Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-ginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.Wir schließen heute die erste Lesung der Haushalts-beratungen – Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b – ab:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2009
– Drucksache 16/9900 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungFinanzplan des Bundes 2008 bis 2012– Drucksache 16/9901 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussAm Dienstag haben wir zu Beginn dieser Beratungenfür die heutige Aussprache eine Redezeit von insgesamtdrei Stunden vereinbart.Wir beginnen die heutigen Beratungen mit dem Ge-lkwczGkwRbmdzeünfswgRedetschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaftund Technologie, Einzelplan 9.Das Wort erhält der Bundesminister Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Zuerst die gute Nachricht: Die deutschen Sparermüssen nicht um ihr Geld bangen; die Sicherungsein-richtungen der deutschen Banken sind nach wie vor in-takt. Wir sind derzeit in einer Banken- unmarktkrise, die vor allen Dingen in den UGroßbritannien Dimensionen erreicht hat, mitsere Generation noch nie konfrontiert war. Es
Das gilt vor allen Dingen für Deutschland. Der Ver-altungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau hat sichestern mit den Konsequenzen aus dem Fall LehmanextBrothers beschäftigt. Mein Kollege Peer Steinbrück undich haben mit den Verwaltungsratsmitgliedern in einervertrauensvollen Zusammenarbeit gestern Entscheidun-gen getroffen und erste Konsequenzen gezogen. Die bei-den zuständigen Vorstandsmitglieder wurden bis zurendgültigen Klärung des Vorfalls suspendiert, ebenso derfür Risikokontrolle zuständige Bereichsleiter. Darüberhinaus wird die KfW die Geschäftsabläufe und die Auf-bauorganisation, vor allem das Risikomanagement, einerintensiven und kritischen Prüfung unterziehen.Ich bin der festen Überzeugung: Wir müssen allestun, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen.bei Abgeordneten der CDU/CSU)ntlichem Geld muss man vorsichtig um-icht das Geld der Spekulanten, das hierd Finanz-SA und in denen un-war vor al-
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– Ich kann Sie nicht verstehen. Wollen Sie wieder FrauSchaeffler enteignen, oder um was geht es hier?
Wir in Deutschland und Europa haben diese Krisenicht ausgelöst; doch sie berührt auch uns. Wir müssenuns vor allen Dingen um die produzierende Wirtschaftkümmern und alles tun, dass sie ausreichend mit Geldund Krediten versorgt wird; denn wir sind das dritt-stärkste Industrieland der Welt. Die Menschen inDeutschland leben in starkem Maße von der industriel-len Produktion und allem, was sich darum herumrankt.Die Krise zieht natürlich auch die Konjunkturindika-toren ein Stück nach unten. Unsere Wirtschaft ist hoch-gradig in die Weltwirtschaft eingebunden. Davon habenwir in den letzten drei Jahren profitiert, und zwar erheb-lich. Es wird jetzt kaum möglich sein, sich von nega-tiven Entwicklungen auf den Weltmärkten abzukoppeln.Die immer noch von den USA dominierte Weltwirt-schaft muss eine Reinigungs- und Anpassungsphase hin-ter sich bringen.Die aktuelle Krise ist das Spiegelbild vorangegange-ner Übersteigerungen. Jahrelang haben einige am Immo-bilienboom, vor allen Dingen in den USA, massiv ver-dient und gutgläubige Anleger mit unsicherenFinanzprodukten „beglückt“. Nun herrscht weltweit Ka-terstimmung. Es zeigt sich wieder einmal, dass Einkom-men und Gewinn auf die Dauer nur durch harte Arbeitund unternehmerische Initiative zu erzielen sind.In Deutschland haben wir diese Grundregel nie ver-gessen. Wir haben sie gerade in den letzten Jahren sehrbeachtet. Unsere Unternehmen haben ihre Wettbewerbs-fähigkeit in den letzten Jahren kräftig steigern können.Die Bilanzen sind fast überall solide. Auch das ist einegute Nachricht. Die strukturelle Widerstandsfähigkeitder deutschen Wirtschaft ist gestiegen. Das kommt unsjetzt zugute, wenn es darum geht, Folgeschäden der in-ternationalen Entwicklung zu verkraften, und wir wer-den sie verkraften müssen.Der Export wird das Wachstum nicht mehr im glei-chen Maße wie bisher stützen, obwohl auch hier wiederpositive Zeichen zu sehen sind. Ich nenne nur die Stich-worte „Euro-Dollar-Kurs-Entwicklung“ und „rückläu-fige Ölpreise“; von letzteren verspreche ich mir natürlichauch positive Effekte.Umso wichtiger ist es, die eigenen Wachstumspfeilerzu stärken, also vor allem betriebliche Investitionen undStrukturverbesserungen weiter voranzutreiben sowie dieprivate Nachfrage zu stärken.Damit wir die aktuelle Wachstumsschwäche überwin-den, müssen alle Akteure, die Verantwortung tragen,mmswwRwahnwsASmmGculbWnEAfSAbFwlv–a––KC
er Entlastung von Steuern und Abgaben als Verbren-en von öffentlichen Geldern bezeichnet, verwechseltntstehung und Verwendung. Das müssen wir immer imuge behalten.
Ich will, dass wir eine konjunkturgerechte, bürger-reundliche Wachstumspolitik pflegen. Ein wirksamesignal wäre eine dauerhafte Senkung von Steuern undbgaben, sobald es möglich ist, insbesondere für denreiten Mittelstand. Dazu rechne ich die Beamten undacharbeiter in allererster Linie. Vor allen Dingen ist einichtiges Signal, dass wir den Beitragssatz zur Arbeits-osenversicherung weiter senken:
on 3,3 auf 2,8 Prozent. Das muss drin sein.
Ich stütze nicht Ihre Politik. Ich kann Sie akustischuch gar nicht verstehen.
Nein. Sie werden das alles noch erleben.
Sie werden erleben – damit das ganz klar ist –, dass dieanzlerin hier mitmacht.
Ich unterstütze selbstverständlich die Forderung derDU/CSU-Bundestagsfraktion; denn es ist vernünftig,
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Bundesminister Michael Glosein Gesamtentlastungspaket von 10 Milliarden Euro, dasBeitragssenkungen und andere Verbesserungen enthält,auf den Weg zu bringen. Ich stehe selbstverständlichauch hinter den Forderungen meiner Partei nach weite-ren Entlastungsschritten in der nächsten Legislaturperi-ode. Dahinter steckt ein durchdachter Plan.
Auch in diesem Punkt ist Ihr Ausspruch, Frau Bundes-kanzlerin, richtig – ich zitiere –:Der Bund muss erstmal dahin kommen, wo Bayernheute schon ist.Ich hoffe, dass sich das auch bei den geplanten Maßnah-men bewahrheitet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müsseneinen Ausgleich der inflationsbedingten Progressions-wirkung bei den Steuern so bald wie möglich sicherstel-len. Das steht nicht im Widerspruch zu unseren Konsoli-dierungsbemühungen, sondern ist eine entscheidendeVoraussetzung für einen dauerhaften Haushaltsaus-gleich. Nur wenn wir dem Wachstum Raum geben, sindauch Einnahmen des Staates bzw. der öffentlichen Handund damit deren Ausgaben gesichert.Um das Wachstum dauerhaft zu stärken, brauchen wireine Zukunftsorientierung der öffentlichen Ausgaben.Das geschieht auch in meinem Haushalt, indem zumBeispiel die Fördermaßnahmen für Altindustrien auslau-fen – ich nenne die Steinkohleförderung – und stattdes-sen Wachstumsfelder zusätzlich gefördert werden.
Ich möchte noch ein Letztes zu den Voraussetzungenfür dauerhaftes Wachstum in einem Industrieland wieDeutschland sagen: Hierzu gehört eine preiswerte, si-chere und klimafreundliche Energieversorgung aus ei-nem Energiemix, sodass Energie vor allen Dingen auchfür die energieintensiven Industrien bezahlbar bleibt.Hier geht es nicht um diejenigen, die Anteilseigner derFirmen sind, sondern in allererster Linie um die Arbeits-plätze in Deutschland.
Deswegen beschäftigt mich die Entwicklung der Ener-giepreise ganz besonders. Wir müssen uns hier künftignoch besser aufstellen.Ich meine, dass wir um den Weiterbetrieb der siche-ren deutschen Kernkraftwerke auf absehbare Zeit nichtumhinkommen. Ich bin selbstverständlich dafür – hierwerden mir immer falsche Vorhaltungen gemacht –, dasswir Energieeffizienz fördern, dass wir Energie einsparenund moderne Technologien fördern. Wir tun das. Ichhabe unlängst erst die größte Windenergiemesse derWelt in Husum eröffnet. Ich weiß, dass 70 bis 80 ProzentdRTfWggucdhnedhIaudnIeDDdgbpgUmdFJ
ir müssen aber der Entwicklung auch Raum und Zeiteben und dürfen nicht zwischenzeitlich Arbeitsplätzeefährden
nd vor allen Dingen nicht die Geldbeutel der Verbrau-her stärker belasten, als es sein muss, weil ansonstenieses Geld im Inlandskreislauf fehlt.
Ich möchte noch eine Ermahnung aussprechen: Wiraben innerhalb der Bundesregierung – ich muss aus-ahmsweise den Kollegen Gabriel loben –
inen guten Kompromiss beim Emissionshandel gefun-en, den wir auch in Brüssel durchsetzen wollen. Dortat man ja sehr viel weniger Verständnis für die deutschendustrie, als es naturgemäß bei uns der Fall ist. Vielendere Länder sind ja entindustrialisiert und haben fürnsere Forderungen kein Verständnis. Deshalb muss beien Verhandlungen über die Zuteilungsquoten für dieächste Emissionshandelsperiode die energieintensivendustrie ausgenommen werden. Wenn man sie nämlichinbeziehen würde, wäre das nicht nur zum Schadeneutschlands, sondern zum Schaden von ganz Europa.ie Produktion würde dann nämlich an andere Orte iner Welt verlagert; dort würde dafür sehr viel mehr Ener-ie verbraucht und die Umwelt stärker geschädigt, als esei uns der Fall ist. Zugleich würden bei uns die Arbeits-lätze verloren sein. Wir müssen deshalb Einigkeit imanzen Haus darüber erzielen, um die Europäischenion ein Stück weit in die Schranken zu weisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bedankeich bei all den Seiten dieses Hauses, die eine Politiker Vernunft und des Augenmaßes unterstützen.Herzlichen Dank.
Rainer Brüderle ist der nächste Redner für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dreiahren konjunkturellem Sonnenschein in Deutschland
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Rainer Brüderlemuss die Bundesregierung jetzt im Abschwung ihre Fä-higkeiten als Krisenmanager beweisen. Es ist allerdingsein Irrglaube, zu meinen, man könnte die Wirtschaftsteuern und Konjunkturschwankungen abschaffen. Dasmusste schon einmal eine Große Koalition erfahren.Seitdem sind antizyklische Maßnahmen zur Konjunktur-steuerung nur noch im Gespräch, wenn man Schuldenmachen will. Haushaltsüberschüsse aus guten Zeitensind in den vergangenen 30 Jahren unrealistischesWunschdenken geblieben; sie wurden nie erreicht.Worüber hier im Parlament zu reden ist, ist nicht dieTatsache, dass wir uns im Abschwung befinden. Daskommt in der Wirtschaft von Zeit zu Zeit vor; das kannman gar nicht vermeiden. Wir müssen über die Tatsachereden, dass die Bundesregierung nicht rechtzeitig fürdiesen Fall vorgesorgt und Maßnahmen ergriffen hat.
Im Mittelstandsland Deutschland muss sich der Mit-telstand von der Bundesregierung verschaukelt vorkom-men.
Man hat fast das Gefühl, die schwarz-rote Regierunghätte ein systematisches Programm zur Schwächung desdeutschen Mittelstands aufgelegt.
Schon kurz nach der letzten Bundestagswahl wurde dasImmunsystem des Mittelstands durch die größte Steuer-erhöhung in der Geschichte der Republik geschwächt.Bei der drastischen Mehrwertsteuererhöhung darf mansich nicht wundern, wenn der private Konsum, der zweiDrittel der Nachfrageseite ausmacht, nicht anspringt,wenn die Menschen ihr Geld zusammenhalten und somitnicht durch mehr Nachfrage die Wirtschaft stützen.Die Sozialabgaben für Unternehmen und Arbeitneh-mer sind nicht – wie versprochen – dauerhaft unter40 Prozent gesunken. Der Zwangsgesundheitsfonds wirdim kommenden Jahr eine Erhöhung der Krankenkassen-beiträge und zusätzliche Belastungen bringen. Die Büro-kratie ist in einem höchst bescheidenen und fast zu ver-nachlässigenden Maß abgebaut worden. Allein dieVorverlegung der Erhebung der Sozialversicherungsbei-träge auf den Monatsersten hat eine Zusatzbelastung von4 Milliarden Euro ausgelöst. Dagegen ist eine Entlastungvon 60 Millionen Euro ein Witz.
4 Milliarden Euro draufzuknallen und 60 Millionen Eurozu geben, ist ein schlechtes Geschäft.
Die Bundesregierung hat der Wirtschaft die Schutz-jacke der Mittelstandsförderung dank der Ausflüge derKfW in die private Bankenwelt schon halb ausgezogen.
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önnen Sie diese Garantie heute vor diesem Parlamentestätigen? – Diese Frage muss gestellt werden.
Mit den Platzhaltergeschäften bei Post, Telekom undADS wurde die KfW von einer Förderbank zu einemktienfonds. Mit dem IKB-Abenteuer wurde sie zu ei-em Hegdefonds, und in den vergangenen Tagen hattean den Verdacht, dass sie zu einer Art Spielkasinourde.
er Mittelstand darf nicht die Zeche für die Aktivitätenes Staates im Banksektor zahlen müssen.
Die angeblich aktive Rolle der Bundesregierung beier Bewältigung der internationalen Finanzkrise siehtehr bescheiden aus. Als die Finanzmärkte bei dem G-7-rühjahrstreffen der Finanzminister und des IWF impril letzten Jahres international zu einem politischenhema wurden, war der Bundesfinanzminister auf Sa-ari. Es muss offensichtlich eine hohe Bedeutung gehabtaben, sich um die Angelegenheit zu kümmern, wennan lieber auf Safari geht, statt beim IWF tätig zu sein.Meine Damen und Herren, es geht so weiter. Als Me-izin verordnet die Bundesregierung jetzt ausgerechnetine mittelstandsfeindliche Vergaberechtsnovelle. Dieffentlichen Unternehmen werden bevorzugt, und pri-ate Handwerker werden aus dem Markt gedrängt. Dernergiepreis wird vom Staat künstlich hoch gehalten,dem durch die Kraft-Wärme-Kopplung und das Erneuer-are-Energien-Gesetz Subventionstatbestände fortgeführterden. Da helfen auch keine Konjunkturprogramme inorm von Kühlschrank- oder Neuwagensubventionen.eue Ausgabenprogramme helfen überhaupt nicht wei-er, auch dann nicht, wenn sie im Kostüm des Klima-chutzes daherkommen.Fatal ist die ungeklärte Situation bei der Erbschaft-teuer.
ie Erbschaftsteuer ist eine Riesenbelastung für Fami-ienunternehmen, für die mittelständische Wirtschaft.ier muss Klarheit sein; hier muss Entlastung stattfin-en. Am besten wäre es, die Erbschaftsteuer komplettbzuschaffen. Übertragen Sie wenigstens die Kompetenzuf die Bundesländer, sodass der föderale Wettbewerbiejenigen, die mutiger sind, nach vorne bringt! Die Mit-elständler müssen nicht nach Österreich oder in ein an-
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Rainer Brüderlederes Land gehen, sondern können in Deutschland blei-ben, wenn der Mittelstand durch die Abschaffung derErbschaftsteuer gefördert wird.
Die wachstumsfeindlichen Maßnahmen der Bundes-regierung – Steuererhöhung für den Mittelstand, Min-destlöhne, Gesundheitsreform, Antidiskriminierungsge-setz – haben weit mehr Belastungen für den Mittelstandgebracht, als die Förderprogramme an Entlastung brin-gen. Hier wäre der Bundeswirtschaftsminister als ord-nungspolitisches Gewissen gefordert, sich dem entge-genzustellen. Wenn er sagt, von Bayern zu lernen, heißefür die Bundesregierung, besser zu werden, dann soll erdas auch umsetzen. Die Bayern haben die Steuerentlas-tung kurz vor der Wahl entdeckt. Das heißt, es sind nichtgerade Initiativworte des Wirtschaftsministers, endlichdie Entlastung durchzuführen, damit Luft zum Investie-ren ist, Luft, voranzukommen, neue Arbeitsplätze zuschaffen und vorhandene zu halten.Ein Teil des Erfolgs der letzten drei Jahre war dieSteuerreform von 2000, die damals dank des Vermitt-lungsausschusses und auch dank unserer Stimme ausRheinland-Pfalz möglich gemacht wurde. Es dauert län-gere Zeit, bis die Wirkungen das Wirtschaftsgeschehennachhaltig beeinflussen und ein Stück voranbringen kön-nen; deshalb wäre es überfällig, die Steuerreform aufden Weg zu bringen. Aber all das geschieht nicht. Wirbeschäftigen uns mit Nebenpunkten. Es gibt tolle Erklä-rungen, aber die wahren Weichenstellungen erfolgennicht.Was wir jetzt an den Finanzmärkten erleben, ist letztlichTeil eines Verfalls der ordnungspolitischen Verhaltenswei-sen und des klaren Kurses in der Wirtschaftspolitik. Wirerleben es bei der Konzentration in der Energiewirt-schaft. Da wird Monopoly gespielt, und wir wundernuns, wenn die Energiepreise nicht entsprechend reagie-ren und die Benzinpreise, selbst wenn die Rohölpreisesinken, trotzdem oben bleiben. Das hat etwas mit Markt-strukturen zu tun. Da sind Dinge nicht in Ordnung. ImBankenbereich hat es damit zu tun, dass die Aufsichtnicht funktioniert, dass offensichtlich auch die Verwo-benheit des Staates mit Teilen des Bankensektors nichtfunktioniert. Es ist doch bemerkenswert, dass die Lan-desbanken, die öffentlich-rechtlichen Banken, ganz vornsind bei den Fehlentscheidungen,
bei der Misswirtschaft und beim Aufkauf von miserablenamerikanischen Wertpapieren, den Subprime-Papieren.Da sind die Strukturen nicht in Ordnung.Unsere Debatte muss darüber geführt werden, wie wirdie soziale Marktwirtschaft wieder zur Wirkung brin-gen und wie deren Prinzipien wieder Beachtung finden.Schon die Gründungsväter, Eucken und andere, habendarauf hingewiesen, dass es schiefgeht, wenn nicht zweiDinge beachtet werden: Eine zu hohe Konzentrationmuss vermieden werden, denn sonst kann die Wirtschaftnicht funktionieren, und es muss vermieden werden,dgemzfsdKddDkbmadwAgsSwVfSmhwDsosd–ssgs
o schnell kann man nicht vom Sünder zum Proselytenerden in diesem Bereich.All die stolzen Banker – erinnern Sie sich an dieictory-Zeichen – haben sich als die wahren Wertschöp-er dieses Jahrhunderts dargestellt.
ie haben sich als diejenigen gezeigt, auf die man hörenuss. Der Staat sollte möglichst weit weg bleiben. Wenneute der Staat und die Zentralbanken nicht wären, dannären all diese wertvollen und erfolgreichen Typen weg.ann wäre alles verbrannt. Die Finanzmärkte würdenich selber kannibalisieren. Jetzt ist der Staat der Lenderf Last Resort. Wir sagen diesen Typen: Ihr habt einmalo gewirtschaftet, wie ihr wolltet. Nie wieder! Wir wer-en euch auf die Finger schauen.
Da kommen Sie schon wieder mit dem Zuruf „Ver-taatlichung!“. – Das sind die Leute, die sagen: Der Staatollte fernbleiben, wenn es darum geht, den Alltag zu re-ulieren. – Kaum aber sind Milliarden verbrannt, kaumind Millionen Schicksale davon berührt – zum Beispiel
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Ludwig Stieglerim Rahmen der Altersvorsorge –, dann schreit man nachdes Staates Hilfe und sagt dann, wenn er geholfen hat:Nun geh wieder; nun wollen wir wieder alleine Beutemachen.Wenn die Weltwirtschaft etwas daraus gelernt hat,dann müssen jetzt all die guten Vorsätze, die die Bankfür Internationalen Zahlungsausgleich formuliert hat,auch umgesetzt werden. Noch im April hatte man dieseguten Vorsätze, und die G 7 hat entsprechende Fristengesetzt. Je näher es zur Umsetzung kommt, desto zöger-licher wird man. Wenn man sieht, wie es in Amerika aufden Finanzmärkten zugeht – wie in einem Westernfilm –,weiß man, dass die Welt dafür sorgen muss, dass auf denFinanzmärkten Recht und Ordnung herrschen und nichtder Wilde Westen.
Seit 1998 haben sich alle sozialdemokratischenFinanzminister weltweit bemüht,
ohne Unterstützung durch die Liberalen, ohne Unterstüt-zung durch andere, zum Beispiel durch sogenannte Wis-senschaftler. Was haben die uns in Frankfurt alles er-zählt! Sie haben gesagt, dass man die Märkte sich selberüberlassen muss. Was haben die uns alles aufgeschrie-ben! Dies alles ist belegt und dokumentiert.
Daran werden wir uns deutlich erinnern. Wir bzw. dieMenschen haben hinterher die Folgen zu tragen. Alsowerden wir diesen Wilden Westen nie mehr zulassenkönnen und unseren Beitrag leisten müssen. Ich hoffe,dass die Staaten auf der IMF-Konferenz im Oktober et-was tun.Auch die arroganten Engländer spüren, was sie ange-richtet haben. Man muss sehen, wie stolz sie vor dreiJahren argumentiert haben und wie kleinlaut sie jetzt da-herkommen.
Man sollte sich einmal die ganzen Reden ansehen, indenen wir Deutsche belächelt wurden und der deutscheFinanzminister als Dorfdepp in der Finanzwirtschaft dar-gestellt wurde. All diese tollen Typen haben jetzt den Sa-lat. Jetzt werden wir wieder Ordnung schaffen. Wir hof-fen, dass wir genügend Unterstützung haben. Es gibt zuviele, die dafür bitter gezahlt haben.
– Da sieht man einmal, wie objektiv wir sind. Wir sehen,dass selbst ein Blair Blödsinn machen kann und dass wirhinterher dafür büßen müssen. Da haben wir keine Hem-mungen.–giiwjkhRgmauDiwVdduWbMdasVktcJdwdsndMgsgdecgnd
Gerade ein Herr Kampeter, der immer mit den Jägernejagt hat und jetzt mit den Hasen flüchten will,
st der Letzte, der uns Belehrungen erteilen kann. Abern aller koalitionären pflichtschuldigsten Liebe werdenir das miteinander ertragen.Meine Damen und Herren, unsere Hauptaufgabe ist esetzt, die Realwirtschaft von diesen Ereignissen abzu-oppeln. Das hat uns am meisten zu beschäftigen. Vieleaben die Konjunkturausblicke bisher immer aus demückspiegel bezogen und gesagt: Na ja, so weit ist esanz gut gelaufen, das Wachstum ist gekommen. Nunüssen wir aber miteinander zur Kenntnis nehmen, dassuf der vor uns liegenden Wegstrecke mancher Baummgefallen und manche Straße nicht mehr passierbar ist.as ist etwas, was uns nicht ruhig lassen kann. Gefragtst aber nicht Laisser-faire, wie die Liberalen sagen, dasird der Vater im Himmel schon richten. Wir haben eineerantwortung für die kommende Entwicklung.Wenn wir sehen – ich nenne nur eine Branche –, dassie Bauwirtschaft bezogen auf das Jahr 2000 im Bereiches Wohnungsbaus schon heute einen Index-Wert vonnter 50 hat, dann ist klar, dass Handlungsbedarf besteht.ir haben aber auch Handlungsmöglichkeiten. Wir ha-en die Chance, die Bruttowertschöpfung zu steigern.it bescheidenen Einsätzen können wir etwas tun, dassie Konjunktur in den Wirtschaftsbereichen, in denen sieuf die Binnennachfrage angewiesen ist, nicht ab-chmiert. Wir können wenig tun, was die internationalenerflechtungen betrifft. Im Bereich der Binnenwirtschaftönnen wir aber eine ganze Menge tun.Wir sind die Erfinder des Programms zur energe-ischen Gebäudesanierung. Wir wollen unsere öffentli-hen, privaten und gewerblichen Gebäude bis zumahr 2020 auf einen energetischen Standard bringen, derer Situation auf den Weltenergiemärkten und den Not-endigkeiten des Klimaschutzes angemessen ist. Da-urch entstehen Wachstum, Beschäftigung und Wert-chöpfung. Darum sollten wir beim Haushalt dieotwendigen Entscheidungen treffen.
Wir haben schon Erfolge vorzuweisen. Ich möchteen Finanzminister ausdrücklich dafür loben, dass er dieittel für dieses Programm im Sommer binnen 14 Ta-en um 500 Millionen Euro aufgestockt hat, damit die-es Programm keinen Fadenriss bekommt. Es hat sichezeigt, dass die Nachfrage größer ist, als man bisher ge-acht hat. Ich bin nicht dafür, dass man dieses Programmxplosionsartig aufwachsen lässt, sondern dafür, Gesprä-he mit den beteiligten Kreisen zu führen und das Pro-ramm auf einen Wachstumspfad zu setzen, der sichicht auf die Preise auswirkt.Hinzu kommt der ganze Bereich des Stadtumbaus,er in das Ressort von Wolfgang Tiefensee fällt. Der
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Ludwig StieglerStadtumbau erzeugt flächendeckend eine Nachfrage beiHandwerk und Gewerbe und bringt gleichzeitig einenachhaltige Wertschöpfung mit sich. Wir haben hier dieChance, mit einem überschaubaren öffentlichen Einsatzeine hohe private Investition auszulösen. Wir haben inDeutschland nach wie vor weit mehr Ersparnisse als In-vestitionen. Wenn es uns gelingt, einen Teil dieser Er-sparnisse in Investitionen umzulenken, dann erreichenwir unser Wachstumsziel, ohne das Konsolidierungszielzu schädigen. Herr Kampeter, man kann sich aus demElend nicht heraussparen; das haben wir gelernt. DieseGroße Koalition hat 2005 gezeigt, dass wir aus demElend herauswachsen können, und wir sind herausge-wachsen. Darauf sind Sie neidisch. Sie haben uns dieKohl’sche Katastrophe hinterlassen. Sie sollten ganzkleinlaut sein, was den Haushalt und die Finanzen be-trifft.
Konsolidieren und wachsen, das ist das Entschei-dende.
Hinzu kommt: Wir brauchen ordentliche Löhne, damitsich Arbeitnehmereinkommen in Kaufkraft verwan-deln. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass wir zwarüber 1 Millionen Beschäftigte mehr haben, das Einkom-men der Arbeitnehmer, gemessen am gesamten Volks-einkommen, aber nicht sonderlich gewachsen ist, weildas untere Drittel der Einkommen besondere Problemehat. Wir haben Gott sei Dank starke Gewerkschaften. ImExportbereich und im Maschinenbau kann ein fairer An-teil durchgesetzt werden. Wir haben aber auch viele Be-reiche, die schlecht organisiert sind und in denen nichtangemessen gezahlt wird. Wir sind dafür, dass wir indiesem Jahr zumindest den tariflichen Mindestlohn inKraft setzen; denn es gibt nur dann mehr netto, wenn wirauch mehr brutto haben. Im unteren Bereich hilft eineSteuersenkung nichts. Da helfen nur höhere Löhne undGehälter. Da helfen nur faire relative Preise. Mir kannkeiner erklären, dass derjenige, der eine Anlage sauberhält, weniger produktiv ist als derjenige, der etwas erfin-det oder produziert. Denn wenn die Anlage nicht sauberwäre, wäre die Kreativität des anderen bald beim Teufel.Man muss also Haupt und Glieder zusammen sehen.Deshalb müssen wir für die unteren Einkommen ge-meinsam eine Besserstellung erreichen. Dann haben wirwieder Massenkaufkraft und der Konsum trägt zuWachstum und Beschäftigung bei.
Der Bundeswirtschaftsminister hat wieder seineAtomarie gesungen.
Ich kann nur sagen: Jetzt endlich sind auch die Energie-versorgungsunternehmen bereit, in erneuerbare und al-ternative Energien zu investieren. Wer davon denDruck nimmt, versündigt sich an der Zukunft. Jemand,der wie Bayern den Mist nur produziert und sagt, dieNNzdnAMwMlwdwsHdKwdnttshDHshwSsmdEB
Sie haben gesehen: Sein Papier zur Energiepolitik warichts anderes als ein Wrapper, eine Tüte, um seinetomgeschichten durchzusetzen.
ehr fällt ihm nicht ein, obwohl es gerade Herr Glosar, der ein virtuelles Netz gestartet hat, in dem alleöglichkeiten der erneuerbaren Energien sogar grund-astfähig werden. Michael Glos weiß das also; zumindestenn er seine Sprechzettel liest, müsste er es wissen undürfte nicht wider besseres Wissen handeln. Deshalbird in diesem Bereich nichts gehen.
Meine Damen und Herren, wir stehen in der Weltwirt-chaft und in der europäischen Wirtschaft vor ernstenerausforderungen. Ich denke, wir müssen alles tun, umiesen Finanzmarktkapitalismus zu bändigen und dieseasinomentalität zu brechen. Das Wichtigste ist, dassir gleichzeitig die Realwirtschaft vor den Schäden auser Finanzindustrie bewahren. Das ist in Deutschlandoch leichter als in anderen Ländern. Diese Chance soll-en wir nutzen, damit wir durchkommen. Aber wir soll-en uns auch vornehmen, nie mehr wieder solche Zu-tände zuzulassen, die zu dem geführt haben, was wireute zu beklagen haben.Vielen Dank.
Roland Claus ist der nächste Redner für die Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Es ist hochinteressant, Sie hier über die Zu-tände an den internationalen Finanzmärkten urteilen zuören. Begriffe wie „Gier“, „diese Typen“ und „Wild-estmentalität“ hören wir schon mit Interesse. Ich willie nur daran erinnern, mit welchen Zwischenrufen Sieolche Kritiken, wenn sie denn aus unserer Fraktion ka-en, bislang belegt haben.
Ich glaube, die größte Fehleinschätzung, Herr Bun-esminister Glos, haben Sie mit den Worten getroffen:s war eine Krise. – Ich muss Sie daran erinnern, Herrundesminister Glos: Sie sind der Chef des Verwal-
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Roland Claustungsrates der staatlichen Kreditanstalt für Wiederauf-bau.
Die halbe Bundesregierung sitzt darin: Herr Steinbrück,Herr Tiefensee, Herr Steinmeier.
– Bei dem Namen Lafontaine geht Ihnen offenbar jedesUrteilsvermögen ab.
Erstens können Sie nicht einem Mitglied von 34 die Ver-antwortung zuweisen.
Zweitens hat gerade Herr Lafontaine Ihnen hier oft ge-nug bewiesen, dass er völlig andere Schlussfolgerungenaus der Situation gezogen hat als Sie.
Aber das hier ist natürlich ein maßgebliches Syndrom.
Deshalb hätten wir erwartet, Herr Bundesminister, dassSie über „diese Typen“ bei den Bankern nicht nur sinnie-ren, sondern dass Sie über Ihre Verantwortung als auf-sichtführendes Gremium sprechen. Dazu sagten Sie aberkein Wort. Das werden wir so nicht hinnehmen.
Natürlich wird die Kreditanstalt für Wiederaufbau ge-braucht. Es gibt eine ganze Reihe von Mittelstandspro-grammen, über die hier bereits geredet wurde; ein Bei-spiel ist das Gebäudesanierungsprogramm. Die Verlusteder KfW schmälern das Fördervolumen. Da können Siedoch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen!Sie meinen wohl, dieses Problem mit einer pauscha-len Kapitalismuskritik, mit einer Kritik der Finanz-märkte übergehen zu können. Ich muss Ihnen sagen: Sowerden Sie dieses Problem nicht lösen.
So kann Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht weiterge-hen.Wenn Sie in dieser Woche wirklich nicht aus demBundestag herausgekommen sein und nicht wahrgenom-men haben sollten, welch tiefe Enttäuschung und welcheEmpörung über diese Zustände in der Bevölkerung herr-schen, dann verwechseln Sie den Bundestag mit demwirklichen Leben.
Diese tiefe Enttäuschung treffen Sie natürlich auch inBayern an. Natürlich können Sie vor der bayerischenLandtagswahl in der nächsten Woche Ihre Sprüche ma-chen. Aber ich frage Sie: Wo fing das Elend der aktu-ellen Finanzsituation denn an? Haben Sie etwa schonvshrswdiLssdsgkdZZglbsEeltgdhdbrddikkdEzdar
Sie beschwören in Ihren Reden gerne die Förderunges Mittelstands, wir auch. Dafür haben Sie ein neuesauberwort erfunden: Zentrales Mittelstandsprogramm,IM. Darüber haben wir schon in den Haushaltsberatun-en im vorigen Jahr geredet. Sie haben gesagt, Sie wol-en alles neu ordnen und eine Förderung aus einer Handetreiben. Das hört sich super an. Ich habe dann diechlichte Frage gestellt, welche Telefonnummer dieseinrichtung hat. Nach einem halben Jahr habe ich daraufine Antwort bekommen.Als ich Ihre Verlautbarungen zu Ihrem Einzelplan ge-esen habe, dachte ich, ich könne meinen Augen nichtrauen. Darin heißt es, das am 1. Juli 2008 gestartete Pro-ramm werde viele Segnungen mit sich bringen. Voniesem Programm haben Sie schon in den letzten Haus-altsberatungen geredet. Sie haben es bis zum Sommerieses Jahres aber nicht geschafft, es auf den Weg zuringen. Das ist Augenwischerei. Das ist keine Förde-ung des Mittelstands.
Zum Schluss muss ich Ihnen sagen: Auch hinsichtlicher Förderung der Wirtschaft in den neuen Bundeslän-ern ist Ihr Etat eine Fehlanzeige. Die CDU meint inhrem Grundsatzpapier, das Wesen der Ostförderung er-annt zu haben. Sie schreiben, dass die Lohnstück-osten ein Standortvorteil sind. Damit meinen Sie nie-rige Lohnstückkosten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen:iner Politik, die meint, dem Osten mit Niedriglöhnenu helfen, geben die jungen Leute eine Antwort: Abwan-erung. Dort, wo es im Osten aufwärts geht, haben wiruch vernünftige Löhne. Ziehen Sie daraus endlich denichtigen Schluss, und beenden Sie Ihre unselige Politik!
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Das Wort erhält nun die Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir führen heute eine wirtschaftspolitische De-batte zum Haushalt. Diese Gelegenheit möchte ich nut-zen, um einmal zu formulieren, was ich von einem Wirt-schaftspolitiker und von einem Kabinett insgesamterwarte.Ich glaube, eine Grundvoraussetzung ist, dass Wirt-schaftspolitik und Finanzpolitik aufeinander abgestimmtsind. Seit längerem erleben wir allerdings ein bösesSchauspiel: Die Vorschläge, die WirtschaftsministerGlos macht, werden von anderen Kabinettsmitgliedern,allen voran von Finanzminister Steinbrück, regelmäßigkassiert. Das ist nicht das, was ich mir unter einem Wirt-schaftsminister vorstelle, der zukunftsweisende Vorschlägezur Lösung der großen Probleme und der Herausforde-rungen macht, vor denen wir stehen.
Beispiel Konjunkturprogramm, Beispiel Pendlerpau-schale, Beispiel Steuersenkungen, alles wieder einge-sammelt. Ich komme im Einzelnen noch darauf zurück.Die Krönung des Ganzen war der blaue Brief von Fi-nanzminister Steinbrück an Sie, Herr Glos. Ein blauerBrief, den ein Lehrer an die Eltern schreibt, ist damitverbunden, einmal richtig etwas auf die Finger zu be-kommen. Auf dieser Ebene hat sich der Umgang zwi-schen Finanzminister und Wirtschaftsminister bewegt.Aus meiner Sicht geht es nicht peinlicher.
Herr Glos, meine Empfehlung lautet: Denken, rech-nen, dann reden.
Erstes Beispiel: Konjunkturprogramm. Die Presseschreibt: Der Finanzminister stufte die Entwürfe ausdem Hause Glos als wirkungslos ein. – Deutlicher gehtes nicht. Wenn Sie schon nicht dem Finanzminister glau-ben, wenn Sie schon nicht Ihrer Kanzlerin glauben, dannsollte Ihnen wenigstens die Ausgabe des Handelsblattsvom 29. Juli 2008 zu denken geben, in der steht „Linkeapplaudieren Glos“. Das würde mir zu denken geben,wenn ich ein Konjunkturprogramm auf den Weg bringe.
– Die Linke sagt, dass soll nicht wieder vorkommen. Dasliegt wohl weniger an den Inhalten, als an der Frage, wiepeinlich es ist, Glos zu loben.Was Sie vorgeschlagen haben, trägt nicht. Kurzfris-tige Maßnahmen machen keinen Sinn. Das beste Kon-junkturprogramm heute sind Strukturreformen, die dieVgnDrgMsgvwEosSinDRcbHmisriflsdhrgdkWlKd
Nächster Vorschlag: Steuersenkungen. Mit derehrwertsteuererhöhung haben Sie die Kaufkraft ge-enkt. Jetzt zu merken, dass die Kaufkraft empfindlichesunken ist, ist ein bisschen wenig. Sie machen sichom Acker und sagen: Eigentlich müssen wir das allesieder zurückgeben. – Sie müssen sich entscheiden.ntweder Sie treiben via Steuern die Einnahmen nachben, oder Sie versprechen Steuersenkungen. Beides zu-ammen geht aber nicht.In Ihrer Rede vor ziemlich exakt einem Jahr habenie gesagt: Alles, was auf Pump finanziert wird, lehnech natürlich ab. Prima, recht hat er. Was auf Pump fi-anziert wird, muss man ablehnen; denn das ist falsch.eshalb ist der Vorschlag, Steuersenkungen in denaum zu stellen, falsch, unseriös und ein leeres Verspre-hen, Herr Glos.
Drittes Beispiel: Pendlerpauschale. Man muss sichei den Vorschlägen immer fragen, ob jetzt Glos füruber schreibt oder ob Huber für Glos schreibt; denn Sieachen sich zum Verfechter der Pendlerpauschale. Dasst das Lieblingsthema der Bayern. Ich bin so etwas vonicher, dass das Thema Pendlerpauschale nach der baye-ischen Landtagswahl kein Thema mehr sein wird. Dannst das Thema versenkt.
Das heißt, dass Sie die Menschen für dumm verkau-en. Das werden sich die Menschen aber nicht gefallenassen. Ich schwöre Ihnen, dass Sie das in Bayern zupüren bekommen, Herr Glos.
Ein guter Wirtschaftsminister entwirft eine Politik,ie Antworten gibt auf die Risiken, vor denen wir ste-en. Die großen Herausforderungen sind die Globalisie-ung, die demografische Entwicklung und vor allen Din-en Ökologie und Klimawandel. Um unter dem Drucker Globalisierung, dem wir ausgesetzt sind, bestehen zuönnen, brauchen wir Strukturreformen, um unsereettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Das sind nun einmalangfristig ausgerichtete Strukturreformen bei Bildung,inderbetreuung und vor allem bei der Frage, wie wirie vorhandenen Wissensressourcen nutzen können.
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Kerstin AndreaeEine dieser Hauptressourcen sind die Frauen. So leides mir tut, meine Herren dieses Hauses: Die Frauen sinddie Schlaueren, sie machen die besseren Schulab-schlüsse und die besseren Studienabschlüsse.
Solange Sie aber nicht in der Lage sind, die „Ressource“Frauen für die Wirtschaft zu nutzen, weil es nicht ge-lingt, die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Berufrichtig auf den Weg zu bringen, stärken Sie uns nicht imRahmen der Wettbewerbsfähigkeit und geben nicht dierichtige Antwort.
Anderes Thema: Bildung. Das Wort Bildungsrepu-blik ist ein großes und wichtiges Wort, wir müssen sieentwickeln. Wir haben nach wie vor die Situation, dass10 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs die Schuleohne Schulabschluss verlassen. 25 bis 30 Prozent der Ju-gendlichen sind sogenannte sekundäre Analphabeten.Das sind diejenigen, die die Wörter vielleicht lesen kön-nen, aber den Text nicht verstehen. An dieser Stelle müs-sen Sie ansetzen. Jeder Jugendliche muss eine Chancebekommen und mitgenommen werden; denn sonst erhal-ten wir auch nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit.
– Landtag, Bundestag, Bildung, bei dem, was Sie in derFöderalismuskommission I gemacht haben, würde ich anIhrer Stelle einmal ganz ruhig sein. Sie haben doch sel-ber Schuld daran, dass unsere Befugnisse beschnittensind und wir nicht in der Lage sind, wirklich Einfluss aufdie Bildungspolitik zu nehmen.
Thema Klimawandel und Ökologie. Die beste Ant-wort auf hohe Ölpreise ist die Strategie „Weg vom Öl“.
Die beste Strategie gegen hohe Strompreise ist nicht„Atom“. Es ist müßig, zu sagen, dass die Strompreise inBayern und Baden-Württemberg am höchsten sind, ob-wohl der Anteil der Atomenergie am Strom dort amhöchsten ist. Das wissen wir inzwischen alle.
Herr Glos, Sie sind hier auf einem Irrweg. Sie agieren alsLobbyist der Atomindustrie und rühren unermüdlich dieWerbetrommel für die Atomenergie.Das Beste war Ihr Besuch auf einer finnischen AKW-Baustelle. Was ist unserem Wirtschaftsminister Glosdort eingefallen? Er hat sich geärgert, dass er das Eisbär-bwnep–HmdNEksskElTnDarced2nlnssfWvNMeSgme
Nein, nein.Noch einmal zum Bereich Energiewirtschaft. Dererr Wirtschaftsminister Glos kämpft in Brüssel uner-üdlich gegen das Ownership-Unbundling, also gegenie eigentumsrechtliche Trennung von Erzeugung undetz. Das ist deswegen interessant, weil die großennergieversorgungsunternehmen ihre Netze schon ver-aufen wollen. Das ist ein Kampf gegen Mühlen, diechon lange nicht mehr stehen. Das tut unser Wirt-chaftsminister in Brüssel, anstatt sich wirklich Gedan-en darüber zu machen, wie man Wettbewerb auf demnergiemarkt herbeiführt.
Bürokratieabbau. Auch das ist eines Ihrer Lieb-ingsthemen. Es ist aber übrigens sehr auffällig, dass dashema Bürokratieabbau in den letzten Wochen und Mo-aten immer mehr in den Hintergrund gerutscht ist.
as liegt ein bisschen daran, dass die gesamte Projekt-rchitektur, mit der sich die Bundesregierung diesen Bü-okratieabbau vorgenommen hat, von vornherein ein biss-hen falsch war. Jedes andere Land in Europa hat sichine Legislaturperiode dafür vorgenommen, den Umfanger Informationspflichten für die Unternehmen um5 Prozent zu senken. Man beginnt im ersten Jahr, undach vier Jahren soll das Ziel erreicht werden. Deutsch-and sagt: fünf Jahre und 12,5 Prozent. Das macht sonstur noch die EU. Kein anderes EU-Land hat sich einolch wenig ehrgeiziges Ziel gesetzt.Was wurde erreicht? Die Niederlande haben das ge-chafft. Sie haben den Umfang der Informationspflichtenür die Unternehmen um 25 Prozent gesenkt.
issen Sie, was das ist? Das ist ein klarer Wettbewerbs-orteil für die Unternehmen und den Mittelstand in deniederlanden gegenüber den Unternehmen und demittelstand in Deutschland. Das ist aber das, was ich voninem Wirtschaftsminister erwarte: die wettbewerblicheituation der Unternehmen in Deutschland zu stärken.
Zuwanderung. Sie haben ein Gutachten in Auftragegeben, in dem man zu der nicht ganz neuen, aber im-er wieder notwendigen Darstellung kommt, dass wirinen Fachkräftemangel haben. Im IT-Bereich fehlen uns
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Kerstin Andreae330 000 Akademiker. Was sagte der WirtschaftsministerGlos am 13. September 2008 in Spiegel online? Er sagte,Deutschland könne nicht „massenhaft ausländische Ar-beitnehmer holen, nur weil wir sie im Moment geradeeinmal brauchen“.
Das ist unfassbar. Es ist für mich nicht begreiflich, wieein Wirtschaftsminister im Hinblick auf die Zukunftsfä-higkeit und das Finden von wirklichen Lösungen fürProbleme, die wir haben, solche kurzfristigen und klein-teiligen Antworten geben kann. Das erwarte ich nichtvon einem Wirtschaftsminister, Herr Glos.
Ich komme zum Abschluss. Sie sagten 2005, dass dieKonjunktur angezogen hat. Drei Jahre lang ging das gut.Jetzt wird es wieder ein bisschen schlechter. Warumhatte denn die Konjunktur angezogen? Meine Damenund Herren von der SPD, sie hat unter anderem deswe-gen angezogen, weil Rot-Grün dringend notwendigeReformen durchgeführt hat. Wir haben Strukturrefor-men durchgeführt.
Zu denen muss man im Übrigen auch stehen. Das istwirklich meine Botschaft an Sie.
Das waren notwendige Reformen. Ohne diese Reformenvon Rot-Grün hätte Schwarz-Rot nicht auf diesen wirt-schaftspolitischen Aufschwung zurückschauen können.Seit Beginn der Großen Koalition warnen Wirt-schaftsforschungsinstitute und der Sachverständigenratdavor, den unter Rot-Grün begonnenen Reformkurs auf-zugeben. Genau das machen Sie aber. Sie geben den Re-formkurs auf, und nach drei Jahren wundern Sie sich,warum der Aufschwung nicht weitergeht und wir insStocken geraten.
Das entspricht nicht dem, was ich von einem Wirt-schaftsminister verlange. Ich verlange, dass er zukunfts-weisende Antworten gibt. Das tun Sie nicht.
Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Ich achte auf die Zeit und bin auch gleich fertig. – Sie
sind auf dem Irrweg, Herr Glos. Sie sind ein Wirtschafts-
minister, der nicht vom Kabinett getragen wird.
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Ich will nur ein Datum nennen. 2005 – bis dahin ha-en Sie in der Regierung Mitverantwortung getragen –,atten wir 4,9 Millionen, fast 5 Millionen Arbeitslose.etzt sind es knapp über 3 Millionen. Im August warens 3,1 Millionen Arbeitslose. Auch das sind noch zuiele. Aber Sie sehen, dass wir etwas zuwege gebrachtaben, und zwar durch unsere Wirtschaftspolitik, durchntsprechende Förderung und andere Maßnahmen.Dabei sind wir, die wir im Haushaltsausschuss und imarlament die Verantwortung für den Haushalt des Bun-esministeriums für Wirtschaft und Technologie tragen,ehr bescheiden. Von den 288,4 Milliarden Euro, die deraushalt im Jahr 2009 umfassen soll, wird der Etat desirtschaftsministeriums mit nur 6,4 Milliarden Euro be-acht. Dabei sind manche große Ausgabenbereiche wieie Steinkohle vorgegeben. Wir bleiben hier erfreuli-herweise zwar unter 2 Milliarden Euro, aber es sind im-er noch 1,9 Milliarden Euro. Hoffentlich können wir in
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Kurt J. Rossmanithden Beratungen noch das eine oder andere auf den Wegbringen.Kollege Brüderle hat von Krisenmanagement gespro-chen. Ich möchte betonen, dass das in der Wirtschaftderzeit nicht notwendig ist. Ich warne davor, wirtschafts-politisch von einer Krise zu sprechen. Es ist sicherlichrichtig, dass es im Bankenbereich eine Krise gibt. Dassdas große Ärgernis, was die Kreditanstalt für Wiederauf-bau betrifft, detailliert untersucht werden muss, ist klar.Aber, lieber Kollege Stiegler, Sie sind schon seit Jah-ren Mitglied des Verwaltungsrats der KfW. Deshalb kön-nen Sie jetzt nicht einfach sagen „Haltet den Dieb!“.
Sie selber waren über Jahre dabei und sind es heutenoch.
Ich warne davor, Vorverurteilungen vorzunehmen. Siesollten vielmehr in sich gehen.
Natürlich muss alles detailgenau untersucht werden.
Ich könnte noch aus Ihrer Rede zitieren; das lasse ichaber.
Ich sage Ihnen nur eines: Natürlich verlässt keinHaushaltsentwurf das Parlament so, wie er eingebrachtwurde. Wir müssen uns gemeinsam anstrengen und da-rüber nachdenken, ob wir nicht dieses oder jenes nochverbessern können, ob wir die Nettoneuverschuldungmöglicherweise nicht doch unter 10 Milliarden Eurodrücken können. Diesen Versuch sollten wir auf jedenFall starten. Aber das schließt nicht aus, dass wir dort dieFörderschwerpunkte setzen, wo es notwendig ist, undzwar gerade im Mittelstand.Lieber Kollege Rainer Brüderle, Sie sind sonst immerder Wahrheit verpflichtet. Für den Mittelstand sind wirgemeinsam. Dann sagen Sie bitte auch, dass die direkteingesetzten Mittel zur Förderung des Mittelstandes imHaushaltsentwurf 2009 im Vergleich zum Haushalt 2008einen wesentlichen Anstieg aufweisen und dass die Stär-kung des Luft- und Raumfahrtbereichs vielen Mittel-ständlern zugute kommt. Es ist eine Mär, dass nur zwei,drei ganz große Unternehmen davon profitieren. Nein,im ganzen Land, von Füssen bis hinauf nach Flensburg,vom wunderschönen Schwarzwald bis an die Oder, ar-beiten Tausende Unternehmen aktiv in diesem Bereich.Sie betreiben Forschung und geben unserer Jugend imhochtechnologischen Sektor eine Chance.PfsGwsNdbddawLhmSagEhKWwgbcsnhsmd
icht nur der Bundeswirtschaftsminister, sondern auchie Institute und die Verbände, sowohl der Zentralver-and des Deutschen Handwerks als auch der BDI, sagen,ass der Mittelstand aufgrund der in den vergangenenrei Jahren beschlossenen Maßnahmen zum Bürokratie-bbau – das spiegelt sich auch im Bundeshaushaltider – um 1,8 Milliarden Euro entlastet wurde.
esen Sie diesen Bericht! Das sollten Sie tun, bevor Sieier im Plenum eine Rede halten. Sicherlich gibt es im-er sehr viel Material. Wenn man aber zu aktuellenachverhalten Stellung nehmen will, dann sollte manuch auf dem aktuellen Stand sein.
Der Minister hat überhaupt nichts zur Atomenergieesagt, auch nicht, dass wir die Atomenergie für allewigkeit brauchen. Es wäre aber Wahnsinn, sich voneute auf morgen von einer Übergangsenergie wie derernenergie abzuschneiden.
ir müssen an der Kernenergie so lange festhalten, bisir genügend andere Möglichkeiten zur Energieerzeu-ung inklusive Maßnahmen zur Energieeinsparung ha-en. Liebe Grüne, Sie haben den Haushaltsentwurf si-herlich nicht gelesen. Wenn Sie es tun, werden Sieehen, dass die Fördermittel für alternative Energien ei-en enormen Anstieg aufweisen.
Herr Kollege!
Deshalb freue ich mich auf die Beratungen im Haus-altsausschuss und in den Fachausschüssen. Wir werdenehr viel Gutes finden, aber auch Korrekturen vorneh-en müssen. Ich freue mich auf die Diskussion und be-anke mich für die Aufmerksamkeit.
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Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Flach, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kurt Rossmanith hat gerade zu Recht auf die Rolle vonHerrn Stiegler bei dem IKB-Skandal hingewiesen.
Wer im Verwaltungsrat sitzt, muss natürlich aufpassen,Herr Stiegler,
und darf hier nicht nur Kassandrarufe gegen das Kapitalloswerden.Ich möchte an dieser Stelle einmal deutlich daran er-innern: Wer hat uns denn das ganze „Gedöns“ mit derIKB eingebrockt? Das waren doch die Sozialdemokra-ten.
Ohne die Sozialdemokraten gäbe es überhaupt keine Be-teiligung des deutschen Staates an der IKB.
Es ist schon bemerkenswert, dass Sie hier jetzt wilde Be-schimpfungen gegen Leute aussprechen, die damit über-haupt nichts zu tun haben.
Aber lassen Sie mich jetzt auf den Haushalt einge-hen; schließlich haben wir Haushaltsberatungen. HerrGlos, Sie haben in diesem Jahr 6,37 Milliarden Euro inIhrem Einzelplan; das ist eine Steigerung von fast 3 Pro-zent. Sie haben eben auf Ihren Rivalen Sigmar Gabrielhingewiesen. Im Verhältnis zu dem Etat von HerrnGabriel ist das fast ein Nullwachstum. Ich frage mich,warum es Ihnen nicht gelungen ist, die unendlichen Er-löse aus den Emissionszertifikaten in Ihren Haushalthineinzulenken, wie es für Herrn Gabriel offensichtlicheine Selbstverständlichkeit war. Mit dem Geld hätten SieTechnologiepolitik betreiben und die eigenen Wachs-tumspfeiler stärken können, wie Sie es von Ihrer eigenenPolitik eben selbst gefordert haben.
Schauen Sie sich Ihren Haushalt doch einmal an.Zwar haben wir im Jahr 2009 Aufwüchse. Aber in dermittelfristigen Finanzplanung haben wir Stagnation bishin zu einem Abfall der Ausgaben. Welchen Schlussziehe ich als Liberale daraus? – Ganz offensichtlich istdas ein reiner Wahlkampfetat, und ganz offensichtlichscheinen Sie, Herr Glos, nicht fest mit einer FortsetzungIhrer Amtszeit zu rechnen.sbDTKskAmGwlsSwTbRuwfguwrEvhbdavzzuds
ie Gelder für Auslandsmessen stagnieren. Einzelneitel für die Technologieforschung, von der Sie auf Ihrerlausur gesagt haben, Sie wollten 3 Milliarden Euro zu-ätzlich dafür ausgeben, sinken sogar. Was ist das für einlaffender Unterschied zwischen der Realität und Ihrennkündigungen, Herr Glos? Schauen Sie sich nur ein-al die Schifffahrt an. Die Inflation frisst das bisscheneld von 500 000 Euro, das sie dafür mehr ausgebenollen, Tag für Tag auf.
Das Wichtigste ist aber: Wir haben es im Techno-ogieministerium mit einem Minister zu tun, dem die Vi-ionen fehlen.
ie leben einfach in den Tag hinein und wackeln beiichtigen Politikfeldern. Denken Sie nur an das großehema Mondfahrt. Wir haben jetzt die dritte Haushalts-eratung, in der wir nicht wissen, was der Staat beiaumfahrt und Mondfahrt machen wird. Jedes Mal wirdns erzählt: Ja, wir wollen dort gerne einsteigen. – Aberenn wir in den Haushalt hineinschauen, müssen wireststellen: Nichts passiert! Sie lassen die Leute im Re-en stehen,
nd zwar auf einem Technologiefeld, von dem wir genauissen, dass die anderen längst an uns vorbeiziehen undiesige nationale Programme fahren. Wir werden imndeffekt in die Röhre schauen.
Herr Glos, die Österreicher sind vor einigen Tagenon einer EU-Arbeitsgruppe geprüft worden, und manat ihnen vorgeworfen, dass sie zu wenig Visionen ha-en, dass sie eine zu große Programmvielfalt haben undass sie sich verstricken, weil Ministerien gegeneinandernkämpfen. Ich sehe im Augenblick bei dem von Ihnenorgelegten Haushalt an keiner Stelle einen Unterschiedu Österreich. Wir hätten längst weiter sein müssen, undwar wesentlich weiter.Als Fazit können wir nur sagen: Liberale verstehennter Technologiepolitik eine deutliche Investition inas, was für die nächsten Generationen wirklich wichtigein wird. Das leisten Sie nicht. Sie haben versagt.
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Ulrike FlachIch vermute, dass uns auch in den letzten Monaten dieserBundesregierung nicht mehr geboten werden wird.
Das Wort hat nun die Kollegin Ute Berg, SPD-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Nach dem üblichen Schlechtreden von FrauKraft
– Frau Flach, Entschuldigung; das war eine Freud’scheFehlleistung –
möchte ich jetzt einige positive Aspekte in den Vorder-grund stellen. Allerdings möchte ich mit dem anfangen,was wir in den letzten Tagen und Wochen in der Zeitungimmer wieder lesen mussten und was natürlich Anlasszu Sorgen gibt. Ich meine die Hiobsbotschaften überamerikanische Bankenpleiten. Das hat sich wie ein roterFaden durch die Debatten des Deutschen Bundestagesgezogen.Zunächst klang es wie ein Fall fürs Jugendamt: dieMisere der Sorgenkinder Freddie und Fannie, die instaatliche Obhut gegeben werden mussten. Mittlerweilehat sich die Pleitenserie zur schwersten Finanzmarkt-krise der letzten Jahrzehnte entwickelt und belastet dieWeltwirtschaft erheblich. Weil der Staat nicht immer alsSupernanny einspringen kann, taumelt nun ein Banken-oder Versicherungsgigant nach dem anderen zu Boden.Aber nicht nur die Auswirkungen der US-Immobilien-krise und die anhaltenden Turbulenzen an den internatio-nalen Finanzmärkten, sondern auch der hohe Ölpreis hatdas Weltwirtschaftswachstum erheblich gedämpft: inEuropa und natürlich auch hier bei uns in Deutschland.Deutlich spürbar ist, dass die Verbraucher enorm belastetsind: Die Einzelhandelsumsätze gehen zurück, und dieKaufkraft leidet unter der Verteuerung von Energie, aberauch von Nahrungsmitteln.Allerdings wächst unsere Wirtschaft unter demStrich weiter, und zwar allen Hiobsbotschaften zumTrotz. Auch 2008 werden wir, aufs ganze Jahr gerechnet,keine Rezession haben. Die vorsichtigsten Schätzungengehen davon aus, dass die Wirtschaft dieses Jahr um1,7 Prozent wächst, also langsamer als letztes Jahr.Trotzdem haben wir noch eine positive Bilanz zu ver-zeichnen. Damit sind wir sogar Konjunkturlokomotivein Europa.
Die OECD bescheinigt unserer Wirtschaft insgesamteine hohe Widerstandskraft. Das liegt sicherlich auch da-ran, dass wir entgegen den Empfehlungen mancher an-gelsächsischer Länder eben nicht vornehmlich aufDienstleistungen gesetzt haben, sondern dass wir die in-dVZdzntgrAgIdtWtuUDIbufhm2zEpwrlbsPwlwFNHdnwtBvl3koItss
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Eines steht aber auch fest: Finanzielle Investitionenverpuffen sehr schnell, wenn Unternehmen nicht die ge-eigneten Mitarbeiter finden. Der Fachkräftemangel istdas Wachstumshemmnis Nummer eins für unsereWirtschaft. Bundesweit konnten im vergangenen Jahr70 000 Ingenieurstellen nicht besetzt werden, wie wirwissen. Die Fachkräftelücke insgesamt hat zu einemvolkswirtschaftlichen Schaden von 18 Milliarden Eurogeführt.Aufrütteln muss uns auch die neueste OECD-Studie.Sie zeigt, dass wir im Bereich Bildung immer noch denanderen Industrieländern hinterherlaufen. Wir habenNachholbedarf über den gesamten Bildungsverlauf gese-hen. Wir müssen Kinder und Jugendliche viel individu-eller und intensiver fördern und unsere Integrationsbe-mühungen deutlich verstärken.
Insgesamt muss unser Bildungssystem durchlässigerwerden, sowohl im Schul- als auch im Hochschulbe-reich. Wir müssen die Hochschulen für junge Frauen undMänner, die zwar kein Abitur haben, aber die durch ihreBerufspraxis bewiesen haben, dass sie dazu in der Lagesind, ein Studium aufzunehmen, öffnen. Wir müssen An-reize dafür setzen, dass mehr junge Menschen ein inge-nieur- oder naturwissenschaftliches Studium oder einetechnische Ausbildung im dualen System aufnehmen.Bund, Länder, Gemeinden und natürlich auch dieWirtschaft sind gemeinsam gefordert, die schulische Bil-dung bzw. die Aus- und Weiterbildung qualitativ zu ver-bessern. Generell muss das Prinzip verantwortlicher Po-litik sein, den Menschen Chancen auf Teilhabe zu geben.Das gilt für den Bildungsbereich, das gilt aber ganzgenauso und eng damit verknüpft für den Arbeitsmarkt.Schließlich war das auch das Ziel der Arbeitsmarktrefor-men, die wir unter Rot-Grün beschlossen haben. Ich er-wähne das sehr gerne, Frau Andreae. Das Ergebnis istermutigend. Die Zahl der Arbeitslosen ist in den letztendrei Jahren um fast 2 Millionen gesunken. In der Spitzehatten wir im Jahr 2005 über 5 Millionen Arbeitslose.Heute sind es gut 3 Millionen. Ich hoffe, dass die ZahldltIDlpzzhtSdwcDgnkidenHflivGdAflntsdsnu
Ulla Lötzer ist die nächste Rednerin für die Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ja, Kolle-in Andreae, noch im Juni hatte Minister Glos aus sei-em Haus verlauten lassen: Sollte sich das Konjunktur-lima weiter eintrüben, müssen wir im Herbst – nichtrgendwann in der Zukunft – über Maßnahmen reden,ie das Wachstum verstetigen können. Wir waren überinzelne Maßnahmen sicherlich anderer Meinung. Aberach Rüffeln von Frau Merkel, nach der Standpauke vonerrn Steinbrück ist Herr Glos eingeknickt: Im Haushaltindet sich nichts davon. Dieser Haushalt ist die Kapitu-ation des Wirtschaftsministers vor dem Finanzministern Bezug auf konjunkturelle Maßnahmen.
Statt konjunkturstützende Maßnahmen vorzulegen,ersuchen Sie die ganze Woche, so auch heute, sich imlanz des vergangenen Aufschwungs zu sonnen. Aberas geschieht zu Unrecht; denn die Fakten sind anders.uch in Zeiten der Globalisierung tragen Exportnach-rage und Investitionen allein einen Aufschwung nichtängerfristig. Für die dafür immer noch notwendige Bin-ennachfrage haben Sie aber nichts getan, im Gegen-eil. Als ein wichtiger Bestandteil ging der private Kon-um mitten im Aufschwung 2007 zurück – einmalig iner Geschichte. Das war das Resultat Ihrer Mehrwert-teuererhöhung, Ihrer Verweigerung der Einführung ei-es Mindestlohns, der Kürzung der Pendlerpauschalend von vielem anderen mehr.
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Ulla LötzerSchauen Sie dagegen auf Frankreich. Das Institut fürMakroökonomie und Konjunkturforschung hat die wirt-schaftliche Entwicklung beider Länder, Frankreichs undDeutschlands, seit 1990, seit der Einführung der Wäh-rungsunion, verglichen. Die Bilanz ist für Ihre Regie-rung miserabel, aber auch für Rot-Grün, KolleginAndreae:
mehr Wachstum, weniger Arbeitslosigkeit im Verlaufder gesamten Zeit und ein doppelt so hoher Beschäfti-gungsanstieg in Frankreich.
Das IMK, alle Interpretatoren und die Hans-Böckler-Stiftung sagen deutlich: Das liegt an der unterschiedli-chen Wirtschaftspolitik. Frankreich legte mehr Wert aufden Binnenmarkt, erhöhte den gesetzlichen Mindest-lohn, verkürzte die Arbeitszeit, sorgte für eine gleichmä-ßige Verteilung der Einkommen, und das, obwohl esebenfalls in den Weltmarkt eingebunden ist.Für Sie und Ihre Regierung hat die Exportweltmeis-terschaft aber Priorität, zum Preis von prekärer Be-schäftigung und Armut durch Hartz IV. Ihr Ergebnis istdie gespaltene Konjunktur. Das Ergebnis sind im Auf-schwung seit 2000 der Abstieg des Anteils der Löhne amBruttoinlandsprodukt von 67 auf 61 Prozent, der Anstiegder Armut von 10 Millionen auf 14 Millionen und damitnicht nur die gespaltene Konjunktur, sondern auch diegespaltene Gesellschaft.Zu Ihrer Märchenstunde, Kollege Stiegler, die Regie-rung lege auf öffentliche Investitionen in die ZukunftWert und fördere diese. Auch das hält der Realität leidernicht stand. Auch sie sind ein wichtiger Bestandteil vonBinnennachfrage. Insgesamt aber ist der Anteil der öf-fentlichen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt von4,7 Prozent 1970 auf 1,5 Prozent während Ihrer beiderRegierungszeit gesunken. Deutschland ist auch hierSchlusslicht im europäischen Maßstab. 2008 sollen dieInvestitionen auf 24,7 Milliarden Euro abgesenkt wer-den und in den beiden Folgejahren bei 25,9 MilliardenEuro stagnieren. Damit würde sich ihr Anteil an den Ge-samtausgaben des Bundes auf einen historischen Tief-stand von 8,4 Prozent im Jahr 2012 reduzieren. Das Geldfehlt für die von Ihnen vielbeschworene Bildung, For-schung, Innovation, ökologische Erneuerung und Infra-struktur.
Wir sind eben nicht nur wegen der Finanzmarktkrisein Schwierigkeiten, sondern auch wegen der Binnen-marktkrise. Wir werden deshalb umso tiefer in den welt-weiten Abschwung hineingerissen werden, wenn hierkeine Kehrtwende erfolgt. Das hat nichts mit Schwarz-malerei oder Nörgelei zu tun, sondern mit wirtschaftspo-litischer Verantwortung. Wir brauchen hier eine Kehrt-wende. Wir können nicht warten, bis die Wirtschaft indie Rezession abgerutscht ist, sondern müssen jetzt han-deln, um gegenzusteuern.
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Laurenz Meyer
Michael Glos hat, wenn auch kurz, den entscheidendenPunkt angesprochen – ich möchte uns alle darum bitten,dass wir uns für die Zukunft stärker auf diesen Punktfixieren –: Es liegt daran, dass unsere Angebotsstrukturim Weltmarkt eine andere ist, als andere Länder sie ha-ben. Es liegt daran, dass Deutschland nach wie vorIndustriestandort ist. Deutschland muss Industrie-standort bleiben, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeitin der Welt behalten wollen.
Das Bekenntnis zur Industrie und zu den Industriear-beitsplätzen war lange Zeit unmodern. Ursache für dieSituation in Großbritannien und in anderen Ländern– das ist in der Diskussion schon angesprochen worden –ist, dass man gemeint hat, ausschließlich Dienstleis-tungsarbeitsplätze seien die Arbeitsplätze der Zukunft.Ich danke dem Wirtschaftsminister dafür, dass er diesenPunkt in großer Klarheit hier angesprochen hat. Das hatnämlich Konsequenzen. Das hat Konsequenzen für dasNachdenken darüber, wo wir unsere Schwerpunkte set-zen müssen. Das ist einer der Gründe dafür, dass For-schung und Entwicklung auch im Industriebereich beiuns einen solch hohen Stellenwert haben müssen; Gottsei Dank ist deren Bedeutung auch gestärkt worden.Ich bin ganz sicher, dass auf Deutschland wie aufkaum ein anderes europäisches Land folgender Satz, dendie Bundeskanzlerin immer wieder gesagt hat, in ganzbesonderer Weise zutrifft: Wir müssen im Weltmaßstabimmer um so viel besser sein, wie wir teurer sind. Nurdann werden wir unseren Lebensstandard halten können.
Dass wir die Schwerpunkte in den letzten Jahren ent-sprechend gesetzt haben, zeigt nun in einer Zeit vonFinanzmarktturbulenzen seine Wirkung.Es hat ja offensichtlich auch ein Umdenken in der Be-völkerung bis in die Reihen der Grünen hinein stattge-funden. Ich denke etwa an die Beiträge von JoschkaFischer zu Kohlekraftwerken. Es geht nämlich, LudwigStiegler – ich halte Sie für einen so intelligenten Men-schen, dass Sie hier heute manches vorgetragen haben,was dem bayerischen Landtagswahlkampf geschuldetist, aber hinter dem Sie nicht voll und ganz stehen –,nicht um die Frage, ob man Kernenergie oder alterna-tive Energien nutzt.
– Hören Sie doch erst einmal zu, dann wissen Sie, wo-von ich rede.
Wir haben uns doch gemeinsam darauf verständigt,bis 2020 den Anteil der regenerativen Energien auf30 Prozent zu erhöhen. Das ist wirklich ein ehrgeizigesZiel. Aber es muss immer auch eine Antwort auf dieFrage gegeben werden, woher die anderen 70 Prozentfür den Industriestandort Deutschland kommen sollen.
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agegen darf man nicht ideologisch argumentieren. Ge-en die mathematischen Grundrechenarten kommt näm-ich keine Ideologie an. Das sollten wir einfach akzeptie-en, wenn wir hier darüber gemeinsam diskutieren.
Es zeigt sich jetzt, dass die Instrumente wie Arbeits-eitverkürzung etc., die lange Zeit in Deutschland umge-etzt wurden und die Sie hier jetzt wieder vorgetragenaben, liebe Frau Lötzer – ich nehme Ihnen wirklichicht übel, was Sie hier vorgetragen haben, aber dasuss jetzt einmal gesagt werden –, dazu geführt haben,ass Deutschland zum Schlusslicht in Europa wurde.eitdem der Kurs geändert worden ist, ist Deutschlandieder zu einem stabilisierenden Faktor in Europa ge-orden und steht mit an der Spitze der Entwicklung.hre ganzen Ammenmärchen sind doch spätestens zu-ammengebrochen, als jüngst die Zahlen über die Ar-utsentwicklung vorgelegt wurden.
ass 2006, schon ein Jahr nach dem Antritt der Großenoalition bzw. ein Jahr nach der Schlussbilanz von Rot-rün, laut Armutsbericht 1 Million Menschen wenigeron Armut betroffen waren, zeigt doch, dass unsere Poli-ik Erfolg hat. Ein Anteil daran hat natürlich auch dierühere Bundesregierung.
Jawohl, aber Sie wollen das heute wieder zu guten Tei-en rückgängig machen. Es ist doch Unfug, etwas rück-ängig zu machen, was den Menschen geholfen undicht geschadet hat.Ich will auch ganz klar sagen – an der Stelle, Fraundreae, sollten Sie wie wir alle einmal ein bisschenelbstkritisch sein –, dass ich es sehr begrüße, dass derunkt Bildung – Gott sei es gelobt – so in den Mittel-unkt gerückt ist. Auch das hat etwas mit dem eben ge-annten Prinzip „Wir müssen um so viel besser sein, wieir teurer sind“ zu tun. Die Qualität unserer Arbeitneh-erschaft ist nämlich unser großes Pfund im gegenwär-igen Prozess.
Nun leben aber die Kinder heute in anderen Familien-trukturen als vor 10 bis 15 Jahren. Die große Herausfor-erung – ich will das gerne noch ein wenig zuspitzen –,or der wir jetzt stehen, lautet, wie wir aus der Vielzahl
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Laurenz Meyer
der Kinder, die bildungsfernen Elternhäusern entstam-men, unsere Eliten rekrutieren können. Das ist die großeAufgabe von Bildungspolitik. Jetzt frage ich Sie – des-halb eben mein Appell zur Selbstkritik –: Wer hat dennlange Zeit die These bekämpft, dass man Deutsch kön-nen muss, wenn man in die Grundschule kommt, unddies als Tabu hingestellt?
Ansonsten hat man doch keine Chance, eine vernünftigeSchulausbildung zu bekommen, einen Schulabschluss zumachen und eine Berufsausbildung aufzunehmen. Werjedoch keinen Schulabschluss und keine Berufsausbil-dung hat – das zeigen die Zahlen doch eindeutig –, istspäter am meisten gefährdet, zu einem Langzeitarbeits-losen zu werden.
Deswegen gehört dazu, dass wir diejenigen, die nichtfreiwillig dazu bereit sind, diesen Weg zu gehen, auchmit finanziellen Anreizen dazu zwingen, zu erreichen,dass ihre Kinder Deutsch können, wenn sie zur Schulekommen.
Leider Gottes sieht die Situation heute schlechter ausals vor 10 oder 15 Jahren, weil wir zu lange hingenom-men haben, dass zum Beispiel türkische Kinder in ihrenFamilien nur Türkisch – vielleicht sogar nur gebrochen –lernen, in jedem Fall nicht richtig Deutsch. Die Türkenkönnen heute in Deutschland türkisches Fernsehen emp-fangen. Würden sie deutsches Fernsehen einschalten,würden die jungen Türken zumindest über das Kinder-programm Deutsch lernen. Das liegt an Ihrer Multi-Kulti-Philosophie.
– Nicht an Ihrer, Sie sind eine der wirklich Vernünftigenhier, wenn ich das richtig einschätze.
Sie kennen sich doch in Berlin aus. Wir wissen, dasszum Beispiel in Kreuzberg 50 Prozent der jungen Tür-ken arbeitslos sind. Gleichzeitig haben 50 Prozent dieserjungen Türken keinen Schulabschluss, keinen Berufsab-schluss. Dadurch wissen wir, wo die Zusammenhängeliegen und wo wir ansetzen müssen.
Es ist hier ausschließlich – mir leider zu viel – vondem Bankenversagen der letzten Zeit gesprochen wor-den. Das alles ist jedem von uns bekannt. LudwigStiegler, auch hier appelliere ich an die Basisintelligenz,die ich kennengelernt habe.
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Genau die meine ich: die IKB, die WestLB. Deswegenage ich ganz klar: Den Unterschied macht nicht dierage nach einem privaten oder einem staatlichen Ban-ensystem aus. Den Unterschied macht die Frage nachen Verhaltensweisen aus. Zumindest die staatlichenanken sind gehalten, sich um ihre eigentliche Aufgabeu kümmern. Eine Sparkasse, die nicht mehr für die ört-iche Wirtschaft und die Bürger da ist, hat ihre Existenz-erechtigung verloren. Das ist die These, die dahinter-teht.
Wir behandeln auch die Grundlage dieser ganzenrise zu wenig. Grundlage ist, dass die Amerikaner, diengländer und zum Teil auch die Spanier über vieleahre ein gigantisches Konjunkturprogramm aufgelegtaben, indem sie durch Anreize zugelassen haben, dassich die private Verschuldung in einem solchen Maße er-öht hat, dass das System irgendwann zusammengebro-hen ist. Gleichzeitig haben sie die staatliche Verschul-ung über alle Maßen in die Höhe getrieben. Derusammenbruch war seit Jahren absehbar. Ich schließearaus, dass man solche Fehler durch staatliche Kon-unkturprogramme, durch die man Geld in den Marktumpt, sich das aber irgendwann nicht mehr leisten kannnd dann die Zinsen erhöht, wodurch die Bürger dieredite nicht mehr zahlen können, nicht machen darf.iese ganze Sache platzt wie eine Blase. Das gleicheystem gibt es bei den Kreditkarten. Wir werden nochufpassen müssen, dass hier nicht die nächste Blaselatzt. Wir sollten alles dafür tun, dass wir zu solidentaatlichen Finanzen kommen. Das ist unser Weg.Gleichzeitig muss die Frage gestellt werden, wie wiren Menschen in Deutschland dann, wenn wir dietaatsverschuldung und die Neuverschuldung in denriff bekommen haben, parallel zu diesem Schlusspro-ess höhere Nettobeträge in den Taschen belassen kön-en. Das ist der Schwerpunkt des politischen Handelnsn den kommenden Jahren. Der Prozess muss endlich ge-toppt werden, dass den Menschen immer mehr abver-angt wird. Sie müssen netto endlich mehr von ihremruttogehalt in der Tasche behalten.
ch sage kritisch auch in die Richtung der Koalition: Derrste Beweis, ob wir unser Ziel erreichen, wird sein, obir zum Wahltag die 40-Prozent-Grenze der Sozialver-
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Laurenz Meyer
sicherungsbeiträge erreichen. Da wird die erste Probeaufs Exempel stattfinden.Allen Beteiligten, ob in der SPD oder bei uns, sageich: Den Arbeitnehmern ist es völlig egal, ob wir dieSteuern oder die Sozialversicherungsbeiträge senken.Bei den Steuern scheint mir auf mittlere Sicht der grö-ßere Handlungsbedarf wegen der Anreizwirkung. Aberletztlich werden sich die Arbeitnehmer nur daran orien-tieren, ob sie mehr im Portemonnaie haben, und nichtdaran, aus welcher Quelle das Geld gekommen ist.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette Faße für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschlandist und bleibt die Tourismuswirtschaft. Die Deutschenwissen, was sie am Reiseland Deutschland haben. Esbleibt in der Wertigkeit ihr Reiseland Nummer eins. Dasbelegen nicht nur die Zahlen der vergangenen Jahre,sondern auch die Zahlen von 2008. Wir haben in den ers-ten Monaten einen Zuwachs von 5 Prozent zu verzeich-nen. Ich denke, das tut uns Deutschen sehr gut.
Wir haben auch einen Zuwachs an ausländischenGästen in Deutschland zu verzeichnen, über 5 Prozent indiesem Jahr. Alle Hiobsmeldungen, die ich gehört habe,dass auch diese Branche von den Energieproblemen,über die wir heute diskutiert haben, schwer getroffen sei,kann ich nicht bestätigen; dem ist bisher nicht so. Auchdie Buchungen für 2009 zeigen keine Einbrüche in die-sem Wirtschaftszweig.Daran, dass es der Branche so gut geht und dass wirdie Übernachtungszahlen haben steigern können, habenviele in Deutschland mitgewirkt, vor allen Dingen3,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Siehaben eine gute Arbeit in der gesamten Branche geleis-tet. Gute Arbeit bedeutet natürlich auch guten Lohn fürdiesen Wirtschaftszweig.
Deshalb müssen wir uns an dieser Stelle auch über dasThema Mindestlohn unterhalten.
Es bedeutet aber ebenso gute Aus- und Weiterbildungund guten Jugendarbeitsschutz. Darüber hinaus sind wirin dieser Branche gemeinsam gefordert, gegen Schwarz-arbeit anzugehen.
Auch die Tourismuswirtschaft hat ihren Anteil an die-sem Aufschwung. Sie muss sich auf neue BedingungenudsgDsdfdsnsmmtsksddgwddmtdDaGsWtsdTmd„msurmnsivg
Der zweite große Bereich, dem wir uns stellen müs-en, ist der Bereich des Klimawandels. Der Tourismusst Mitverursacher; wir alle wissen das. Aber auch er iston seinen Auswirkungen betroffen. In den Mittelgebir-en, zum Beispiel im Sauerland, setzt man sich schon
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Annette Faßeheute damit auseinander, welche Angebote man macht,wenn der Schnee nicht mehr so fällt, wie man es sichwünscht. Studien helfen, eine Basis für politische Ent-scheidungen und politisches Handeln zu schaffen. Ichfreue mich, dass wir hierfür weiterhin Gelder zur Verfü-gung haben. Ich freue mich, dass in 2009 eine Studie inAngriff genommen wird, die sich mit der Entwicklungder ländlichen Räume und der kleinen Städte befassenwird. Wir wissen, die Städte boomen; aber in den ländli-chen Regionen haben wir ein Problem.Lassen Sie mich als Letztes Professor Opaschowskiaus seinem Buch Deutschland 2020 zitieren:Urlaub, die populärste Form von Glück, muss im21. Jahrhundert eine Dreifach-Qualität aufweisen:
Unterkunft) und die immaterielle Qualität (z. B.freundliches Personal).Daran lassen Sie uns alle gemeinsam arbeiten.Danke schön.
Zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmel-
dungen mehr vor.
Damit kommen wir zur Schlussrunde. Ich erteile als
erstem Redner das Wort dem Kollegen Dr. Hans-Ulrich
Krüger für die SPD-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Im Jahre 2005 hatten wir im Bundeshaus-halt eine Nettokreditaufnahme von über 30 Milliar-den Euro.
Im Jahre 2009 werden wir eine geplante Nettokreditauf-nahme von 10,5 Milliarden Euro haben.
Das ist – auch das ist wahr – die geringste Neuverschul-dung seit der Wiedervereinigung und darf daher in dieserHaushaltswoche mehr als einmal erwähnt werden.
Ich betone: Das Ziel, im Jahre 2011 keine weiterenSchulden aufzunehmen, ist realistisch und bleibt mithöchster Priorität bestehen. Dieses Ziel lassen wir unsvon niemandem – auch nicht von dem, der schon jetzt invorauseilender Angst meint, unterschiedliche Wachs-tumsprognosen interpretieren zu müssen – kaputtreden.Unseren sozialdemokratischen Finanzministern der letz-ten Jahre, Hans Eichel und Peer Steinbrück,gLWWfBlnZltvzdmdIfiahszubffs25H1bzwhzrsMngv
ebührt für diese Leistung Dank und Respekt – für eineeistung, deren Durchsetzung nicht einfach war.
Ich warne eindringlich davor, in den kommendenahlkämpfen – wie es einige schon wieder tun wollen –ahlgeschenke zu versprechen, die schlicht und ergrei-end illusorisch und nicht finanzierbar sind und einenetrug an unseren Kindern und Kindeskindern darstel-en. Denn das, was ausgegeben wird, muss zuvor einge-ommen werden; das sollte uns allen klar sein.
usätzlich zu den mehr als 40 Milliarden Euro Zinszah-ungen wird jeder weitere Schuldeneuro eine Überbelas-ung der künftigen Generationen darstellen. Das ist un-erantwortlich.
Der Bund hat aber nicht nur die Pflicht, den Haushaltu konsolidieren; nein, er muss auch für die Menschen iniesem Land investieren. Das tut er mit diesem Haushalt,it Investitionen in Höhe von knapp 26 Milliar-en Euro; das ist eine Milliarde mehr als im Vorjahr.
n den nächsten Jahren können daher wichtige Zukunfts-elder auf hohem Niveau beackert werden, zum Beispieln den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung,uch im Bereich Klimaschutz.In diesem Zusammenhang darf und muss man daraufinweisen – meine Vorredner aus dem Bereich Wirt-chaft haben schon einiges angesprochen –, dass wir So-ialdemokraten die Menschen in diesem Land seit 1998m mehr als 60 Milliarden Euro steuerlich entlastet ha-en. Wir nehmen also nicht nur unsere Verantwortungür unsere Kinder und Kindeskinder ernst, nein, auch dieür alle Erwerbstätigen in diesem Land. Wer erinnertich heute noch an einen Eingangssteuersatz von5,9 Prozent und an einen Spitzensteuersatz von3 Prozent? Beides sind Steuersätze aus dem Jahr 1998.eute haben wir einen Eingangssteuersatz von5 Prozent und einen Spitzensteuersatz von 42 Prozentei gleichzeitig erhöhten Grundfreibeträgen. Demgemäßahlt eine Familie mit zwei Kindern – dieses Beispielurde zwar schon erwähnt, verdient aber eine Wieder-olung – unter Berücksichtigung des Kindergeldes bisu einem Bruttoeinkommen von 37 600 Euro – das wa-en einmal ungefähr 70 000 DM – keine Einkommen-teuer mehr; und das ist auch gut so.
Getreu dem Motto „Fördern und Fordern“ haben wirenschen in sozialen Notlagen aufgefangen. Ich erin-ere hier nur an die erstmalige Erhöhung des Wohn-eldes seit 2001. Ich erinnere daran, dass Hunderttausendeon Sozialhilfeempfängern aus dem Schattendasein der
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Dr. Hans-Ulrich KrügerArbeitslosigkeit herausgeholt wurden. Diese Menschenhaben aufgrund der Förderung durch die Bundesagenturfür Arbeit eine deutlich bessere Chance, vermittelt zuwerden, als vor der Reform. Ich erinnere ferner daran,dass Bezieher von Arbeitslosengeld II in den Schutz dergesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungeinbezogen worden sind. Last, not least erinnere ich da-ran, dass mit zahlreichen Jobinitiativen ältere Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer wieder eine Perspektive er-halten haben.
Wir haben ferner entscheidende Weichenstellungen inder Familien- und Bildungspolitik des Bundes vorge-nommen. Ich erinnere an das Elterngeld – 1,7 Milliar-den Euro im Kalenderjahr 2007. Ich erinnere an die4 Milliarden Euro, die wir für die Ganztagsbetreuungzur Verfügung gestellt haben. In der Folge sind über6 400 Ganztagsschulen auf- bzw. ausgebaut worden,zum Nutzen der Kommunen, der Kinder und der Eltern.Ich erinnere daran, dass die Kommunen um1,5 Milliarden Euro entlastet worden sind, um die Be-treuung von Kindern unter drei Jahren gewährleisten zukönnen.Diese Leistungen werden auch künftig erbracht wer-den. Sie sind für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Je-der, der in den vergangenen Wochen und Monatenmeinte, eine schnellere Haushaltskonsolidierung anmah-nen zu müssen, der muss eine Antwort auf die Frage ge-ben, ob die Menschen auf all die Leistungen, die ich so-eben erwähnt habe, verzichten sollen. Ich denke, dochwohl nicht.
Fakt ist aber auch – daraus mache ich keinen Hehl –,dass die enorm steigenden Energiekosten und die immerteurer werdenden Lebensmittel einen Teil der steuerli-chen Vorteile der Bürgerinnen und Bürger auffressen.Bei der Bewältigung dieses Problems muss man aber ei-nes bedenken: Der Staat wird steigende Energie- und Le-bensmittelpreise nicht mit Subventionen auffangen kön-nen. Dies hätte nämlich fatale Folgen. Ein staatlichesAushebeln von Spekulationen und zum Teil künstlichenKnappheitssignalen funktioniert eben leider nicht. Esführt regelmäßig zu Budgetlükken, die zulasten künfti-ger Generationen gehen. Trotzdem ist für uns eine Real-lohnstagnation wie jede Lohnstagnation nicht hinnehm-bar. Wir müssen und wir werden reagieren. Die Ansätzezum Mindestlohn sind erfolgversprechend und werdenvon uns als Sozialdemokraten weiterentwickelt werden.Ich fordere Sie alle auf, es uns gleichzutun.
Will man aber – auch das klang eben an – Menschenmit geringem und mittlerem Einkommen helfen, dannsind – das zeigt ein Blick in die Tabelle – weitere Steuer-senkungen nur am Rande effektiv. Vor allen DingenSpitzenverdiener würden und werden hiervon vornehm-lich profitieren. Denn für das Gros der Erwerbstätigensind Sozialabgaben heutzutage ein weitaus größeres Pro-blem als die Steuerbelastung.bdmAmaIeddtaesas3eb2JhditfhseDgtFlRddgd
Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke für die
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Es ist interessant. Wir hören hier eine schöneede mit vielen Zahlen. Zum schlimmsten Thema, alsoazu, was die Große Koalition im Zusammenhang miter IKB und der KfW in finanzieller Sicht gegenwärtigemacht hat, wird nichts gesagt. Aber ich bin mir sicher,er Minister wird uns, nachdem er schon auf einen spä-
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Otto Fricketeren Rednerplatz ausgewichen ist, nachher noch einigesdazu erklären.
Der Minister hat am Dienstag in seiner Einführungs-rede zum Haushalt einiges dazu gesagt, wie die Lage inDeutschland aussieht. Es klang staatstragend und verant-wortungsvoll, aber er hat keine Konsequenzen gezogen.Dabei hätten Sie doch die drei oder vier kleinen Schritteerklären können, die die Folgen dieser Bankenkrise füruns im Haushalt 2009 sein werden. Die Bankenkrisewird sich auf die Realwirtschaft auswirken, die Real-wirtschaft wird sich auf das Wirtschaftswachstum aus-wirken, das Wirtschaftswachstum wird sich auf die Steu-erzahlungen auswirken, und die Steuerzahlungen werdensich dann leider auf den Haushalt auswirken. Wir wer-den, wenn wir so weitermachen und wenn Sie, Herr Mi-nister, nicht anfangen, ehrlich zuzugeben, dass das Wirt-schaftswachstum sinken wird, spätestens nach derBundestagswahl einen Crash erleben.Wir haben im Juli, als der Haushalt vom Kabinett ver-abschiedet worden ist, erlebt, wie man lächelnd sagte:Wir haben den Haushalt im Griff, wir bauen die Neuver-schuldung weiter ab. So ging man im Juli bei schönemWetter auseinander. Inzwischen hat sich das Wetter ver-ändert, nicht nur draußen, sondern eben auch in derWirtschaft.
Von Westen kommen dunkle Wolken. Was ist nun mitdem Regierungsschiff? Kapitän Merkel und SteuermannSteinbrück stehen weiterhin auf dem Schiff und sagenzwar, dass da, wo sie hinwollen, Wolken sind, aber siedenken weder an Regenmäntel noch an Rettungswesten.Sie steuern einfach weiter, und die Minister verteilenweiterhin Sonnencreme und Sonnenschirme. So sieht esdoch bei der Regierung im Moment aus.
Wer die Debatte der letzten Tage verfolgt hat, konntefeststellen: Kein Minister hat gesagt, dass sein Ressortweniger Mittel bekommen hat. Jeder Minister hat ge-sagt: Mein Ressort hat etwas mehr Geld bekommen,aber eigentlich hätte ich gerne noch mehr. – Gemeint istübrigens: mehr Geld von dir, lieber Steuerzahler. Daswird aber nie laut ausgesprochen.
Wie sieht Ihre Schönwetterpolitik aus? Seitdem dieRegierung an der Macht ist, fällt das Wirtschaftswachs-tum von Jahr zu Jahr geringer aus: 2006 lag es bei2,9 Prozent, 2007 bei 2,5 Prozent, 2008 wird es voraus-sichtlich bei 1,7 Prozent liegen – es könnte allerdingsauch weniger werden –, und für 2009 rechnen mancheInstitute mit nur noch 0,2 Prozent.
it anderen Worten: Jedes Jahr, das die Große Koalitionegiert, bedeutet für den Bürger weniger Wirtschafts-achstum und mehr Zukunftsrisiken.
Die Risiken werden von Ihnen völlig ausgeblendetnd nicht erwähnt. Welche Risiken gibt es eigentlich?ie Industrieproduktion geht zurück. Die Zahl der Auf-ragseingänge sinkt seit Monaten. Die jeweiligen Quar-alszahlen zum Wirtschaftswachstum fallen immerchlechter aus. Die Inflationsgefahr, die angeblich nichtroß war, ist weiterhin vorhanden, wird aber ignoriert.ber die kalte Progression freut sich der Minister sogarlammheimlich. Er sagt sich wohl: Ein bisschen Infla-ion schadet nie. Denn dann kann ich mehr Geld einneh-en, und niemand merkt es. – Das sind keine Bedingun-en, unter denen man versuchen kann, die Situation iniesem Staat zu verbessern.
Hinzu kommt die Bankenkrise. Keiner von uns weißenau, was dabei herauskommt – keine Frage. Aller-ings muss man sagen: Die KfW, die Kreditanstalt fürertverlust, und die IKB, das Institut kranker Bilanzen,
ind nur ein Teil des großen Problems, allerdings ein we-entlicher Teil. Denn in beide Banken
das gilt übrigens auch für die Landesbanken, die heuteorgen ebenfalls gemeldet haben, dass sie Milliarden-erluste zu verzeichnen haben – hat sich der Staat in um-angreichster Weise eingemischt, und er meint immeroch, sich dort weiterhin einmischen zu müssen.
Anstatt „Raus mit der Politik!“ zu sagen, setzt manin paar Verwaltungschefs und ein paar kleine Mitarbei-er vor die Tür. Politische Verantwortung wird an die-er Stelle aber nicht übernommen. Im Hinblick auf dieolitische Verantwortung bei der KfW/IKB muss managen: Es gibt nach wie vor ein Aufsichtsgremium, einenerwaltungsrat, der riesengroß ist, dem man kaum Infor-ationen zukommen lässt, und, wenn überhaupt, dannur so spärlich, dass dort gar keine vernünftigen Ent-cheidungen mehr getroffen werden können.
Denken wir einmal daran zurück, was gesagt wurde,ls es vor ein paar Jahren um die IKB ging; es wird näm-ich häufig völlig vergessen, wo das eigentliche Problemei der IKB lag. Im Jahre 2001 hieß es, übrigens auchon Herrn Stiegler: Wir dürfen die IKB auf keinen Falln eine Heuschrecke verkaufen! Das war übrigens die
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Otto FrickeRoyal Bank of Scotland. Was machen Sie jetzt, HerrStiegler? Was ist gestern beschlossen worden? Es wurdevereinbart, die IKB an eine der größten Heuschreckenüberhaupt zu verkaufen, an Lone Star. Wer hat dem zu-gestimmt? SPD und Union. Das ist, mit Verlaub, eineVerhohnepipelung der Wähler!
Man hätte die IKB nicht kaufen dürfen. Das wollenSie aber nicht wahrhaben. Diesen Fehler wollen Sie ver-decken. Mein Vorwurf an die Große Koalition ist: ImJahre 2005 hätten Sie feststellen müssen, dass wir dieIKB noch immer haben. Wenn die CDU/CSU wirklichnoch ein ordnungspolitisches Gewissen hat, hätte sie sa-gen müssen: Wir wollen die IKB nicht. Dann hätte mannoch genug Zeit gehabt, sie zu verkaufen.
Gab es irgendeinen Versuch, die IKB zu verkaufen?
Nein. Man hat alles so belassen, wie es war. Denn es istja schön, sich auch ein bisschen auf dem Privatsektor zubetätigen.
Hätte man die IKB verkauft, hätten wir jetzt höherePrivatisierungserlöse und geringere Zinsverluste. Vor al-len Dingen hätten wir jetzt nicht all die Zuschusspflich-ten und wären nicht mit den Risiken konfrontiert, die unsin den nächsten Jahren erwarten.
Das ist einer der größten Fehler, die die Große Koalitiongemacht hat. Jetzt versucht sie, ihn zu verdecken, indemsie sagt: Eigentlich können wir nichts dafür. Es liegt amWeltbankenmarkt.
Der Staat muss sich aus dem Bankenmarkt so weitwie möglich heraushalten. Natürlich brauchen wir mitBlick auf die Daseinsvorsorge des Staates eine Grund-versorgung der Banken; das ist keine Frage. Das ist einTeil der sozialen Marktwirtschaft. Aber angesichts alldessen, was bei der KfW nach wie vor getan wird undwas mit staatlicher Daseinsvorsorge wirklich nichts zutun hat, müssen wir schleunigst, allerdings nicht vor-schnell, versuchen, zu privatisieren und dafür Erlöse zubekommen, anstatt zuzulassen, dass die Politik weiterhinden Finger darauf hat.
Man muss ganz klar feststellen: Kaum bricht der Ban-kenmarkt zusammen, fällt auch die KfW in sich zusam-men.
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Sie sollen für den Staat alle gleich sein. Das ist nochiel besser. Herr Steinbrück, dann frage ich mich Fol-endes: Weshalb ist es so, dass das Kind eines Fach-rbeiters kostenlos in der gesetzlichen Krankenversiche-ung mitversichert ist, der kleine Unternehmensgründerit drei Mitarbeitern jedoch, der in der privaten Kran-enversicherung ist, pro Monat 100 Euro bezahlen darfnd dies noch nicht einmal steuerlich absetzen kann? Woind da dem Staat alle Kinder gleich?
Hinzu kommt, dass die Große Koalition sagt: Lieberteuerzahler, der du deine Kinder privat versicherst, bitteahle noch zusätzliches Steuergeld für den sogenanntenesundheitsfonds, den die CSU inzwischen auch liebt.itte zahle noch Steuergeld, damit wir die anderen Kin-er kostenlos versichern können.Das ist keine Gleichbehandlung. Sie machen Unter-chiede. Sie sagen: Die einen sind gut, die anderen sindöse, den Guten helfen wir, und den Bösen brauchen wiricht zu helfen. – Das kann doch nicht wahr sein.
Schauen wir uns einmal an, wie dieser 4-Milliarden-uro-Zuschuss wirkt. Die Ministerin wehrt sich überonate und Jahre hinweg gegen eine Prüfung durch denechnungshof. Werden die gesetzlichen Krankenkassenuch nur einmal an der Oberfläche geprüft, folgt Skandaluf Skandal. Die Chefs bekommen ihr Geld. Es gibtchöne Versorgungspöstchen. Es gibt hier noch ein Zu-atzsalär und da noch ein Zusatzsalär. Ich bin gespannt,ie viel Prozent der Beitragssatzsteigerungen der kom-enden Jahre auf diesen Dschungel bei den gesetzlichenrankenkassen zurückzuführen sind. Bezahlen wird diesukünftig auch noch der Steuerzahler.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben einen auf den erstenlick richtigen Satz gesagt: Die CDU habe aus der Ver-chuldung gelernt. Aus Fehlern zu lernen, ist immer gut.um Thema Lernen haben Sie sich in letzter Zeit sehrut erkundigt. Interessant ist jedoch, ob Sie wirklicheim Thema Verschuldung gelernt haben.
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Otto FrickeDas können Sie nicht bei Schönwetterhaushalten oderbei einem Wahlkampfhaushalt, wie er jetzt vorliegt, ma-chen. Die Frage, ob Sie aus der Vergangenheit gelernthaben, wird sich beim Haushalt erst dann beantwortenlassen, wenn schwierigere Zahlen vorliegen und wennSie dann versuchen, einen Haushalt gut hinzubekom-men, ohne dass Sie bei den Leuten abkassieren und ih-nen immer mehr Geld aus der Tasche ziehen. Dann wirdsich zeigen, ob Sie gelernt haben.
Frau Bundeskanzlerin, zudem hat mich verwundert,dass der Finanzminister – ich bin sehr froh darüber – denFranzosen deutlich gesagt hat, was er von Konjunktur-programmen hält, nämlich nichts. Das ist auch richtigso. Nur, Frau Bundeskanzlerin, ich habe nicht gehört– vielleicht habe ich es überhört, lese es dann gernenach, oder Sie bestätigen es vielleicht jetzt –, dass Sie abFebruar, wenn richtiger Wahlkampf herrscht, nicht zugroßen Konjunkturprogrammen ansetzen werden.Die FDP wird Ihnen ganz genau auf die Fingerschauen,
ob Sie Versuche von Konjunkturprogrammen und vonWählerberuhigungen machen, ob Sie Versuche unter-nehmen, wie sie die CSU gegenwärtig in Bayern unter-nimmt, die 19 Mal die Steuern erhöht und ein Mal beiden Skiliften senkt und jetzt sagt: Tut uns leid, wir habenes gar nicht so gewollt. – Das kann nicht die Politik sein,die in den kommenden Monaten gerade bei diesemknappen Haushalt kommen wird.
Für den Fall, dass die Frage gestellt wird, was wir an-ders machen würden: Wir werden ein Sparbuch vorle-gen. Wir werden die sozialen Sicherungssysteme durchdie Umsetzung unserer Vorschläge wieder auf gesundeBeine stellen. Wir werden für niedrige Steuern und dafürsorgen, dass das Steuersystem einfach und gerecht ist.Wir werden den Staat an den Stellen zurücknehmen, andenen er nicht notwendig ist.Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie nur deshalbversuchen, die Steuern zu erhöhen, damit Sie wiederneue Bereiche haben, in denen Sie dann Ihre politischenHände walten lassen können, obwohl die Bürger diesselbst viel besser könnten.Wir brauchen mehr Freiheit, aber auch – HerrStiegler, Sie wissen ganz genau, dass das zur Freiheit da-zugehört – mehr Verantwortung. Damit das klar ist:Dieser blödsinnige einfache Versuch ist nicht in Ord-nung, zu sagen, dass all das, was liberal ist, gewissenlossei. Nein, alles, was liberal ist, bedeutet auch immer,dass man Verantwortung hat. Gewissenlos sind dieLeute, denen eine ethische Grundlage fehlt. Ich habe dasGefühl, dass das die Leute sind, die mit Steuergeldernnicht richtig umgehen können, genauso wie die Leute,die mit Privatgeldern nicht richtig umgehen können.mVwmmGmnAdt–ntdrCmdkidsHrJHnwdrsLfSsSs
Wir verzeichnen weiterhin hohe Steuermehreinnah-en. Ist es dieser Bundesregierung mit dem Abbau dererschuldung aber wirklich ernst? Man hört jetzt schon,egen der Steuermehreinnahmen im Jahr 2008 müssean mit der Privatisierung nicht so schnell vorankom-en. Na ja, nach den schlechten Erfahrungen, die Rot-rün mit der Privatisierung der Bundesdruckerei ge-acht hat, wäre ich froh, wenn diese Bundesregierungicht so viel privatisieren würde.Jetzt aber ernsthaft: Privatisierung kann doch nicht inbhängigkeit von der Höhe der jeweiligen Neuverschul-ung angegangen werden. Wenn die Privatisierung rich-ig ist, dann muss ich sie machen, und wenn sie falsch ist wie etwa bei der Bundesdruckerei –, dann darf ich sieicht machen. Sehen Sie also zu, dass Sie mit der Priva-isierung in diesem Jahr schon weiter fortfahren; denn je-er vernünftige Euro, den Sie aufgrund einer Privatisie-ung erzielen, bedeutet gleichzeitig mindestens einenent an Zinsen weniger, den die Steuerzahler bezahlenüssen.
Ich komme zum Schluss. Wir sollten viel mehr daranenken, wie wir die soziale Marktwirtschaft stärkenönnen. Mehr soziale Marktwirtschaft wagen – das istm Moment unsere Verantwortung. Die Betonung liegtabei auf „soziale“, aber es muss eben eine Marktwirt-chaft sein.Es ist eine alte Weisheit, dass die meisten Unfälle imaushalt passieren. Sie sind mit dem Haushalt 2009 ge-ade dabei, dies wieder zu beweisen.Herzlichen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege
ochen-Konrad Fromme.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Kollege Fricke, ich bin sehr gespannt auf die Alter-ativen, die Sie uns im Laufe der Beratungen vortragenerden, und ich hoffe, dass die Qualität gegenüber derer bisherigen Sparbücher, die ja keine Sparbücher wa-en, deutlich steigt.
Ich glaube, durch die bisherigen Beratungen wurdechon einiges deutlich gemacht, insbesondere, dass dieinken langsam die Katze aus dem Sack und ihre Maskeallen lassen. Wie das Beispiel Schaeffler zeigt, wollenie nämlich eine andere Gesellschaftsordnung und Ver-taatlichungen. Sie wollen eine steigende Staatsquote.ie sollten den Bürgerinnen und Bürgern dann aber bittechön auch sagen, was das Ergebnis ist. Das Ergebnis ist
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Jochen-Konrad Frommenämlich eine Staatswirtschaft, wie es sie 40 Jahre langin einem Teil unseres Vaterlandes gab.
Sie sind doch erst zufrieden, wenn die Leute am Erstenjedes Monats alles abgeben und Sie zuteilen können. Wodas hinführt, haben wir gesehen.Sie sollten dann auch einmal deutlich machen, dassfast die Hälfte der Zinsen nicht für die Kosten der Wie-dervereinigung gezahlt werden müssen, sondern dafür,dass wir das, was Sie lange kaputt gemacht haben, wie-der aufbauen mussten.
Was könnten wir mit diesen 20 Milliarden Euro im Jahrnicht alles Gutes und Schönes machen!Die Grünen klagen hier ständig ein, wir müssten dieArmut bekämpfen, und sie zitieren den Armutsbericht.Ich darf zum Ersten sagen, dass der Armutsbericht fürden Zeitraum bis zum 31. Dezember 2005 erstellt wurde.Er ist also Ihre Schlussbilanz, nicht unsere augenblickli-che Bilanz.
Zum Zweiten sollten wir uns darüber im Klaren sein,dass in dem Armutsbericht die relative Armut beschrie-ben wird. Wenn wir es mithilfe der Steuerpolitik der Lin-ken schaffen würden, die Reichen aus Niedersachsen zuvertreiben, dann gäbe es plötzlich keinen Armen mehr,obwohl sich für die Menschen gar nichts geändert hätte.Umgekehrt: Wenn Bill Gates seinen Wohnsitz plötzlichnach Deutschland verlegen würde, dann würde dasdurchschnittliche Einkommen steigen und es gäbe mehrArme, ohne dass sich für die Menschen etwas geänderthätte. Seien Sie deswegen etwas vorsichtig.Ich kann Ihnen nur sagen: Durch den neuesten Be-richt des DIW wird deutlich, dass Ihr Popanz wie eineSeifenblase zerplatzt ist.
Es stellt sich jetzt nämlich heraus, dass sich die Dingeverbessert haben. Deutschland ist durch unsere Politikein Stück gerechter geworden;
denn was ist denn besser für einen Arbeitslosen, als dasser einen Arbeitsplatz bekommt? Es nützt ihm doch über-haupt nichts, wenn ich irgendeinem, der ein höheres Ein-kommen erzielt, ein bisschen weniger gebe oder ihmmehr wegnehme. Davon hat der einzelne Arbeitslose garnichts. Sie sollten sich also auch einmal mit den Faktenbeschäftigen.Sie sagen, dass unsere Politik unsozial ist. Das isteben falsch. Ich erinnere nur an das, was in der Debatteangesprochen wurde: Wohngeld, BAföG, mehr für dieFamilien. Schauen Sie sich einmal die Ausgabenblöckeunseres Haushalts an. Allein der Sozialhaushalt hat ei-nen Umfang von 125 Milliarden Euro. Davon sind7dlnSDdWfhc–AWsÜgÜVkmaBzmdbgdMSDgDws
as, was Sie hier vorgetragen haben, war wirklich nebener Sache.
er im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen wer-en. Deswegen haben Sie sich jetzt auch verzogen. Sieaben nämlich gemerkt, dass ich Sie hier einmal anspre-hen wollte.
Ja, das merkt man doch. Hasen haben in der Regelngst. Das ist eben so.
as er zur Energiepolitik gesagt hat, ist völliger Un-inn. Wenn aufgrund von Knappheit oder mangelnderbereinstimmung von Angebot und Nachfrage stei-ende Preise zu verzeichnen sind, dann müssen wir dasbel an der Wurzel packen und das Angebot-Nachfrage-erhältnis verändern. Subventionen oder Ähnliches sindeine Lösung.Wenn Sie sagen, dass Niedersachsen mit dem Atom-üll nicht alleingelassen werden soll, sondern Bayernuch etwas tun sollte, dann frage ich Sie, ob Sie für jedesundesland ein Endlager wollen. Wer soll das denn be-ahlen? Das ist völliger Unsinn. Wir müssen uns viel-ehr darum bemühen, dass die Länder mit Standortenafür einen Ausgleich erhalten.Sie haben die Grundlagen der Marktwirtschaft nichtegriffen, wenn Sie meinen, dass günstige Strompreiseewährleistet sind, solange es Atomkraft gibt. Solangeas Angebot kleiner ist als die Nachfrage, bestimmt derarkt den Preis, völlig unabhängig von der Art dertromerzeugung und deren Kosten.
eshalb wäre es sinnvoller, die Laufzeiten zu verlän-ern, weil dadurch sofort das Angebot gesteigert würde.iese Maßnahme könnte verhindern, dass die Preiseeiter steigen.
Wir sollten auch die Risiken dieses Haushalts berück-ichtigen. Deswegen stelle ich an die Adresse aller Gut-
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18898 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008
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Jochen-Konrad Frommemenschen – damit meine ich das ganze Haus, aber be-sonders die Umverteiler der Linken – gerichtet fest: Wirsind gerade mal in der Lage, aus unseren Einnahmen dieZinsen, die in der Vergangenheit entstanden sind, zu be-zahlen. Jeder sollte sich darüber im Klaren sein, dass wirzunächst einmal die Einnahme- und die Ausgabeseite inEinklang bringen müssen, um auf Dauer nachhaltigeFinanzpolitik zu betreiben. Anders geht es nicht.Ich bedaure es sehr, dass sich derzeit viele in derFöderalismuskommission von der Schuldenbremse ver-abschieden wollen. Wenn es uns nicht gelingt, geeigneteInstrumente zu schaffen, um uns zu disziplinieren, dannkommen wir niemals vorwärts. Politiker sind Menschen.Menschen sind schwach und versuchen in Extremsitua-tionen immer, auszuweichen.
Wir brauchen eine wirksame Schuldenbremse, umdieses Thema in den Griff zu bekommen. Die erste Maß-nahme muss darin bestehen, dass Bund und Länder da-mit beginnen, die Tilgung ihrer Schulden in Angriff zunehmen. Das unterscheidet uns von der kommunalenEbene: Sie sind nicht besser, weil sie bessere Politikersind, sondern sie sind in einer besseren Lage, weil wirsie immer gezwungen haben, ihre Schulden zu tilgen.Wenn Sie uns auf diesem Weg folgen, dann tun wiretwas für die langfristige Entwicklung. Ich lade alle ein,mit konstruktiven Vorschlägen zu einer Verbesserungdieses Haushaltes beizutragen. Aber es müssen tragfä-hige Vorschläge sein, die die Ursachen an der Wurzel pa-cken. Wir brauchen keine Scheingefechte oder einenWettbewerb um Wählerstimmen, in dem wir uns sozusa-gen gegenseitig überbieten. Wir brauchen eine solideHaushaltspolitik. Der Entwurf ist ein richtiger Ansatz.Helfen Sie uns auf diesem Weg! Machen Sie mit! Aberlassen Sie Sprechblasen, die nur die Wähler verunsi-chern!
Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die
Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Schlechter hätte
die Haushaltswoche für den Finanzminister nicht laufen
können. Auf der einen Seite wollte er der Öffentlichkeit
zeigen, wie gut er mit Geld umgehen kann. Auf der an-
deren Seite wollte er uns Linken anhängen, dass wir nur
Geld ausgeben könnten. Aber dieser Plan ist gründlich
gescheitert, Herr Steinbrück.
Die staunende Öffentlichkeit konnte beobachten, wie
unter Ihrer Verantwortung, Herr Steinbrück, Geld ein-
fach so verschwindet. Auf der einen Seite trauen Sie
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Mindestens. – Wenn ein Arbeitsloser einen Fahrschein
m Wert von 2,10 Euro ersetzt bekommen möchte, dann
eschäftigen sich drei Sachbearbeiter und ein Referats-
eiter mit diesem Anliegen.
och wenn 300 Millionen Euro oder mehr überwiesen
erden, dann geht das augenscheinlich automatisch.
ann gibt es niemanden, der die Überweisungen vorher
ontrolliert. Das ist Steinbrück’sche Finanzpolitik.
Die Aufsicht über die KfW sollten eigentlich Herr
teinbrück und Herr Glos wahrnehmen.
eide haben wieder nichts gewusst. Beide kommen aus
em Mustopf. Natürlich schiebt der Finanzminister die
chuld auf die Bank, wie er es schon bei dem Skandal
m die IKB getan hat.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Koppelin?
Nein, Herr Kollege. – Damals war angeblich die Che-in der KfW, Ingrid Matthäus-Maier, die Parteikolleginon Herrn Steinbrück, schuld. Frau Matthäus-Maierusste ihren Hut nehmen, nicht der Finanzminister. Derinanzminister erklärte damals zum möglichen Nachfol-er: Es wird ein Profi sein müssen, bei dem der Sachver-tand eine Rolle spielt und nicht die Politik. Herrteinbrück, dieser Satz ist nicht nur arrogant, sondernagt auch viel über Ihr Politikverständnis aus. Sachver-tand und Politik kommen bei Ihnen, Herr Steinbrück,ffensichtlich nicht zusammen.
ls Nachfolger wollten Sie also einen echten Profi neh-en. Er hat gleich das doppelte Gehalt bekommen. Derrste Schritt war, 300 Millionen Euro an eine bankrotteank zu überweisen. Herr Steinbrück, wann überneh-en Sie endlich die Verantwortung für Ihr ständiges Ver-agen bei der Kontrolle der KfW und für Ihre miserableersonalpolitik?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008 18899
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Dr. Gesine Lötzsch– Wir können Herrn Steinbrück und Herrn Glos ruhig ineinem Zusammenhang nennen. Damit haben Sie recht,Kollege Benneter.Herr Steinbrück meinte in seiner Rede, dass das Men-schenbild der Linken die Menschen zu Bittstellern, zuAbhängigen und zu Verlierern mache.
Das ist wirklich unverschämt und eine Beleidigung derMenschen. Nicht unser Menschenbild macht die Men-schen zu Bittstellern, zu Abhängigen und zu Verlierern,sondern die Politik der Großen Koalition.
Sie haben doch einen kannibalisierenden Arbeitsmarktgeschaffen, der Millionen arbeitende Menschen zwingt,als Bittsteller zum Staat zu gehen, weil der Lohn zumLeben nicht reicht. Damit nehmen Sie den Menschenihre Würde. Sie machen sie zu Verlierern der Gesell-schaft, nicht wir.
In der Debatte fiel oft – von den Kollegen der SPDausgesprochen – das Wort gesetzlicher Mindestlohn. Eswurde gesagt, man müsse diskutieren. Der Vorrednervon der SPD sagte, man müsse über Ansätze von gesetz-lichem Mindestlohn sprechen. Sagen Sie den Menschendoch klar und offen, was Sie wollen,
und ergreifen Sie, wenn Sie es mit dem gesetzlichenMindestlohn wirklich ehrlich meinen, die Chance hierim Parlament. Wir werden Ihnen auf jeden Fall immerwieder Anträge dazu vorlegen. Stimmen Sie endlich derEinführung eines gesetzlichen Mindestlohns zu!
Weiterhin wurde behauptet, dass die Linke eine antikenationalökonomische Vorstellung als Antwort auf dieGlobalisierung habe.
Auch das ist falsch. Diese Regierung will mit staatlichenMitteln verhindern – so wurde es im August im Kabinettbeschlossen –, dass ausländische Unternehmen deutscheUnternehmen kaufen. Das ist Protektionismus. Ja, ichsage ganz offen: Wir sind für die Regulierung derFinanzmärkte. Doch das ist kein Protektionismus. Dasist bitter nötig, wie wir in den letzten Tagen erfahren ha-ben.DtdaHwsSiHkAczwAdKcHHLkrLuSnHultUGmdeAasvd
nd trügen die Schuld an diesen Schlagzeilen, diechuld am Niedergang dieser traditionsreichen Unter-ehmen.
err Schäuble würde doch sofort die Bundeswehr gegenns einsetzen wollen.
Uns wird immer unterstellt, wir würden alles verstaat-ichen wollen. Das ist eine absolut lächerliche Behaup-ung. Herr Steinbrück verstaatlicht gerade ein privatesnternehmen, nicht wir als Linke. Aber ich will an dieeschichte dahinter erinnern. Der ehemalige Finanz-inister Eichel – er sitzt noch hier – hat die Bundes-ruckerei in Berlin gegen den Protest der Linken anine Heuschrecke, den Finanzinvestor Apax, verkauft.pax bürdete dem Unternehmen dann hohe Schuldenuf und führte es damit an den Rand der Pleite. 2002tieg die Heuschrecke wieder aus, und der Betrieb wurdeon einem Treuhänder verwaltet. Jetzt wird die Bundes-ruckerei von CDU, CSU und SPD wieder verstaatlicht.
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Dr. Gesine LötzschDamit Sie mich nicht missverstehen: Das ist eine rich-tige Entscheidung. Darum muss sich auch der Verfas-sungsschutz mit dieser Verstaatlichung nicht befassen.
Der Populismusvorwurf wird gerne von den anderenParteien gegen uns erhoben. Aber gerade in dieser Wo-che konnten wir gut mitverfolgen, wie unsinnig dieserVorwurf gegen uns ist, weil die Bürgerinnen und Bürgerden täglichen Populismus der Regierung erleben.
Mein Kollege Dr. Gregor Gysi hat in seiner Rede amBeispiel der Pendlerpauschale und des Wahlkampfsvon Herrn Huber sehr schön dargestellt, was Populismusist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zu-mindest Sie haben in der nächsten Woche die Chance,Herrn Huber und die Kollegen in Bayern zu unterstüt-zen. Wir werden Ihnen nämlich einen Antrag zur Pend-lerpauschale mit namentlicher Abstimmung vorlegen.Ich bin einmal gespannt, wie das Abstimmungsergebnissein wird.
In der außenpolitischen Debatte wurden wir als Linkeheftig angegriffen, weil wir angeblich nicht solidarischund nicht verantwortungsvoll sind. Das will ich in allerDeutlichkeit zurückweisen. Diejenigen, die uns man-gelnde Solidarität mit der NATO vorwerfen, sind genaudiejenigen, die die Solidarität im eigenen Land untergra-ben.
Warum sollten wir mit einer NATO solidarisch sein, diegegen das Völkerrecht verstößt und die RusslandsSicherheitsinteressen verantwortungslos negiert unddas Land mit Raketen umstellt?
Diese friedensbedrohende Politik ist unverantwortlichund wird von uns nicht unterstützt.
Wir als Linke sind der Auffassung, dass die globalenProbleme nicht mit militärischen Mitteln gelöst werdenkönnen.
Sieben Jahre Krieg in Afghanistan sind ein trauriger Be-leg dafür.
Es ist deshalb auch nicht nachvollziehbar, warum derzweitgrößte Haushalt mit über 31 Milliarden Euro derHaushalt der Bundeswehr ist. Die Bundeswehr wirdauch nicht volksverbundener und eine besonders über-zGdtblEdtnRbvBBatgwubKüVgKdz–sds
as dann auch noch 1 Million Euro kostet.
Man kann die Rekruten nur davor warnen, den Wor-en von Altkanzler Schmidt, dass sie nie wieder miss-raucht würden, zu glauben. Dieses Versprechen wareichtfertig, und ich glaube nicht, dass die Mütter und diehefrauen der in Afghanistan getöteten Bundeswehrsol-aten das so sehen wie Herr Schmidt.
Über die sinnlosen, Milliarden verschlingenden Rüs-ungsprojekte habe ich bereits gesprochen. Ich möchteoch einmal in Erinnerung rufen, dass kein einzigesüstungsprojekt nach Beendigung des Kalten Kriegeseendet wurde, obwohl sich die Sicherheitslage so sehrerändert hat. Es geht also nicht in erster Linie um dieekämpfung des Terrorismus und um die Sicherheit derürger, sondern um hohe Dividenden für die Rüstungs-ktionäre.Wir als Linke werden Ihnen bei den Haushaltsbera-ungen in den nächsten Wochen eine Reihe von Anträ-en für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Solidarität undeniger Rüstung im Haushalt 2009 vorlegen. Wenn Sienseren Vorschlägen folgen, haben Sie die Chance, dazueizutragen, dass es in unserem Land gerechter zugeht.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
ollegen Koppelin.
Verehrte Kollegin, Sie haben eben über die KfW undber die aus meiner Sicht ausgesprochen skandalösenorgänge gesprochen, die sich dort abgespielt haben. Daestern der Verwaltungsrat getagt hat, frage ich Sie:önnen Sie mein großes Bedauern darüber verstehen,ass ich den Kollegen Oskar Lafontaine bei dieser Sit-ung vermisst habe?
Da Sie über die Heuschrecken gesprochen habengestern ist der Verkauf der IKB an Lone Star beschlos-en worden –, können Sie sicherlich mein großes Be-auern auch darüber verstehen, dass ich nicht die Unter-tützung des Kollegen Oskar Lafontaine hatte, als wir
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Jürgen Koppelindagegen gestimmt haben. Ihn habe ich dort sehr ver-misst.
Verehrte Kollegin, ich muss sagen, es hat mich sehr be-ruhigt, dass ich heute Morgen – so hat man mir gesagt –Interviews von Oskar Lafontaine hätte hören können, indenen er sich über diese Sitzung geäußert hat.Verehrte Kollegin, was ich nicht fair finde – damitwill ich weder die Regierung noch irgendjemanden sonstin Schutz nehmen –, ist, dass Sie hier die wahre Lehreverkünden, aber dann, wenn Sie etwas tun können, etwain Abstimmungen, kneifen und nicht da sind.
Frau Kollegin Lötzsch, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten
Damen und Herren, ich denke, es ist in aller Öffentlich-
keit klar geworden, dass wir
uns als Linke gegen die Verscherbelung der IKB ge-
wandt haben.
Es wurde zugelassen – auch dagegen haben wir uns ge-
wandt –, dass 10 Milliarden Euro – so ist das Tableau
des Finanzministeriums – verbrannt wurden.
Ich habe eigentlich eine Anmerkung wie die Ihre eher
aus der Regierungskoalition erwartet. Bei jeder Gelegen-
heit, bei der die KfW erwähnt wird, fällt der Name Oskar
Lafontaine.
Sie scheinen der Überzeugung zu sein, dass in diesem
Land allein Oskar Lafontaine regiert.
Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Treten Sie doch
einfach alle zurück, wenn Sie diese Überzeugung immer
zum Ausdruck bringen, und übergeben diese Tätigkeit
an Oskar Lafontaine.
Lieber Herr Kollege Koppelin, hinsichtlich Ihrer
Frage zur Aufklärung dieser Vorgänge möchte ich Sie
herzlich bitten, uns nicht weiter daran zu hindern, end-
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s wäre eine vernünftige Sache, hier gemeinsam vorzu-
ehen. Dabei könnten wir bei der Aufklärung sehr gut an
inem Strang ziehen.
Vielen Dank.
Nun hat der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauollegin Lötzsch, ich habe noch immer nicht verstan-en, wo Oskar Lafontaine gestern war. Aber vielleichtekommen wir das noch heraus.
Erlauben Sie mir noch eine Vorbemerkung. Sie habenerade davon gesprochen, dass Ihre Partei antimilitaris-isch sei und es Ihnen darum gehe, den Einflussbereicher NATO zu beschränken, um es einmal mit meinenorten auszudrücken. In dieser Woche fand die Abstim-ung über den Einsatz im Sudan statt. Bei diesem Ein-atz im Sudan ging es nicht um die NATO, es ist eineN-geführte Mission. Es ging nicht darum, eventuell aufenschen zu schießen. Es ging darum, Konvois mit Le-ensmitteln, die für Flüchtlinge in Lagern bestimmt sind,u beschützen. Auch gegen diese Mission haben Sie ge-timmt.
aher müssen Sie sich den Vorwurf anhören, dass Sieeine verantwortungsvolle Außenpolitik betreiben.
Zum Haushalt.O Glaubensvater, sieh die Not, in der wir uns befin-den.o beginnt ein katholisches Kirchenlied. Es ist dempostel der Deutschen, dem heiligen Bonifatius, gewid-et.
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18902 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008
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Omid NouripourIch hatte diesen Vers in dieser Woche einige Male imKopf, als ich der Einbringung des Haushalts zugehörthabe. Was mussten wir dabei erleben? Wir sahen einenFinanzminister, der uns wieder und wieder erzählt, 2011gebe es einen Haushalt ohne Schulden. Wenn das nichtder Fall sein würde, so hat er versprochen, dann werde erim Jahre 2011 zurücktreten. Welch ein manifestes Ver-sprechen!„Heiliger Bonifatius, hilf!“, kann ich da nur sagen,dass wir im nächsten Jahr bis zur Bundestagswahl nochunbeschadet davonkommen und dass dann endlich dieseschwarz-rote Trauergemeinde auseinandergeht.
Der Haushaltsentwurf 2009 liegt jetzt zusammen mitdem Finanzplan bis 2012 auf dem Tisch. Die riesengroßeVerpackungsüberschrift ist „Konsolidierter Haushalt“.Schade, dass man auch da genau hineinschauen muss,um festzustellen, ob es so ist, zumal ich gerade nach die-ser Woche nicht nur das Gefühl habe, dass Sie das nichtschaffen werden; ich habe vielmehr das Gefühl, dass Siegar kein Interesse daran haben, das zu schaffen. Das istein Problem für dieses Land. Es ist viel von Zukunft ge-sprochen worden. Ich habe den Eindruck, Ihr Begriffvon Zukunft reicht bloß bis zum 27. September 2009.Dann wird nämlich gewählt. Sonst hätten Sie nicht einenausschließlichen Wahlkampfetat vorgelegt. Das ist einriesengroßes Problem. Wir werden in den Ausschusssit-zungen alles daransetzen, dies zu ändern.
Unser Maßstab für den Haushalt ist der Dreiklang vonSchuldenabbau – das machen Sie nicht –, Investitio-nen in die Zukunft – das machen Sie nicht – und Entlas-tung der Bürgerinnen und Bürger – auch das machen Sienicht. Alle nur denkbaren Ziele, die man für einen Haus-halt haben kann, werden von Ihnen nicht erreicht. DasSchlimme daran ist, dass die Voraussetzungen zur Kon-solidierung für das Jahr 2009 so gut sind wie schonlange nicht mehr. Der Kollege Krüger hat vorhin leidernicht gesagt, dass die Einnahmen 25 Prozent höher sindals zu Zeiten von Hans Eichel. Sie haben leider auchnicht erwähnt, dass in diesem Jahr und im Jahr 2009 mitvoraussichtlich 250 Milliarden Euro so viel wie noch nieeingenommen werden wird. Sie haben vor allem nichtgesagt, dass dies damit einhergeht, dass man wiederum10,5 Milliarden Euro auf Kosten der Kinder und derKindeskinder dieses Landes pumpt.
Sie, Herr Minister, haben Ihre Amtszeit mit der Erhö-hung der Mehrwertsteuer begonnen. Sofort danach ha-ben Sie versprochen, es werde mehr Netto geben. Ichhabe in den letzten Monaten keine Normalverdiener ge-sehen, die behaupten konnten, sie hätten jetzt mehr Nettoauf dem Konto. Ein Beispiel: Am 1. Juli ist der Pflege-versicherungsbeitrag um 0,25 Prozentpunkte gestiegen.Sie konnten nicht einmal versprechen, dass es ein klei-nes bisschen mehr Netto geben würde; denn wir werdenab dem 1. Januar das unglaubliche Projekt namens Ge-sundheitsfonds haben, das alle Hoffnungen auf mehrNdd–nIrdEssJSmvIksswAEslghshelMdmes„numdmrnhWFb
Ich habe Sie, Herr Kollege Kampeter, akustisch leidericht verstanden. –
hr Zahlenwerk ist ungefähr so solide wie die Zwischen-ufe des Herrn Kampeter.
Der Haushalt ist mit heißer Nadel gestrickt. Sie gehenavon aus, dass die Einnahmen des Bundes bis in allewigkeit steigen und eines Tages die Einnahmenkurve,teil von unten kommend, die Kurve der Ausgabenchneiden wird. So funktioniert Ihre Konsolidierung imahr 2011. Spannend. Die Einnahmesteigerung ist fürie so sicher wie das Amen in der Kirche. Verstehen Sieich nicht falsch: Auch als Muslim halte ich sehr vielom Amen in der Kirche. Ich habe da großes Vertrauen.ch habe aber kein Vertrauen, wenn bei der Haushalts-onsolidierung nicht seriös kalkuliert wird, nicht ent-chlossen gespart wird und wenn nicht sinnvoll umge-chichtet wird.Ich nenne Ihnen ein Beispiel für den Finanzplan. Sieollen bis zum Jahre 2011 2,7 Milliarden Euro bei denusgaben für das Arbeitslosengeld II einsparen. Jederinzelne und jede Einzelne in diesem Haus wünscht sichelbstverständlich, dass die Zahl derjenigen, die Arbeits-osengeld II erhalten, sinken wird. Aber wir haben un-laublich große Konjunkturrisiken, zu denen Sie nach-er hoffentlich etwas sagen werden. Diese werdenelbstverständlich einen Einfluss auf den Arbeitsmarktaben. Deshalb ist das Augenwischerei. Oder haben Sietwa die paar Spinner, über die ich in den letzten Tagenesen durfte, dass sie der Meinung sind, mit 132 Euro imonat könne man wunderbar klarkommen, eingestellt,amit sie für Sie den Haushalt aufstellen? So könnte ichir erklären, wie Sie 2,7 Milliarden Euro beim ALG IIinsparen. Sozial wäre das allerdings nicht.
Sie selbst, Herr Minister, haben in dieser Woche ge-agt, die Finanzkrise sei unfassbar und die Konjunkturdrehe in Abschwung“. Gleichzeitig planen Sie immeroch ein Wachstum von 1,5 Prozent bis zum Jahr 2011nd 1,2 Prozent für das Jahr 2009 ein. Wie das zusam-enpasst, werden Sie uns auch gleich erklären. Auchas habe ich noch nicht so ganz verstanden. Vor allem istir aufgefallen, dass Sie in dieser Woche die Haushalts-eden halten, aber die Erklärung zur Finanzkrise erstächste Woche abgeben und die ganze Zeit so tun, alsabe das eine auf das andere gar keinen Einfluss. Ihrort in Gottes Ohr. Ich glaube das allerdings auf keinenall. Das werden Sie spätestens nächste Woche zugege-en haben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008 18903
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Omid Nouripour
Jetzt zum Haushalt 2009. Ich will nicht falsch ver-standen werden: Wir wollen nicht nur sparen. Wir wol-len auch investieren. Das ist uns wichtig, und wir sindder festen Überzeugung, dass wir uns sonst die Zukunftverbauen würden. Wir wollen aber an den richtigen Stel-len investieren. Wir wollen in den Klimaschutz, in dieBildung, in die Familienförderung, in die Kinderbetreu-ung und in die Entwicklungszusammenarbeit investie-ren.Noch einmal: Dabei muss man ein paar Tage weiterals bis zum nächsten Wahltag denken. Das kommt imHaushalt 2009 aber leider nicht zum Ausdruck. Ich kannSie nur warnen: Ihre Wahltaktik bei der Haushaltsauf-stellung wird nicht aufgehen.Ende nächster Woche werden in Bayern Landtags-wahlen stattfinden. Dort gibt es das Duo infernaleBeckstein und Huber.
Die beiden gehen von Wahlzelt zu Wahlzelt und versu-chen, die Menschen zu begeistern. Wenn das nicht funk-tioniert, dann versprechen sie halt ein paar Milliardenmehr und gehen weiter auf ihrem Kriegspfad mit denGrundrechenarten. Ich prophezeie Ihnen: Das wird nichtgut gehen. Die Menschen lassen sich ganz bestimmtnicht für dumm verkaufen. Ich kann nur hoffen, HerrSteinbrück, dass Sie sich davon belehren lassen und dierichtigen Konsequenzen ziehen.
Wir haben Ihnen in den Jahren seit 2005 vorgerech-net, wie man eine Haushaltskonsolidierung bis zumJahre 2009 zustande bringen kann. Wir haben Ihnen vor-gerechnet, wie man die notwendigen Investitionen trotz-dem tätigen kann. Wir waren der festen Überzeugung,dass dies das beste Wahlgeschenk ist, das man den Men-schen in diesem Land, ihren Kindern und ihren Kindes-kindern geben kann. Das ist besser, als Schulden zu ma-chen, die sie dann tilgen müssen, Herr Steinbrück.Stichwort „Investitionen“: Ich möchte zwei Beispielefür nach unserer festen Überzeugung sinnvolle Investi-tionen bringen.Erstes Beispiel: der Bereich Klimaschutz. Beim Kli-maschutz geht es darum, dass die Weltsicherheitslage,die Weltwirtschaftslage und auch die Klimaberichte denSchluss nahelegen: Wir müssen weg vom Öl. In diversenBeschlüssen der Koalition, etwa nach Klausuren, ist im-mer irgendwo zu finden: Wir müssen weg vom Öl. Aberdas Geld, das man braucht, um zum Beispiel die dafürnotwendige Forschung zu betreiben, steht leider nicht indem notwendigen Maße zur Verfügung. Wir werden inden Haushaltsberatungen Anträge stellen, um dies zuändern. Wir haben Ihnen bereits gezeigt, wie man fürKlimaschutz 10 Milliarden Euro mehr einsetzen, gleich-zeitig aber 20 Milliarden Euro Subventionen, die um-wgmdsVDm51BsmpDzbFüsSrgn–dsiNeesdisbdHlSend
Für die Bundesregierung hat das Wort nun Herr Bun-esminister Peer Steinbrück.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich möchte mich für die meisten Beiträge in die-ser Haushaltsdebatte sehr herzlich bedanken. Ich möchtemich insbesondere für die Unterstützung aus den Reihender Koalitionsfraktionen bedanken. Nachdem ich denBeitrag von Frau Lötzsch gehört habe, möchte ich michauch ausdrücklich für alle Beiträge von FDP und Grünensehr herzlich bedanken.
Ich werde mich mit diesem schwurbeligen Brei ausAntikapitalismus und Antirüstung, internationalem Fi-nanzkapital und Relikten aus Marxismus und „Senilis-mus“ nicht lange beschäftigen können, Frau Lötzsch.
Da ist alles drin – mit jedem Vorurteil behaftet und na-türlich auch mit dem Versuch, bei denjenigen, die dafürvielleicht empfänglich sind, entsprechende Reflexe aus-zulösen.Zwei, drei Sachen lasse ich nicht stehen:Erstens. Wenn Sie wirklich der Auffassung sind, dassVerwaltungsratsmitglieder für die Organisation eineskonkreten Zahlungsverkehrsvorgangs in einer Bank oderin einem Unternehmen verantwortlich sind, dann solltenwir zur Naturalwirtschaft zurückkehren.
– Da wollen sie hin.Zweitens. Wenn ich jemandem abspreche, über dieKontrolle von Zahlungsverkehrsvorgängen reden zukönnen, dann sind Sie das. Ich verbinde das mit der Fra-gestellung, wo die Milliarden des SED- und des DDR-Vermögens geblieben sind.
Da kommen Sie nicht raus! Solange Sie das nicht aufge-arbeitet haben, können Sie mit mir darüber nicht reden.Ich frage Sie ganz konkret: Wo sind die Milliarden ge-blieben, die Sie den ehemaligen DDR-Bürgern geklauthaben,
die Sie schön verschoben, verbunkert, in Form von zins-losen Darlehen an Altkader ausgegeben haben? BevorSie das nicht aufgearbeitet haben
und bevor Sie sich zu dieser Geschichte nicht bekennen,können Sie mit mir über solche Sachverhalte nicht re-den.SSnMbwwPbndmdmgvsznVbbgfdms–ssiISdSddHfüH
Das Dritte bezieht sich auf Ihre Dienstagsrede, in derie glaubten, in Ihrer Schlussapotheose dem Kollegenchäuble fast zynisch – aber es klang so, als ob es iro-isch sein sollte – unter dem Rubrum „Nah bei denenschen“ das Thema Datensicherheit oder Datenverar-eitung vorhalten zu müssen. Wenn jemand mit Über-achungspraktiken und mit schikanösen Praktikenirklich Erfahrung hat, dann sind das die, die in Ihreartei Eingang gefunden haben.
Das ist das zweite Thema, das Sie aufzuarbeiten ha-en: menschenverachtende Überwachungs- und Schika-eaktivitäten, und zwar aus den politischen Herkünften,ie nach wie vor bei Ihnen versammelt sind. Da ist mitir nicht zu reden, besonders nicht nach einem Besuches Stasigefängnisses in Hohenschönhausen. Sind Sieal da gewesen? Wissen Sie, wie das hieß, wie die un-efähr 210 000 bis 250 000 Menschen, die von der Stasierhaftet worden waren, da behandelt worden sind? Wis-en Sie, wie das in dem Sprachgebrauch hieß, in diesemynischen Sprachgebrauch derjenigen, die das immeroch nicht historisch aufgearbeitet haben? Revolutionäreerurteilung auf dem neuesten Stand der Technik. So ha-en Sie das genannt! Arbeiten Sie das erst einmal auf,evor Sie Herrn Schäuble oder der Bundesregierung ir-endeinen Vorwurf zu solchen Sachverhalten machen!
Was die Haushaltsdebatte selbst und auch die jeden-alls vergleichsweise erfreulichen Beiträge der FDP under Grünen betrifft,
uss ich sagen: Ich habe wieder vieles gehört, waschon in den früheren Debatten immer eine Rolle spielte.
Ja, Herr Fricke, aber unter anderen Bedingungen. Sieind immer einer der Ersten, die sagen: Der Haushalt istchon im Aufstellungsverfahren Makulatur. – Das hörech nun schon das dritte oder vierte Mal.
ch finde Ihre Prognosefähigkeiten bewundernswürdig.ie wissen immer schon, wie das am Ende, nach Sekun-är- und Tertiäreffekten, irgendwo ankommt, bei denteuereinnahmen etwa, und was das für die Kalkulationes Bundeshaushalts heißt. Meine Antwort mit Blick aufie Vorsorgenotwendigkeiten – Vorsorge ist vor demintergrund einer abgeschwächten Konjunktur zu tref-en – lautet: Das Notwendige wird die Bundesregierungber die Eckpunkte festlegen, die sie ihren weiterenaushaltsplanungen zugrunde legt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008 18905
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Bundesminister Peer SteinbrückIch habe nach übereinstimmendem Urteil all derjeni-gen, auf deren Aussage man etwas hält – nicht derjeni-gen, die Extrempositionen, wie ich einmal sagenmöchte, einnehmen –, zusammen mit dem Bundeswirt-schaftsminister, mit dem Kollegen Glos, im Augenblickkeine Veranlassung, auch nicht im Lichte der Steuer-schätzung vom November, die für das Jahr 2009 zu-grunde gelegten Eckpunkte zu revidieren.
– Dann reden Sie mal mit einem Unverdächtigen! Siehaben offenbar den Eindruck, ich sei nur Propagandist ineigener Sache,
nach dem Motto – das würde ich ja noch gelten lassen –:Der redet nur pro domo. Reden Sie bitte mit dem Bun-desbankpräsidenten! Er hat seine Einschätzung im Kabi-nett vorgetragen. Reden Sie mit denjenigen, die im Sach-verständigenrat Verantwortung dafür haben! Ich kommejedenfalls zu dem nüchternen Urteil, dass das, was wirunseren Planungen zugrunde gelegt haben, die Aufre-gung, diese Spekulation auf Baisse, die bei Ihnen immereine Rolle spielt,
jedenfalls nicht rechtfertigt.
Ich habe ein schlüssiges, konzises, alternatives Fi-nanzkonzept weder von den Grünen noch von Ihnen ge-hört, das nicht nur Oppositionssemantik folgt, sondernauch einen Wirklichkeitstest bestehen würde.
Dass Sie einzelne Punkte angreifen, bei denen für IhreKritik gelegentlich gilt: „Touché!“, steht auf einem an-deren Blatt. Sie alle haben ja ein ausgeprägtes Urteils-vermögen. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aberein schlüssiges Gegenkonzept zu dem, was diese GroßeKoalition in Gang gesetzt hat, habe ich noch nicht vorge-legt bekommen.Sie fordern auf der einen Seite: „Mehr sparen!“, Siesagen dem Publikum aber nie, wo denn genau und wieviel.
– Nein, das sagen Sie nicht. Es tut mir leid, aber ich habein dieser Debatte nichts von Ihnen dazu gehört,
ob Sie die zusätzlichen Investitionen der Bundesregie-rung in Bildung, in Kinderbetreuung, in Forschung undEntwicklung, in Hochschulen, in Infrastruktur
zurücknehmen wollen, damit die Nettoneuverschuldungschneller zurückgeht, oder ob Sie der Meinung sind, dassdas eigentlich richtige Zukunftsinvestitionen sind. Ichhabe dazu nichts gehört.zddIwenIklJgwavhsgJufttgnmwbareWsiWl2akEMwidcrdndssnvl
Ich will einige Bemerkungen dazu machen, dass sichuf den Finanzmärkten zwischen meiner Einbringungs-ede vor drei Tagen und meiner heutigen Rede in der Tatine Entwicklung abgespielt hat, die zu Beginn dieseroche so überhaupt nicht vorherzusehen war. Ichtimme all denjenigen zu, die sagen, dass wir noch tiefern den Abgrund schauen, als wir es zu Beginn dieseroche taten. In Amerika hat es seit August/Septemberetzten Jahres – das muss man sich einmal vorstellen! –4 Schließungen, Zusammenbrüche und Übernahmenmerikanischer Banken im Zuge der Weltfinanzmarkt-rise gegeben. 24! Allein in den drei Tagen seit meinerinbringungsrede haben Themen wie die Zukunft vonerrill Lynch, Morgan Stanley, AIG und anderen – dasissen Sie alle – eine erhebliche Rolle gespielt. Es gingn der Tat darum, ein Krisenmanagement zu entwerfen,amit es nicht zu wirklich hochbrisanten und gefährli-hen Entwicklungen kommt.Ich will deshalb an dieser Stelle, ohne der Regie-ungserklärung vorzugreifen, die nach einer Verabre-ung der Bundesregierung mit den Koalitionsfraktionenächsten Donnerstag zu diesem Thema abgegeben wer-en wird, noch einmal zwei, drei Bemerkungen zu die-em Thema machen, um deutlich zu machen, wo wirtehen. Auf der einen Seite geht es um ein Krisenma-agement, und auf der anderen Seite geht es um die Prä-ention bzw. Vorsorge, damit sich solche Krisen mög-ichst nicht wiederholen.
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Bundesminister Peer SteinbrückDas augenblickliche Krisenmanagement hat nichtsmit dem zu tun, wonach ich gelegentlich immer wiedergefragt werde, nämlich: Was tust du denn jetzt mit Blickauf Bankenüberwachung, Eigenkapitalunterlegung undLiquiditätsstandards? Das Krisenmanagement wird viel-mehr vom Finanzministerium, von den Zentralbankenund von den Aufsichtsbehörden betrieben. Es ist derZeitpunkt gekommen, an dem, wie ich glaube, auch vondieser Stelle aus dem amerikanischen FinanzministerHank Paulson ein großer Dank dafür abgestattet werdenmuss, dass er mit seinem Krisenmanagement maßgeb-lich zur Stabilisierung der Finanzmärkte in den letztenWochen und Monaten beigetragen hat.
Wie Sie aus den Zeitungen wissen und wie wir direktvon den Amerikanern wissen, sind diese vor dem Hinter-grund, dass es keinen Sinn macht, von Einzelfall zu Ein-zelfall zu hecheln und jedes Mal wieder überrascht zuwerden, dabei, ein Gesamtkonzept zu organisieren. DieKonstruktion, die offenbar den beteiligten Partnerndurch den Kopf geht, basiert darauf, zu versuchen, alle,wenn man so will, notleidenden Kredite der betroffenenBanken zusammenzuführen und dann dieses Gesamtpa-ket zu managen. Diese Situation ist nicht ganz unbe-kannt. Eine ähnliche hat es, wie ich glaube, in den USAschon einmal in den 90er-Jahren gegeben.Es ist jetzt auch der Zeitpunkt, den beteiligten Zen-tralbanken weltweit zu danken, dass sie unmittelbar han-deln und rechtzeitig Liquidität bereitstellen.
Dabei erwähne ich maßgeblich auch die Bundesbank mitHerrn Weber an der Spitze. Es war wichtig, dass mandort handlungsfähig gewesen ist. Das ist Bestandteil desKrisenmanagements. Das erstreckt sich auch auf dieAufsichtsbehörden.Es wird niemanden von Ihnen wundern, dass ich andieser Stelle auch meinen Mitarbeitern im Bundes-finanzministerium danken möchte, die während Tele-fonkonferenzen aufgrund der Zeitdifferenz gegenüberden USA von sechs Stunden bis tief in die Nacht buch-stäblich in Abstimmungen gefangen genommen werden.Wenn die USA kurz vor Mitternacht eine Lösung herbei-führen wollen, weil diese mit Blick auf die Öffnung derBörsen in Asien wichtig ist, dann bedeutet das, dassmeine Leute um drei oder vier Uhr morgens bereitstehenmüssen. Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem mandarauf hinweisen muss, dass dieses Krisenmanagement– unbenommen der Dramatik, der Schwierigkeiten undder Detailfragen, die es dazu gibt, – bisher einigermaßengeklappt hat. Ich wünsche mir, dass es so bleibt.
Bei einem anderen Thema können wir dann, wenn wirvon Eigenkapitalunterlegung reden, nichts machen. Diesgilt zum Beispiel mit Blick auf die unsäglichen Produkte– Verbriefungen und strukturierten Produkte –, die alleaußerhalb der Bilanzen gehandelt wurden. Da nützt esgar nicht, mir die Antwort auf die Frage abzuverlangen:„tddäsvdcidWgmwhvls–wesdtAiwsfbmlswwahwKsAgtiuß
Es ist unvorstellbar, was in einem halben Jahr zusam-en mit den Anglo-Amerikanern auf den Weg gebrachturde. Das hätte ich vor einem Jahr für undenkbar ge-alten. Ich hoffe, dass der kleine bewertende Ausflugon Ludwig Stiegler hin zu den Engländern meine Mög-ichkeiten auf dem Londoner Parkett nicht weiter er-chwert.
Es konnten nicht alle mithören, aber ich will das nichtiederholen, weil das nur zusätzliche Aufmerksamkeitrregen würde. Ich hoffe, es ist niemand von der briti-chen Botschaft unter den Zuhörern.
Ich werde am Donnerstag eine Regierungserklärungazu abgeben. Einen Tag später werde ich die wichtigs-en Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft zu einemustausch einladen, nicht zu einem Krisengipfel, weilch denke, dass es im Lichte der jetzigen Ereignisse not-endig ist, dass sowohl Vertreter der Versicherungswirt-chaft als auch der Bankenwirtschaft mit dem Bundes-inanzminister zusammenkommen, um die Lage zueurteilen und um eine Bewertung vorzunehmen. Ichöchte mich durch sie auch auf die Termine vorbereitenassen, die ich im Oktober in Washington habe. Bei die-en Terminen geht es zum Beispiel darum, zu prüfen,as von dem 100-Tage-Programm umgesetzt wurde undie der Zwischenbericht des Financial Stability Forumsussieht.Ich komme zum Thema IKB. Ich will hier nicht aus-olen. Ich glaube, gestern ist den Mitgliedern des Ver-altungsrats und damit auch Frau Scheel und Herrnoppelin von unverdächtigen Vertretern wie zum Bei-piel von Herrn Börner und Herrn Müller, demufsichtsratvorsitzenden der Commerzbank, deutlichemacht worden, von welcher Bedeutung diese Ret-ungsaktion gewesen ist. Ich denke, darüber sollten wirrgendwann einmal Konsens erzielen, weil die Kostennd Risiken, die über ein Moratorium und eine anschlie-ende Insolvenz ausgelöst worden wären, ein Vielfaches
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Bundesminister Peer Steinbrückgrößer gewesen wären als das, was wir auf die Beine ge-stellt haben.
Zweitens. Ich wäre dankbar, wenn wir auch mit Blickauf die Wirkung auf das breite Publikum – auf die Bür-gerinnen und Bürger – nicht so schnell aus der Hüfteschießen würden, um den Beifall eines Nachmittags zubekommen oder um eine Attacke zu landen. Ich stellehier klar: Bei der IKB sind nicht 10,7 Milliarden EuroSteuergelder verbrannt worden. Herr Koppelin, nach dengestrigen Erläuterungen wäre ich sehr dankbar, wenn wirdavon Abstand nehmen könnten. Bisher sind 1,2 Milliar-den Euro Steuergelder drin. Das ist ein bedingt rückzahl-bares Darlehen des Bundes, von dem ich weiß, dass derBund das nicht zurückkriegt. Weiter ist eine Bürgschaftüber 600 Millionen Euro drin, wobei uns eine auswärtigeExpertise bestätigt, dass dieser Bürgschaftsfall wahr-scheinlich nicht eintreten wird. Weiterhin enthalten isteine Abschirmung in Höhe von 7,4 Milliarden Eurodurch die KfW selber, die maßgeblich durch das Auf-fressen des Risikofonds der KfW gespeist wird, den sieaus früheren Ergebnissen aufgefüllt hat. Das bedeutetnatürlich, dass die KfW diesen Fonds dann, wenn er leerist, aus zukünftigen Ergebnissen wieder auffüllen muss.Es findet auch in Bezug auf den erwarteten Kaufpreisder IKB eine Abschreibung statt.Das heißt, das berührt die ehemalige und die zukünf-tige Ergebniserzielung, damit auch Eigenkapitalpositio-nen der KfW und damit mögliche Verzinsungen, dieman darauf erhalten kann. Das sind aber keine Steuergel-der. Das sage ich mit einer gewissen Verzweiflung.
– Entschuldigen Sie bitte, die sind erzielt aus der Masse,aus den Aktivitäten, aus den Ergebnissen, aus den För-deraktivitäten der KfW.
– Ich bin doch gar nicht so weit entfernt. Aber wenn Siees genauso darstellen würden wie ich und ich käme dannzu derselben Konklusion wie Sie, Herr Fricke, wäre dasein Erkenntnisfortschritt.
Dass am Ende in einer weiteren Ableitung dadurchauch Steuerpositionen betroffen sind, will ich gar nichtin Abrede stellen. Keiner weiß übrigens, wann. Warum?Weil Risikoabschirmung und Wertberichtigungen nichtgleichzusetzen sind mit real eingetretenen Verlusten. Dastimmen wir doch sicherlich überein. Dann könnte ichan dieser Stelle abbrechen.
Dann hätten wir einen großen Fortschritt erzielt. Wennwir, weil das hochkomplex ist, versuchen würden, dasden Menschen zu erläutern, die das nicht wissen können–bfhgdnpHeedHddkgvwIgiibDidsoafhmhendnawSSiDad
Ich will auf andere Positionen von Frau Lötzsch garicht mehr eingehen. Das führt nur in die Irre. Was Ihreersönlichen Attacken gegen mich angeht, sage ich miterbert Wehner: Das ignoriere ich nicht einmal.
Ich will abschließend, weil die Zeit davonläuft, nochinen anderen Punkt aufgreifen, der in den ganzen Aus-inandersetzungen eine Rolle spielt. Das ist das Themaer Abzocke oder des – so die ewigen Zwischenrufe vonerrn Koppelin – Abkassierens. Vielleicht könnten wira auch zu dem Ergebnis kommen, dass das nicht mitem platten Vorwurf des Abkassierens abgetan werdenann. Die Belastungsquote der Bürgerinnen und Bür-er in der Bundesrepublik Deutschland im Zehnjahres-ergleich, bezogen auf dasselbe Einkommen, ist nach-eislich nicht gestiegen, sondern gesunken.
ch lasse allen Abgeordneten des Deutschen Bundesta-es die einschlägige Finanzstatistik in die Fächer legen;ch habe sie hier in meinen Unterlagen.Das heißt, die verschiedenen Steuerreformschritte,nsbesondere unter der Vorgängerregierung, haben dazueigetragen, dass sowohl bei den Singles, die übrigens ineutschland vergleichsweise schlechter gestellt sind alsn vielen anderen europäischen Ländern, als auch beien Verheirateten, die deutlich besser gestellt wordenind – die Familien auch über das Kindergeld –, zu be-bachten ist, dass es, gemessen am selben Einkommen –lso 25 000 Euro 1998, 25 000 Euro heute; das Gleicheür 30 000 und 35 000 Euro –, keine Abzocke gegebenat. Vielmehr erfahren die Menschen spürbar, dass sieit dem Nominalzuwachs teilweise in eine Progressionineinkommen, wo der von mir zitierte Staubsauger-ffekt vieles herauszieht, und dass es andere Effekte,icht aus der Steuer- und Abgabenpolitik, gegeben hat,ie das Portemonnaie tatsächlich geschmälert haben. Ei-er der Oppositionsredner hatte natürlich völlig recht,ls er gesagt hat: Die Menschen sehen nicht genau hin,as bedingt ist durch kommunale Gebühren, Abgaben,ozialversicherungsbeiträge, Steuern, Tankstellen- undupermarktpreise, sondern sie sagen: Verfluchte Kiste,ch habe weniger im Portemonnaie als vorher!
as ist mir klar. Aber dann lassen Sie uns doch auch sorgumentieren, damit wir richtige Schlussfolgerungenaraus ziehen können.
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Bundesminister Peer SteinbrückIn dem Zusammenhang macht es auch keinen Sinn, ineiner Rede – ich weiß nicht, ob von Herrn Westerwelleoder von einem anderen Redner – zu sagen, das seiendiverse Steuererhöhungen in der Zeit der Großen Ko-alition gewesen. Ich glaube, jemand hat die Zahl von19 Steuererhöhungen genannt. Das ist natürlich völligerUnsinn. Es hat die Mehrwertsteuererhöhung gegeben,gekoppelt daran die Erhöhung der Versicherungsteuer,und die dritte Steuererhöhung – mehr sind es nicht – istdie Erhöhung des Balkons für diejenigen, die 250 000 Euroals Single bzw. 500 000 Euro als Verheirateter verdie-nen; da ist die Steuer von 42 auf 45 Prozent hochgegan-gen. Jetzt können ja einmal alle aufstehen hier in diesemSaal, die als Single mehr als 250 000 Euro bzw. als Ver-heirateter mehr als 500 000 Euro verdienen. –
Keiner steht auf. Dann frage ich Sie: Wo ist das Pro-blem?
Das muss doch einmal ein bisschen entdramatisiert wer-den, dieser Kram, der da in die Welt hineingejagt wird.
– Wir wollen alle gerne da hin; allerdings soll da allesabkassiert werden. Das sind steuerliche Vorschläge. Dasist eigentlich aberwitzig.Frau Lötzsch, ein Argument sei mir noch im Zusam-menhang mit dem Satz: „Die Reichen zahlen keineSteuern“ gestattet: Dieser Herr L., der sich bei hellemLicht vor Feigheit vor dem Freund aus meinem Ministe-rium vom Acker gemacht hat – den Namen nehme ichgar nicht in den Mund –,
erklärt ja immer: Die Reichen in Deutschland zahlenkeine Steuern. – 25 Prozent der Steuerzahler, also dieje-nigen mit einem Einkommen im oberen Bereich, zahlenüber 80 Prozent der Steuern in Deutschland. Irgendwannmuss es Ihnen doch einmal auffallen, dass es diese Sta-tistik gibt.
Ich merke, dass ich zu leidenschaftlich für ein gutesSchlusswort – jedenfalls für ein staatstragendes – bin:Sie werden mich bei der abschließenden Lesung wiederhier erleben.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun die Kol-
legin Dr. Lötzsch.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenamen und Herren, ich werde versuchen, auf den Hass-usbruch von Herrn Steinbrück
egen meine Person sachlich zu reagieren. Er hat erklärt,ass er uns nicht einmal mehr ignorieren will, hat abereine Redezeit fast vollständig Angriffen auf meine Per-on und meine Partei gewidmet.Ich greife zwei Punkte auf, die Sie angesprochen ha-en, Herr Kollege Steinbrück. Der erste Punkt ist daselüge von den angeblich versteckten SED-Millionen.
ch denke, es muss klargestellt werden, dass Herrteinbrück wider besseres Wissen spricht. Es gab einenabhängige Kommission unter Leitung von Herrnapier, der bekanntermaßen kein Mitglied unserer Parteist. Es gibt notarielle Verträge zwischen dem Finanz-inisterium und unserer Partei. In diesen Verträgen sindlle Vermögens- und Rechtsverhältnisse eindeutig gere-elt.
ie wissen ganz genau, dass es auf Grundlage diesererträge eine Abtretung des Vermögens und eine Rück-bertragung von zwei Immobilien gab. Das wissen Sie;ber Sie versuchen, mit dieser Lüge von den SED-Mil-iarden auf billige Art und Weise Wählerstimmen zu fan-en. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Der zweite Punkt ist der gerne von Ihnen wiederholtechlachtruf „Stasi!“. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Herrteinbrück: Wir können uns sehr intensiv mit dieser The-atik befassen. Ich bin gerne bereit, auch mit Ihnen da-über zu diskutieren. In der Gedenkstätte Hohenschön-ausen war ich bestimmt schon öfter als Sie; aber daraufill ich jetzt gar nicht eingehen.Ich finde nur, dass es ein billiger Trick ist, immerann, wenn Sie in der Politik versagen, „Stasi!“ zu rufen.
as hilft weder den Menschen, deren Steuergelder Sieerschwenden, noch denjenigen, denen Sie den gesetz-ichen Mindestlohn verweigern. Das hilft auch nicht den,5 Millionen armen Kindern. Ich habe den Eindruck,ass die Menschen fast 20 Jahre nach dem Fall derauer auf diesen billigen „Stasi!“-Ruf nicht hereinfal-en.
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Dr. Gesine LötzschDann möchte ich noch hinzufügen: Überlegen Siedoch bitte einmal, welchen Beitrag Sie zur Aufarbei-tung und Bewältigung der deutschen Geschichte leis-ten und bei wem Sie die Verantwortung für die Ge-schichte abgeben. Ich glaube, Ihren Spruch, Sie wolltenuns noch nicht einmal ignorieren, haben Sie gründlichwiderlegt. Ich kann mich herzlich bedanken für die Auf-merksamkeit, die Sie uns gewidmet haben, und vor allenDingen für die Möglichkeit, die Dinge noch einmal klar-zustellen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Steffen Kampeter für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Bundesfinanzminister, Sie haben Aufmun-terung für Ihre Tätigkeit erbeten. Ich will für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklären, dass sowohl amDienstag als auch heute wesentliche Teile Ihrer Analyseund Schlussfolgerungen von uns vollumfänglich getra-gen wurden und werden. Sie sehen, dass der Vorsitzendeder CDU/CSU-Bundestagsfraktion extra zu Ihrer Redeins Plenum gekommen ist. Damit sehen Sie, welche Ehr-erbietung und Wertschätzung zumindest wir aus derUnionsfraktion Ihrer Arbeit zuteilwerden lassen.
Die Frage, die in dieser Debatte des Öfteren eineRolle gespielt hat, ist die nach dem sozialen Zusammen-hang, nach der sozialen Gerechtigkeit. Ich will das Ver-halten von Herrn Lafontaine in diesen Tagen aufgreifen.Er hat immer wieder Brandreden gegen den Kapitalis-mus gehalten. Heute Morgen habe ich ihn in einem In-terview über die Vorgänge im Zusammenhang mit derKfW gehört. Ich muss ganz ehrlich sagen: Offensicht-lich verwechselt er soziale Gerechtigkeit mit Selbstge-rechtigkeit und Rachegefühlen gegenüber seiner ehema-ligen Partei. Es ist doch ein unglaublicher Vorgang, dassein Parteivorsitzender, der in den Verwaltungsrat derKreditanstalt für Wiederaufbau gewählt wurde, gestern,als es um den Verkauf der IKB ging, nicht anwesendwar,
uns aber am folgenden Tag Ratschläge mit dem Tenorgibt: Hättet ihr auf mich gehört, wäre das alles nicht pas-siert. Das ist unglaublich selbstgefällig und selbstge-recht!
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Ich gewinne den Eindruck, dass der Linken gar keinozialer Staat vorschwebt, sondern der totale Staat: voner Wiege bis zur Bahre staatliche Fürsorge. Einen sol-hen Staat wollen wir nicht. Ein Sozialstaat, wie wir ihnerstehen, ist immer auch ein freiheitlicher Staat, der aufigenverantwortung und nicht auf staatliche Bevormun-ung setzt. Insofern ist es völlig richtig, dass Peerteinbrück Ihnen ein entmündigendes Gesellschafts- undenschenbild vorgeworfen hat.
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Steffen KampeterDiese Haushaltsdebatte war die ungewöhnlichste dervergangenen Jahre, weil sie von der Finanzmarkt-debatte überschattet war. Einige Anmerkungen zurFinanzsituation:Erste Anmerkung. Neben der sehr schwierigen Situa-tion will ich hier auch einmal ein paar positive Aspekteaufzeigen: Das deutsche Bankensystem ist weiterhinvoll funktionsfähig. Es zeigt sich, dass es klug war, nichtauf das angelsächsische Modell zu setzen. Unser diffe-renziertes, lokal verankertes Bankensystem, die vielenVolksbanken und Sparkassen, machen trotz der Finanz-krise sowohl für Unternehmen als auch für die privatenKunden einen tollen Job, und die Einlagen sind sicher.Das ist ein gutes Signal. Das muss an dieser Stelle ein-mal hervorgehoben werden.
Bei den privaten Sparkassen und Volksbanken gibt esvielleicht nicht wie bei den Investmentbanken Champag-ner, sondern Pils, wenn sie einen Empfang geben.
Auch das gehört zu unserem Gesellschaftsmodell: DieDezentralität der Finanzdienstleistungen hängt damit zu-sammen, dass die Banker ihre Kunden kennen und dassdie Kunden Vertrauen in ihr lokal verankertes Banken-system haben.
Meine zweite Anmerkung. Ich will ausdrücklich da-rauf hinweisen, dass ich anerkenne, dass in den vergan-genen Jahren die internationalen Krisenmanagement-und Informationsaustauschsysteme besser gewordensind.
Wir hätten diese Finanzkrise nicht so managen können,wenn wir in den vergangenen Jahren auf internationalerEbene nicht bessere Informationsaustauschsysteme ein-geführt hätten. Jede Weltbank- und IWF-Tagung hat sichin den vergangenen Jahren hiermit beschäftigt. Die No-tenbanken leisten einen tollen Job. Ich will Herrn Weberund allen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern undebenso den Mitarbeitern des Finanzministeriums aus-drücklich unseren großen Respekt dafür aussprechen,dass sie mit hohem Leistungseinsatz dafür sorgen, dassdie Finanzkrise in diesem Land zu nicht noch größerenVerwerfungen führt.
Dritte Anmerkung zur Finanzkrise. Wir müssen fest-stellen, dass öffentliche Anstalten wie die KfW nichtbesser oder schlauer sind als private Banken. Beide lei-den unter der Kreditkrise. Bisher waren wir der Auffas-sung, dass wir die öffentliche Anstalt nicht unter dievolle Aufsicht des Kreditwesengesetzes stellen müssen,
weil wir dachten, sie werde in Erfüllung des öffentlichenAuftrages verantwortungsvoller handeln als private Ban-ken.WnwBEDd–edtimspIm–hgeclzzs
ir müssen jetzt überlegen, ob diese Entscheidung heuteoch richtig ist, und überprüfen, ob es nicht sinnvolleräre, auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau der vollenankenaufsicht zu unterstellen.
s ist ein Mythos, dass öffentlich besser ist als privat.eswegen, glaube ich, müssen wir handeln.
Wir müssen – Kollege Stiegler ist bereits weg – je-och aufpassen
der britische Botschafter hat ihn wahrscheinlich schoninbestellt –,
ass wir nicht zusammen mit denjenigen aus dem priva-en Bereich, über die wir Aufsicht führen, selbstgerechtmmer auf die anderen zeigen. Das überzeugt nicht. Wirüssen vielmehr Selbstkritik üben und schauen, wo wirelber Verbesserungen schaffen können. Das ist auch fürolitisch Handelnde jetzt ein wichtiger Auftrag.
ch bin sicher, dass wir hier gemeinsam mit dem Finanz-inisterium zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Die Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriumsat in den vergangenen zehn Jahren dazu keinen Anlassesehen, Herr Kollege Fricke.Ich glaube aber, dass hier jetzt ein Diskussionsprozessinsetzen wird, der nach vorne führt.Meine vierte Anmerkung zu diesem Themenbereich.
Herr Kollege, bevor Sie diese vierte Anmerkung ma-
hen, muss ich Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zu-
assen.
Ich freue mich über jede Verlängerung meiner Rede-
eit, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Fricke, bitte sehr.
Herr Kollege Kampeter, es ist ja schön, dass Sie in-wischen zu der Erkenntnis kommen, die die FDP nuneit mehreren Jahren versucht, Ihnen näherzubringen,
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Otto Frickenämlich dass Sie den Bankensektor nicht in die gutenÖffentlichen, die man nicht so sehr kontrollieren muss,und die schlechten Privaten, die man genau kontrollierenmuss, unterteilen dürfen. Sie haben gesagt: Dazu gab esbisher keinen Anlass. Wollen Sie hier wirklich festhal-ten, dass es in den letzten Jahren, besondere seitens desRechnungshofs, keine wiederholten Hinweise darauf ge-geben hat, dass die KfW in der Frage, ob sie in der Lageist, die Risiken zu managen, die sie übernommen hat,völlig überfordert ist?
Herr Kollege Fricke, ich will jetzt über die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter der KfW kein so vernichtendes
Urteil fällen, wie Sie es ohne Kenntnis der Sachlage hier
vor dem Hohen Hause tun.
Richtig ist allerdings, dass uns die singulären Ereignisse
jetzt zum Nachdenken zwingen sollten. Ich glaube, dass
es am Ende dieses Prozesses keine Alternative dazu gibt,
dass innerhalb der KfW die gleichen Risikomanage-
mentsysteme wirken und wir sie der gleichen Banken-
aufsicht unterstellen müssen, wie wir dies seitens der
BaFin von jeder privaten Bank einfordern. Das ist unsere
Politik. Die KfW kann nicht von der Überprüfung frei-
gestellt werden, wie wir es bisher aufgrund des Förder-
auftrags getan haben, sondern sie muss im Rahmen der
Überprüfung ihren Förderauftrag als herausragende und
vorbildliche Förderbank erfüllen. Das ist die Zielsetzung
der Union, die wir in die Beratungen einbringen werden.
Meine vierte Anmerkung bezieht sich darauf, dass wir
als Parlamentarier für diese Vorgänge zu Hause in unse-
ren Wahlkreisen in die Pflicht genommen werden. Herr
Steinbrück, jeder will von uns wissen, warum wir so
blöd waren, zuzulassen, dass 10,3 Milliarden Euro hier
angeblich verbrannt worden sind. Sie haben richtigges-
tellt, dass das alles Übertreibungen sind; es sind Risiko-
positionen. Aber Parlamentarier sind nur bereit und in
der Lage, den Menschen daheim in den Wahlkreisen zu
erklären, was passiert ist, wenn sie ordentlich informiert
werden. Ich glaube, in der Vergangenheit war die Kom-
munikation zwischen der Exekutive und dem Parlament
nicht optimal. Wir brauchen ein neues Beteiligungsma-
nagement.
Wir können nicht akzeptieren, dass Verschwiegenheits-
pflichten des Aktienrechts verhindern, dass wir unter-
richtet werden. Wir müssen Formen der Kommunikation
finden, die sowohl der Bundeshaushaltsordnung als auch
dem Aktienrecht Genüge tun. Wir sind bereit, Entschei-
dungen mitzutragen, wenn auch die Regierung bereit ist,
uns angemessen zu unterrichten. Das, meine sehr verehr-
ten Damen und Herren, ist eine Grundvoraussetzung für
Vertrauen.
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Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Maßstab für die Solidität eines Haushalts ist daserhältnis zwischen den laufenden Einnahmen und denaufenden Ausgaben. Eigentlich müsste man in guteneiten etwas höhere Einnahmen haben, damit man fürchlechte Zeiten eine Reserve hat; das ist sozusagen § 1er Haushaltspolitik.
ber fast alle Bundesländer und der Bund verstoßen seitahrzehnten gegen diesen Grundsatz. Vor diesem Hinter-rund finde ich es gut, dass wir uns Gedanken darüberachen, wie wir im Grundgesetz Regelungen treffenönnen, um zu verhindern, dass Bund und Länder ge-einsam noch einmal 1,5 Billionen Euro Schulden auf-auen.Wenn wir uns die bisherige Entwicklung vor Augenühren, stellen wir fest, dass das strukturelle Defizit imahre 2005 – dieses Jahr hat eine besondere Bedeutung;enn es fand ein Regierungswechsel statt – bei knapp5 Milliarden Euro lag. Jetzt beträgt es nur noch knapp5 Milliarden Euro. Daran wird deutlich: Die Große Ko-lition war gerade bei der nachhaltigen Sanierung der öf-entlichen Finanzen sehr erfolgreich.
Wir haben ehrgeizige Ziele. Wir haben uns vorge-ommen, ab dem Jahre 2011 ohne neue Schulden auszu-ommen und das strukturelle Defizit bis 2012 abgebautu haben. Es liegt an uns, alles zu tun – und zwar nichtur auf der Einnahmeseite, sondern auch auf der Ausga-enseite –, um dieses Ziel zu erreichen. Ich finde esrima, dass sich alle Vertreter der Großen Koalition klaru diesem Ziel bekannt haben.Natürlich hat die internationale Finanzmarktkrise inieser Debatte eine große Rolle gespielt; das konnte garicht anders sein. Obwohl ich, wie jeder weiß, ein über-
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Otto Bernhardtzeugter Marktwirtschaftler bin, muss ich sagen: Wer dieDinge nüchtern betrachtet, den muss nachdenklich stim-men, dass ausgerechnet die beiden Länder, die für dieweitgehende Liberalität der Finanzmärkte eingetretensind, die Vereinigten Staaten und Großbritannien, heutedie größten Probleme haben. Das muss zumindest nach-denklich stimmen.Was die Situation in Deutschland angeht, muss mansagen: Sicherlich ist die Lage ernst. Es gibt aber über-haupt keinen Grund zur Panik. Der deutsche Finanz-markt ist mit den Problemen bis heute viel besser fertiggeworden als viele andere Volkswirtschaften.Es wäre zu einfach, zu sagen, das sei ein Erfolg unse-res Dreisäulensystems. Vielmehr gibt es drei Aspekte,die sehr wichtig sind:Auf den ersten Punkt hat mein Kollege Kampeterschon hingewiesen: Wir haben in Deutschland 1 500 imWesentlichen regional operierende Banken. Sie sindvom Volumen her in der Regel zu klein, um sich auf deminternationalen Finanzmarkt zu engagieren. Das bedeu-tet ein Stück Stabilität.Der zweite Punkt: Wir haben in Deutschland eineLangfristfinanzierungskultur; sie wird von der EUständig bedroht, aber wir verteidigen sie. Das heißt, werin Deutschland eine Immobilie finanziert, der wird in derRegel eine zehnjährige Zinsbindung wählen.
Die Zinsen können sich also nicht täglich ändern. Diesbringt Stabilität ins System. Dabei müssen wir bleiben.Es gibt einen dritten Punkt, bei dem wir auch aufpas-sen müssen, dass es so bleibt, nämlich unsere hervorra-genden Sicherungssysteme, und zwar Sicherungssys-teme, die von den entsprechenden Bankengruppengetragen werden. Deshalb kann man jedem sagen: DieMindestanforderung der EU, dass 20 000 Euro gesichertsind, haben wir in Deutschland weit mehr als erfüllt.Alle Privateinlagen sind durch die Sicherungsfonds gesi-chert. Ich höre, jeder Dritte denke darüber nach, seinGeld vom Konto abzuheben. Das ist in Deutschland abernicht erforderlich; denn wir haben die notwendigen Si-cherungssysteme.Ich verhehle nicht – das wird eine besondere Debatte,die wir wahrscheinlich nächsten Donnerstag führen wer-den, Herr Minister –, dass wir natürlich Probleme bei un-seren Landesbanken – der Ehrlichkeit halber müsste ichsagen: bei einigen Landesbanken – haben.
– Ich habe gesagt, bei einigen. Es gibt welche, bei denenes schlimm aussieht, und es gibt einige, bei denen esnicht so schlimm aussieht.
Wir sind unter dem Gesichtspunkt des Finanzmarktsnatürlich ein Stück gefordert, aber sonst nicht. Eigentü-mer sind die Länder und die Sparkassen.WbsdDbDraHZ11dshugBHÜmmDZlhdvZAdBNnDEsBm2
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Bernhardt hat mir gerade dieberleitung gegeben. Ich darf als letzter Redner noch-als auf den Haushalt im engeren Sinne zurückkom-en.
ieser ist quasi eine Bilanz der Großen Koalition für dieeit ihrer Verantwortung. Diese Bilanz kann sich sehenassen. Wir sind bei der Konsolidierung des Bundeshaus-altes sehr gut vorangekommen. Außerdem sind wir beier Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sehr gutorangekommen. Das hat auch niemand ernsthaft inweifel gezogen.
Die Zahlen sind vorhin schon genannt worden. Mitusgabevorschlägen haben Sie gleichzeitig den Beweisafür erbracht, dass Sie diese nicht in Zweifel ziehen. Zueginn der Arbeit der Großen Koalition hatten wir eineettoneuverschuldung des Bundes in der Größenord-ung von rund 40 Milliarden Euro und ein strukturellesefizit in der Größenordnung zwischen 55 Milliardenuro und 60 Milliarden Euro allein beim Bund. Das ge-amtstaatliche Budgetdefizit betrug 3,6 Prozent desruttoinlandsprodukts. Das gesamtstaatliche Defizitachte rund 80 Milliarden Euro aus. In den Jahren 2003,004, 2005 hatten wir erhebliche Probleme bei der Ein-
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Bartholomäus Kalbhaltung der Maastricht-Kriterien. Darauf brauche ichnicht weiter einzugehen.Wir haben es geschafft, die gesamtstaatliche Verschul-dung faktisch auf null herunterzufahren. Im Haushalts-entwurf ist eine Nettoneuverschuldung von 10,5 Milliar-den Euro vorgesehen. Herr Kollege Kampeter hat bereitsdarauf hingewiesen, dass wir Haushälter den Ehrgeiz ha-ben, die Neuverschuldung für das Jahr 2009 noch weiterabzusenken. Natürlich müssen wir auch – und ganz be-sonders jetzt – im Auge behalten, wie sich die Konjunk-tur weiter entwickelt, ob sich die Finanzmarktkrise aufunsere Realwirtschaft auswirkt.Es besteht Einigkeit in der Koalition, dass wir auf je-den Fall bis zum Jahre 2011 einen ausgeglichenen Bun-deshaushalt erreichen wollen. Der nächste Schritt istdann natürlich, weiter voranzukommen, auch das struk-turelle Defizit vollkommen abzubauen und Vorsorgedafür zu treffen, dass wir auch konjunkturell bedingteEinnahmeschwankungen ausgleichen können. Es ist jaschon gesagt worden: Der Bund will dahin kommen, woeinige Bundesländer, wie zum Beispiel Bayern, schonsind.
Dass wir bei der Sanierung der öffentlichen Haushalteso weit gekommen sind, ist eine ganz gewaltige und vonvielen nicht für möglich gehaltene Leistung. Dafürmussten wir schmerzhafte und unpopuläre Eingriffe zuBeginn dieser Großen Koalition vornehmen, und wir ha-ben sie auch vorgenommen. Davon profitieren nicht nurder Bundeshaushalt und die Menschen, die unmittelbarvom Bundeshaushalt betroffen sind, sondern auch dieübrigen Gebietskörperschaften – die Länder und dieKommunen – und die sozialen Sicherungssysteme. Vielewären bei ihren Konsolidierungsbemühungen und derStärkung der sozialen Sicherungssysteme nicht so weitvorangekommen, wenn wir die Verantwortung dafürnicht übernommen hätten.
Es besteht Einigkeit in der Koalition darüber, dass dieweitere Konsolidierung des Bundeshaushalts höchstePriorität hat. Das heißt, wir wollen im Jahre 2011 einenausgeglichenen Bundeshaushalt erreichen, das struktu-relle Defizit abbauen, Vorsorge für konjunkturelleSchwankungen betreiben und Spielräume schaffen, umdie Steuer- und Abgabenlast in den kommenden Jahrensenken zu können. Das ist notwendig, weil wir unserLand zukunftsfähig machen müssen. Dazu gehören na-türlich auch Leistungserhöhungen, zum Beispiel für dieBereiche Kinder und Familien sowie Bildung und For-schung, und – nicht zu vergessen – die Investitionen indie Infrastruktur.
Das hat nichts mit Versprechungen zu tun,
sondern das ist der notwendigen Aufgabe geschuldet,dass wir unser Land zukunftsfähig machen müssen. IchriGwrsDgmudtkEtthSbfDsntzIasGdmdslmhwwt
Zweitens müssen wir die sozialen Sicherungssystemerisenfest machen. Drittens müssen wir in die Bereicherziehung, Bildung, Forschung und Infrastruktur inves-ieren. Wir müssen die Leistungsfähigkeit und die Leis-ungsbereitschaft stärken.Auch ich weiß, dass niemand gerne Steuern zahlt. Da-er dürfen sich diejenigen, die Leistungen erbringen undteuern und Abgaben zahlen, nicht ungerecht und unfairehandelt sehen und als die Dummen der Nation begrei-en.
as gilt auch und besonders hinsichtlich der aktuell an-tehenden Änderung der Erbschaftsteuer. Ich kann jetzticht darauf eingehen.Diejenigen, die sehr wohl für sich selber sorgen könn-en, aber darauf spezialisiert sind, die Vorzüge des So-ialstaates auszunutzen, dürfen nicht als die besondersntelligenten und Cleveren gelten. Dann können nämlichuch diejenigen, die auf die Hilfe des Staates angewie-en sind, weil sie sich nicht selber helfen können, gutenewissens und hoch erhobenen Hauptes auf die Hilfees Staates vertrauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insgesamtüssen wir solche Bedingungen schaffen, dass nicht nuriejenigen, die unsere Sozialsysteme zu schätzen wissen,agen: Herr, hier ist es gut sein. – Auch diejenigen, dieeistungswillig, leistungsfähig und leistungsbereit sind,üssen zu dem Ergebnis kommen: Hier, in diesem Land,aben wir Zukunft, hier sehen wir unsere Zukunft, hierollen wir sein, hier wollen wir schaffen, hier wollenir arbeiten, hier wollen wir auch unsere Zukunft gestal-en.
Metadaten/Kopzeile:
18914 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. September 2008
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Bartholomäus Kalb
Besonders an die linke Seite des Hauses sei gesagt:
Neid zu schüren und Neidgefühle zu bedienen,
ist nicht geeignet, unser Land zukunftsfähig zu machen.Wir werden den Haushaltsentwurf für das Jahr 2009im Haushaltsausschuss mit größter Sorgfalt beraten unddann, wie es der Finanzminister schon angekündigt hat,im November im Plenum zur Schlussberatung undSchlussabstimmung vorlegen. Ich gehe davon aus, dasswir in den Koalitionsfraktionen in Zusammenarbeit mitdem Bundesfinanzminister ein gutes Beratungsergebniserzielen werden.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Entwurfs des
Haushaltsgesetzes 2009 und des Finanzplans des
Bundes 2008 bis 2012 auf den Drucksachen 16/9900
und 16/9901 an den Haushaltsausschuss vorgeschla-
gen. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 24. September 2008, 13 Uhr,
ein.
Ich wünsche Ihnen ein schönes, angenehmes Wochen-
ende und schließe die Sitzung.