität
Ihrer Politik zutage. Sie warten immer nur auf den ame-
rikanischen Taktgeber. Auch durch diese Passivität
scheitern Sie.


(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)


Drittens. Herr Minister Westerwelle, Sie haben auch
die Ächtung von Landminen und Streumunition ange-
sprochen. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung für
eine Universalisierung des entsprechenden Abkommens
einsetzt. Aber es klafft auch in Deutschland eine erhebli-
che Lücke. Es ist nämlich immer noch erlaubt, in Unter-
nehmen zu investieren, die diese barbarischen Waffen
herstellen. Mit aller Kraft sträubt sich die schwarz-gelbe
Koalition gegen ein gesetzliches Investitionsverbot. Das
nenne ich inkonsequent.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Uta Zapf [SPD])






Agnes Brugger


(A) (C)



(D)(B)


Ich habe oft den Eindruck, ein grundlegendes Pro-
blem Ihrer Abrüstungspolitik ist die Mutlosigkeit. Dafür
war die Lesung des Antrags der grünen Bundestagsfrak-
tion, über den wir heute unter anderem abstimmen wer-
den, ein gutes Beispiel. In unserem Antrag „Konsequent
vorangehen für eine atomwaffenfreie Welt“ machen wir
einmal mehr deutlich, dass Deutschland für ein starkes
und vor allem glaubwürdiges Engagement bei der nu-
klearen Abrüstung bei sich selbst beginnen muss. Des-
halb fordern wir Grüne zum Beispiel die Beendigung des
Beitrages der Bundeswehr mit Trägersystemen und Pilo-
ten zum Bereithalten der US-Nuklearwaffen in Deutsch-
land. Wir wollen, dass ihr Abzug endlich Realität wird
und sagen deshalb klar Nein zu einer Modernisierung
der Trägersysteme und dieser Atombomben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht aber auch um das deutsche Engagement auf in-
ternationaler Ebene, zum Beispiel für eine Konvention,
die Nuklearwaffen für immer verbietet. In der Beratung
unseres Antrags hier im Parlament haben wir dazu von
Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, in
erster Linie zu hören bekommen: Das können wir nicht
machen. Das geht nicht. Das wird nichts.

Ja, der Weg zur atomaren Abrüstung ist langwierig
und schwierig, aber offenbar haben Sie schon aufgege-
ben. Sie hocken sich an den Wegrand und warten nur da-
rauf, dass jemand voranschreitet und Sie mitzieht. Si-
cher, bei der atomaren Abrüstung haben wir in den
vergangenen Wochen auch herbe Rückschläge erlebt.
Die Konferenz zur massenvernichtungswaffenfreien
Zone im Nahen Osten kam nicht zustande, die Entwick-
lungen im Iran und die schrillen Ankündigungen aus
Nordkorea bieten Anlass zu großer Sorge. Aber, meine
Damen und Herren, Verzagen hilft nicht, Aufgeben gilt
nicht. Mit einer „Geht nicht“-Einstellung bewegt man
schließlich gar nichts.

Es gibt viel zu tun für eine friedliche Welt. Doch in
den vergangenen dreieinhalb Jahren hat diese Bundesre-
gierung kaum mehr geschafft, als leere Versprechungen
zu produzieren und diese dann auch noch durch eine aus-
ufernde Rüstungsexportpolitik zu konterkarieren. Es
wird höchste Zeit für den Wechsel, damit Deutschland
endlich wieder zum Vorreiter für die globale Abrüstung
wird.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722907100

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt er-

teile ich dem Kollegen Erich Fritz von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1722907200

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Ich hatte mich schon gefreut, dass

es zum Ende dieser Woche doch noch eine Debatte gibt,
die nicht vom Wahlkampf bestimmt wird.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ja, das ist so!)


Nun ist es zum Schluss doch nicht ganz gelungen. Das
kann man Ihnen nachsehen. Aber ich muss sagen: Der
Auftakt der Debatte hat mich viel mehr begeistert als
das, was Sie eben vorgetragen haben, liebe Kollegin.

Meine Damen und Herren, die Vorträge, die wir am
Anfang gehört haben, vor allen Dingen die Erläuterun-
gen des Außenministers, zeigen, dass die Bundesregie-
rung den selbstgestellten Auftrag, eine aktive Abrüs-
tungspolitik zu betreiben, tatsächlich ernst nimmt.

Keine Fraktion in diesem Haus ist eine Weltmacht,
die andere Mächte bewegen könnte, dies oder jenes
schneller zu machen, oder durchgreifende Erfolge in
kurzer Frist gewährleisten könnte. Die Agenda der Ab-
rüstungspolitik lässt sich nicht mit der Agenda von
Wahlterminen synchronisieren.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So ist es!)


Abrüstungspolitik lässt sich auch nicht durch Maximal-
forderungen beschleunigen, sondern sie ist einer der
Politikbereiche, in dem es am wesentlichsten darauf an-
kommt, die Realitäten ganz genau zu beschreiben, die
Interessen der Beteiligten genau zu kennen und neben
ihren Interessen auch noch ihre Reaktionen und ihre
Emotionen zu berücksichtigen.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So ist es!)


Ich möchte das am Beispiel Russlands gerne etwas
vertiefen. Kollege Kiesewetter hat die drei Bereiche, in
denen man mit Russland weiterkommen könnte und
auch sollte, beschrieben. Warum ist das so schwer? Wa-
rum haben wir so ein schwieriges Dialogverhältnis mit
Russland in diesem Bereich?

Zum einen gibt es alte Vorbehalte und tiefsitzendes
Misstrauen, das durch vergleichsweise kleine Falsch-
reaktionen oder schräge Töne schnell wieder geweckt
wird. Das muss man berücksichtigen. So etwas kann
man nicht in kurzer Frist beheben.

Das Zweite ist, dass die Russen nicht nur auf diesem
Feld sehr dazu neigen, dem Partner einen sehr weitrei-
chenden und konstruktiven Vorschlag auf den Tisch zu
legen, dann aber zu warten, was der andere daraus
macht. Man kommt aber nur voran, wenn man in beide
Richtungen in kleinen Portionen mit Konkretisierungen
arbeitet.

Drittens. Warum scheitert das auf russischer Seite im-
mer wieder, was viele in Russland selbst bedauern? Das
hängt damit zusammen, dass all die Sicherheitsdebatten
in Russland immer noch eine ganz entscheidenden Be-
deutung in der innenpolitischen Diskussion haben, und
dass die Frage der Akzeptanz der Führung ganz wesent-
lich mit dem Signal: „Ich bin bereit, Sicherheit auch un-
ter schwierigen Bedingungen und gegen einen angeblich





Erich G. Fritz


(A) (C)



(D)(B)


starken Feind zu gewährleisten“, zusammenhängt. Das
ist schade.

Das heißt, wir müssen versuchen, vertrauensbildende
Maßnahmen – Frau Zapf hat es genau richtig beschrie-
ben – zu ergreifen. Wir müssen positive Anreizimpulse
setzen,


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: So ist es!)


was allerdings nicht so leicht ist. Ich hätte gedacht, wenn
man als Europäer zum Beispiel hilft, die Abrüstung der
Atom-U-Boote zu fördern oder die Chemiewaffen zu be-
seitigen – wie es gerade schon vorgetragen worden ist –,
dann würde das als das entsprechende Zeichen aufge-
fasst, dass einem daran liegt, hier sehr kooperativ vorzu-
gehen.

Es ist also sehr schwierig. Ich bin froh, dass es auf der
Seite der NATO einen gemeinsamen formulierten Willen
zur Abrüstung gibt. Wir können dazu beitragen, indem
wir das positiv begleiten und nicht kleine Münze ma-
chen, indem wir eine Atmosphäre erzeugen, die uns
hilft, Schritt für Schritt weiterzukommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, der Außenminister hat ja
deutlich gemacht, dass auch in den USA ein Perspektiv-
wechsel erwogen wird. Wir sollten auf europäischer
Seite eine die Aspekte zusammenfassende Debatte über
die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäi-
schen Union und über eine gemeinsame Außenpolitik in-
tensivieren. Warum sollten wir das tun? Warum hat das
etwas mit Abrüstung zu tun? Ich glaube, dass der Um-
gang mit unseren zukünftigen Partnern südlich des Mit-
telmeers sowie die Möglichkeit der Einflussnahme auf
die sicherheitspolitische Situation im Nahen Osten nur
dann gegeben ist, wenn sich die Europäer selbst in die
Lage versetzen, eine gemeinsame aktive Rolle zu über-
nehmen.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wir haben aber zu viele Stellen, an denen alte Reflexe
das gemeinsame europäische Handeln konterkarieren.
Gerade wenn wir an die vergangenen Jahre denken, wird
klar, dass die Reaktionen nicht immer ideal waren. Das
gilt auch für den Beginn der Mali-Diskussion. Ich will
das jetzt nicht kritisieren, aber doch sagen, dass man sich
da etwas anderes hätte vorstellen können.

Ich war mit dem Kollegen Kiesewetter vor nicht allzu
langer Zeit in Libyen. Ich weiß, wie sehr man uns dort
vertraut und akzeptiert. Man schätzt unser Engagement
im Bereich der Minenräumung und unseren Versuch, mit
Argumenten bei der Entwaffnung der Milizen oder wie
auch immer man diese Einheiten nennen will zu assistie-
ren. Wenn man die Zustände sieht, unter denen das dort
geschehen muss, weiß man, dass das alles andere als ein-
fach ist.

Ich glaube also, dass wir sowohl in der großen politi-
schen Linie wie auch in den konkreten Aktionen und im
Umgang mit Partnern eine sehr gute Abrüstungspolitik
betreiben. Der Bericht ist deshalb zu Recht von verschie-
denen Seiten gelobt worden. Ich kann der Bundesregie-
rung nur sehr dafür danken, dass sie dieses Thema wei-
terverfolgt, und zwar mit genau der Konsequenz und
Beharrlichkeit, die das Thema verlangt. Alles andere,
jede Form des Aktivismus ist bei diesem Thema unange-
bracht und ohnehin nutzlos.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich schließe mich dem Dank an die Kollegin Zapf
sehr gerne an, obwohl ich sie lange Zeit bei diesem
Thema eher besichtigt als gestört habe.


(Uta Zapf [SPD]: Das stimmt!)


Wir sind gemeinsam 1990 in den Bundestag gekommen.
Das hat uns nun beide veranlasst, nicht mehr zu kandi-
dieren. Da es aber noch ein paar Themen in der Pipeline
gibt, zu denen ich die Möglichkeit habe, zu sprechen, ist
dies sicherlich nicht meine letzte Rede. Ihnen jedenfalls
wünsche ich alles Gute.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722907300

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/12570 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein-
verstanden. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der
Fraktion der SPD zu dem Jahresabrüstungsbericht 2012
der Bundesregierung. Interfraktionell ist vereinbart, über
den Entschließungsantrag auf Wunsch der einbringen-
den Fraktion, abweichend von der Geschäftsordnung,
sofort abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist offensichtlich der Fall. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag auf Drucksache 17/12703. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist
der Entschließungsantrag bei Zustimmung durch die ein-
bringende Fraktion abgelehnt. CDU/CSU, FDP und
Linke waren dagegen. Bündnis 90/Die Grünen haben
sich enthalten.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 17/12251.

Zunächst zu der Beschlussempfehlung zum Antrag der
Fraktion der SPD mit dem Titel „Keine Modernisierung
der US-Nuklearwaffen in Europa und Deutschland – Ab-
rüstungschancen nicht ungenutzt verstreichen lassen“.
Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss in seiner Be-
schlussempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPD
auf Drucksache 17/11323 abzulehnen. Wer stimmt für
die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-
men bei Zustimmung durch CDU/CSU und FDP. Dage-





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


gen waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke
hat sich enthalten.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11225 mit dem
Titel „Abzug statt Modernisierung der US-Atomwaffen
in Deutschland“. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung
durch die Koalitionsfraktionen und die SPD-Fraktion.
Die Linke war dagegen. Bündnis 90/Die Grünen haben
sich enthalten.

Zusatzpunkt 13. Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
„Konsequent vorangehen für eine atomwaffenfreie
Welt“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 17/12733, den Antrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9983
abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen bei Zustimmung der CDU/
CSU und der FDP. Dagegen waren Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Elvira
Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher
verbessern

– Drucksache 17/12689 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Innenausschuss 
Rechtsausschuss 
Finanzausschuss 
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit 
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Maisch, Renate Künast, Bärbel Höhn, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für eine moderne und nachhaltige Verbrau-
cherpolitik

– Drucksache 17/12694 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Rechtsausschuss 
Finanzausschuss 
Ausschuss für Gesundheit 
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 
Ausschuss für Kultur und Medien

Hierzu ist verabredet, eine Dreiviertelstunde zu debat-
tieren. – Dazu höre und sehe ich keinen Widerspruch.
Das ist dann so beschlossen.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort der Kolle-
gin Elvira Drobinski-Weiß.


(Beifall der Abg. Gabriele Groneberg [SPD])



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1722907400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Verehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Es
ist nun genau ein Jahr her, dass uns Ministerin Aigner er-
klärt hat, ihr Auftrag sei – ich zitiere – „Kennedy 2.0“.
Heute, am Weltverbrauchertag 2013, müssen wir leider
feststellen: Auftrag nicht erfüllt, „Kennedy 2.0“ war eine
Mogelpackung.

Beispiel Lebensmittel. Da hieß es – ich zitiere –:

Was draufsteht, muss auch drin sein. Die Menschen
wollen ehrliches Essen – und dafür kämpfe ich.

Das sagte Ministerin Aigner in ihrer Rede vor einem
Jahr zum Weltverbrauchertag. Es war ein wenig erfolg-
reicher Kampf: Gammelfleisch, Dioxin in Eiern, Anti-
biotika in Hähnchen, Ehec, falsch etikettierte Eier, Pfer-
defleisch als Rindfleisch – all das hat mit ehrlichem
Essen nichts zu tun.

Leider wird sich das mit dieser Bundesregierung
kaum ändern, denn dafür würde man mindestens dreier-
lei benötigen: eine ehrliche Analyse der Schwachstellen
in der Lebensmittelkette und ihrer Kontrollen; den ehrli-
chen Willen, daran etwas zu ändern, und zwar auch
dann, wenn man sich dabei mit der Wirtschaft anlegen
muss; und eine ehrliche Information der Verbraucherin-
nen und Verbraucher, sodass auch in Täuschungsfällen
und bei Falschetikettierung Ross und Reiter genannt
werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kennedy forderte in seiner Rede zum Verbraucher-
schutz am 15. März 1961 für Verbraucher das Recht auf
Informationen. Heute aber gibt es von Kennedy – ge-
schweige denn von „Kennedy 2.0“ – keine Spur.

Letzte Woche wurde in Windeseile das Lebensmittel-
und Futtermittelgesetzbuch geändert. Nichts hat sich da-
durch verbessert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Koalitionsfraktionen, wir, die SPD, haben Sie davor
gewarnt; denn die Hürden sind dafür zu hoch. Die Ände-
rung des § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetz-
buches wird nicht dazu führen, dass die Behörden über
Täuschungsfälle informieren.


(Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär: Doch!)


Das meinen auch die Juristen und Kontrolleure, die sich
seit gestern auf dem 26. Deutschen Lebensmittelrechts-
tag treffen. Sie fürchten sogar, dass die Verbraucher bei
Betrügereien und Skandalen wegen juristischer Unsi-
cherheiten künftig noch schlechter informiert werden.
Martin Müller, Deutschlands oberster Lebensmittelkon-





Elvira Drobinski-Weiß


(A) (C)



(D)(B)


trolleur, hält das Gesetz für handwerklich schlecht ge-
macht, und Fachjuristen sehen Unsicherheiten in einem
Ausmaß, das es noch nie gegeben hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt: Wieder
einmal sind Verbraucherschutz und Verbraucherinforma-
tion an der Rücksicht auf die Interessen der Wirtschaft
gescheitert.


(Beifall der Abg. Gabriele Groneberg [SPD])


Nachbesserungen sind hier dringend nötig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darauf hoffen übrigens auch schwarz-gelb regierte Län-
der.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die jüngsten Le-
bensmittelskandale und das von der Bundesregierung in
Auftrag gegebene Gutachten zur Lage der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher haben erneut deutlich gemacht:
Es herrscht ein Ungleichgewicht der Kräfte zwischen
den Anbietern und den Verbrauchern. „Marktintranspa-
renzen“ und „erhebliche Informationssuchkosten“ bei
den Konsumenten – so steht es im Gutachten – erschwe-
ren einen selbstbestimmten Konsum. Das Gutachten –
wohlgemerkt das Gutachten der Bundesregierung – sieht
Bedarf für einen stärkeren staatlichen Schutz solcher
Verbraucher, die ohnehin benachteiligt sind.

Im Verbraucherministerium aber bleiben solche Bot-
schaften ungehört. Das liegt auch daran, dass dieses
Ministerium nicht ohne Grund den Verbraucherschutz
als Letztes im Namen trägt. Die Bezeichnung „Verbrau-
cherministerin“ ist für Frau Aigner einfach falsch;


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wann werden Sie konkret?)


denn die Interessen der Wirtschaft haben für sie immer
Vorrang. Wir halten eine Trennung der Ressorts für drin-
gend erforderlich. Der Verbraucherschutz ist in einem so
wirtschaftsnahen Ministerium falsch aufgehoben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wirtschaftsnähe ist auch das Stichwort für die Aufre-
gung in den Medien in den letzten drei Tagen über das
Bündnis für Verbraucherbildung. Zweifellos brauchen
Kinder und Jugendliche Verbraucherbildung, eine Anlei-
tung zum kritischen Konsum und zum Hinterfragen von
Werbestrategien. Dafür braucht man Geld. Aber auch
mich besorgt die Einbindung von Unternehmensvertre-
tern, wenn diese tatsächlich Handlungsempfehlungen
mit entwickeln sollten. Als Kuratoriumsmitglied der
Deutschen Stiftung Verbraucherschutz halte ich eine
Sondersitzung zur Klärung für dringend geboten; diese
haben wir bereits vereinbart.

Wir legen Ihnen heute Vorschläge vor, mit denen wir
die Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich
verbessern wollen. Ich nenne ein paar Beispiele:

Wir wollen mehr Markttransparenz. Deshalb fordern
wir eine grundsätzliche Veröffentlichung aller amtlichen
Kontrollergebnisse.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist grundlegend für das Recht der Verbraucher auf
Information.

Wir müssen weiterhin die Grundlagen für eine bes-
sere und effizientere Lebensmittelüberwachung schaf-
fen. Dabei muss auch an die Finanzierung gedacht wer-
den. Warum bürden wir die Kosten für die amtliche
Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben
eigentlich dem Steuerzahler auf? Die Aufgaben und der
Aufwand der Überwachung sind enorm gestiegen. Die
Ausstattung hat damit nicht Schritt gehalten. Dieses Di-
lemma darf nicht verschämt verschwiegen werden.


(Beifall bei der SPD)


Hier muss offensiv nach Lösungen gesucht werden;
möglicherweise beinhalten diese auch eine Beteiligung
der Wirtschaft an den Kosten.

Wir wollen Verbraucherinnen und Verbraucher nicht
mit komplizierten und wenig aussagekräftigen Informa-
tionen überschwemmen, sondern wir wollen gute, das
heißt sinnvolle, für Verbraucher verständliche und hilf-
reiche Informationen. Dafür müssen wir aber Kriterien
erarbeiten, und zwar unter Einbeziehung etwa der Ver-
braucherforschung.

Wir wollen Marktwächter einrichten, die in den Be-
reichen Finanzmarkt, Energie, Gesundheit, Lebensmittel
und digitale Welt die Konsumenten auf Augenhöhe brin-
gen und die Aufsichtsbehörden unterstützen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722907500

Frau Kollegin.


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1722907600

Wir haben noch viele Vorschläge, doch meine Rede-

zeit reicht für die vollständige Aufzählung leider nicht
aus. Die Vorschläge liegen Ihnen allen aber auch vor. Sie
können uns dabei unterstützen, Verbraucherinnen und
Verbraucher zu stärken und zu schützen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722907700

Die Kollegin Mechthild Heil hat jetzt das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1722907800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Schön, dass wir am Weltverbrauchertag über
die Lage der Verbraucherinnen und Verbraucher auch in





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)


Deutschland sprechen. Denn es gibt viel Gutes zu be-
richten.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha!)


Die Kollegen von der SPD und von den Grünen beru-
fen sich in ihren Anträgen auf das Prognos-Gutachten.
Meine sehr verehrten Kollegen, Sie haben da eine ausge-
zeichnete Wahl getroffen. Dort wird nämlich festgestellt:
Das Vertrauen der Bürger in den Markt ist stark ausge-
prägt. – Von Misstrauen, welches Sie immer heraufbe-
schwören, ist da keine Rede. Also, die Verbraucherzu-
friedenheit in Deutschland ist gut.

Frau Drobinski-Weiß, das ist ein Lob an die Wirt-
schaft, aber auch eine Bestätigung der christlich-libera-
len Verbraucherpolitik. Wir machen gute Politik für die
Verbraucher, weil wir uns kümmern, weil wir hinhören,
weil wir verstehen, wo den Verbraucher der Schuh
drückt, und weil wir handeln, anstatt Panikmache zu be-
treiben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Ergebnisse der Studie motivieren uns, noch bes-
ser zu werden. Das Gutachten gibt erste Hinweise da-
rauf: Wohin entwickeln sich die Märkte? Wo müssen wir
mit neuen Schwierigkeiten rechnen? Das nehmen wir
sehr ernst. Darum werden wir uns auch in Zukunft küm-
mern und das in gute Verbraucherpolitik umsetzen. Aber
Ihre Schlussfolgerungen aus dem Gutachten, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen
– das kann ich Ihnen heute, am Weltverbrauchertag,
nicht ersparen –, sind leider genauso überholt wie abwe-
gig. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen.

Zunächst das Verbraucherinformationsgesetz; Sie ha-
ben eben davon gesprochen. Es ist so formuliert, dass die
Länder Verstöße gegen Hygienevorschriften melden
müssen, wenn ein Bußgeld von mehr als 350 Euro zu er-
warten ist.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Falls Gefahr im Verzug ist! – Ulrich Kelber [SPD]: Aber nur, wenn keine weiteren Punkte dagegen sprechen – und, und, und! Das ist sehr verschachtelt!)


In den anderen Fällen können sie es melden. Aber was
tut Rot-Grün in den Bundesländern, in denen sie regie-
ren? Nichts, gar nichts!


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Richtig! Überall, wo sie in Verantwortung sind, versagen sie!)


Baden-Württemberg, mit grün-roter Mehrheit regiert,
meldet keine einzige Verfehlung. Auch von meinem
Bundesland, von Rheinland-Pfalz, rot-grün regiert, wird
keine einzige Verfehlung gemeldet.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ach! Das ist doch peinlich, was Sie da sagen!)


Bayern hingegen ist Spitzenreiter beim Veröffentlichen
von Hygieneverstößen.


(Dr. Edmund Peter Geisen [FDP]: Hört! Hört! – Ulrich Kelber [SPD]: Also wirklich! Ich kann mich doch nicht da vorne hinstellen und bewusst die Unwahrheit sagen! Das geht doch nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)


Sie plustern sich hier immer auf und reden von Transpa-
renz. Aber im Ausschuss stimmen Sie dagegen und hal-
ten in den Ländern alles unter Verschluss. Transparenz
gibt es bei Ihnen nicht. Ihre Politik ist verlogen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Also, so was! Es wird ja immer besser!)


Es ist an der Zeit, dass Sie sich selber einmal an Ihre rot-
grüne Nase fassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die schlimmste Heuchlerin in der ganzen Debatte!)


– Ich weiß, die Wahrheit tut weh.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein, Sie heucheln! Das ist das Schlimme!)


Wenn Sie einmal im Ausschuss wären, würden Sie an-
ders reden.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ach was! Sie machen einfach ein ungeeignetes Gesetz!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722907900

Möchten Sie die Zwischenfrage von Frau Maisch zu-

lassen?


Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1722908000

Nein. Die Kollegin hat ja nachher Zeit, ihre eigenen

Ausführungen zu machen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja, natürlich! Erst Unwahrheiten behaupten und dann keine Zwischenfragen erlauben! Typisch!)


Thema: Warteschleifen. Ihr Vorwurf, Verbraucher
würden mit Warteschleifen abgezockt, ist völlig überzo-
gen. Eigentlich müssten Sie es besser wissen – auch Sie,
Herr Kelber, wenn Sie in den Ausschusssitzungen dabei
wären. Warteschleifen sind nach einer Übergangsfrist ab
dem 1. Juni 2013 völlig kostenlos, auch die nachgelager-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Thema: Produktinformationsblätter. Wir haben sie
eingeführt. Anleger sehen jetzt auf einen Blick die we-
sentlichen Chancen und Risiken von Bankprodukten.
Die deutschen Verbraucher brauchen keine Wärter oder
Wächter. Sie brauchen erst recht keine Finanzmarkt-
wächter bei den Verbraucherorganisationen, wie Sie sie
fordern. Wir haben mit der Bundesanstalt für Finanz-
dienstleistungsaufsicht, der BaFin, bereits eine gute Ein-
richtung. Dort wird ein Verbraucherbeirat eingerichtet,
der hilft, die Aufsichtsaufgaben aus Verbrauchersicht zu
begleiten. Zudem haben wir die Stiftung Warentest bzw.
Finanztest mit 2 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet,





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)



(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber vorher gekürzt!)


damit sie Finanzdienstleistungen prüfen und bewerten
und ihre Informationsangebote ausbauen kann.

Auch die Schlichtungsstelle im Luftverkehr kommt.

Bei einem weiteren Thema hängen Sie ebenfalls hin-
terher, nämlich beim Smiley. Die Gesetzeslage ist klar:
Die Länder können in ihrem Zuständigkeitsbereich Mo-
delle wie etwa ein Restaurantbarometer oder einen
Gastro-Smiley einführen.


(Karin Binder [DIE LINKE]: 16 verschiedene Modelle in Deutschland, das ist doch ein Witz!)


Keiner hindert sie daran.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Genau! Keiner hindert sie!)


Aber: Eine Nährwertkennzeichnung mit Ampelfarben
auf Fertiggerichten lehnen wir ab,


(Karin Binder [DIE LINKE]: Genau! Denn das wäre ja transparent!)


weil wir die komplexe Welt nicht so einfach auf drei Far-
ben reduzieren wollen. Das würde dem Verbraucher
nicht helfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja, ja! Aber Ihre Angaben!)


Wir setzen eben nicht auf Verbote oder Simplifizie-
rungen, sondern wir wollen positive Anreize setzen.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich! Aber ganz schön viele!)


Deshalb hat die Bundesregierung auch Projekte zur Ver-
besserung des Ernährungsverhaltens und für mehr Be-
wegung ins Leben gerufen, die sich vor allem an Kinder
richten. Diese Projekte sind sehr beliebt und auch sehr
erfolgreich.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Und flächendeckend?)


Zwei Dinge fallen mir an den Forderungen in Ihren
Anträgen auf: Manche Forderungen, die Sie stellen, sind
veraltet und schon längst umgesetzt.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ach! Welche?)


Da frage ich mich natürlich: Warum führen Sie all diese
Forderungen seitenweise auf? Sind Ihnen etwa zwi-
schenzeitlich die Ideen ausgegangen? Insgesamt lassen
Ihre Forderungen erschreckende Rückschlüsse auf Ihr
Verbraucherbild zu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Verbraucher ist für Sie in erster Linie Opfer. In
Ihren Augen treibt er ungeschützt und hilflos auf hoher
See, von den Wellen hin- und hergeworfen, ohne Über-
blick und ohne die Kraft, selbst zu entscheiden, wohin

die Fahrt gehen soll. Sie trauen dem Verbraucher noch
nicht einmal zu, zu wissen, wohin er überhaupt will. Was
ist das für ein Verbraucherbild, und was ist das für ein
Menschenbild, das dahinter steht!

Wir haben ein ganz anderes Bild vom Verbraucher.
Für uns Christdemokraten und Christsoziale – sicherlich
spreche ich da auch für die FDP – gilt: Wir trauen den
Menschen etwas zu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber wir überfordern sie auch nicht. Wir wissen, dass
nicht jeder in unserer komplexen und komplizierten
Konsumwelt immer und überall gleich mündig sein
kann.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Jetzt kommt die Relativierung!)


Aber jeder Mensch hat seinen Wert und hat seine Fähig-
keiten. Für uns ist der Verbraucher nicht in erster Linie
Opfer – er ist es, der die Marktmacht hat, er ist es, der
die Entscheidungen treffen kann,


(Gabriele Groneberg [SPD]: Bei den Energiepreisen hat der Verbraucher die Marktmacht? Guten Morgen!)


und er ist es, der den Impuls für die Wirtschaft setzt. Die
Wirtschaft ist ohne den Verbraucher nichts. Wir schaffen
die Verbindungen, damit der Verbraucher seine Markt-
macht auch nutzen kann, und schützen ihn dort, wo er es
nötig hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es wäre toll, wenn Sie uns auf diesem Weg begleiten
würden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908100

Caren Lay hat jetzt das Wort für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722908200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es wird höchste Zeit für eine gute, moderne und
engagierte Politik für Verbraucherinnen und Verbrau-
cher. Das gilt nicht nur heute, am Weltverbrauchertag,
das sollte eigentlich jeden Tag gelten.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir uns heute drei Jahre schwarz-gelbe Ver-
braucherpolitik ansehen, dann müssen wir sagen: Was
die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher an-
geht, waren das drei verschenkte Jahre


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


unter der Ägide einer Ankündigungsministerin, die wir
heute vielleicht besser Untätigkeitsministerin nennen
sollten;





Caren Lay


(A) (C)



(D)(B)



(Gabriele Groneberg [SPD]: Das ist wohl wahr!)


aber da sie nicht anwesend ist, wird sie diese Worte gar
nicht hören.

Frau Kollegin Heil, ich kann Ihre Jubelbilanz wirklich
nicht unterschreiben. Nehmen wir das Thema Warte-
schleifen: Diese Regelung gegen Abzocke bei Warte-
schleifen kam viel zu spät, und sie ist halbherzig ge-
macht. Oder nehmen wir die Produktinformationsblätter,
mit denen Sie sich hier brüsten wollen.


(Mechthild Heil [CDU/CSU]: Wir brüsten uns nicht, wir handeln!)


Wegen der Produktinformationsblätter von Frau Minis-
terin Aigner werden die Finanzhaie nun wirklich keine
zitternden Knie bekommen. Wenn das das Einzige ist,
womit diese Regierung die Finanzspekulanten an die
Leine legen will, dann muss ich sagen: Das ist eine trau-
rige Bilanz.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Regierung wird von einem Lebensmittelskan-
dal nach dem anderen getrieben. Sie haben kein schlüssi-
ges Konzept vorgelegt, wie solche Skandale in Zukunft
verhindert werden können. Ich muss sagen: Die
schwarz-gelbe Verbraucherpolitik bietet überhaupt kei-
nen Anlass, sich zu brüsten.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Doch, doch!)


Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf im
Verbraucherbereich ist aus meiner Sicht so groß, dass
wir bis zum Ende der Legislaturperiode eigentlich jede
Sitzung mit verbraucherpolitischen Forderungen füllen
könnten. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, wo aus
unserer Sicht dringend gehandelt werden muss. Nehmen
wir die Dispozinsen – hier verweigert sich Schwarz-
Gelb seit vielen Jahren der Forderung nach einer Decke-
lung –, nehmen wir steigende Mieten, nehmen wir Ab-
mahnungen im Internet, nehmen wir steigende Kosten
bei Heizung und bei Strom: Hier hat diese Regierung
nichts anzubieten, um Verbraucherinnen und Verbrau-
cher zu schützen.

Ich gehe noch einmal kurz auf die Lebensmittelskan-
dale ein. Als der nunmehr fünfte Lebensmittelskandal in
dieser Legislaturperiode aktuell war, hat Frau Aigner
wieder einmal einen nationalen Aktionsplan angekün-
digt – mit magerem Inhalt: Er ist voller Prüfaufträge.
Alle Prüfaufträge hätte man sich sparen können, wenn
man zu Beginn dieser Legislaturperiode einige der For-
derungen von uns Linken aufgegriffen hätte,


(Beifall bei der LINKEN)


zum Beispiel beim Verbraucherinformationsgesetz.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Und wer hat das gemacht?)


Ich finde es, ehrlich gesagt, müßig, danach zu fragen,
welches Land wie viel Verstöße gemeldet hat. Es liegt
doch in der Verantwortung dieser Koalition und dieser
Regierung, Gesetze zu erlassen, die besagen: Jedes Prüf-

ergebnis, das den Behörden vorliegt, muss öffentlich zu-
gänglich sein; das wäre einmal ein vernünftiger Ansatz
gewesen.


(Beifall bei der LINKEN)


Oder nehmen wir die überhöhten Strompreise. Dieses
Thema ist ein klassisches Beispiel dafür, dass wir die
Verantwortung nicht auf die Verbraucherinnen und Ver-
braucher abwälzen können. Natürlich kann man den
Stromanbieter wechseln; aber selbst die Stiftung Waren-
test sagt, dass bei den Vergleichsportalen im Internet so
viele Fallstricke zu beachten sind, dass es für viele Men-
schen ganz schwer abzusehen ist, was am Ende dabei he-
rauskommt. Deswegen brauchen wir hier auch andere
Maßnahmen, zum Beispiel eine staatliche Preisaufsicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist genau der zentrale Unterschied zwischen un-
serer und Ihrer Verbraucherpolitik. Sie verstecken sich
einfach hinter dem Begriff „Eigenverantwortung“. Frau
Heil, da Sie heute gesagt haben, Sie trauten den Men-
schen etwas zu, muss ich erwidern: Sie lassen die Men-
schen im Regen stehen und liefern die Verbraucherinnen
und Verbraucher der Wirtschaft aus. Das ist meine Ana-
lyse der Situation.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])


Ich denke, Sie haben im Kern einfach Angst davor
– darum geht es doch –, die Wirtschaft, also die Unter-
nehmen und Konzerne, in die Pflicht zu nehmen. Wir
nicht!


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sie schüren Ängste! Sie spielen mit den Ängsten!)


Sie fürchten um die Gewinne Ihrer Freunde bei den Kon-
zernen und machen eine entsprechende Verbraucherpoli-
tik. Wir hingegen denken an die Menschen, in deren In-
teresse wir gute Verbraucherpolitik machen wollen. Das
heißt, hier ab und zu auch einmal ein gutes Gesetz zu er-
lassen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ja, das tun wir permanent! – Gegenruf des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Spielautomaten und anderes!)


– Herr Kollege Schweickert, die Einschätzung, dass
diese Regierung das permanent tut, kann ich nicht unter-
schreiben.

Ein letzter Punkt. Auch das sogenannte Anti-Ab-
zocke-Gesetz hat ja wegen des permanenten Streits in
der Koalition jahrelang in den Schubladen gelegen und
schon Schimmel angesetzt. Herausgekommen ist zum
Schluss eine völlig verwässerte Variante von dem, was
wir brauchen.

Wir brauchen endlich eine Regulierung von unseriö-
sem Inkasso.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das haben wir doch!)






Caren Lay


(A) (C)



(D)(B)


Wir müssen verhindern, dass Jugendliche wirklich mas-
senhaft abgemahnt werden, wenn sie mal ein Youtube-
Video über Facebook posten. Auch die Verbraucherzen-
tralen sagen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung in
dieser Sache macht es eher schlimmer als besser.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Nein, nein!)


Deswegen sage ich auch an dieser Stelle: So kann es
nicht gehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Einige der Maßnahmen, die wir als Linke vorschlagen,
werden der Wirtschaft sicherlich Schmerzen bereiten.
Ich sage aber: Das muss der Politik im Zweifel egal sein,
wenn sie Politik nicht nur für die Konzerne und für die
Märkte, sondern auch für die Menschen betreiben will.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908300

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege

Dr. Erik Schweickert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1722908400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher in Deutschland war noch nie
so gut wie heute.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es war diese schwarz-gelbe Regierung, die den Verbrau-
cherschutz aus der Nische geholt und in den Fokus ihrer
Politik gestellt hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Vieles von dem, was Sie hier fordern, haben wir be-
reits erledigt. Aber bei SPD und Grünen dauert es halt
immer etwas länger – genau, wie zu Ihrer Regierungs-
zeit.


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn zum Beispiel?)


Wir sind beim Verbraucherschutz deutlich weiter als Sie,
die Sie mit dem Schreiben von Anträgen nicht hinterher-
kommen.


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn erledigt?)


Schauen wir uns doch einmal die einzelnen Punkte
an:

Sie fordern die Einrichtung von Schlichtungsstellen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und zwar möglichst viele!)


Das ist längst erledigt. Seit Oktober 2011 gibt es die von
uns eingerichtete Schlichtungsstelle Energie, und
nächste Woche beschließen wir im Bundestag in dritter

Lesung die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für den
Flugverkehr.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wie viele Schlichtungsstellen?)


Sie fordern mehr Geld für die Stiftung Warentest. Das
ist längst erledigt. Wir haben das Stiftungskapital der
Stiftung Warentest in unserer Regierungszeit um 50 Mil-
lionen Euro aufgestockt, und wir haben ihr in diesem
Haushalt 2013 noch einmal 2 Millionen Euro extra für
den speziellen Bereich der Finanzdienstleistungen zu-
kommen lassen, um die Marktüberwachung zu intensi-
vieren.

Sie fordern die Einrichtung eines Sachverständigenra-
tes für Verbraucherfragen. Das ist längst erledigt; denn
wir haben die Stiftung Verbraucherschutz ins Leben ge-
rufen und mit 10 Millionen Euro gefördert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein Sachverständigenrat!)


Sie fordern Marktwächter für Energie. Auch das ha-
ben wir längst erledigt; denn wir haben eine Markttrans-
parenzstelle eingerichtet, die den Markt überwacht und
dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher
dient.

Daneben fordern Sie mehr Transparenz und bessere
Informationen bei Täuschungen im Lebensmittelbereich.
Wir haben gehandelt und das LFGB entsprechend geän-
dert. Nun liegt es an Ihren Vertreterinnen und Vertretern
in den Ländern, diesen Änderungen im Bundesrat auch
zuzustimmen.

Da wir gerade bei den Ländern sind: Ich finde es un-
redlich, sich hier hinzustellen und ein Kennzeichnungs-
system für Gaststätten zu fordern, obwohl Sie wissen,
dass die Wirtschaftsminister der Länder eine solche Re-
gelung blockieren. Lassen Sie also bitte den Schwarzen
Peter dort, wo er hingehört, nämlich in den von Ihnen re-
gierten Ländern.


(Beifall bei der FDP und der CDU)


Sie fordern die strengere Regulierung von Inkasso-
unternehmen und die Eindämmung unerlaubter Telefon-
werbung. Auch hier liefern wir. Am Mittwoch – das ist
also gerade einmal zwei Tage her – wurde ein entspre-
chender Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb im Kabinett
beschlossen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Zu spät, zu wenig, zu löcherig!)


– Jetzt kommt der Zwischenruf „Zu spät“. Die, die zwölf
Jahre lang nichts gemacht haben, sagen jetzt, wir seien
zu spät dran.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Gesetzentwurf wurde also im Kabinett beschlos-
sen. Im Inkassowesen werden die Transparenz- und In-
formationspflichten erhöht, Gebühren werden gedeckelt
und die Bußgelder bei Verfehlungen werden erhöht. Wir
werden eine schriftliche Bestätigungslösung für am Te-





Dr. Erik Schweickert


(A) (C)



(D)(B)


lefon geschlossene Verträge im Zusammenhang mit Ge-
winnspielen einführen.

Wir schließen also Schlupflöcher für Betrüger beim
Inkasso und bei unerlaubter Telefonwerbung und führen
Verbesserungen ein durch kostenfreie Warteschleifen,
durch eine Preisansagepflicht bei Call-by-Call und durch
den Internetbutton. Wäre meine Redezeit länger, könnte
ich diese Liste noch beliebig fortsetzen, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn es aber nach Ihnen ginge, dann könnten wir am
Telefon nicht einmal mehr eine Pizza bestellen. Denn
genau das wäre die Folge einer von Ihnen geforderten
allgemeinen Bestätigungslösung für am Telefon ge-
schlossene Verträge.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Blödsinn!)


Jetzt kommen Sie und sagen, wir sollten die Zinssätze
für Dispokredite deckeln, was zur Folge hätte, dass die
Girokonten insgesamt teurer würden. Ihrer Meinung
nach soll also derjenige mehr zahlen, der sein Konto
nicht überzieht und seine Finanzen im Griff hat, damit
derjenige weniger zu zahlen braucht, der seine Finanzen
nicht im Griff hat. Diese Form der ungerechten Umver-
teilung lehnen wir ab.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gabriele Groneberg [SPD]: Das ist ein äußerst einfaches Weltbild! So einfach ist die Welt nicht!)


Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
verwechseln Verbraucherschutz mit Verbraucherbevor-
mundung. Sie verfahren getreu nach dem Motto: Wir
wissen besser, was der Verbrauch will, als es der Ver-
braucher selber weiß. – Verbraucher, die das nicht ver-
stehen oder selbst entscheiden möchten, stellen Sie mo-
ralisch in die Schmuddelecke. Das ist aber nicht meine
Vorstellung von Verbraucherpolitik.

Unsere Verbraucherpolitik ermöglicht und ermuntert
zu selbstbestimmten Entscheidungen. Schwarz-gelbe
Verbraucherpolitik hat faire Rahmenbedingungen her-
beigeführt, ohne zu bevormunden, und wir folgen keiner
moralischen Zeigefingerpolitik. Wir setzen auf die Frei-
heit des Geistes, auf die Freiheit des Handelns und auf
die Freiheit der eigenen Entscheidung. Denn wir stehen
für die Freiheit, und Sie stehen für das Verbot.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie wollen Werbeverbote ausweiten, um von Ihnen
als schlecht bewertete Produkte aus dem freien Markt zu
drängen und Verbrauchern keine Wahl zu lassen. Sie
wollen Sonntagsfahrverbote, Alkoholverbote auf öffent-
lichen Plätzen, Ladenöffnungsverbote am Sonntag,
Schnäppchenverbote, Fleischverbote und einen ver-
pflichtenden Veggieday. Ich würde gerne einmal sehen,
was los wäre, wenn ich einen verpflichtenden Fleischtag
fordern würde.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Sie wollen in diesem Bereich verbieten, was es zu ver-
bieten gibt, und das schließt sogar das Ponyreiten auf
Jahrmärkten ein.

Überall dort, wo Sie nicht verbieten können, muss zu-
mindest eine neue Steuer her. Sie fordern eine Steuer auf
Plastiktüten, eine Fettsteuer, eine Zuckersteuer. Die
Ökosteuer haben Sie uns schon in Ihrer Regierungszeit
beschert.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Sie haben Sie auch nicht abgeschafft! Also war sie wohl richtig!)


Meine Damen und Herren, Sie wollen die Verbrau-
cher nicht schützen, sondern ans Gängelband nehmen.
Verbraucherpolitik mit Handschellen – das ist die rot-
rot-grüne Vision.

Weil Sie genau diesem Leitbild in Ihrer rot-grünen
Regierungszeit gefolgt sind, zahlen die Verbraucher
heute beim Strom eine EEG-Umlage, an der Tankstelle
die Ökosteuer und im Supermarkt das Dosenpfand. Das
ist das Ergebnis, wenn man Ihnen die Verantwortung für
die Verbraucherpolitik überträgt: Der Verbraucher zahlt.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Ach ja? Wenn Sie anderer Meinung sind, hätten Sie es längst korrigieren können!)


Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD,
nun fordern, Schwarz-Gelb solle für bezahlbare Energie
sorgen, dann haben Sie offenbar vergessen, dass Rot-
Grün die Stromrechnungen zu einem Armutsrisiko ge-
macht hat. Schwarz-Gelb ändert das jetzt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Wir setzen nicht auf Bevormundung, und wir setzen
nicht auf Subventionen und Steuern, sondern wir setzen
auf Selbstentscheidung, auf Marktwirtschaft und auf
Wettbewerb.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Gerade deshalb geht es den Verbraucherinnen und Ver-
brauchern in Deutschland heute auch besser, als es in Ih-
ren Regierungsjahren jemals der Fall gewesen ist.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das glauben Sie mal, Herr Schweickert!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908500

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Nicole Maisch

das Wort.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach dieser emotional aufgewühlten Verteidigung des
Hackbrötchens und des Ponyreitens ist es natürlich
schwer, die Leidenschaftlichkeit auf diesem Niveau zu
halten.





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)



(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das Hackbrötchen habe ich nicht gebracht!)


Ich will es deshalb erst gar nicht versuchen, sondern di-
rekt zur Sache reden.

In der letzten verbraucherpolitischen Debatte sind wir
Zeugen eines selten uninspirierten ABCs geworden, als
Ilse Aigner ihre magere Bilanz von A bis Z vor uns aus-
gebreitet hat.

Heute möchten wir Ihnen gerne präsentieren, wie Ver-
braucherpolitik aussehen würde, wenn wir eine andere
Ministerin, aber vor allem andere Mehrheiten in diesem
Hause hätten. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem
Land können sich entscheiden, welche Mehrheit ihre In-
teressen besser vertritt, indem sie Ihr ABC mit unseren
Anträgen vergleichen.


(Mechthild Heil [CDU/CSU]: Mager! Nur mager!)


Thema Energiepolitik. Wird eine schwarz-gelbe
Mehrheit gewünscht, der zu diesem Thema nicht mehr
als durchschaubare Attacken auf das EEG einfällt? Herr
Schweickert hat die EEG-Umlage zur Disposition ge-
stellt, womit auch Arbeitsplätze vernichtet würden und
die Energiewende abgewürgt würde.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das ist die Klientelpolitik der Grünen!)


Oder ist eine Mehrheit erwünscht, die sich wirklich Ge-
danken macht, wie man die Kosten zwischen den Privat-
konsumenten und den großen energieintensiven Unter-
nehmen aufteilen kann? Wir sagen: Führen Sie die
Industrieprivilegien auf einen vernünftigen Stand zu-
rück!


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Die Sie eingeführt haben!)


Dann sind auch die Kosten für die Privathaushalte trag-
bar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gabriele Groneberg [SPD])


Gerade bei der Frage der Energiepreise müssen sich
doch die Menschen angesichts der Tatsache, dass Sie die
Energiewende abwürgen, fragen, wie sie in Zukunft die
Preise für Öl und Gas, die nicht bei uns zu Hause auf
dem Acker wachsen, sondern teuer importiert werden
müssen, bezahlen können.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sie leben von Halbwahrheiten! – Zurufe von der FDP)


Sie haben interessante Vorschläge zum Fracking ge-
macht. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob das der
richtige Weg ist, die Energiepreise niedrig zu halten. Wir
sagen dazu Nein.

Thema Lebens- und Futtermittelüberwachung: Noro-
virus auf Erdbeeren, Gammelfleisch, Dioxin-Eier, Pfer-
defleisch statt Rindfleisch in Fertiggerichten. Da fragt
man sich doch: Wo ist die Verbraucherministerin?


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wo sind die Länder? Wo sind die Länderminister?)


Reicht es da aus, immer wieder zu fragen: Wo sind die
Länder? – Wir haben eine Verbraucherministerin, die
nichts Besseres zu tun hat, als sich hinter den Ländern zu
verstecken.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Die Länder sind zuständig!)


Frau Heil, Sie haben eben meine Zwischenfrage nicht
zugelassen. Sie haben gefragt: Welche Länder veröffent-
lichen denn am meisten Hygieneverstöße? Dazu kann
ich Ihnen sagen: Baden-Württemberg stand auf einem
guten zweiten Platz und musste dann, nachdem die Ge-
richte wieder und wieder Veröffentlichungsentscheidun-
gen kassiert haben, feststellen, dass das Gesetz, das Sie
auf Bundesebene gemacht haben, für die Länder im
Vollzug nicht administrierbar ist.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Kokolores!)


Da müssen Sie doch einmal Selbstkritik üben und sich
fragen: Wie kann man das Gesetz so verbessern, damit
Bayern und Baden-Württemberg weiter so schön fleißig
veröffentlichen können und die Entscheidungen zur Ver-
öffentlichung nicht von den Gerichten kassiert werden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Auch beim Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten
können die Bürger entscheiden: Wollen sie weiter eine
Regierung Merkel, die beim Altersvorsorge-Verbesse-
rungsgesetz, bei der Honorarberatung und bei der Fi-
nanzaufsicht die Interessen der Anleger fest im Blick
hat, aber die Geldbörse der Bankkunden eben nicht?

Das beste Beispiel ist doch die Frage der Bewertungs-
reserven der Lebensversicherungen. Hier haben wir die
treuen Kämpfer für die Aktionäre von Allianz und Co.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Quatsch! Das ist Generationengerechtigkeit!)


Ich frage mich: Wer kämpft denn auf der rechten Seite
des Hauses für die Kunden mit Lebensversicherungen?
Ich empfehle Ihnen einen Blick in Ihren Postkasten zu
Hause im Wahlkreisbüro. Da werden Sie genau wie ich
die vielen Briefe empörter Versicherungsnehmer vorfin-
den, die die Altersvorsorge, mit der sie gerechnet haben,
eben nicht bekommen werden.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das ist überhaupt nicht wahr!)


Wir sagen: Auf den Finanzmärkten ist noch viel zu
tun. Das Thema Dispozinsen ist von meinen Kollegin-
nen, die vor mir geredet haben, angesprochen worden.
Wir sagen: Auch den Rechtsanspruch auf ein Girokonto
muss es endlich geben. Frau Heil, Sie haben gesagt: Wir
kümmern uns um die Leute. – Wer kümmert sich denn
um die über eine halbe Million Menschen, die überhaupt
kein Konto hat? Darum sollten Sie sich einmal küm-
mern, weil das wirklich gravierende soziale Probleme
nach sich zieht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)






Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)


Frau Heil, Sie haben sich sehr über die Marktwächter
empört. Ich finde, heute ist der falsche Tag, sich über die
Finanzmarktwächter zu empören, weil Ihnen heute wie-
der einmal von den Verbraucherzentralen aufs Brot ge-
schmiert wird, dass die Regelungen, die Sie zur Transpa-
renz bei Provisionen im Finanzvertrieb getroffen haben,
nicht funktionieren. Die meisten Banken vertreten, was
die Befolgung solcher Transparenzregeln angeht, offen-
sichtlich den Standpunkt: Kann man machen oder eben
nicht. Da stellt sich schon die Frage: Müssen Sie bei der
Marktaufsicht auf der einen Seite, aber natürlich auch
bei der zivilgesellschaftlichen Ergänzung dieser Auf-
sicht auf der anderen Seite nicht nacharbeiten?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ein letzter Punkt angesichts der vielen blinden Stellen
in Ihrem ABC. Da Sie so viel von der Selbstbestimmung
und der Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher
gesprochen haben, frage ich mich: Warum sind Sie nicht
in der Lage, die Bedeutung des privaten Konsums und
der privaten Investitionsentscheidung für die ökologi-
sche und soziale Transformation unserer Wirtschaft zu
erkennen? Warum erkennen Sie nicht die Macht, die
zum Beispiel hinter den Milliarden Euro steckt, die wir
Deutsche jährlich in die staatlich geförderte Riester-
Rente investieren? Da kann man sich doch überlegen:
Braucht man nicht Mindestnachhaltigkeitskriterien?


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Dass die grüne Klientel bedient wird, oder?)


Ich habe bei Ihnen die Hoffnung aufgegeben, dass wir
uns da auf etwas einigen. Ich glaube, dass ich mich mit
Ihren Kolleginnen und Kollegen im Menschenrechtsaus-
schuss relativ schnell auf Standards einigen könnte, was
die unterste Grenze sein sollte für Maßnahmen, die wir
staatlich finanziell fördern.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich über die
Länge unseres Antrags geärgert. Wenn Sie besser gear-
beitet hätten, könnte der Antrag kürzer sein. Das ist er
leider nicht. Aber das ist nicht die Schuld der linken
Seite des Hauses, sondern Ihre. Ich denke, da haben Sie
einiges nachzuarbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908700

Marlene Mortler hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1722908800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wenn die Opposition John F. Kennedy be-
müht, dann klingt das geradezu hilflos.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das zeugt von historischer Kenntnis, Frau Kollegin! Sie haben das nicht verstanden, Frau Mortler!)


Denn das Wort „Nachbesserung“ war das Synonym für
Ihre rot-grüne Regierungszeit.

Meine Damen, meine Herren, je strenger die Gesetze
– man wirft uns vor, dass wir zu wirtschaftsfreundlich
wären – und je höher die Standards, umso schneller wer-
den kleine und mittlere Unternehmen aus dem Markt ge-
kegelt.


(Beifall der Abg. Carola Stauche [CDU/CSU])


In dieser Herausforderung befinden wir uns. Das heißt,
wir streben eine Politik auf Augenhöhe an, die jedem ge-
recht wird und jedem gerecht werden muss.

Ich zitiere an dieser Stelle einen grünen Abgeordneten
des Europäischen Parlaments, der gesagt hat: Wenn alle
bestehenden Gesetze eingehalten würden, dann bräuch-
ten wir keine neuen. – An dieser Stelle wiederhole ich
unseren Appell an die Bundesländer, ihrer Hausaufgabe
besser gerecht zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage es gerne noch einmal: Diese Bundesregie-
rung hat für den Verbraucherschutz mehr getan als jede
andere Regierung zuvor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Also, diese Regierung hat jetzt mehr als die letzte Regierung gemacht? Das ist ja interessant! – Gabriele Groneberg [SPD]: Das wird durch ständiges Wiederholen auch nicht besser!)


Dieses Etikett gilt auch für uns, die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion. Mich freut es ganz einfach, dass auch die
neutrale Studie von Prognos zur Lage der Verbraucherin-
nen und Verbraucher zu dem Ergebnis gekommen ist:
Die machen eine gute Politik.


(Gabriele Groneberg [SPD]: Wie bitte? – Ulrich Kelber [SPD]: Können Sie ein Zitat liefern? Ein Zitat aus der Studie!)


Wer bisher aufmerksam zugehört hat, der musste sich
fragen: Sind wir eigentlich in einem verbraucherpoliti-
schen Entwicklungsland?


(Gabriele Groneberg [SPD]: Ja! – Lachen bei der CDU/CSU)


Was passiert hier eigentlich? Wird nicht unter dem
Deckmantel einer modernen Verbraucherpolitik ein ganz
anderes Ziel verfolgt, nämlich eine demokratisch legiti-
mierte Erziehungsdiktatur?


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind doch nicht in Bayern! – Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh!)


Gerade weil wir uns der wachsenden Bedeutung des
Verbraucherschutzes bewusst sind, haben wir Verbrau-
cherschutz und Politik umfassend im Blick. Ich zitiere
gerne unsere Ministerin, die in ihrer letzten Rede von
„Verbraucherpolitik von A bis Z“, von „Anlegerschutz“
bis „Zu gut für die Tonne“, gesprochen hat.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat es in die heute-show geschafft!)






Marlene Mortler


(A) (C)



(D)(B)


Das sind Themen, die Sie zu Ihrer Zeit nie auf der
Agenda hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Natürlich ist es unsere Aufgabe, falsche Entwicklun-
gen zu korrigieren. Ich sage noch einmal: Wir stellen die
Weichen richtig. Ich erinnere sehr gerne an das, was der
Kollege Professor Schweickert in diesem Zusammen-
hang gesagt hat. Ich bin auch tourismuspolitische Spre-
cherin. Wir haben die Weichen für die Schlichtungsstelle
im öffentlichen Personenverkehr neu gestellt. Inzwi-
schen arbeitet diese Schlichtungsstelle so erfolgreich,
dass immer mehr Verkehrsunternehmen mitmachen wol-
len, ob im Bereich Schiffe oder im Bereich Busse. Für
nächste Woche ist die Einbringung des Gesetzentwurfs
zum Thema Luftverkehr angekündigt.

All das ist nicht selbstverständlich. Ich weiß, dass die
Akzeptanz dieser Schlichtungsstelle aufgrund unserer
Politik weiter wächst.

Meine Damen und Herren, wir sind damit in Sachen
Fahrgastrechte gut unterwegs. Das Verfahren der außen-
gerichtlichen Streitbeilegung wird weiter an Akzeptanz
gewinnen und sich bewähren.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zum Thema Er-
nährung sagen. Ich bin auch Ernährungsexpertin. Ich bin
gelernte Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft. Wenn
Sie von gesunder Ernährung reden, kann ich Ihnen nur
sagen: Es gibt keine gesunde Ernährung, sondern nur ein
gesundes Ernährungsverhalten. Deshalb setze ich auf
eine abwechslungsreiche, saisonale, regionale und be-
darfsgerechte Ernährung. Ich selber weiß am besten den
Wert einer ausgewogenen Ernährung zu schätzen. Es ist
nichts günstiger und besser, als Rohstoffe selber zu ver-
arbeiten sowie Kochen und Essen zum gemeinsamen Er-
lebnis zu machen.

Deshalb begrüße ich ausdrücklich das geforderte
Schulfach Allgemeinbildung bzw. Alltagsökonomie und
Lebensökonomie bzw. Alltagskompetenz. Für uns ist es
wichtig, dass wir nicht jede Verantwortung auf die
Schule und den Staat verlagern. Ein solches Unterrichts-
fach kann dazu beitragen, Schüler von Anfang an im
Sinne eines mündigen Verbrauchers fit zu machen. Ich
sehe mich hier mit den Landfrauen auf der richtigen
Seite.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Denn ob Ernährung, Finanzen oder Medien: Kinder
müssen sich auf immer komplexer werdenden Märkten
zurechtfinden. Ich freue mich übrigens, dass das Bun-
desland Schleswig-Holstein bereits das Unterrichtsfach
Verbraucherbildung eingeführt hat, und zwar unter Peter
Harry Carstensen, dem ehemaligen Ministerpräsidenten.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722908900

Frau Mortler.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1722909000

Frau Präsidentin, ich schließe sofort. – Es wäre schön,

wenn das Bündnis für Verbraucherbildung auf Länder-
ebene noch größere Zustimmung fände. Wir brauchen

keine Bevormundung und erst recht keine Entmündi-
gung, sondern mündige Verbraucher von Anfang an.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722909100

Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Gabriele

Groneberg das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Groneberg (SPD):
Rede ID: ID1722909200

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich
möchte mit dem Thema Energie fortfahren; das hatten
wir vorhin kurz gestreift. Herr Schweickert war kurz da-
rauf eingegangen. Ich kann gerade nach den Reden der
letzten Tage nur feststellen: Das organisierte Chaos der
Bundesregierung bei der Energiewende sollte eigentlich
kaum noch zu toppen sein. Doch Frau Ministerin Aigner
setzt hier durch Nichtstun Standards. Auch das ist schon
eine Leistung.


(Beifall bei der SPD)


Ohne Frage steht das Thema der steigenden Energie-
preise für Verbraucherinnen und Verbraucher ganz oben
auf der Agenda; denn genauso wie das Wohnen gehören
zu den Grundbedürfnissen eine warme Wohnung und
Energie zum Heizen, Kochen, Lesen, Musikhören und
Fernsehen. Sinnigerweise finden wir dazu nichts von der
Verbraucherministerin.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Genau!)


Sie ist auf diesem Feld genauso abwesend wie im Au-
genblick hier im Plenum.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Der Staatssekretär ist da!)


Sie haben das Gutachten zur Verbraucherpolitik an-
gesprochen, Frau Mortler, Frau Heil und Herr
Dr. Schweickert. Ich finde das witzig. Wo sind denn Ihre
Schlussfolgerungen aus dem Gutachten? Das Gutachten
sagt ganz genau, wie man damit umzugehen hat. Wo
sind denn jetzt die Vorschläge der Ministerin für bezahl-
bare Energie, gegen Energiearmut sowie für bezahlbare
Mieten und bezahlbares Wohnen? Was tut sie gegen die
Steigerung der sogenannten zweiten Miete, der Neben-
kosten? Nichts, gar nichts! Ihre Kabinettskollegen
Rösler und Altmaier organisieren fröhlich das Chaos in
der Energiewende. Ihre Aufgabe wäre es, sich hier ein-
zumischen. Aber hier passiert nichts. Sie glänzt nur
durch Abwesenheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben in den Debatten der letzten Tage zwar über
die hohen Energiepreise geklagt, aber nur unter dem As-
pekt, wie sich diese auf die deutschen Unternehmen aus-
wirken und wie diese darunter zu leiden haben.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)






Gabriele Groneberg


(A) (C)



(D)(B)


Wir fragen uns: Wo bitte sind denn die Menschen in
Deutschland abgeblieben? Brauchen diese etwa keinen
Strom? Der Privatverbraucher ist doch derjenige, der mit
den von Ihnen zu verantwortenden hohen monatlichen
Stromabschlägen die Unternehmen in Deutschland mit-
finanziert. Dazu war von Ihnen in den letzten Tagen
nichts zu hören. Auch heute gab es dazu keinen Piep.

Fakt ist doch: Die Bürgerinnen und Bürger zahlen für
eine total verkorkste Energiewende in Deutschland. Sie
zahlen für die Regressforderungen der Energiekonzerne,
weil diese Bundesregierung nicht in der Lage war, den
Ausstieg aus der Atomenergie vernünftig zu organisie-
ren.


(Beifall bei der SPD – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Aber Sie!)


Sie zahlen für den Wegwerfstrom, der durch den fehlen-
den Netzausbau und die damit einhergehende Verstop-
fung der Netze entsteht, weil diese Bundesregierung
nicht in der Lage war, den Netzausbau in Deutschland zu
organisieren.

Die Bürgerinnen und Bürger zahlen, weil Sie in Eu-
ropa auf der Bremse stehen, wenn es um Energieeffi-
zienz geht.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Schämen Sie sich!)


Sie zahlen, weil Sie den Unternehmen, die in den Aus-
bau der Windkraft investieren wollen, keine Investitions-
sicherheit bieten. Außerdem zahlen sie, weil sinkende
Strompreise an der Börse nur an die Großindustrie, aber
nicht an die Verbraucher weitergegeben werden.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: So ein Schwachsinn!)


Sie zahlen, weil die massiv ausgeweiteten Ausnah-
men bei der Stromsteuer, von denen im Übrigen pikan-
terweise Hähnchenmastanlagen und Golfplätze profitie-
ren,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


vom Verbraucher zu bezahlen sind. Sie zahlen, weil Sie
nicht in der Lage sind, etwas Wirkungsvolles gegen die
steigenden Energiepreise zu unternehmen.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aufgrund der
steigenden EEG-Umlage mit Mehreinnahmen bei der
Mehrwertsteuer von bis zu 1 Milliarde Euro pro Jahr im
Bundeshaushalt zu rechnen ist, haben wir Ihnen angebo-
ten, diese Mehreinnahmen mit unserer Zustimmung
auch dafür zu verwenden, Strom für Familien und Ge-
ringverdiener billiger zu machen. Darauf sind Sie in kei-
ner Weise eingegangen. Wenn Sie darauf eingehen und
zu diesem Thema in die Bütt gehen würden, dann wür-
den wir Ihnen zustimmen.

So kann ich aber nur feststellen: Dieses Verbraucher-
schutzministerium ist keines. Es stellt keine Lobby für
Verbraucherinnen und Verbraucher dar.

Wie soll der Verbraucher bei rund 1 000 Stromanbie-
tern und etwa 800 Gasanbietern noch den Überblick be-
halten?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er kann doch lesen!)


Da soll er mündig sein? Ich frage mich, woher der Ver-
braucher die Zeit nehmen soll, um sich in diesem
Dschungel noch zurechtzufinden.

Wir brauchen Markttransparenz und Marktüberwa-
chung. Das täte diesem Bereich ganz besonders gut. Hier
funktionieren die Märkte aber nur zulasten der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher. Das gilt beim Benzin ge-
nauso wie beim Gas oder auch beim Öl.


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen also dringend Marktwächter, die die
Nutzer unterstützen, die die Nutzer auf Augenhöhe brin-
gen und die auch die Aufsichtsbehörden unterstützen
können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass sich
die Menschen in Deutschland beim Thema Bundesregie-
rung in einigen Monaten im eigenen Interesse sehr ener-
giesparend verhalten werden. Wenn ich unnötige Strom-
fresser an der Steckdose habe, schalte ich diese aus.
Mündige Wählerinnen und Wähler werden sich im Sep-
tember genauso verhalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722909300

Jetzt hat Carola Stauche das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Carola Stauche (CDU):
Rede ID: ID1722909400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Selbstverständlich reden wir am
Weltverbrauchertag in diesem Hohen Hause gern über
den Verbraucherschutz. Das können wir als christlich-li-
berale Koalition auch mit gutem Gewissen tun; denn
keine andere Koalition hat so viel für den Verbraucher-
schutz getan wie wir in den letzten knapp dreieinhalb
Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dass Ihnen das nicht passt, erkennen wir deutlich an
Ihren Reaktionen. Sie verstricken sich ständig in Wider-
sprüche. Vorhin wurde uns zum einen vorgeworfen, wir
würden dem Verbraucher zu wenig Informationen ge-
ben, zum anderen aber auch, wir würden ihm verwirren-
derweise zu viele Informationen geben. Dann wollen
Sie, dass wir Handel und Industrie in die Pflicht nehmen.
Wird dies getan und beteiligen sie sich an der Verbrau-
cheraufklärung, passt Ihnen das auch wieder nicht.





Carola Stauche


(A) (C)



(D)(B)


Ich weiß, warum wir dieses Thema jetzt regelmäßig
diskutieren. Nicht etwa, weil Ihnen die Verbraucherin-
nen und Verbraucher am Herzen liegen.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sondern?)


Nein, Ihnen sind die Wahlkampfthemen ausgegangen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt haben Sie uns aber erwischt! – Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Uns ist der Schutz der Verbraucher mindestens ge-
nauso wichtig, wie er Ihnen ist. Es gibt aber einen ent-
scheidenden Unterschied: Wir als christlich-liberale Ko-
alition nehmen die Ängste der Verbraucher ernst.


(Caren Lay [DIE LINKE]: Ach so! Das wäre das erste Mal!)


Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, we-
cken und schüren ständig Ängste. Die beiden Anträge,
um die es in der heutigen Debatte geht, machen das wie-
der einmal ganz deutlich.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch:


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das tun wir, glaube ich, nicht!)


Wenn der Verbraucher getäuscht wird, wie es bei den
jüngsten Lebensmittelskandalen geschehen ist, gehört
das mit aller Härte des Gesetzes bestraft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber einen ganzen Wirtschaftszweig, zum Beispiel die
Tierhaltung, zu verteufeln, wie das beispielsweise im
Antrag der Grünen getan wird, kann nicht die Lösung
sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Um Ängste zu schüren, brauche ich selbstverständlich
auch einen Räuber hinter dem Baum, der den Verbrau-
chern auflauert.

Es gibt einen weiteren Unterschied zwischen dem
Verbraucherschutz, wie Sie, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen der Opposition, ihn sich vorstellen, und
wie wir von der Union ihn uns vorstellen. Wir möchten
niemanden bevormunden. Wir maßen uns nicht an, zu
wissen, was der Verbraucher kaufen will.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wisst ihr auch nicht!)


Wir überlassen das dem Markt oder, besser gesagt, wir
überlassen es den Verbraucherinnen und Verbrauchern,
selbst zu entscheiden, was sie konsumieren wollen. Wir
stehen für den mündigen Verbraucher, der selbst ent-
scheidet, was auf den Tisch, in den Einkaufswagen oder
in das Bankportfolio kommt. Wir schreiben nicht vor,
wir bevormunden nicht, wir informieren und lassen
selbst entscheiden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das heißt allerdings nicht, dass wir die Verbraucher
alleinlassen, wenn es beispielsweise aus einer Mischung
von Profitgier und krimineller Energie zur Täuschung
von Verbrauchern kommt. Hier wurden bereits vorhan-
dene Sicherungssysteme durch weitere sinnvolle Ange-
bote des Bundesministeriums erweitert.

Lassen Sie mich einiges stichwortartig vorstellen, was
an Verbraucherschutz seit November 2009 verabschiedet
wurde. Die Initiative „Klarheit und Wahrheit“ mit der
Homepage www.lebensmittelklarheit.de ist ein Beispiel,
wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher informieren
und, wenn nötig, beschweren und untereinander austau-
schen können. Für den Bereich Ernährungsbildung und
Ernährungsinformation wurden Bildungsbausteine für
Kitas, Schulen und Senioren entwickelt und aktualisiert.
Das Gleiche gilt für Qualitätsstandards für gesunde Er-
nährung bei Gemeinschaftsverpflegung.

Die Förderung aus dem Bundeshaushalt für die Ver-
braucherzentrale Bundesverband, die Stiftung Warentest
und den DIN-Verbraucherrat ist weiterhin garantiert.
Das Stiftungskapital der Stiftung Warentest wurde zu-
sätzlich auf nun 75 Millionen Euro aufgestockt. Es
wurde ein zentrales Verbrauchertelefon eingerichtet. Die
Informationskampagne „Zu gut für die Tonne“ läuft seit
einem Jahr.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Passiert ist nichts!)


Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch wurde da-
hin gehend geändert, dass Rechtsverstöße, die bei der
Lebensmittelüberwachung aufgedeckt wurden, durch die
Behörden veröffentlicht werden müssen. Es muss nur
getan werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das wird vor Gericht kassiert!)


Es wurden Kriterien für eine Regionalkennzeichnung
entwickelt. Seit Mitte Januar kann man bereits so ge-
kennzeichnete Produkte kaufen. Es wurde das Tier-
schutzlabel eingeführt und, und, und.

Ich will nicht noch einmal all das aufzählen, worauf
meine Kollegen schon hingewiesen haben. Auch möchte
ich nicht all das, was Frau Ministerin Aigner bereits in
der vergangenen Diskussion hier im Plenarsaal darlegte,
wiederholen. Insgesamt ist aber festzustellen: Die ver-
braucherpolitische Bilanz der schwarz-gelben Regie-
rungskoalition ist gut. Das sollte auch einmal die Oppo-
sition anerkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich würde mich freuen, wenn die Opposition in der
Diskussion wieder mehr das Wohl und nicht die Ängste
der Verbraucherinnen und Verbraucher in den Mittel-
punkt stellen und zur Sachlichkeit zurückkehren würde;
denn dann wäre dem selbstbestimmten und eigenverant-
wortlich handelnden Verbraucher am meisten geholfen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722909500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/12689 und 17/12694 an die Aus-
schüsse vorgeschlagen, die Sie in der Tagesordnung fin-
den. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und
anderer Gesetze

– Drucksache 17/12636 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Innenausschuss 
Rechtsausschuss 
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Es ist verabredet, hierüber eine halbe Stunde zu de-
battieren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann
verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Alle Straßenverkehrsteilnehmer
– nicht nur die Autofahrer – und Führerscheininhaber
haben Anspruch auf ein klares und nachvollziehbares
Regelwerk. Beim Flensburger Verkehrszentralregister,
im Volksmund „Verkehrssünderdatei“ genannt, kann von
solcher Klarheit und Nachvollziehbarkeit leider Gottes
schon längst keine Rede mehr sein. Es ist bekannterma-
ßen über 50 Jahre alt, und hier hat sich viel Unnachvoll-
ziehbares und Intransparentes eingeschlichen. Das wol-
len wir nun ändern.

Das neue Fahreignungsregister – so nennen wir es
jetzt – macht das ganze System einfacher, gerechter und
vor allen Dingen transparenter, wobei das oberste Ziel ist
und immer sein muss, mehr Verkehrssicherheit zu schaf-
fen. Dazu legen wir heute in erster Lesung den Entwurf
eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenver-
kehrsgesetzes und anderer Gesetze vor.

Das Thema betrifft naturgemäß viele Millionen Men-
schen. Deshalb haben wir ganz bewusst dafür gesorgt,
dass die Reformpläne das Ergebnis eines breit angeleg-
ten Verfahrens der öffentlichen Beteiligung sind. Unsere
Eckpunkte vom Frühjahr des vergangenen Jahres haben
wir nicht nur mit den Ländern und den Verbänden, die
im Verkehrsbereich aktiv sind, eng beraten, sondern wir
haben in den ersten drei Maiwochen des letzten Jahres
auch ein ausgesprochen breit angelegtes Verfahren der
Bürgerbeteiligung durchgeführt, begleitet von einer
ganztägig anwesenden Expertengruppe von jeweils
sechs Helfern und Beratern, die ständig an den Telefo-
nen und online waren. Sie haben in diesen drei Wochen

30 000 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern erhalten.
All dies ist in unsere Erwägungen eingeflossen.

Künftig sollen Punkte nur noch für solche Verstöße
vergeben werden, die für die Verkehrssicherheit relevant
sind. Zwei Beispiele für Verstöße, bei denen keine
Punkte mehr vergeben werden sollen: Verstöße gegen
das Sonntagsfahrverbot oder gegen die Umweltplaket-
tenpflicht. Weil diese Verstöße nicht verkehrssicherheits-
relevant sind, sollen sie keine Punkte mehr zur Folge ha-
ben. Aber ich sage in aller Deutlichkeit: Wer dagegen
verstößt, geht natürlich nicht leer aus; denn er wird na-
türlich mit einer Bußgeldsanktion belegt. Beispielsweise
ist für einen Verstoß gegen die Umweltplakettenpflicht
ein Bußgeld von 80 Euro vorgesehen, also ein höheres
Bußgeld als bisher.

Unsere Vorschläge zur neuen Höhe der Bußgelder
halte ich übrigens für ausgewogen. Ich glaube, alle, die
sich mit Bußgeldern in Nachbarländern Deutschlands
befassen, können das bestätigen. Wer beispielsweise die
Höhe der Bußgelder in Italien oder Österreich kennt
– ich selbst wurde noch nie Opfer davon, aber es wird
mir ständig erzählt –, der muss sich diesbezüglich in
Deutschland regelrecht wohlfühlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Punktesystem
wird also einfacher und transparenter:

Erstens. Verstöße werden künftig mit einem Punkt,
mit zwei Punkten oder mit drei Punkten geahndet, je
nach Schwere des Verstoßes. Unterschieden wird zwi-
schen einem schweren Verstoß, einem besonders schwe-
ren Verstoß und einem besonders schweren Verstoß in-
klusive eines Tatbestandes, der strafrechtsrelevant ist,
beispielsweise wenn jemand über eine Ampel fährt, die
schon länger als eine Sekunde rot war, und dabei auch
noch jemanden verletzt.

Zweitens. Wir schaffen einen Punktetacho – so haben
wir es genannt – und sehen klare Maßnahmen vor: Bei
ein bis drei Punkten erfolgt zunächst eine Vormerkung,
ab vier Punkten eine Ermahnung, ab sechs Punkten eine
Verwarnung mit Anordnung der Teilnahme an einem
Fahreignungsseminar, ab acht Punkten schließlich ein
Führerscheinentzug.

Drittens. Es wird endlich feste Tilgungsfristen geben.
Jeder Verstoß verjährt für sich, und es wird keinen
Mischmasch mehr mit Überliegefristen und Tilgungs-
hemmungen geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jeder kann sich also darauf verlassen, dass Punkte für ei-
nen bestimmten Verstoß nach einer klar definierten Zeit-
spanne auch wieder gelöscht werden.

Meine Damen und Herren, bei so vielen Betroffenen
kann es nicht verwundern, dass heftig darüber diskutiert
wird; schließlich gibt es unter den 82 Millionen Men-
schen in Deutschland 82 Millionen Experten für dieses
Thema. Das betrifft übrigens auch die Frage – ich will
das ganz offen ansprechen –, ob es nicht weiterhin einen
Punkterabatt für solche Personen geben soll, die sich
freiwillig einem Seminar unterziehen. Ein Argument
lautet, dass ohne eine solche Rabattregelung besonders





Bundesminister Dr. Peter Ramsauer


(A) (C)



(D)(B)


Vielfahrer stärker belastet sind. Ich weiß, das ist ein
ernstzunehmendes Argument. Bei allem, was wir hier
entscheiden und tun, sollten wir hier aber immer die
Frage der Verkehrssicherheit an vorderste Stelle rücken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In diesem Fall müsste man die Frage beantworten, wann
jemand ein Vielfahrer ist: bei 20 000 Kilometern, bei
50 000 Kilometern oder bei 100 000 Kilometern? Dabei
eine Abgrenzung vorzunehmen, ist auch keine ganz ein-
fache Angelegenheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns im
jetzt beginnenden parlamentarischen Verfahren zu prak-
tikablen und überzeugenden Lösungen kommen. Ich
werbe ausdrücklich für einen fraktionsübergreifenden
Konsens. Bei der Materie, um die es sich hier handelt,
geht es um Menschen und um Verkehrssicherheit. Ich
glaube, hier kann das ganze deutsche Parlament zu einer
einheitlichen Auffassung gelangen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722909600

Jetzt hat für die SPD-Fraktion das Wort die Kollegin

Kirsten Lühmann.


(Beifall bei der SPD)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1722909700

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-

nen! Kaum ein Verkehrsthema ist so emotional besetzt
wie das, das wir heute im Rahmen der ersten Lesung des
Gesetzentwurfs zum Verkehrszentralregister diskutieren.
Wenn man an einem Stammtisch sitzt und Gesprächs-
thema das Auto ist, kommt unweigerlich irgendwann die
Frage: Und, wie viele Punkte hast du? – Was ist die rich-
tige Antwort darauf? Wenn man zugibt, gar keine Punkte
zu haben, gilt man als Weichei und Laternenparker.
Wenn man zugibt, zu viele Punkte zu haben, könnte es
sein, dass die Runde einem als potenzielle Verkehrsge-
fahr den Schlüssel wegnimmt.

Aber es gibt auch ganz viele Menschen, die gar nicht
wissen, wie viele Punkte sie aktuell haben, und das ist
ein Zustand, der nicht tragbar ist. Darum hat Bundes-
minister Tiefensee schon 2009 gesagt: Da müssen wir et-
was tun. In der letzten Legislatur haben die damaligen
Regierungsfraktionen SPD und CDU/CSU einen Antrag
vorgelegt, mit dessen Verabschiedung beschlossen
wurde, dass eine Expertengruppe eingesetzt wird, die
sich dieses Themas annehmen soll. Diese Experten-
gruppe hat im Sommer letzten Jahres ein Ergebnis vor-
gelegt.

Ich fange mit dem Positiven an: Wir haben jetzt einen
Gesetzentwurf. Das ist, mit Verlaub, bei unserem jetzi-
gen Verkehrsminister nicht selbstverständlich. Er fängt
als Ankündigungsminister zwar viele Themen an, sei es
nun das Problem der „Kampfradler“ oder die Frage der
medizinisch-psychologischen Untersuchung, ohne sie
abzuschließen; aber in diesem Fall liegt uns etwas vor.

Eine zweite Sache finde ich bedeutsam: Das ist die
eben schon angesprochene Bürgerbeteiligung. Ich
denke, diese Bürgerbeteiligung zeigt, dass wir mehr Ak-
zeptanz für Gesetzeswerke erreichen können. Die Zahl
von 30 000 Menschen, die sich daran beteiligt haben,
macht deutlich, dass dafür ein Bedarf da ist. Ich würde
dieses positive Ergebnis gerne auf andere Gesetzesvor-
haben übertragen.

Um zu den Inhalten zu kommen: Worüber reden wir?
Der Minister hat es eben angedeutet, aber nicht klar ge-
sagt: Was ist die Flensburger Datei? Wozu soll sie die-
nen? Wir lesen und hören in den Medien viele Begriffe
wie „Bestrafung von Verstößen“ – auch der Minister hat
davon gesprochen –, „Strafpunkte“ oder „Verkehrssün-
der“, ein weiteres Wort, das es nur bei uns in Deutsch-
land gibt. Wir denken also an Strafe und Erziehung.
Aber ist es das wirklich? Nein, meine Kollegen und Kol-
leginnen, das ist es nicht. Es geht bei diesem Verkehrs-
zentralregister darum, dass man der Verwaltung ein In-
strument an die Hand gibt, mit dem sie erkennen kann,
ob jemand geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen oder
nicht; mehr ist es nicht. Es ist kein pädagogisches Sys-
tem, und es soll auch nicht zur Bestrafung von Autofah-
rern dienen.

Jetzt komme ich zu den Vorschlägen, die die Exper-
tenkommission damals gemacht hat. Aus dem von mir
genannten Grund hat sie gesagt, das Sinnvollste wäre, es
gäbe gar keine Punkte mehr. Entscheidend ist nur, dass
jemand gegen Verkehrsregeln verstoßen hat und wie oft
er dagegen verstoßen hat. Darum geht es, wenn wir der
Verwaltungsbehörde helfen wollen. Die Sicherheit des
Verkehrssystems hängt grundlegend von der Zuverläs-
sigkeit der Menschen ab, die daran teilnehmen. Die Be-
gründung der Verkehrspsychologen war eindeutig. Die
Bewertung dieses Regelverstoßes in schwer oder weni-
ger schwer ist irrelevant. Allein entscheidend ist, dass sie
registriert werden.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, damit Sie sehen, dass es
schon jetzt gängige Praxis ist. In dem Bereich, in dem
ich als Polizistin tätig war, gab es eine Kraftfahrzeugfüh-
rerin, die sich niemals angeschnallt hat, aus Prinzip
nicht. Das ist ein Verstoß, der zwar mit einem Bußgeld
bewehrt wird, aber von uns allen letztendlich als nicht so
gravierend angesehen würde, um die Fahrerlaubnis zu
entziehen. Nach einer gewissen Zeit, in der wir sie im-
mer wieder darauf angesprochen haben und sie immer
noch nicht bereit war, sich regelkonform zu verhalten,
wurde ihr wegen Unzuverlässigkeit die Fahrerlaubnis
entzogen. Das ist heute schon möglich. Ich denke, das
war auch der Grund, warum die Experten dieses System
vorgeschlagen haben.

Der Minister hat sich anders entschieden. Im ersten
Entwurf, der der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, ging
es darum, sich auf nur noch einen oder zwei Punkte zu
beschränken. In dem Entwurf, den wir jetzt haben, lesen
wir, dass es ein, zwei und drei Punkte geben soll. Hier,
liebe Kolleginnen und Kollegen, stelle ich mir die Frage:
Was ist daran das revolutionäre Neue? Ob ich 7 Punkte
habe und mit 18 Punkten den Führerschein verliere oder
ob ich 3 Punkte habe und den Führerschein mit 8 Punk-





Kirsten Lühmann


(A) (C)



(D)(B)


ten verliere, das hat nichts mit einem neuen System zu
tun, sondern ist eine Kleinigkeit. Das hat nichts mit
Transparenz zu tun. Das versteht kein Mensch. Die ers-
ten Fachleute, wie die vom ACE, sagen: Kinder, lasst
bitte alles beim Alten. Das ist doch einfach nur eine Re-
form des Aktionismus wegen.

Unsere Länder haben auch noch andere Bedenken.
Eines wurde angesprochen, was wir leider nicht im Aus-
schuss behandeln. Es geht nämlich um die Änderung
von Verordnungen. Für Verordnungen ist der Bundestag
nicht zuständig. Diese Verordnungen haben aber ele-
mentar etwas mit unserer Reform zu tun. Wenn es nur
noch ein bis drei Punkte gibt, dann geht es um die Frage:
Welcher Verstoß soll mit wie vielen Punkten geahndet
werden? Das ist eine ganz gravierende Frage. Welcher
Verstoß ist so gravierend, dass es zwei Punkte gibt, und
welcher ist so gravierend, dass es drei Punkte gibt? Das
wird im Ausschuss nicht beraten. Es wäre schön, wenn
wir es machen könnten.

Die nächste Frage, die sich daran anschließt, ist: Was
machen wir mit Verstößen, für die es keinen Punkt mehr
gibt? Der Minister hat gerade angedeutet, dass er dann
das Bußgeld erhöhen will. Wie könnte das aussehen?
Dazu gibt es einen ersten Entwurf. Für das Einfahren in
die Umweltzone soll es künftig keinen Punkt mehr ge-
ben. Damit können wir uns alle anfreunden. Dafür soll
das Bußgeld von 40 Euro auf 80 Euro erhöht werden.
Herr Ramsauer, mich interessiert nicht, wie viel ich da-
für in Frankreich oder Spanien bezahlen muss. Mich in-
teressiert, wie das in unser Gefüge der Bußgelder passt.
Ich lese in der Reform, die Sie neu auf den Weg gebracht
haben: Das Parken auf einem Fahrradschutzstreifen
– aus meiner Sicht eine höchst gefährliche Sache; Sie
parken auf einem Fahrradschutzstreifen und die Fahr-
räder müssen auf die Fahrbahn ausweichen – kostet
10 Euro, und das Einfahren in eine Umweltzone kostet
zukünftig 80 Euro. Das passt für mich nicht mehr zu-
sammen. Darüber müssen wir reden.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, den
Sie bereits erwähnt haben. Das ist die Frage: Soll es ei-
nen Punkterabatt geben? Ich nenne Ihnen ein Beispiel,
warum wir einen Punkterabatt haben: Margret Meier,
Anfang 40, zwei Kinder, keine Raserin, keine Drängle-
rin, Otto Normalfahrerin wie wir alle, ist mit dem Handy
am Steuer erwischt worden. Der Kindergarten hat ange-
rufen, und sie ist natürlich rangegangen. Sie wurde er-
wischt: ein Punkt. Zwei Jahre später will sie ihre Groß-
tante in Erfurt besuchen. Sie kennt Erfurt nicht. Die
Großtante lebt dort in einem Altersheim. Sie weiß nicht,
dass es in der Umweltzone liegt und übersieht die Schil-
der. Sie fährt in die Zone hinein, wird erwischt, und das
14 Tage bevor ihr Punkt verjährt. Dumm gelaufen. Die-
ser Punkt bleibt und ein zweiter kommt hinzu. Das heißt,
wenn wir die Reform nicht umsetzen, dann bleibt die Si-
tuation, dass sich bei Menschen, die alle zwei Jahre ein-
mal erwischt werden, die Punkte ansammeln. Das sind
nicht die Menschen, die wir erreichen wollen. Es war

sinnvoll, dass wir bisher in diesem Fall die Möglichkeit
eines Punkteabbaus hatten.

Aber jetzt haben wir eine andere Situation. Der Punkt
von Frau Meier, den Sie für das Telefonieren mit Ihrem
Handy bekommen hat, ist nach zwei Jahren weg, völlig
egal, was zwischendurch passiert. Wenn das so ist, sehe
ich keinen Grund, warum Frau Meier die Möglichkeit
haben soll, die Punkte abzubauen; denn das würde ja
heißen, dass sie innerhalb dieser zwei Jahre noch fünf-,
sechs- oder siebenmal zusätzlich aufgefallen ist.

Das alles bedeutet, dass diejenigen, die sich die
neuen, teuren Seminare leisten können, zukünftig eigent-
lich gar nicht mehr den Führerschein verlieren. Die rei-
chen Raser werden begünstigt, und die Menschen, die
wir eigentlich erreichen wollen, erreichen wir nicht.

Fazit: Insgesamt liegt noch eine Menge Arbeit vor
uns. Es ist nicht unser Ziel, den Otto Normalverkehrs-
teilnehmenden für einen Fehler, der uns allen passieren
kann, zu bestrafen. Unser Ziel ist es, diejenigen von un-
seren Straßen zu bekommen, die andere Verkehrsteilneh-
mer verunsichern: die Raser und Drängler, die notori-
schen Schnellfahrer.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722909800

Kollegin Lühmann, diese Arbeit müssen Sie tatsäch-

lich in den Ausschussberatungen fortsetzen.


(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Wir freuen uns drauf!)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1722909900

Ich schließe mit einem Zitat eines Verkehrswissen-

schaftlers:

Sie verfügen zur Durchsetzung eigener Interessen
eine frei zugängliche Tatwaffe mit erheblicher
Masse und Bewegungsenergie.

Diese Menschen wollen wir von der Straße haben zu-
gunsten derjenigen, die sich ordentlich verhalten oder
vielleicht einmal ein bisschen auffällig sind.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910000

Passend dazu mache ich mir gerade Gedanken da-

rüber, was diese Überschreitung der Redezeit eigentlich
an Sanktionen hervorrufen sollte.


(Heiterkeit – Patrick Döring [FDP]: Sehr gut! – Petra Müller [Aachen] [FDP]: Einen dreiviertel Punkt! – Kirsten Lühmann [SPD]: Sie ist nicht verkehrsgefährdend!)


– Genau.

Das Wort hat die Kollegin Petra Müller für die FDP-
Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)



Petra Müller (FDP):
Rede ID: ID1722910100

Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dies ist unsere erste Beratung – das wurde schon gesagt –,
und ich finde es gut, dass wir über dieses Thema disku-
tieren. Es geht um die Reform des Verkehrszentralregis-
ters. Damit setzen Union und FDP einen wichtigen
Punkt des Koalitionsvertrages um. Wichtig ist vor allen
Dingen eines – der Minister hat es eben ganz ausführlich
erläutert –: die Verkehrssicherheit.

Im Mittelpunkt der Reform und unserer Vorschläge
steht die Verkehrssicherheit. Es wird die Möglichkeit ge-
ben, den Führerschein bei schweren Verstößen sofort zu
entziehen. Ich glaube, dass die Akzeptanz für solche
Maßnahmen bei den Autofahrerinnen und Autofahrern
in unserem Land sehr groß sein wird.

Das jetzige System – auch das ist schon angeklungen –
ist für Autofahrer intransparent und viel zu kompliziert.
Das gehen wir erfolgreich an. Das hat ein Lob verdient.
Jeder Autofahrer in unserem Land hat das Recht, zu wis-
sen, wie viele Punkte er hat. Durch die Reform soll er
künftig schnell und einfach einschätzen können, wie
viele Punkte er hat und wie das mit dem Punkteabbau
funktioniert. Derzeit ist es nur Verkehrsfachleuten und
Verkehrsrechtsanwälten möglich, festzustellen, wie viele
Punkte man hat. Es kann nicht sein, dass man jemanden
beschäftigen muss, um eine einfache Information vom
Staat zu erhalten.

Ein weiteres Manko des bisherigen Systems: Die Til-
gungsfristen – auch das hat die Kollegin eben angespro-
chen – sind undurchsichtig und kompliziert. Aber auch
dieses Problem gehen wir durch die Reform erfolgreich
an. Wir werden feste Tilgungsfristen setzen. Allerdings
richten sich diese nach der Schwere des Vergehens. Die
Berechnung der Fristen erfolgt einheitlich, beginnend
mit der Rechtskraftfeststellung des Verstoßes. Erst dann
kann wieder getilgt werden. Das ist eine vernünftige und
nachvollziehbare Reihenfolge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
es war eine Forderung des Bundesrates, die wir, die
christlich-liberale Koalition, umsetzen. Damit hoffen wir
natürlich auch – ich möchte dafür werben –, das Gesetz
einvernehmlich beschließen zu können. Es wäre ein star-
kes Signal an die deutschen Autofahrer, wenn wir das
gemeinsam beschließen würden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Im Verkehrszentralregister sind über 9 Millionen Au-
tofahrer erfasst, das ist jeder neunte deutsche Bundes-
bürger.


(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Wie viele Frauen? – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Das bedeutet einen riesigen Verwaltungsaufwand und
hohe Kosten; in Euro und Cent: 15 Millionen jährlich.
Ein bewusstes Reformziel ist es, spürbare Verwaltungs-
vereinfachung zu erzielen.

Ihre Forderung im Bundesrat, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Tilgungsfrist auf zweieinhalb Jahre zu ver-
längern, konterkariert unsere Bemühungen. Ich möchte

hier für unseren Entwurf werben. Wenn wir Ihren Vor-
schlag umsetzen, wird die Zahl der Eintragungen im Re-
gister um 135 Prozent steigen. Wenn wir unseren Vor-
schlag realisieren, wird sie sinken. Ich glaube, das ist
das, was wir gemeinsam wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich kann Ihnen versprechen, dass wir von der christlich-
liberalen Koalition auch in der weiteren Diskussion ver-
suchen werden, diese Dinge erfolgreich nach vorne zu
treiben, weil das ein Thema ist, das jeden in diesem
Land angeht.

Die FDP-Bundestagsfraktion sieht bei diesem Gesetz-
entwurf Ergänzungsbedarf: Den freiwilligen Seminarbe-
such hat es bis jetzt immer gegeben. Aus unserer Sicht
soll er weiterhin zum Punkteabbau führen, alle fünf
Jahre zwei Punkte. 14 000 bundesdeutsche Autofahrer
nutzen diese Chance jährlich. Das sind viele Menschen,
und das soll unserer Ansicht nach so bleiben.


(Sören Bartol [SPD]: Was kosten die neuen Seminare?)


Die Chance zum Punkteabbau – ich spreche nicht von
Rabatten, sondern ich spreche von Punkteabbau – ist im
Hinblick auf den geplanten Führerscheinentzug bei acht
Punkten umso sinnvoller und notwendiger. Das ist auch
ein Einwand des Verkehrsgerichtstages. Den sollten wir
ernstnehmen.

Von der Vernunft der deutschen Autofahrer bin ich
überzeugt. Aber wer soll ohne Anreiz des Punkteabbaus
freiwillig an Seminaren teilnehmen? Wir wollen doch,
dass gerade die positive Wirkung dieser Seminare – Ver-
besserung der Fahrweise, Verbesserung der Einstellung
zum Straßenverkehr, nahezu Halbierung der Zahl der
Unfälle, verkehrsangepasste Fahrweise; das alles sind
Ergebnisse dieser Seminare – bei allen Bürgerinnen und
Bürgern ankommt.

Weiterhin bedeutet der Wegfall des freiwilligen Punk-
teabbaus für viele Berufskraftfahrer und Vielfahrer eine
wirkliche Härte. Auch das muss gesagt werden.


(Beifall bei der FDP)


Wir unterstützen keine Raser und Alkoholiker am
Steuer. Es geht um diejenigen, die mit dem Autofahren
ihr Geld verdienen. Für viele geht es dabei um ihre Exis-
tenz. Deshalb sollten wir das Augenmerk auf diesen
Punkt legen. Dafür möchte sich die FDP-Bundestags-
fraktion einsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – ich spreche alle an –,
die Gesetzesnovelle ist gut und richtig. Sie hat aber ei-
nige offene Punkte. Diese möchte ich mit Ihnen konst-
ruktiv diskutieren und lösen, im Sinne der Verkehrsteil-
nehmer und im Sinne von Millionen Autofahrerinnen
und Autofahrern in diesem Land.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit am Freitag-
nachmittag.


(Beifall bei der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910200

Das Wort hat der Kollege Thomas Lutze für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Ramsauer,
auf das Angebot, einen fraktionsübergreifenden Antrag
zu formulieren, würden wir sehr gerne zurückkommen.
Auch nach 22 Jahren im Deutschen Bundestag müssen
wir dafür aber erst auf die Reaktion Ihrer Fraktion war-
ten. Gemeinsame Anträge, auf denen auch die Linke
steht, gab es noch nicht. Wir sind aber zu Kompromissen
bereit, wenn Sie nachher Ihr Wort halten.

Jetzt zur eigentlichen Sache. Diese Debatte ist aus un-
serer Sicht schon bemerkenswert; denn zurzeit dominie-
ren in der Verkehrspolitik andere Themen die öffentliche
Debatte, zum Beispiel die Kostenexplosion bei Stutt-
gart 21 oder das Desaster beim Berliner Flughafen. Aber
hier im Bundestag debattieren wir über Initiativen wie
die zur Wiederzulassung von alten Autokennzeichen
oder über die Reform der Flensburger Verkehrssünder-
datei. Das kann man machen. Akuter Handlungsbedarf
dafür liegt aus meiner Sicht allerdings nicht vor. Das al-
les wirft für meine Begriffe ein interessantes Licht auf
die Schwerpunktsetzung des Verkehrsministeriums.

Wie dem auch sei, der Minister hat angesichts der
drängenden Probleme in der Verkehrspolitik nun seine
Ressourcen gebündelt und es geschafft, einen Gesetzent-
wurf zur Reform des Verkehrszentralregisters vorzule-
gen. Wenn man eine solche Reform anpackt, muss sie
folgende Ziele haben: die Steigerung der Verkehrssicher-
heit zum einen und die Reduzierung der Zahl von Unfäl-
len zum anderen. Wichtig ist, dass die Anzahl der Ver-
letzten und Toten im Straßenverkehr zurückgeht. Hier
hat sich in den letzten Jahren sicherlich sehr viel zum
Positiven gewendet. Die Frage ist also heute: Leistet
diese Reform einen Beitrag dazu, diese positive Ent-
wicklung fortzusetzen? Hier sehe ich – ähnlich wie
meine Vorrednerinnen und Vorredner – einige Punkte
kritisch. Zwar ist die Absicht der Vereinfachung des
Punktesystems prinzipiell gut. Es ist allerdings die
Frage, ob dies erreicht wird, wenn einzelne Punkte wie-
derum unterschiedliche Halbwertszeiten haben. Über-
sichtlich ist etwas anderes.

Außerdem entfällt die Möglichkeit, dass durch frei-
willige Teilnahme an Seminaren Punkte getilgt werden
können. Es gab jetzt Wortbeiträge auch vonseiten der
FDP, in denen das anders gesehen wurde. Wir kritisieren
das als Linksfraktion ebenfalls; denn durch aktives Han-
deln sollte man auf sein Punktekonto Einfluss nehmen
können. Dies wiederum schafft eine positive Motivation
zur Übernahme von Verantwortung. Dazu wird nicht er-
muntert, wenn man in ein starres Zwangssystem zurück-
fällt. Eine Verbesserung von Qualitätskontrollen bei die-
sen Seminaren wäre allerdings zwingend erforderlich.

Wir müssen auch darüber reden, wie Verkehrsteilneh-
mer überhaupt zu ihren Punkten kommen. In meiner

Heimatstadt Saarbrücken finden vor Kindergärten und
Schulen so gut wie keine Geschwindigkeitsmessungen
statt, sehr wohl aber auf Hauptverkehrsstraßen kurz hin-
ter dem Ortseingangsschild. Hier müsste der Gesetzge-
ber einmal eingreifen. Wir reden darüber, dass wir Ver-
kehrsteilnehmer nicht nur bestrafen, sondern auch zur
Übernahme von Verantwortung motivieren wollen. Dazu
gehört auch, dass die Maßnahmen nachvollziehbar sind.
Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Bußgelder
ausschließlich dazu dienen, Haushaltslöcher zu stopfen.

Die direkte Ansprache durch Polizeibeamte an Ort
und Stelle wäre sinnvoller als der inflationäre Einsatz
von Blitzern – er hat in den letzten Jahren stark zu-
genommen – mit dem Versand von Knöllchen meist Wo-
chen oder Monate später. Auch das könnte dazu beitragen,
dass die Verkehrssicherheit nicht abstrakt wahrgenom-
men, sondern dass das Verantwortungsbewusstsein des
Einzelnen gestärkt wird.

Leider ist der Trend aufgrund der angespannten Per-
sonalsituation bei der Polizei eher umgekehrt. Vor allem
in ländlichen Regionen stellt die mangelnde Präsenz
– zumindest für einige Verkehrsteilnehmerinnen und
Verkehrsteilnehmer – eher eine Einladung zum Rasen
und zum Fahren unter Alkoholeinfluss dar.

Ich komme zum Schluss. Wenn diese Reform richtig
umgesetzt wird und im parlamentarischen Verfahren
noch einige Verbesserungen erfährt, geht sie in die rich-
tige Richtung. Der eine oder andere Wähler wird sich
dennoch fragen, wofür das Bundesverkehrsministerium
angesichts der großen Probleme der Verkehrspolitik
seine Zeit verwendet.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und ein herzli-
ches Glückauf!


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910400

Das Wort hat der Kollege Dr. Anton Hofreiter für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verkehrssicherheit ist ein sehr wichtiges und
bedeutendes Thema, das viel zu wenig im Fokus der Öf-
fentlichkeit steht. Wir haben in dem Bereich aber sehr
große Erfolge erzielt. Bei einer weitaus geringeren Ver-
kehrsleistung in den 70er-Jahren gab es allein in West-
deutschland etwa 20 000 Verkehrstote pro Jahr. Inzwi-
schen liegt die Zahl in Gesamtdeutschland – bei einer
sehr stark gestiegenen Verkehrsleistung auf den Stra-
ßen – bei deutlich unter 5 000 Verkehrstoten pro Jahr. Es
hat sich also sehr, sehr viel getan. Allerdings ist nicht be-
sonders viel in Bezug auf die Anzahl der Unfälle sowie
der Schwer- und Schwerstverletzten passiert. Deshalb ist
es ein Thema, dem zu widmen sich lohnt.

Worauf aber haben dieses Verkehrsministerium, diese
Bundesregierung und diese Koalition ihren Fokus ge-
legt? Sie haben ihn auf die Reform der Punkte gelegt.
Bisher lag die Grenze bei maximal 18 Punkten, und es





Dr. Anton Hofreiter


(A) (C)



(D)(B)


wurden Punkte im Bereich zwischen 1 und 7 vergeben.
Jetzt liegt die Grenze bei maximal 8 Punkten, und es
werden 1 bis 3 Punkte angerechnet.

Es gibt einen Fortschritt. Vorher reichten zwei Hände
nicht aus, um die Anzahl der Punkte zu zählen. Jetzt rei-
chen zwei Hände dafür aus. Das ist letztendlich der Un-
terschied. Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht sicher, ob je-
mand, der in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen,
nicht fähig ist, bis 18 zu zählen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt die Aussage, das jetzige System sei vollkom-
men intransparent. Wenn Sie wissen wollen, wie viele
Punkte Sie haben, gebe ich Ihnen einen ganz simplen
Tipp: Gehen Sie einfach online, und fragen Sie es ab.
Das ist überhaupt nicht kompliziert, das kann jeder.
Dazu muss man weder Verkehrsrechtler noch Rechtsan-
walt sein. Vielmehr braucht man einen Führerschein; da-
mit ist man in der Verkehrssünderpunktekartei regis-
triert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was wäre wirklich notwendig? Wirklich notwendig
wäre, dass wir uns stärker um die echten Probleme im
Bereich der Verkehrssicherheit kümmern. Die Hauptun-
fallursache ist erhöhtes Tempo. Eine weitere häufige Un-
fallursache ist Alkohol. Ein weiteres großes Problem ist,
dass die Gruppe der jungen Fahrer immer noch die
Hauptunfallverursacher sind. Auch im Bereich der
Landstraße – Stichwort „Infrastruktur“ – gibt es große
Probleme.


(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Drogen! – Gegenruf der Abg. Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das denn?)


Das sind die Hauptprobleme, die wir in dem Bereich ha-
ben. Da macht die Bundesregierung fast nichts. Warum
macht sie nichts? Beim Hauptproblem Tempo macht sie
aus ideologischen Gründen nichts. Das Argument lautet
immer: freie Fahrt für freie Bürger. Dabei gehört viel
stärker zur Freiheit, dass man unverletzt ankommt. Beim
Thema Tempo wäre es dringend notwendig, etwas zu
machen. Ein erster kostengünstiger Schritt wäre, endlich
ein Tempolimit auf allen Autobahnen einzuführen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Des Weiteren wäre es dringend notwendig, Verwal-
tungsvereinfachungen durchzuführen. Unsere Verkehrs-
polizei ist, wenn sie denn einmal Zeit und Kraft hat,
Tempoüberwachungen durchzuführen, ewig damit be-
schäftigt, herauszufinden, wer denn der Fahrer war. In
einem Großteil unserer Nachbarländer gibt es etwas
ganz Einfaches. Das nennt sich Halterhaftung. Die Hal-
terhaftung gilt natürlich nicht in strafrechtlichen Fragen,
aber bei Ordnungsgeldern. Dann ist schlichtweg derje-
nige verantwortlich, dem das Auto gehört. Wenn der
Halter jemanden mit seinem Auto fahren lässt, der un-
verantwortlich damit umgeht, dann muss er sich halt das
Geld von demjenigen zurückholen. Aber damit muss

man doch nicht unsere Polizei belasten, die dafür so-
wieso keine Zeit und keine Kraft hat.

Sie sehen, man müsste sich endlich mit den wirklich
wichtigen Themen im Bereich Verkehrssicherheit be-
schäftigen. Das würde sich sogar lohnen; denn obwohl
wir viele Erfolge erreicht haben, passieren Tag für Tag
immer noch schreckliche Unfälle auf unseren Straßen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910500

Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1722910600

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Vorab möchte ich mit einem Lob für das Ministe-
rium beginnen. Ich möchte es dafür loben, dass es sich
dieser wichtigen Aufgabe, der Reform des Verkehrszen-
tralregisters, gewidmet hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kirsten Lühmann [SPD]: Das war im Auftrag des Deutschen Bundestages!)


Denn einige Kollegen haben jetzt ja die Auffassung ver-
treten, dass es wesentlich wichtigere Themen gibt, über
die wir debattieren sollten. Dieser Meinung bin ich nicht.
Dieses Ministerium kümmert sich nicht nur um Kernauf-
gaben, sondern auch um andere Aufgaben, und – die
Kollegin Lühmann hat dies eben zu Recht gesagt – wir
hatten einen Auftrag an das Ministerium formuliert, hier
etwas vorzulegen.

Ich erinnere mich noch gern an die Zeit 2009 in der
Großen Koalition,


(Sören Bartol [SPD]: Klar, dass Sie sich gern daran erinnern! Das ist ja auch schrecklich jetzt!)


als ich mit dem Kollegen Volkmar Vogel das Verkehrs-
zentralregister in Flensburg besucht habe, um mir dort
erklären zu lassen, welchen Verwaltungsaufwand wir be-
treiben, um Punkte zu verwalten. Kollege Hofreiter, wir
können online zwar feststellen, wie viele Punkte wir ak-
tuell haben – das ist nicht das Problem –, aber Sie wer-
den online nie feststellen können, wann Ihre Punkte
wegfallen. Das können Ihnen wahrscheinlich nicht ein-
mal die Sachbearbeiter ganz genau sagen. Da besteht In-
transparenz. Das hatte uns motiviert, mit allen Fraktio-
nen einen sehr weit gefassten Antrag zu formulieren, in
dem wir das Ministerium beauftragt haben, einen Ent-
wurf für eine Reform des Verkehrszentralregisters vor-
zulegen. Darüber reden wir heute.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Müller [Aachen] [FDP])






Gero Storjohann


(A) (C)



(D)(B)


Deshalb finde ich den Ansatz des Ministeriums rich-
tig, nicht nur Verwaltung einzusparen und alles auf EDV
umzustellen, sondern auch klare und feste Tilgungsfris-
ten im System nachvollziehbar zu implementieren. Ich
finde es auch richtig, dass die Verkehrssicherheit hierbei
ein besonderer Aspekt ist; einige Punkte, die bisher ein-
getragen wurden, konnten wegfallen.

Wir wissen: Verkehrsunfälle entstehen hauptsächlich
durch rücksichtsloses und zu schnelles Fahren. Da setzt
die Reform die richtigen Schwerpunkte. Denn wer wie-
derholt die Sicherheit gefährdet, hat auf unseren Straßen
nichts verloren.


(Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist jetzt auch schon so! Was ist das Neue?)


Ein Diskussionspunkt ist natürlich auch, wie wir mit
Berufskraftfahrern umgehen, die täglich 100, 200 oder
300 Kilometer auf der Straße unterwegs sind. Als Ver-
kehrssicherheitspolitiker habe ich da ein Problem. Denn
ich erwarte, dass man sich zum Beispiel vor einem Kin-
dergarten, in sensiblen Bereichen, in denen wir die Ge-
schwindigkeit bewusst reduzieren, um Gefahren zu ver-
meiden, an die Regeln hält.


(Sören Bartol [SPD]: Ich erwarte, dass man sich immer an die Regeln hält, Kollege Storjohann! Man muss sich immer an die Regeln halten!)


Da kann man keinen Unterschied machen zwischen ei-
nem Berufskraftfahrer, einer Hausfrau, die es eilig hat,
und einer Mutter, die schnell ihre Kinder zur Schule fah-
ren muss. Da sind alle gleich zu behandeln. Ich bin der
Meinung, wir sollten feststellen: Jemand, der viele Re-
gelverstöße begangen hat, ist für den Verkehr auf der
Straße nicht geeignet. Deshalb ist mein Petitum, dass wir
keinen Punkteabbau ermöglichen sollten.

Wenn wir das gesetzlich so festlegen würden, hätten
wir nach fünf Jahren auch Erfahrungen mit den Semina-
ren gesammelt, die nach einer gewissen Zeit, wenn man
sein Punktekonto zu sehr aufgebaut hat, verpflichtend zu
absolvieren sind. Wir könnten auch festlegen, dass wir
dann evaluieren, ob es nicht doch sinnvoll ist, einen
Punkteabbau zu ermöglichen. Auch bei mir kommt na-
türlich an, dass Experten sagen, 50 Prozent der Teilneh-
mer an einem solchen Lehrgang würden hinterher ein
besseres Verhalten an den Tag legen. Man könnte natür-
lich auch gemein sein und sagen: Wir erwischen sie
nicht mehr. Wir wissen eigentlich nicht genau, ob sie ihr
Verhalten verändert haben oder nicht. – Insofern ist das
ein Punkt, den man wirklich evaluieren sollte, damit wir
in diesem Hause allen Seiten gerecht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mein Ziel ist, dass wir diese Reform auf den Weg
bringen. Wir sind eigentlich schon sehr weit. Der Bun-
desrat hat noch zwei, drei Punkte in die Debatte einge-
bracht, über die wir sprechen können.


(Patrick Döring [FDP]: Ja! Aber bei sieben Punkten ist Schluss!)


Als wir mit der Debatte anfingen, haben wir gesagt: Die
Tilgungsfrist soll drei Jahre betragen. – Als Ergebnis ist
jetzt herausgekommen, dass die Tilgungsfrist zwei Jahre
beträgt. Der Bundesrat sagt: Wir hätten gerne eine Frist
von zweieinhalb Jahren. – Im Ergebnis bedeutet eine
Frist von zweieinhalb Jahren mehr Verwaltung, mehr
Führerscheinentzüge und, und, und. Darüber kann man
reden. Daran sollte diese Reform nicht scheitern.

Alle Kollegen haben gesagt: Wir möchten uns hier im
Plenum um die ganz wichtigen Themen kümmern. Wir
möchten nicht, dass die Punktereform in der nächsten
Legislaturperiode ein zweites Mal auf die Tagesordnung
kommt. – Ich glaube, da sind wir uns einig. Wir haben
vier Jahre darüber diskutiert und daran gearbeitet; sogar
Verkehrsgerichtstage haben sich damit beschäftigt. Des-
halb halte ich es für sinnvoll, dass wir die Punktereform
im Sommer dieses Jahres final auf den Weg bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sören Bartol [SPD]: Na, dann bewegt euch doch ein bisschen!)


Ich möchte noch auf einen Aspekt, den Frau
Lühmann angesprochen hat, eingehen. Sie hat gesagt,
dass das Parlament keinen Einfluss auf Verordnungen
hat, was die Verstöße angeht. Es ist hier allgemein Kon-
sens, dass dem Gesetzgeber Verordnungsermächtigun-
gen nur deswegen erteilt werden, damit sich die Fraktio-
nen die jeweilige Verordnung noch einmal ansehen
können. Nur wenn wir ihr zustimmen, darf die Verord-
nung in Kraft gesetzt werden. Insofern: Die Bußgeld-
reform ist das eine. Aber die Höhe der einzelnen Bußgel-
der zu bestimmen, ist ein Prozess, der uns wieder
mindestens zwei, drei Jahre beschäftigen wird. Insofern
ist der Einfluss des Parlaments in diesem Bereich enorm.
Ich glaube, Frau Lühmann, wir sind uns einig: Da wollen
wir mitreden, und da sollten wir mitreden. Ich glaube,
wenn auch die Bürger mitreden würden, käme dabei et-
was Komplizierteres heraus, so wie es auch bei diesem
Gesetzentwurf der Fall ist.

Ich habe eindeutig dafür geworben: Über die Til-
gungsfristen können wir reden, und auch über die Kritik,
die der Bundesrat vorgetragen hat, sollten wir sprechen;
wir werden dazu eine Anhörung durchführen. Ich plä-
diere und werbe dafür, dass wir diese Reform des Ver-
kehrszentralregisters noch in dieser Legislaturperiode
auf den Weg bringen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/12636 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)


Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 a und 33 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer

(Köln), Christine Buchholz, Inge Höger, weiterer

Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Angriffskrieg verfassungs- und völkerrechts-
konform unter Strafe stellen

– Drucksachen 17/11698, 17/12736 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ansgar Heveling
Burkhard Lischka
Jörg van Essen
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs ei-
nes … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

(Artikel 35 und 87 a)


– Drucksache 17/11591 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/12711 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ingo Wellenreuther
Dr. Dieter Wiefelspütz
Gisela Piltz
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Kollege Jörg van Essen für die FDP-
Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1722910800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe jetzt seit anderthalb Wochen Probleme mit Hus-
ten; ich hoffe, Sie drücken mir die Daumen, dass ich
meine Rede ohne einen Hustenanfall über die Bühne be-
komme. Deshalb werde ich auch etwas kürzer reden, als
das üblicherweise der Fall ist.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie können auch schweigen!)


Das Thema Angriffskrieg ist aus historischen Grün-
den ein Thema, das die Menschen in Deutschland be-
wegt. Von Deutschland sind zwei Weltkriege ausgegan-
gen. Deshalb finde ich es richtig, dass in Art. 26 des
Grundgesetzes festgestellt wird, dass Handlungen, die

im Zusammenhang mit einem Angriffskrieg stehen, ver-
fassungswidrig sind und unter Strafe zu stellen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU, der SPD und der LINKEN)


Ich glaube, es gibt ganz wenige Fragen, die quer
durch alle politischen Strömungen hindurch so einhellig
beantwortet werden wie die, dass wir eine besondere
Pflicht haben, sicherzustellen, dass von Deutschland nie
wieder Krieg ausgeht.

Ob das, was in den gesetzlichen Regelungen zu fin-
den ist, ausreichend ist, darüber können und müssen wir
immer wieder die Debatte führen, zumal wenn man sich
das genauer anschaut: Der Verfassungsauftrag in Art. 26
des Grundgesetzes, Handlungen, die im Zusammenhang
mit einem Angriffskrieg stehen, unter Strafe zu stellen,
hat erhebliche Schwierigkeiten gemacht. Übrigens:
Beim Thema Abgeordnetenbestechung, wo die Bundes-
regierung ja ein internationales Abkommen unterzeich-
net hat, ist es ähnlich.

Es gibt im Augenblick eine entsprechende Bestim-
mung im Strafgesetzbuch. Die Diskussion über das in-
nerstaatliche Recht ist jedoch zu einem Zeitpunkt ge-
führt worden, als etwas, von dem ich persönlich meine,
dass es einen ganz erheblichen Fortschritt bedeutet, noch
nicht existierte, nämlich die völkerrechtliche Regelung
im Völkerstrafgesetzbuch. Ich gehöre mit zu denen, die
sich intensiv dafür eingesetzt haben. Ich bin dankbar,
dass der frühere Außenminister, Klaus Kinkel, der ja zu-
vor Justizminister war, sich da auch sehr engagiert hat.
Angriffskriege sind in der Regel internationale Kon-
flikte. Deshalb ist das Völkerstrafgesetzbuch genau der
richtige Ort.

Wir alle wissen, dass es 2010 in Kampala dazu eine
neue Übereinkunft gegeben hat. Im Augenblick laufen
Überlegungen, wie das Ganze gegebenenfalls auch in
das nationale Strafrecht übernommen werden kann.
Meine persönliche Auffassung ist – Herr Beck, ich
glaube, Sie haben in der ersten Lesung auch Ihre Mei-
nung dazu vorgetragen –, dass es die beste Lösung ist,
das ins Völkerstrafgesetzbuch aufzunehmen: weil es
dann nämlich für alle gleich gilt. Das ist, wie ich finde,
der richtige Ansatz.

Von daher ist alles das, was die Linkspartei in ihrem
Antrag aufgeführt hat – dass es Strafbarkeitslücken gibt;
dass die Gefahr besteht, dass von Deutschland wieder
Krieg ausgehen könnte –, Bedienung von Vorurteilen,
die in ihrer Klientel natürlich vorhanden sind, aber dem,
was wir diesem Thema schulden – dass wir ernsthaft da-
rüber nachdenken, wie wir das beispielsweise im Völ-
kerstrafgesetzbuch, aber auch gegebenenfalls in der na-
tionalen Gesetzgebung umsetzen –, nicht gerecht wird.

Wir sind der Auffassung: Wir sollten darüber in aller
Ruhe, in aller Sorgfalt nachdenken; denn Strafrecht muss
nach Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes bestimmt sein
und für den Gesetzesunterworfenen klar und eindeutig
erkennbar sein. Genau diesem Ziel sind wir verpflichtet.

Die Vorschläge, die die Linksfraktion dazu gemacht
hat, genügen diesen Anforderungen eindeutig nicht. Von
daher mein Plädoyer heute: Ablehnung der Vorschläge





Jörg van Essen


(A) (C)



(D)(B)


der Linksfraktion und eine sachliche Diskussion über die
anstehenden Fragen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722910900

Das Wort hat der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1722911000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Das Vermächtnis unserer deutschen Geschichte
heißt: Menschen, die gegen Recht und Gesetz Kriege
vom Zaune brechen, müssen vor Gericht gestellt werden. –
Das ist der Sinn des Art. 26 des Grundgesetzes und, ich
denke, das ist identitätsstiftend für alle, die hier im
Hause tätig sind. Darüber kann kein Zweifel bestehen.

Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Umset-
zung in Gestalt der §§ 80 und 80 a Strafgesetzbuch, die
ja schwer genug war, nicht ganz optimal gelungen ist. Es
gibt jede Menge Abgrenzungsschwierigkeiten und bis
heute keine einzige Verurteilung.


(Jörg van Essen [FDP]: Gott sei Dank auch!)

Das mag verschiedene andere Gründe haben. Insoweit
macht es durchaus auch Sinn, darüber nachzudenken, ob
man hier an der einen oder anderen Stelle zu Präzisierun-
gen kommen kann.

Aber die große Errungenschaft der letzten 20 Jahre,
die auch unter starker Beteiligung Deutschlands zu-
stande gekommen ist, besteht darin – an dieser Stelle
stimme ich mit Herrn van Essen uneingeschränkt über-
ein –, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen in
Gestalt von Kriegen nicht mehr einfach nur Bestandteil
der Geschichte sind und ohne Sanktionen bleiben. Men-
schenschlächter müssen heute damit rechnen, dass sie
sich in Den Haag verantworten müssen. Das Rom-Statut
ist eine wichtige Sache, die man gar nicht hoch genug
einschätzen kann. Dieser Weg ist aber noch nicht zu
Ende.

Nach dem Rom-Statut hat der Internationale Strafge-
richtshof auch die Zuständigkeit für einen Angriffskrieg,
aber es gibt keinen entsprechenden völkerrechtlichen
Straftatbestand. Hier gibt es also eine unvollkommene
Rechtslage, eine Lücke, von der ich meine, dass sie aus-
gefüllt werden sollte.

Es wäre schön, wenn wir uns hier im Hause darauf ei-
nigen könnten, dass das vielleicht doch der klügere Weg
ist, also nicht nur sozusagen ein deutscher Sonderweg,
sondern ein Weg, den alle Staaten gehen sollten, und ich
würde mir wünschen, dass das auch für die Vereinigten
Staaten von Amerika gilt; auch hierin sind wir vermut-
lich alle einer Meinung.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja, genau!)

Das ist die große Zielsetzung, die uns an dieser Stelle ei-
nigen sollte. Das könnte in der Tat ein entscheidender
Schritt sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich räume ein – ich will jetzt nicht von Schnellschüs-
sen reden; das passt in diesem Zusammenhang nicht –,
dass hier auch Geduld gefordert ist, weil das nicht von
heute auf morgen zu regeln sein wird. Aber wir sollten
uns an dieser Stelle richtig anstrengen und die Bundesre-
gierung ermutigen, diesen Weg zu gehen. Wir als Parla-
ment sollten unsere Möglichkeiten nutzen, um diesen
Weg voranzutreiben.

Das Rom-Statut und mit ihm der Internationale Straf-
gerichtshof in Den Haag sind eine große zivilisatorische
Errungenschaft.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Warum soll dieses Strafgericht im Laufe der kommen-
den Jahre nicht noch wichtiger werden und auch über
Angriffskriege entscheiden dürfen? Ich denke, wenn
man sich darauf verständigen kann, hat man einen gro-
ßen Schritt voran getan. Das ist jedenfalls meine persön-
liche Überzeugung.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben hier heute auch noch über Art. 35 Grund-
gesetz und die Einsätze der Bundeswehr im Innern zu re-
den. Ich persönlich bin gemeinsam mit meiner Fraktion
der Auffassung: Wir brauchen keine Ausweitung der
Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern; wir
brauchen aber auch keine Einschränkung.


(Jörg van Essen [FDP]: Genau richtig!)


Wir haben in Deutschland kraft Verfassungslage eine
sehr klare Trennung: Die äußere Sicherheit ist unter an-
derem Sache der Bundeswehr und nicht der Polizei, die
innere Sicherheit ist im Wesentlichen Sache der Polizei.
Nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen kann die Bun-
deswehr im Innern eingesetzt werden. Vier Fälle sind in
den Art. 87 a Abs. 4, Art. 87 a Abs. 3, Art. 35 Abs. 2
und Art. 35 Abs. 3 des Grundgesetzes geregelt. Mehr
nicht!

Es ist auch eine große zivilisatorische Errungenschaft,
dass wir diese Zuständigkeiten nicht vermischen. Für die
äußere Sicherheit ist die Bundeswehr zuständig, die das
gut und bewährt macht, für die innere Sicherheit gibt es
die Polizei. Das eine hat mit dem anderen nur relativ we-
nig zu tun. Jeder macht seinen Job, und zwar insgesamt
gesehen sehr gut. Das sollten wir nicht vermengen.

Noch einmal: Wir haben keinen Regelungsbedarf in
Richtung Ausweitung der Zuständigkeiten der Bundes-
wehr im Innern. Wir haben aber auch keinen Regelungs-
bedarf in Richtung Einschränkung der Möglichkeiten
der Bundeswehr in besonderen Fällen. Insofern werden
wir diesen Antrag ablehnen.

Schönen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911100

Das Wort hat der Kollege Dr. Patrick Sensburg für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1722911200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich habe zwar keinen Husten wie
der verehrte Kollege von Essen, aber auch ich werde
mich kurzfassen, da schon meine beiden Vorredner die
zwei entscheidenden Punkte ausführlich angesprochen
haben.

Meine Damen und Herren von der Linken, Sie erwe-
cken den Eindruck, als hätten wir im deutschen Recht
eine Gesetzeslücke, als stünden wir kurz vor der Vorbe-
reitung eines Angriffskrieges, als müssten wir hier drin-
gendst legislatorisch-normativ tätig werden. Das ergibt
sich aus Ihren beiden Anträgen. Nichts davon ist der
Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das hat sich schon im Jahre 2003 gezeigt, als die
Strafanträge unter anderem gegen den damaligen Bun-
deskanzler Schröder, den damaligen Außenminister
Joschka Fischer und den damaligen Verteidigungsminis-
ter Dr. Peter Struck erfolglos geblieben sind, weil die
Bundesanwaltschaft ganz klar gesagt hat: Hier besteht
kein erstes Anzeichen für die Vorbereitung eines An-
griffskriegs. – § 80 StGB war die einschlägige Norm, um
dies zu prüfen.

Wir haben im Grundgesetz in Art. 26 einen Friedens-
auftrag normiert. Das ist eine besondere Leistung unse-
res deutschen Grundgesetzes, und darauf können wir
auch stolz sein. Daraus erwächst ein Auftrag insbeson-
dere im Rahmen des europäischen Friedensprozess, der
uns seit 70 Jahren – daran sollten wir auch denken –
Frieden auf deutschem Boden beschert hat. Daher soll-
ten wir diese Verantwortung wahrnehmen und den Frie-
den weiter gestalten. Meine Damen und Herren von der
Linken, das ist Ihnen in den letzten Monaten mit Ihrer
ständigen Ablehnung der Anträge, bei denen es um die
Solidarität in Europa ging, übrigens nicht gelungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE])


Gleichzeitig sollten wir auch des Auftrags der Bun-
deswehr gedenken, wenn deutsche Soldaten im Ausland
ihr Leben riskieren und für Frieden einstehen. Meine
Damen und Herren von den Linken, auch da sind Sie
kein Glanzpunkt in der parlamentarischen Arbeit,


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Doch! Doch! Wir sind ganz konsequent für Frieden und gegen Rüstung!)


wenn Sie immer wieder das Ansehen unserer deutschen
Soldatinnen und Soldaten, die sich für Frieden einsetzen,
untergraben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, Sie haben die Rechtslage nicht richtig
durchschaut, oder Sie kennen sie nicht. Wir haben mit
§ 80 des Strafgesetzbuches eine Norm, die die Vorberei-
tung des Angriffskriegs unter Strafe stellt, und die funk-
tioniert auch. Sie ist eine Ausgestaltung des Völker-
rechts. Auch Art. 26 des Grundgesetzes ist eine
Ausgestaltung des völkerrechtlichen Gewaltverbotes,
das wir seit dem Jahre 1928 kennen. Nur, das Völker-
recht – das müssen wir auch wissen – hat einen gewissen
Anteil, bei dem man nicht konkreter werden kann. Straf-
rechtsnormen müssen allerdings hinreichend bestimmt
und konkret sein. Sie werden insbesondere durch das in-
ternationale Völkerstrafrecht ausgestaltet, und daran
müssen wir arbeiten.

Die beiden Kollegen haben es doch gerade darge-
stellt. Sie können eine deutsche Norm nicht so hinrei-
chend konkret formulieren, und das zeigt auch Ihr An-
trag: Sie haben keinen Paragrafen formuliert. Hätten Sie
doch einen § 80 formuliert! Den hätte ich gerne gesehen.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Weil die Diskussion weitergehen muss!)


Sie merken doch selber, dass Sie mit Ihrem Antrag reine
Schaufensterpolitik machen,


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig! – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Weil es das Ergebnis eines Diskussionsprozesses sein muss!)


und Sie merken auch, dass Sie hier für Ihre Altlinken an
den Stammtischen etwas tun wollen. Für die Sache sel-
ber tun Sie aber wirklich nichts Gutes.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir
ein völkerrechtliches Gebot normieren und dass wir im
Völkerstrafrecht weiterkommen. Ich glaube, dann tun
wir wirklich etwas Gutes. Mit Ihrem Antrag bewirken
Sie genau das Gegenteil. Das ist schade. Ich hoffe, dass
wir diesen beiden Anträgen heute nicht zustimmen, son-
dern sie ablehnen. Auch dann haben wir etwas Gutes ge-
tan.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Das brauchen Sie nicht zu hoffen! Das ist so!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911300

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Paul

Schäfer das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei

wichtige Themen, zwei wichtige Vorlagen – und das in
vier Minuten. Das ist eine echte Herausforderung,


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das habe ich auch geschafft!)


zumal es um zwei verschiedene Dinge geht, die aber
eine Gemeinsamkeit haben: Es geht um Einsätze der
Bundeswehr und um Rechtsklarheit.





Paul Schäfer (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


Erstens wollen wir kategorisch ausschließen, dass die
Bundeswehr im Innern Waffen einsetzt, und zweitens
wollen wir, dass verbindlich festgeschrieben wird, dass
sich Deutschland niemals und in keiner Weise an der
Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen be-
teiligt.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Verteidigungsausschuss wurde gesagt, das sei
doch selbstverständlich. Dafür brauchten wir keine neue
Regelung.


(Jörg van Essen [FDP]: Ist es auch!)


Niemand käme im Traum darauf, dass die Bundeswehr
auf die eigene Bevölkerung schieße oder sich Deutsch-
land an einem Angriffskrieg beteilige. Der Rest sei quasi
typisch linke Phobie gegen die Bundeswehr.


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)


Selbst wenn es so wäre, lieber Kollege van Essen: Was
würde denn dagegen sprechen, das, was alle wollen,
rechtsverbindlich festzuschreiben?


(Beifall bei der LINKEN)


Aber offenkundig wollen Sie ganz bestimmte Festle-
gungen nicht. Nehmen wir den Antrag. Untersagt wer-
den soll die Beteiligung an Angriffskriegen, die Zuwi-
derhandlung soll strafrechtlich belangt werden. – Sie
sagen: Wenn Art. 26 des Grundgesetzes gilt, der die Be-
teiligung an der Vorbereitung eines Angriffskrieges un-
tersagt, dann wird dadurch doch erst recht auch die Be-
teiligung am Angriffskrieg selber erfasst.


(Jörg van Essen [FDP]: Genau!)


Ja, so sollte es sein. Aber es scheint nicht ganz so zu
sein.

Noch einmal zur Erinnerung. Deutschland hat 2003
die USA bei dem Krieg im Irak unterstützt; Stichwort:
bewaffnete Eskorten der US-Schiffe. Die Strafanzeigen
gegen die Bundesregierung wurden vom damaligen Ge-
neralbundesanwalt Nehm mit der Begründung zurückge-
wiesen, nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges sei
eindeutig strafbewehrt. Das zeigt doch: Nicht unser An-
trag ist schräg, sondern dieser Zustand.

Es kann auch nicht sein, dass es im deutschen Strafge-
setz immer noch keine präzise Definition dazu gibt, was
man unter einem Angriffskrieg und einer kriegerischen
Handlung versteht. Dafür sind aber jetzt auf internatio-
naler Ebene Grundlagen geschaffen worden: einmal
durch die UNO-Generalversammlung 1974, aber vor al-
lem durch die Ergänzung des Statuts des Internationalen
Strafgerichtshofs 2010; das haben Sie auch gesagt.

Das heißt, nach unserem Verständnis kann diese
Rechtslücke jetzt geschlossen werden. Sie sollte ge-
schlossen werden. Wir machen dazu einen Vorschlag.
Deshalb haben wir keinen Gesetzestext vorgelegt. Viel-
mehr haben wir gesagt: Diese Debatte muss weiterge-
hen. Ich bin ganz froh darüber, dass der Kollege van
Essen hier in einer anderen Tonlage als in der ersten Le-
sung gesprochen hat. Er hat zumindest eingeräumt: Hier

ist Handlungsbedarf. – Aber bitte, dann machen wir das!
Mir leuchtet nicht ein, dass man sich jetzt nur auf Ent-
wicklungen im Völkerstrafrecht verlegt und sagt: Im
deutschen Strafgesetzbuch lassen wir das außen vor. –
Hier können wir anfangen, etwas zu machen. Dann soll-
ten wir das auch tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch mit der zweiten Vorlage, unserem Gesetzent-
wurf, wollen wir Rechtsklarheit schaffen. Es sollte
selbstverständlich sein, dass die Bundeswehr ihre Waf-
fen nicht gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. So ist
es aber nicht ganz. 1968 sind mit den Notstandsgesetzen
Passagen ins Grundgesetz eingefügt worden, die damals
im Geiste des Kalten Krieges verabschiedet wurden und
die die panische Angst der damaligen Bundesregierung
vor sozialen Unruhen widergespiegelt haben, denen man
im schlimmsten Fall – natürlich ist das eingegrenzt – mit
spezifischen militärischen Mitteln begegnen müsse. Der
Kalte Krieg ist vorbei, aber die Ermächtigung für den
Gewalteinsatz der Bundeswehr ist geblieben.

Es kommt hinzu: Teile der Bundesregierung sind seit
langem bestrebt, den Handlungsspielraum der Bundes-
wehr im Innern auch über Art. 35 Grundgesetz zu erwei-
tern. Die Regierung aus SPD und Grünen wollte, dass
Kampfflugzeuge im Zuge der Terrorabwehr auch zivile
Flugzeuge abschießen dürfen. Dem hat das Verfassungs-
gericht 2006 zum Glück einen Riegel vorgeschoben. Al-
lerdings hat dasselbe Gericht im letzten Jahr auch mit
dem Verweis auf die Notstandsgesetzgebung wieder ein
Hintertürchen geöffnet. Diese Tür – darum geht es – gilt
es, gesetzgeberisch – das heißt: hier – wieder zu schlie-
ßen.

Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit ist für
uns eine Aufgabe der Polizei – ohne Ausnahme! Für uns
bleibt auch die Terrorismusbekämpfung eine polizeiliche
Aufgabe. Und für uns gibt es auch kein plausibles Sze-
nario für eine bewaffnete Amtshilfe nach Art. 35 Grund-
gesetz. Es blieb den Grünen vorbehalten, im Verteidi-
gungsausschuss ein Szenario heraufzubeschwören, den
apokalyptischen Fall eines auf die Erde stürzenden Me-
teoriten, den man gegebenenfalls abschießen müsse.
Aber ich kann Sie beruhigen: Wenn es um die Rettung
der Welt geht, spielt deutsche Gesetzgebung keine Rolle
mehr.

Was wir hier verhandeln, was wir hier brauchen, sind
klare gesetzliche Grundlagen, um den Missbrauch mili-
tärischer Gewalt auszuschließen. Das fordern wir hier.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911500

Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welcher Meteorit ist denn bei Ihnen eingeschlagen, Herr Beck?)







(A) (C)



(D)(B)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722911600

Herr Kollege, bei mir ist es allenfalls der Stern von

Bethlehem. – Meine Damen und Herren! Ich finde, es
geht hier um zwei Debatten, die sich lohnen, ernsthaft
geführt zu werden. Aber ich wundere mich, dass diese
Anträge zu einem Tagesordnungspunkt zusammenge-
fasst worden sind: Einsatz der Bundeswehr im Inneren
und Verbot des Angriffskriegs.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ja!)


Das hat schon ein bisschen die Grundmelodie von anti-
militaristischer Gesetzgebung gegen den Militarismus in
Deutschland.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das hat mit Handlungszwängen hier zu tun! Wir wollten das nicht!)


Ich finde, das wird selbst dieser Koalition nicht wirklich
gerecht. Wir haben doch einen anderen Diskussionsstand
und eine andere politische Kultur – Gott sei Dank!


(Beifall des Abg. Dr. Patrick Sensburg [CDU/ CSU])


Das war nicht immer so, das war auch nicht immer so
einvernehmlich, aber das halte ich für einen Fortschritt,
den wir als Grundlage für die Debatte festhalten sollten.

Ich finde es auch gut, dass Sie sich zumindest Gedan-
ken gemacht haben, wie wir zu einer besseren Kodifizie-
rung des Verbots des Angriffskrieges kommen. Aber ich
finde, Sie springen mit Ihrem Vorschlag zu kurz.

Auf der Konferenz in Kampala einigten sich die Ver-
tragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes 2010
auf den neuen Straftatbestand des Aggressionsverbre-
chens. Danach soll ab 2017 der Internationale Strafge-
richtshof über das Verbrechen des Angriffskrieges urtei-
len können. Das kann er gegenwärtig nicht. Seine
Zuständigkeit ist bislang auf schwerste Kriegsverbre-
chen reduziert.

Zusätzlich haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet,
eine völkerrechtskonforme Regelung im jeweiligen na-
tionalen Recht zu schaffen. Das ist unsere Aufgabe;
denn der Internationale Strafgerichtshof soll nur subsi-
diär eingreifen, wenn die nationale Gesetzgebung oder
Gerichtsbarkeit versagt haben.

Deshalb finde ich es falsch, das in § 80 Strafgesetz-
buch zu regeln. Dann müssten wir es vielmehr zusam-
men mit all den anderen Taten, die der Internationale
Strafgerichtshof potenziell aufgreift, im Völkerstrafge-
setzbuch regeln,


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das eine schließt das andere nicht aus!)


auch mit der Konsequenz, dass dann das Weltrechtsprin-
zip gilt. Das vermeidet zwar auch nicht die Einstellungs-
problematik in § 153 f StPO, die nicht jeden glücklich
macht, aber es ist der richtige Ort. Warum soll beim An-
griffskrieg nicht das Weltrechtsprinzip gelten, aber in
Bezug auf die anderen Taten, die der Internationale
Strafgerichtshof potenziell aufgreift, schon?


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es! – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das eine schließt doch das andere nicht aus!)


Der Wortlaut Ihrer Anträge – vielleicht haben Sie et-
was anderes gewollt oder gemeint, aber Sie haben es zu-
mindest nicht geschrieben – hätte zur Konsequenz, dass
nur Taten am Tatort Deutschland als Straftat verfolgt
werden. Das halte ich für zu kurz gesprungen. Deshalb
werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag
enthalten. Wir teilen zwar das Anliegen, finden aber die
Umsetzung in keiner Weise überzeugend.

Aber ich finde, wir sollten damit nicht die Diskussion
beenden. Wir sollten nicht jetzt bummeln und dann im
Jahr 2017 mit einem – dieser Begriff verbietet sich in
dieser Debatte eigentlich – Schnellschuss versuchen, das
Thema abzuräumen; vielmehr sollten wir es sorgfältig
vorbereiten. Denn das alles ist nicht trivial.

Weil wir in Deutschland eine Vorreiterrolle bei der
Einführung des Internationalen Strafgerichtshofs und der
Ratifizierung des Statuts hatten, müssen wir diesem An-
spruch gerecht werden und mutig voranschreiten. Des-
halb würde ich mich freuen, wenn sich alle Fraktionen
zu gemeinsamen Gesprächen zusammenfinden, um die-
ses Thema in einer sinnvollen Art und Weise vorzuberei-
ten, sodass wir es in der nächsten Legislaturperiode – ich
denke, in dieser schaffen wir das nicht mehr – gemein-
sam auf den Weg bringen können, weil auch das ein gu-
tes Zeichen ist, dass wir uns in diesem Punkt in Deutsch-
land zwischen den Fraktionen einig sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den anderen Punkten: Was die Bundeswehr im In-
nern angeht, sehe ich das wie Herr Wiefelspütz in Bezug
auf die Meinung bei der Koalition: Es braucht keine
Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr. Wir wollen
die Bundeswehr nicht als Hilfstruppe der Polizei; viel-
mehr soll die Polizei grundsätzlich die Aufgaben der in-
neren Sicherheit wahrnehmen. Dabei bleiben wir.

Die von Ihnen vorgeschlagene Kodifizierung halte ich
entweder für tatsächlich oder für rechtlich ungeeignet.
Ich weiß nicht, was es bedeuten soll, wenn Sie das Wort
„unbewaffnet“ einfügen. Meinen Sie „ohne militärische
Bewaffnung“, oder meinen Sie: „Anders als die Polizei
darf ein Bundeswehrangehöriger bei einer Aufgabe im
Bereich der inneren Sicherheit überhaupt keine Waffen
tragen“? Er kommt dann also lediglich in Uniform, aber
ansonsten ist er blank. Das ist, glaube ich, bei bestimm-
ten Aufgaben der inneren Sicherheit nicht überzeugend.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911700

Kollege Beck, ich glaube, diesen Fragen müssen Sie

sich jetzt außerhalb dieser Debatte beantworten lassen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722911800

Das ist total schade, Frau Präsidentin. Ich hätte noch

so viel Wichtiges zu sagen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722911900

Ich bin fest davon überzeugt.






(A) (C)



(D)(B)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722912000

Aber ich muss mich kurzfassen, nicht weil ich erkältet

bin, sondern weil die Redezeit zu knapp ist. Aber viel-
leicht geben mir die anderen etwas ab.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722912100

Das ist nicht übertragbar, was hier eingespart wurde.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722912200

Der zweite Punkt sind die Notstandsgesetze. Darüber

kann man meines Erachtens reden, man muss aber fra-
gen – das will ich Ihnen noch mitgeben –, ob wir damit
nicht eine Schranke bei anderen Normen einreißen. Das
muss man zumindest diskutieren, bevor man nonchalant
diese Regelung abräumt.

Es ist also alles ein bisschen ungeeignet.


(Jörg van Essen [FDP]: Deswegen sollten Sie es ablehnen!)


Deshalb wird das auch keine Mehrheit finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722912300

Der Kollege Ingo Wellenreuther hat nun für die

Unionsfraktion abschließend das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Ingo Wellenreuther (CDU):
Rede ID: ID1722912400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Nachdem der Kollege Dr. Sensburg zum
Thema Angriffskrieg gesprochen hat, spreche ich zum
Thema Bundeswehr im Innern. Das Grundgesetz sieht
den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu Recht nur in
sehr eng begrenzten Fällen vor. Nach dem vorliegenden
Gesetzentwurf der Linken sollen die Streitkräfte in diesen
engen Ausnahmefällen sich nicht ihrer spezifisch militä-
rischen Waffen bedienen dürfen. Die Linke zeichnet in ih-
rem Entwurf das Bild eines Staates, der angeblich bewaff-
nete Einsätze der Bundeswehr im Innern gegen seine
eigenen Staatsbürger ausübt. Sie zeichnet ein Zerrbild
von unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Es
handelt sich um eine Wahnvorstellung von einer zuneh-
menden Militarisierung im Innern. Das entspricht nicht
der Wirklichkeit unserer Bundesrepublik Deutschland.

Richtig ist demgegenüber: Nach unserer Verfassung ist
die Bundeswehr dazu berufen, innerhalb eines Systems
kollektiver Sicherheit Frieden zu wahren, unser Land zu
verteidigen, Amtshilfe zu leisten, insbesondere in Katas-
trophenfällen, und Einsätze auszuführen, wenn der Be-
stand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung
gefährdet ist. In diesem Rahmen leisten die Soldatinnen
und Soldaten wichtige, verantwortungsvolle Aufgaben
für unser Land, die uns zu Dank verpflichten. Gerade bei
den Fällen im Innern geht es ganz offensichtlich um Un-
terstützungsleistungen und Einsätze zum Schutz unseres
Staates und zugunsten der eigenen Bevölkerung, nicht ge-
gen die Bevölkerung. Wenn Sie von den Linken hier von
Einsätzen gegen die eigenen Staatsbürger sprechen, hat

das daher mit der Realität wirklich nichts mehr zu tun,
sondern ist meines Erachtens schlichtweg eine Frechheit.

Irreführend ist auch, dass Sie in Ihrem Entwurf Veran-
staltungen wie die Fußballweltmeisterschaft 2006 oder
den Papstbesuch erwähnen. Sie erwecken damit den Ein-
druck, als sei es damals zu bewaffneten Einsätzen der
Bundeswehr gekommen. Tatsächlich handelt es sich
aber dabei um Unterstützungsleistungen und logistische
und sanitätsdienstliche Hilfen im Wege der Amtshilfe
nach Art. 35 Abs. 1, die unterhalb der Schwelle eines
Einsatzes erfolgten. Sie mischen hier alles durcheinan-
der und verunsichern damit ganz bewusst die Menschen.

Konkret wollen Sie mit Ihrem Antrag das Grundge-
setz in zwei Punkten ändern. Erst einmal soll Art. 35 des
Grundgesetzes so gefasst werden, dass die Bundeswehr
nur unbewaffnet Amtshilfe leisten darf. Das Plenum des
Bundesverfassungsgerichts, das heißt beide Senate zu-
sammen, hatte demgegenüber am 3. Juli des letzten Jah-
res beschlossen, dass die Amtshilfe nach Abs. 2 und 3
des Art. 35 gerade nicht grundsätzlich ausschließt, dass
die Streitkräfte ihre spezifisch militärischen Waffen ver-
wenden, und das vollkommen zu Recht.

Die Voraussetzungen, unter denen ein Einsatz der
Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 2 und 3 rechtlich möglich
ist, sind äußerst eng. Es sind drei Punkte anzusprechen:
Erstens. Es muss eine Katastrophe vorliegen, also eine
Naturkatastrophe oder ein besonders schwerer Unglücks-
fall. Ein solcher Unglücksfall liegt nur – so formuliert es
das Bundesverfassungsgericht – bei Ereignissen kata-
strophischer Dimension vor, was nur ungewöhnliche
Ausnahmesituationen umfasst. Dazu sind nach dem
Bundesverfassungsgericht auch absichtlich herbeige-
führte Schadensereignisse wie Terroranschläge zweifels-
frei zu zählen.

Zweitens. Weiterhin ist der Einsatz der Streitkräfte
mit militärischen Kampfmitteln nur als Ultima Ratio,
also als letztes Mittel, zulässig, wenn keine sonstigen,
milderen Maßnahmen Erfolg versprechen.

Drittens muss der Unglücksfall bereits vorliegen. Das
heißt, der Unglücksverlauf muss bereits begonnen ha-
ben. Ein Schaden braucht noch nicht eingetreten zu sein.
Aber er muss mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
lichkeit unmittelbar bevorstehen.

Nur wenn diese engen Voraussetzungen vorliegen, die
im Übrigen sicherstellen, dass die strikten Begrenzungen
des Art. 87 a Abs. 4 nicht unterlaufen werden, ist ein
entsprechender Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 zu-
lässig. Aber dann ist er auch sinnvoll und notwendig,
weil die Polizeikräfte und die ihnen zur Verfügung ste-
henden Mittel nicht ausreichen.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Warum nicht?)


Deshalb ist es auch richtig, die Streitkräfte nicht ihrer
spezifischen Mittel von vornherein zu berauben, so wie
Sie es von den Linken beabsichtigen. Ansonsten könnte
bei entsprechenden Gefahrensituationen eine empfindli-
che Lücke entstehen und die Bevölkerung nicht ausrei-
chend geschützt werden.





Ingo Wellenreuther


(A) (C)



(D)(B)



(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Wo denn zum Beispiel?)


Wir stellen uns nur einmal vor: Es steht ein terroristi-
scher Anschlag in Deutschland unmittelbar bevor. Ge-
sundheit und Leben von Tausenden Menschen sind akut
bedroht. Die Kräfte der Polizei reichen nicht aus, aber
die Bundeswehr mit ihren spezifischen Einsatzmitteln
könnte die Gefahr bannen. Nach dem Willen der Linken
sollen die Streitkräfte nicht zum Einsatz kommen, son-
dern der Staat und die Soldaten sollen tatenlos zusehen
und den Terroranschlag über unsere Bürger, über un-
schuldige Menschen hereinbrechen lassen.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Nennen Sie mir mal, was Sie da hätten verhindern können!)


Dass Sie durch die beabsichtigte Änderung unserer Ver-
fassung diese Hilfe im äußersten Notfall verwehren
möchten, ist skandalös. Der Staat ist zum Schutz seiner
Bürger, zur Gefahrenabwehr und zum Katastrophen-
schutz verpflichtet. Dieses verfassungsrechtliche Gebot
missachten Sie meiner Auffassung nach sträflich. Mit
Ihren Plänen sind Sie eine Gefahr für die Sicherheit der
Menschen in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das ist wirklich unverschämt!)


Der zweite Punkt Ihres Gesetzentwurfs betrifft die
Regelung in Art. 87 a Abs. 4 des Grundgesetzes, mit
dem Sie den Einsatz unserer Streitkräfte zur Unterstüt-
zung der Polizei und der Bundespolizei verhindern wol-
len. Diese Regelung wollen Sie aufheben bzw. streichen.

Glücklicherweise haben wir eine stabile Demokratie,
auf die wir stolz sein können. Dennoch kann es zu Kri-
sensituationen kommen, zu Angriffen auf unsere Grund-
werte der Freiheit und der Demokratie, auf die wir tat-
sächlich und verfassungsrechtlich vorbereitet sein
müssen. Ihr Vorhaben hätte in einer solchen Krisensitua-
tion folgende Konsequenz: Die Bundeswehr dürfte nicht
mit militärischen Kampfmitteln eingreifen, wenn zivile
Objekte geschützt werden müssen oder organisierte Auf-
ständische mit militärischen Waffen den Bestand unserer

freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefährden,
obwohl die Polizeikräfte der Lage nicht Herr werden.

Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf unsere freiheit-
lich-demokratische Grundordnung empfindlich schwä-
chen. Das machen wir von der Union nicht mit. Deswe-
gen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722912500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Rechtsausschusses zu dem Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Angriffskrieg verfas-
sungs- und völkerrechtskonform unter Strafe stellen“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 17/12736, den Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/11698 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthal-
tung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 33 b. Abstimmung über den Ge-
setzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des
Grundgesetzes, Art. 35 und 87 a. Der Innenausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 17/12711, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 17/11591 abzulehnen. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abge-
lehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die
weitere Beratung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destags auf Mittwoch, den 20. März 2013, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
schönes Wochenende, falls Sie denn eines haben.