Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich
begrüße Sie herzlich zur 140. Sitzung des Deutschen
Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Sie darauf
aufmerksam machen, dass die für heute verlangte
Aktuelle Stunde zu den Steuersenkungsplänen der Bun-
desregierung entgegen der Ankündigung nicht stattfin-
det. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat diesen An-
trag zurückgezogen.
Der Ältestenrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung
darauf verständigt, während der Haushaltsberatungen
in unserer nächsten Sitzungswoche ab dem 22. Novem-
ber, wie es unserer ständigen Übung entspricht, keine
Befragung der Bundesregierung, keine Fragestunde und
keine Aktuellen Stunden durchzuführen. Darf ich hierzu
Ihr Einverständnis feststellen? – Das ist offensichtlich
der Fall. Dann können wir so verfahren.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 sowie die Zu-
satzpunkte 8 bis 10 auf:
28 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
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Z
richts des Finanzausschusses zu
dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP
Effektive Regulierung der Finanzmärkte nach
der Finanzkrise
– Drucksachen 17/6313, 17/7250 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ralph Brinkhaus
Dr. Carsten Sieling
Björn Sänger
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus-
Peter Flosbach, Dr. Michael Meister, Peter
Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
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wieder als der Stabilitätsanker, als die Stabilitätsgarantiein Europa angesehen. Deswegen ein Dank an die Bun-desregierung.
Das war nicht immer so. Gerade in den Jahren von2002 bis 2005 wurde Deutschland gemeinsam mitFrankreich immer als Defizitsünder bezeichnet. Damalswurde vier Jahre in Folge der Stabilitätspakt gebrochen;das ist nach wie vor verheerend. Die heutige Staatsschul-denkrise ist nicht denkbar ohne das Verhalten von Rot-Grün in jenen Jahren. Das wird Ihnen noch lange anhän-gen.
2005 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin geworden.Gemeinsam mit dem damaligen Koalitionspartner SPDwurde geplant, dass bis 2010/2011 ein Haushaltsaus-gleich erfolgen soll. Das war der richtige Weg. Dannkam es im Jahr 2007 zur Schieflage der IKB, der Indus-triekreditbank; ein Jahr später wurde durch den Zusam-menbruch von Lehman Brothers eine Finanzkrise ausge-löst, die alle Kräfte gefordert hat. An den Märktenwurden immer größere Risiken eingegangen. Es wurdenicht mehr nachhaltig finanziert. Kurzfristige und lang-fristige Finanzierungen wurden gegeneinander ausge-tauscht, und damit wurden enorme Risiken ausgelöst.Gerade der Handel mit Wertpapieren hat zu der Erkennt-nis geführt, dass nicht länger von nachhaltigen Wertpa-pieren gesprochen werden konnte, sondern von Schrott-papieren gesprochen werden musste. Dabei denke ich andie Hypo Real Estate und auch an die Landesbanken.Vor zwei Jahren ist die christliche und liberale Koali-tion an die Regierung gekommen.
Seitdem halten wir an dem Grundsatz fest, dass keinMarkt, kein Produkt und auch kein Akteur unreguliert anden Finanzmärkten agieren soll. Was wir in diesen zweiJahren erreicht haben, ist deutlich mehr als das, was dieSPD unter Führung eines SPD-Finanzministers in elfJahren erreicht hat.
Gestern hat die Bundesbank ihren Stabilitätsberichtvorgelegt. Darin hat sie deutlich gemacht, dass dieSchuldenbremse eines der entscheidenden Merkmale ist,das – nachdem es in Deutschland etabliert wurde – auchin anderen europäischen Ländern eingeführt werdenmuss.Seit Beginn der Finanzkrise haben wir immer einenbesonders hohen Wert auf eine nachhaltige Eigenkapital-unterlegung bei Banken gelegt. Eigenkapital ist daswichtigste Instrument, um Verluste auszugleichen undum widerstandsfähig zu sein. Sowohl der Euro-Gipfelals auch der Europäische Rat haben deutlich gemacht,dass die 100 größten europäischen Banken – darunter die13 größten deutschen Banken – deutlich intensiver mitEh18dmBMDtunnEoraruuamsgdmnAkaeKgPazgwuInStulidarecnutigfatug
der letzten Nacht haben wir einen Skandal erlebt:tandard & Poor’s hat Frankreich aufgrund eines Irr-ms, wie es heißt, für zwei Stunden herabgestuft, natür-ch gefolgt von den entsprechenden Verwerfungen anen Märkten. Wir von der Union und auch von der Ko-lition haben deutlich gemacht, dass wir in diesem Be-ich eine deutliche Verschärfung brauchen. Wir brau-hen ein größeres internes Rating bei den Banken, nichtur das externe Rating der Ratingagenturen. Wir solltenns auch intensiv mit dem Thema der Haftung von Ra-ngagenturen beschäftigen. Im geschilderten Fall istrob fahrlässig gehandelt worden. Wir brauchen bei grobhrlässigem Verhalten oder bei Vorsatz der Ratingagen-ren eine klare Haftung.
Es wird gerne argumentiert, dass viele Probleme ei-entlich nur international zu lösen sind. Aber ich denke,
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Klaus-Peter Flosbach
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wer hier in Europa am Finanzmarkt tätig werden will,der muss sich an die europäischen Regeln halten; werhier in Deutschland tätig werden will, der muss sich andie deutschen Regeln halten. Wir sind kritisiert und teil-weise belächelt worden, als wir das Verbot ungedeckterLeerverkäufe durchgesetzt haben. Es hat für kurze Zeitauch unter dem SPD-Finanzminister ein Verbot unge-deckter Leerverkäufe gegeben; aber wir sind weitergegangen: Wir haben ein Verbot des Handels mit un-gedeckten Leerverkäufen ausgesprochen – hochspekula-tive Wetten auf fallende Kurse von Wertpapieren, ohnedass sie im Eigentum sind –, und zwar nicht nur bei Ak-tien, sondern auch bei Staatsanleihen und Kreditver-sicherungen. Auch das war ein Alleingang von uns; aberwir sind sehr froh, dass der Europäische Rat, die Euro-päische Kommission und auch das Europäische Parla-ment dies inzwischen übernommen haben. Ich kann nursagen: Hier sieht man deutlich, wie viel Mut und Weit-sicht diese Bundesregierung gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, wir können eine ganzeListe weiterer regulierender Maßnahmen ansprechen,die in der Zwischenzeit ergriffen worden sind, ob es dieDurchsetzung transparenter Vergütungssysteme und ei-ner langfristigen Ausrichtung der Vergütungen bei Fi-nanzinstituten oder die Einführung eines Selbstbehaltsder Banken von 5 Prozent oder demnächst 10 Prozentbei Verbriefungen, beim Weiterverkauf von Krediten, ist.Wir haben beim Anlegerschutz – mit dem Anleger-schutzverbesserungsgesetz – und auch bei den Finanz-vermittlern und den Vermögensanlagen deutliche Ver-schärfungen durchgeführt. Mein Kollege Brinkhausbezeichnet das, was wir hier durchgeführt haben, immerals „Quantensprung im Verbraucherschutz“.Dennoch wird es wichtig sein, auf internationalerEbene sehr intensiv zusammenzuarbeiten. Das größteProblem – das ist auch in Cannes deutlich geworden –sind die Schattenbanken, der unregulierte Bereich am Fi-nanzmarkt. Es heißt, in Deutschland seien etwa 10 Pro-zent des Finanzmarktes unreguliert. Hier werden wir inwenigen Wochen mit dem Gesetz gegen die Geldwäscheeinen weiteren entscheidenden Schritt tun. Es ist aberauch sehr wichtig, dass wir die anderen Länder betrach-ten. Beispielsweise spricht man im Falle der USA voneinem unregulierten Markt, der größer ist als der regu-lierte Markt.Wir müssen sehen, was wir kurzfristig in Europa zuerledigen haben. Der wichtigste Punkt ist meines Erach-tens der außerbörsliche Derivatehandel, der auf die Platt-formen der Börsen gebracht werden muss.Wir sollten bei all diesen Maßnahmen immer beach-ten: Was muten wir dem regulierten Markt zu? Was mu-ten wir den anderen zu? Der regulierte Markt, gerade derBankenbereich, wird jetzt durch die höheren Eigenkapi-talforderungen belastet; das brauchen wir aber. Wir be-lasten die Banken auch mit der Bankenabgabe. Wir ste-hen zur Finanztransaktionsteuer, die wir umsetzenwollen, auch wenn es hier noch Widerstände gibt,nUrosdPliHWgsJddwFgSbinmGEeRgrea
icht nur im internationalen Bereich – ich denke an dieSA und Großbritannien –, sondern auch in anderen eu-päischen Staaten wie beispielsweise den Niederlanden.Frau Lautenschläger-Peiter hat gestern in einer Pres-emitteilung geäußert, dass sie keinerlei Hoffnung hat,ass ein Trennbankensystem in Deutschland irgendeinroblem lösen werde.
Herr Kollege!
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Ich bitte Sie,
ebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, nicht mit der
olzhammermethode an dieses Thema heranzugehen.
ir werden sicherlich viele Ihrer angesprochenen Fra-
en aufgreifen. Aber Ihr heutiger Antrag enthält im We-
entlichen die Maßnahmen, die wir in den letzten zwei
ahren umgesetzt haben,
ie wir auf der Tagesordnung haben und die derzeit auf
en internationalen Konferenzen gemeinsam behandelt
erden.
Vielen Dank.
Peer Steinbrück ist der nächste Redner für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Es mutete rührend bis hilflos an, Herr Flosbach, wieie hier versucht haben, Geschichtsklitterung zu betrei-en. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die als erste den internationalen Gremien das Thema der Finanz-arktregulierung aufgegriffen hat, vor allen Dingen inleneagles.
s war eine Große Koalition, die dieses Thema sehr vielhrgeiziger, insbesondere während der deutschen EU-atspräsidentschaft und der G-7-Präsidentschaft, voran-etrieben hat. Demgegenüber nimmt sich die Bilanz Ih-r Koalition in den letzten zwei Jahren ziemlich dünnus – das war wenig ehrgeizig.
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Peer Steinbrück
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Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, lässt sich an In-haltslosigkeit nicht übertreffen. Er steht in absolutemGegensatz zu dem Selbstlob, das Sie hier verteilt haben.
Wenn ich Ihren Antrag lese, komme ich zu dem Schluss,dass er dem Muster folgt: Eine gute Grundlage ist diebeste Voraussetzung für eine solide Basis. – Das ist alles,was Sie sagen.
Jede Übertreibung, jeder Exzess, jede Maßlosigkeitschafft sich eine Gegenbewegung. Diese Gegenbewe-gung können wir zunehmend öffentlich durch die derzei-tigen Demonstrationen beobachten. Diese Gegenbewe-gung, diese Demonstrationen sind die Reaktion darauf,dass die Zustände auf den Finanzmärkten Exzesse her-vorgebracht und viele Gesellschaften sowie viele Länderan den Abgrund herangeführt haben. Diese Gegenbewe-gung, diese Demonstrationen vieler Menschen sowie ihreNervosität und Unruhe sind Belege dafür, dass sie Ver-trauen in die Gestaltungs- und Steuerungsfähigkeit vonPolitik verloren haben. Deshalb ist das Thema der Fi-nanzmarktregulierung so bedeutend, nämlich zunächst,um den Gestaltungsanspruch für die Politik zurückzuge-winnen und damit wieder Vertrauen bei den Menschen zugewinnen. Über diesen gesellschaftlich-politischen Stel-lenwert hinaus hat es auch einen ökonomisch-finanziel-len; denn mit Blick auf den jetzigen Stand der Finanz-marktregulierung sage ich Ihnen voraus, dass eineWiederholung dieser Exzesse überhaupt nicht ausge-schlossen ist.Das Paradigma der Deregulierung ist gescheitert.Mindestens eine Fraktion sitzt in diesem Saal, die demParadigma der Deregulierung in ordnungspolitischerVersessenheit gefolgt ist: die FDP.
Sie haben die Monstranz der Deregulierung, der Entfes-selung der Märkte und der Marktradikalität – der Marktwird alles richten – vor sich hergetragen; dies hat zu ei-nem Exzess geführt. Sie haben alle Gesetze abgelehnt,die mein Vorgänger zur Finanzmarktregulierung einge-bracht hat – und zwar nicht, weil Ihnen dies zu wenigRegulierung gewesen ist, sondern Sie haben all dieseGesetze abgelehnt, weil Ihnen dies zu viel Regulierunggewesen ist.
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ass Sie sich jetzt als Sachwalter der Finanzmarktregu-erung aufspielen, ist, höflich gesprochen, eine ziemli-he Chuzpe. Mit härteren politischen Bandagen ausge-rückt: Es ist eine nackte Unverschämtheit.
Festzustellen, dass etwas zu dieser Finanzmarktkriseeführt hat, das auch staatlich induziert war und über einolitisches Versagen führte, nämlich die Verschuldungon Staaten, ist richtig. Die Verschuldungskrise hat übri-ens vor der Finanzmarktkrise begonnen, ist aber durchas beschleunigt worden, was wir in den letzten drei bisier Jahren erlebt haben. Aber wie man in dieser Situa-on, in der wir über eine Verschuldungskrise reden, ineutschland Steuergeschenke in Höhe von 6 Milliardenuro auf Pump verteilen kann und das Land damit nocheiter in die Verschuldung treibt – die Umsetzung Ihrerorschläge wird jährlich zu zusätzlichen Zinszahlungen Höhe von 180 Millionen Euro führen –, während dieergünstigung, die bei den Bürgern ankommt, geradeinmal den Wert zweier Tassen Kaffee hat, müssen Sieir erklären.
Herr Kollege Steinbrück, lassen Sie eine Zwischen-
age des Kollegen Schick zu?
Sehr gerne.
Das glaube ich nicht.
Herr Steinbrück, ich stimme Ihnen völlig zu,
ass die Kritik vonseiten der CDU/CSU und der FDPcheinheilig ist. Ich möchte Sie aber trotzdem fragen,
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Dr. Gerhard Schick
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warum Sie als Bundesfinanzminister noch im Krisenjahr2008 mit dem Verweis auf das Vorbild London eine Aus-weitung des deutschen Finanzsektors für richtig empfun-den haben, warum Sie in Ihrer Amtszeit die Regulierungvon Zertifikaten zum Beispiel von Lehman Brothers, diemanchen Menschen Verluste gebracht haben, und dieRegulierung von geschlossenen Fonds und anderen Pro-dukten des grauen Kapitalmarktes explizit abgelehnt ha-ben, wie Sie heute zu diesen Forderungen stehen undwarum sich in Ihrer Amtszeit die West-LB massiv mitGeld vollgepumpt hat und schwierige Investments getä-tigt hat, die heute in einer Bad Bank abgewickelt werdenmüssen.
Nein, da war ich nicht Ministerpräsident. Wir wollenhier keine Geschichtsklitterung betreiben, nur weil dasfür Sie bequem ist.Was die West-LB betrifft: Die West-LB hat sich abJuli 2005, nach dem Wegfall der beiden StaatsgarantienAnstaltslast und Gewährträgerhaftung, mit solchen Pro-dukten vollgepumpt. Da hieß der MinisterpräsidentRüttgers.
Bezogen auf Ihre anderen Hinweise, ist mir nichtganz klar, worauf Sie konkret abheben.
Es ist richtig – diesen Schuh ziehe ich mir gerne an –,dass wir uns vor dem Hintergrund des anglo-amerikani-schen Konkurrenzmusters der Finanzmärkte auch inDeutschland – selbstkritisch gesehen – zu früh und zuweitgehend dem Muster einer deregulierten Finanz-marktwelt ergeben haben. Dies ist zuzugeben. Abgese-hen davon hat es auch zu meiner Zeit keinen Sinn ge-macht, nur auf nationalstaatliche Reichweite bezogeneInstrumente einzusetzen, weil man wusste, dass das so-fort zu Ausweichmanövern an anderen Finanzmarkt-standorten in Europa führen würde. Ich habe keineMühe, zuzugeben, dass es aufgrund der Entwicklung ab2007 einen Lerneffekt gegeben hat. Bezogen auf dieheutige Debatte frage ich mich allerdings: Wie weit ge-hen die Lerneffekte bei Ihnen, und wie weit gehen dieLerneffekte bei uns?
Mit Blick auf die Finanzmarktregulierung ist festzu-stellen, dass es durchaus eine Reihe von Fortschrittengegeben hat – das will ich gar nicht in Abrede stellen –,insbesondere über die Gesetzgebung der EuropäischenUnion, übrigens maßgeblich angelegt in Zeiten der Gro-ßen Koalition. Aber das reicht nicht. Das wesentlichePrinzip, welches die Bundeskanzlerin übrigens jüngst zi-tiert hat, nämlich das auf den ersten beiden Finanzgip-fejemd–tijareDAdddTvFawetrhmTtidsnlöWÜzaddw––ble
ie, wie ich glaube, sehr viel ehrgeiziger angestrebt wer-en müssen. Ich halte es für richtig, dass wir zu einerrennung von Geschäftsbanken, Kreditbanken und In-estmentbanken sowie Schattenbanken kommen. Herrlosbach, das Argument, dass dadurch Finanzkrisen nichtbgewendet werden können, ist deshalb völlig abwegig,eil das niemand behauptet. Wir behaupten aber, dass wirndlich eine Wechselwirkung zwischen Risiko und Er-ag, zwischen den klassischen Kreditbanken und denochspekulativ tätigen Investmentbanken herstellenüssen. Wir müssen diesem System durch eine solcherennung quasi den Treibstoff für riskante und spekula-ve Geschäfte entziehen.
Das hat schon funktioniert, jedenfalls teilweise. Inen USA hat das bis 1998 auf der Grundlage eines Ge-etzes aus den alten Zeiten von Herrn Roosevelt funktio-iert, dem Glass-Steagall-Act von 1933, der 1998 aufge-st worden ist.
enn Sie sich historisch vergegenwärtigen, wann diebertreibungen begonnen haben, dann kommen wiriemlich genau auf den Zeitpunkt Ende der 90er-Jahre,ls Deregulierungsarien gesungen worden sind, auch vorem Hintergrund, dass damals Investmentbanken miten Einlagen der Kreditbanken, die ihnen zugeordnetaren, spekulieren konnten.
Lehman ist ein anderer Fall.
Entschuldigen Sie bitte, es gab vorher andere Fälle. Esehauptet niemand, dass das Trennbankensystem die al-in selig machende Lösung ist.
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16686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Peer Steinbrück
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– Was regen Sie sich denn künstlich auf! Das ist doch lä-cherlich. Ich sage nur: Das ist ein Baustein, den wir fürdie Regulierung brauchen.
Ich nenne Ihnen weitere Bausteine. Ich glaube, dassder Handel von Derivaten und Rohstoffen nur noch übertransparente Handelsplattformen abgewickelt werdensollte.
Ich glaube, dass die sogenannten Over-the-Counter-Ge-schäfte verboten werden müssen. Es kann nicht sein, dasswir derzeit ein globales Volumen an Derivaten in Höhevon 600 Billionen US-Dollar jährlich haben – Derivatesind Wetten auf zukünftige Preise, um das umgangs-sprachlich zu formulieren; Sie können auf Schweinehälf-ten, Nickel, Gold oder Devisen wetten –, die jährlicheWirtschaftsleistung der Welt, also der Wert der hergestell-ten Produkte und der Dienstleistungen, hat demgegen-über aber nur ein Volumen von 60 Billionen US-Dollarjährlich. Das heißt, die monetäre Welt hat sich um denFaktor 10 von der realen Welt getrennt. Da wollen Sienicht ran.
– Von Ihnen kommt doch kein Vorschlag.Ich bin dafür, dass Banken nicht mit Rohstoffen han-deln dürfen.
Ich bin dafür, dass sie Rohstoffe nicht lagern dürfen.
– Merkwürdig, Ihre Nervosität gibt zu erkennen, dassSie getroffen sind.
Ihre ganze Nervosität ist der Tatsache geschuldet, dassSie noch immer keine konkreten Vorstellungen haben.Ihr Antrag bewahrheitet das. Das merke ich, wenn ichihn lese. Da steht nichts Konkretes drin.Ich bin dafür, dass der Handel mit Kreditversiche-rungsscheinen für diejenigen verboten wird, die sich garnicht gegen einen konkreten Kreditausfall versichern.Das, was dort passiert, ist grotesk. Um auch das um-gSBGKbGdbnddimWdklitezDlemdssPAMbsleVDwsmla
Wir stehen vor einem entscheidenden Schritt. Wirürfen uns nicht länger von dem Killerargument beein-rucken lassen, man müsse die Finanzmarktregulierung G-20-Kreis oder im Kreis der EU der 27 durchsetzen.
ir sind jetzt aufgefordert, mit dem Gewicht der Bun-esrepublik Deutschland und vor dem Hintergrund deronkreten Leistungen, die wir im Augenblick zur Stabi-sierung Europas erbringen, im Kreis der Mitgliedstaa-n der Europäischen Währungsunion mit Maßnahmenur Finanzmarktstabilisierung zu beginnen.
ie Bundesregierung hat dazu bisher nichts Substanziel-s vorgelegt. Das mache ich ihr massiv zum Vorwurf.
Ich sage Ihnen voraus: Diese Krise kann sehr vielehr als Geld kosten. Sie kann das Vertrauen in unsereemokratische und soziale Wirtschafts- und Gesell-chaftsordnung kosten. Es kann sein, dass Menschenich abwenden, weil sie den Eindruck haben, dass dieolitik nur noch getrieben und erpressbar ist.
ll Ihre Hinweise weisen darauf hin, dass man sich Ihrereinung nach erpressen lassen muss. Das Motto „Tooig to fail“ bedeutet doch: Du musst alle Banken stabili-ieren. Herr Flosbach, um auch das einmal richtigzustel-n: Das Restrukturierungsgesetz geht maßgeblich auforarbeiten aus der Zeit der Großen Koalition zurück.
as waren Frau Zypries und ich.
Die Politik muss die Steuerungsfähigkeit zurückge-innen und deshalb mit großem Ehrgeiz an die Verbes-erung der Regulierung und der Aufsicht von Finanz-ärkten herangehen. Wir dürfen uns nicht erpressenssen, weder von Ratingagenturen noch von großen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16687
Peer Steinbrück
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Banken noch durch die Drohung mit einem Standort-hopping nach dem Motto: Sonst wandern wir ab.
Wir dürfen uns auch nicht von der Überlegung, dass Ka-pital scheu wie ein Reh ist, beeindrucken lassen; dennauch dadurch können wir erpresst werden, auf die Forde-rungen der Lobbyisten einzugehen, die an dieser Finanz-marktregulierung kein Interesse haben.Wenn eine globale Finanzmarktregulierung im Rah-men der G-20-Staaten blockiert wird oder wir sie gegen-über dem Finanzstandort London nicht durchsetzen kön-nen, dann müssen wir im Nahbereich der EuropäischenWährungsunion damit anfangen.
Darauf müssen wir uns konzentrieren. Hier erwarten wirdeutlich mehr, als die Bundesregierung bisher vorgelegthat.
Der Kollege Volker Wissing ist der nächste Redner
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-nächst einmal zu Ihnen, Herr Kollege Steinbrück: Dieheftigen Zwischenrufe der Kolleginnen und Kollegen
während Ihrer Rede hatten nichts damit zu tun, dass hierjemand nervös war. Das hatte etwas mit einem Satz zutun, den Sie hier selbst gesagt haben: Jede Maßlosigkeitschafft sich eine Gegenbewegung.
Man fragt sich ernsthaft, weshalb ausgerechnet Siesich hier hinstellen, als Sozialdemokrat und als sozialde-mokratischer Finanzminister a. D., der nichts von alldem, was Sie heute fordern, auf den Weg gebracht hat.
Sie haben damals nichts von dem, was Sie zusätzlich zudem, was wir umgesetzt haben, fordern, auch nur ansatz-weise gefordert. Es mag vielleicht den einen oder ande-ren in den Reihen der Sozialdemokraten geben, der hierglaubwürdig über Finanzmarktregulierung reden kann,aber Sie, Herr Steinbrück, können es nicht.
Da Sie sich in den letzten Monaten so gerne auf Mei-nungsforschungsinstitute bezogen haben und auch mitHäme auf andere blicken, möchte ich einmal zitieren,was das Meinungsforschungsinstitut Forsa über Sie,HPnadSambhnüSrehfawbincmGinwWeAARzkeAMn
Erstens. Er wird überhaupt nicht der SPD zugerech-et. – Das wundert einen nicht; denn in Regierungsver-ntwortung haben Sie nichts von dem umgesetzt, wasie SPD heute an Finanzmarktregulierung fordert.
ie haben keine Finanzmarktsteuer eingeführt, Sie habenuch keine Vermögensteuer eingeführt, und Finanz-arktregulierung haben Sie eher in die andere Richtungetrieben. Deswegen glaubt Ihnen kein Mensch, dass Sieier ernsthaft sozialdemokratische Politik vertreten kön-en.
Zweitens. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hatber Herrn Steinbrück ermittelt: Der Mittelstand hatteinbrück die ganzen Verschlimmerungen im Steuer-cht nicht vergessen. – Auch das kann ich nachvollzie-en. Sie lagen mit Ihrer Steuerpolitik in allen Punktenlsch. Wir mussten dies korrigieren,
eil Sie das Land mit Ihrer verfehlten Hinzurechnungs-esteuerung, Zinsschranke und dem ganzen Zeug tiefer die Krise geführt hätten.
Drittens. Da Sie sich mit Ihrem durchaus erstaunli-hen Selbstbewusstsein hier heute hingestellt haben,öchte ich Ihnen den dritten Punkt nicht ersparen. Herrüllner vom Institut Forsa sagt: Peer Steinbrück wurde der Krise als Hilfsreferent und nicht als Krisenlöserahrgenommen. – Wie wahr.
ir können uns noch an dieses Herumschwadronierenrinnern.
ls die HRE noch börsennotiert war, da sprach er vonbwicklung und davon, dass sie plattgemacht wird. Dieettung der Hypo Real Estate war nicht Peer Steinbrücku verdanken, sondern der Kommunikation der Bundes-anzlerin mit den Banken. Peer Steinbrück war nichtinmal anwesend, als sich die Rettungsnacht zuspitzte.ls Berichte der Bankenaufsicht bei Ihnen in Ihreministerium eingingen, Herr Steinbrück, haben Sie sieicht einmal gelesen. Sie wussten gar nicht, was an den
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16688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Volker Wissing
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Finanzmärkten tatsächlich läuft. Deswegen lagen Sie mitIhrer Regulierungspolitik vollkommen daneben.
Wenn Sie von Lerneffekten sprechen, dann hat das etwasKomisches.Ich möchte jetzt auf Ihre Vorgänger eingehen. Sie wa-ren nicht der erste sozialdemokratische Finanzminister,der sich rückwirkend gerne als Finanzmarktreguliererdarstellt. Hans Eichel, Ihr Vorgänger, sagte bei einer Ta-gung im Jahr 2003: „Hedgefonds sollen gegenüber her-kömmlichen Investmentfonds nicht mehr diskriminiertwerden.“
Das sagte Ihr sozialdemokratischer Vorgänger HansEichel. Das war sozialdemokratische Realfinanzpolitik.Das ist nicht das, was Sie der Öffentlichkeit heute anwahrheitswidriger Geschichtsklitterung erzählen.
Sie haben von den segensreichen Verbriefungsmärk-ten geschwärmt. Es gibt einen Antrag von SPD und Grü-nen vom 7. Mai 2003, Drucksache 15/930; vielleichtmöchte das jemand nachlesen. In diesem Antrag habenSie geschrieben, man brauche jetzt „weitere Maßnahmenzur Schaffung eines leistungsfähigen, internationalenwettbewerbsfähigen Verbriefungsmarktes in Deutsch-land“.
Das war reale sozialdemokratische Finanzpolitik. Dashat nichts mit der Regulierung der Finanzmärkte zu tun.Wovon reden Sie denn?
Sie haben doch alles auf den Weg gebracht, was wirheute wieder rückgängig machen müssen. Wir sind dieKoalition,
die die Finanzmärkte reguliert. Wir haben den Verbrie-fungsmarkt reguliert. In Deutschland gibt es den höchs-ten Selbstbehalt bei Verbriefungen. Das haben wirdurchgesetzt. Es gibt in Deutschland ein Verbot vonLeerverkäufen. Das haben wir durchgesetzt.
– Sie haben das temporär mit angezogener Handbremsegemacht.
Sie haben mit angezogener Handbremse reguliert, unddort, wo Sie Hedgefonds zulassen konnten, haben Sie esgetan.dnnvgDlidWtelehdimDktemtradAgtebpAndwicFSwezanwnsS
onst haben Sie nichts erreicht. All diese Dinge habenir auf den Weg gebracht. Deutschland steht heute mitinem wesentlich besser regulierten Finanzmarkt da alsu Ihrer Zeit und als zu rot-grüner Zeit. Darauf sind wiruch ein Stück weit stolz. Aber wir ruhen uns darauficht aus.
Wir arbeiten weiter daran,
eil wir der festen Überzeugung sind, dass an den Fi-anzmärkten wieder das Prinzip, dass diejenigen, die Ri-iken eingehen, auch haften, gelten muss. Das setzen wirchritt für Schritt um, und das ist gut für dieses Land.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16689
Dr. Volker Wissing
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Das bringt Stabilität in die Märkte. Deutschland könntesich eine weitere Ära sozialdemokratischen Versagens inder Finanzpolitik schlicht und einfach nicht leisten. Wirmüssen heute die Scherben dieser verfehlten, irrgeleite-ten sozialdemokratischen Politik zusammenkehren.
Das ist ein großer Aufwand; aber wir leisten das.
Herr Kollege.
Ich finde, wir sind sehr gut vorangekommen. Ein
herzliches Dankeschön für das Verhandlungsgeschick
der Bundesregierung! Die sie tragenden Fraktionen un-
terstützen sie, wo sie können.
Das Wort erhält nun der Kollege Richard Pitterle für
die Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Ratingagenturen werden neben
Hedgefonds und Heuschrecken am häufigsten genannt,
wenn über die Finanzkrise gesprochen wird. Ratingagen-
turen sind bekanntlich private Unternehmen, die nichts
anderes machen, als die Kreditwürdigkeit von Unterneh-
men aller Branchen sowie von Staaten zu bewerten. Da-
mit verdienen sie selbst viel Geld. Die Agenturen fassen
das Ergebnis ihrer Untersuchung in einer Buchstaben-
kombination zusammen, die in der Regel von AAA
– beste Qualität – bis D – zahlungsunfähig – reicht. Der
Wirtschaftsweise Peter Bofinger sagt – Zitat –:
Es ist eine Katastrophe, dass Ratingagen-
turen über Wohl und Wehe von Ländern entschei-
den.
Recht hat der Mann.
Die Regierungskoalition kritisiert im vorliegenden
Antrag, viele Marktteilnehmer orientierten sich mecha-
nistisch, wie es da heißt, an externen Ratings. Warum ist
das so? Darf ich Sie daran erinnern, dass es zuallererst
die Aufsichtsbehörden sind, die sich und andere Markt-
teilnehmer von den Ratingagenturen abhängig machen?
Das betrifft die Kapitalpuffer von Banken als auch die
Anlagevorgaben für Versicherer. Bei beidem müssen Ra-
tings von externen Agenturen beachtet werden. So haben
Sie es ins Gesetz geschrieben und dadurch den Rating-
agenturen eine enorme Macht gegeben. Kein Wunder
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Gesagt hatten Sie mir gerade etwas anderes, gemeint
ar offenkundig dies. Okay. Ich bedanke mich.
Der nächste Redner ist der Kollege Gerhard Schick
r die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichnde, es geht nicht, bei der Regulierung der Finanz-
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16690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Gerhard Schick
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märkte nur nach hinten zu gucken, wie das VolkerWissing gerade gemacht hat, sondern es sind jetzt Auf-gaben zu erfüllen.Wir würden uns einmal dafür interessieren, warumdie FDP bei dem Thema Finanztransaktionsteuer eigent-lich über Wochen und Monate und heute noch immerbremst.
Da Sie schon zurückschauen, würde uns auch interessie-ren, warum aus der FDP-Fraktion in den letzten Jahrenlauter Deregulierungsvorschläge kamen, die bei IhremRückblick völlig gefehlt haben. So geht es nicht.
Es gibt im Moment sehr viele verschiedene Initiativenmit dem Ziel, zu regulieren. Ich finde, in dem SPD-An-trag, der heute vorliegt, wird das richtig aufgegriffen.Deswegen werden wir ihm auch zustimmen. Wir sindhier an vielen Stellen gemeinsam unterwegs und sehenauch gemeinsam die Defizite der Koalition.Wir Grünen wollen heute insbesondere auf zweiPunkte hinweisen; denn bei diesen ganzen Diskussiondarüber, was international alles getan wird, geht häufigunter, was in Deutschland getan werden muss. Darüberreden Sie in der Koalition herzlich wenig.
Erster Punkt. Ein Faktor, mit dem Deutschland inter-national heraussticht, ist die Tatsache, dass deutscheBanken ganz besonders wenig Eigenkapital haben. Im„Global Financial Stability Report“ des InternationalenWährungsfonds wird verglichen, in welchem Land derSchuldenhebel der Banken am größten ist. Raten Sie,welches Land im Report vom September 2011, also ganzaktuell, am schlechtesten dasteht! Es ist Deutschland.Hier kann man nicht auf irgendeine internationale Regu-lierung verweisen, sondern wir brauchen in Deutschlandendlich eine Schuldenbremse für Banken.
Wenn Sie das nicht glauben, dann können Sie das gernenoch einmal nachlesen.Interessant ist ja: Das European Systemic Risk Board,das neueingerichtete Gremium, das die großen Risikenam Finanzmarkt in Europa aufdecken soll, empfiehltendlich die Einführung einer verbindlichen LeverageRatio, einer Schuldenbremse für Banken. Der Sachver-ständigenrat fordert in seinem neuen Gutachten, dassman bis 2019 schrittweise eine ungewichtete Eigenkapi-tafüBdWdgBAzdnbswzmwewdHmDbloK–k–kw
Ich möchte zu einem zweiten Thema kommen. Damitie Diskussion einmal vorankommt, haben wir heute ei-en konkreten Antrag dazu vorgelegt.Überall heißt es, jetzt müssen wir einmal über Trenn-anken reden, „too big to fail“ ist wichtig. Bisher hatich Deutschland dieser Frage aber nicht gestellt. Umas geht es? Große Banken haben praktisch eine impli-ite Versicherung des Staates. Sie sind so groß, dass nie-and riskieren kann, dass sie pleitegehen könnten. Dasissen die Märkte, und sie preisen das ein. Das ist wieine Subvention. So sagt Avenir Suisse, nicht gerade einirtschaftsfeindlicher Thinktank in der Schweiz, dassie Schweizer Großbanken jährlich Subventionen inöhe von 3 bis 6 Milliarden Schweizer Franken bekom-en. Ich zitiere:… das sind mehr Subventionen für die Banker alsfür die Bauern.as ist in Deutschland nicht anders.
Genau diese Subventionierung, die Banken dadurchekommen, dass sie zu groß sind und deswegen kosten-s versichert werden, wollen wir abschaffen. Das ist derern des Problems „too big to fail“.
Das stimmt überhaupt nicht, dass Sie das mit der Ban-enabgabe machen.
Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen. Dannann ich dazu Ausführungen machen. – Das wollen Sieohl doch nicht.
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Dr. Gerhard Schick
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– Genau. Sie haben Angst, dass ich es richtig erkläre unddass die Menschen merken, dass meine Antwort dierichtige ist und Ihre Zwischenfrage Mumpitz ist.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie viel-leicht der Bank of England. Sie sagt: Die Großbankenhaben eine letztlich von der Allgemeinheit zu tragendeGrößenprämie von 250 Milliarden Dollar pro Jahr. – Ge-nau das passiert ständig: dass die Steuerzahler kostenlosBankrisiken versichern. Genau das möchten wir ab-schaffen.
Damit haben wir Grünen gute Erfahrungen. Wir ken-nen nämlich die kostenlose Subventionierung von syste-mischen Risiken aus einem anderen Themenfeld. Wirkennen das vom Thema Atomenergie. Auch da ist vielzu lange akzeptiert worden, dass der Steuerzahler kos-tenlos Großrisiken versichert. Es hat eine lange Zeitgedauert, aber wir Grünen haben es beharrlich gemein-sam mit den sozialen Bewegungen geschafft, diesesThema auf die Tagesordnung zu setzen und Sie zu einer180-Grad-Wende gezwungen. Genau dasselbe werdenwir bei dem Thema kostenlose Subventionen für Groß-banken machen. Das Thema muss in Deutschland end-lich auf den Tisch. Daran werden wir festhalten, undzwar so lange, bis wir die „too big to fail“-Thematikendlich gelöst haben.
Deswegen legen wir heute einen Antrag vor. In derSchweiz hat man erfolgreich vorgemacht, dass man andieses Thema herangehen kann. In der Schweiz wurdeeine Kommission vom Parlament eingesetzt, um dievolkswirtschaftlichen Risiken von Großbanken zu unter-suchen. Sie hat gute Vorschläge gemacht und dafür ge-sorgt, dass zusätzliche Eigenkapitalpuffer für Großban-ken eingeführt wurden.In Großbritannien hat die Vickers-Kommission, dieIndependent Commission on Banking, Vorschläge fürein Trennbankensystem gemacht. Das sind sinnvolleVorschläge. Diese Bundesregierung und diese Koalitionverweigern sich bis heute dieser Debatte. Das sieht mandaran, dass Sie unseren Antrag heute ablehnen wollen.Wir Grünen werden daranbleiben; denn in der Frage, obder Steuerzahler immer wieder in die Situation kommt,erpresst zu werden oder nicht, lassen wir nicht locker.Darauf können Sie sich verlassen.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege
Hans Michelbach das Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
ankenkrise der Jahre 2008/2009 und die daraus für die
ffentlichen Haushalte entstandenen finanziellen Belas-
ngen haben deutlich gemacht, dass die Finanzmärkte
trukturell reformiert werden müssen. Dieser Aufgabe
idmet sich die CDU/CSU-Fraktion mit großer Energie.
Dabei lassen wir uns von niemandem überbieten,
chon gar nicht von Rot und Grün, die fälschlicherweise
riechenland in die Euro-Gruppe mit aufgenommen ha-
en, die den Stabilitätspakt gebrochen und den Hedge-
nds Tür und Tor geöffnet haben. Das ist die Wahrheit.
iese Koalition reguliert, Rot-Grün hat dereguliert. Das
ind die Tatsachen.
Der vorliegende SPD-Antrag ist teilweise ein Plagiat
nseres Antrags. Unser Antrag, so sagt Herr Steinbrück,
ei eine „nackte Unverschämtheit“. Das ist aber hier der
ersuch, die eigene Nacktheit aus seiner Zeit als Finanz-
inister zu verbergen. Das ist die Situation. In unserem
ntrag schauen wir nach vorne, und er beinhaltet klare
egulierungen für die Zukunft. Das ist der richtige Weg.
Herr Kollege Michelbach, darf Ihnen der Kollege Poß
ine Zwischenfrage stellen?
Ja.
Lieber Herr Kollege Michelbach, ist Ihnen bekannt,
ass wir diejenigen waren, die bei der damaligen Gesetz-
ebung die Hedgefonds so konditioniert, kontrolliert, be-
ufsichtigt und mit Regeln versehen haben, dass die
eisten es vorgezogen haben, gleich zur City of London
u gehen? Können Sie sich daran erinnern, dass entwe-
er Ihre Fraktion oder Stimmen aus Ihrer Fraktion, viel-
icht gar Sie persönlich, die damalige Gesetzgebung für
iel zu stringent und zu eng gefasst hielten und Sie eine
eiterung im Sinne einer Deregulierung gefordert ha-
en?
Herr Kollege Poß, das Problem liegt woanders.
ie haben in der Finanzpolitik immer nur national ge-acht. Das will ich Ihnen noch einmal verdeutlichen.
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Dr. h. c. Hans Michelbach
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Sie haben im Deutschen Bundestag gesagt, durch eineeuropäische Lösung würde die Bundesregierung dieKontrolle über die internationale Bankenpolitik verlie-ren. Herr Steinbrück als Ihr Minister hat damals am25. September in einer Regierungserklärung gesagt– bleiben Sie stehen, Herr Poß; ich bin noch nicht fertig –,
der Zusammenbruch von Lehman Brothers sei ein reinamerikanisches Problem. Das zeigt, dass Sie in der Fi-nanzpolitik nur national gedacht haben.
Sie haben die internationale Vernetzung völlig verkannt.Das war die größte Fehleinschätzung eines deutschen Fi-nanzministers. Das ist eine Tatsache.
Sie haben national Dinge getan, die aber internationalnull wert waren. Das war die Situation.
Herr Kollege Michelbach, jetzt möchte auch der Kol-
lege Pronold noch eine Frage stellen.
Ein bayerischer Kollege darf das immer.
Diese Differenzierung sieht unsere Geschäftsordnung
übrigens nicht vor, Herr Kollege. – Bitte sehr.
Die bayerischen Kollegen haben auch ein sehr gutes
Gedächtnis. Wir waren lange gemeinsam im Finanzaus-
schuss. Darum verwundert mich Ihre neue Performance
heute außergewöhnlich. Denn in der Zeit, als wir ge-
meinsam im Finanzausschuss waren, waren Sie immer
der Deregulierer.
Wenn Sie über die nationalen Handlungen reden,
dann darf ich Sie an ein altes Streitthema zwischen uns
erinnern, nämlich die Real Estate Investment Trusts und
die Frage, ob auch die ehemals gemeinnützigen Woh-
nungsbaugesellschaften einbezogen werden. Es war die
SPD-Fraktion, die verhindert hat, dass die Wohnungen
den Heuschrecken ausgeliefert werden. Sie waren an
vorderster Front dafür, das nicht in nationaler Regulie-
rung zu machen, sondern den Heuschrecken noch Futter
zu geben. So war es.
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Herr Kollege Pronold, es ist eine Tatsache, dass ichmer gegen Wettbewerbsverzerrungen zulasten desandes und der Arbeitsplätze war.
iesen Vorwurf mache ich Ihnen: Sie haben Finanzpoli-k aus nationaler Sicht gemacht, ohne global zu denkennd die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.ie haben weder eine G-20-Lösung noch eine EU-Lö-ung oder eine Euro-Zonen-Lösung vorgelegt.
iesem Vorwurf müssen Sie sich stellen, Herrteinbrück.
Aber schauen wir nach vorne. Denn die Risiken sindestiegen. Es gibt zweifellos eine Vertrauenskrise undit Griechenland und Italien einen starken Vertrauens-inbruch.Europa kann nicht auf Pump leben. Jede Solidaritätuss mit einer Eigenanstrengung der Länder gekoppelterden. Wir wollen eine neue Architektur der Glaub-ürdigkeit in Europa. Wir haben jetzt die Aufgabe, dieseaßnahmen in nationaler Geschlossenheit durchzuset-en. Das Vertrauen in die langfristige Tragfähigkeit derffentlichen Haushalte und in das Finanzsystem musseu hergestellt werden. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Iner Währungsunion muss die Glaubwürdigkeit alleränder wiedergewonnen werden, weil unsere Zukunft ininem gemeinsamen Europa und in der Euro-Zone liegt.Deswegen gilt es jetzt, diese Aufgaben gemeinsamnzugehen und zu schultern. Wir wollen Sanktionsver-hren. Wir wollen keine Vergemeinschaftung vonchulden und Zinsen. Wir wollen keine monetäre Staats-nanzierung. Wir wollen die Unabhängigkeit der EZBnd die Widerstandsfähigkeit der Banken durch Rekapi-lisierung. Das sind die Aufgaben, die sich jetzt auf deruropäischen Ebene stellen. Die Politik verliert ihrelaubwürdigkeit, wenn sie die Märkte nicht noch besser den Griff bekommt. Genau das – die Märkte besser inen Griff zu bekommen – versuchen wir mit unseremntrag zu erreichen. Schließen Sie sich deswegen unse-m Antrag an!
Wir können eine positive Bilanz bezüglich der Fi-anzmarktregulierung ziehen. Auf diese Regulierungben in Deutschland wir, der Deutsche Bundestag, durchirekte Beschlussfassung Einfluss aus. Man sollte wie-erholen, was wir gemacht haben. Natürlich können wirier im Deutschen Bundestag nicht beschließen, was an-ere Länder zu tun haben. Letzten Endes können wir nur
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Dr. h. c. Hans Michelbach
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Beschlüsse durchsetzen, die für uns gelten, und wir müs-sen die Bundesregierung bitten, diese Beschlüsse in dieG 20 und in die Euro-Zone weiterzutragen.Wir haben Regulierungen zum Rating und zur Vergü-tungsstruktur getroffen. Wir haben Regelungen zu Leer-verkäufen und zu Verbriefungen geschaffen. Wir habendie Verhandlungen zu den Eigenkapitalanforderungenim Rahmen von Basel III offensiv begleitet. Wir habendas Restrukturierungsgesetz und die damit verbundeneBankenabgabe beschlossen. Dadurch sind wir in der Si-tuation, dass wir international weitere Erfolge brauchen.Das steht außer Frage: Wir brauchen international wei-tere Erfolge. Dies müssen wir gemeinsam im deutschenInteresse angehen.
Jetzt müssen die Regulierungen am Finanzmarkt glo-bal zur Stabilisierung des Währungssystems und derWeltwirtschaft weitergeführt werden, damit dem verant-wortungslosen Treiben einzelner Finanzmarktteilnehmerein Ende gesetzt wird. International muss es klare Ab-sprachen und Vorgaben zur Umsetzung geben. Hier gehtes um die systemrelevanten Banken, um die Schatten-banken, um die Derivate, um die Reform des Weltwäh-rungssystems. Das sind die Kernpunkte, die wir jetzt an-gehen müssen. Unser Antrag zeigt, welche Maßnahmenwir zur Reform des Finanzmarktes schon umgesetzt ha-ben und welche Erweiterungen jetzt notwendig sind. Dasist eine Zwischenbilanz, die letzten Endes zu einer Ge-samtlösung, zu einer Gesamtkonzeption führt. DieserAntrag ist zielführend, und deswegen wurde er zu Rechtgestellt.Lassen Sie uns bei den Entscheidungen über dasTrennbankensystem, über den Hochfrequenzhandel,über das Risikomanagement beim Investmentbankingund beim Eigenhandel, über die Finanzmarktspekulatio-nen im Rohstoffbereich einschließlich der Nahrungsmit-tel reden. Lassen Sie uns über das Schattenbankensys-tem sprechen. Lassen Sie uns auch über dieFinanztransaktionsteuer reden, aber natürlich nicht mitEmotionen, sondern mit gezieltem Sachverstand. LassenSie uns außerdem über die außerbörsliche Derivateent-wicklung reden. Das sind die Punkte, über die es interna-tional zu entscheiden gilt.Neue Glaubwürdigkeit entsteht nur durch einen trans-parenten Weg in der Finanzwirtschaft und einen konse-quenten Krisenbewältigungsmechanismus insgesamt indieser Währungsunion und in der gesamten Finanzwirt-schaft. Wir werden dafür kämpfen, dass Finanzmarkt-risiken sowie Inflationsgefahren vermieden werden. DieAkteure auf den Finanzmärkten sollen nicht wieder inalte Verhaltensmuster zurückfallen dürfen, wie sie vorder Krise zu beobachten waren. Wir werden weitere Ini-tiativen ergreifen, um auf europäischer und internationa-ler Ebene eine Vorreiterrolle bei der Vermeidung zukünf-tiger Krisen wahrzunehmen.Unser Land, Deutschland, dient als Vorbild. UnsereWirtschaft ist stark. Wir haben die höchste Beschäfti-gung. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit in Eu-rogSggbSndOKdtidhDaWztrsdKudFALdwredsdcDläbbfored
Jetzt behaupten Sie in der Debatte, Sie hätten mehr er-icht als in elf Jahren SPD-Regierungsbeteiligung undie SPD-Finanzminister.
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wandt: Ihr habt in der Großen Koalition dochgebremst!)Man muss sich fragen, woher das kommt, was Sie da auf-listen. Ich sage Ihnen, was das Einzige ist, was Sie treibt:Entweder greifen Sie auf die Maßnahmen zurück, die inder Großen Koalition vorbereitet worden sind – PeerSteinbrück hat hier schon auf das Restrukturierungsge-setz verwiesen –, oder Sie machen nichts anderes, als Ver-ordnungen und Richtlinien der EU umzusetzen. EigeneImpulse, die Kraft der viertgrößten Wirtschaftsmacht derWelt für Regulierungsmaßnahmen zu nutzen, kommenvon Ihnen nicht. Eigene Initiativen und Vorschläge fehlenbei Ihnen.
Ich will das gerne anhand der hier angesprochenenPunkte aufzeigen. Die Wahrheitsverzerrung heute Mor-gen ist unglaublich.
Ich greife das Thema Hedgefonds auf. Kollege Pronoldhat darauf hingewiesen, dass die Oberderegulierer vondamals jetzt nach mehr Regulierung schreien. Die Wirk-lichkeit ist: Wir alle wissen, dass es in Deutschland umdie zehn Hedgefonds gibt. Warum gibt es so wenige?Weil wir die strengste Regulierung haben und dieHedgefonds alle nach Großbritannien verschwundensind.
Das ist der Erfolg der Politik, die Sie damals beklagt ha-ben. Heute stellen Sie sich hierhin und behaupten, Siehätten keine nationalen Sonderwege gewollt. Ich binfroh, dass der nationale Sonderweg gewählt worden ist;denn er hat Schaden vom deutschen Finanzmarkt abge-wendet.
Dann wurde hier – das ist das Allergrößte – dasThema Leerverkäufe angesprochen. Sie tun so, als hättenSie heldenhaft im Juni 2010 hier ein Gesetz verabschie-det. Ich möchte erst einmal darauf hinweisen, dass imSeptember 2008 Leerverkäufe per Anweisung des dama-ligen Bundesfinanzministers verboten worden sind.
– Ja, aber das Verbot ist verlängert worden. Das Verbotwar wirksam bis zum 31. Januar 2010, als Sie schon imAmt waren.Wir haben Sie immer aufgefordert, dieses Verbot zuverlängern. Das haben Sie nicht gemacht.
Sie haben es am 18. Mai 2010 wieder aufgegriffen, umdann im Juni das Gesetz zu verabschieden. Es gab eineZeit, in der Sie fahrlässigerweise Leerverkäufe zugelas-sen haben, die vorher von uns verboten worden waren.Das war genau die Zeit, in der die Griechenland-KriseavMbwSkbglauuDwnnGwVdmkishAmvmEamFdE–vbezhh
it Ihrem Gesetz haben Sie weniger im Bereich der Ver-ote von Leerverkäufen reguliert, als es vorher der Fallar.
ie haben damals das Verbot auf ungedeckte Leerver-äufe begrenzt. Sie haben Ausnahmen geschaffen undestimmte Geschäfte weiterhin ermöglicht. Ihr Gesetzeht nicht so weit wie das, welches das Europäische Par-ment in wenigen Tagen hoffentlich verabschieden wirdnd auch die ungedeckten Kreditausfallversicherungenmfasst.
as ist notwendig. Hier hätten Sie vorangehen und et-as leisten können. Aber das passt ins Bild: Sie tunichts. Sie bringen nichts in Gang. Sie vollziehen nurach, meine Damen und Herren.
Es ist eigentlich eine unendliche und unglaublicheeschichte. Vorhin sind die Vergütungen angesprochenorden. Gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung derergütungen sind bereits durch die Großen Koalition aufen Weg gebracht worden. In Ihrer Zeit ist es allerdingsöglich gewesen, gegen diese gesetzlichen Einschrän-ungen zu verstoßen. Ich verweise nur auf die HRE. Siet ein weiteres Beispiel dafür, was Sie alles zugelassenaben, wie wenig Sie hier gemacht haben und wie Sie inttentismus und Blockadehaltung verharren.Nun haben Sie die Erkenntnis gewonnen, die Ratingsüssten verboten werden. Herr Sanio fordert dies seitielen Monaten und hat Sie auch unterrichtet. Nun kom-en Sie stolz ins Parlament und verkünden, dass es eineinschränkung geben müsse. Meine Güte! Da kann ichn diesem Freitag nur sagen: Guten Morgen, meine Da-en und Herren! Es ist gut, dass Sie auch bei dieserrage endlich aufwachen.
Unser Antrag enthält einen Katalog der Maßnahmen,ie ergriffen werden müssen. Wir sagen gerade nach denrgebnissen des G-20-Gipfels, auf dem nicht viel mehrso heißt es in den Dokumenten – als die Dossierungon Ergebnissen, also die Erstellung von Protokollen,eschlossen wurde: Die notwendigen Taten müssen aufuropäischer Ebene erfolgen. Hier kommt es darauf an,u handeln.
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halten hat, redet jetzt ganz machtvoll und kraftvoll fürdie Einführung einer solchen Steuer.
Sie haben die Chancen verpasst. Wir haben im Januar2010 mit den anderen Oppositionsfraktionen einen An-trag eingebracht. Sie als Koalition haben ihn abgelehnt.Wir haben in der Diskussion im Mai 2010, als es um dieerste Griechenland-Tranche ging, gesagt, dass diese miteiner strikten Regulierung verbunden werden müsse,was auch die Einführung der Transaktionsteuer bedeute.Was hat die Koalition gemacht? Sie hat es abgelehnt.Wir haben im Juni 2011 einen Antrag eingebracht, derauch im französischen Parlament behandelt worden ist.Hier ist er abgelehnt worden. Die Konservativen imfranzösischen Parlament unter Präsident Sarkozy habenzugestimmt. Sie haben wieder abgelehnt, meine Damenund Herren von der Union. Sie haben sich durchgängigverweigert und nicht die Kraft entwickelt, die notwendiggewesen wäre. Der Grund ist doch ganz klar. Der Grundsitzt ganz rechts außen in diesem Parlament. Die FDPzieht Sie am Nasenring durch die politische Arena. Erstvorgestern hat ein FDP-Vertreter im Wirtschaftsaus-schuss erklärt: Eine Finanztransaktionsteuer gibt es mituns nur weltweit. – Ich möchte einmal wissen, wie langeFrau Merkel und Herr Schäuble sich das noch gefallenlassen.Sie müssen auch an dieser Stelle handeln. Das wärewirksame Finanzmarktregulierung. Diese Regierungbringt wenig. Wir haben unsere Vorschläge vorgelegtund unterstützen auch den Antrag der Grünen, der daraufabzielt, ein Trennbankensystem einzuführen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Björn Sänger für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Die christlich-liberale Regierungskoalition legt Ih-nen hier eine stolze Halbzeitbilanz in der Finanzmarktre-gulierung vor.
Zahlreiche Regelungen mit europaweiten und sogarweltweiten Alleinstellungsmerkmalen sind enthalten. Esist wichtig, dass wir über dieses Thema auch einmal inder Kernzeit des Deutschen Bundestages diskutierenkönnen, damit sich draußen nicht der falsche Eindruckverfestigt,
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at diese Regierungskoalition Zug um Zug den Bereicher Verbriefungen geregelt. Auch da haben Sie sich ent-alten. Die Neuregelungen für Verbriefungen – es istchon wichtig, einmal darauf hinzuweisen – haben wir nationalen Alleingang durchgesetzt.
ier haben wir europaweit die besten und wirksamstenegelungen für Kreditverbriefungen geschaffen, indemir einen Eigenanteil in Höhe von mindestens 10 Pro-ent festgeschrieben haben.
Auch mit dem Verbot von bestimmten Leerverkäufenaben wir etwas geschaffen, was in dieser Form in Eu-pa einmalig ist. Es handelt sich um eine intelligenteösung: Wir ermöglichen weiterhin den Intraday-Han-el und erhalten damit die positiven Effekte, die es beieerverkäufen durchaus gibt, zum Beispiel hinsichtlicher Marktinformation und der liquiditätsspendendenirkung. Zugleich haben wir aber unterbunden, dassier spekuliert werden kann; denn für spekulative Ge-chäfte benötigt man mehr als einen Tag.Darin unterscheiden wir uns von Ihnen: Wir sorgenr intelligente Lösungen bei der Finanzmarktregulie-ng,
ie möchten die Stammtische bedienen.
as kann man auch beim Banken-Restrukturierungsge-etz sehen. Herr Steinbrück hat eben gesagt, dabeiandle es sich im Prinzip um ein Plagiat. In Ihrem eige-en Antrag schreiben Sie aber, es sei zu kompliziert.ein, es ist genau richtig so, weil es die Prinzipien der
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Björn Sänger
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sozialen Marktwirtschaft in die Finanzindustrie und dieBankenwelt zurückbringt. Dem Gesetz wurde höchsteAufmerksamkeit zuteil, in den USA und weltweit, undes dient als Blaupause für die entsprechende Richtlinieauf EU-Ebene, die demnächst auf uns zukommt.
Sie müssen sich jetzt entscheiden, ob es sich hierbei umein Plagiat Ihrer Ideen handelt oder ob es zu kompliziertist. Das wird hier nicht ganz klar.Wir sollten bei all dem auch nicht vergessen, dass wirdas Finanzsystem für die Realwirtschaft brauchen. Esbesteht da ein ganz enger Zusammenhang. Die Realwirt-schaft kann ohne eine funktionierende Bankenlandschaftnicht existieren. In diesem Zusammenhang muss manauch sehen, dass Banken Unternehmen sind, die Ge-winne erwirtschaften wollen. Mit anderen Worten: DerFrosch muss noch genug Wasser im Sumpf haben, umquaken zu können. Wenn Sie keine Frösche mehr haben,wird ganz schnell eine Wüste entstanden sein. Das wol-len wir eben nicht.
Das bedeutet nichts anderes, als dass man bei den not-wendigen Eingriffen in den Finanzmarkt wie mit einemSkalpell wohlüberlegt operieren muss. Man hantiert ge-wissermaßen an der Schlagader der deutschen Wirtschaft.Da kann man nicht das machen, was Sie vorhaben, näm-lich so eine Art Luftröhrenschnitt mit der Kettensäge.Dann entstünde sehr schnell ein Massaker. Aber da sindwir glücklicherweise vor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir habenviel erreicht. Das kann man unserem heute vorgelegtenAntrag entnehmen. Dem Antrag zu den Ratingagenturenkann man aber auch entnehmen, dass eben noch nicht al-les erreicht ist
und noch viel zu tun bleibt. Ich lade Sie ein, uns dabei zuunterstützen. Sie haben sich Dutzende Male enthaltenbzw. dagegen gestimmt. Ich fordere Sie auf, sich an die-ser Stelle einmal klar zu erklären.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion der Linken spricht jetzt der Kollege
Axel Troost.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dervorliegende Antrag „Effektive Regulierung der Finanz-mtrlivESvbFIhwdtedkmSFSWnEdKsMßsäBzpdwvPtevzhkkGdFnnKnkzn
Was ist – es wurde heute schon angesprochen – vonem vielzitierten Beschluss der G 20, kein Akteur undein Instrument auf dem Finanzmarkt dürfe ohne ange-essene Regulierung bleiben, übrig geblieben? Diepatzen pfeifen es von den Dächern, und auch Herrlosbach hat es angesprochen: Von der Regulierung derchattenbanken sind wir nach wie vor sehr weit entfernt.ann kommt denn da was von Ihnen – nach der über-ächsten Finanzmarktkrise? Und was kommt dann?Sicher, Finanzmarktregulierung auf internationalerbene ist ein mühsames Geschäft. Aber die Frage istoch: Wo sind Ihre originellen Ideen und weitreichendenonzepte, mit denen Strukturveränderungen im Finanz-ystem eingeleitet werden können? Ihr Motto lautet:aßvoll regulieren und nicht über das Ziel hinausschie-en. – Herr Sänger war da gerade wieder ein gutes Bei-piel. Aber Ihr Ziel ist eben nicht eine grundlegende Ver-nderung des Finanzsystems. Sie wollen, dass dieanken weiterhin auf eigene Rechnung im Finanzkasinoocken dürfen, dass die inkompetenten Bewertungenrivater Ratingagenturen weiterhin als Grundlage füren Umgang mit Staatsschulden dienen und dass Bankeneiterhin so groß sein dürfen, dass sie bei Schieflagenon den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern um jedenreis gerettet werden müssen.Wer Angst hat, er könne den großen Finanzmarktak-uren zu starke Fesseln anlegen, der hat überhaupt nichterstanden, was sich auf den Finanzmärkten seit Jahr-ehnten tut. Großbanken sind Entfesselungskünstler. Ichabe noch von keiner Regulierung gehört, die die Ban-en nicht wenigstens teilweise umgangen hätten. Wieann man da vor Überregulierung warnen?Aus unserer Sicht hat sich im Finanzsystem nichtsrundlegendes zum Besseren verändert. Sie haben le-iglich die wenigen schwachen Bremsen, die es auf deninanzmärkten gibt, angezogen, aber mehr eben auchicht. Zum Beispiel beim Eigenkapital: Natürlich ist esicht falsch, wenn die Banken in Zukunft mehr eigenesapital vorhalten müssen, um Verluste aus riskanten Fi-anzmarktwetten ohne Staatshilfe besser verkraften zuönnen. Aber es muss doch darum gehen, diese Wettenu verbieten. In dieser Richtung passiert überhauptichts.
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Dr. Axel Troost
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Wir fordern einen grundlegenden Paradigmenwechselin der Finanzmarktregulierung. Dazu dient auch unserFinanz-TÜV. Statt – wie heute – auf den Finanzmärktenalles als erlaubt zu betrachten, was nicht verboten ist,müsste alles verboten sein, solange es nicht explizit er-laubt ist.
Im Straßenverkehr kann sich auch nicht jeder ein belie-biges Siebenrad mit 300 PS zusammenbauen und damitim Straßenverkehr herumfahren. Auch Arzneimittel dür-fen nicht einfach so zusammengebraut und unter dieLeute gebracht werden, sondern es gibt komplizierte Zu-lassungsverfahren. Der Finanz-TÜV wäre dafür zustän-dig, Finanzakteure, -instrumente und -praktiken zu prü-fen und ihnen nur bei Unbedenklichkeit eine Zulassungzu erteilen. Ohne Zulassung kein Geschäft, so muss dasendlich auch auf den Finanzmärkten sein.
Die Menschen nicht nur in Deutschland können esimmer noch nicht glauben, dass von den verantwortli-chen Großbankern kaum einer zur Rechenschaft gezo-gen wurde und die meisten weiterhin dicke Gehälter undBoni einstreichen. Diese Banker haben, unterstützt durchdie Deregulierungspolitik der letzten Jahre, die Gesell-schaft um Milliarden geschädigt und sind dabei selbst zuMillionären geworden. Wenn ich als kleiner Selbststän-diger mein Geschäft so gefährlich und dilettantisch be-trieben hätte, wie es die Investmentbanker in den Groß-und Landesbanken gemacht haben, dann würde ich zuRecht für den Rest meines Lebens oder mindestens fürsieben Jahre bis zum Ende meiner Privatinsolvenz Scha-denersatz an meine Kunden bzw. an den Staat zu zahlenhaben.Wir – und ich glaube, auch die Menschen da draußen –erwarten, dass von Ihnen politische Signale gesendetwerden, dass sich die Politik nicht länger auf der Naseherumtanzen lässt und dass die Verantwortlichen in derFinanzbranche für ihre Fehler geradestehen müssen.
Jeder weiß, dass uns diese Krise Milliarden kostenwird und dass das nicht aus den bisherigen Staatseinnah-men zu finanzieren ist. Wir treten deshalb ganz entschie-den für eine Vermögensteuer ein, damit diejenigen, diewährend der Krise profitiert haben, in die Finanzierungeingebunden werden.
Abschließend noch ein paar Worte zum SPD-Antrag.Vieles von dem, was dort gefordert wird, fordern wir seitlangem. Vor der Finanzkrise standen diese Punkte be-reits auf unserer Agenda. Wir lehnen diesen Antragtrotzdem ab, weil wir das von Ihnen geforderte Trenn-bankensystem in dieser Form für falsch halten. Es istzwar völlig richtig, das spekulative Finanzmarktgeschäftder Banken vom seriösen Einlagen- und Kreditgeschäftzu trennen. Ich will dies mit Blick auf die DeutscheBank mit folgendem Bild beschreiben: ein Turm für dasnormale Kredit- und Einlagengeschäft und ein Turm fürdas spekulative Geschäft. Wir sind aber der Meinung,dwGmKdhHSBEmSfuVdhIhIcneFwagzhEFMlituuwnsJWfüL
h muss schon sagen: Der Kurs für Ihre Vorträge istach dieser Rede nicht gestiegen.Ich möchte zunächst kurz auf den Antrag der SPDingehen. Herr Sieling, Ihr Antrag wäre in der Tat einall für VroniPlag; denn Sie haben alles aufgenommen,as wir schon längst bearbeitet haben. Bei Ihnen kommtber ein weinerlicher Unterton „Ihr strengt euch nichtenug an“ hinzu.Ich will Ihnen einmal erläutern, was wir in den letztenwei Jahren, also in der Nach-Steinbrück-Zeit, gemachtaben.
s ist nicht gut, wenn in den Finanzinstitutionen zu vieleehler gemacht werden. Deswegen haben wir sinnvolleaßnahmen auf den Weg gebracht, um die Fehleranfäl-gkeit von Managemententscheidungen in Finanzinsti-ten zu verringern. Wir haben die Vergütungsstrukturennd die Ratingstrukturen angepackt. Außerdem habenir die Grenzen für Großkredite und die Verbriefungeneu geregelt. Hinzu kommt, dass wir zusammen mit un-eren europäischen Partnern Basel III, was im nächstenahr unter dem Titel „CRD IV“ umgesetzt wird, auf deneg gebracht haben. Das heißt, wir haben Regelungenr den Treibstoff der Banken, also für Eigenkapital undiquidität, geschaffen.
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Ralph Brinkhaus
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Nichtsdestotrotz ist es so, dass Banken und Versiche-rungen weiterhin Fehler machen werden. Es ist auch imSinne der Marktwirtschaft, dass Institutionen Fehler ma-chen können. Es ist aber nicht gut, wenn die Fehlertrag-fähigkeit nicht groß genug ist, wenn also kleinere Fehlerdazu führen, dass Institute in Schieflage geraten. Auchda haben wir Maßnahmen auf den Weg gebracht.Beispielsweise haben wir durch CRD IV, also durchBasel III, dafür gesorgt, dass durch mehr Eigenkapitalund durch mehr Liquidität der Banken die Fehlertragfä-higkeit vergrößert wird. Wir haben durch Umsetzung derKapitaladäquanzrichtlinie den Eigenkapitalbegriff ge-schärft. Wir haben offene Immobilienfonds tragfähigergemacht, indem wir Auszahlungsbegrenzungen einge-führt haben. Da ist also eine Menge geschehen.Wir haben also dafür gesorgt, dass in den Institutio-nen weniger Fehler gemacht werden und dass die Fehler-tragfähigkeit höher wird. Außerdem sind wir zu derEinsicht gelangt, dass das alles noch vernünftig beauf-sichtigt werden muss. Denn was 2008 passiert ist, warauch eine Folge von Aufsichtsversagen. Warum hat dieAufsicht nicht gesehen, was bei der HRE passiert? DieErkenntnis, die wir daraus gewonnen haben, ist: Wirmüssen Aufsicht erst einmal überhaupt ermöglichen, in-dem wir für Transparenz in den Märkten sorgen. All dashaben wir gemacht.
Herr Schick, Sie haben behauptet, es sei nichts ge-schehen. Jetzt hören Sie einmal gut zu: Wir haben unsauf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass die OTC-Derivaterichtlinie auf den Weg gebracht wird und imnächsten Jahr umgesetzt wird.
Wir haben mit unserem Gesetz zu Leerverkäufen Trans-parenz geschaffen. Vor diesem Gesetz wusste doch nie-mand, was auf den Märkten passiert. Das ist von uns ge-ändert worden.
Aufsicht braucht Struktur. Wir haben aus der Tatsachegelernt, dass sich deutsche Finanzinstitute der Aufsichtdadurch entzogen haben, dass sie nach Irland gegangensind. Wir haben daher ein europäisches Aufsichtssystemauf den Weg gebracht und haben die Defizite, die es beider Abstimmung der europäischen Aufsichtsbehördengab, beseitigt. Wir haben jüngst im letzten Gesetz dieStrukturen in Deutschland diesem Aufsichtssystem an-gepasst. Das ist gut und richtig.Wir haben noch etwas gemacht. Wir haben nämlichdafür gesorgt, dass Bereiche, die bisher nicht beaufsich-tigt wurden, nun beaufsichtigt werden. Wir haben dieAIFM-Richtlinie auf den Weg gebracht, und wir habenjüngst das Finanzanlagevermittlergesetz verabschiedet,mit dem wir dafür sorgen, dass Produkte und Vertriebs-wege, die bisher nicht beaufsichtigt wurden, nun beauf-sichtigt werden.
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ir hatten nicht nur die Idee, dass Banken vom Markterschwinden oder in die Insolvenz gehen können, ohneass das ganze System kollabiert, sondern wir habenuch entsprechend gehandelt. Das ist ein Meilenstein,en wir in der deutschen Rechtsgeschichte gesetzt habennd der nicht hoch genug zu bewerten ist.
Wir müssen unsere Anstrengungen natürlich noch er-änzen. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen, dieie Krise verursacht haben, auch an den Kosten derrise beteiligt werden.
afür haben wir die Bankenabgabe eingeführt; dieurde von Ihnen bekämpft. Wir werden auf europäi-cher Ebene weiter für die Finanztransaktionsteuerämpfen. Es ist schlichtweg falsch, dass sich diese Bun-esregierung nicht dafür einsetzt. Keine Bundesregie-ng hat im Bereich Finanztransaktionsteuer so großenstrengungen unternommen wie die Regierung unterundesfinanzminister Schäuble.
as lassen wir uns von Ihnen in keiner Art und Weiselattreden.Man muss allerdings bedenken, dass die bisher in An-riff genommenen Operationen nicht ausreichen. Es gibtoch offene Baustellen; das will ich nicht beschönigen.ine offene Baustelle ist die Too-big-to-fail-Problema-k. Im Übrigen sind auf dem G-20-Gipfel in Cannes die
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Ralph Brinkhaus
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ersten Maßnahmen, um die Too-big-to-fail-Problematikin Angriff zu nehmen, nicht nur diskutiert, sondern kon-kret für die Umsetzung vorbereitet worden.
Globale, systemimmanente Finanzinstitute müssenmehr Eigenkapital haben. Entsprechende Regelungensind bereits auf den Weg gebracht worden. Herr Schick,insofern waren Ihre Einlassungen, dass die Bundesregie-rung zu wenig getan habe, falsch. Sie war sogar der Trei-ber in diesem Prozess.
– Regen Sie sich ruhig auf, Herr Schick.Kommen wir jetzt zu der Verhandlungsführung derBundesregierung auf internationaler Ebene. Ja, die Bun-desregierung verhandelt. Die meisten Verhandlungen,die die Bundesregierung führt, dienen dazu, unsere Spar-kassen und Volksbanken im internationalen Vergleichwettbewerbsfähig zu halten. Auch das sollten Sie einmalanerkennen, anstatt eine globale Beschmutzung all des-sen vorzunehmen, was von dieser Bundesregierung ge-leistet worden ist. Ihr Verhalten ist schlichtweg falsch.
Da wir beim internationalen Kontext sind: Wir müssenauch darüber reden, dass es einen Bereich gibt, der nochnicht reguliert ist. Das sind die Schattenbanken. Genaudieses Thema wird von der CDU/CSU und den Libera-len immer wieder angesprochen. Auf dem G-20-Gipfelin Cannes ist es von der Bundesregierung vorangetriebenworden. Das Financial Stability Board, das im Übrigengestärkt worden ist, wird in fünf Arbeitsgruppen interna-tionale Lösungen zu diesem Problem erarbeiten.Sie haben immer gesagt, Deutschland müsse vorange-hen. Wir sind in Deutschland vorangegangen mit demVerbot von Leerverkäufen, mit dem Banken-Restruktu-rierungsgesetz und vielen anderen Maßnahmen; dabeihaben wir Maßstäbe gesetzt. Das alles nutzt aber nichts,wenn es uns nicht gelingt, die Regulierungen auf inter-nationaler Ebene annähernd anzugleichen;
denn alle Geschäfte, die wir in Deutschland verbieten,werden sonst im Ausland abgewickelt. Sie werden dann– das geht ganz schnell – beispielsweise in der Schweiz,an irgendwelchen Offshoreplätzen oder vielleicht auchin den USA getätigt. Die große Herausforderung bestehtdarin, einen möglichst breiten internationalen Konsensfür entsprechende Maßnahmen herzustellen. Daran ar-beitet die Bundesregierung.Meine Damen und Herren, wir führen sämtliche Ope-rationen im laufenden Betrieb durch. Alle Anpassungen,die von den Banken und Versicherungen vorgenommenwerden müssen, werden im laufenden Geschäft erbracht.Wir wollen, dass die Finanzinstitutionen die Realwirt-schaft weiterhin mit Geld versorgen und dass es möglichisFdztesGimrijeK–wSnzzsDsDneimdAgbzSdsg
Ich wünsche mir, dass wir in diesem schwierigen Pro-ess mehr Unterstützung von der Finanzbranche erhal-n. Das sage ich hier im Deutschen Bundestag schoneit zwei Jahren. Die Branche hilft uns bei dieser ganzeneschichte nicht. Egal, was wir machen: Es findet sichmer irgendjemand, der sagt: Das ist aber jetzt nichtchtig für uns. – Meistens wird uns gesagt: Wenn ihrtzt das und das macht, dann wird die Welt bzw. diereditversorgung oder Ähnliches zusammenbrechen.
Herr Troost, das glauben wir nicht, und das glaubenir auch der Branche nicht. – Wir müssen das an diesertelle einmal sehr kritisch bemerken, denn das geht soicht.
Jetzt haben Sie uns gesagt, dass wir ein schönes Bildeichnen. Nein, wir zeichnen kein schönes Bild; wireichnen ein Bild vieler kleiner Maßnahmen und An-trengungen.
enn wir haben eines erkannt – das ist die Lehre aus die-er Krise –: Die eine große Maßnahme gibt es nicht.eswegen sind die verzweifelten Versuche der SPDach dem Motto „Mit einer Finanztransaktionsteuer undinem Trennbankensystem wird alles gut“
Prinzip nicht richtig;
as wird uns nicht weiterführen. Regulierung ist eineufgabe, die harte Tagesarbeit bedeutet. Sie ist ein unan-enehmes Geschäft, erfordert sehr viel Detailarbeit undeinhaltet mühsame internationale Verhandlungspro-esse.
Jetzt komme ich zum Anfang zurück. Herrteinbrück, wir würden uns freuen, wenn Sie sich iniese Arbeit einbrächten, anstatt hier krampfhaft zu ver-uchen, staatstragende Reden zu halten, die dann miss-lücken.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Finanzausschusses zum Antrag der
Fraktionen von CDU/CSU und FDP mit dem Titel
„Effektive Regulierung der Finanzmärkte nach der
Finanzkrise“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf der Drucksache 17/7250, den
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf
Drucksache 17/6313 anzunehmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit
der Mehrheit der Koalition angenommen.
Unter dem Zusatzpunkt 8 geht es um die Abstimmung
über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
auf der Drucksache 17/7638 mit dem Titel „Ratingagen-
turen besser regulieren“. Wer stimmt diesem Antrag zu? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser An-
trag ist mit Mehrheit der Koalition angenommen.
Zusatzpunkt 9. Abstimmung über den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7641 mit dem Titel
„Neuer Anlauf zur Finanzmarktregulierung erforder-
lich“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mehrheitlich
abgelehnt.
Zusatzpunkt 10. Hier geht es um die Beschlussemp-
fehlung des Finanzausschusses zum Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Einsetzung einer
Kommission des Deutschen Bundestages zur Regulie-
rung der Großbanken“. Der Ausschuss empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 17/7665,
diesen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
zulehnen. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Stimmen der
Koalition angenommen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 29 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, Richard Pitterle, Dr. Axel
Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Verlustverrechnung einschränken – Steuerein-
nahmen sicherstellen
– Drucksache 17/5525 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,
Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE
Auswege aus der Krise: Steuerpolitische Ge-
rechtigkeit und Handlungsfähigkeit des Staa-
tes wiederherstellen
– Drucksachen 17/2944, 17/7555 –
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16701
Dr. Barbara Höll
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Meine Damen und Herren, dieses Auseinanderdriftenvon Arm und Reich spaltet die Gesellschaft in allen eu-ropäischen Ländern. Das können wir auch am BeispielGriechenland sehen. Die Luft brennt. Ich frage michwirklich, wie lange Sie noch zusehen wollen. Hierbeimuss Deutschland vorangehen und endlich eine Vorrei-terrolle einnehmen.
Wir kennen seit Jahren genügend wirksame Maßnah-men. Aber Sie wollen sie nicht hören. Sie wollen sienicht umsetzen. Ich nenne Ihnen deshalb noch einmaldie vier wichtigsten: Reformieren Sie die Erbschaft-steuer, sodass eine Erhöhung herauskommt. Erheben Siedie Vermögensteuer wieder. Wir brauchen eine Reformder Einkommensteuer, die tatsächlich zu einer Entlas-tung unterer und mittlerer Einkommen führt.Und wir brauchen eine Umwandlung der Gewerbe-steuer in eine Gemeindewirtschaftsteuer.Sie sagen immer, Sie wollten keine Neuverschuldung;es gehe doch nicht, untere und mittlere Einkommen zuentlasten, da wir kein Geld hätten.
Aber jeder weiß: Die Millionäre fassen Sie mit Samt-handschuhen an. Aber wenn ein Facharbeiter etwasmehr verdient, schlägt bei ihm die kalte Progression zu,sodass er sich wundert, warum manchmal weniger alsdas im Lohnbeutel ist, was er vorher hatte.Wenn wir aber über Steuern reden – das tun wir, undwir haben Ihnen mit unserem Antrag Vorschläge unter-breitet –, sollten wir über alle Steuern reden, nicht nurüber die direkten Steuern, sondern auch über die indirek-ten Steuern. Ursprünglich sollte die Verteilung des Auf-kommens aus direkten und indirekten Steuern etwa hälf-tig sein. Das ist ausgehebelt worden.Wir haben eine massive Verschiebung hin zu den in-direkten Steuern. Die indirekten Steuern zahlen nun ein-mal alle in der Bevölkerung, vom Säugling bis zumRentner, zum Beispiel auf Windeln und auf Kleidungs-stücke. Auch Schulessen unterliegt der Mehrwertsteuer.Überall werden diese indirekten Steuern gezahlt. Da-durch haben wir von vielen Menschen, auch solchen miteinem geringen Einkommen, ein hohes Steueraufkom-men.Bei der Einkommensteuer ist wohl wahr, dass 53 Pro-zent des Aufkommens im Jahr 2007 die obersten 10 Pro-zent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher ge-zahlt haben. Aber sie haben natürlich auch den höchstenAnteil an den Einkommen.40 Prozent der Leute, die arbeiten, verdienen so we-nig, dass sie gar keine Steuern zahlen können. Darinliegt das Problem.
Das Problem liegt in Ihrer Niedriglohnpolitik und in denviel zu geringen Löhnen. Hier müssen wir endlich um-steuern.mgeaAdsdrebnvKriDazraDeNtrWsdugnNsmdnbwwnoreu
ber Sie wollen sich da bewegen.Bei der Flugticketabgabe haben Sie etwas gemacht.ber jetzt kommen Sie wieder mit Vorschlägen, die aner Ursache, am Wesentlichen vorbeigehen, da dieseich nur auf die Frage der kalten Progression und dieementsprechenden Regelungen beschränken.Sie sagen: Eigentlich können wir das nicht finanzie-n. Dabei muss man sagen: Kommunen und Länder ha-en recht, sie haben kein Geld, sie können das nicht fi-anzieren. Der Bund ist hier gefragt; denn der Bund isterantwortlich für die katastrophale Situation in denommunen und auch bei den Menschen; denn die Nied-glohnpolitik ist von Ihnen politisch gewollt worden.eshalb sind Sie dafür verantwortlich. Hier muss alsouch der Bund einstehen.Wir brauchen kein Herumdoktern und keine halbher-igen Bekenntnisse; wir brauchen ein tatsächliches He-ngehen an die Probleme.
azu legen wir Ihnen unseren Vorschlag vor. Lösen Siendlich das Problem des Tarifs in der Einkommensteuer!atürlich brauchen wir eine Anhebung des Grundfreibe-ages. Wir schlagen 9 300 Euro vor.
ir brauchen endlich einen durchgehend linear-progres-iven Tarif,
ann hätten wir eine wirkliche Entlastung im unterennd mittleren Einkommensbereich.Ich habe es Ihnen bereits vorgerechnet und kann dasern noch einmal tun, damit das endlich einmal bei Ih-en ankommt.
ach unserem Vorschlag kommt es erst ab einem zu ver-teuernden Jahreseinkommen von 70 000 Euro zu eineronatlichen Steuermehrbelastung von 7 Euro. Bis zuiesem Betrag gäbe es eine massive Entlastung. Bei ei-em zu versteuernden Jahreseinkommen von 26 000 Euroeispielsweise müssten nach unserem Tarif 1 086 Euroeniger Einkommensteuer gezahlt werden. Das ist eineirkliche Entlastung.
Sie machen viel weniger. Was die reale Steuererspar-is angeht, ist es so, dass es durch Ihren Tarif bei denberen Einkommensgruppen zu einer wesentlich höhe-n absoluten Entlastung kommen würde als im unterennd mittleren Einkommensbereich. Dazu bieten wir Lö-
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16702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Barbara Höll
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sungsvorschläge. Das braucht Kraft, und das brauchtMut. Das braucht nicht nur Lippenbekenntnisse zu so-zialer Gerechtigkeit, sondern es braucht auch Taten, umdas Vorhaben tatsächlich umzusetzen.
Ich möchte etwas zur Vermögensbesteuerung sagen.Deutschland ist im europaweiten Vergleich am unterenEnde, was den Anteil der Steuern auf Vermögen amBruttoinlandsprodukt betrifft. Der Anteil der Steuern aufVermögen, der zur Finanzierung des Gemeinwesens he-rangezogen wird, liegt hier bei unter 1 Prozent. Das istdoch einfach skandalös. Anders kann man das nicht be-zeichnen.
Nehmen wir nur einmal die Zahl der Vermögensmilli-onäre: 2006 waren es 798 000, 2008 810 000. 2009 wa-ren es bereits 862 000 und 2010, nach der Krise,924 000. Unser Vorschlag ist, wieder eine Vermögen-steuer zu erheben – wir können das, die gesetzlichen Vo-raussetzungen sind gegeben, wir müssen nur den Erhe-bungsmodus ändern – und festzulegen, dass 1 MillionEuro steuerfrei bleibt. Ich finde, das ist ein großzügigesAngebot.
Ob es 1 Prozent oder 2 Prozent werden – wir schlagenIhnen 5 Prozent vor; darüber können wir gerne verhan-deln –: Fangen wir doch erst einmal an! Wenn man einVermögen von über 1 Million Euro hat, dann ist es zu-mutbar, so meinen wir, dass man den ersten Euro, der da-rüber liegt, mit 5 Prozent besteuert. Bei 1 000 001 Eurosind das 5 Cent im Jahr. Ich finde, das geht.
Wir haben Ihnen für heute einen zweiten Antrag vor-gelegt. Es geht darum, die Verlustverrechnung einzu-schränken. Der Antrag ist vom April. Nun haben Sie sichdieses Problems endlich irgendwie angenommen. Manmuss aber dazusagen: Uns drohen Einnahmeausfälle un-ter anderem durch Steuersparmodelle von Unternehmen,bei denen Verluste und Gewinne verschoben wurden, umSteuern zu sparen. Der Bericht Ihrer Arbeitsgruppe be-sagt, dass das ein Ergebnis von Steuersparmodellen ist.Wenn es zu Einnahmeausfällen in Höhe von 150 Milliar-den Euro kommt, dann stellt das wieder eine Bedrohungder Finanzierung des Gemeinwesens dar. Deshalb for-dern wir Sie auf: Handeln Sie endlich! Wir haben IhnenZeit gelassen, –
Frau Kollegin, ich Ihnen auch.
– und zwar mehr als genug. Legen Sie endlich auch
uns und nicht nur der Zeitung den Bericht vor, den Ihre
Arbeitsgruppe erstellt hat! Lassen Sie uns schnell zu ei-
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Lieber Herr Präsident! Meine Damen und Herren!iebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will mich aufier Punkte beschränken. Ich starte mit dem Thema Ver-stverrechnung, das Sie, Frau Höll, angesprochen haben.er Bericht liegt vor und wird jetzt sorgfältig ausgewer-t. Das, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, ist über-aupt nicht verwertbar. Das ist überhaupt nicht brauchbar.as würde den Unternehmensstandort Deutschlandchlichtweg ruinieren.
ir wären dann überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig Europa.Diese einäugige, linke Logik, die Sie an den Tag legen einfach die Bemessungsgrundlagen verändern und dieteuersätze anheben; dann hat man mehr Steuereinnah-en –, ist völlig blödsinnig. Ich sage das einmal so: Wennh Schafe locken will, brauche ich eine grüne Wiese. Ichuss meine Kühe vernünftig pflegen, wenn ich sie mel-en will. Wenn ich mit gewetzten Messern zum Abledernuf der Wiese stehe – so wäre das bei Ihren Steuervor-chlägen –, dann geht kein vernünftiges Nutztier auf dieiese.
Wir möchten, dass sich Unternehmen gerne ineutschland engagieren, dass sie hier gerne wirtschaf-n. Sie sollen sagen: Deutschland ist ein vernünftigertandort, an dem ich erstklassige Arbeitnehmer habe, anem ich eine gute Infrastruktur vorfinde, und auch inteuerlicher Hinsicht ist Deutschland im europäischenergleich wettbewerbsfähig.
Das ist doch das Entscheidende: Wir müssen im euro-äischen Vergleich wettbewerbsfähig sein, auch was dieteuerpolitik angeht. Deswegen begrüße ich es außeror-entlich, dass die Bundesregierung mit der französi-chen Regierung intensiv an Projekten arbeitet, um dasteuerrecht in Europa weiter anzugleichen – ich nenneum Beispiel die gemeinsame Bemessungsgrundlage fürie Körperschaftsteuer –, um dadurch Wettbewerbsnach-ile einzuebnen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16703
Dr. Mathias Middelberg
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Deutschland muss als Unternehmensstandort und hin-sichtlich der Investitionen wettbewerbsfähig sein. In die-sem Zusammenhang gilt die Weisheit des KollegenSteinbrück – er hat unsere Runde leider schon verlassen –,der einmal gesagt hat: Lieber 30 Prozent von x als40 Prozent von nix.
Man muss aufpassen, dass man das Rad nicht über-dreht. Ich kann nicht, wie Sie es tun, fordern, dass derVerlustabzug nach drei Jahren auf null gesetzt wird, dasser nach drei Jahren nicht mehr möglich sein soll. Das istdoch völlig blödsinnig. Wenn Sie in einem Unternehmenheute ein Produkt entwickeln, dann haben Sie erst ein-mal Entwicklungskosten. Sie haben Forschungskosten.Sie bauen einen Prototyp. Dann bauen Sie die erstenProdukte. Irgendwann gehen Sie an den Markt. Dannmüssen Sie die Produkte verkaufen. Und nach Jahrenkommen Sie in eine Phase, in der Sie Geld verdienenund Gewinne machen.Ihr Vorschlag läuft darauf hinaus, dass die Unterneh-men ihre Forschungs- und Entwicklungskosten in Zu-kunft nicht mehr verrechnen können.
Die Verluste, die sie im Vorfeld gemacht haben, sollensie mit den Gewinnen, die sie mit dem Verkauf des Pro-duktes später erzielen, nicht mehr verrechnen können.Ein solcher Vorschlag ist doch kompletter Blödsinn. Da-rüber kann man nicht einmal vernünftig nachdenken.
In Ihrem Antrag haben Sie schön formuliert, esmüsste etwas getan werden, um die desaströse Situationder kommunalen Haushalte aufzuarbeiten. In den letztenWochen ist Ihnen wirklich etwas entgangen: Denn es istdiese Bundesregierung, die die größte Entlastung derStädte, Gemeinden und Kreise in Deutschland seit Be-stehen der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg ge-bracht hat.
– Es ist schön, dass Sie feststellen, dass Sie das schoneinmal gehört haben. Es ist trotzdem sinnvoll, das zuwiederholen; denn das ist richtig.
Herr Kollege Middelberg, darf Frau Kollegin Höll Ih-
nen eine Zwischenfrage stellen?
Ja, sehr gerne.
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dem Sie der Bundesagentur für Arbeit die Gelder strei-
hen. Dazu muss ich sagen, dass auch das meine Stadt
berproportional treffen wird; denn die Mittel, um Lang-
eitarbeitslose aus Hartz IV herauszuholen und in Arbeit
u bringen, fehlen dann.
Jetzt ist aber gut.
Ich glaube, das ist eine desaströse Situation. Ich bitteie, das zur Kenntnis zu nehmen. Vielleicht sollten Sieinmal nachfragen, wie viele Kommunen bereits heuteicht mehr selbst über ihr Geld entscheiden können, weilie der Kommunalaufsicht unterstehen.Danke.
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16704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Barbara Höll
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Liebe Frau Kollegin Höll, ich werte Ihren Beitrag alsFrage
und antworte darauf wie folgt:
Ich glaube, die Situation der Kommunen in Deutsch-land ist durchaus unterschiedlich. Es gibt auch Kommu-nen, die in der Lage sind, ausgewogen zu haushalten,beispielsweise Braunschweig in Niedersachsen, weil sieentsprechende Sanierungsmaßnahmen in ihrem kommu-nalen Bereich vorgenommen haben. Die Situation istalso durchaus unterschiedlich. Es gibt auch Kommunen,die sich um wirtschaftliche Ansiedlung bemüht habenund denen es deshalb sehr gut geht, weil sie in ihremkommunalen Bereich ein hohes Maß an Wertschöpfunghaben. Das macht strukturelle Unterschiede aus undkennzeichnet vielleicht auch Unterschiede in der Kom-munalpolitik in Nordrhein-Westfalen und anderen Bun-desländern.
Das kann ich im Einzelnen nicht beurteilen und möchtedarauf auch nicht eingehen.Ich will nur ganz generell feststellen: Sie sehen dochim Moment am deutlich steigenden Gewerbesteuerauf-kommen, dass sich unsere Politik – Wachstumsbeschleu-nigungsgesetz, Entlastung der mittleren Unternehmen,mehr Kindergeld, höherer Kinderfreibetrag und anderes –in besseren Konjunkturzahlen, in Wachstumszahlen– 3,8 Prozent im letzten Jahr, knappe 3 Prozent in die-sem Jahr – niederschlägt; dies ist auch gut für die kom-munalen Kassen. Ich finde es mutig, dass der Bund ge-rade die Grundsicherung im Alter – ich habe es ebenerwähnt – übernimmt. Denn die Ausgaben in diesem Be-reich werden in Zukunft am stärksten wachsen. Ichglaube, das ist eine gewaltige Entlastung der Kommu-nen.
Ich würde gern fortfahren und möchte etwas zumThema Steuerpolitik generell und zu Ihrem Antrag sagen.Ihrem Beitrag konnte man in Teilen, zumindest bei derAnalyse, folgen. Sie haben von ungerechter Steuerpolitikin Deutschland gesprochen. Wenn Sie das wirklich ernstmeinen, dann müssten Sie eigentlich mit Begeisterungunserem Vorhaben zustimmen, den Grundfreibetrag inzwei Schritten anzuheben und die kalte Progression inDeutschland abzubauen. Ihr Beitrag ist doch ein Plädoyerfür unseren Vorschlag.
– Absolut.gbknhbD2eD1temdDkgn–stidzLodh81wdlidksDIc
Ich möchte Ihnen die geplanten Entlastungen darle-en. Sie sind durchaus ausgewogen. Nach der Grundta-elle wird jemand mit 9 000 Euro zu versteuerndem Ein-ommen, der vorher im Jahr 148 Euro Steuern zahlte,ur noch 94 Euro Steuern zahlen. Es spart 54 Euro. Dasört sich nicht nach wahnsinnig viel an,
edeutet aber eine Entlastung um 37 Prozent.
er Spitzensteuerzahler in Deutschland jenseits der50 000 Euro wird demgegenüber nur um 0,38 Prozentntlastet. Das ist also ein Hundertstel davon.
as heißt, wir entlasten im unteren Bereich um das00-Fache dessen, um das wir im oberen Bereich entlas-n. Das ist eindeutig eine Entlastung der unteren undittleren Einkommen; das möchte ich hier klar undeutlich feststellen.
as ist eindeutig ein Beitrag zu mehr Steuergerechtig-eit in Deutschland.Da es in der Debatte immer wieder um die kalte Pro-ression geht, muss ich Ihnen sagen: Das haben wir Ih-en schon mehrfach erklärt.
Nein. Das habe ich Ihnen beim letzten Mal richtigchön und zutreffend erklärt. Sie hören nur nicht sorgfäl-g zu. – Ich habe das Beispiel des Facharbeiters genannt,er eine Lohnsteigerung bekommt. Er verdient dannwar nominal gut 800 Euro mehr, rückt aber durch dieohnsteigerung in der Steuerprogression weiter nachben, wird also höher besteuert. Gleichzeitig verliert erurch die Inflation an Kaufkraft. Er zahlt auch noch hö-ere Sozialabgaben. Das heißt: Er hat zwar nominal gut00 Euro mehr, an Kaufkraft aber tatsächlich ungefähr30 Euro weniger in der Tasche. Diese Kaufkraft wollenir den Menschen jetzt zurückgeben. Wir wollen, dassas Geld, das die Arbeitnehmer in Deutschland zusätz-ch verdienen, die Lohnsteigerungen, die sie erhalten, inen Taschen der Arbeitnehmer und nicht in der Steuer-asse des Staates ankommt. Das ist unsere Politik.
Ich glaube, dass wir in Deutschland steuerpolitischehr vernünftig handeln und auf dem richtigen Weg sind.as zeigen auch die Daten, die wir vorweisen können.h habe eben die Wachstumsdaten genannt und auf das
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16705
Dr. Mathias Middelberg
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Wachstumsbeschleunigungsgesetz hingewiesen, das Sieja immer ein bisschen heruntergemacht haben. Es führteallerdings zu einer Riesenentlastung, gerade für die Fa-milien in Deutschland.
Die Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kinder-geldes war der mit Abstand größte Posten in diesem Ge-setz.
– Die Geschichte mit den Hotels hake ich an dieserStelle ab;
das fand auch ich nicht so toll. Aber der größte Postendieses Gesetzes waren, wie gesagt, Entlastungen für Fa-milien.Die nächstgrößeren Posten waren Entlastungen fürdie kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland.Das hat die Wirtschaft in diesem Land noch weiter be-flügelt und mit dazu beigetragen, dass wir hervorragendeWachstumszahlen haben. Wir haben in Deutschland diegeringste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren und endlichauch einen spürbaren Rückgang bei den Langzeitarbeits-losen. Die Bundesagentur für Arbeit hat festgestellt, dasswir bei den Langzeitarbeitslosen seit Einführung vonHartz IV – hören Sie genau zu! – noch nie einen so star-ken Rückgang hatten wie jetzt unter dieser Regierung.Ich glaube, es wird in dieser Regierung ein bisschenviel gestritten. Aber was die Arbeitsergebnisse angeht– eben haben wir auch über die guten Resultate im Be-reich des Finanzmarktes gesprochen –, ist diese Regie-rung hervorragend aufgestellt.Vielen Dank.
Lothar Binding ist der nächste Redner für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr verehrte Damen und Herren! Manchmal erschrecktdas einfache Weltbild, das aus einem Antrag spricht.Barbara Höll hat eben gesagt: Viele Leute zahlen keineSteuern, und darin liegt das Problem. – Darin liegt sicherauch ein Problem. Nur: Es zahlen viele Reiche keineSteuern, weil sie ihr Einkommen „weggestalten“,
uzgwAdsuPAedgumAdLMvsLtedebkwhuwUlihWdvVlavIh–
ber leider kommt es in dieser Debatte ganz häufig zuiesem Reflex.Heute Morgen hat Peer Steinbrück vom Trennbanken-ystem gesprochen. Da gab es große Unruhe bei FDPnd CDU/CSU, als ob dieser Vorschlag die Lösung allerrobleme dieser Welt gewesen sein sollte. Nein!
ls er dann das Wort „Baustein“ benutzt hat, wurde dastwas deutlicher.Wir müssen uns, glaube ich, damit vertraut machen,ass es eine Lösung für alle Probleme dieser Welt nichtibt. Wir müssen ein bisschen differenzierter vorgehennd genauer hinhören. Ihr Antrag hat schließlich eineächtige Überschrift, in der von „Krise“ die Rede ist.ber: Wir haben – mindestens – eine Insolvenzkrise inen USA, mit großen Folgen für Europa. Wir haben eineiquiditätskrise der Banken in Europa. Wir haben einarktversagen auf der ganzen Welt; denn der Markt istoller toxischer Produkte. Wir haben eine Staatsver-chuldungskrise. Und welchen Vorschlag macht dieinke? Ihr Vorschlag – „ Auswege aus der Krise“! – lau-t: Steueranhebung. Als ob die Welt so einfach wäre!
Ich glaube, man sollte einmal deutlich machen, was inem Antrag – jeder kann ihn lesen – fehlt. Weil am Endeiner Rede meistens die Zeit dafür fehlt, will ich damiteginnen. In Ihrem Antrag findet man überhaupt keineonstruktiven Vorschläge, wie steuernd eingegriffenerden kann. Gute Instrumente, die schon funktioniertaben – als Erinnerung seien nur die Konjunkturpaketend das Kurzarbeitergeld genannt –, werden gar nicht er-ähnt.Was ist eigentlich eine „marktnahe Ermittlung dernternehmens- und Vermögenswerte“? Was soll eigent-ch passieren, wenn Unternehmen Töchter im Auslandaben, zum Beispiel in der EU, in Afrika oder Asien?ie wollen Sie bei immateriellen Wirtschaftsgüterniese Werte überhaupt ermitteln? Sie haben einen Antragorgelegt. Die Frage ist: Wie sollen die darin enthaltenenorschläge auf dem internationalen Markt wirken? Dasssen Sie völlig offen. Das ist ein Gesetzesvorschlagoller offener Fragen und Lücken. Ich glaube, das ist beirem Vorschlagsstrauß ganz offensichtlich.
Ich sage auch noch etwas zu dem Vorliegenden.
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16706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Lothar Binding
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Es wird nichts zur Verteilung der Steuereinnahmengesagt. Auch das ist sehr wichtig. Es wird auch nichtszur Haushaltskonsolidierung, zur Reduzierung der Net-toneuverschuldung und zur Verschuldung an sich gesagt.Sehr wichtig ist, dass auch über die Sozialabgaben nichtsgesagt wird. Das wäre für die Empfänger kleiner Ein-kommen aber viel maßgeblicher, als über Steuern nach-zudenken. Die Steuer wirkt natürlich progressiv. Dasstört diejenigen, die nur wenig haben, aber natürlich nurrelativ wenig, weil sie auch nur relativ wenig Steuernzahlen. Die Leute, die wenig haben, werden aber regres-siv von den Sozialabgaben betroffen. Dadurch werdendie Empfänger kleiner Einkommen sehr stark belastet.Darüber wird aber nichts gesagt.Über die regulatorischen Schlussfolgerungen aus derFinanzkrise – bezogen auf das Eigenkapital und die Li-quidität, Schattenbanken, Einlagensicherung, Kreditver-gabe – wird ebenfalls nichts gesagt. Sie tun in Ihrem An-trag so, als sei die Welt damit aufzuräumen, dass man dieSteuern ein bisschen anhebt, und schon habe man einschönes System. Durch diesen Antrag wird suggeriert:Mehr Geld in staatliche Hand, und alle Probleme sindgelöst. Das ist ein bekanntes Denkmuster.Es gibt hier noch jemanden, der ein ähnliches Denk-muster an den Tag legt, nur mit einem anderen Vorzei-chen. Ich muss jetzt ein bisschen nach rechts gucken.
Die FDP nähert sich den Krisenlösungsszenarien näm-lich von der anderen Seite, weil die FDP nicht die Ideehat, die Steuern anzuheben; aber vor, während und nachder Krise hatte sie die Idee, die Steuern zu senken. Egal,was ist, Hauptsache die Steuern werden gesenkt, unddann ist alles wieder in Ordnung, wobei die Zahlen im-mer ein bisschen verwirrend gewesen sind. Sie wolltenja einmal einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent undeine Steuerentlastung der Bürger in Höhe von 35 Mil-liarden Euro, dann war auch einmal von 25 MilliardenEuro und von 15 Milliarden Euro die Rede, und jetztsind Sie bei 6 Milliarden Euro.
Man muss sich überlegen, ob das eine ehrlicheSteuerentlastung oder nichts weiter als die übliche An-passung des Grundfreibetrages infolge der Ableitung ausdem Existenzminimum ist.
Man muss sagen: Das ist ein riesengroßes Blendwerk.Auf das, worauf die FDP sich einlässt, wurde heuteMorgen schon hingewiesen: Die Steuersenkung, die Sietatsächlich zur Unzeit vornehmen, führt immerhin zu ei-ner Zinsbelastung von 180 Millionen Euro pro Jahr. So-wohl die Steuersenkung als auch die Zinsbelastungfinanzieren Sie über Kredite im Staatshaushalt. Das istein super Konzept zur Steuersenkung! Das ist ein Kon-zept zur Ruinierung unserer Staatsfinanzen, und sonstgar nichts.–rewmamadEsSGtrdsoIcGbisEredmwtedakesddWemSevtev
Sie sind ein bisschen geschichtslos und müssen mit Ih-r Argumentation jetzt schon auf ein Bundesland aus-eichen, weil Ihnen bezogen auf den Bund die Argu-ente ausgegangen sind. Das verstehe ich sehr gut.
Die Linke erhöht die Steuern immerhin konsequenter,ls die FDP die Steuern senkt. Das muss man schon ein-al sagen. Die Idee, aus einer Antwort alle Lösungenbzuleiten, ist aber bei beiden gleich. Das ist für micher systematische Fehler in diesem Antrag.Sie wollen eine Vermögensteuer von 5 Prozent, einerbschaftsteuer von bis zu 60 Prozent und die Körper-chaftsteuer auf 25 Prozent erhöhen.
ie wollen die Gewerbesteuer abschaffen und durch eineemeindewirtschaftsteuer ersetzen. Es gibt auch Freibe-äge.Sagen Sie einmal: Was ist eigentlich eine „selbststän-ige nachhaltige Betätigung mit Gewinnermittlungsab-icht“? Das ist ein Rechtsbegriff, an dem ich mich gernerientieren würde. Aber wie funktioniert das eigentlich?h habe eine selbstständige nachhaltige Betätigung mitewinnermittlungsabsicht, und deshalb fällt eine ganzestimmte Steuer an. Das ist ein super Modell. Die Fraget nur, ob ich als Unternehmer überhaupt dazugehöre.s wäre interessant für das ganze Haus, wenn Sie daschtsförmlich korrekt in einem Gesetz formulieren wür-en. Ich glaube, das wird schwierig.
Sie wollen die DBA, die Doppelbesteuerungsabkom-en, mit den Ländern kündigen, die sich möglicher-eise nicht ganz an das OECD-Musterabkommen hal-n. Es war ja bisher das Bestreben aller Regierungen,ieses OECD-Musterabkommen und den Informations-ustausch mit den Ländern voranzubringen.Sie sagen, Sie wollen die DBA mit diesen Ländernündigen und von denjenigen, die hier und dort arbeiten,ine Quellensteuer von 50 Prozent auf Dividenden, Zin-en und Lizenzabgaben erheben, die von Deutschland iniese Gebiete fließen. Sie haben mit diesen Ländernann keinen Vertrag mehr. Dazu habe ich eine Frage:enn ein Unternehmen nur zum Zwecke der Steuer-rsparnis in einem solchen Land ein Tochterunterneh-en gründet: Wie wollen Sie das eigentlich erfassen?ie müssen sich schon auf irgendein Vertragsverhältnisinlassen. Die DBA sind sehr gut; denn man kann sieerbessern, man kann eine Bemessungsgrundlage ermit-ln usw. Ich glaube, hier haben Sie ein bisschen am Zielorbeigeschossen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16707
Lothar Binding
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Abgesehen davon haben Sie die Wirkung der meistenIhrer Maßnahmen nicht betrachtet. Sie gehen von einemstatischen Modell aus: Steuersatz mal Bemessungs-grundlage gleich Steuereinnahme. Die Menschen verhal-ten sich aber, und die Unternehmen gestalten sich undhaben das Bestreben, ihre Steuern noch stärker als bisjetzt schon zu senken. Daran erkennt man: Ihr Modell istein statisches Modell. Leider bewegt sich aber die Welt.Es wäre wichtig, das einzubeziehen.
Es gibt unter dem Gesichtspunkt der Steuervereinfa-chung einen interessanten Vorschlag zur Mehrwert-steuer. Sie wollen das Desaster mit der Hotelsteuer wie-der aufrollen. Das ist gut. Das unterstützen wir sofort,weil die Hotels von der Senkung des Mehrwertsteuersat-zes für Übernachtungen in Höhe von 1 Milliarde Euro zuUnrecht profitieren. Dieses Geld fehlt im Bundeshaus-halt überall.Sie wollen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz fürProdukte und Dienstleistungen für Kinder, für apothe-kenpflichtige Arzneimittel und für „arbeitsintensiveHandwerksdienstleistungen“ einführen. Auch da ist dieinteressante Frage: Wie definiert sich das? Was ist denneine nicht arbeitsintensive Handwerksdienstleistung? Ichbin Handwerker. Ich würde mich unheimlich ärgern,wenn Sie das, was ich gemacht habe, als nicht arbeits-intensiv einstufen würden. Denn ich strenge mich ei-gentlich immer an und gestalte meine Arbeit damitschließlich arbeitsintensiv.
Gleiches gilt für den Schienenpersonennahverkehr. Ichwill es einmal so sagen: Das, was Sie wollen, ist eineexakte Klientelpolitik für Ihre Seite, abgeschrieben vonder anderen Seite und deren Klientelpolitik.
Das sind andere Zielgruppen, aber der Grundgedanke istder gleiche. Der Fehler in der Entwicklung dieser beidenModelle ist systematisch und logisch gleich.Dass Sie Kerosin besteuern wollen, finde ich einegute Sache. Sie wollen auch „Boni in der Finanzbran-che“ besteuern. Auch da müsste man ein bisschen ge-nauer nachdenken, was das bedeutet und wie sich dasweltweit darstellt.Stellen Sie sich einmal vor: Sie haben eine Bank undin 170 Ländern Filialen. Sie sind Bankvorstand und ha-ben die Möglichkeit, ihr Einkommen verteilt über diese170 Filialen entsprechend zu gestalten. Dieses Einkom-men, das an bestimmten Stellen Boni heißt, soll nun be-lastet werden. Die Boni zu belasten, ist eine gute Idee.Aber so, wie Sie es aufschreiben, weiß überhaupt keiner,was gemeint ist. Das ist charakteristisch für diesen An-trag. Man sagt ganz oft: Das ist super, diese Steuer isteine gute Idee. Dann schaut man nach und findet nichtsdazu, was gemeint ist, wie man das umsetzen soll undwelche Wirkungen das hat. Das ist keine Gesetzesgrund-lage. Das ist ein Fake, würden meine Kinder sagen.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing
on der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Iniesem Hohen Haus haben wir in der Steuerpolitik sehrnterschiedliche Auffassungen. Diese kommen in dieseritiative der Linken wieder zum Ausdruck. Die Debatteacht deutlich: Wir haben unterschiedliche Standpunkterundlegender Art.Die Linken – dazu gehören auch die Sozialdemokra-n – sind der Auffassung: Das Effizienteste, was es gibt,t, wenn der Staat das Geld der Bürger in die Handimmt und dann im Parlament entschieden wird, wie in-estiert wird und was mit diesem Geld geschieht. Dieoalition ist der Auffassung, dass es besser ist, dass daseld privat investiert wird, weil man durch die Eigen-erantwortung der privaten Investoren einen Mehrwertr die Gesellschaft erreicht. Das ist unsere Vorstellungon sozialer Marktwirtschaft. Das Steuersystem mussen Staat ausreichend finanzieren, aber auch genügend
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16708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Volker Wissing
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Raum für privates Engagement und für private Initiati-ven und Investitionen belassen.
Das sind die krassen Unterschiede zwischen den Lin-ken und den Liberalen, Herr Binding. Die Linken sagen:Eigentlich sollte man das mit den Privaten ganz lassen.Der Staat kann das am besten. Deswegen sollte er gleichmöglichst alles bekommen.
Das sind ja Ihre Vorschläge, Frau Kollegin Höll: bis zu60 Prozent Erbschaftsteuer und 5 Prozent Vermögen-steuer.
Was Sie so niedlich als 5-Cent-Besteuerung bezeichnen,ist nur ein Ablenken von dem eigentlichen Problem.5 Prozent Vermögensteuer ist keine realistische An-nahme. So etwas ist mit der Marktwirtschaft nicht zuvereinbaren. Das ist für Sie aber kein Problem, weil Siesie gar nicht wollen. Sie wollen im Kern ein Steuersys-tem, das unser Wirtschaftssystem und unsere Wirt-schaftsordnung untergräbt.Sie, Herr Binding von der SPD, sind auch auf demfalschen Weg. Sie wollen, dass der Staat jetzt in derKrise möglichst alle Steuern anhebt, und erzählen denMenschen, damit könne man Haushaltskonsolidierungbetreiben. Das ist aber falsch.Denn wenn Sie dem Staat den Einsparungsdruck neh-men, indem Sie die Steuern erhöhen, dann passiert nichtdas, was Sie den Menschen erzählen, nämlich dass dieAusgaben gesenkt werden oder die Staatsverschuldunggetilgt wird, sondern die Ausgaben steigen.
– Jetzt hören Sie doch einmal zu! Sie hatten schon dasWort.Der Kollege Volk hat darauf verwiesen, was Sie inNordrhein-Westfalen machen, um Ihnen vor Augen zuführen, was Sie selbst in der Realität umsetzen.
Sie haben dort eben keinen Konsolidierungsbeitrag ge-leistet, obwohl gegenwärtig das Steueraufkommen auf-grund des Wirtschaftswachstums stark ansteigt. Was ha-ben Sie gemacht? Sie haben gesagt: Wir überlegen unsneue Versprechungen und schrauben die Ausgaben nachoben.
Deswegen sagen wir Ihnen: Der richtige Weg ist, beiden Einnahmen maßvoll zu entlasten, wo dies möglichist. Wo es Ungerechtigkeiten im Steuersystem gibt, müs-sms6SddsGdhgra–wSLbihInakdb–k–s–redaShv
Sie haben sich nicht nur verrannt, indem Sie mit denrünen zusammen in Nordrhein-Westfalen einen Schul-enhaushalt vorgelegt und damit bewiesen haben, dassohe Steuereinnahmen nicht zur Konsolidierung beitra-en; Sie haben sich auch an einer anderen Stelle ver-nnt.
Hören Sie zu! Sie werden etwas Neues erfahren. Sieerden nicht mehr darüber lachen können. Denn Ihrechuldenhaushalte sind wirklich schlimm für diesesand. Die Grünen haben nicht einmal der Schulden-remse zugestimmt, weil sie nämlich nicht wollten, dassnen die Verfassung Schranken aufzeigt.
Jetzt kommen wir zu dem, was die Koalition vorhat. unserem Steuersystem muss man einige Punkte be-chten. Das ist zunächst das Existenzminimum. Manann nicht die Menschen besteuern, die nicht mehr ver-ienen, als sie zur Sicherung ihrer eigenen Existenzrauchen.
Ich werde das jetzt im Ganzen darstellen. Ich braucheeine Zwischenfrage.
Das hilft nichts. Sie haben nicht zugestimmt, weil Sieie nicht wollten.
Hören Sie auf mit grüner Geschichtsfälschung. Sie wa-n gegen die Schuldenbremse, weil Sie nicht wollten,ass man die Bildungsausgaben durch Einsparungen annderer Stelle finanziert. Sie wollten die Schleuse dertaatsverschuldung für sich offenhalten. So war das. Ichabe die Diskussion in der Föderalismuskommissionerfolgt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16709
Dr. Volker Wissing
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Da kommen Sie nicht mehr heraus: Die Grünen und dieSchuldenbremse sind Gegner.
Aber zurück zum Thema. Die Koalition sagt: Wirmüssen das Existenzminimum steuerfrei stellen. Deswe-gen werden wir für 2013 und 2014 den Steuerfreibetragentsprechend dem zu prognostizierenden Existenzmini-mum anheben.
Sie kündigen erbitterten Widerstand dagegen an.
Da haben Sie sich verrannt. Das werden Sie zurückneh-men müssen, Herr Binding. Auch die Grünen werdenihren Widerstand aufgeben müssen, weil sie sich verfas-sungskonform verhalten müssen. Das heißt, das steuer-freie Existenzminimum muss gelten.
Wir haben noch ein weiteres Problem. Wir haben diekalte Progression, und wir erleben derzeit 1,8 ProzentLohnsteigerungen bei 2,5 Prozent Inflation. Jeder weiß:Wenn man 1,8 Prozent mehr verdient und gleichzeitigdas Einkommen einen Wertverlust von 2,5 Prozent hat,dann hat man nichts zusätzlich. Gleichwohl steigen dieSteuern durch den linear-progressiven Tarif, weil man inder Summe mehr hat und die Summe höher besteuertwird. Dass die Summe letztlich weniger wert ist, wird imSteuersystem bisher nicht berücksichtigt. Also sagenwir: Das ist eine Gerechtigkeitslücke, die ausgeglichenwerden muss. Dann sagen Sie: Nein, das wollen wirnicht. Das sind Geschenke.
Da muss ich Ihnen sagen: Da haben Sie sich wieder ver-rannt. Es sind nämlich keine Geschenke, wenn Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer eine Lohnsteigerung be-kommen. Das haben sie sich vielmehr verdient. Jetztmuss man darüber entscheiden, ob man den Menschenetwas von der Lohnerhöhung belassen möchte, oder obman will, dass das nur beim Staat ankommt.Wir haben gesagt, dass wir akzeptieren, dass sich dieLänder an der Finanzierung dessen nicht beteiligen wol-len, und uns dafür ausgesprochen, dass der Bund dasvollständig übernimmt. Dann haben Ihre Landes-finanzminister gesagt, es sei irre, so etwas überhaupt zutun. Hier haben Sie sich verrannt. Deswegen sollten Siejetzt kleinere Brötchen backen und nicht mehr so laut da-gegen reden.SngdgDlüfoPWdmzfahKSwSKBNKhleDs–BWe
ie sollten überlegen, ob das nicht genau die richtige Fi-anzpolitik zur richtigen Zeit ist. Wir wollten in einemrößeren Umfang entlasten, weil wir der Meinung sind,ass das Verhältnis zwischen Privat und Staat in keinemuten Zustand ist und man daran arbeiten muss.
as geht gegenwärtig nicht. Aber die Gerechtigkeits-cke schließen und das Steuersystem verfassungskon-rm machen, kann man auch in Krisenzeiten von derolitik erwarten.
enn man sagt, das sei irre und nicht zu verantworten,ann ist man auf dem Holzweg. Ich fordere die Sozialde-okraten und die Grünen auf, sich ihrer Verantwortungu stellen, unser Steuersystem leistungsgerechter undirer zu machen und auch die Verfassungskonformitäterzustellen. Sie sind auf dem Holzweg.
ehren Sie um! Wir haben die besseren Vorschläge.timmen Sie denen zu. Den Unsinn der Linken werdenir natürlich strikt ablehnen. Mehr Gerechtigkeit imteuersystem zu schaffen, ist etwas, was man auch inrisenzeiten leisten kann, und das werden wir tun.
Das Wort hat der Kollege Dr. Thomas Gambke vomündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Meine Damen und Herren! Herr Wissing, Sieaben mir einmal bei einer Debatte in Mainz billige Po-mik vorgeworfen.
ie Ersten, die das Thema Schuldenbremse in den Deut-chen Bundestag eingebracht haben
ich bin hier ganz nüchtern, weil ich damals nicht imundestag war, aber ich habe das nachgelesen, Herrissing –, waren die Grünen. Ich bitte Sie, das endlichinmal zur Kenntnis zu nehmen.
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16710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Thomas Gambke
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– Nein, das ist nicht billige Polemik, das ist Geschichte.Ich bitte Sie, das einmal in den Protokollen nachzulesen.
Wir reden hier über zwei Anträge der Linken. Dereine behandelt das Thema steuerpolitische Gerechtigkeitund der andere das Thema Verlustverrechnung. Ich willmich auf das letzte Thema konzentrieren. Hier kommeich, Herr Wissing, auf das Thema Orientierung zurück.Lothar Binding hat das Thema Steuergerechtigkeit sehrschön abgehandelt. Es wurde gesagt, dass 173 Milliar-den Euro Steuermehreinnahmen erzielt werden sollen.Allein bei den Unternehmensteuern wollen Sie 45 Mil-liarden Euro Steuern mehr einnehmen. Das ist schon fastgrober Unfug. Das Schlimme ist, dass Sie damit guteund nachdenkenswerte Ansätze, ob das die Vermögen-steuer oder Vermögensabgabe ist, so wie wir es vor-schlagen, desavouieren. Damit erweisen Sie uns keinenDienst.
Gerade beim Thema Unternehmensteuern – daraufwill ich mich konzentrieren – braucht man einen festenOrdnungsrahmen, ein Ziel, eine Orientierung. Wir Grünehaben drei Punkte, die ich Ihnen nennen will, an denenwir uns orientieren.Erstens: Steuergerechtigkeit. Steuergerechtigkeit,Herr Wissing, Herr Volk, lässt sich nicht nur daran fest-machen, ob möglicherweise jemand zu viel zahlt. Wirmüssen uns auch mit dem Thema beschäftigen, wermöglicherweise zu wenig Steuern zahlt – wir solltennicht immer nur nach Griechenland schauen – und obdas eigentlich gerecht ist?
Sie müssen sich einmal ansehen, wie gerade im Unter-nehmensteuerbereich die Steuerlast verteilt ist. Leidergibt es dazu keine harten Daten, aber es gibt genügendAussagen von Verbänden – das wurde mir bestätigt –,dass kleine und mittlere Unternehmen im Durchschnitt8 Prozent mehr Körperschaft- und Gewerbesteuer zahlenals große Unternehmen. Es kann doch nicht sein, dasswir die Steuerlast nach Branche, Größe oder Internatio-nalität verteilen. Sie muss gerecht, gleichmäßig verteiltsein. Da kann man nicht fragen, ob man Steuern senkenmuss, sondern man muss fragen, ob es eigentlich ver-nünftig ist, dass einige zu wenig oder kaum Steuerlasttragen.mdvwEbdlid1vWaAShnSubAhlaWswmnnDOBLlidkfübdpejeicgmcwri
ber was machen Sie?Herr Volk, wir haben gesehen: Als es darum ging, einteuerschlupfloch bei der Erbschaftsteuer zu schließen,aben Sie noch zehn Tage vor der Verhandlung im Fi-anzausschuss erklärt: Nichts mit heißer Nadel stricken!ie haben dann doch zugestimmt, nachdem wir Grünend die SPD einen entsprechenden Antrag gestellt ha-en. Steuergerechtigkeit muss man also unter diesemspekt betrachten.
Zweitens: Aufkommensneutralität. Herr Middelbergat gefragt: Sind die Unternehmensteuern in Deutsch-nd eigentlich wettbewerbsfähig? Ja, Herr Middelberg.enn Sie international tätig sind, dann werden Sie fest-tellen, dass man im Ausland sagt: Ja, Deutschland hatettbewerbsfähige Steuern. Insofern ist die Aufkom-ensneutralität ein ganz wichtiges Gebot; denn wir kön-en es uns mit Blick auf die Haushaltskonsolidierungicht leisten, die Steuern zu senken.Damit komme ich zum Thema Verlustverrechnung:a müssen wir schon aufpassen. Wir werden das Themarganschaft noch zu diskutieren haben. Sie haben denericht einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bund undändern erwähnt, der mittlerweile erarbeitet wurde. Eregt zwar der Financial Times Deutschland vor, aber lei-er nicht uns, dem Finanzausschuss, was ich sehr be-lage. Darin werden das Thema EAV, also Ergebnisab-hrungsvertrag, und das Thema Verlustübertragungehandelt. Wir müssen schon sehr genau hinschauen, obie sicherlich zu unterbreitenden Vorschläge, im euro-äischen Sinne eine Angleichung zu vollziehen, nicht zuiner Steuermindereinnahme führen. Da vermisse ichglichen Vorschlag aus Ihrer Partei. Von der FDP habeh sowieso nichts erwartet. Wir müssen darüber einmalenau nachdenken, um zu verhindern, dass eine Steuer-indereinnahme kreiert wird.Drittens: Bürokratieabbau. Das ist eine wichtige Sa-he. Ich muss noch einmal das Thema Hotelsteuer er-ähnen. Was immer unerwähnt bleibt, ist, dass damit einesiger Bürokratieaufbau verbunden ist.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16711
Dr. Thomas Gambke
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Fragen Sie doch einmal, was da passiert ist. Da könntenSie sofort zu Verbesserungen ansetzen. Herr Middelberg,Sie haben Andeutungen gemacht. Ich bitte Sie, sich inIhrer eigenen Partei und vor allem gegenüber der CSUdurchzusetzen, damit wir dieses Thema endlich vomTisch bekommen.Zur Verlustübertragung hat die Linke Vorschläge ge-macht. Aber so leicht können Sie es sich nicht machen.Es gibt zum Beispiel einen Verlustrücktrag. Den habenSie einfach kassiert. Sie müssen doch wissen, dass ge-rade mittelständische und kleine Unternehmen eine Li-quiditätshilfe bekommen. Darüber können wir reden,auch im Sinne einer europäischen Angleichung. Aberdann müssen Sie einen Vorschlag unterbreiten. Dannmuss man zum Beispiel darüber nachdenken, ob man dieMindestbesteuerungsgrenze mit dem entsprechendenFreibetrag etwas anhebt.Ein weiterer Punkt sind – das sage ich noch einmal inIhre Richtung – geringwertige Wirtschaftsgüter. GehenSie doch einmal zu den Handwerkskammern und denkleinen und mittleren Unternehmen. Dummerweise ha-ben Sie 2008 frühmorgens, wie mir berichtet wurde, diePoolabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter ge-schaffen. Legen Sie doch bitte schön einmal etwas vor,womit Liquidität geschaffen werden kann. Dann kannman auch beim Thema Verlustübertragung etwas ma-chen.Meine Damen und Herren, man braucht eine klareOrientierung, um zu wissen, was man machen sollte. Ichwill jetzt noch einmal sehr konkret zum Thema Organ-schaft und auch zum Thema Verlustübertragung Stellungnehmen, weil das wichtige Themen sind. Immerhin sindin diesem Zusammenhang 500 bis 600 Milliarden Euroaufgelaufen, und zwar, Herr Middelberg, nicht gewerb-lich. Wenn Sie einmal genauer hinschauen, sehen Sie:Dies ist bei der Wohnungswirtschaft geschehen, beimVersicherungswesen und bei den Banken geschehen.Hier müssen wir Möglichkeiten finden. Eine zehnjährigeFrist für die Verlustkappung ist sicher überlegenswert.Sicher ist auch das Vorhandensein eines Abschmelz-modells überlegenswert. Dabei müssen wir uns auch dasThema EAV, also Ergebnisabführungsvertrag, an-schauen. Um zu einem Ergebnis zu kommen, müssenwir zum Beispiel das skandinavische Modell zur Büro-kratievereinfachung berücksichtigen. Es gibt zwar einenGruppenübertrag, aber die 2 Milliarden Euro, die dasGanze kostet, muss man irgendwie kompensieren.Hierzu erwarte ich von der Regierungsbank endlich ei-nen Vorschlag.Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich bin sehr enttäuscht,dass Sie zur Unternehmensteuer in den letzten zwei Jah-ren nichts geliefert haben. Insofern kann ich nur sagen:Ich erwarte eigentlich auch nicht mehr viel von dieserKoalition, sondern warte darauf, dass sie endlich abge-löst wird.Vielen Dank.dKumWssdwsdDhsAkgrecPm6isDnHsimsaDc
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Michelbach von
er CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! In der internationalen Wirtschaftskrise habennsere Bürger große Bereitschaft gezeigt, diese Kriseit Arbeit und Investitionen erfolgreich zu überwinden.ir sind deshalb stärker aus der Finanz- und Wirt-chaftskrise herausgekommen, als wir hineingegangenind. Die neueste Steuerschätzung spiegelt diesen Erfolgeutlich wider, und deshalb haben sich – und das ist derichtige Punkt – unsere arbeitenden Bürger eine „Auf-chwungdividende“ wirklich verdient. Das ist die Frageieser Stunde.
Natürlich hat der Abbau der Verschuldung Vorrang.
as ist richtig, aber der Staat kann sich doch nicht dauer-aft und ungebremst an der Inflation bereichern. Wirind gegen mehr Staat. Zunächst einmal hat der Bürgernspruch auf sein erarbeitetes Geld, und erst dannommt der Staat. Das ist die Subsidiarität, die auch an-ebracht ist. Wann werden Sie, meine Damen und Her-n, das endlich begreifen?Die Koalitionsfraktionen haben sich deshalb am Wo-henende, wie Sie wissen, darauf verständigt, die kalterogression für kleine und mittlere Einkommen abzu-ildern. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger mitMilliarden Euro. Das ist für die Bürger nachhaltig. Dast eine Kaufkraftmehrung. Das ist der richtige Weg.
as ist eine gerechte Politik, und das ist absolut arbeit-ehmer- und leistungsfreundlich, meine Damen underren.
Ich wundere mich schon sehr, dass gerade die Oppo-ition, die das Schild der Arbeitnehmerfreundlichkeitmer wie eine Monstranz vor sich herträgt, gegen einenolchen Inflationsausgleich bei den Steuern ist. Das istrbeitnehmerfeindlich, meine Damen und Herren.
as ist die Situation, vor der wir heute stehen.Herr Gambke hat gerade von Nachhaltigkeit gespro-hen. Er hat lange über die Nachhaltigkeit in der Politik
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16712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. h. c. Hans Michelbach
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fabuliert. Tatsache ist aber, dass Sie im Bereich der Steu-ern, im Bereich der Schuldenbremse versagt haben, weilsie immer dagegen waren und der Schuldenbremse nichtzugestimmt haben. Das ist die Wahrheit.
Durch den Abbau der kalten Progression kann verhin-dert werden, dass Lohn- und Einkommenssteigerungenin Zukunft überproportional stark steuerlich belastetwerden. Die Bundesbürger haben bei der derzeitigen In-flation trotz Lohnerhöhungen unterm Strich monatlichnetto oft weniger im Geldbeutel. Dieser Automatismus,der zu immer höheren Steuereinnahmen aufgrund pro-zentual immer höheren Steuerbelastungen führt, kannnun mit dieser Bundesregierung, mit dieser Koalition ge-bremst werden.Zum 1. Januar 2013 sollen der Grundfreibetrag beider Einkommensteuer angehoben und der Steuertarifnach rechts verschoben werden. Wir werden auch in Zu-kunft regelmäßig bei verfassungsrechtlich gebotener An-hebung des Grundfreibetrages Veränderungen im Tarifvornehmen.
Das ist so etwas wie der Weg in den Tarif auf Rädern.
Das ist ein Weg, der für die Bürger unglaublich wich-tig ist, weil er keine staatliche Finanz- und Steuerwillkürzulässt. Vielmehr haben die Bürger Anspruch auf einenAusgleich, und ein Tarif auf Rädern ist die richtige Ent-wicklung. Es hat mit Steuergerechtigkeit nichts zu tun,wenn ein Arbeitnehmer 1 Prozent mehr Gehalt bekommtund dann 2 Prozent mehr Steuern zahlen muss. Das istnicht gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es handelt sich ebennicht um Steuergeschenke, wie Sie es immer darstellen.Vielmehr gehört das Geld den Bürgern und niemand an-derem, und wir geben den Bürgern zurück, was sie durchden Sondereffekt der kalten Progression mehr gezahlthaben. Das führt für alle Steuerzahler zu mehr Steuerge-rechtigkeit.
Die SPD muss ihre Blockadehaltung im Bundesrataufgeben. Sonst zeigt sie ihr wahres Gesicht. Deswegenkann ich Sie nur bitten, Vernunft walten zu lassen unddie Bürgerentlastung, die Steuerzahlerentlastung imBundesrat nicht zu blockieren.
KebegORIcesgwdWwsnqvShGdagwnzssgdwSsg
h kann Ihnen sagen: Wir müssen alles versuchen, umin Abrutschen in die Rezession zu verhindern. Dabeitellt die Steuerpolitik, die wir machen, genau den richti-en Weg dar.
Auch in anderen Bereichen der Steuerpolitik habenir im Übrigen den richtigen Weg eingeschlagen. Ichenke nur an die Istbesteuerung bei der Umsatzsteuer.
ir haben uns auf 500 000 Euro festgelegt, und Hand-erksbetriebe haben jetzt endgültig die Gewissheit, dassie Steuern erst dann abführen müssen, wenn die von ih-en gestellten Rechnungen bezahlt wurden. Das ist Li-uiditätshilfe für die Handwerker. Das zeigt, welche Arton Steuerpolitik wir betreiben.
Ich kann Ihnen nur noch einmal deutlich sagen: Dieteuererhöhungsorgien, die Sie vorhaben – die Linkenaben das ja schon zum Ausdruck gebracht; von Rot undrün sollen sie in den Parteigremien beschlossen wer-en –, stellen einen absoluten Irrweg dar. Das führt nichtus der Krise, das führt eher zurück in die Krise. Werlaubt, man könne die Krise mit höheren Steuern über-inden, zeigt, dass er ökonomische Grundwahrheitenicht verstanden hat. Er betreibt damit eine Entwicklungurück in eine Staatswirtschaft. Das ist eine steuerpoliti-che Geisterfahrt und ein Horrorszenario für die Wirt-chaft.Wir sind gegen eine Erhöhung der Erbschaftsteuer,egen eine Erhöhung der Vermögensteuer. Wir sind fürie Entlastung der Bürger. Durch mehr Steuerzahlungenird sich das dann letzten Endes auch wieder für dentaat rentieren. Das ist der richtige Ansatz,
tatt die Steuern immer weiter zu erhöhen. Wir sind ge-en eine rot-grün-linke Steuererhöhungsorgie.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16713
Dr. h. c. Hans Michelbach
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Das müssen die Leute wissen. Sie beschreiten damit ei-nen falschen Weg. Deshalb werden Sie auch keinerleiFortschritte erzielen.
Zu Ihrem Vorhaben, die Möglichkeiten zum Verlust-vortrag für Unternehmen einzuschränken, kann ich Ih-nen nur sagen: Das ist ein Anschlag auf die Arbeitsplätzein Deutschland.
Arbeitsplätze brauchen langfristig richtige Strukturenund langfristig wirksame Substanz. Die Bedeutung vonVorlaufinvestitionen darf nicht einfach, wie Sie es ma-chen, weggewischt oder negiert werden.Wir sind also der Auffassung, dass es bei der Steuer-politik in Deutschland keine Willkür geben darf, sondernein Weg der Vernunft beschritten werden muss, wie wirihn auch in dieser Woche wieder aufgezeigt haben.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Nicolette Kressl von der
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Herr Michelbach, freundlicherweise wollenwir das, was Sie gesagt haben, einmal dem 11.11. zu-schreiben.
Sie haben jetzt nämlich in einem atemberaubenden Wir-bel alles durcheinandergebracht, was man in der Steuer-politik durcheinanderbringen kann.
Suchen wir einmal ein paar Ansätze:Sie haben zunächst einmal den Satz gesagt – das fandich ganz spannend –: Wir wollen einen Inflationsaus-gleich. Das sagen wir Ihnen doch die ganze Zeit schon.Sie reden immer über kalte Progression, legen uns aberkeinerlei Berechnungen dazu vor.
– Schon wieder sagen Sie, der Herr Staatssekretär habedas vorgelegt. Er hat uns nur die Inflationsrate genannt.sDSüdgWasMIcHetegbDAmü2aVlasFssbddbDueB
Schauen Sie sich einmal an, was heute in der FAZteht.
a steht zur kalten Progression:Nicht nur die Oppositionsparteien vermissen jedochbelastbare Aussagen der Bundesregierung, wie hochdieser Effekt … sein wird, der sich aus dem Zusam-menspiel von Inflation, Gehaltserhöhung und …Steuertarif ergibt.ie reden allerdings immer nur von Inflation.Ordnungspolitisch wäre es auch sehr sinnvoll, zuberlegen, ob Sie es so wollen, dass wir in Zukunfturch Senkungen des Steuertarifs für den Inflationsaus-leich zuständig sein sollen und die Verantwortung derirtschaft und der Arbeitgeber für diesen Bereich völligußen vor lassen. Da kann ich nur eine gute Reise wün-chen, wenn das Ihre Linie sein soll.
Zum Zweiten fand ich interessant, dass Sie, Herrichelbach, gesagt haben, das sei ein Tarif auf Rädern.h habe mir das genau angehört in der Pressekonferenz.err Schäuble hat ausdrücklich gesagt, dass das nichtin Tarif auf Rädern ist. Dass die Berechnung des Exis-nzminimums und damit auch die Tarifverschiebung re-elmäßig überprüft werden muss, ist doch klar. Das ha-en wir immer gemacht.
as ist völlig richtig und entspricht auch der Verfassung.llerdings muss ich etwas zur Berechnung des Existenz-inimums sagen. Im Moment liegt der Grundfreibetragber dem Existenzminimum. Sie sagen jetzt einfach,013 soll der Grundfreibetrag erhöht werden. Das istber nicht verfassungsmäßig. Ein verfassungsmäßigesorgehen wäre es, das Existenzminimum berechnen zussen und den Grundfreibetrag entsprechend anzupas-en. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das 2014 derall sein. Aber aus irgendwelchen – vielleicht wahltakti-chen – Gründen behaupten Sie, dass das laut Verfas-ung schon 2013 nötig wäre. Das können Sie mit nichtselegen. Sie können weder eine kalte Progression nochas Existenzminimum beziffern. Ich finde nicht, dassas eine seriöse Steuerpolitik ist, wie wir sie im Momenträuchten.
enn die Mindereinnahmen müssen die Bürgerinnennd Bürger über Zinslasten, die aus der Verschuldungntstehen, wieder zurückgeben. Deshalb ist eine seriöseerechnung wirklich notwendig. Zahlen aus dem Ärmel
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16714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Nicolette Kressl
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zu schütteln, wie es im Moment der Fall ist, ist da nichthilfreich.
Ich will noch eine Bemerkung zu der Rede von HerrnMiddelberg machen. Er hat gesagt: Das mit der Hotel-steuer haken wir jetzt ab. – Ich finde das gut. Aber indem Zusammenhang reden wir über 1 Milliarde Euro.Wir machen ein riesiges Tamtam wegen einer Verschie-bung von 2 Milliarden Euro; aber gleichzeitig versäu-men Sie, 1 Milliarde Euro Mindereinnahmen dadurch zuvermeiden, dass Sie die unsägliche Reduzierung desUmsatzsteuersatzes für Hotelübernachtungen zurück-nehmen. Ich finde, solange das nicht „abgehakt“ ist,können Sie auch das Thema nicht einfach abhaken.
Dann möchte ich auf den Antrag der Linken zu spre-chen kommen. Von Seriosität ist auch in diesem Antrag,ehrlich gesagt, nicht viel zu spüren.
Es ist ja richtig – das ist das Einzige, was wir wirklichunterstützen können –, was in der Überschrift steht: Wirmüssen die Handlungsfähigkeit des Staates wiederher-stellen. Bei den Steuereinnahmen geht es nicht um einenSelbstzweck, sondern es geht um Zukunftsfähigkeitdurch die Handlungsfähigkeit des Staates. Nur wenn wirbeispielsweise in Bildung investieren können, verpassenwir nicht die ökonomischen Chancen, die damit einher-gehen. Dafür ist die Handlungsfähigkeit des Staates not-wendig.Aber die in dem Antrag der Linken genannten Instru-mente und Analysen sind falsch und zudem schlampigdargestellt. Drei Beispiele:Erstens ist in dem Antrag eine falsche Analyse enthal-ten. Die Steuerpolitik in Bezug auf die Unternehmen inden letzten Jahren war kein Steuerdumping. Sie lassenvöllig außen vor – das halte ich für fahrlässig, absicht-lich fahrlässig –, dass die Bemessungsgrundlage zur Zeitder Großen Koalition in weiten Teilen deutlich verbrei-tert worden ist
und dass wir die Grenzen für die Verschiebung von Gel-dern geschlossen haben. Sie sind zwar jetzt mit zweiSteuergesetzen der schwarz-gelben Koalition wieder ge-öffnet worden; aber damals waren die Verbreiterung derBemessungsgrundlage und das Schließen von Schlupflö-chern ganz wichtig. Das hat mit Steuerdumping garnichts zu tun.
Zweitens. Wie kommen Sie – nach den Erfahrungenmit der Hotelsteuer, durch die wir wissen, dass redu-znzmGVlitiudlewbnsrewDtehsfüSnPsSsRVsdSgWfüsa
Drittens. Richtig ist: Wir müssen beim Ehegattensplit-ng etwas ändern. Aber auch das ist schlampig gemachtnd im Zweifel verfassungswidrig. Dass Sie dabei nichtie gegenseitigen Unterhaltspflichten anerkennen wol-n, ist sowohl falsch wie auch vermutlich verfassungs-idrig, beispielsweise wenn Sie Verheiratete schlechterehandeln wollen als Geschiedene.Insofern bitte ich Sie: Arbeiten Sie in diesen Punktenach, und verfolgen Sie Ihre Ziele mit den richtigen In-trumenten. Dann können wir vielleicht zu einem ande-n Ergebnis kommen, als wir es jetzt tun. Jetzt müssenir Ihren Antrag ablehnen.Vielen Dank.
Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr.
aniel Volk.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehr-n Damen und Herren! Zunächst einmal kann man fest-alten, dass in diesem Hause offenbar Einigkeit zwi-chen vier Fraktionen darüber besteht, dass die von dernften Fraktion, nämlich der Linksfraktion, vorgelegtenteuerpläne eher im Bereich der Unseriosität einzuord-en sind. Diese Pläne zeigen, dass man leicht etwasopulistisches fordern kann, was allerdings bei der Um-etzung wegen der notwendigen Detailarbeit großechwierigkeiten bereiten wird.Ich möchte einen Punkt aufgreifen, der zwar wunder-chön klingt, aber in der Steuerpolitik – zumindest dieseregierung – keinen Platz finden kann. Sie wollen eineermögensteuer in Höhe von 5 Prozent als reine Sub-tanzbesteuerung. Sie würden damit – unabhängig voner Höhe – eine extreme Verkomplizierung des deutschenteuerrechts erreichen. Ich bin der felsenfesten Überzeu-ung – darin sind wir uns in der Koalition einig –, dass dereg nicht in Richtung einer weiteren Verkomplizierunghren darf,
ondern zu einer Vereinfachung führen muss.Wir haben die letzten zwei Jahre beharrlich daran ge-rbeitet,
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Dr. Daniel Volk
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die Steuergesetzgebung zu vereinfachen. Wir haben einSteuervereinfachungsgesetz verabschiedet, das den Steu-erpflichtigen die Steuererklärung erleichtert. Denn diewesentliche Kritik an der Steuergesetzgebung inDeutschland entzündet sich doch immer daran, dass dieSteuergesetze sehr kompliziert sind. Teilweise verstehendie Steuerpflichtigen nicht mehr, warum sie in einer be-stimmten Höhe Steuern zahlen. Die Einführung einerVermögensteuer – den Kollegen der Grünen sage ich:auch die von Ihnen geforderte Vermögensabgabe – istkein Beitrag zu einer Vereinfachung des Steuerrechts,sondern ein Beitrag zu einer deutlichen Verkomplizie-rung.
In dem Antrag der Linkspartei ist die Forderung nacheiner Gemeindewirtschaftsteuer enthalten. Sie bedeutetnichts anderes als eine Verbreiterung der Gewerbesteuer.
Es wird versprochen, dass weitere Gruppen von Wirt-schaftstreibenden in die Steuerpflicht einbezogen wer-den. Sie müssen auch da bitte zur Kenntnis nehmen, dassein ganz großer Teil der Gewerbesteuerpflichtigen, dieauch immer eine Gewerbesteuererklärung abgeben müs-sen, tatsächlich nicht mehr Steuern zahlen, weil eineVerrechnung mit der Einkommensteuer vorgenommenwird. Es gehört zu unserem komplizierten Steuerrecht,dass viele Steuerpflichtige eine Steuererklärung ausfül-len müssen, obwohl sie gar keinen Steuermehrbetragzahlen müssen.
Dieses Problem sollten wir sehen. Wir dürfen es abernicht, wie es nach den Vorschlägen der Linksfraktion derFall wäre, noch verschärfen, indem die Zahl der Steuer-pflichtigen erweitert wird.Im Großen und Ganzen wird diese Regierung weiteran der Steuervereinfachung arbeiten. Wir haben denzweiten großen Schritt diese Woche vorgezeichnet, in-dem wir die Frage der Steuergerechtigkeit im Bereichder Einkommensteuer behandelt haben. Wir wollen andas Thema „kalte Progression“ herangehen. Währenddie SPD noch über Zahlen theoretisiert,
haben wir längst erkannt, dass durch die kalte Progres-sion viele Steuerpflichtige betroffen sind. Ich will daranerinnern: Es war übrigens ein sozialdemokratischer Fi-nanzminister, der den Tarifverlauf insgesamt weiter nachrechts verschoben hat,
wie auch die Grenze für die Reichensteuer. Ich glaubenicht, dass wir uns derzeit von den Sozialdemokraten ir-gSfüumkndnvKsAwA–Bsrekimih–Ihnh5wImJJSzb
ur weil hier theoretisiert wird und die Sozialdemokratieie Problematik der kalten Progression nicht zur Kennt-is nehmen will.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Christian von Stetten
on der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Präsident, bei der Vorbereitung zu die-em Tagesordnungspunkt und bei der Durchsicht dernträge habe ich anfangs gedacht, der Bundestagsver-altung sei ein Fehler unterlaufen; denn der vorliegendentrag der Linksfraktion, in dem sie den Staat auffordert nach Abzug eines Freibetrags wohlgemerkt –, von denürgern jährlich 5 Prozent Vermögensteuer auf das ge-amte Vermögen praktisch zum Verkehrswert einzufüh-n,
ommt mir doch sehr bekannt vor.Es ist in der Tat erst 13 Sitzungswochen her, dass wir Bundestag intensiv über diesen Antrag diskutiert undn mehrheitlich abgelehnt haben.
Es ist Ihr gutes Recht, dass Sie nicht lockerlassen. Beirem Vorhaben handelt es sich aber um eine Enteig-ung. Eine solche Enteignung lassen wir Ihnen aucheute nicht durchgehen. Überlegen Sie doch einmal: Bei Prozent Vermögensteuer ist das Haus nach 20 Jahreneg.
ersten Jahr nehmen Sie die Hofeinfahrt, im zweitenahr die Garage, im dritten Jahr die Küche, im viertenahr das Wohnzimmer, und im zwanzigsten Jahr machenie aus stolzen Hausbesitzern wieder Mieter. Das ist So-ialismus. Solche Anträge können Sie jede Woche ein-ringen, wir werden sie immer wieder ablehnen.
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Quatsch! – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]:Wer hat Ihnen den Unsinn aufgeschrieben?)Allein durch die jetzt von Ihnen beantragte Vermö-gensteuer wollen Sie zusätzliche 80 Milliarden Euro ein-nehmen. Sie vergessen dabei aber eines: Sie belastennicht nur die Hauseigentümer, sondern auch die Mieter.Das ist eigentlich Ihre Klientel, um die Sie sich küm-mern sollten. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass einImmobilienbesitzer, der heute eine Rendite von bei-spielsweise 4 Prozent für seine Wohnungen erzielt, sichdarauf einlässt, nach Zahlung der Ertragsteuern nocheinmal zusätzlich 5 Prozent auf den Verkehrswert an denStaat abzugeben.Heute ist zwar der 11.11. – darauf ist vorhin schonaufmerksam gemacht worden –; den Faschingsbeginnfeiern wir aber lieber in Köln oder in Düsseldorf. Hierim Parlament sollten wir ernsthafte Anträge diskutieren.Wenn Sie diesen Antrag mit den 5 Prozent Vermögen-steuern ernst meinen, dann müssen Sie sich klarmachen,dass der Vermieter versuchen wird, seine Immobilie soschnell wie möglich loszuwerden. Wahrscheinlich wirdihm das aber nicht gelingen, weil er vermutlich nieman-den finden wird, der bei einem Renditeobjekt von 4 Pro-zent noch zusätzlich 5 Prozent Vermögensteuer zahlenwill. Dann wird er diese 5 Prozent Vermögensteuerselbstverständlich auf die Mietkosten aufschlagen. Dasist eine Refinanzierung und kann möglicherweise zu ei-ner Verdoppelung der Mietkosten führen. Das werdenwir nicht durchgehen lassen.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Lenkert?
Selbstverständlich, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr von Stetten, ich
befürchte, Sie haben den Antrag nicht richtig gelesen.
Wenn Sie ihn richtig gelesen hätten, dann hätten Sie er-
kannt, dass die Vermögensteuer erst ab einem Privatver-
mögen von über 1 Million Euro gezahlt werden soll und
Betriebsvermögen ausdrücklich ausgenommen sind.
Wenn also ein Wohnungseigentümer Wohnungen ver-
mietet, hat er selbstverständlich die Möglichkeit, das
Ganze als Betriebsvermögen zu betrachten. Dann muss
er selbst nichts bezahlen, und dann müssen auch die
Mieterinnen und Mieter dafür nichts bezahlen. Das ha-
ben wir deshalb so geregelt, damit die Unternehmerin-
nen und Unternehmer mit ihrem Betriebsvermögen eben
nicht belastet werden. Wir wollen nur das private Ver-
mögen einbeziehen.
Wenn Ihnen allerdings ein Schloss im Wert von
15 Millionen Euro gehört, in dem Sie selber wohnen,
dann müssten Sie natürlich auf 14 Millionen Euro
Steuern zahlen. Ich halte das für eine vernünftige Lö-
sung.
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ie wollen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer vonomentan 4,5 Milliarden Euro auf 10 Milliarden Eurorhöhen.
ie schlagen einen Freibetrag in Höhe von 300 000 Euro günstigsten Fall vor, aber dann schlagen Sie zu: Ab00 000 Euro beispielsweise wollen Sie 25 Prozentteuer kassieren, ab 500 000 Euro 35 Prozent, ab 1 Mil-on Euro sind 45 Prozent Erbschaftsteuer fällig, abMillionen Euro müssen die Betroffenen 60 Prozent desesamten Familienvermögens als Steuer abführen. Auchas ist eine Enteignung.
Stellen Sie sich das einmal vor: Nehmen wir einmalinen großen Handwerksbetrieb, in dem der Vater under Sohn gemeinsam arbeiten und der Vater im Alter von5 Jahren den Betrieb an den Sohn übertragen will. Inem Augenblick, in dem der Vater in die wohlverdienteente geht, soll er bzw. sein Sohn 60 Prozent des Be-iebsvermögens an den Staat abführen.
as ist doch absurd.
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Christian Freiherr von Stetten
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dassdas heute im Fernsehen übertragen wird.
Die Bürger sollen ruhig wissen, was Sie hier vorhaben.Die Bürger sollen ruhig wissen, was das Konzept bedeu-tet, das Sie heute hier vorgelegt haben: Bei Tod undSchenkung erfolgt Enteignung. Auch der andere Antrag,den Sie heute zur Abstimmung stellen, ist eine volks-wirtschaftliche Katastrophe; die Kollegen haben das vor-hin schon ausführlich dargestellt. Insgesamt fordern Siemit den heute vorgelegten Anträgen die größte Steuer-erhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-land. Frau Höll, nach Ihren eigenen Angaben wollen Sieauf der Grundlage Ihrer heutigen Anträge 173 MilliardenEuro Steuern zusätzlich kassieren, wohlgemerkt nichteinmalig, sondern jährlich. Die CDU/CSU-Bundestags-fraktion wird selbstverständlich alle Anträge ablehnen.Ich hoffe, dass Sie in zehn Wochen nicht schon wiedermit den Anträgen hier im Bundestag aufschlagen.
Herzlichen Dank.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
nun der Kollege Olav Gutting von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ichversuche, es einmal ein bisschen zusammenzufassen:Während die christlich-liberale Regierungskoalition mitSteuervereinfachungen und klugen, moderaten Entlas-tungsschritten mehr Steuergerechtigkeit schafft, bestehtdas Konzept der Linken – soweit man überhaupt von ei-nem „Konzept“ sprechen kann – vor allem aus einem be-eindruckenden Sammelsurium von Steuererhöhungsvor-schlägen.
Es sind Forderungen, die darauf abzielen, Leistungs-anreize für die Menschen, die wir brauchen, zu beseiti-gen, mit all den negativen Folgen für Investitionen, denKonsum und die Arbeitsplätze.Wir haben in der christlich-liberalen Koalition in denletzten beiden Jahren vorgemacht, wie man dieses Landaus der Krise herausführt, wie man es stärkt und es letzt-endlich in einen Zustand versetzt, der besser ist als vorder Krise; wir sind gestärkt aus dieser Krise hervorge-gangen. Meine Damen und Herren, mit Ihren Forderun-gen stehen Sie von den Linken – Christian von Stettenhat es richtig gesagt – nicht nur mit einem, sondern mitbeiden Beinen im Bereich der Enteignung.zWSdzreriteIcswwWhinwwDfeaalideSndTvdruegVd
h glaube, beides kann nicht im Interesse der Menschenein. Sie schlachten letztendlich die Kuh, die Sie melkenollen.
Die Konsolidierung der Staatsfinanzen – davon sindir überzeugt – gelingt nur mit einer gesunden, starkenirtschaft und einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Was Sieier vorschlagen, fördert aber die Kapitalflucht.Steuereinnahmen – Christian von Stetten hat es gesagt – Höhe von 80 Milliarden Euro bei der Vermögensteuerürden Sie vielleicht im ersten Jahr erzielen. Aber dasar es dann. Danach ist das Vermögen weg.
ie Menschen werden es aus Deutschland wegschaf-n – zu Recht.Ihre Anträge atmen in weiten Teilen Populismus. Sietmen Neid. Sie wollen auch noch das Ehegattensplittingbschaffen und richten sich damit direkt gegen die Fami-en in unserem Land.
Steuergerechtigkeit, meine Damen und Herren, be-eutet nicht, dass man die Menschen mit der Steuerlastrdrückt.
teuergerechtigkeit bedeutet für uns die Besteuerungach der Leistungsfähigkeit. Das heißt auch, dass manen Bürgerinnen und Bürgern einen ausreichend großeneil vom sauer Verdienten belässt.
Nun zu Ihrem Antrag zur Einschränkung der Verlust-errechnung: Darin wollen Sie zum wiederholten Malen im Steuerrecht verankerten Grundsatz der Besteue-ng nach der Leistungsfähigkeit aushebeln.In den Unternehmen werden Gewinne und Verlusterzielt. Diese richten sich nicht immer nach den Veranla-ungszeiträumen. Die Erzielung von Gewinnen underlusten richtet sich schon gar nicht nach dem Kalen-erjahr. Die bestehende Besteuerung in zeitlichen Ab-
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Olav Gutting
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ständen, jahresbezogen, ist im Ergebnis eine Willkür desGesetzgebers, die wir brauchen, um eine dauerhafteSteuereinnahme zu haben. Aber deswegen ist es notwen-dig, dass diese Willkür bei der Festsetzung der Besteue-rungszeiträume durchbrochen werden kann. Hierzu ist esrichtig, dass es Verlustvor- und -rückträge gibt.Eine zeitliche Beschneidung dieser Verluste, die Siefordern, widerspricht dem Prinzip der Besteuerung nachdem Lebenseinkommen insgesamt, und sie widersprichtauch dem Prinzip der Leistungsfähigkeit.Festzuhalten und klarzustellen bleibt: § 10 d Einkom-mensteuergesetz, den Sie hiermit verändern wollen, istkeine Steuervergünstigung. Wir haben – das muss manauch sagen – bereits heute ein Korrektiv hinsichtlich desVerlustvortrags. Das heißt, bereits nach geltenderRechtslage können die Verluste nicht sofort abgezogenwerden, wenn eine bestimmte Grenze erreicht wird.Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie die Finger vonder Verlustverrechnung. Unser Weg sieht jedenfalls an-ders aus. Wir haben gleich zu Beginn der Wahlperiodedie Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen indiesem Land mit einem Betrag von über 20 MilliardenEuro entlastet.
– Ja, das war ungleich verteilt. Der größte Anteil ging andie Familien, meine Damen und Herren. Das waren5 Milliarden Euro allein für die Familien.
Dieser Wachstumsimpuls hat dazu beigetragen, dass wirauf gutem Weg zu einem strukturell ausgeglichenenBundeshaushalt sind.
Diese Steuerpolitik werden wir jetzt konsequent fort-setzen,
auch mit der Beseitigung bzw. Abmilderung der kaltenProgression.Der Erfolg, meine Damen und Herren, gibt unsererPolitik recht. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquoteseit 20 Jahren und die höchste Beschäftigungsquote, diedieses Land je gesehen hat. Mit den Steuererhöhungen,wie sie in diesem Haus gefordert werden, ist jedenfallsunser Wohlstand und der soziale Standard in diesemLand nicht zu halten.
Die Basis aller Staatsfinanzen – davon sind wir über-zeugt – ist letztlich die Arbeit der Bürgerinnen und Bür-ger in diesem Land.gKkwpliDaDsFfezwHADadhmDBAWbnC
eswegen ist es gut, dass Sie in diesem Haus keine Ver-ntwortung tragen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 17/5525 an den Finanzausschuss vorge-chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-hlung des Finanzausschusses auf Drucksache 17/7555um Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Aus-ege aus der Krise: Steuerpolitische Gerechtigkeit undandlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen“. Derusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 17/7555, den Antrag der Fraktion Die Linkeuf Drucksache 17/2944 abzulehnen. Wer stimmt füriese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-en aller Fraktionen gegen die Stimmen der Fraktionie Linke angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungWaldstrategie 2020Nachhaltige Waldbewirtschaftung – eine ge-sellschaftliche Chance und Herausforderung– Drucksache 17/7292 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionündnis 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt esiderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das soeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-er das Wort dem Kollegen Cajus Caesar von der CDU/SU-Fraktion.
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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wald und un-sere Forstwirtschaft in Deutschland bedeuten Wohlstand,wirtschaftliche Entwicklung, Einkommen im ländlichenRaum und Umwelt- und Naturschutz. Wir, die Union, se-hen im Wald mehr als nur die Summe von Bäumen.Vielmehr begreifen wir ihn als Chance für Lebensquali-tät und für wirtschaftliche Entwicklung im ländlichenRaum. Das ist unser Anliegen. Deshalb haben wir dieseWaldstrategie auf den Weg gebracht.
Wir, die Union, sind stolz auf unsere nachhaltigeForstwirtschaft. Sie ist weltweit ein Vorbild. Deshalb,meine ich, sollten wir nicht immer über fehlende Klei-nigkeiten klagen, sondern deutlich machen, wie wichtiguns der Wald ist und wie vorbildlich wir unseren Waldbewirtschaften.
Natur bewahren, Klima schützen und an unsere Kin-der denken – das ist die Devise der Union. Uns ist wich-tig, auf diejenigen zu achten, die dafür gesorgt haben,dass wir einen solch umweltfreundlichen Wald über-haupt vorfinden: die Waldbesitzer und all diejenigen, dieihren Beitrag dazu geleistet haben. Ihnen gilt der Dankder Union.Dem Rohstoff Holz kommt eine immer größere Be-deutung zu. Er wird umweltfreundlich erzeugt, und erhat eine besondere wirtschaftliche Bedeutung. In derEnergiepolitik werden wir sehen, dass schon in dennächsten Jahren die Hälfte des Holzaufkommens energe-tisch genutzt werden wird, davon wiederum die Hälfte inder wohnortnahen Wertschöpfungskette, nämlich indemdie Bürger vor Ort sich selbst mit Brenn- und Scheitholzund damit mit umweltfreundlicher Energie versorgen.Der Bundesverband Säge- und Holzindustrie hat zuRecht festgestellt, dass der Bedarf in den nächsten Jah-ren nicht mehr zu decken sein wird. Experten schätzen,dass uns im Jahr 2020 in Deutschland 30 Millionen Ku-bikmeter und in der Europäischen Union 400 MillionenKubikmeter Holz fehlen werden. Diese Herausforderungmüssen wir annehmen.
Es ist wichtig, dass die Waldbesitzer in den vergange-nen Jahrzehnten dazu beigetragen haben, dass wir einennaturnahen, vielschichtigen Wald haben, den wir durchentsprechende Rahmenbedingungen, die wir als Politi-ker setzen müssen, noch weiter verbessern wollen.Durch unsere Maßnahmen und durch die von uns vorge-gebenen Rahmenbedingungen können wir die naturnaheWirtschaft weiter verbessern.Wichtig ist uns, dass Mischbestände gepflanzt wer-den. Wir wissen aber auch, dass der Anteil von Nadel-bäumen in der Altbestockung 62 Prozent beträgt, in derJungbestockung nur noch 29 Prozent. Wir müssen daraufauwBFBssdwhWWwbwg1dawimtedwdWVkßsCDnAarubBDbssliOruWgms
Wir wollen nicht durch Flächenstilllegungen Holz-porte fördern, die nicht auf Nachhaltigkeit ausgerich-t sind. Das ist nicht unsere Vorgehensweise. Wir sehen,ass die Waldfläche pro Kopf innerhalb einer Generationeltweit um die Hälfte zurückgegangen ist. Ich denke,eshalb ist es wichtig, dass wir einerseits in Deutschlandaldwirtschaft betreiben, andererseits aber auch globaleereinbarungen treffen, um auf diesem Gebiet voranzu-ommen. Wir dürfen nicht auf Kosten anderer zum gro-en Holzimporteur werden. Eine solche Entwicklungtellen wir in anderen Ländern fest, zum Beispiel hathina mittlerweile Japan als Holzimporteur überholt.abei hat China in den letzten fünf Jahren mehr Flächeeu bepflanzt, als Deutschland überhaupt an Wald hat.ndere Länder erkennen also die Bedeutung des Waldesn. Das sollte uns bewusst sein. Wir sollten die Bevölke-ng darauf hinweisen, wie wichtig der Wald für uns ist.Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank an die Ver-ände richten, die in diesem Bereich aktiv sind. Demundesverband Säge- und Holzindustrie, dem Bundeutscher Forstleute, dem Holzwirtschaftsrat, den Wald-esitzer- und Waldbauernverbänden, der Schutzgemein-chaft Deutscher Wald und allen anderen Verbänden, dieich für die Verbindung von Naturschutz und wirtschaft-cher Entwicklung – im Sinne der Wertschöpfung vorrt – einsetzen, sagen wir als Union Dank.
Uns ist wichtig, dass wir uns auch der Herausforde-ng „Wald und Wild“ stellen. Deshalb haben wir in diealdstrategie aufgenommen, dass die natürliche Verjün-ung der Hauptbaumarten ohne Zaun möglich seinuss. Das ist uns wichtig. Das wird auch von der Jäger-chaft anerkannt. Für uns bleibt es wichtig, die Jagdaus-
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Cajus Caesar
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übung weiterhin an das Eigentum zu knüpfen. Gesterngab es ein Gespräch mit dem Präsidenten des DeutschenJagdschutzverbandes, Hartwig Fischer, der ausdrücklichzugesagt hat, dass er das Miteinander von Wald undWild nicht nur mitträgt, sondern auch voranbringen will.Frischluft, Quellwasser, Tausende von Tier- undPflanzenarten, über 1 Million Arbeitsplätze, 11 Millio-nen Hektar Leben und Zukunft – das ist ein großesPfund. Das sollten wir nicht liegen lassen; dieses Pfundsollten wir aufnehmen. Die Union und die Regierung ha-ben es aufgenommen. Der Wald ist unsere Lebensgrund-lage. Diese Einsicht ist Grundlage unseres Handelns undder Waldstrategie 2020.Ich bin ganz sicher, dass die Bundesregierung und dieUnion mit der Waldstrategie 2020 auf dem richtigenWeg sind. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen.Herzlichen Dank.
Für die SPD spricht jetzt die Kollegin Petra Crone.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Wald ist einkomplizierter Lebensraum und eine anspruchsvolle Pro-duktionsstätte. Der Wald ist keine Maschine, die einfachnur funktioniert. Klaus Töpfer hat es zur Eröffnung desJahres der Wälder passend formuliert:Wälder, Fixpunkte des Lebens, sind nicht reduzier-bar allein auf den Beitrag zum Bruttosozialprodukt.Ich bin froh, dass wir hier und heute über unsere Wäl-der reden. Viel zu oft gehen die Reden zu waldbezoge-nen Tagesordnungspunkten zu Protokoll oder werden inden späten Abendstunden gehalten. Mit der Aussprachezur Waldstrategie 2020 der Bundesregierung erhöhenwir den Stellenwert des Waldes in der öffentlichen De-batte. Ich und ich glaube viele andere hier begrüßen dassehr.
Die SPD-Bundestagsfraktion wünscht sich Wälderfür Deutschland, die älter, bunter und lebendiger werdenkönnen.
– Ja, älter auch. – Daraus leiten wir eine besondere Ver-antwortung für die Waldfläche ab. Schutz und Nutzung,die scheinbar ewigen Gegensätze, müssen endlich in ei-nem ganzheitlichen Waldkonzept aufgehen. Der Schutzder Biodiversität, der Erhalt der Gemeinwohlfunktiondes Waldes und die Ökonomie müssen sich im Einklangbefinden.Die Bundesregierung wollte eben jene ausgewogeneund tragfähige Balance zwischen diesen Ansprüchen indsGWgkMwWdreaDHzWvwgFdaBfaWrüsBrudwhdreImmteFa
ann können wir mit den Entwicklungskonzepten fürie zu Recht geforderte Forschung zur Kaskadennutzungchnen oder zu den Auswirkungen des Klimawandelsuf den Wald? Wann kommt die TEEB-Studie füreutschland? Welche Mittel will das BMELV in dieand nehmen, um die Ziele der Waldstrategie 2020 um-usetzen? Fragen über Fragen.Für die SPD-Bundestagsfraktion ist die Kernfrage:ie behandelt der Mensch den Wald in einer Zeit, dieon Klimawandel und Energiewende geprägt ist? Ant-orten finden wir in der Nationalen Biodiversitätsstrate-ie, leider weitaus weniger in der Waldstrategie 2020.ür uns zeichnet sich ein lebendiger Wald dadurch aus,ass er sich an die natürliche Waldgesellschaft annähert,uch und gerade in der Bewirtschaftung. Wir, die SPD-undestagsfraktion, fordern dazu seit langem: Die gutechliche Praxis muss ins Bundeswaldgesetz.
enn die Bundesländer in ihren Waldgesetzen noch da-ber hinausgehen, freut mich das natürlich sehr. Grund-ätzlich gilt aber: Ohne eine erneute Novellierung desundeswaldgesetzes wird es nicht gehen.
Es bleibt mir unverständlich, warum die Bundesregie-ng in ihrer Waldstrategie keine Notwendigkeit sieht,iese Forderung umzusetzen. Sie weisen doch immerieder auf die steigenden Anforderungen an den Waldin. Glauben Sie allen Ernstes, Herr Staatssekretär, dassie derzeitige Rechtslage in § 11 Bundeswaldgesetz aus-ichend ist?
Internationalen Jahr der Wälder 2011 hantieren wirit Vorschriften aus dem Jahr 1975.Die Leistungen des Waldes besitzen ein gehöriges Po-nzial. Das muss mit einer vernünftigen Wald- undorstpolitik gewürdigt werden. Ich möchte noch einmalus der Eröffnungsrede von Klaus Töpfer zitieren:Wir sind in einer Welt, in der wir offenbar nur dassehen, was einen Marktpreis hat, und wundern unsauf einmal darüber, dass die Funktionen, die ihnnicht haben, dann offenbar übernutzt werden, …dass damit die Nachhaltigkeit infrage gestellt wird.
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Petra Crone
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Kurzum: Auch das beste Ökosystem hat seine Grenzen.An dieser Stelle danke ich meiner Kollegin ConnyBehm für ihre Nachfrage zum konkreten Holzein-schlagsziel in der Waldstrategie 2020. Die in der Wald-strategie genannte Obergrenze des Holzeinschlags von100 Millionen Kubikmeter pro Jahr bemisst sich erfreu-licherweise in Vorratsfestmetern und nicht, wie befürch-tet, in Erntefestmetern. In welcher Höhe der Einschlag inunseren Wäldern nach Vorstellung des BMELV aller-dings steigen soll, bleibt weiterhin unklar und im Nebel.Die Gesellschaft ist beim Schutz und bei der Nutzungdes Waldes auf qualifiziertes Forstpersonal angewiesen.Sein Fingerspitzengefühl und Können gewinnen immermehr an Bedeutung. Wer hier spart, spart an der falschenStelle. Darum sage ich zum wiederholten Mal ganz deut-lich: Die SPD-Bundestagsfraktion will einen forstlichenMindestlohn.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, die Erfordernisseeiner nachhaltigen Entwicklung verursachen Kosten.Der Vorteil bzw. der sichtbare Nutzen des Kurswechselswird sich erst später zeigen. Dies gilt in besonderemMaße für den Wald. Unser Wald kann und darf kein„Heilsbringer“ sein, nur weil er nachwächst. Ich bin derfesten Überzeugung, dass es unter anderen Mehrheitengelingen wird, ein ganzheitliches Waldkonzept zu erstel-len.Ich danke Ihnen.
Für die FDP hat jetzt die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirbegehen in diesem Jahr das Internationale Jahr der Wäl-der. Vor den Umweltministerien aller Länder kann mandas entsprechende Emblem erkennen und sehen: DasJahr der Wälder ist weltweit angekommen.Die Bundesregierung hat das Jahr der Wälder unterdas Motto „Waldkulturerbe“ gestellt. Ich glaube, das isteine sehr weise Entscheidung, gerade in Deutschland;denn Deutschland ist ein Land, das vom Wald geprägtist. In meinem Wahlkreis zum Beispiel liegen Waldstadt
, Siebenbäumen, Siebeneichen, Buchhorst,
Buchholz und Büchen – alles Namen, die auf den WaldBezug nehmen. Es wird deutlich: Die potenzielle natürli-che Vegetation in Deutschland ist der Wald. Vor diesemHintergrund haben wir eine multifunktionale Forstwirt-sDsvBwD4rucPsßDtenLMdzdHuhnsnAuDssssssBvdbwtiÖdte
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass Holz ineutschland der wichtigste nachwachsende Rohstoff ist.5 Prozent der energetischen Nutzung von Biomasse be-hen auf Holz. Gleichzeitig ist Holz, was die rohstoffli-he Nutzung betrifft, im Hausbau, im Möbelbau, in derapierherstellung usw., ein ganz wichtiger nachwach-ender Rohstoff, der beispielsweise auch einen sehr gro-en Beitrag dazu leistet, die Klimaeffizienz zu erhöhen.er Rohstoff Holz hat nämlich herausragende Qualitä-n. Gerade in Deutschland wird er sehr vielfältig ge-utzt.Wir alle wissen: Deutschland ist ein dichtbesiedeltesand; denken Sie nur an Städte wie Berlin, Hamburg,ünchen oder Frankfurt. Waldspaziergänge gehören fürie Menschen in Deutschland zu den beliebtesten Frei-eitbeschäftigungen. Das heißt, wir haben Ansprüche anen Wald, die im Naturschutz, in der Produktion vonolz und in der Naherholung liegen. All dies müssen wirnter einen Hut bringen. Die Waldstrategie, über die wireute diskutieren, tut dies in absolut vorbildlicher Weise.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grü-en, ehrlich gesagt: Über Festmeter sollte man im Zu-ammenhang mit der Waldstrategie nicht reden – das isticht der Punkt –, sondern es geht um eine strategischeusrichtung, wie wir in Zukunft mit unseren Wäldernmgehen wollen.
en Rahmen dafür bietet selbstverständlich das Waldge-etz. Keine einzige Strategie kann Gesetze außer Kraftetzen. Sie bleiben selbstverständlich in Kraft.Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist von der Fortwirt-chaft geprägt worden. Wo das allerdings zuerst passiertein soll, darüber streiten sich einige Bundesländer. Soagt etwa mein Kollege, der Vizepräsident des Deut-chen Bundestages, dafür sei Hessen verantwortlich; dierandenburger sagen das im Übrigen auch. Das heißt, anielen Orten in Deutschland ist man sich bewusst gewor-en, dass Nachhaltigkeit für die Nutzung von Wäldernesonders wichtig ist. Dieser Begriff hat auch in dieirtschaftliche Diskussion Eingang gefunden.„Nachhaltigkeit“ bedeutet aber auch die gleichwer-ge Berücksichtigung der Anliegen von Ökonomie,kologie und Sozialverträglichkeit. Dies ist die beson-ere Herausforderung, der wir im Rahmen der Waldstra-gie gerecht werden müssen. Das Cluster Forst und
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Dr. Christel Happach-Kasan
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Holz hat eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Es istinsbesondere für den ländlichen Raum von herausragen-der Wichtigkeit. Dies müssen wir bei all unseren Ent-scheidungen im Blick haben. Das gilt auch im Hinblickauf das häufig von Naturschutzverbänden formulierteZiel. Wenn es heißt: „5 Prozent wollen wir gar nicht nut-zen“, frage ich mich: Warum eigentlich nicht? Natürlichkann man – das wollen wir auch – auf den gesamten Flä-chen Naturschutzbelangen Rechnung tragen und siegleichzeitig nachhaltig nutzen. Das funktioniert, und ge-nau das wollen wir als Liberale. Hier sind wir uns sehreinig.
Wer einmal in den Schwarzwald gefahren ist und ge-sehen hat, dass dort in jedem zweiten Dorf eine Sägereisteht, der weiß: Wenn man dort ein großes Schutzgebietausweisen würde, wie das im Augenblick von den Grü-nen geplant ist, dann würde das in einem großen Teil desSchwarzwaldes das Aus für den ländlichen Raum bedeu-ten. Ich glaube, das ist nicht in Ordnung.
– Nein, Herr Ebner, das ist so.
Die Kritik an der Waldstrategie 2020 ist nach meinerAuffassung sehr stark von Misstrauen geprägt. Die For-derung nach guter fachlicher Praxis ist eine Forderungan den Landesgesetzgeber und nicht an den Bund; dennes ist ganz deutlich an Folgendem zu erkennen: In denWäldern in der Heimat meines Kollegen Rainer Erdelsieht es ganz anders aus als beispielsweise auf den nord-friesischen Inseln. Auch da gibt es Wald – oder dasKatinger Watt beispielsweise –, aber die Anforderungenan den Wald sind dort völlig andere als in den Berglän-dern Deutschlands. Deswegen ist es richtig, wenn wir sa-gen: Es ist eine Landesaufgabe, für gute fachliche Praxisim Wald zu sorgen.Das zweite Problem, das wir überhaupt nicht überse-hen, ist die Wald-Wild-Problematik. Natürlich gibt essie, und es gibt Missstände an einzelnen Orten; aber esist Aufgabe der lokalen Behörden, dort zu gerechten Lö-sungen zu kommen. Das ist nichts, was wir als Bundes-gesetzgeber festschreiben können, sondern wir müssenhier das Vertrauen in die lokalen Behörden, in die Unte-ren Naturschutzbehörden, in die Unteren Jagdbehörden,haben, um dort zu Lösungen zu kommen.Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir mitallen Entscheidungen, die wir heute treffen, Einfluss aufkünftige Generationen haben; denn der Baum, der heutegepflanzt wird, wird frühestens in 70 Jahren – in allerRegel sind es 120 bis 160 Jahre – geerntet. Das heißt,mit unserer Entscheidung heute haben wir Einfluss aufdie Nutzung in der Zukunft.Wir können schon jetzt absehen, dass wir eine soge-nannte Holzlücke haben werden. Wir werden durch dasgLfawaSMneDhtiaGis–zÖogliFsKIcPAlesdvishw
an kann die physikalischen Gesetze selbstverständlichicht außer Kraft setzen – im Übrigen auch nicht durchine Waldstrategie.
as geht schlicht und ergreifend nicht, und deswegenaben wir hier Schwierigkeiten.Ich bin sehr froh, das wir als christlich-liberale Koali-on eine sehr gute Änderung des Bundeswaldgesetzesuf den Weg gebracht haben, die beispielsweise von Rot-rün und auch von Schwarz-Rot nicht geschafft wordent. Wir haben sie schnell auf den Weg gebracht.
Wir haben das sehr schnell auf den Weg gebracht, undwar mit einer hohen Anerkennung durch die gesamteffentlichkeit, werter Herr Kollege Kelber. Sie habenffensichtlich nicht richtig zugehört. – Ich glaube, es istut, dass wir damit auch Kurzumtriebsplantagen mög-ch gemacht haben, die auf Ackerflächen Biomasse inorm von Holz produzieren können.
Aufgrund der komplexen Anforderungen, die an un-ere Wälder gestellt werden, ist – hier stimme ich derollegin Crone zu – qualifiziertes Personal notwendig.h glaube, dass wir gerade in Deutschland qualifiziertesersonal haben, das angemessen bezahlt werden muss.uch hier bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ob man al-rdings in jeder Debatte den Mindestlohn ansprechenollte, wage ich dann doch herzlich zu bezweifeln.
Ich glaube, dass wir mit dieser Waldstrategie 2020,ie von der Bundesregierung vorgelegt worden und vonielen Verbänden mitgetragen und mitgestaltet wordent, eine gute Strategie für unsere Wälder für die Zukunftaben. Deutschland ist eines der wenigen Länder welt-eit, in denen neue Wälder entstehen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16723
Dr. Christel Happach-Kasan
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Ich freue mich darüber, insbesondere wenn das inSchleswig-Holstein der Fall ist, wo der Anteil des Wal-des noch relativ gering ist. Ich glaube aber, mit dieserWaldstrategie 2020 sind wir insgesamt auf einem sehrguten Weg.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann
von der Fraktion Die Linke.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Ich fange mit dem Positiven an: DieWaldstrategie 2020 liegt vor. Die Bundesregierung hatimmerhin eine Strategie. Das kommt nicht so oft vor.Eine Strategie ist aber bei diesem Thema dringend nötig.Aber damit ist das Lob für heute auch schon wieder zuEnde.Dabei ist die Waldpolitik ein sehr spannendes undauch spannungsgeladenes Politikfeld. Viele Interessenmüssen unter einen Hut gebracht werden, zum Beispieldie Holznutzung, die Erholung, die Jagd und auch derNaturschutz. Bereits existierende Strategien und Ak-tionspläne müssen berücksichtigt werden, wie zum Bei-spiel der zur biologischen Vielfalt. Da bleiben Konfliktenicht aus.Ich nenne ein paar Beispiele. Die Nachfrage nachHolz wächst schneller als die nachwachsende Holz-menge. Eine zu starke Holznutzung steht der Speiche-rung von CO2 und anderen Ökosystemleistungen desWaldes entgegen. Hohe Schalenwildbestände tragen zuSchäden an Bäumen bei. Die Jägerschaft sieht Jogger,Reiter und Pilzsucher eher nicht so gern im Wald.An diesen Anforderungen zur Friedensstiftung imWald waren die ersten zu wirtschaftslastigen Entwürfeder Waldstrategie prompt gescheitert. Die Kritik desBundes Deutscher Forstleute und der Umweltverbändewar geradezu vernichtend. Der nun hier vorliegendeText ist leider nicht viel besser. Die Bundesregierung hateine nett zu lesende, aber harmlose Strategie vorgelegt.Das ist angesichts der großen sozialen und ökologischenHerausforderungen der Zukunft deutlich zu wenig.
Es reicht eben nicht, Probleme zu benennen, wenn dieAusführungen dazu in der Waldstrategie bei den Zustän-digkeiten für die Lösungsvorschläge eher wortkarg blei-ben, insbesondere dort, wo die Bundesregierung zustän-dig wäre.Die Linksfraktion hat bereits im Juli 2011 ihre Anfor-derungen an eine Waldstrategie auf sieben Seiten veröf-feswaSFtedFcgdbLwskdDteuhFicsFFgsruWlaraBzmöwMsmBnüsau
Zweitens: die Holznutzung. Aktuell wird in Deutsch-nd jährlich Holz in einem Volumen von 50 Cheops-Py-miden verbraucht; Tendenz sogar noch steigend. Dieundesregierung will deshalb nun die einheimische Hol-ernte von 80 Millionen auf 100 Millionen Vorratsfest-eter pro Jahr erhöhen. Ohne klare, verbindliche sozial-kologische Mindeststandards der Waldbewirtschaftungird das zum Raubbau führen. Deshalb müssen dieseindeststandards ins Bundeswaldgesetz – das ist auchchon von der SPD angesprochen worden – aufgenom-en werden. Das fordert die Linke seit langem, aber dieundesregierung verweigert das weiter. Das ist natürlichicht akzeptabel.
Drittens: die Jagd. Wer Waldumbau will, muss auchber Wild und Jagd reden. Bei hohen Schalenwildbe-tänden können Jungbäume nur hinter Zäunen schadlosufwachsen. Das erschwert und verteuert den Wald-mbau. Richtigerweise wird in der Waldstrategie eine
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16724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Kirsten Tackmann
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natürliche Waldverjüngung ohne Zaunschutz gefordert.Aber genau das gelingt vor Ort nicht.Wie können wir also die Wildschäden reduzieren? Siehaben vielfältige Ursachen, zum Beispiel hohe Schalen-wildbestände. Diese hohen Schalenwildbestände kom-men auch zustande, weil die Agrarlandschaft, wie sie ak-tuell da ist, exzellente Äsungs- und Schutzbedingungenbietet. Landwirte, Waldbesitzer, Forst- und Jägerschaftmüssen also zu einer strategischen Partnerschaft finden,wenn sie das Problem lösen wollen. Wir müssen darübernachdenken, wie die Politik das konstruktiv begleitenkann. Wir müssen fragen, ob es Defizite im Vollzug derJagdgesetze gibt oder ob die Jagdgesetze geändert wer-den müssen. Statt die Vielzahl der Fragen zu beantwor-ten, fordert die Bundesregierung Dritte auf, ein Leitbildzur Jagd zu entwickeln.
Aus meiner Sicht entzieht sich die Bundesregierung da-mit ihrer Verantwortung und trägt den Streit in die Dör-fer. Das ist unredlich.
Mein Fazit ist: Der Bund hat seine Bringschuld mitder Waldstrategie nicht erfüllt. Die offenen Fragen bötenviel Stoff für eine öffentliche Anhörung. Ich denke, wirsollten das auch fordern und an den Stellen weiter disku-tieren, an denen es dringend erforderlich ist.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat die Kollegin Cornelia Behm für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wie man hören konnte, sind die Koalitions-fraktionen mächtig stolz auf die Waldstrategie, die dieBundesregierung vorgelegt hat,
nach vielem Hin und Her und nach vielen Jahren derVorbereitung. Ich meine, Sie haben dazu keinen Grund.Nach meinem Dafürhalten verdient das Papier auchnicht den Namen „Strategie“; denn es ist sehr dürftig.
Von einer Strategie erwarte ich Ziele und Ideen, wie mandiese Ziele erreichen kann, also Maßnahmen und Instru-mente. Aber das bleibt die Waldstrategie schuldig. Esbleibt aus diesem Grunde völlig offen, wie Sie in allendeutschen Wäldern bis 2020 zu einer naturnahen Wald-bewirtschaftung kommen wollen.Die Regierung spricht von einer gesellschaftlichenChance und Herausforderung. Viel mehr, als die Heraus-forderungen zu beschreiben, tun Sie jedoch nicht. WieSkPdmwliluAnLlezisn2gwddbamleimretrduWsE5nSzläHWssmWdds
ir brauchen eine Politik, die die verschiedenen Anfor-erungen an den Wald integriert.
Zum Schluss zur Jagd. Ausgangslage und Herausfor-erungen sind richtig beschrieben, doch Ihre Lösungsan-ätze sind eine bunte Mischung aus „Weiter so!“ und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16725
Cornelia Behm
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„Wünsch dir was!“. Es ist doch billig, neben einem all-gemeinen Bekenntnis zur Jagd die verschiedenen Ak-teure zum Handeln aufzufordern, aber keinerlei eigenenHandlungswillen zu zeigen. Die Verantwortung für wald-angepasste Wilddichten lediglich auf Dritte abzuschie-ben, zeugt schlicht von mangelndem Gestaltungswillenoder auch von mangelndem Gestaltungsvermögen. Aberdas ist bei dieser Regierung auch nichts Neues.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren erlebenwir einen waldpolitischen Stillstand. Es wird Zeit, dassdieser durch waldpolitische und holzwirtschaftliche Tat-kraft abgelöst wird.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Josef Göppel von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
wichtigste Satz der Waldstrategie steht in Kapitel 3.3,
dass nämlich die Holzernte maximal bis zur Höhe des
durchschnittlichen jährlichen Gesamtzuwachses gestei-
gert werden darf. Es steht noch dort: „Der Wald soll als
CO2-Senke erhalten bleiben.“ Das ist die richtige Ant-
wort auf die Diskussion, die es jetzt in Deutschland gibt,
wonach man mehr Holz einschlagen müsse, damit mehr
junge Bäume gepflanzt werden könnten und mehr Koh-
lenstoff gespeichert werden könne. An dieser Diskussion
sind zwei Dinge falsch. Von dem Holz, das wir einschla-
gen, wird nur ein Drittel dauerhaft in Bauwerken und
Möbeln verarbeitet,
zwei Drittel werden kurzfristig verwertet. Der andere
Punkt ist, dass ein junger Wald etwa zwei Jahrzehnte
braucht, bis er anfängt, nennenswert Kohlenstoff zu
speichern. Deswegen ist diese Festlegung der Waldstra-
tegie eine zukunftsweisende politische Entscheidung.
Ich halte das für richtig und für gut.
Wir haben in Kapitel 3.2 Aussagen zu den Fachkräf-
ten. Das ist in der Diskussion schon mehrfach erwähnt
worden. Es heißt dort, dass eine Mindestpräsenz gut aus-
gebildeter Fachkräfte nicht unterschritten werden darf
und dass der öffentliche Waldbesitz hier eine besondere
Verantwortung trägt. Wir mussten erleben, dass in fast
allen Landeswaldungen in den letzten fünf Jahren Fach-
kräfte massiv abgebaut wurden. Wenn aber die Förster
und die Waldarbeiter aufgrund der Übergröße des Re-
viers ihren Wald gar nicht mehr kennen, mehr Zeit im
Auto als im Wald verbringen und anhand von Luftbild-
karten die Entscheidungen treffen müssen, dann ist die
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as betrifft den Punkt, den ich schon erwähnte: die Min-
estpräsenz qualifizierter Fachkräfte.
Die Strategie der Bundesregierung zur biologischen
ielfalt gilt auch für den Wald. Deswegen ist diese
-Prozent-Diskussion müßig. Sie wird übrigens mögli-
herweise ein überraschendes Ergebnis haben: Einige
andesforstverwaltungen haben bereits nach Aus-
leichsflächen für Windräder im Staatswald gesucht,
nd siehe da: Die Expertisen, die man angefertigt hat,
esagen, dass Flächen in einer Größenordnung von
oder 5 Prozent der Fläche des Waldes als Ausgleich für
indräder im Wald möglich sind. Angesichts dessen
ind die Festlegungen, die in der jetzt gültigen Waldstra-
gie verankert sind, als gute Lösung des Naturschutz-
roblems anzusehen.
Die Forstwirtschaft muss immer so betrieben werden:
ufmerksam auf die Natur schauen, behutsam mit der
atur umgehen, aber wirtschaftlich denken; auch das ge-
ört dazu. Das zusammen macht die Nachhaltigkeit aus.
Jetzt hat der Kollege Ulrich Kelber von der SPD-
raktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Es ist richtig: Wenn man über eine Waldstrategiepricht, dann spricht man über eine Nachhaltigkeitsstra-gie. Frau Kollegin Happach-Kasan hat zu Recht darauf
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16726 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Ulrich Kelber
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hingewiesen, dass dieser Begriff in der Forstwirtschaftentstanden ist. Es war mit Georg Ludwig Hartig einerder berühmtesten deutschen Forstwissenschaftler, der1804 etwas zur Menge geschrieben hat – ich zitiere –:Es läßt sich keine dauerhafte Forstwirtschaft den-ken und erwarten, wenn die Holzabgabe aus denWäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist.Er ist aber auch auf die anderen Leistungen des Waldes,die dieser für die Gesellschaft bereitstellt, eingegangen.Noch einmal ein Zitat:… doch so zu benutzen suchen, daß die Nachkom-menschaft wenigstens ebenso viel Vorteil darausziehen kann, als sich die jetzt lebende Generationzueignet.Das ist eine klare Definition des Begriffs, eine Erkennt-nis, die in Deutschland nachher nicht immer befolgtwurde – das sehen wir an Schäden im Wald –, und eineErkenntnis, die aufgrund des wachsenden Nutzungs-drucks auf den Wald wiederum gefährdet ist.Die weiteren Lebensgrundlagen – neben der reinenBereitstellung von Holzmaterial – haben einige Redne-rinnen und Redner schon angesprochen. Umso wichtigerist es, eine Waldstrategie nicht so anzulegen, dass derWald nur zu einem Holzlieferanten degradiert wird. Wirhaben in diesem Plenum und auch in den entsprechendenAusschüssen oft schnell Einigkeit im Hinblick auf deninternationalen Klimaschutz, sei es beim Schutz der Re-genwälder oder sei es beim Schutz der Wälder Kanadasund Russlands. Eine kleine Ausnahme ist im Augenblicksicherlich die Frage des Schutzes des Yasuní-Regenwal-des. Dazu haben wir zwar als Parlament einheitliche Be-schlüsse gefasst, aber ein Mitglied der Bundesregierung,das nicht anwesend ist, ist der Meinung, diese Be-schlüsse nicht umsetzen zu müssen,
wodurch eine der wichtigsten Schutzmaßnahmen gefähr-det wird.
Die Maßnahmen, die wir anderen Ländern zumSchutz von Wäldern empfehlen, das, was wir ihnen emp-fehlen, wie nachhaltige Waldnutzung aussieht, das mussdoch auch für unsere heimischen Wälder gelten.
Deswegen müssen wir diese Maßstäbe festschreiben unddürfen sie nicht nur der Gutmütigkeit des Einzelnenüberlassen. Ich glaube, dass die große Mehrheit derWaldbauern möchte, dass wir das, was sie bereits tun,festschreiben, damit alle so handeln müssen, auch dieje-nigen, die nicht aus der gleichen Tradition nachhaltigerWaldnutzung kommen.Was ist unsere Kritik an der Waldstrategie der Bun-desregierung? Ich greife vier Jahre zurück, nämlich zuder von CDU/CSU und SPD gemeinsam verfassten na-tionalen Biodiversitätsstrategie, die durchaus eine ganzeMrancdsislandbvsbddswhDteztehsWnnmshSeCKg
ies als Stilllegung, also mit einem Begriff aus der in-nsiven Nutzung von Ackerflächen, zu diffamieren,eigt, dass man den Wald zu einem reinen Holzlieferan-n degradieren möchte. Das wäre ein großer Fehler.
Wir brauchen verbindliche Vorgaben für eine nach-altige Waldbewirtschaftung. Wir müssen große Kahl-chläge verbieten.
ir müssen dafür sorgen, dass neuartige Erntemaschi-en den Wald nicht inklusive der Wurzeln leerfegen kön-en. Darüber hinaus müssen wir die Wiederaufforstungit heimischen Baumarten festschreiben.Der Einsatz für Regenwälder ist die Kür des Natur-chutzes, der Einsatz für eine nachhaltige Politik für dieeimischen Wälder ist die Pflicht, und dahin musschwarz-Gelb zurückkehren.Vielen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
rteile ich das Wort dem Kollegen Alois Gerig von der
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Meine sehr verehrten Gäste! Ich möchte ein-angs meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass wir
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16727
Alois Gerig
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zum Ende einer durchaus anstrengenden Sitzungswocheein so schönes Thema wie den deutschen Wald hier dis-kutieren dürfen, und ich bedauere sehr, dass nicht alleKolleginnen und Kollegen der Opposition diese Freudemit mir teilen.
Die Waldstrategie der Bundesregierung ist viel mehrals ein symbolischer Beitrag zum internationalen Jahrder Wälder. Deshalb vorab mein Dank an die Ministerinund an das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz für die Idee, für den Dialog mitmöglichst vielen Beteiligten und für dieses Ergebnis.
Diese Waldstrategie wird der Bedeutung unserer Wälder– immerhin ist ein Drittel Deutschlands mit Wald be-wachsen – gerecht. Die Bundesregierung zeigt damitWege auf, wie wir den steigenden Ansprüchen an denWald begegnen und mit einer nachhaltigen Bewirtschaf-tung seine ökologische, ökonomische und soziale Funk-tion bewahren können. Für diese Zielsetzung verdientdie Waldstrategie unser Lob und unsere Unterstützung.
Da die Strategie darauf abzielt, verschiedene und da-mit auch gegensätzliche Nutzungsansprüche an denWald in Einklang zu bringen, stellt sie notwendigerweiseeinen Kompromiss dar. Aber ich kann schon behaupten– davon bin ich überzeugt –, dass wir die Balance gefun-den und auch das richtige Augenmaß gewahrt haben undjetzt keine ideologischen Scheuklappen aufsetzen müs-sen.Ich habe die Waldstrategie in meinem Wahlkreis mitWaldeigentümern, Forstbetriebsgemeinschaften, Förs-tern, Naturschützern und Jägern diskutiert, und ich kannberichten, dass sie durchaus auf positive Resonanz ander Basis stößt. Insbesondere wird anerkannt, dass dieBundesregierung an die bisherige Waldpolitik anknüpftund zusätzlich Themen aufgreift, die den Praktikern vorOrt unter den Nägeln brennen.Bei meinen Gesprächen zur Waldstrategie sorgte ins-besondere die Frage für Zündstoff, wie viel Wald zumSchutz der Biodiversität aus der forstwirtschaftlichenNutzung genommen werden sollte. Es ist vernünftig,dass die Waldstrategie keine pauschalen Vorgaben fürWaldstilllegungen vorsieht, die über die Biodiversitäts-strategie der Bundesregierung hinausgehen. Wir habendiese Biotope schon, wie es der Kollege Caesar sehrrichtig gesagt hat.Wir sollten uns hier einmal an den Fakten orientieren.Weltweit nehmen die Waldbestände – das haben wirschon besprochen – ab; in Deutschland nehmen sie seitJahren zu. In unseren Wäldern schlummert proportionaldeutlich mehr Holzpotenzial als in Europa und in derWelt. Eines kann man deshalb auch sagen: In den letztenJahrzehnten waren viele Waldbesitzer wegen der schlech-ten Holzpreise für ihren Besitz geradezu gestraft. Denensollten wir doch einmal gönnen, dass sie finanziell etwasLuft zum Atmen haben.zliicdkfeimWRnswe1ruWfüzWzBnEmwbledohdawlaMnWDw
emerkenswert ist nämlich, dass eine nachhaltige Wald-utzung auch zum Klimaschutz beiträgt.
s ist erwiesen: Indem wir unseren Wäldern Holz entneh-en und einer stofflichen und/oder energetischen Ver-endung zuführen, wird jährlich die Freisetzung – maneachte! – von rund 80 Millionen Tonnen CO2 aus fossi-n Brennstoffen vermieden.Um die Stabilität unserer Wälder zu verbessern, siehtie Waldstrategie unter anderem den Anbau von stand-rtgerechten und vorwiegend heimischen Baumarten mitoher Widerstandsfähigkeit vor. Das heißt aber auch,ass es erlaubt sein muss, dass an manchen Standortennstelle der Fichte, die zum Beispiel wegen des Klima-andels nicht mehr so gut geht, auch einmal eine Doug-sie gepflanzt wird.
it dem Waldklimafonds wird die Koalition ein geeig-etes Instrument schaffen, um die Anpassung unsererälder an Klimaveränderungen finanziell zu fördern.
abei ist mir wichtig, dass das Geld auch dort ankommt,ofür es vorgesehen ist, nämlich beim deutschen Wald.
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16728 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Alois Gerig
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Eine nachhaltige und naturnahe Waldbewirtschaftungsowie die Vorbereitung unserer Wälder auf den Klima-wandel ist nur dann gewährleistet – das hat Herr JosefGöppel ausgeführt –, wenn genügend Fachpersonal zurVerfügung steht. Ebenfalls muss es darum gehen – auchdas hat Herr Kollege Göppel ausgeführt –, Waldbesitzermit nur kleinen Beständen zu unterstützen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wald-strategie mit ihren vielen zukunftsweisenden Lösungsan-sätzen zeigt, dass die Bundesregierung ihre Verantwor-tung für den deutschen Wald sehr ernst nimmt. DieStrategie ist darauf ausgerichtet, Bewährtes zu erhalten:Der deutsche Wald soll auch künftigen Generationen alsNatur-, Wirtschafts- und Erholungsraum dienen. Ichbitte Sie alle: Lassen Sie uns dieses Ziel weiterhin ge-meinsam verfolgen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7292 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschließungs-
antrag auf Drucksache 17/7667 soll an dieselben
Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 31 a und b sowie den
Zusatzpunkt 11 auf:
31 a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Ulrich Kelber, Dirk Becker, Gerd Bollmann, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Klimadiplomatie der Bundesrepublik Deutsch-
land
– Drucksachen 17/4705, 17/6861 –
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Hermann E. Ott, Kerstin Müller ,
Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Neue Initiative für transatlantische Koopera-
tion in der Klima- und Energiepolitik
– Drucksache 17/7356 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Hermann E. Ott, Viola von Cramon-Taubadel,
Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
China als wichtiger Partner im Klimaschutz
– Drucksache 17/7481 –
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Frank Schwabe
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Wir befinden uns in einer wirklich absurden Situa-tion. Wenn man in der Welt herumkommt, dann trifftman in den deutschen Botschaften auf Botschafter, die– und das ist nicht persönlich gemeint – nicht so genauwissen, was Deutschland in dem Bereich eigentlichmacht. Sie haben Mühe, einen Überblick über alle Pro-gramme zu bekommen. Außerdem mangelt es an Exper-tise. Da können wir von den Briten lernen, die mittler-weile einen großen Teil ihres Außenministeriums aufFragen der internationalen Klimapolitik spezialisiert ha-ben. An den britischen Botschaften findet man Experten,an der Britischen Botschaft in Deutschland gleich meh-rere. Das brauchen wir auch an den deutschen Botschaf-ten.Es gab Klimainitiativen des damaligen Außenminis-ters Frank-Walter Steinmeier in den USA. Wir haben indiesem Zusammenhang eine Große Anfrage gestellt. Inder Antwort darauf fehlte die Antwort auf unsere Fragezu einer Initiative Deutschlands in den Bundesstaatender USA, was den Emissionshandel betrifft. Diese Initia-tive scheint es nicht mehr zu geben. Das heißt, im Be-reich der Außenpolitik ist viel zu tun.Aber das reicht nicht. Wir brauchen eine institutio-nelle und personelle Verankerung in der Außenpolitik.Ebenso wichtig ist, dass die Bundesrepublik Deutsch-land in dem Bereich eine Führungsrolle übernimmt.
Es tut mir leid: Dort versagen Sie auf ganzer Ebene. Wirhaben schon mehrfach miteinander darüber diskutiert,was international notwendig ist. Führung, Leadership,wäre notwendig. Vertrauen – das, was international als„Trust“ bezeichnet wird – wäre notwendig. Das leistenSie nicht. Im Bereich der Klimafinanzierung ist es wei-terhin so, dass 88 Prozent der Gelder, die im Rahmen derFast-Start-Finanzierung zugesagt wurden, von Ihnennicht bereitgestellt werden. Es sind also gerade einmal12 Prozent der Gelder geflossen. Diese Quote ist im Be-reich der internationalen Klimapolitik definitiv nichtausreichend, um für Deutschland eine Vorreiterrolle re-klamieren zu können.
Was die Reduktion der Emissionen angeht, ist die Eu-ropäische Union nicht ambitioniert genug. Ich habeheute in der Süddeutschen Zeitung von Herrn Außen-minister Westerwelle den Satz gelesen:Wir haben eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz.Man hat ihm da einen richtigen Satz aufgeschrieben. Erist bloß nicht unterlegt.Herr Röttgen ist mittlerweile eine traurige Gestalt ge-worden. Er predigt seit über einem Jahr das 30-Prozent-Ziel. Er wird aber von der Koalition, der Bundesregie-rung und auch von der Bundeskanzlerin sträflich alleingelassen. Herr Kauch, Sie werden gleich noch reden.Vielleicht können Sie dann einmal die Frage beantwor-ten, wie Herr Westerwelle zu dem 30-Prozent-Ziel steht,drudwsfipdnLpnsdEdsainwdliRreUImzlikHgdwHwkuucdDPswgV
Das Wort hat der Kollege Andreas Jung für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anschluss an die Rede von Frank Schwabe will ichunächst einmal feststellen: Es ist wahr, dass die öffent-che Debatte derzeit von der Euro-Krise und der Finanz-rise in Europa geprägt wird. Wahr ist aber auch: Dieerausforderungen des Klimaschutzes sind nicht weni-er wichtig geworden. Wir konnten erst dieser Tage wie-er lesen, dass der weltweite Ausstoß an Treibhausgaseneiter steigt. Deshalb ist energisches und auch schnellesandeln dringend geboten. Es wäre nichts gewonnen,enn wir am Ende zwar die Euro-Krise und die Finanz-rise bewältigen würden, aber das Klima uns sozusagenm die Ohren fliegt.Es ist richtig, wenn in der Großen Anfrage der SPDnd auch in den vorliegenden Anträgen davon gespro-hen wird, dass Klimaschutz ein wichtiges Thema fürie diplomatischen Bemühungen der Bundesrepublikeutschland bleibt. Wir wissen, dass wir das globaleroblem des Klimawandels nur mit unseren Partnern lö-en können. Diese Partner sind souveräne Staaten, dieir zu nichts zwingen können und die für einen enga-ierten und ambitionierten Klimaschutz nur auf demerhandlungswege gewonnen werden können.
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16730 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Andreas Jung
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Es ist übrigens bemerkenswert – so ist es in der Ant-wort auf die Große Anfrage zu lesen –, was an Aktivitä-ten auf allen Ebenen schon erfolgt ist. Aufgrund der Er-kenntnis, dass der Klimawandel eines der ganz zentralenThemen ist, wissen wir, dass diese Aktivitäten noch ver-stärkt werden müssen. Deshalb finde ich es richtig, dassder Bundestag dieses Anliegen unterstützt. Ich halte esebenfalls für richtig, dass wir dies gerade im Vorfeld derKonferenz von Durban tun.Wir wissen, dass kritisch auf diese Konferenz ge-schaut wird. Es wird die Frage gestellt, ob solche Konfe-renzen Sinn machen und ob es nicht viel zu langsam vo-rangeht. Es ist wahr: Auf all diesen Konferenzen habenwir noch nicht das erreicht, was wir erreichen wolltenund was wir am Ende erreichen müssen. Wir alle sindvor zwei Jahren von der Konferenz in Kopenhagen resi-gniert und frustriert nach Hause gefahren, weil dort inder Tat viel Porzellan zerschlagen wurde.Ein Teil dieses Porzellans wurde in Cancún zusam-mengeflickt. Immerhin ist der Schritt dahin gelungen,dass erstmals das 2-Grad-Celsius-Ziel, das die Forscherbei der Bekämpfung des Klimawandels für wesentlicherachten, anerkannt wurde.Wahr ist auch, dass das nur ein erster Schritt war. Alszweiter Schritt fehlt noch die Folgerung daraus, nämlichdie Verpflichtung von Industriestaaten, die Beteiligungvon Schwellen- und Entwicklungsländern mitzutragen,und zwar in Form eines völkerrechtlich verbindlichenAbkommens.Das bleibt unser Ziel, auch in Durban. Wir wissenaber, dass es schwierig bis ausgeschlossen sein wird,schon dort einen Durchbruch zu erreichen. Deshalb ist esrichtig, zu sagen – wie auch beantragt wird –, dass wireinerseits dieses Ziel in Durban verfolgen werden, wirandererseits unterhalb dieser Ebene prüfen müssen, wiewir das Ganze voranbringen. Das kann zum einen da-durch geschehen, dass wir unsere Bereitschaft ankündi-gen, eine zweite Kioto-Verpflichtungsperiode einzuge-hen, um so unsere Ziele erreichen zu können. Zumanderen können wir auf diplomatischem, auf politischemWeg Kooperationen mit Partnern überall auf der Welteingehen. Dabei dürfen wir insbesondere die USA undChina als die beiden Hauptemittenten von CO2 nicht ausder Verantwortung lassen. Ich bin davon überzeugt, dassdas eine Botschaft der deutschen Außenpolitik seinmuss. Kein Staat kann eine Führungsrolle beanspruchen,der bei dem entscheidenden Thema Klimaschutz nur amRande steht.
Ich komme auf das zu sprechen, was wir in Deutsch-land tun. Deutschland muss seine Führungsrolle weiter-hin kraftvoll wahrnehmen. Das hat mit unserem prakti-schen Handeln zu tun. Ich nenne als Beispiel dieEnergiewende. In diesem Jahr haben wir im Konsensden vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie beschlos-sen. Dabei gab es von vornherein immer eine Vorausset-zung, nämlich dass wir unsere Klimaziele dadurch nichtinfrage stellen. Das unbedingte Ziel lautet, bis 20204DdbeuDahssBZFThawFhpFlashti–KUdihDwEgimbKd
afür werde ich in den nächsten Tagen und Wocheneiter werben.
Sie wissen: Viele Diskussionen sind noch zu führen.s gibt dabei viel Überzeugungsarbeit zu leisten, die wirerne übernehmen wollen. Die deutsche Vorreiterrolle Klimaschutz bleibt. Wir arbeiten dafür, dass in Dur-an weitere wesentliche Schritte auf dem Weg zu einemlimaabkommen unternommen werden können.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter fürie Fraktion Die Linke.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16731
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Antwort auf die Große Anfrage der SPD
zur Klimadiplomatie der Bundesrepublik Deutschland
hat 34 Seiten. Bei allem Respekt vor der Arbeit der Be-
teiligten: Was machen wir jetzt damit? Wenn wir ehrlich
sind, müssen wir sagen: Es ist bereits jetzt klar, dass die
UN-Klimakonferenz auch dieses Jahr wie das Hornber-
ger Schießen ausgehen wird. Am Mittwoch bemerkte
eine Klimazeugin aus Papua-Neuguinea im Umweltaus-
schuss, dass wir uns auf COP 17 in Durban über das
Scheitern von COP 16 in Cancún unterhalten. Da hatten
wir uns über die Katastrophe der COP 15 in Kopenhagen
verständigt. Kein Wunder, dass uns immer mehr Men-
schen aus Umweltbewegungen die Frage stellen, was die
jährlichen Treffen der Klimadiplomaten und Lobbyisten
überhaupt bringen.
Um eines klarzustellen: Ich bin nicht der Meinung,
dass die Klimaverhandlungen überflüssig sind. Globale
Probleme müssen auch global geklärt werden.
Doch ich frage mich dann schon, ob die debattierte Mi-
nimallösung – etwa ein bis 2017 verlängertes Kioto-Pro-
tokoll mit unveränderten Minderungszielen – tatsächlich
Sinn macht. Schließlich übernehmen wir dann die ge-
samte heiße Luft aus den osteuropäischen Staaten, an-
statt diese Emissionen mit einem neuen Abkommen zu
verhindern. Dann frage ich mich: Ist es vielleicht sogar
sinnvoller, ein paar Jahre, bis ein vernünftiges Abkom-
men geschlossen wird, mit nationalen Verpflichtungen
zu überbrücken, um in dieser Zeit die zugesagten, drin-
gend notwendigen Fonds für Klimaschutz, Anpassung
und Waldschutz mit Geld und tatsächlich mit Leben zu
füllen?
Diese Frage stelle ich jetzt einmal in den Raum.
Wie dem auch sei, für mich wird jedenfalls immer
klarer, welche Rolle unsere Klimapolitik hier in
Deutschland im internationalen Kontext einnimmt bzw.
einnehmen muss. Ich bin der Überzeugung: Die Bundes-
republik kann bei der globalen Energiewende eine
Schlüsselrolle spielen, und zwar als praktisches Beispiel
dafür, dass ein industrialisierter Staat seine Energiever-
sorgung tatsächlich vollständig auf eine regenerative
Versorgung umstellen kann,
und zwar ohne Problemverlagerung ins Ausland, siehe
Agrosprit, oder auf Kosten der sozial Schwachen, Stich-
wort „Energiearmut“. Die Bundesrepublik hat mit der
erkämpften Energiewende, so mangelhaft sie im Detail
auch ist, den Weg für eine solche Rolle freigemacht.
Sie wissen es selbst: Vertreter aus China und anderen
Staaten haben mehrmals erklärt, dass sie die Entwick-
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um anderen sind die Anreize für die Industrie, hierzu-
nde in Energiespartechnologien einzusteigen, fast null.
ie Industrie hat zu viele Emissionsrechte erhalten, und
as auch noch umsonst. Ja, sie verdient sogar mit dem
erg von Zertifikaten, die sie natürlich verkaufen kann.
ie Sandbag-Studie, die in dieser Woche vorgestellt
urde, hat das nachgewiesen. Auch mit EEG-Umlage,
kosteuer und Stromkostenkompensation verdienen die
nergieintensiven Unternehmen mehr, als sie zahlen,
enn sie überhaupt zahlen. Die Bundesregierung be-
eibt hier das Geschäft der Konzerne zulasten kleiner
nd mittlerer Unternehmen sowie der einfachen Leute.
iese müssen nämlich für das alles allein blechen, ge-
auso wie die Menschen in Afrika, Asien oder den Pazi-
kstaaten. Das wurde in mehreren Anhörungen, die
tzte erst am Mittwoch, klar.
Darum: Werden wir endlich glaubwürdig, liebe Kol-
ginnen und Kollegen. Deutschland muss sich für eine
eform des Emissionshandels genauso einsetzen wie für
in bedingungsloses 30-Prozent-Minderungsziel der Eu-
päischen Union.
Nur durch glaubwürdige Entscheidungen wird die
onferenz ein Erfolg. Das ist ganz wichtig und dringend
otwendig.
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für dieDP-Fraktion.
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16732 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!Deutschland hat im Sommer den Vorsitz im Weltsicher-heitsrat gehabt. Eine der wesentlichen Initiativen vonGuido Westerwelle war, dass im Weltsicherheitsrat zumersten Mal über den Klimawandel diskutiert und ein Be-schluss gefasst worden ist. Das ist für den Sicherheitsrat– Stichwort: sicherheitspolitische Dimension den Klima-politik – ein wichtiger Auftakt gewesen. Darauf könnenwir aufbauen. Dafür danke ich dem Auswärtigen Amtausdrücklich.Wir werden in der Außenpolitik ein Bündel von Inte-ressen bilden müssen. Wir kommen in den Klimaver-handlungen an Grenzen dessen, was Umweltminister alsInteressenausgleich verhandeln können. Wir werden ne-ben den Umweltinteressen auch Handels-, Sicherheits-und machtpolitische Interessen der Staaten zu Bündelnzusammenfassen müssen, wenn wir mit Staaten wieChina oder den Vereinigten Staaten vorankommen wol-len.Das ist die Erkenntnis, die wir seit der gescheitertenKonferenz von Kopenhagen im Jahr 2009 auch im Deut-schen Bundestag gezogen haben. Der Deutsche Bundes-tag hat im letzten Jahr erstmals sehr deutlich die außen-politische Dimension der Klimapolitik hervorgehoben.Auf diesem Weg müssen wir vorangehen, wenn wirernsthaft zu Ergebnissen kommen wollen.
Schauen wir uns die Machtinteressen eines Staates wieChina an. China ist inzwischen der größte Emittent vonTreibhausgasen. Gleichzeitig ist Chinas Volkswirtschaftvon Unterschieden geprägt, von Städten, die wie die in In-dustriestaaten aussehen, und von einer ländlichen Re-gion, wo man erkennt, dass es noch ein Entwicklungslandist. China ist also ein klassisches Schwellenland, in demnatürlich Armutsbekämpfung im Vordergrund steht. Aufder anderen Seite kommt es in die Weltmärkte hinein undwill noch weiter hineinkommen. Es hat auch Interessenmit Blick auf die Welthandelsorganisation. Natürlich willes insgesamt eine wichtige Rolle in der Weltarchitekturspielen. Darauf müssen wir als Europäer eine Antwort ge-ben.Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, dass wir denDialog insbesondere mit China forcieren. Das könnenauch die Parlamente tun. Beispielsweise gibt es von derAbgeordnetenorganisation Globe einen EU-China-Dia-log, mit dem wir zwischen den nationalen Parlamentenin der Europäischen Union, mit dem Europäischen Par-lament und dem Nationalen Volkskongress in China dieVerständigung voranbringen wollen, um den Boden fürVereinbarungen zwischen den Regierungen zu bereiten.China hat Interessen, aber auch Verantwortung. DieseVerantwortung ist different zu unserer Verantwortung.Es hat nicht so viel historische Verantwortung wie wir,aber es hat Verantwortung für die Zukunft. Denn der Kli-mawandel von heute liegt noch nicht in der Verantwor-tung der Chinesen. Aber der Klimawandel von morgenliegt in der Verantwortung der Volksrepublik China.zdpwmdAoSskraddhwSvdmDErebbdBLNdaadhMSzdDeleDdB
Wir brauchen von China Transparenz hinsichtlich derugesagten Maßnahmen. Wir können es akzeptieren,ass sie Zusagen machen, die nicht mit unseren Ver-flichtungen übereinstimmen, aber wir können schon er-arten, dass die Zusagen, die die Volksrepublik Chinaacht, entsprechend nachgewiesen werden, und zwarurch international hergestellte Transparenz. Das ist dernspruch, den wir haben müssen, wenn wir solche Ko-perationen mit Steuergeldern finanzieren. Wenn wirteuergelder geben, muss für unsere Steuerzahler klarein, dass dabei am Ende etwas für das Klima heraus-ommt.
Die Grünen haben einen Antrag zum Thema Koope-tion mit China gestellt. Darin stehen viele kluge Dinge,ie wir teilen. Aber an einer Stelle wird wieder deutlich,ass es ihnen eben nicht um einen Dialog auf Augen-öhe geht; denn Sie wollen den Chinesen vorschreiben,elchen nationalen Entwicklungsweg sie gehen sollen.ie sagen beispielsweise in Bezug auf CCS, dass Kohle-erstromung mit CO2-Abscheidung ausgeschlossen wer-en muss. Ich sage Ihnen deutlich: Diese Entscheidunguss die Volksrepublik China treffen und nicht dereutsche Bundestag. Wir müssen von den Chinesen dierbringung von Beiträgen erwarten, aber sie müssen ih-n nationalen Weg finden, so wie wir den Anspruch ha-en, unseren nationalen Weg im Bereich Energiemix zueschreiten.
Wenn wir uns andere Schwellenländer anschauen,ann stellen wir fest, dass es gute Beispiele gibt, etwarasilien. Unter den Schwellenländern ist Brasilien einand, das bei klimapolitischen Fragen vorne dabei ist.atürlich hat auch Brasilien Interessen, beispielsweiseie Öffnung der Märkte für Agrarrohstoffe. Ich glaubeuch: Wenn Brasilien mit uns kooperiert, dann hat esuch einen Anspruch darauf, dass beispielsweise Han-elserleichterungen zugesagt werden. Ich würde es des-alb begrüßen, wenn die Europäische Union endlich ihreärkte für Agrarrohstoffe aus Brasilien und anderenchwellenländern öffnen würde. Das wäre ein Beitragur Vertrauensbildung und zum Interessenausgleich miten Schwellenländern.
Ich begrüße es, dass Bundesentwicklungsministerirk Niebel gerade im Bereich Waldschutz ausdrücklichinen Schwerpunkt auf die Kooperation mit Brasiliengt.
er Amazonien-Fonds, der jetzt neu aufgelegt ist und inen Deutschland einzahlen wird, ist ein herausragendeseispiel für diese Kooperation. Das liegt auch im Inte-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16733
Michael Kauch
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resse unserer deutschen Wirtschaft; denn mit nichts kannman so viel Treibhausgas für vergleichsweise wenigGeld einsparen wie durch Waldschutz. Das liegt in unse-rem Interesse. Das ist keine Charity-Veranstaltung, son-dern Kooperation im besten Sinne. Wir bekommen et-was dafür, wenn wir die Wälder in Amazonien, aberauch im Kongobecken schützen.
Es gab eine Diskussion über den Erhalt des Yasuní-Nationalparks in Ecuador. Die Koalition wird hier einAngebot formulieren. Wir werden ein Angebot für denErhalt des Yasuní-Nationalparks unterbreiten, allerdingsdeutlich nach den Regeln, die die Vereinten Nationen imKlimaprozess vorgesehen haben.
REDD ist aus unserer Sicht der beste Mechanismus, umTreibhausgasemissionen nachzuweisen.Zusammenfassend möchte ich darauf hinweisen, dasswir als Europäische Union die Kooperation mit denSchwellen- und Entwicklungsländern voranbringenmüssen. Wir müssen deutlich machen, dass die Schwel-len- und Entwicklungsländer oft mehr gemeinsame Inte-ressen mit der Europäischen Union haben als beispiels-weise mit China innerhalb der G 77. Wir müssen in dendiplomatischen Beziehungen zu den Schwellen- undEntwicklungsländern das Vertrauen in Deutschland undin die Europäische Union stärken, um den Prozess einesfairen Interessenausgleichs zugunsten einer nachhaltigenEntwicklung in diesen Ländern voranzubringen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Ott für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich binden Kolleginnen und Kollegen von der SPD sehr dank-bar für ihre Große Anfrage, die uns jetzt Gelegenheitgibt, einmal abseits der üblichen vorkonferenziellen De-batten etwas grundsätzlicher über Klimadiplomatie undKlimapolitik nachzudenken. Soweit ich das weiß, warder ursprüngliche Plan, dass die Außenpolitiker an die-ser Stelle debattieren sollten. Das ist, glaube ich, bei al-len Fraktionen nicht so richtig gelungen. Ich rege an– meine Kollegin Viola von Cramon-Taubadel, unsereExpertin für die Bereiche Auswärtiges und China, sitztim Saal –, dass wir die nächste Debatte tatsächlich mitunseren Expertinnen und Experten für den Bereich Aus-wärtiges bestreiten.Die Große Anfrage enthält einige gute und interes-sante Fragen, und die Antwort der Bundesregierung ent-hält ein paar interessante Antworten, zum Beispiel, wasdie Position der unterschiedlichen Schwellenländer inBezug auf ein zu verhandelndes neues Abkommen be-trifft. Die Antwort enthält tatsächlich etwas Neues. EineRraDAtrAdhCnluAChsuMSasdtenstisdbnuscSnNDdgdDssabhAhnbUteKu
Was die Kooperation mit den USA betrifft: Das istzw. war seit langem der Stolperstein in den internatio-alen Beziehungen. Deshalb ist es wichtig – das ist Teilnseres Antrags –, dass wir mit den Regionen, die fort-chrittlich sind, die eine vernünftige Klimapolitik ma-hen wollen, vorzugehen. Das sind Staaten oder auchtädte und Gemeinden. Ein Beispiel ist Northern Virgi-ia. Es gibt eine Reihe von Kooperationen zwischenorthern Virginia und Städten und Gemeinden ineutschland. Das hat zu einer erheblichen Umgestaltunger Umwelt- und Energieplanung in Northern Virginiaeführt. Das hat dazu geführt, dass diese Region als Mo-ell gilt, auch in anderen Teilen der Vereinigten Staaten.eutschland sollte zum Beispiel für die „Transatlanti-che Klimabrücke“ sehr viel mehr Mittel zur Verfügungtellen, um diese Initiativen von unten zu stärken.
Trotz der Wortgewalt in den Antworten auf die mehrls 100 Fragen wird deutlich, dass bei der Koalition undei der Bundesregierung eine dröhnende Ratlosigkeiterrscht; denn wir finden auf den mehr als 30 Seiten keinentwort auf die Frage, was nach dem Scheitern der Ver-andlungen in Kopenhagen geschehen soll. Wir erfahrenicht, wie die Analyse aussieht. Herr Kauch hat gesternzw. vorgestern bei einem Treffen mit Vertretern vonmweltverbänden gesagt: Die USA werden in den nächs-n 10 bis 15 Jahren keinem rechtlich verbindlichenlimaschutzvertrag beitreten. Damit müssen wir dochmgehen. Dazu findet sich aber nichts in diesem Wortge-
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16734 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Hermann E. Ott
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klingel der Antwort der Bundesregierung auf die GroßeAnfrage. Wir müssen uns aber klar darüber werden, wiewir notfalls auch ohne die USA den Klimaschutz voran-bringen können – nur das kann uns weiterhelfen –: mitAllianzen innerhalb, aber auch mit Allianzen außerhalbder Klimarahmenkonvention. Falls Durban nicht dasbringt, was wir erwarten, dann müssen wir uns ernsthaftdarüber Gedanken machen, ob nicht Deutschland, obnicht Europa eine Initiative starten sollte, die parallel zumProzess der Vereinten Nationen den Klimaschutz interna-tional voranbringt.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Katherina Reiche.
Ka
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Klimawandel betrifft sehr viele Politikfelder. Er isteine globale entwicklungspolitische, umweltpolitische,außen- und sicherheitspolitische Herausforderung. HerrKollege, Sie haben gerade anerkennend gesagt, dass Siein der Antwort der Bundesregierung sehr viele Aktivitä-ten gefunden haben. Gleichzeitig sagten Sie, da stehenichts drin. Ich finde, das schließt sich aus. Man kannnicht erwarten, dass mit einer Konferenz der GordischeKnoten durchschlagen wird und dass die Probleme da-nach gelöst sind. Wer so denkt, hat, glaube ich, nicht ver-standen, dass wir bei der Diplomatie, auf den Wegen, diewir gehen – dies ist manchmal mühsam –, nur Schritt fürSchritt zu einem Erfolg kommen.Deutschland engagiert sich intensiv in den internatio-nalen Klimaschutzverhandlungen; das haben alle ande-ren Vorredner zustimmend erwähnt.
Es ist gut, dass in dieser Frage im Deutschen Bundestaggroße Einigkeit besteht, dass wir uns vor jeder Konfe-renz mit gemeinsamen Anträgen positionieren. Das istein starkes Signal an die internationale Gemeinschaftund stärkt den Verhandelnden den Rücken. Wir engagie-ren uns in bilateralen und in multinationalen Partner-schaften, weil wir glauben, dass wir so ein ausreichendespolitisches Momentum für eine globale Lösung aufrecht-erhalten und verbessern.Unser Ziel bleibt – das möchte ich betonen – der Ab-schluss eines globalen, ausgewogenen, umfassenden undrechtsverbindlichen Klimaschutzabkommens mit binden-den Minderungszielen. Hierfür nutzen wir alle Instru-mente der Außen-, Umwelt-, Wirtschafts-, Forschungs-uecticdRimnraRgfrMaghrusdvmdSfeedKEtrEWdsddKdläleagHupEwkbhdwz
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16735
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können es schaffen. Die Zukunft unseres Planeten sollteuns diese Anstrengung wert sein.
Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Staatssekretärin, Sie haben von Vertrauen und not-wendiger Glaubwürdigkeit gesprochen. Sie sagten, dieBundesrepublik Deutschland habe in den internationalenVerhandlungen einen großen Beitrag zur Vertrauensbil-dung geleistet, auch durch die Fast-Start-Mittel. Ich kannIhnen nur sagen: Aus meiner Sicht verursacht die Nicht-einhaltung von Zusagen den größten Vertrauensverlust,den die Bundesrepublik Deutschland derzeit auf interna-tionaler Ebene zu verkraften hat. Die Nichtregierungsor-ganisation Oxfam hat Sie darauf hingewiesen, dass Sie12 Prozent Ihrer Zusagen gehalten haben. Das heißt, Siehaben 12 Prozent Vertrauen. Aber 88 Prozent sind bis-lang auf der Strecke geblieben. Das behindert den Fort-schritt auf internationalen Klimakonferenzen.
Das, was Sie, Herr Kauch, eben gesagt haben, hörtesich gut an. Aber wenn es konkret wird und um Verbind-lichkeit geht, sind wir fast keinen Schritt vorangekom-men, weder bei den Fast-Start-Mitteln noch im Hinblickauf konkrete Minderungsziele, beispielsweise das un-konditionierte 30-Prozent-Minderungsziel, dessen Be-deutung Andreas Jung lobenswerterweise betont hat.Das ist in der schwarz-gelben Regierung nicht durch-setzbar. Deswegen fahren wir mit angezogener Hand-bremse nach Durban, und das ist ungesund.
Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, schlagen wir Ih-nen vor, hier in Deutschland anzufangen, sich an konkre-ten, verbindlichen Zielen zu orientieren und das Handelndanach auszurichten – bislang vergeblich. Wir haben Ih-nen auch vorgeschlagen, ein nationales Klimaschutzge-setz zu verabschieden. Nichts ist passiert. Auch dies trägtnicht zur Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene bei.
Fritz Vorholz hat in der Zeit von dieser Woche sehrdeprimiert geschrieben, das Problem der Klimapolitikbestehe darin, dass der Meeresspiegel langsamer an-steige als der Zins für Staatsanleihen. Ich glaube, hinterdieser Aussage steckt sehr viel. Denn eines ist klar:Wenn wir es nicht schaffen, diese Menschheitsfrage in-ternational, aber auch national zu beantworten, dannweisen wir den nachfolgenden Generationen den Weg inden Ruin.kliluhwdZswpUtitemusguudimsbwSdddjevDnmosWKdvbLshS
Ich glaube, in diesem Zusammenhang können wir esns leisten, immer einen Schritt weiter als andere zuein. Denn was vergeben wir uns, wenn wir unsere Ener-ieeinsparziele nach oben schrauben? Was vergeben wirns, wenn wir Effizienz ganz hoch ansiedeln, wenn esm das Herstellen neuer Maschinen geht? Wir sorgen soafür, dass Maschinen produziert werden, die zukünftig Export gefragt sind. Wir werden die Wirtschaft damittärken und nicht nur die Umwelt schützen. Was verge-en wir uns, wenn wir als Politiker endlich erkennenürden, welche Folgen es hätte, die von Sir Nicholastern aufgezeigte Entwicklung zu verschlafen? Welcheramatischen volkswirtschaftlichen Kosten kämen aufie Menschheit zu, wenn wir es jetzt nicht schaffen wür-en, den notwendigen Umschwung zu erreichen? Durchde Milliarde, die wir jetzt einsetzen, wird das Zahlenon sehr vielen Milliarden in der Zukunft verhindert.ieses Denken muss hier endlich Einzug halten.
Herr Kauch, wir müssen über neue Mechanismenachdenken, Stichwort „Yasuní“. Sie können hier nichtit dem normalen Mechanismus der Vereinten Nationenperieren; denn hier geht es nicht nur um Waldschutz,ondern auch um den Erhalt der Biodiversität. Wenn derald geschützt werden soll, dann muss dem Land eineompensation angeboten werden, die es lukrativ macht,ie Rohstoffe im Boden nicht zu fördern und die Biodi-ersität zu schützen. Einen solchen Mechanismus gibt esei den Vereinten Nationen bislang nicht. Ein solcherösungsansatz verdient es, hier im Parlament sehr inten-iv diskutiert und verabschiedet zu werden. Ich glaube,ier besteht eine enorme Chance für die internationaletaatengemeinschaft.Vielen Dank.
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16736 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
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Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Josef
Göppel das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der bisherige Verlauf der Debatte zeigt ganz deutlich,
dass von diesem Parlament jetzt das Signal ausgehen
muss, dass wir das Verschleppen und Verzögern eines in-
ternationalen Klimaschutzabkommens nicht hinnehmen.
Es war ja der Deutsche Bundestag, der vor zwei Jahren
das Minderungsziel von 40 Prozent ohne Bedingungen
beschlossen hat.
Es muss deutlich werden, dass diejenigen der Regierung,
die verhandeln, ein drängendes Parlament über alle
Fraktionsgrenzen hinweg im Rücken haben. Das möchte
ich hier deutlich machen.
Andreas Jung hat schon darauf hingewiesen, dass er das
30-Prozent-Ziel für richtig hält und weiterhin unter-
stützt. Das gilt ebenso für mich. Ich bin der Überzeu-
gung, dass wir in Durban keine Fortschritte erzielen wer-
den, wenn sich die Europäische Union nicht bewegt. Die
Europäische Union gehört im Moment aber leider nicht
zu den Zugpferden.
Der Prozess der Meinungsbildung in der Europäi-
schen Union geht quälend langsam voran. Da das Ab-
kommen von Kioto 2012 ausläuft und am Ende des Jah-
res 2011 nichts in Sicht ist, was an seine Stelle treten
kann, muss ich sagen: Alle, die ihren Amtseid ernst neh-
men, können angesichts dessen nicht ruhig sitzen blei-
ben. Wir haben hier eine besondere Verantwortung.
Nun setzt Deutschland als hochindustrialisiertes Land
seit der Energiewende im Sommer 2011 vollkommen auf
erneuerbare und CO2-freie Energien. Die Welt beobach-
tet aufmerksam, wie das deutsche Experiment voran-
geht. Ebenda liegt unsere besondere Verantwortung.
Ich will auf einen Punkt eingehen, der in den Ver-
handlungen in Durban vielleicht eine Brücke darstellen
kann, nämlich die Energieeffizienz und die Einspartech-
nologien. Dabei geht es darum, was wir selber bei uns
tun: in Deutschland, in der Europäischen Union. Die
europäischen Regierungschefs haben 2007 den Be-
schluss gefasst: dreimal 20 Prozent bis 2020. Die Marke
von 20 Prozent erneuerbare Energien werden wir in neun
Jahren wahrscheinlich deutlich überschritten haben;
vielleicht liegen wir dann bei 30 Prozent. Bei der CO2-
Einsparung wird Europa wohl das 20-Prozent-Ziel errei-
chen. Aber unsere Schwachstelle sind die Energieeffi-
zienz und die Einsparung von Primärenergie. Wenn es
konkret wird, verlaufen die Verhandlungen eher zöger-
lich, so auch die Beratungen über eine neue europäische
Energieeffizienzrichtlinie.
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ine Reihe von amerikanischen Bundesstaaten, die etwa
ie Hälfte der Bevölkerung der USA repräsentieren, hat
ieses Ziel übernommen. Darunter ist übrigens der Bun-
esstaat Texas, dem man Planwirtschaft bestimmt nicht
orwerfen kann. In Europa haben sich Frankreich, Polen,
änemark und Großbritannien entsprechend verpflich-
t.
Ich habe mit Interesse gesehen, dass Eon in Großbri-
nnien in den Zeitungen ganzseitige Inserate mit der
berschrift schaltet: Was in aller Welt soll einen Ener-
ieversorger veranlassen, dafür zu sorgen, dass seine
unden weniger Energie verbrauchen? – Solche Inserate
rinnern mich sehr an die Einführung des Katalysators
982/83 in der Ära Kohl. Damals war es teilweise die
aktik der deutschen Industrie: in Deutschland ver-
chleppen und im Ausland verkaufen.
Die Steigerung der Energieeffizienz und dementspre-
hend die Einsparung von Primärenergie sind der
chlüssel für Schwellenländer; denn wenn wir Techno-
gien auf den Weltmärkten anbieten können, die diesen
ändern helfen, den Energieverbrauch zu senken und da-
it Kosten einzusparen, dann werden wir auch in den
limaverhandlungen mehr Erfolg haben. Ich erwarte als
bgeordneter der Koalition, dass Deutschland rasch auf
ie Verabschiedung einer neuen Energieeffizienzrichtli-
ie drängt, und zwar mit verbindlichen Zielen und ver-
indlichen Maßnahmen.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 17/7356 und 17/7481 an die in der Ta-esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes zur Wiedergewährung der Sonderzah-lung– Drucksache 17/7631 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16737
Vizepräsidentin Petra Pau
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeArmin Schuster für die Unionsfraktionen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzeszur Wiedergewährung der Sonderzahlung werden wirdas Weihnachtsgeld – erlauben Sie mir diese umgangs-sprachliche Formulierung – für Besoldungs- und Ver-sorgungsempfänger des Bundes, also unsere Beamten,Richter, Soldaten und Ruheständler, zum 1. Januar 2012drei Jahre vorfristig wieder aufleben lassen. Ich bin sehrerleichtert, dass uns dieser Schritt gelungen ist, und zwarnicht in erster Linie wegen der finanziellen Verbesserun-gen für unsere Beamten und Versorgungsempfänger, ob-wohl sie das wahrlich verdient haben. Die wichtigereBotschaft, die meines Erachtens von diesem Gesetz aus-geht, ist ganz sicher, dass diese Regierung ihren Beam-ten vertraut und dass sich diese Koalition der besonderenLeistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes bewusst ist.Lassen Sie mich für die Unionsfraktion ausdrücklichergänzen, dass wir unsere Versprechen einhalten.
Ich habe genau an dieser Stelle am 30. September 2010die Verlängerung der Aussetzung mit den gravierendenhaushaltspolitischen Zwängen erklärt. Es war schon da-mals ein sehr wichtiges Ergebnis unserer Fraktion, dassdie Sonderzahlung nicht, wie von der Regierung geplant,komplett gestrichen, sondern nur für weitere vier Jahresuspendiert wurde. Ich habe seinerzeit versprochen, dasswir diese Zeit nutzen werden, um die Wiedergewährungschnellstmöglich zu bewerkstelligen. Für mich ist die ei-gentliche Botschaft heute, dass der öffentliche Dienst,auch mit seinen Sorgen und Nöten, für uns kein un-scheinbarer Dienstleister ist, der selbstverständlich zufunktionieren hat.
Wir stehen auch in schwierigen Zeiten vor und zu unse-ren Beamten und Pensionären.
– Ich komme gleich darauf zu sprechen.Die Sonderzahlungen waren seit 1994 in mehrerenSchritten gesenkt worden und beliefen sich 2004 nurnoch auf 60 Prozent. 2006 wurde dieser Betrag für fünfJahre nochmals halbiert. Herr Kollege Hartmann, Siesehen, dass Haushaltszwänge nicht nur christlich-libe-rale Koalitionen zu schmerzlichen Einschnitten zwingenkönnen.DwreWaGteDnd4WgnMcnzvgeW6dG2PeBB3liwebhMhAstekgwd
as war bei Ihnen auch nicht anders.Mit der nun um drei Jahre vorgezogenen Wiederge-ährung erreichen wir also wieder das Niveau des Jah-s 2004.
ir werden mit dem Gesetz den seit 2006 nicht mehrusgezahlten Teil des Weihnachtsgeldes wieder in dieehaltstabellen des Bundesbesoldungsgesetzes einarbei-n.
amit wird die Sonderzahlung als Bestandteil der mo-atlichen Bezüge für Besoldungsempfänger 5 Prozenter Jahresbezüge und für Versorgungsempfänger circaProzent der Jahresbezüge ausmachen.
er in diesem Zusammenhang öffentlich gerne den Be-riff der Luxuspensionen bemüht, kennt die Wirklichkeiticht. Rund 75 Prozent unserer Pensionäre, denen dieseaßnahme zugutekommt, sind Angehörige des einfa-hen und mittleren Dienstes. Darüber, dass dieser Perso-enkreis angesichts der bekannten Entwicklung der Be-üge im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren nichterwöhnt wurde, dürften wir uns einig sein.Die öffentliche Verwaltung des Bundes hat in den ver-angenen Jahren erhebliche Sparmaßnahmen beigesteu-rt. Ich erinnere an die Einführung der 41-Stunden-oche, die Reduzierung der Sonderzahlungen auf0 Prozent, den vollständigen Wegfall des Urlaubsgel-es oder den Verzicht auf inflationsbedingte Lohn- undehaltsanpassungen seit 1998. Allein im Zeitraum von006 bis 2011 haben die Beamten, Richter, Soldaten undensionäre mit den Einschnitten beim Weihnachtsgeldinen Sparbeitrag von rund 3 Milliarden Euro für denundeshaushalt erbracht. Die Zahl der Beschäftigten imundesdienst ist in den letzten 20 Jahren um rund0 Prozent reduziert worden, obwohl die Aufgaben deut-ch mehr geworden sind. Die Beamten der Bundesver-altung müssen also den viel zitierten Vergleich mitinigen Branchen der Privatwirtschaft hinsichtlich Ar-eitszeit und Vergütung beileibe nicht scheuen. Immer-in sprechen wir heute nicht über ein volles dreizehntesonatsgehalt, sondern über 60 Prozent desselben. Daheralten wir es für gerechtfertigt, dass die krisenbedingteussetzung der Sonderzahlung, sobald es unsere Finanz-ituation erlaubte, wieder korrigiert wird. Unseren strik-n Sparkurs tangiert diese Entscheidung nicht.Das Mehr im Portemonnaie beträgt ab 1. Januar 2012onkret 2,44 Prozent. Wir vollziehen damit die Wieder-ewährung, wie sie als zweiter Einbauschritt vorgesehenar. Folglich werden sämtliche Gehaltsbestandteile, aufie die Sonderzahlung gewährt wird, also nicht nur die
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16738 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Armin Schuster
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Grundgehaltstabelle, sondern zum Beispiel auch der Fa-milienzuschlag, zum 1. Januar 2012 um 2,44 Prozent er-höht. Zusammen mit dem ersten Einbauschritt von 2009bedeutet das ab Januar 2012 insgesamt ein Plus von5 Prozent auf die monatlichen Bezüge bzw. 4 Prozentauf die Bezüge der Versorgungsempfänger.Für einen gut funktionierenden Staat brauchtDeutschland motivierte Beamte. Die aktuelle Situationin einigen europäischen Ländern wirft ein besonderesSchlaglicht auf die Folgen einer nicht leistungsfähigenVerwaltung. Mit der Suspendierung der Sonderzahlungim vergangenen Jahr haben wir eine massive Verärge-rung im öffentlichen Dienst hervorgerufen.
Das war uns klar, und wir wussten auch, dass wir damitbefristet eine rote Linie überschreiten werden. Aber ichdenke, dass unser Sparkurs mit den europäischen Er-kenntnissen von heute jetzt mehrheitlich akzeptiert wird.Ich hoffe auf das nachträgliche Verständnis der Beamtin-nen und Beamten, dass wir uns in der Abwägung imSeptember 2010 für die Finanzverantwortung des Staa-tes gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern entschei-den mussten. Mit unserem Vorgehen von damals undheute zeigen wir eine finanzpolitische Seriosität, dieauch ein Grund dafür ist, weshalb wir stärker aus derKrise herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind.
Das muss auch die Opposition nach ihrer damaligen in-szenierten Entrüstung – die gibt es zum Teil heute noch –bei der Suspendierungsdebatte einfach zugestehen. DieBundesregierung zeigt sich deutlich entscheidungsfähi-ger als manche SPD-geführte Landesregierung bei die-sem Thema.
Der aufmerksame Beobachter wird feststellen, dasssich diese Regierung beim Thema Attraktivität des öf-fentlichen Dienstes besondere Ziele gesetzt hat. DieWiedergewährung der Sonderzahlung ist dafür nur einMeilenstein.
Nachdem wir im vergangenen Jahr bereits mit dem Bun-desbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz dieArbeitszeiten für ältere Beschäftigte flexibler gestaltethaben, kommt nun ein neuer Attraktivitätsschub mit demFachkräftegewinnungsgesetz, das hier in Kürze ab-schließend behandelt wird.
Damit werden wir ein weiteres Ziel unserer Koalitions-vereinbarung umsetzen und die Wettbewerbsfähigkeitdes Bundes als Arbeitgeber gegenüber anderen Dienst-herren und der Wirtschaft verbessern. Zusammen mitdem Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz, das auchddawoRrundIhdDnUDruCdnuriEdSHhhswhGVliBDzesDem
nd zwar – habe ich vergessen, das zu sagen? – an derchtigen Stelle. Deshalb stimmen wir mit Freude demntwurf eines Gesetzes zur Wiedergewährung der Son-erzahlung zu.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Lieber Kollege Schuster, da ich ein Herz für Sieabe, will ich Ihnen manche der notgedrungen von Ihnenier vorgetragenen Formulierungen verzeihen und nach-ehen; aber insgesamt will ich Ihnen nicht nachsehen,as Sie mit der Einbringung des Gesetzentwurfs – wiraben ihn heute nicht zu verabschieden – bezwecken.erade noch rechtzeitig vor Weihnachten wird jetzt derersuch von der Koalition unternommen, die vermeint-ch frohe Botschaft an die Beamtinnen und Beamten desundes zu senden:
as Weihnachtsgeld wird erhöht. – So war allenthalbenu lesen. Natürlich ist das unwahr; denn gar nichts wirdrhöht. Sie unternehmen vielmehr heute hier den Ver-uch, einen unglaublichen Vertrauensbruch zu kitten.och der angerichtete Schaden ist so groß, dass Sie dientstandenen Scherben mit Sicherheit nie mehr zusam-enfügen werden. CDU/CSU und FDP erhöhen nichts,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16739
Michael Hartmann
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sondern sie nehmen eine Kürzung mit einem Jahr be-wusster Verspätung nur aufgrund des entstandenenDrucks und nicht etwa aus Einsicht zurück.Zur Vorgeschichte. Wir haben unseren Beamtinnenund Beamten oft viel abverlangt, keine Frage. Das giltauch für SPD-geführte Regierungen und solche, an de-nen die SPD sonst beteiligt war. Im Jahr 2006 hatte dieGroße Koalition eine Halbierung des bereits auf 60 Pro-zent zurückgefahrenen Weihnachtsgeldes befristet bisEnde 2010 beschlossen. Das heißt, diese Sonderzahlungwäre im laufenden Jahr automatisch wieder auf alterHöhe gewesen. Zuvor hatte aber der frühere Bundes-innenminister in einem heroischen Akt entschieden:Nein, das machen wir nicht. Wir ändern ausdrücklichdas Gesetz und behalten die Kürzung bei. – So viel zuden Fakten. Vehement und unerschütterlich ist er dafüreingetreten, hat das Kreuz durchgedrückt und hat – viel-leicht schon mit Blick auf seine spätere Verwendung –soldatisch gesagt: Das muss jetzt gemacht werden; daswird gemacht werden.Eben in Ihrer Rede, Herr Schuster, und bei vielen Dis-kussionen, die wir dazu hatten, geschätzter HerrRuppert, war zu spüren, dass zumindest den Bericht-erstatterkollegen von Union und FDP dieser Vertrauens-bruch peinlich war; verhindert haben Sie ihn aber nicht.Nun, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, rol-len Sie auch hier die Fahne wieder ein. Rückblickendnur so viel: Das ist in Wirklichkeit das Einzige, was vonHerrn de Maizière als Bundesinnenminister übrig geblie-ben ist:
eisenharte Ankündigungen, die sein Nachfolger dannganz schnell wieder abgeräumt hat. So wollte er ganzentschlossen den Dialog mit der Netzcommunity auf an-dere Beine stellen. Man darf fragen: Was ist daraus ei-gentlich geworden?Ebenfalls ganz entschlossen machte er sich auf denWeg, unsere bewährte Sicherheitsarchitektur zu zertrüm-mern, indem er – einfach mal so – Bundeskriminalamtund Bundespolizei fusionieren wollte. Vernünftiger-weise hat Bundesminister Friedrich mit genauso ent-schlossener Attitüde ohne Zögern und Zaudern dasGanze rückgängig gemacht und diese schrecklichen Fu-sionspläne für null und nichtig erklärt. Ohne Zögern undZaudern wollte der jetzige Verteidigungsminister die Be-amtinnen und Beamten um die Rücknahme der Kürzun-gen beim Weihnachtsgeld prellen. Ein Jahr lang ist ihmdas gelungen, und nun darf Herr Friedrich auch diesenFehler korrigieren.Dabei setzte die Bundesregierung nach meiner festenÜberzeugung unausgesprochen auf alle bekannten Res-sentiments gegenüber der Beamtenschaft. Während aufFestveranstaltungen und bei großen Tagungen das Lob-lied auf das Berufsbeamtentum gesungen wird, warendie Taten alles andere als wertschätzend. Genau darumgeht es übrigens in Wahrheit. Es geht nicht nur um Geld,sondern es geht um die richtige Wertschätzung für dieBundesbeamtinnen und -beamten, die diese Koalition ih-nen versagt hat.dklädckbAmpreDfewubWAsdaZSzsSmHrahbMwwSgHdinudSinm
Es kommt hinzu, dass immer weniger Beamtinnennd Beamte in immer kürzerer Zeit bei zunehmender Ar-eitsdichte immer mehr zu leisten haben. Das ist dieahrheit, die Sie mit Ihrem Vertrauensbruch sehendenuges ignorierten, immer darauf hoffend, die Stammti-che würden Ihnen dazu applaudieren. Doch Sie habenie Rechnung ohne den Wirt gemacht.Einer der Wirte heißt übrigens Peter Heesen und istktives CDU-Mitglied. Ich würde Ihnen jetzt gerne alleitate des Herrn Heesen vorlesen, die aufzeigen, wie erie für diesen Vertrauensbruch, den Sie begangen haben,u Recht gescholten und an den Pranger gestellt hat. Wirtehen jedenfalls in dieser Frage schon immer an dereite des Deutschen Beamtenbundes. Das sind ganzerkwürdige Fronten, meine Damen und Herren.
Doch auch viele andere empörten sich zu Recht. Ihreoffnung, dass der nicht streikberechtigte Beamtenappa-t ein leichtes Opfer sei, hat Sie getrogen, und nun zie-en Sie den Schwanz ein. Doch das Vertrauen ist undleibt zerstört. Von Ihnen darf der deutsche Beamte allesögliche erwarten, nur weder jetzt noch in Zukunftirklich Gutes.Deshalb hat Ihnen Ihre damalige Ankündigung, manolle – Sie haben vergessen, es zu erwähnen, Herrchuster – dann aber ganz bestimmt beim Weihnachts-eld ab 2015 Besserung geloben, zu Recht nur Spott undohn eingebracht. Vielleicht dachten Sie schon damalsaran, dass Sie möglicherweise ab 2013 gar nicht mehr die Peinlichkeit kommen, Ihre Ankündigung für 2015msetzen zu müssen. Jedenfalls weisen alle Zeichen iniese Richtung. Herr Ruppert, Sie sind ja Beamter.
ie können dann die Segnungen des Weihnachtsgeldes anderer Funktion wieder wahrnehmen.
Seien wir jetzt und in Zukunft behutsam im Umgangit unseren Staatsdienern! Es sind ja nicht mehr allzu
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16740 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Michael Hartmann
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viele – zumindest nicht beim Bund. Ich will jedenfallsnicht, dass anstelle von allein dem Staat verpflichtetenMenschen beispielsweise mehr und mehr Anwaltskanz-leien Gesetze für uns vorbereiten, meine Damen undHerren, und eigentlich sollte das auch ein staatskonser-vativ denkender Mensch nicht wollen.Ich will sehr, dass qualifizierte junge Menschen auchin Zukunft noch in den öffentlichen Dienst streben.
Deshalb sollte die jetzt anstehende Korrektur Ihres miss-achtenden Beschlusses aus dem vergangenen Jahr nichtdas Ende, sondern der Anfang sein.
So müssen wir beispielsweise beim Wechsel in diePrivatwirtschaft auch hinsichtlich der Mitnahmefähig-keit der Versorgungsbezüge für ein zeitgemäßes Beam-tenrecht sorgen. Vielleicht schaffen Sie es ja, dies in derBundesregierung voranzutreiben; das würde mich aller-dings wundern.
Wenn Ihre jetzige Umkehr ein Zeichen tätiger Reue ist,denen weitere folgen werden, sind wir dabei. Denn wirwissen wirklich, was wir an unserem öffentlichen Diensthaben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Herr Hartmann, ich danke Ihnen für Ihre Be-kenntnisse zum Berufsbeamtentum. Leider muss manaber feststellen, dass es überall dort, wo CDU und FDPbzw. CSU und FDP regieren, den Beamten gut geht,während es dort, wo es Landesregierungen Ihrer Farbegibt, den Beamten tendenziell schlechter geht.
Insofern sollten Sie über diesen Umstand einmal nach-denken.
Wer gerade in diesem Bundesland Berlin jeden Tagaufs Neue feststellen muss, dass Teile der öffentlichenOrikferela–ateDssmichleAge–HwEEssnud
Wir reden über die Bundesbeamten, Herr Hartmann,ber ein kleines, nettes Wort auch für Ihre Landesbeam-n in Berlin sei an dieser Stelle doch gestattet.
Wir wollen einen leistungsfähigen öffentlichenienst. Wir sehen, dass in Krisenzeiten der Staat als In-titution, als Rahmengeber, aber auch als Fachmann inchwierigen Fragen durchaus gebraucht wird, und ichuss sagen: In zwei Jahren Bundestagszugehörigkeit binh immer wieder positiv überrascht worden, wie vieleochkompetente,
istungsbereite und uns auch weit über ihre eigentlicherbeitszeit hinaus helfende Beamte es im Bundesdienstibt. Dafür sind wir ausgesprochen dankbar.
Insofern können Sie bei der schwarz-gelben Koalitioninen gewissen roten Faden sehen.
Ja, roter Faden, daran können Sie sich freuen, Herrartmann.Sie werden sehen: Es wird Rentnern besser gehen. Esird Arbeitnehmern besser gehen.
s wird der Rentensatz sinken.
s wird die Arbeitslosigkeit sinken – sie ist bereits ge-unken –, und es geht den Beamten und Beamtinnen bes-er. Es gibt eine deutliche Verbesserung für die Arbeit-ehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Beamtinnennd Beamten in diesem Land.Wir alle haben diesen Sparbeitrag im letzten Jahr be-auert.
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Dr. Stefan Ruppert
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– Weil alle zum Sparen beitragen mussten.
Wir sind ausgesprochen froh, ihn heute wieder zurück-nehmen zu können, weil seitens der Beamtenschaft seit1994 ein großer Sparbeitrag – der Kollege Schuster hatdas bereits ausgeführt – erbracht worden ist.
Insofern ist heute erstens ein guter Tag für die Beamtin-nen und Beamten in Deutschland.Wir dürfen aber zweitens angesichts der demografi-schen Entwicklung und angesichts dessen,
dass wir Fachkräfte für Deutschland, und zwar auch fürden öffentlichen Dienst, gewinnen müssen, nicht an die-ser Stelle stehen bleiben. Wir müssen über weitere Flexi-bilisierungen im öffentlichen Dienstrecht nachdenken.Meine Fraktion setzt sich etwa vehement für Portabilitätein.
Das ist ein sinnvolles Vorhaben. Einem Beamten, der imöffentlichen Dienst tätig ist, soll es unter gewissen Vo-raussetzungen möglich sein, auch wenn das Beamten-verhältnis eigentlich auf Lebenszeit angelegt ist, seineAltersversorgung in ein anderes Arbeitsverhältnis mitzu-nehmen.
– Sehen Sie, dann sind wir schon einer mehr.Ich möchte mich zum Schluss meiner Rede noch beiden Kolleginnen und Kollegen, die heute etwas überra-schend zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen muss-ten, entschuldigen; die Betroffenen wissen, was ich da-mit meine. Diese Debatte war ursprünglich nicht in allenFacetten so geplant. Aber da wir uns freuen, die Beam-ten sich freuen können und selbst die SPD sich ein biss-chen freuen kann – sie könnte allerdings noch ein paarHausaufgaben in ihren eigenen Ländern machen, dannginge es den Beamten dort auch etwas besser –,
lade ich Sie herzlich zu den weiteren Beratungen ein.Vielen Dank.tiuicimWgwagegsavretihuDkmlennisnngWVdnruznaJbtrdg
ie einseitige Verlängerung der Kürzung wird also nunonsequenterweise ab dem Jahr 2012 abgebrochen.Da in einigen Medien Beamte immer viel aushaltenüssen, möchte ich hier noch einmal etwas richtigstel-n: Beamte bekommen jetzt nicht doppelt so viel Weih-achtsgeld. Die Änderung betrifft auch nicht das Weih-achtsfest 2011. Eine Kürzung soll beendet werden – dast ein Unterschied! –,
ämlich die Kürzung von 60 auf 30 Prozent eines Mo-atsbezuges. Wir wissen, dass es Tarifvereinbarungenibt, nach denen 100 Prozent eines Monatsbezuges alseihnachtsgeld gezahlt werden – das nur einmal so zumergleich. Es handelt sich außerdem um eine Kürzung,ie von Beginn an befristet war.Noch 1993 erhielten Beamte 100 Prozent eines Mo-atsbezuges. Bis 2003 erfolgte schrittweise die Reduzie-ng auf 84 Prozent, und ab 2004 waren es dann 60 Pro-ent. Dabei handelt es sich um eine Geschichte, die nichtur von Schwarz-Gelb geprägt wurde. Die Halbierunguf 30 Prozent wurde, wie wir gehört haben, für fünfahre vereinbart. Wenn man eine solche Vereinbarungricht, liebe Regierungskoalition, dann ist das ein Ver-auensbruch. Das muss man sich auch sagen lassen, undas bekommt man dann bei jeder Gelegenheit aufs Broteschmiert.
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16742 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Frank Tempel
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Dies schmieren Ihnen nicht nur die Oppositionsfrak-tionen aufs Brot – die nehmen diese Steilvorlage natür-lich gerne an –, sondern vor allen Dingen auch die Ge-werkschaften. Gewerkschaften und Opposition habenhier sehr gut zusammengearbeitet und Druck entfaltet.Bei Tagungen der Polizeigewerkschaften zum Beispieltaten mir CDU-Vertreter manchmal schon fast leid. Siemussten dort als Innenpolitiker immer wieder die Suppeauslöffeln, die ihnen ihre Regierung eingebrockt hatte.
– Oft genug! Ich war ja dabei.Jetzt also der Salto rückwärts. Dazu kann ich nur sa-gen: Lieber zu spät als gar nicht. Deswegen nehmen wirdas heute auch gerne so an. Um Vertrauen zurückzuge-winnen, werden Sie sich allerdings wesentlich mehr an-strengen müssen.
Die Baustellen häufen sich; darüber haben wir ja zumBeispiel beim Thema Polizei in den letzten Wochen dis-kutiert. Beförderungsstau bei der Polizei und Personal-überalterung in vielen Bereichen sind solche Punkte.Bei der Besoldung, insbesondere von Beamten deseinfachen und mittleren Dienstes, muss ebenfalls endlichetwas geschehen. Die Realeinkommen sind hier seit Jah-ren gesunken. Mit linearen Anpassungen allein wird danicht viel zu beheben sein.
Bei diesem Thema wird die Linke eng gerade mit denBeamtengewerkschaften zusammenarbeiten und sie un-terstützen, wo es nur geht.Ich weiß, dass besonders diese Gewerkschaften dieheutige Debatte verfolgen, auch die Polizeigewerkschaf-ten. Deswegen sei mir ein kurzes Wort an diese Adressegestattet.Erst am Freitag der letzten Sitzungswoche sprachenwir über ein Polizeithema. Ich sagte – ich erinnere daran –:Hier im Plenum muss Platz sein für alle politischen Be-reiche, die die Polizei betreffen, für strukturelle Fragen,für soziale Fragen und für rechtliche Fragen, auch fürbürgerrechtliche Fragen.Heute geht es um eine soziale Frage: um eine ge-rechte Besoldung. Da ziehen wir an einem Strang. Eswird aber auch wieder Themen geben, bei denen wirnicht einer Meinung sind; das gehört dazu. Das gilt fürdas Thema Bürgerrechte. Ich fordere alle Seiten auf, sichan der Diskussion darüber zu beteiligen. Die Linke istgesprächsbereit, und ich hoffe, dass wir auch bei diesemThema schnell zu einer Einigung kommen, die allen Sei-ten gerecht wird.
RgmfüFkwndDAkgGdzwDreEdad1)
Die Rede des Kollegen Konstantin von Notz von der
raktion Bündnis 90/Die Grünen nehmen wir zu Proto-
oll.1)
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 17/7631 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ekin Deligöz, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Euratom-Vertrag ändern – Atomausstieg eu-
ropaweit voranbringen – Atomprivileg been-
den
– Drucksache 17/7670 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Federführung strittig
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Sylvia Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die
rünen.
Bei uns muss man immer erst leisten. – Frau Präsi-entin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vertragur Gründung einer Europäischen Atomgemeinschafturde in den 54 Jahren seiner Existenz kaum verändert.ie Vorzeichen, unter denen er geschlossen wurde, wa-n aber völlig andere als die, unter denen die heutigenergiepolitik steht. Ziel war damals, die Entwicklunger zivilen Atomenergienutzung in Europa zu fördern,us der inzwischen überholten Überzeugung heraus,ass – ich zitiere – „die Kernenergie eine unentbehrlicheAnlage 2
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16743
Sylvia Kotting-Uhl
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Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirt-schaft und für den friedlichen Fortschritt darstellt“. DieHoffnungen auf eine saubere und vor allem sichereEnergieversorgung haben sich jedoch nicht erfüllt. Dashaben die Unfälle von Harrisburg, Tschernobyl undFukushima leidvoll gezeigt. Wichtige Fragen wie die derEndlagerung der atomaren Abfälle sind bis heute unge-löst. Die versuchte Trennung in friedliche und militäri-sche Nutzung der Atomenergie konnte die weitere Aus-breitung von Atomwaffen nicht verhindern.Die Akzeptanz der Atomkraft ist einem Wandel unter-worfen, Euratom ist stehen geblieben. Die Zielrichtungdes Euratom-Vertrages, die Voraussetzungen für die Ent-wicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen,steht heute in eklatantem Widerspruch zu den Bemühun-gen von Mitgliedstaaten und Europäischer Union, einesichere und nachhaltige Energieversorgung zu entwi-ckeln.
Trotz divergierender Ansichten der Mitgliedstaatenzur Atomkraft besteht doch ein Konsens dahin gehend,dass die Zukunft der Energieversorgung nicht in derKernspaltung, sondern in regenerativen Energien liegt.
Ein möglicher atomarer Unfall und seine Folgen be-drohen die Bevölkerung ganz Europas. Nur gemeinsa-mes europäisches Handeln kann Bevölkerung und Um-welt ausreichend schützen. Euratom muss grundlegendreformiert werden.Der Aktualisierungsbedarf ist nicht nur von Deutsch-land tatsächlich längst erkannt. Davon zeugt die Erklä-rung Nr. 54 zur Schlussakte von Lissabon vom 13. De-zember 2007:Deutschland, Irland, Ungarn, Österreich undSchweden stellen fest, dass die zentralen Bestim-mungen des Vertrags zur Gründung der Europäi-schen Atomgemeinschaft seit seinem Inkrafttretenin ihrer Substanz nicht geändert worden sind undaktualisiert werden müssen.Daher unterstützen sie den Gedanken einer Konfe-renz der Vertreter der Regierungen der Mitglied-staaten, die so rasch wie möglich einberufen wer-den sollte.Diese vier Jahre alte Erklärung wollen wir umsetzen.Zunächst muss die Sonderstellung abgeschafft wer-den, die der Atomenergie durch Euratom zukommt. Dieextrem hohe Forschungsförderung der öffentlichen Handfür Kernspaltung und Kernfusion ist die erfolglosesteSubventionierung in dieser Größenordnung geblieben.
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uch aus Verantwortung den Steuerzahlerinnen undteuerzahlern gegenüber muss die Forschungsförderungtärker auf erneuerbare Energien und Energieeffizienzonzentriert werden.
orschungsförderung für Sicherheit und Entsorgung istavon selbstverständlich unberührt.Ebenso verlangen die im Euratom-Vertrag normiertenntscheidungsverfahren nach Reformen. Intransparenznd ein Parlament, das nicht mitentscheidet, passen nichtur Demokratie des 21. Jahrhunderts. Wer wenn nichtie Regierung eines Landes, das in breitem Konsens dentomausstieg beschlossen hat, soll sich auf europäischerbene für die notwendigen Reformen einsetzen? Dazurdern wir unsere Bundesregierung auf.
Als Ultima Ratio muss der Ausstieg aus Euratom insuge gefasst werden. Er ist rechtlich möglich. Der Lis-abonner Vertrag sieht vor, dass ein Mitgliedstaat einsei-g aus dem Euratom-Vertrag aussteigen kann. Wie mirnsere Rechtsabteilung sagte, ist dies nach Art. 106 auratom-Vertrag in Verbindung mit Art. 50 EU-Vertragöglich.
uratom ist nach dem Lissabonner Vertrag nicht mehreil der Säulenstruktur der Europäischen Union.Wenn eine Reform, wie in unserem Antrag beschrie-en, auf europäischer Ebene nicht durchsetzbar ist, mussuratom von deutscher Seite aus gekündigt werden.
h glaube nicht, dass wir mit Geld des deutschen Steu-rzahlers zum Beispiel den Ausbau der Reaktoren in Te-elin finanzieren sollten.Vielen Dank.
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16744 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
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Das Wort hat der Kollege Thomas Bareiß für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Frau Kotting-Uhl, Sie haben ja recht: Das
Ziel ist erreicht. Es gibt den Atomausstieg in den nächs-
ten zwölf Jahren. Sie fordern nun, wir müssten aus dem
Euratom-Vertrag heraus, weil wir in Deutschland in den
nächsten zwölf Jahren aus der Kernenergie aussteigen.
Wenn Ihre Argumentation schlüssig wäre, dann müssten
auch Sie auf Ihre Funktion als atompolitische Sprecherin
Ihrer Fraktion verzichten; denn Ihr Ziel – die Kernener-
gie in Deutschland wird in zwölf Jahren Geschichte sein –
ist erreicht.
Wir brauchen aber nach wie vor den Euratom-Vertrag,
weil es auch darum geht, die Kernenergie in Europa auf
einem hohen Sicherheitsniveau zu halten. Es muss daher
unser Ziel sein, dass es in den Staaten um uns herum si-
chere Kernkraftwerke gibt. Diese Sicherheit können wir
gerade mit dem Euratom-Vertrag gewährleisten. Das
muss unser erstes und oberstes Ziel bleiben.
Lassen Sie mich jetzt auf die grundsätzlichen histori-
schen Aspekte eingehen. Die Europäische Atomgemein-
schaft ist ein Grundpfeiler der europäischen Gründungs-
idee. Sie wurde 1957 in den Römischen Verträgen
zusammen mit der Europäischen Gemeinschaft für
Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsge-
meinschaft, der späteren EG, begründet.
Kollege Bareiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fell?
Nein, danke. – Seitdem ist sie fortlaufend ein Grund-pfeiler der europäischen Idee. Auf Grundlage desEuratom-Vertrages und durch die Koordinierung vonForschungsaktivitäten in Europa kann die Sicherheit derKernkraftwerke und die von nuklearen Anlagen und da-mit vor allem die Sicherheit für unsere Bürger gewähr-leistet werden.Als Eigentümer allen nuklearen Materials in Europaist Euratom maßgeblich daran beteiligt, dass Missbrauchverhindert wird. Die Europäische Atomgemeinschaftstellt somit die friedliche Nutzung von nuklearem Mate-rial sicher.Sicherungsmaßnahmen unterstehen der Euratom undder Internationalen Atomenergiebehörde, die auch regel-mäßig Inspektionen durchführen. Durch die Aufsichtund die Vergemeinschaftung des nuklearen Materialsfindet eine gegenseitige Kontrolle statt und kann dieFriedenssicherung gewährleistet werden.Gerade weil die Sicherheit nicht vor Grenzen halt-macht, wie ich gerade schon gesagt habe, ist aus meinerSn5wuininmdmkaDStewddSdsuredwgüSABfaIcdFwtrzatrnteerügNtrRfüte
h will es ganz deutlich sagen: Diese Forderung gefähr-et die Sicherheit unserer Bevölkerung; denn nur durchorschung können wir die Sicherheit der Kernenergieeiterhin steigern. Gerade hier greift der Euratom-Ver-ag, der sich insbesondere auf die Forschungsförderungur Sicherheit von Kernenergie erstreckt und sich nichtuf die Entwicklung von neuen Reaktortypen konzen-iert.An der Stelle möchte ich einen weiteren Aspekt auf-ehmen: Gerade wir in Deutschland stehen in den nächs-n Jahren noch vor enormen Herausforderungen, wenns darum geht, die bestehenden 21 Kernkraftwerke zu-ckzubauen. Gerade hier ist es wichtig, dass dies im en-en Erfahrungs- und Wissensaustausch mit unserenachbarn geschieht. Auch dabei wird der Euratom-Ver-ag eine wertvolle Grundlage sein.In diesem Zusammenhang begrüße ich, dass nach dereaktorkatastrophe von Fukushima der EU-Kommissarr Energie, Günther Oettinger, den europäischen Stress-st vorantreibt. Eine so tiefgehende Zusammenarbeit in
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Thomas Bareiß
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Sicherheitsfragen hat es in sieben Jahren Rot-Grün niegegeben. Auch das ist ein wirklicher Sicherheitsgewinn.Eine Koordinierung der europäischen Energiepolitikund der nuklearen Sicherheit ist von elementarer Bedeu-tung für die Zukunftsfähigkeit des Industrie- und Wirt-schaftsstandorts Europa im globalen Wettbewerb mit an-deren Regionen in der Welt. Die EuropäischeAtomgemeinschaft ist ein gelungenes Beispiel in einemTeil der gemeinsamen Energiepolitik. Auch wenn dieserTeil in Deutschland durch den Atomausstieg an Bedeu-tung zu verlieren scheint, ist die bestehende Koordinie-rung über den Euratom-Vertrag wegweisend.Denn wir brauchen nicht ein Weniger an europäischerEnergiepolitik, sondern ein Mehr. Nur so können wir un-sere Ziele in den nächsten Jahren verwirklichen.Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Fell das
Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege
Bareiß, Sie haben in Ihrem Redebeitrag im Wesentlichen
nur auf einen kleineren Teilaspekt der Grundlagen des
Euratom-Vertrages hingewiesen, nämlich auf die Safe-
guards-Bestimmungen und auf die Sicherheitsmaßnah-
men, die über Euratom in Europa koordiniert werden.
In der Präambel des Euratom-Vertrages steht aber
ganz klar: Sinn des Euratom-Vertrages sind die Förderung
und der Ausbau der Atomenergie in Europa. – Dafür gibt
es eine unheimlich starke Unterstützung mit sehr vielen
Beiträgen – auch aus Deutschland, zumindest finanziell.
Diese Beiträge werden benutzt für die innereuropäische
und sogar über Europas Grenzen hinausgehende Unter-
stützung des Aufbaus neuer Atomreaktoren. Das gilt bei-
spielsweise auch für Temelin, einen Reaktor, der nur
60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt steht
und zu dem viele sagen, dass er sehr unsicher ist und
dass hier die europäischen Sicherheitsbestimmungen
über Euratom nicht genügend angewandt werden.Wir
wissen spätestens seit der Katastrophe in Japan, dass wir
endgültig aus der Atomenergie aussteigen müssen. Wir
freuen uns, dass Sie endlich die Wende in der Atompoli-
tik vollzogen haben, indem Sie sagten: Die Atomenergie
ist eine unsichere Technologie. – Nun sehen wir, dass
Tokio viel weiter von Fukushima entfernt ist als die
bayerische Grenze von Temelin oder Freiburg von Fes-
senheim; auch andere Reaktoren in Nachbarländern sind
wesentlich näher.
Deswegen meine Fragen: Wie können Sie die Unter-
stützung der Ausbauwünsche mancher europäischer
Nachbarn aufrechterhalten, wenn Sie sagen, dass Atom-
reaktoren unsicher sind und wir sie in Deutschland ab-
schalten müssen? Wie können Sie verantworten, dass
Deutschland mit vielen Steuergeldern exakt diesen Aus-
bau unterstützt, obwohl die Bedrohung durch ausländi-
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Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.
Herr Fell, Sie sind in der Energiepolitik schon etwasnger unterwegs als ich und wissen genau, dass es in deruropäischen Union viele Staaten gibt – Sie haben daserade auch gesagt –, die weiterhin auf die Kernenergieetzen. Es gibt sogar viele Länder, die bereit sind, neueernkraftwerke zu bauen. Ich glaube, es ist in unseremreigenen Interesse, dass die Sicherheit der Kernkraft-erke, die weiterhin bestehen und neu gebaut werden,uf dem höchsten Niveau in der Welt bleibt. Wenn eintomkraftwerk in Europa – –
Die deutschen Technologien in diesem Bereich warenmer führend und haben dafür gesorgt, dass vor allemie Kernkraftwerke in Europa auf höchstem Sicherheits-iveau bleiben. Das sollte in unserem Interesse sein.eshalb sollten wir den Euratom-Vertrag weiterhin un-rstützen.
ir sollten weiterhin Geld investieren, damit die Kern-raftwerke in Europa sicher bleiben und damit auch un-ere eigene Sicherheit weiterhin gewährleistet ist.Angela Merkel hat im Übrigen in den letzten Mona-n, nach Fukushima, eine hervorragende Arbeit imuropäischen Rat geleistet, um andere europäische Staa-n, die weiterhin auf Kernenergie setzen, von dem Wegu überzeugen, weiterhin in die Sicherheit zu investierennd die Sicherheitsstufen weiter zu erhöhen. Wir werden den nächsten Tagen von der Kommission die Ergeb-isse des Stresstests erhalten. Daraus werden konkreteandlungsempfehlungen folgen, die, wie gesagt, auchnsere Sicherheit weiter befördern. Insofern sind wir dauf dem richtigen Weg.Herzlichen Dank.
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NEN]: Ich habe Sie nach den Fördertatbestän-den gefragt!)
Wir sind jetzt nicht im Dialog. Das war die Möglich-
keit, auf die Kurzintervention zu antworten. – Das Wort
hat nun der Kollege René Röspel für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Als der Euratom-Vertrag vor mehr als 50 Jahrengeschlossen wurde – wir haben schon ein bisschen dazugehört –, wurde die Debatte um die Kernenergie – da-mals hieß es noch „Kernenergie“, später hieß es „Atom-kraft“ – einerseits von einer dramatischen Erkenntnis inder Welt und andererseits von einer großen Hoffnung be-gleitet und getragen.Die dramatische Erkenntnis ist durch die Atombom-benabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki entstanden:Die Atomenergie darf niemals zu militärischen Zweckengenutzt werden, weil die Konsequenzen für die Mensch-heit verheerend wären. Gleichzeitig gab es die großeHoffnung, dass die friedliche Nutzung der Atomkraft ei-nen Beitrag zur Energieversorgung leisten könnte. Unterden damals herrschenden Eindrücken war es wahr-scheinlich folgerichtig, dass man in Europa gemeinsameine neue Technologie entwickeln und friedlich nutzenwollte und so eben auch gemeinsam verhindern konnte,dass sie zu unfriedlichen Zwecken genutzt werden kann.Das ist jetzt mehr als 50 Jahre her. Was ist geblieben?Sicherlich die dramatische Erkenntnis über die verhee-renden Auswirkungen der militärischen Kernenergie-nutzung. In den letzten 50 Jahren gab es auch Vor-kommnisse wie die in Harrisburg, Tschernobyl undFukushima, die dazu geführt haben, dass sich die großeHoffnung auf der anderen Seite aufgelöst hat. Die Nut-zung der Atomkraft ist nicht mehr rational begründbar,zumal die Endlagerprobleme nach wie vor nicht gelöstsind.
In diesen 50 Jahren hat sich also viel verändert, je-doch eines so gut wie gar nicht, nämlich der Euratom-Vertrag. Herr Kollege Bareiß, wenn man in diesen Ver-trag schaut, kann man lesen – das haben der Kollege Fellund die Kollegin Kotting-Uhl richtig erwähnt –, dass dasZiel des Euratom-Vertrags darin bestehe – ich zitiere un-gefähr –, eine mächtige Kernindustrie in Europa auszu-bauen und die Atomkraft zu fördern.Wer das nach über 50 Jahren nach wie vor für ein er-strebenswertes Ziel einer gemeinsamen verantwortlicheneuropäischen Forschungs-, Wirtschafts- und Energie-politik hält, hat nichts dazugelernt.
Deswegen ist es eindeutig richtig, dass der Euratom-Ver-trag mindestens verändert werden muss.RindubnvdEhssdVfürubaAsFEmzginineVdkhramtowDnPdbsWAFbnD
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16747
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Er betrifft die Frage, ob man aus dem Euratom-Vertrageinseitig aussteigen bzw. ihn einseitig kündigen kann.Ich habe die Bundesregierung im Mai dieses Jahresgefragt, ob sie es für möglich halte, dass Deutschlandeinseitig aus diesem europäischen Euratom-Vertrag aus-steigt. Sie hat diese Frage verneint. In der Antwort derBundesregierung steht auch, ein Ausstieg aus Euratomsei nur denkbar, wenn es einen Ausstieg der Bundes-republik Deutschland aus der Europäischen Union gibt.
Uns liegt glücklicherweise auch eine Antwort desWissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestagesauf eine Anfrage des Genossen Marco Bülow vor, dieeine Reihe guter Argumente enthält. Ich finde, sie sindnachvollziehbar. Darin wird – das hat auch KolleginKotting-Uhl gesagt – es ausdrücklich für möglich gehal-ten, dass Deutschland einseitig aus dem Euratom-Ver-trag aussteigt, ohne damit europäisches Recht zu verlet-zen. Es gibt eine Reihe guter juristischer Argumente.Es stellt sich eine andere Frage in diesem Bereich– außerhalb der juristischen Unwägbarkeit, ob es mög-lich ist oder nicht –, nämlich ob es sinnvoll ist, sich auseinem Verein zurückzuziehen, den man eigentlich verän-dern will. Wir halten das für nicht sinnvoll. Ohne in ei-nen Topf mit der rechten Seite des Hauses geworfenwerden zu wollen – in den anderen Punkten unterschei-den wir uns deutlich –, sage ich: Wenn wir Euratom ver-ändern wollen, dann müssen wir das innerhalb Euratomsversuchen, und zwar mit europäischen Bündnispartnern,wobei die Bundesregierung längst aufgerufen ist, dieseBündnispartner zu organisieren.Es gibt in Europa unterschiedliche Sichtweisen zurNutzung der Atomenergie. Es gibt Staaten, die ausstei-gen wollen, und es gibt Staaten, die Atomenergie weiter-hin nutzen wollen. Ich finde, dass die Bundesrepublik in-nerhalb von Euratom die Aufgabe wahrnehmen muss,den Vertrag zu verändern, weg von der Atomenergie hinzu erneuerbaren Energien.
Nehmen wir uns ein Beispiel am erfolgreichstenAtomland der Europäischen Union, das ist Österreich.Österreich hat das beste Atomkraftwerk, das es weltweitgibt:
Das war das AKW Zwentendorf. Es ist niemals in Be-trieb genommen worden.
Auf dem Gelände dieses Atomkraftwerks gibt es heuteeine sehr große Photovoltaikanlage, die 180 000 Kilo-wattstunden Strom erzeugt. Wir sollten gemeinsam mitÖsterreich und anderen Vorbildern versuchen, denEvWddWb–uddpdtedAtrtesdtikghsFKugg
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Martin Lindner für
ie FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren!as wir von der Opposition gehört haben, ist sattsamekannt, das ist Ihre Einstellung zur Atomkraft.
Nein, darum geht es in dem Antrag nicht. Es geht nichtm unsere wechselseitigen Einstellungen zur Nutzunger Kernkraft. Vielmehr geht es in dem Antrag darum,en Euratom-Vertrag zu ändern, den Atomausstieg euro-aweit voranzubringen und das Atomprivileg zu been-en.
In Ihrem Antrag fordern Sie – das steht vor allem un-r Punkt III.e –, dass sich dafür Deutschland einsetzt,ass der europaweite Ausstieg aus der Nutzung dertomkraft vorbereitet wird. Eine demokratische Kon-olle soll durch das Europäische Parlament gewährleis-t werden. Sie glauben doch selber nicht im Ernst – wirind hier unter uns, es ist kaum einer hier im Raum –,ass das auch nur ansatzweise Erfolg haben kann.
Wie ist denn die Situation in Europa nach dem einsei-gen Ausstieg Deutschlands aus der Nutzung der Atom-raft? Wir stellen fest, dass es eine gegenteilige Bewe-ung gibt. Die Polen bauen ein Atomkraftwerk – dieaben sich von Ihnen bzw. von uns – das muss man auchagen – nicht davon abbringen lassen –,
rankreich genießt seine Singularität im Bereich derernkraftnutzung,
nd Großbritannien wirbt in der deutschen Industrieanz offensiv für Zuwanderung mit dem Hinweis aufünstige Strompreise.
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16748 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011
Dr. Martin Lindner
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Vor allen Dingen in Zusammenhang mit der Euro-Krise wird uns vorgehalten, dass wir deutsche Interessenmassiv durchsetzen würden. Glauben Sie ernsthaft, dasswir insbesondere in diesem zeitlichen Kontext andereStaaten in der EU dazu bringen, das von ihnen genos-sene Privileg aufzugeben?
Das kann nicht sein. Diese Vorstellung ist wirklich ab-wegig.Schauen wir uns den Vertag genauer an. Lassen wirdie Präambel weg. Im Bereich der Nichtverbreitung, derVersorgungssicherheit und der Grundnormen für Strah-lenschutz funktioniert er gut. Ich habe mir angeschaut,wie die Förderung – dies kritisieren Sie nämlich – zah-lenmäßig aussieht. Für die Jahre 2012 und 2013 ist einBudget von insgesamt 2,5 Milliarden Euro vorgesehen,davon sind 2,2 Milliarden Euro – das war vorhin IhreFrage –, also 86 Prozent, für Kernfusionsforschung vor-gesehen.
Für die Forschungsprojekte im Bereich der Kernspaltungeinschließlich Strahlenschutz werden 118 MillionenEuro bereitgestellt. Die Nuklearforschungsarbeiten unddie Arbeiten zur Gewährung der kerntechnischen Sicher-heit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommis-sion, JRC, werden mit 233 Millionen Euro unterstützt.Wo soll denn da – das haben Sie suggeriert – eine Sub-vention des Bereichs der Kernenergie beinhaltet sein?
Das sind im Wesentlichen, zu 86 Prozent, Projekte, dieder Kernfusionsforschung dienen. Ansonsten fließen dieMittel in den Bereich der Reaktorsicherheit.Wenn man sich die weiteren Aufgaben von Euratomanschaut, stellt man fest, dass die Setzung von Sicher-heitsstandards dazugehört. Des Weiteren wird dort alles,was mit Strahlenschutz und Entsorgung zusammen-hängt, behandelt.
Es geht auch um die wechselseitige Verpflichtung unddie Erklärung, dass sämtliches Nuklearmaterial inner-halb der EU Eigentum von Euratom ist, um die friedli-che Nutzung sicherzustellen. Für Frankreich und Groß-britannien gelten Sonderklauseln, für die anderen nicht.Das ist im Euratom-Vertrag geregelt.KriGtulöeuaDlozdePDrunmissühKswnÖ
as ist nichts anderes als populistische Verantwortungs-sigkeit. Sie können doch nicht so dumm sein, ernsthaftu unterstellen,
ass dieser Vertrag wirklich zu ändern ist. Das heißt, derinzige Kerngehalt Ihres Antrags findet sich unterunkt IV, wo steht:Sollte diese Neuausrichtung auf europäischerEbene nicht durchsetzbar sein, fordert der DeutscheBundestag die Bundesregierung auf, den Euratom-Vertrag von deutscher Seite aus zu kündigen.
a Sie nicht so dumm sind, zu glauben, dass Ihre Forde-ng unter Punkt III jemals in Erfüllung geht – wir lebenämlich nicht im Pippi-Langstrumpf-Land: Ich bastelir die Welt, so, wie sie mir gefällt –,
t klar, dass es auf Punkt IV hinausläuft. Das wärechlichtweg unverantwortlich.
Kündigen heißt, nicht mehr bei den Verhandlungenber die Sicherheitsstandards dabei zu sein. Kündigeneißt, nicht mehr bei der Überwachung mitzureden.ündigen heißt, sich aus der Verantwortung herauszu-tehlen, völlig ungeachtet der Frage, dass die Kernkraft-erke in den allermeisten Ländern in Europa auch in denächsten 20, 30, 40 Jahren weiterbetrieben werden.Dann haben Sie uns auch noch eine Partnerschaft mitsterreich empfohlen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2011 16749
Dr. Martin Lindner
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Zwentendorf ist ein wunderbares Beispiel. Wissen Sie,das Problem von Österreich war doch, dass Österreichaufgrund der Tatsache, dass es die Kernkraft nie genutzthat und dass das Kernkraftwerk Zwentendorf nie in Be-trieb genommen wurde, bei allen Fragen nicht ernst ge-nommen wurde. Es ist doch klar: Wenn man nicht dabeiist, wenn man nicht in der Verantwortung steht, dann hatman auch nicht mitzureden, dann kann man eben nichtmitgestalten.
Das empfehlen Sie uns als Weg für Deutschland, für diegrößte Industriemacht in Europa, die immer noch Kern-kraftwerke hat. Das ist unverantwortlicher Populismus.Dem schließt sich die Regierung selbstverständlich nichtan.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Man merkt auch in dieser Debatte deutlich, dass dieBundesregierung den Atomausstieg in diesem Frühjahrerzwungenermaßen beschlossen hat
und es ein Fehler war, dass das Hohe Haus nicht unsererForderung nachgekommen ist, den Atomausstieg imGrundgesetz niederzuschreiben; denn das, was jetzt pas-siert, ist umkehrbar. Diese beiden Fraktionen wollen aufjeden Fall zurück zur Kernenergienutzung. Das wurdeauch in dieser Debatte wieder deutlich.
Wir haben vor etwa vier Wochen einen Antrag zuEuratom in den Bundestag eingebracht. Wir freuen uns,dass die Grünen jetzt einen ähnlichen Antrag einbringen.Wie ich gehört habe, will auch die SPD einen Antrageinbringen. Vor vier Wochen hat der Bundestag entschie-den, unseren Antrag in den Europaausschuss zu über-weisen. Dort ist bereits eine Anhörung geplant. Weil dieFederführung heute strittig ist, appelliere ich an Sie, die-sen Antrag an den gleichen Ausschuss zu überweisen;denn es macht wenig Sinn, eine Anhörung im Europa-ausschuss durchzuführen, wenn ein ähnlicher Antrag imWirtschaftsausschuss behandelt wird. Deshalb fordereich Sie auf: Überweisen Sie den Antrag mit in den Euro-paausschuss.Zum Antrag der Grünen. Unseres Erachtens geht die-ser Antrag nicht weit genug; Sie haben eine zu lascheHaltung. Wenn wir aus der Atomkraftnutzung aussteigenwollen, dann, glaube ich, müssen wir mit dem FossilEuratom wirklich Schluss machen.EngadloäteBjälomgJnwwdSEdSEndezvladisFgDNpnanadaA
s ist nicht ausreichend, nur Vertragsänderungen vorzu-ehmen. Aber das passt ein Stück weit zu Ihrem sonsti-en Verhalten. Vor einem halben Jahr wurde der Atom-usstieg mit Ihrer Unterstützung beschlossen. Auchamals – das muss man sagen – ist man vor der Atom-bby und den Energieriesen eingeknickt. Jetzt ist eshnlich. Die Fraktion der Grünen springt meines Erach-ns nicht weit genug. Wir müssen Euratom auflösen.
Mit der Mitgliedschaft in Euratom verschwendet dieundesregierung – das wurde schon angesprochen –hrlich Millionen von Euro für die europäische Atom-bby und Nuklearindustrie. Insbesondere fördert sie da-it auch die Erforschung der Kernfusion, eine Ener-ieform, die möglicherweise erst 2050 nutzbar ist.
eder weiß, dass wir in Europa 2050 zu 100 Prozent er-euerbare Energien wollen. Das heißt, man fördert et-as, das man 2050 gar nicht mehr haben möchte. Inso-eit ist das eine Verschwendung von Steuergeldern.
Das Geld wird nicht, wie immer wieder behauptet, inie Verbesserung von Sicherheitsvorkehrungen oder vontrahlenschutz investiert. Wir haben festgestellt, dassuratom gerade da große Mängel aufweist. Erst nachen Ereignissen in Fukushima sind die sogenanntentresstests bei den AKW durchgeführt worden. Wennuratom so toll wäre, wären diese Stresstests nicht erstach den Ereignissen in Fukushima durchgeführt wor-en.Die deutsche Bevölkerung wurde – ich habe es bereitsrwähnt – mit einem schlechten Atomausstiegsgesetzufriedengestellt. Jetzt wird, wenn wir Euratom nichterändern oder beenden, dieser Atomausstieg in Deutsch-nd über die europäischen Umwege konterkariert; dennas, was wir im Rahmen von Euratom weiterhin fordern,t das Gegenteil von dem, was der Bundestag hier imrühjahr entschieden hat. Die Vorredner sind darauf ein-egangen.
eshalb fordern wir die Bundesregierung auf, endlichägel mit Köpfen zu machen, damit wir über die euro-äische Bande nicht eingeholt werden. Das entsprichticht dem Willen der Bevölkerung.Von Rednern der CDU/CSU, in der Vergangenheituch von Rednern der SPD, aber insbesondere von Red-ern der FDP wurde immer wieder erwähnt, man könneus dem Vertrag nicht aussteigen. Das ist Quatsch. Mitem Vertrag von Lissabon wurde Euratom strukturellus der EU ausgegliedert. Die EU und die Europäischetomgemeinschaft sind eigenständige Organisationen.
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Alexander Ulrich
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Deshalb kann man aus Euratom aussteigen. Auch wirhaben beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestagesein Gutachten angefordert. Man bestätigt uns, dass mannatürlich aussteigen kann, dass sich juristisch überhauptkeine Probleme ergeben, wenn man aus Euratom aus-steigt.Wir wollen den Atomausstieg. Machen Sie mit. Über-weisen Sie den Antrag in den Europaausschuss. Wirwerden dieses Thema dann in der Anhörung mit Exper-ten erörtern. FDP und CDU/CSU wollen weiterhin ander Atomenergienutzung festhalten. Sie wollen weiter-hin den Energieriesen das Geld hinterherwerfen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! „DieWelt braucht Kernenergie“, und die verantwortlichenPolitiker dürfen sich dabei weder von „Umweltidioten“noch von „Gerichten, die alles kaputtmachen“, bremsenlassen. Das sagte
Helmut Schmidt, nachzulesen im Spiegel vom 18. Juni1979.
Ich zitiere das, weil ich etwas deutlich machen will.
– Ich wollte Ihnen gerade recht geben, und Sie schreienjetzt schon wieder. – In der Tat sind die Perspektiven beider Betrachtung des Themas, über das wir hier diskutie-ren, seit den 50er-Jahren wechselnd und vielfältig. Es istnicht von der Hand zu weisen, dass man über den einenoder anderen Punkt des Euratom-Vertrages diskutierenmuss. In diesem Sinne hat das die damalige deutscheBundesregierung in der Schlussakte des Vertrages vonLissabon am 13. Dezember 2007 so festgelegt. Es ist zu-nächst einmal richtig, dass man über diese Themen dis-kutiert.
Nicht akzeptabel ist, dass Sie wieder den einseitigenAusstieg, die Kündigung fordern, wenn auch mit einerghnicTvImVshWdmdfrsmgudvh–Ds
enn Sie uns nicht glauben, meine Damen und Herren,ann glauben Sie doch Ihrem ehemaligen Bundesaußen-inister,
er hier, wie ich fürchte, richtig zitiert wurde.Also: Eine einseitige Kündigung kommt nicht in-age, juristisch nicht und auch politisch nicht, und zwarchlicht und schlank deshalb, weil im Euratom-Vertragehr geregelt ist als das, was Sie die Öffentlichkeiterne glauben machen wollen. Natürlich geht es auchm Sicherheitsfragen, um Fragen der Nuklearmedizin,er Forschung, der Wissenschaft, der Nichtverbreitungon nuklearem Material und der Entwicklung und Ein-altung von einheitlichen Sicherheitsnormen.
Nein.
as behaupten doch Sie. Legen Sie mir nicht den Un-inn, den Sie an dieser Stelle behaupten, in den Mund!
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Dr. Georg Nüßlein
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Das ist falsch. Sie wollen am Ende und unter dem Stricheinseitig aussteigen.
Immerhin konstatieren Sie in Ihrem Antrag aus-nahmsweise – in Teilen scheinen Sie offenbar in derRealität angekommen zu sein –, dass die Atomenergienoch einige Zeit Teil des Energiemixes vieler Mitglied-staaten sein wird; das steht da.
Kollege Nüßlein, gestatten Sie eine Frage oder Be-
merkung des Kollegen Röspel?
Ungern. Aber ich befürchte, er meldet sich sonst zu
einer Kurzintervention. Dann dauert es noch länger.
Also, bitte schön.
Ich mache es ganz kurz. – Da Sie immer auf dem
Ausstieg bzw. der einseitigen Kündigung herumreiten,
frage ich Sie: Sind Sie denn mit allen anderen Forderun-
gen einverstanden – dann könnten wir die Debatte ab-
kürzen –, und wann wird die Bundesregierung endlich
entsprechende Verhandlungen auf europäischer Ebene
führen?
All das wollte ich noch vortragen.
Nun habe ich aber die Chance, dies nicht in meiner nor-malen Redezeit, sondern in Antwort auf Ihre Frage zutun.
Ich beginne mit Punkt III.a des Antrags. Dort spre-chen sich die Grünen gegen die Forschungsförderungaus. Ich sage Ihnen ganz offen: Wir werden uns dochhoffentlich einig sein, dass man im Hinblick auf die Si-cherheit weiterforschen muss.WcaÜAsüsnz„bMvEmwaWdDmzzndIcmKTutizB
as das Thema Kernfusion betrifft, kann man rückbli-kend sagen: Hier ist wenig herausgekommen. Das heißtber nicht, dass dort in Zukunft nichts passieren wird. Imbrigen ist die Forschung von weltweiter Bedeutung.ngesichts des Energiehungers, den 7 Milliarden Men-chen auf dieser Welt entwickeln werden, muss manber die eine oder andere Option nachdenken und – soehr ich sie schätze – auch über den Tellerrand der er-euerbaren Energien blicken.Ich fahre fort und komme auf Punkt III.e des Antragsu sprechen.
Der europaweite Ausstieg aus der Atomkraft soll vor-ereitet werden.“
ir stellt sich die Frage, wie dies mit der Feststellung zuereinbaren ist, dass wir momentan eine ganz anderentwicklung erleben, nämlich die Entwicklung, dassan beispielsweise in Polen,
ie der Kollege Lindner beschrieben hat, in eine ganzndere Richtung denkt und neue Kernkraftwerke baut.
enn Tschechien erst die entsprechenden Anträge aufen Tisch legt, werden sich viele darum bemühen,eutschland Strom liefern zu können. Das ist nun ein-al die Realität, mit der Sie umgehen müssen.Viel spannender als immer nur den Euratom-Vertragu thematisieren, wäre, auch einmal über die Frage nach-udenken, was wir im europapolitischen Kontext unter-ehmen können. – Sie können darüber auch untereinan-er diskutieren; dann muss ich mich hier nicht abmühen. –h wäre eng an Ihrer Seite, wenn man endlich Druckachen und darauf hinwirken würde, dass das Themaernenergie und Sicherheit auf europäischer Ebene zumopthema wird. Stattdessen geht es meistens darum, wasns alles aus Brüssel blüht. Jetzt will man uns sogar dik-eren, wie wir hierzulande Maßnahmen zur Energieeffi-ienz umzusetzen haben. Über den Vorschlag, dass dieürgerinnen und Bürger ihren Energieverbrauch um
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Dr. Georg Nüßlein
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1,5 Prozent pro Jahr senken sollen, soll schon diskutiertworden sein. Das soll zwangsweise geschehen. Das istplanwirtschaftlich. Hier werden wir von Brüssel diri-giert. Es wäre doch besser, wenn wir über das wirklicheThema, das europaweit und grenzüberschreitend eineRolle spielt, nämlich die Sicherheit, diskutierten. Hier istEuratom eine Basis. Entscheidend ist aber doch, dass wirdas europapolitisch nach vorne stellen und nicht dieKleinigkeiten, die von Brüssel aus ganz gerne auf unseinwirken sollen.– Ja, das muss man hier halt auch immer und immer wie-der sagen. Fahren Sie doch einmal in den Schwarzwaldund diskutieren Sie dort mit der Kreisvorsitzenden derGrünen, warum sie gegen das große Speicherkraftwerkist. Das wäre eine spannende Sache. Dadurch könntenSie einen größeren Beitrag zur Energiewende inDeutschland leisten als durch solche Schaufensteran-träge.In diesem Sinne: Vielen Dank.
Das ist nicht erbaulich. Ich hätte mir gewünscht, dass Siedieses Thema ein bisschen konstruktiver begleiten wür-den.
Gerne kann man mit den Nachbarländern über dieFrage diskutieren, wie es mit der europäischen Kern-energie weitergeht. Ich sage Ihnen aber auch: Sie werdenunserem Beispiel nur folgen, wenn wir zeigen können,dass man auf der einen Seite sukzessive aus der Kern-energie aussteigen und auf der anderen Seite Wachstumund Wohlstand sichern kann.
Hier können Sie Ihren Beitrag leisten. Ich konstatiereaber, dass Sie sich sonst, wenn es konkret wird, üblicher-weise immer nur sperren. Immer dann, wenn es um Spei-cherkraftwerke, Netze, Windräder und andere Dingegeht,
immer dann, wenn es konkret wird, sind Sie nicht dabei.Sie verkünden hier das Allgemeine und sperren sich imKonkreten.
DfüjewuwgFfüEssFdloWwtiSnSdes
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/7670 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist
doch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP
ünschen Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft
nd Technologie. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
ünscht Federführung beim Ausschuss für die Angele-
enheiten der Europäischen Union.
Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der
raktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen, also Feder-
hrung beim Ausschuss für die Angelegenheiten der
uropäischen Union. Wer stimmt für diesen Überwei-
ungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
ich? – Der Überweisungsvorschlag ist abgelehnt.
Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
raktionen der CDU/CSU und FDP abstimmen, also Fe-
erführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
gie. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Über-
eisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Unionsfrak-
on, der FDP-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die
timmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
chluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Dienstag, den 22. November 2011, 10 Uhr,
in.
Ich wünsche Ihnen im Rahmen der Möglichkeiten ein
chönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.