Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksache 11/1842 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Geldern zur Verfügung.
Die Frage 75 des Abgeordneten Austermann wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Pfuhl auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung der hessischen Landwirtschaftsministerin, daß der Anbau von Soja bzw. tropischer Gewächse wie Maniok in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist und die Zukunftschancen der Landwirtschaft verbessern könnte?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Pfuhl, Ihre Frage geht offensichtlich auf eine in verschiedenen Zeitungen verbreitete Pressemeldung zurück, in der eine Äußerung von Frau Ministerin Reichhardt falsch wiedergegeben worden ist. Nach Auskunft des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz hat sich Frau Ministerin Reichhardt nicht zum Anbau von Soja und Maniok geäußert.
Sie hat sich vielmehr dafür ausgesprochen, die Verwendung von importierten Futtermitteln, wie Sojaschrot und Tapiokamehl, einzuschränken und dafür Futtermittel einzusetzen, die aus einheimischem Anbau stammen. Die Bundesregierung stimmt dieser — jetzt richtig wiedergegebenen — Äußerung von Frau Ministerin Reichhardt zu.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.
Herr Staatssekretär, das heißt also, daß wir ein für allemal feststellen, daß wir Maniok und auch Soja in der Bundesrepublik auf Grund der klimatischen Bedingungen nicht anbauen können?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Das heißt es in dieser Entschiedenheit, Herr Kollege Pfuhl, nicht. In klimatisch besonders begünstigten Regionen, etwa im Oberrheingraben, werden zur Zeit Anbauversuche mit Soja durchgeführt. Hier bleibt abzuwarten, welche mehrjährigen Ergebnisse diese Versuche bringen werden. Auf längere Sicht kann durchaus damit gerechnet werden, daß pflanzenzüchterische Bemühungen zu Sorten führen werden, die eine Nordverlagerung der Anbaugrenze der Sojabohne ermöglichen, vergleichbar, Herr Kollege Pfuhl, etwa der Entwicklung des Maisanbaus in den letzten 30 Jahren.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Kreuzeder auf. — Er ist nicht im Raum. Die Frage wird nicht beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Frau Abgeordneten Unruh auf :
War der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit der Stand der Gesetzgebungsarbeit im eigenen Hause nicht bekannt, oder weiche anderen Gründe lagen vor, daß sie die bereits im Oktober 1987 gestellte Frage nach dem konkreten Stand der Novellierung des Heimgesetzes am 11. Dezember 1987 mit dem Allgemeinplatz beantwortete, „die Novellierung zügig zu betreiben", obwohl bereits am 28. Dezember 1987 ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet wurde?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Unruh, die von Ihnen zitierte Antwort der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit gab den damaligen Stand der laufenden Novellierung des Heimgesetzes zutreffend wieder. Darin hieß es einleitend: „Gegenwärtig wird ein erster Entwurf zur Novellierung des Heimgesetzes überarbeitet. " Das Ergebnis dieser Überarbeitung war der von Ihnen angesprochene Entwurf, ein Diskussionsentwurf, der am 28. Dezember 1987 den Beteiligten zur Stellungnahme zugesandt wurde. Der in der Antwort der Ministerin ebenfalls enthaltene Hinweis, die
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4130 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Parl. Staatssekretär PfeiferBundesregierung wolle die Novellierung zügig betreiben, unterstreicht die Intensität der Bemühungen der Bundesregierung um diese Novelle.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Können Sie mir bitte sagen, nach welchen Kriterien diese Diskussionsentwürfe von Ihnen hinausgeschickt werden? Zum Beispiel hat der Seniorenschutzbund „Graue Panther" den Entwurf nicht bekommen, und auch ich als Bundestagsabgeordnete habe ihn nicht, obwohl ich Sie angeschrieben hatte.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin gern bereit, Ihnen diesen Diskussionsentwurf zur Verfügung zu stellen. Ich habe jetzt keine Liste aller Organisationen hier, die den Diskussionsentwurf bekommen haben. Aber wenn Sie den Wunsch haben, daß noch weitere Organisationen diesen Diskussionsentwurf bekommen, steht dem nichts im Wege.
Eine zweite Zusatzfrage.
Dann hätte ich gern gewußt, wo die Unterschiede zwischen den Vorstellungen des Justizministers und der Familienministerin liegen. Das ist ja genügend durch die Presse gegangen.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Diese Frage wollte ich eigentlich im Zusammenhang mit Ihrer zweiten Frage beantworten, aber ich kann es auch an dieser Stelle tun.
Kann ich Ihre zweite Frage vielleicht mit aufrufen, Frau Kollegin?
Ja. Aber ich habe dann noch zwei Zusatzfragen.
Dann haben Sie noch die Möglichkeit zu weiteren Fragen; natürlich. Sie erhalten zunächst die Antwort auf Ihre Frage 4, die ich jetzt aufrufe:
Inwieweit sieht die Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit in dem Novellierungsentwurf, der weder eine Verbesserung der Heimaufsicht noch eine Erweiterung der Mitspracherechte der Heimbewohner vorsieht, die ansonsten von ihr propagierte Stärkung der Rechte der Betroffenen gewährleistet?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Der Diskussionsentwurf einer Novelle zum Heimgesetz enthält eine Vielzahl von Änderungen und Ergänzungen, die eine Verbesserung der Situation in den Heimen zum Ziel haben. Es wäre dem Rahmen der Fragestunde nicht angemessen, wenn ich diese Punkte hier im einzelnen vortragen würde. Durch die Novellierung soll aber vor allem die rechtliche Stellung der Heimbewohner wesentlich gestärkt werden. Im übrigen wird auf Grund der noch ausstehenden Stellungnahmen der Beteiligten zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls welche weiteren Änderungen des Gesetzes geboten sind.
Nun zu der Frage der Haltung des Bundesjustizministers. Wie Sie wissen, hat der Bundesminister der Justiz gerade die Frage der Mitwirkung oder Mitbestimmung angesprochen. Dieser Komplex wird Gegenstand der noch anstehenden Ressortbesprechung sein. Die Bundesregierung wird sich hierbei davon leiten lassen, daß die Mitwirkung der Heimbewohner so weit wie möglich ausgebaut wird. Dabei sollte es entscheidend darauf ankommen, die Beteiligungsrechte so zu gestalten, daß sie von den Heimbewohnern in der Praxis realisiert werden können. Ziel muß sein, daß sich die Bewohner in den Heimen nicht verwaltet fühlen, sondern als mündige Bürger ihre Persönlichkeit frei entfalten und ihr Leben im Heim weitgehend mitgestalten können.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Warum haben Sie dann in dem Entwurf für den Fall, daß kein Heimbeirat von den Betroffenen gewählt werden kann, die obrigkeitliche Ernennung eines sogenannten Heimfürsprechers vorgesehen, statt in den Heimbeirat z. B. Angehörige, Vertrauenspersonen oder andere zu delegieren?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Unruh, die Bestellung eines Heimfürsprechers in den Fällen, in denen die Bildung eines Heimbeirats nicht möglich ist, ist ein Vorschlag, der jetzt zur Diskussion gestellt worden ist. Das bedeutet nicht, daß wir gegenüber anderen — möglicherweise besseren — Vorschlägen nicht offen wären. Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, daß wir nach Eingang der Stellungnahmen im einzelnen prüfen werden, ob und gegebenenfalls welche weiteren Änderungen am Heimgesetz notwendig sind.
Bitte sehr, Sie haben noch eine Frage.
Wie gedenkt das Ministerium künftige Mißbräuche der Heimaufsicht zu verhindern, die dadurch entstehen können, daß Träger der Heimaufsicht und Heimträger personell identisch sind?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Unruh, die Ausübung der Heimaufsicht obliegt den zuständigen Behörden, die von den Ländern für die Durchführung des Gesetzes bestimmt sind. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das Instrumentarium der bisherigen gesetzlichen Regelungen hier ausreicht. Wo Mängel in der Überwachung bestehen, ist es Aufgabe der Länder, dieses Instrumentarium auszuschöpfen und die Mängel abzustellen. Ich füge aber hinzu, daß auch hierüber im Zusammenhang mit der Novellierung nochmals im einzelnen diskutiert werden kann.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:Aus welchem Grund wird nach Meinung der Bundesregierung der Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaft KOM 46 vom 13. Februar 1987 nicht weiter verfolgt, um endlich die Verbraucher durch Regelung der gesundheitli-
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Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4131
Vizepräsident Frau Rengerchen Fragen bei der Herstellung und Vermarktung von Eiprodukten zu schützen und einen vernünftigen Wettbewerb innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu gewährleisten?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, der Richtlinienvorschlag zur Regelung der gesundheitlichen Fragen bei der Herstellung und Vermarktung von Eiprodukten ist in der Aufstellung des Agrarrats über die alsbald zu behandelnden Vorhaben aufgeführt und genießt nach Auffassung der Bundesregierung Priorität. Die Bundesregierung wird deshalb die deutsche Präsidentschaft in der EG nutzen, um den Richtlinienvorschlag in der betreffenden Ratsgruppe zur Beratung zu bringen, sobald die Terminlage in Brüssel es zuläßt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Was hat denn eigentlich daran gehindert, Herr Staatssekretär, die Vorlage vom 13. Februar 1987 schon längst zu beraten, zumal da hier ja eine Wettbewerbsverzerrung besteht und vor allem der Verbraucherschutz, der Schutz der Eiprodukteindustrie und der Schutz der Landwirtschaft gegen Wettbewerbsverzerrungen eine entscheidende Rolle spielen? Insbesondere gilt das für den Verbraucherschutz. Sie kennen die damaligen Skandale mit belgischen Eiprodukten. Daß sich so etwas nicht wiederholen kann, ist ja wohl in unser aller Interesse.
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, Sie wissen, daß die Bundesregierung diesem Richtlinienvorschlag auch in der Vergangenheit immer Priorität zugemessen hat, genauso wie der Bundestag und der Bundesrat in Beschlüssen zu diesem Richtlinienvorschlag. Leider ist es aber so, daß andere Mitgliedstaaten an einer vordringlichen Beratung nicht interessiert waren. Gerade deshalb wollen wir ja jetzt die deutsche Präsidentschaft nutzen, um die Beratung voranzubringen.
Weitere Zusatzfrage.
Wie sehen Sie die Chance, daß nach einer Initiative der deutschen Präsidentschaft diese Verordnung beraten wird und innerhalb einer einigermaßen annehmbaren Frist zum Abschluß kommt?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Das wird unser Bemühen sein.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Herr Staatssekretär, wenn die Zeit vom 13. Februar bis zum 31. Dezember 1987 nicht ausgereicht hat, um dieses Vorhaben in Gang zu bringen, wie will die Bundesregierung gewährleisten, das in den sechs Monaten ihrer Präsidentschaft auf den Weg zu bringen?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Zunächst einmal wird entscheidend sein, daß das überhaupt auf die Tagesordnung des Rates gesetzt wird. Ich habe soeben in der Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Eigen
gesagt: Genau dies wird unser Bemühen sein. Wir werden uns dann auch darum bemühen, daß die Dinge möglichst noch in unserer Präsidentschaft zu einem Ergebnis kommen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, steht die deutsche Präsidentschaft nicht noch vor so vielen anderen ungelegten Eiern, daß diese ungelegten Eier zu kurz kommen werden?
Pfeifer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Bundesrat haben aus den von Herrn Kollegen Eigen dargelegten Gründen diesem Vorhaben mit Recht eine hohe Priorität gegeben. Ich hoffe, daß das am Ende unserer Präsidentschaft nicht mehr zu den ungelegten Eiern gehört.
Da geht es wahrscheinlich um große und kleine.
— Und faule auch noch.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Welche Firmen in der Bundesrepublik Deutschland haben eine Erlaubnis, die Beseitigung ihrer chemischen Abfälle durch die Verbrennung auf See durchzuführen, und wann laufen diese Genehmigungsbescheide aus?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, das Deutsche Hydrographische Institut hat zwei großen Chemieunternehmen und einer Abfallsammelfirma aus der Bundesrepublik Deutschland eine Erlaubnis zur Verbrennung von Abfallstoffen mit dem unter deutscher Flagge fahrenden Verbrennungsschiff „Vesta" auf hoher See erteilt. Die derzeit erteilten Erlaubnisse laufen am 30. September 1988 aus.
Deutsche Abfallstoffe werden außerdem auf dem unter liberianischer Flagge fahrenden Verbrennungsschiff „Vulcanus" verbrannt. Hierfür sind keine Erlaubnisse des Deutschen Hydrographischen Instituts, sondern der zuständigen belgischen Behörde erforderlich.
Zusatzfrage, Frau Blunck.
Ich würde gerne wissen wollen: Sind das alle Genehmigungen, die erteilt worden sind, oder gibt es noch Genehmigungen von irgendwelchen Ländern, die eventuell da sind, die Sie jetzt aber nicht genannt haben?
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Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich kann mir nicht vorstellen, daß es noch zusätzliche Genehmigungen gibt. Ich gehe aber, Frau Kollegin, dieser Frage gerne noch einmal nach.
Weitere Zusatzfrage.
Ist es möglich, daß ich die Chemiewerke schriftlich benannt bekomme?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe die Namen; wahrscheinlich kennen auch Sie die Namen. Mir wurde aber ausdrücklich aufgeschrieben, ich solle aus Gründen des Datenschutzes davon absehen, die Namen zu nennen.
Ich rufe die Frage 7 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Wird von den zuständigen Behörden auch dann eine Genehmigung zur Abfallverbrennung auf See erteilt, wenn in den zu verbrennenden Stoffen polychlorierte Biphenyle enthalten sind oder nachweislich durch die Verbrennung Dioxine oder Furane freigesetzt werden, und wie bewertet die Bundesregierung dies im Hinblick auf die Gefährdung der Nordsee?
Bitte.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, das Deutsche Hydrographische Institut hat bisher die Verbrennung von Abfallstoffen auf dem deutschen Verbrennungsschiff „Vesta" mit einem PCB-Gehalt bis zu einem Grenzwert von 5 mg/kg gestattet.
Das Deutsche Hydrographische Institut nimmt bei Abfällen, die von dem unter der Bundesflagge fahrenden Verbrennungsschiff „Vesta" verbrannt werden sollen, regelmäßig Proben, die von unabhängigen Sachverständigen analysiert werden. Während bei diesen Analysen nach der sogenannten DIN/LAGAMethode der PCB-Anteil weniger als 5 mg/kg beträgt, sind nach der neuerdings angewandten sogenannten Isomerengruppen-Bestimmung im Einzelfall bei ausländischen Abfällen Werte von bis zu 329 mg/kg ermittelt worden.
Eine für diese Abfälle erteilte Erlaubnis hat das Deutsche Hydrographische Institut vorsorglich widerrufen. Hiergegen ist Widerspruch eingelegt worden. Bis zur endgültigen Klärung wird gegenwärtig ein Grenzwert von 5 mg pro kg nach der DIN/LAGA-
Methode und 50 mg pro kg nach der Isomerengruppen-Bestimmung zugelassen.
Durch die Verbrennung dieser Abfallstoffe werden nach derzeitigem Kenntnisstand keine Dioxine oder Furane freigesetzt, die die Nordsee gefährden.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Haben Sie dies auch im Hinblick auf den Optionsplan untersucht, den wir als Bundesrepublik Deutschland bei der Internationalen Nordseeschutzkonferenz unterschrieben haben, und wie sind dort Ihre Vorstellungen, bis wann die Genehmigungen insgesamt auslaufen sollen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Sie kennen die Beschlüsse der Nordseeschutzkonferenz: Bis zum 1. Januar 1991 soll die Verbrennungsmenge insgesamt um 65 % reduziert werden, und bis zum 31. Dezember 1994 soll die Verbrennung auf hoher See ganz
eingestellt werden; in meiner schriftlichen Unterlage heißt es sogar: wird eingestellt. Eine der vorher genannten, apostrophierten Chemiefirmen wird noch in diesem Jahr eine eigene Anlage fertigstellen.
Zusatzfrage, Frau Blunck.
Die Beschlüsse der Nordseeschutzkonferenz sind mir bekannt. Nur, ist das die Absichtserklärung, die irgendwann einmal in einen konkreten Plan umgesetzt werden soll? Dahin ging meine Frage: Wie sieht dieser konkrete Plan aus? Welche Schritte sind vorgesehen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, an dieser Stelle haben Sie möglicherweise den falschen Gesprächspartner. Sie wissen — jetzt muß ich über ein anderes Ressort berichten —, daß die Beseitigung von Abfall Sache der Länder ist. Wir als Verkehrsministerium sind eigentlich nur deswegen dabei, weil das Deutsche Hydrographische Institut zu unserer nachgeordneten Behörde gemacht wurde.
Es ist also denkbar, daß die Länder solche Beseitigungsanlagen errichten oder errichten lassen. Sie haben dafür konkrete Pläne. Diese liegen mir im Augenblick zwar nicht vor, ich könnte sie Ihnen aber besorgen. Ich weiß, daß hier sehr viel Reservekapazität vorgesehen ist, weil wie überall bei solchen Anlagen auch Schwierigkeiten in der Realisierung von Plänen erwartet werden.
Herr Dr. Sperling hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß durch die Verbrennungen keine Dioxine und Furane freigesetzt werden, die die Nordsee gefährden. Ichwürde gerne wissen, ob keine freigesetzt werden oder ob die freigesetzten etwas anderes als die Nordsee gefährden.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, als ich das, wonach Sie jetzt fragen, vorgetragen habe, hatte ich für mich selber denselben Einwand. Aus einem anderen Absatz ergibt sich allerdings, daß nichts dergleichen freigesetzt wird.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Garbe.
Herr Staatssekretär, wenn die Verbrennungen um bis zu 65 % reduziert werden sollen, gehen dann automatisch auch die Genehmigungen zurück? Nehmen Sie diese dann sofort zurück? Oder wie geht das?Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich mußte mich, Frau Präsidentin, da wir ein anderes Gebiet mitberühren, auf die Fragestunde sehr intensiv vorbereiten. Mir wurde gesagt, daß zunächst einmal das Deutsche Hydrographische Institut nur deswegen beteiligt ist, weil beantragt wird, auf der Nordsee zu verbrennen. Würde dies an Land gemacht, wären wir überhaupt nicht dabei.Jetzt kommen die Pläne, nach denen die Frau Kollegin Blunck vorher gefragt hat. Wenn diese Pläne
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Parl. Staatssekretär Dr. Schulterealisiert werden können, dann — das ist sicherlich das Bestreben des Umweltministers — , können diese Pläne vorgezogen werden, dann muß dieser Termin in bezug auf den langen Zeitablauf gar nicht eingehalten werden.
Herr Abgeordneter Andres, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorgetragen, daß das Deutsche Hydrographische Institut Proben nimmt. Ich hätte gern gewußt, in welchen Zeitabständen und wo diese Proben genommen werden.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das muß ich Ihnen nachliefern.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf.
Wie viele öffentliche und private Mittel werden jährlich für Forschungszwecke im Bereich des Individualverkehrs und des Autos aufgewandt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, Forschung im Bereich des Individualverkehrs und des Autos wird in erster Linie von der Industrie betrieben. Über deren Forschungsausgaben liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Auch über die entsprechenden Ausgaben von Ländern und Gemeinden gibt es keine Angaben.
Im Bereich des Bundes erfolgt eine Förderung in erster Linie durch den Bundesminister für Forschung und Technologie. Außerdem werden in den Geschäftsbereichen der Bundesminister für Verkehr, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Untersuchungen für den Individualverkehr durchgeführt.
In den entsprechenden Einzelplänen des Bundeshaushalts — Einzelplan 12, Einzelplan 30, Einzelplan 16 und Einzelplan 25 — sind insoweit Forschungsmittel im Sinne Ihrer Fragestellung in Höhe von ca. 46 Millionen DM vorgesehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, da rund 80 % der Personentransportkilometer in unserem Lande umweltbelastend mit dem Auto im Individualverkehr zurückgelegt werden, wäre es doch sinnvoll, an eine dichtere und bessere Nutzung der mit etwa 1,2 Personen besetzten Blechkisten zu denken. Würde es sich nicht lohnen, ein bißchen mehr Mittel für die Forschung darüber auszugeben, wie man zu einer intensiveren Nutzung unserer Automobile kommen kann, um damit die Zahl der gefahrenen Wagen erheblich zu reduzieren?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß es nicht die Aufgabe des Bundes ist, Autotechnologie zu fördern; das machen die Firmen selber. Wo der Bund Geld ausgibt, da geht es gerade um die negativen Auswirkungen des Individualverkehrs. Es geht um das Ziel, diese Auswirkungen zu mindern. Einen Schwerpunkt bildet dabei der Systemgedanke,
den knapper werdenden Straßenraum — so haben Sie ja auch gefragt — intelligenter als bisher zu nutzen. Außerdem spielen die Sicherheit und die Umweltverträglichkeit bei diesen Fördermaßnahmen eine große Rolle.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, wenn man den knappen Straßenraum intelligenter nutzen will, dann geht es nicht um Autotechnologie, sondern um Autoverwendungstechnologie, d. h. die Nutzung von Computern zur Herstellung von möglichst vielen Fahrgemeinschaften. Da erhebt sich die Frage, ob man nicht doch größere Versuche aus Bundessicht fördern sollte, weil ja alle Umweltprobleme nun leider in der Fläche streuen und sich nicht auf Gemeinde- oder Ländergrenzen festlegen lassen.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich halte einen weiteren Ausbau dieser Förderung für wünschenswert. Wir werden uns auch entsprechend bemühen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sellin.
Herr Staatssekretär, es ist schon erstaunlich, daß Ihnen die Ausgaben der deutschen Automobilindustrie für Forschungszwecke nicht bekannt sind. Heißt das mit anderen Worten, daß die Bundesregierung eine Verkehrspolitik macht, die sich an die Mengen von Autos, die zugelassen werden, anpaßt, und die Infrastruktur dementsprechend bereitstellt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, dieser Schluß ist nicht zulässig.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, halten Sie es z. B. für möglich, daß Ihr Haus, sei es im Rahmen eines Forschungsvorhabens oder im Rahmen eines Modellversuchs, einmal untersuchen läßt, wie man durch die Bereitstellung von Parkplätzen in der Nähe von Autobahnauffahrten die Möglichkeit für Fernpendler schafft, mehr als bisher Fahrgemeinschaften zu bilden?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir sind an diesem Projekt dran. Es gibt allerdings im Augenblick noch einige rechtliche Schranken. Ich persönlich bin hinter diesem Projekt schwer hinterher.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf:Wie viele öffentliche und private Mittel werden jährlich für Forschungszwecke im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs, insbesondere für schienengebundene Verkehrsmittel, aufgewandt?Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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4134 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, hinsichtlich der privaten Forschung verweise ich zunächst auf die Antwort zu Frage 8.Im Bereich des Bundes erfolgt eine Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs durch die Bundesministerien für Verkehr, für Forschung und Technologie, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, also wie vorher bei der anderen Frage gehabt.Im Bundeshaushalt sind hierfür insgesamt ca. 48 Millionen DM vorgesehen, davon für schienengebundene Verkehrsmittel ca. 20 Millionen DM.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, vermuten Sie, daß in diesen Bereich viele private Mittel fließen?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es fließen in diesen Bereich nach unser aller Schätzung sicher weniger Mittel als in die Forschung für den Pkw. Wir müssen allerdings davon ausgehen, daß die Omnibushersteller an Systemen arbeiten, die es ermöglichen sollen, daß der Omnibus auch in den Kernen der Großstädte besser verkehren und eine größere Umlaufgeschwindigkeit erzielen kann. Ich muß die Firmen dazu nicht nennen; Sie kennen sie.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß sicher in den in der Frage 8 erwähnten Forschungsmitteln für den Individualverkehr eine ungeheure Menge privater Mittel steckt: Glauben Sie nicht, daß es ein ausgesprochenes Mißverhältnis in der Aufwendung von Forschungsmitteln für öffentlichen Nahverkehr und für Individualverkehr gibt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir haben eine Reihe von Projekten, eine Reihe von Modellvorhaben, die zum Teil aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gespeist werden. Es liegt im Augenblick nichts an Forderungen auf dem Tisch, die das, was ich in der Theorie ebenfalls so auffassen würde, konkret untermauern würden. Wenn Sie aber ein konkretes Projekt oder einen konkreten Gedanken haben, bin ich gerne bereit, dem nachzugehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, sehen Sie auch Möglichkeiten, daß man den Städten und Gemeinden, den Landkreisen oder den regionalen Institutionen finanzielle Hilfen zur Umsetzung von Erkenntnissen gibt, die aus solchen Forschungsvorhaben bisher angefallen sind?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Es gibt bisher die Möglichkeit, daß der Bund solche Modellvorhaben fördert. Ich habe das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz genannt. Wir können aber nach der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern als Bund nicht weiter in diese Materie einsteigen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Herr Staatssekretär, können Sie sich angesichts der sicherlich vorhandenen Diskrepanz politische oder gesetzgeberische Maßnahmen vorstellen, die dazu führen würden, Forschungsmittel für Individualverkehr in Richtung öffentlicher Personennahverkehr umzulenken?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorher gesagt, Herr Kollege, daß nichts an konkreten Anträgen auf Forschungsförderung in diesem Bereich vorliegt oder rechtlich machbar ist. Wenn wir mit dem Bundesminister der Finanzen verhandeln, wird er sofort fragen: Habt ihr ein konkretes Projekt? — Das heißt also, wir sollten uns da nicht über Theorie unterhalten, sondern über konkrete Praxis.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sellin.
Herr Staatssekretär, betreibt die Bundesregierung in ihrer Politik Bevorzugung des individualen Verkehrs mit dem Pkw, oder betreibt die Bundesregierung Bevorzugung des öffentlichen Nahverkehrs?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir haben mehrfach — in Regierungserklärungen und in Verkehrsdebatten — in diesem Haus zum Ausdruck gebracht, daß wir alle Verkehrsmittel nutzen wollen, jedes an seinem Platz.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Das Problem ist ja die Auslastung des öffentlichen Personennahverkehrs, schienengebunden und anderer Art, und die Abstimmung aufeinander. Ist Ihnen bekannt, ob es hier Forschungsvorhaben gibt? Wenn ja: Sind die privater oder öffentlicher Natur? Und sehen Sie hier einen Handlungsbedarf für die Bundesregierung?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Wir haben eine ganze Reihe von Modellvorhaben in verschiedenen Räumen von der Großstadt bis hin zu ganz schwach besiedelten Landkreisen. Das, was Sie abfragen, ist auch Teil der Untersuchungen. Ich kann Ihnen auch eine Reihe von Vorhaben nennen: Das geht vom Bodenseekreis bis nach Lübeck, es geht von Wunsiedel in Ostbayern bis ins Saarland.
Dann rufe ich die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Pfuhl auf:Ist die Bundesregierung bereit, gemäß den Anträgen der Kommunen und der Wirtschaft, zwischen den Autobahnanschlüssen Homburg/Efze und Melsungen einen weiteren Autobahnanschluß in Höhe des Ortsteils Ostheim der Großgemeinde Maisfeld an der A 7 vorzusehen?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag für eine
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4135
Parl. Staatssekretär Dr. Schultezusätzliche Anschlußstelle an der A 7 im Bereich Ostheim vor. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer neuen Anschlußstelle läßt sich erst beurteilen, wenn von der hessischen Straßenbauverwaltung entsprechende Untersuchungen hierzu abgeschlossen sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfuhl.
Herr Staatssekretär, das heißt also, daß der hessische Minister für Wirtschaft und Technik bisher keinen Antrag dergestalt an die Bundesregierung gestellt hat?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Das habe ich gerade in meiner ersten Antwort gesagt: ja.
Ist Ihnen bekannt, daß der hessische Minister für Wirtschaft und Technik in der Vergangenheit aber erklärt hat, daß er für eine solche Anschlußstelle sei?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben uns auf Grund Ihrer Frage mit der Auftragsverwaltung in Verbindung gesetzt. Nach Auskunft des dortigen Ministeriums ist eine Beurteilung der erneuten Forderungen nach einer zusätzlichen Anschlußstelle erst auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung möglich. Der hessische Minister für Wirtschaft und Technik hat die hessische Straßenbauverwaltung beauftragt, eine verkehrliche Untersuchung in Angriff zu nehmen. Deren Ergebnis liegt aber noch nicht vor.
Danke, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 11 und 12 des Abg. Duve werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Die Fragen 13 und 14 des Abg. Dr. Niese sowie die Fragen 15 und 16 des Abg. Becker werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Fragen 17 und 18 sind vom Fragesteller, dem Abgeordneten Paterna, zurückgezogen worden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Ist es zutreffend, daß die Bundesrepublik Deutschland sich mit einem Kostenanteil von 85 v. H. an einer „Europäischen Schnellbrüter-Kernkraftwerks-Gesellschaft" mit dem Ziel beteiligt hat, einen 1,500 Megawatt Plutonium-Brüter bei Kalkar zu errichten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hirsch, es ist nicht zutreffend. An der „Europäischen Schnellbrüter-Kernkraftwerks-Gesellschaft mbH", ESK, sind die Bundesrepublik Deutschland oder das Bundesforschungsministerium nicht beteiligt.
Die Gründung der ESK wurde mit der sogenannten EVU-Konvention aus dem Jahre 1973 zum Bau und Betrieb von zwei großen schnellen natriumgekühlten Reaktoren in Frankreich — Super-Phénix — und der Bundesrepublik Deutschland — SNR 2 — zwischen den europäischen EVUs EdF — Frankreich —, ENEL
— Italien — und RWE — dessen Anteile später auf die SBK übertragen wurden — beschlossen. Zugleich mit der ESK — zuständig für den SNR 2 — wurde die NERSA — zuständig für den Super-Phénix — gegründet. Die Beteiligungsverhältnisse sehen wie folgt aus: Der bundesrepublikanische privatwirtschaftliche Anteil an der ESK — SNR 2 — beträgt 51 %, der EdF, Frankreich, 16 %, der ENEL, Italien, 33 %. Bei NERSA
— Super-Phénix — beträgt der deutsche Anteil 16 %, der französische Anteil 51 % und der italienische Anteil 33 % . Insgesamt sind Deutschland, Frankreich und Italien zu je einem Drittel beteiligt.
Errichtung und Betrieb des SNR 2 ist Sache der Wirtschaft. Eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des SNR 2 ist nicht vorgesehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, gibt es außer einer gesellschaftsrechtlichen eine privatrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik, die ein unternehmerisches Risiko oder eine Beteiligung an den Kosten dieses Unternehmens beinhaltet?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der öffentlichen Hand nicht.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Sind Sie bereit und in der Lage, mir den Gesellschaftsvertrag zur Verfügung zu stellen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der Gesellschaftsvertrag ist ein Vertrag zwischen den Gesellschaftern. Er ist uns nicht bekannt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kühbacher.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob die künftigen Betreiber schon jetzt in ihren Bilanzen Rückstellungen vornehmen, die ja aufsichtsmäßig genehmigt sein müßten, weil sie in die Stromtarife eingehen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Das ist dem Bundesministerium für Forschung und Technologie nicht bekannt.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:Ist es zutreffend, daß für dieses Projekt bereits eine halbe Milliarde DM aufgewendet wurde und daß nach dem Gesellschaftsvertrag die Haftung bzw. Kostenbeteiligung des Bundes nicht begrenzt ist?
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4136 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hirsch, es ist nicht zutreffend. Für das Projekt SNR 2 wurden bisher Planungsarbeiten durchgeführt, deren Kosten in Höhe einiger Millionen von den beteiligten Unternehmen getragen wurden. Ein Gesellschaftsvertrag, der den Bund zur Übernahme einer Haftung oder Kostenbeteiligung verpflichtet, existiert nicht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Planungsstand dieses Unternehmens bekannt, und können Sie uns sagen, mit welchen Zeitabläufen die potentiellen Betreiber dieses Unternehmens rechnen?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Es ist so, daß hier ein Planungsstab an der Arbeit ist. Es gibt aber keinerlei Konkretisierungen, weder im Hinblick auf einen Standort noch im Hinblick auf den Kostenumfang noch im Hinblick auf sonstige wichtige Eckpfeiler. Wir gehen davon aus, daß die Beteiligten Mitte der 90er Jahre konkret sehen werden, was sie wann und wo machen möchten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß sich der Bund mit irgendwelchen Forschungsmitteln an diesem Unternehmen beteiligen wird?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Nein, denn der Bund fördert diese Technologie bis heute. Da sie eine zukunftsorientierte Technologie für die Energiesicherung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch weltweit ist, werden sicherlich auch einzelne technische und technologische Komponenten gefördert, vor allem im Sicherheitsbereich, Herr Hirsch.
Zusatzfrage, Abgeordneter Kühbacher.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, etwaige Rückstellungen, die in die Bilanzen eingestellt sind, um dieses Projekt zu verwirklichen, zu eruieren, um insbesondere festzustellen, ob die zur Zeit geltenden Stromtarife durch diese Rückstellungen belastet sind?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, in die Bücher von Privatunternehmen zu sehen.
Ich rufe Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Raum. Frage 21 wird — ebenso wie Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) — nicht beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Brück auf:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, Albanien Entwicklungshilfe bis zu 6 Millionen DM aus dem Titel 896 03 des Einzelplans 23 (Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit) zu gewähren, obwohl dieses Land auch nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu den Entwicklungsländern zählt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Brück, die Bundesregierung sah sich veranlaßt, dem albanischen Wunsch nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit zu entsprechen, weil Albanien nach seinen Wirtschaftsdaten ein Entwicklungsland ist, obwohl es sich bisher nicht um eine förmliche Anerkennung als solches bemüht hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß die Bundesregierung damit gegen geltendes Haushaltsrecht verstoßen hat?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, Herr Kollege Brück, daß eine solche Einrede bei ähnlichen Fällen anderer europäischer Staaten — ich denke z. B. an Portugal — nie erhoben worden ist.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Tatsache, daß das vielleicht in bezug auf andere europäische Staaten nicht geschehen ist, kann für uns ja wohl nicht Maßstab sein. Sind Sie der Auffassung, daß die Mittel, die in Einzelplan 23 unter dem Titel „Bilaterale Technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern" eingestellt sind, nur an Entwicklungsländer vergeben werden dürfen?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Brück, diese Praxis gab es in dieser Form nie. Deswegen kann ich Ihnen nicht zustimmen.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Brück auf:
Warum wurde diese Zusage während des Besuches des Bayerischen Ministerpräsidenten in Albanien gemacht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Kollege Brück, die Zusage wurde von Staatssekretär Lengl während des Besuchs des bayerischen Ministerpräsidenten abgegeben, weil zu diesem Zeitpunkt — kurz nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen — erstmals dem albanischen Wunsch entsprochen werden konnte.
Zusatzfrage, Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, wird es jetzt zu einem üblichen Verfahren, daß dann, wenn Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer in ein Land reisen, ein Staatssekretär des BMZ mitfährt und Entwicklungshilfe zusagt?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4137
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Ich habe von der Anwesenheit des Herrn Staatssekretär Lengl dort gesprochen, der diese Zusage im Namen der Bundesregierung abgegeben hat.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Können Sie mir dann bitte sagen, warum Herr Staatssekretär Lengl nach Albanien gefahren ist?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Sie wissen wie ich, Herr Kollege Brück, daß der bayerische Ministerpräsident in der Vorbereitung der Aufnahme der Beziehungen zu Albanien eine entsprechende Rolle gespielt hat. Diese Dinge gegenüber Albanien in der von Ihnen gewünschten Form zu trennen, wäre aus meiner Sicht reiner Formalismus.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bindig.
Herr Staatssekretär, ist das vor der Reise beraten worden, und von wem ist es denn beschlossen worden, daß diese Zusage während dieser Reise gemacht werden sollte?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, solche Zusagen erfolgen auf Grund der vorherigen Abstimmung innerhalb der Ressorts der Bundesregierung.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Dann rufe ich die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Bindig auf:
Welche Projekte werden aus der Albanien zugesagten Entwicklungshilfe in Höhe bis zu 6 Millionen DM finanziert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Nach dem, was sich im Moment sagen läßt, Herr Kollege Bindig, ist vorgesehen, dem albanischen Wunsch nach Beschaffung gebrauchter landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte sowie von zehn gebrauchten Stadtbussen zu entsprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bindig.
Herr Staatssekretär, da Sie bisher nur sehr ungenau sagen können, welche Projekte daraus eventuell finanziert werden sollen: Haben Sie denn eine Überlegung für eine bestimmte Hilfsstrategie für Albanien, oder warten Sie auf Anträge?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bindig, die Dinge sind im Moment wirklich in einem Stadium der Vorgespräche, das weitere Auskünfte noch nicht zuläßt. Zunächst war in der Frage der technischen Zusammenarbeit an Mechanikerausbildung und begleitende Personalentsendung gedacht. Das kann aber aus praktischen Gründen erst später erfolgen.
Andererseits hat die albanische Seite den dringenden Wunsch, daß solche gebrauchten Geräte und Maschinen noch vor Beginn der diesjährigen Anbauperiode zur Verfügung gestellt werden. Das zeigt, daß
wir im Moment in der typischen und Ihnen ja bekannten Situation der beginnenden Gespräche über eine Zusammenarbeit sind, aus der sich dann — wie Sie sich sicher denken — eine längerfristige Strategie entwickeln muß.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Hilfe, die Sie eben erwähnt haben, für vereinbar mit den Erläuterungen zu dem entsprechenden Titel im Haushaltsplan, ist das, was Albanien jetzt erhält, nicht Warenhilfe, die — wenn überhaupt — aus einem ganz anderen Titel bezahlt werden müßte, und bleibt es nicht bei der Tatsache, daß Sie hier gegen Recht und Gesetz verstoßen?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Brück, bei dem gegenwärtigen Zustand von noch nicht konkretisierten Überlegungen bin ich überzeugt, daß wir dem Haushaltsrecht zur Zeit keinesfalls zuwiderhandeln. Wir werden uns selbstverständlich bemühen, daß das auch so bleibt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, was wird denn die Bundesregierung unternehmen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, daß sich der bayerische Ministerpräsident auf seine Reisen einen Staatssekretär der Bundesregierung mitnimmt, um jeweils das Eintrittsgeld zu entrichten?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, wenn man sich die Entwicklung der Aufnahme der Beziehungen zwischen der Volksrepublik Albanien und der Bundesrepublik Deutschland vergegenwärtigt, wird man, glaube ich, sagen müssen, daß der bayerische Ministerpräsident dort tätig geworden ist, bevor irgendein Eintrittsgeld bezahlt worden ist, so daß die Dinge genau umgekehrt aussehen, wie Sie sie jetzt unterstellen.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Toetemeyer auf:
Hat die Bundesregierung mit dem Homeland Bophuthatswana bilaterale Verträge abgeschlossen, die Entwicklungshilfeleistungen rechtfertigen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Toetemeyer, Ihre Frage beantworte ich mit dem Worte nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dann die Tatsache, daß Herr Staatssekretär Lengl aus Ihrem Hause seine Dienstreise aus Kap. 23 02 Tit. 686 04 abgerechnet hat?Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Ich bedaure, Herr Kollege, daß ich das in diesem Zusammenhang nicht präzise beantworten kann, weil mir dieser Sachverhalt im einzelnen nicht bekannt ist. Ich sehe hier kei-
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4138 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Köhlernerlei Zusammenhang mit dem Abschluß bilateraler Verträge, der ja in Wahrheit nicht erfolgt ist. Aber auch die vorhandene Zusammenarbeit z. B. mit kirchlichen Gruppen und die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen würden gegebenenfalls eine Dienstreise des Herrn Staatssekretärs durchaus rechtfertigen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Toetemeyer.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß nach dem geltenden Haushaltsrecht Dienstreisen in Entwicklungsländer grundsätzlich nur durchgeführt werden können, wenn dazu ein dienstlicher Anlaß besteht, und würden Sie mir bitte die kirchlichen Gruppen in Bophuthatswana — Sie haben das eben angedeutet — sowie Ort und Zeit angeben, zu der sich der Herr Staatssekretär mit diesen Gruppen getroffen hat?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Dies muß ich Ihnen nachreichen, und das werde ich gerne tun.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß bilaterale Verträge nicht abgeschlossen worden sind. Sind denn solche Verträge vorbereitet worden, oder sind Absichtserklärungen abgegeben worden?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, auch diese Frage kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Unsere Position ist nach wie vor die, daß sich in Homelands wie Bophuthatswana unsere Tätigkeit auf die Unterstützung der benachteiligten Schwarzen oder Farbigen durch humanitäre und Ausbildungshilfe über nichtstaatliche Träger beschränkt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, wird es übliche Praxis der Bundesregierung werden, daß sie dem bayerischen Ministerpräsidenten einen Staatssekretär als Reisemarschall mitgibt?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Brück, ich glaube, daß diese Frage in diesem Hohen Hause im Rahmen einer Debatte ausführlich erörtert worden ist. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Toetemeyer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, einem Land Entwicklungshilfe zu leisten, mit dem keine bilateralen Abkommen geschlossen wurden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Toetemeyer, die Vergabe offizieller zwischenstaatlicher Entwicklungshilfe setzt ja grundsätzlich den Abschluß völkerrechtlich verbindlicher Regierungsvereinbarungen voraus. In Ländern, mit denen grundsätzlich oder vorübergehend solche Vereinbarungen
nicht abgeschlossen werden können, hat aber die Bundesregierung auch in der Vergangenheit Projekte von Nichtregierungsorganisationen aus Mitteln des Bundeshaushalts, Einzelplan 23, finanziell unterstützt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer.
Darf ich noch einmal vertiefend und präzisierend nachfragen, ob die Bundesregierung grundsätzlich nicht beabsichtigt, ein entsprechendes Abkommen mit dem Homeland Bophuthatswana zu schließen?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Toetemeyer, dies ist im Rahmen der Diskussionen dieses Hauses über Südafrika in den letzten Wochen mit aller Klarheit gesagt worden, und dabei bleibt es.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir dann sagen, warum im Anschluß an die von mir eben zitierte, von Minister Klein angeordnete Dienstreise des Staatssekretärs Lengl Herr Lengl dann zum zweitenmal in Begleitung des bayerischen Ministerpräsidenten dieses Land besucht hat?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Auf der gesamten Reise des bayerischen Ministerpräsidenten, die teilweise auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers erfolgte und teilweise den Charakter einer privaten Reise hatte, hat Herr Lengl ihn begleitet.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 28 der Abgeordneten Frau Dr. Niehuis auf:
Trifft es zu, daß sich der Bundesminister der Finanzen gegen die Bildung zweier neuer Unterabteilungen im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgesprochen hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Auf Ihre erste Frage, Frau Niehuis, muß ich mit dem Wort Nein antworten.
Frau Kollegin, Sie haben zwei Zusatzfragen.
— Dann rufe ich Frage 29 der Abgeordneten Frau Dr. Niehuis auf:Trifft es zu, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, obwohl er mit Recht die Knappheit von Referentenstellen beklagt, durch die Bildung zweier neuer Unterabteilungen zwei Referenten verliert?Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Frau Niehuis, die Zahl der Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen des höheren Dienstes wird durch die Funktionsänderung nicht verändert. Das heißt, daß die Gesamtzahl der Referenten, Referatsleiter und Unterabteilungsleiter die gleiche bleibt, daß aber eben zwei Beamte als Unterabtei-
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4139
Parl. Staatssekretär Dr. Köhlerlungsleiter für größere Sachaufgaben eingesetzt werden.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Frau Abgeordnete.
Nur noch einmal zum Verständnis: Es bleibt also bei der Anzahl der Referenten? Es sind nicht zwei weniger? Habe ich das richtig verstanden? Sie sagten ja „durch die Funktionsänderung".
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben die Feststellung getroffen, daß insgesamt die Zahl der Mitarbeiter des höheren Dienstes, zu denen auch die Unterabteilungsleiter gehören, unverändert bleibt, so daß sich durch die Rangerhöhung von zweien die Gesamtkapazität nicht verändert, wohl aber die Kompetenz.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Toetemeyer.
Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, daß der Arbeitsanfall in Ihrem Hause so groß ist, daß Sie schon seit Jahren völlig zu Recht und mit Unterstützung des zuständigen Fachausschusses Stellenvermehrungen in Ihrem Hause fordern, und daß in diesem Zusammenhang insbesondere eine Erhöhung der Zahl der Referentenstellen notwendig ist, und würden Sie der Feststellung zustimmen, daß deswegen der Wegfall von zwei Referentenstellen besonders schmerzlich ist?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Toetemeyer, den ersten Teil Ihrer Frage kann ich vorbehaltlos bejahen. Wir waren uns in dem Wunsch einer personellen Verstärkung des BMZ und vor allem der Abteilung 1 mit dem Parlament gottlob seit geraumer Zeit völlig einig; denn schließlich ist dieses Ministerium heute damit beschäftigt, das gegenüber 1977 verdoppelte Volumen der Entwicklungshilfe mit etwas weniger Personalbestand als 1977 zu disponieren. In dieser Frage kann es also wohl kein unterschiedliches Urteil geben.
Wenn es aber nun so ist, daß man sich mit wenigem einrichten muß, dann besteht die dringende Notwendigkeit der Bildung von Prioritäten. Wir hatten den Zustand erreicht, daß die verschiedenen Unterabteilungen, vor allem aber die Abteilung 1, zum Teil völlig überlastet waren. Denken Sie beispielsweise daran, daß die Unterabteilung „Afrika" mit 51 Entwicklungsländern zu arbeiten hatte, davon 26 der ärmsten Länder. Ich glaube, Sie sind wirklich ausreichend informiert, Kollege Toetemeyer, um zu wissen, welche Fülle von Konsultationen und welche Fülle von Regierungsverhandlungen das bedeutet.
Daß wir es unter diesen Umständen angesichts des nach wie vor zu engen Rockes für notwendig hielten, die Ebene der Unterabteilungsleiter zu verstärken, d. h. das mittlere Management, um den notwendigen Politikdialog besser führen zu können, hatte aus unserer Sicht absolute Priorität.
Zusatzfrage, Abgeordneter Brück.
Herr Staatssekretär, wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit beim Bundesminister der Finanzen im Rahmen der geplanten Organisationsreform eine zusätzliche B-11-Stelle für einen weiteren Staatssekretär beantragen, damit dann, wenn der jetzige Amtsinhaber öfter mit dem bayerischen Ministerpräsidenten unterwegs ist, wenigstens dafür gesorgt wird, daß die Arbeit eines Staatssekretärs im Ministerium geleistet werden kann?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Brück, für die beiden Staatssekretäre, den Parlamentarischen und den beamteten Staatssekretär des Ministeriums, kann ich versichern, daß bei weiterer guter Gesundheit beide ihren Aufgaben und möglicherweise zusätzlichen gewachsen sein werden.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung. Die Frage 42 des Abgeordneten Dr. Emmerlich sowie die Fragen 43 und 44 der Abgeordneten Frau Schmidt werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Ist der neue Personalausweis fälschungssicher?
Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Abelein, wie der Bundesminister des Innern bereits am 20. September 1984 im Deutschen Bundestag ausgeführt hat, kann kein Ausweissystem absolut gegen eine mißbräuchliche Benutzung gesichert werden. Der neue Personalausweis bietet indes ein Maximum an Sicherheit gegen Manipulationsversuche. So sind z. B. ein Auswechseln des Lichtbildes und eine Verfälschung der Angaben auf dem Ausweis ohne dessen sichtbare Beschädigung nicht mehr möglich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Abelein.
Wie groß ist die zusätzliche Sicherheit des neuen Personalausweises? Läßt sich das prozentual angeben?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das läßt sich nicht prozentual angeben, sondern kann nur insgesamt im Rahmen einer Fülle von Merkmalen — Farbgebung, Zusammensetzung des Ausweises, Beschriftung, Material — gewertet werden.
Zweite Frage, bitte.
Wenn dadurch nur ein zusätzlicher, nicht genau bestimmter Grad an Sicherheit gewonnen wird, wieso wurde dann überhaupt ein neuer Personalausweis eingeführt?
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4140 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es war übereinstimmende Meinung aller Innenminister von Bund und Ländern schon in den 70er Jahren angesichts der wachsenden Bedrohung, insbesondere durch den Terrorismus, aber auch angesichts der übrigen Kriminalität, daß die alten Personalausweise, die in vielfältiger Form gefälscht und verfälscht wurden, den Sicherheitsbedürfnissen nicht mehr entsprechen und mit einem neuen Personalausweis der jetzigen Art ein wesentlich höheres Maß an Sicherheit erreichbar ist.
Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Abelein auf:
Durch welche Maßnahmen wird ein Dokument fälschungssicher gemacht?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der neue Personalausweis wird in der Bundesdruckerei zentral in einem Verfahren hergestellt, das Kriminellen wegen des hohen technischen Aufwands unzugänglich ist. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich das ganze Bündel der Sicherheitselemente, die der neue Ausweis enthält, nicht offen erläutern kann. Einige hatte ich ja in der Antwort auf Ihre Zusatzfrage schon dargestellt. Mit dieser Einschränkung ist darauf hinzuweisen, daß die herkömmliche Lichtbildbefestigung, eine besondere Schwachstelle des alten Personalausweises, durch ein integriertes Lichtbild ersetzt wurde. Darüber hinaus ist das mit modernsten Sicherheitsmerkmalen versehene Ausweispapier mit einer speziellen, laserbehandelten Sicherheitsfolie untrennbar verschweißt, so daß der Ausweis bei einem Fälschungsversuch irreparabel beschädigt wird. Mögliche Farbkopien sind schon wegen gravierender Farbunterschiede im Vergleich zu einem neuen Personalausweis mit 14farbigem Sicherheitsdruck als solche visuell erkennbar.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
Von wem und wie wird denn praktisch geprüft, ob ein Personalausweis authentisch oder gefälscht ist?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wir haben heute im Innenausschuß eine sehr eindrucksvolle Demonstration der Vertreter des Bundeskriminalamtes gehabt, die sowohl mit Geräten als auch rein visuelle Überprüfungsmöglichkeiten aufgezeigt haben. An Hand einer Fülle von Merkmalen ist dies zu identifizieren, auch für den Laien, der sich mit den Merkmalen eines echten, maschinenlesbaren und fälschungssicheren Personalausweises von heute vertraut gemacht hat.
Werden Reisepässe in diese Maßnahmen mit einbezogen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Seit einiger Zeit sind auch die fälschungssicheren, maschinenlesbaren Reisepässe im Angebot, und sie finden, wie wir hören, bei der Bevölkerung eine ganz große Resonanz.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hämmerle.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Vorkommnisse, die über das Magazin „Stern" der Öffentlichkeit bekanntgemacht wurden,
wonach ein Journalist den angeblich fälschungssicheren Personalausweis auf einem Farbfotokopierer so echt kopiert hat — ich möchte nicht sagen, gefälscht hat —, daß er für einen Laien sicherlich nicht von dem echten unterscheidbar war?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich will jetzt nicht auf die näheren Umstände dieser Veröffentlichung und die Art, wie man hier Informationen verwertet hat, eingehen. Eines ist aber klar: Es ist in diesem Bericht dargestellt worden, daß es für einen Laien durchaus erkennbar ist, an Hand welcher Merkmale die Kopie vom Original zu unterscheiden ist.
Ich sehe den Abgeordneten Müller nicht im Saal. Die von ihm gestellten Fragen 47 und 48 werden nicht beantwortet. Der Abgeordnete Stahl (Kempen) ist auch nicht im Raum. Seine Fragen 49 und 50 wie auch die Frage 51 des Abgeordneten Gansel, der ebenfalls nicht im Raum ist, werden nicht beantwortet.
Ich danke Ihnen schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die UN-Menschenrechtskommission in dem Entwurf einer Konvention über die Rechte des Kindes, der Anfang Februar in Genf verabschiedet werden soll, im Widerspruch zur Erklärung der Rechte des Kindes der UN-Generalversammlung vom 20. November 1957 keine Aussage darüber enthält, daß das Kind besonderer Schutzmaßnahmen und Fürsorge sowohl „vor als auch nach der Geburt" bedarf, und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit die Menschenrechtskommission auch das ungeborene Kind in den Katalog der Schutzmaßnahmen und Fürsorge einbezieht?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Werner, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 erstreckt sich die in Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes verankerte Verpflichtung des Staates, das Leben zu schützen, auch auf das ungeborene Kind. Die Bundesregierung hat deshalb umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes ungeborener Kinder eingeleitet. Vor diesem Hintergrund bedauert die Bundesregierung es, daß die von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen eingesetzte Arbeitsgruppe, die seit 1979 einen Entwurf eines Übereinkommens über die Rechte des Kindes ausgearbeitet hat, die in der Präambel und in Grundsatz 4 der „Erklärung der Rechte des Kindes" vom 20. November 1959 betonte Notwendigkeit vorgeburtlicher Fürsorge und vorgeburtlichen Schutzes nicht zum Anlaß genommen hat, eine dahin zielende Bestimmung in den Konventionsentwurf aufzunehmen. Dies hängt damit zusammen, daß die Konvention, wie bereits in ihrem Titel angedeutet, die individuellen Rechte des Kindes und seine sich entwickelnden Fähigkeiten in den Vordergrund stellt, diese Rechte auch selbst wahrzunehmen.Da nach einer von der Arbeitsgruppe getroffenen Entscheidung seit dem 29. Januar 1988 neue Vorschläge zum vorliegenden Entwurf nicht mehr eingebracht werden können, sieht die Bundesregierung
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4141
Parl. Staatssekretär Dr. Jahnwenig Chancen, sich noch mit Änderungswünschen durchzusetzen, die Grundentscheidungen des Entwurfs berühren. Die Bundesregierung wird aber trotzdem bestrebt sein, beim weiteren Fortgang der Beratungen, insbesondere im Zusammenhang mit der geplanten zweiten Lesung, auf Verbesserungen hinzuwirken und dazu die ihr notwendig und aussichtsreich erscheinenden Änderungsvorschläge zu unterbreiten.
Zusatzfrage von Herrn Werner.
Herr Staatssekretär, war den beiden Vertretern der deutschen Delegation die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung in dieser Frage eigentlich nicht bekannt?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Sie können davon ausgehen, daß den Vertretern der Bundesregierung die Konzeption der Bundesregierung bekannt war. Auch habe ich hier eine interne Unterlage, aus der hervorgeht, daß die Vertreter der Bundesregierung den unzureichenden Schutz des Elternrechts und auch die Tatsache, daß die Konvention den Schutz des nichtehelichen Kindes ebenfalls nicht erwähnt hat, angesprochen haben.
Zweite Zusatzfrage.
Darf ich Sie vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen dann fragen, ob die Bundesregierung diese Konvention, sofern sie zustandekommt, im Falle einer Fortführung der Beratungen gegebenenfalls auch ohne Abänderung, nämlich auch den Schutz des ungeborenen Kindes mit zu berücksichtigen, ratifizieren wird oder nicht?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, wir haben zwischen der Zeichnung und der Ratifizierung zu unterscheiden. Beides kann heute nicht abschließend beantwortet werden. Die Bundesregierung wird die Frage der Zeichnung und auch die Frage der Ratifizierung zu gegebener Zeit sorgfältig prüfen müssen. Bei der Bewertung spielen auch die Fragen, die Sie angesprochen haben, eine Rolle.
Ich möchte nur noch sagen, Herr Abgeordneter Stahl, Herr Abgeordneter Daniels — Herr Abgeordneter Müller ist eben wieder hinausgegangen — : Es ging so schnell, weil ein ganzer Geschäftsbereich weggefallen ist. Aber leider kann ich Ihnen nicht mehr helfen. Der zuständige Staatssekretär ist nicht mehr im Hause.
Zusatzfrage des Abgeordneten Geis.
Herr Staatssekretär, ist es möglich, im Rahmen der Diskussion um die Menschenrechte auch das Recht des noch nicht geborenen Kindes einzubringen, wenn es z. B. zur Ratifizierung dieser Übereinkunft im Deutschen Bundestag kommen sollte?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Ich habe noch einmal deutlich zu machen, gerade auch im Anschluß an die Antwort, die ich Herrn Kollegen Werner eben auf seine Frage gegeben habe: Wir werden im Rahmen
des Möglichen auf eine Verbesserung des Entwurfs hinwirken.
Die Frage 53 des Abgeordneten Menzel wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Bachmaier werden nicht beantwortet, da er nicht im Raum ist.
Ich rufe Frage 56 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf :
Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik des Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof, Professor Heinrich Beisse, an § 264 Abs. 2 HGB in der Fassung des Bilanzrichtliniengesetzes , und sieht sie insbesondere die Gefahr, daß der Grundsatz des „true and fair view " der Bewertungswillkür Tür und Tor öffnet?
Dr. Jahn, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, die Bundesregierung befürchtet nicht, daß § 264 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches, wonach der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat, einer Bewertungswillkür Tür und Tor öffnen könnte.
Das Bilanzrichtlinien-Gesetz hat, wie zu erwarten, eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgelöst. Es ist ganz natürlich, daß zu einzelnen Vorschriften unterschiedliche Auslegungen vertreten werden.
Die Bundesregierung mischt sich in den wissenschaftlichen Meinungsstreit bekanntlich nicht ein. Sie wird aber die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten, um rechtzeitig gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten, wenn sich herausstellen sollte, daß gesetzliche Vorschriften nicht so angewendet werden, wie es ihrem Sinn und Zweck entspricht. Dafür bietet aber die in der Frage zitierte wissenschaftliche Meinungsäußerung keine Veranlassung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, wird denn die Bundesregierung eine wissenschaftliche Begleitforschung initiieren, die jetzt die Anwendung und auch die Diskussion über das Bilanzrichtlinien-Gesetz verfolgt und, falls sich Befürchtungen eines hohen Richters, die ja nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind, bestätigen sollten, wie ein Frühwarnsystem wirkt?Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Wir beachten alle Meinungsunterschiede im Rahmen der Gesetzgebung. So werden wir das auch beim BilanzrichtlinienGesetz tun.Ich hatte eben gesagt, daß wir den wissenschaftlichen Streit nicht auch noch von hier aus begleiten. Es trifft aber nicht zu, daß Professor Beisse Kritik an der Vorschrift geübt hat; er hat dem Gesetzgeber vielmehr bestätigt, daß diese Vorschrift eine korrekte Umsetzung von Art. 2 der Vierten Richtlinie darstellt. Ich glaube, wenn wir in diesen wissenschaftlichen Streit
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4142 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Jahneinsteigen würden, müßten wir Ihre Fragestellung ein wenig differenzierter sehen.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da ich selber an dieser Geschichte mit beteiligt war, bin ich in diesem Bereich natürlich besonders engagiert. Hat die Bundesregierung denn einmal untersuchen lassen, wie sich die englische Praxis mit dem „true and fair view" auswirkt, von der diese Anregung in die Bilanzrichtlinie hineingekommen ist, oder wird sie, falls es bisher nicht geschehen ist, die englische Praxis im Hinblick auf die Rückwirkungen auf unser deutsches Recht näher untersuchen lassen?
Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär: Wir haben bisher im Rahmen der Rechtsvergleichung natürlich auch diese Fragen untersucht. Nur, Herr Kollege Stiegler, das Bilanzrichtlinien-Gesetz hat in bezug auf Ihre Frage eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch zum Inhalt der Generalklausel in § 264 Abs. 2 HGB ausgelöst. Dabei gehen einzelne Autoren vom britischen Recht aus, das hier teilweise Vorbild gewesen ist; das will ich Ihnen gern bestätigen. Sie übersehen aber, daß die Generalnorm in der Vierten Richtlinie nur mit der Einschränkung übernommen worden ist, daß die gesetzlichen Vorschriften Vorrang haben und daß es im allgemeinen genügt, diese zu beachten, um das geforderte Bild zu vermitteln.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 57 des Abgeordneten Andres auf:
Hat der Bundeskanzler dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten bzw. der Niedersächsischen Landesregierung zugesagt, sich um eine Übernahme von Sozialhilfeleistungen durch die Bundesregierung zu bemühen bzw. dafür einen finanziellen Ausgleich zu schaffen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Andres, sind Sie einverstanden, daß ich Ihre Fragen 57 und 58 wegen des Sachzusammenhangs im Zusammenhang beantworte?
Ja.
Sie haben dann vier Zusatzfragen.
Dann rufe ich auch die Frage 58 des Abgeordneten Andres auf:
Treffen Pressemeldungen zu, daß es zwischen Mitgliedern der Niedersächsischen Landesregierung und dem Bundeskanzler bzw. der Bundesregierung Verhandlungstermine zur Frage eines weiteren Finanzausgleichs oder wegen anderer Finanzhilfen für finanzschwache Länder wie Niedersachsen gibt?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung steht mit dem Ministerpräsident des Landes Niedersachsen in einem Gedankenaustausch über die einschlägigen Fragen. Einer der wesentlichen Gesichtspunkte ist angesichts des eigenen Finanzbedarfs des Bundes die Finanzierbarkeit derartiger Überlegungen.
Herr Andres, bitte, eine Zusatzfrage.
Entschuldigung, Frau Präsident, ich bin völlig von den Socken: Ist das die Beantwortung meiner Fragen 57 und 58? Habe ich das richtig verstanden?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: So ist es, Herr Kollege.
Mit den „Socken" habe ich einige Schwierigkeiten, aber auch ich bin erstaunt, daß dies schon die Antwort war.
Auch Sie waren erstaunt darüber. Es ist gut zu wissen, daß das im Protokoll steht.
Wie bewerten Sie, Herr Staatssekretär, Pressemeldungen vom 30. Dezember 1987, wonach der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Herr Albrecht, bei einem großen Jahresabschlußgespräch mit der Presse geäußert hat, daß er die persönliche Zusage des Bundeskanzlers habe, dafür zu sorgen, daß insbesondere die benachteiligten Länder des Nordens Entlastung erhalten und daß eine solche Entlastung im Bereich der Sozialhilfe stattfinden soll?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Mir sind die Pläne bekannt, Herr Kollege, die hier vorgelegt worden sind, und mir ist auch bekannt, daß darüber in der Presse Verlautbarungen zu lesen waren. In diesen Verlautbarungen ist von einer Prüfung geredet worden, und das ist genau das, was ich Ihnen eben in meiner Antwort bereits gesagt habe.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich noch einmal nachfragen: Kann man dann sagen, wenn Sie das so beantworten, daß sich das, was der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen in der Pressekonferenz geäußert hat, nicht in Übereinstimmung mit dem befindet, was die Bundesregierung hier offiziell erklären kann?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Das kann man in dieser Weise nicht sagen, Herr Kollege, denn ich habe Ihnen eben gesagt, daß hier geprüft wird, was als Vorschlag vom niedersächsischen Ministerpräsidenten auf dem Tisch liegt.
Dritte Zusatzfrage: Sie haben gesagt, daß diese Prüfung von der Möglichkeit der Finanzierung abhängen würde. Nun hat der niedersächsische Ministerpräsident mit seinem Vorschlag eindeutige Finanzierungsvorschläge unterbreitet. Wie werden die durch die Bundesregierung bewertet?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Vorschläge, die hier gemacht worden sind, sind doppelter Natur. Es
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4143
Parl. Staatssekretär Dr. Vosswird einmal daran gedacht, daß Verkehrsteuern erhöht werden und daß ein Anteil der Mehrwertsteuer auf den Bund übertragen wird. Das sind Vorschläge, die auf ihre gesamten Auswirkungen hin abgeklopft werden müssen und deren Auswirkungen auch auf die anderen Beteiligten festgestellt werden müssen. Das ist Inhalt der Prüfung, die ich Ihnen soeben bereits genannt habe.
Bitte schön.
Die vierte Zusatzfrage. Ist die Bundesregierung denn der Auffassung, daß das Ansinnen des niedersächsischen Ministerpräsidenten, dem sich ja inzwischen eine Reihe anderer Länder, die es unterstützen wollen, angeschlossen hat, nämlich die Städte und Gemeinden bei der Sozialhilfe um 50% zu entlasten, berechtigt ist und daß man hier eine Lösung finden muß?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es wäre logisch falsch, eine Bewertung in dem Maß, wie Sie es eben getan haben, vorzunehmen, solange die Angelegenheit in der Prüfung ist. Das heißt doch, daß man, bevor diese Prüfung beendet ist und die Auswirkungen festgestellt sind, nicht zu einer Bewertung in der Weise, wie Sie es soeben getan haben, kommen kann. Das ist logisch nicht möglich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, ist es denn zutreffend, daß für den Fall, daß der niedersächsische Ministerpräsident gesagt haben sollte, es handele sich um eine Zusage der Bundesregierung, dies nach Ihrer jetzigen Interpretation schlicht und einfach falsch wäre?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Sie unterstellen hier etwas, Herr Kollege, was hypothetischer Natur ist. Infolgedessen kann ich dazu keine Ausführungen machen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Schreiner.
Herr Staatssekretär, wann ist denn davon auszugehen, daß das Prüfungsverfahren der Bundesregierung zu einem konstruktiven Abschluß kommt?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Es ist Eigenart der Bundesregierung, Herr Kollege, die Prüfungsverfahren, die sie übernimmt, so schnell wie möglich, d. h. unverzüglich, durchzuführen. Das wird auch in diesem Fall so sein.
Gibt es weitere Zusatzfragen? — Frau Abgeordnete Bulmahn.
Ich hatte bereits im vorigen Herbst eine ähnliche Frage gestellt. Auch damals habe ich die Antwort erhalten, die Bundesregierung sei in einem regen Gedankenaustausch mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten. Ich hätte gern gewußt, was der konkrete Inhalt dieses regen Gedankenaustauschs und auch was konkreter Inhalt der
Prüfung, die Sie soeben genannt haben, ist. Sie haben zwei Punkte genannt: Erhöhung der Verkehrsteuern und Änderung des Anteils der Mehrwertsteuer. Können Sie zum Inhalt der Prüfung und zum Inhalt des Gedankenaustauschs konkrete weitere Angaben machen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung befindet sich stets auf Grund der gegebenen Lage in einem Meinungsaustausch mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und auch mit anderen Ministerpräsidenten. Aber das, was Sie gerade ansprechen, kann sich nicht auf das beziehen, was Sie soeben gesagt haben. Denn der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist neuerer Natur; er war vor einem halben Jahr noch nicht auf dem Tisch.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Ich wollte meine Frage wiederholen.
Das ist nicht nötig. Auch dabei kommt nichts anderes heraus, würde ich sagen.
Vielleicht versteht sie der Herr Staatssekretär, wenn ich sie wiederhole.
Ich bitte noch mal um Entschuldigung. Sie haben eine Frage gestellt. Sie könnten in der Tat noch eine Frage stellen.
Bitte schön.
Also ich frage noch mal nach dem konkreten Inhalt der Prüfung. Worauf bezieht sich die Prüfung, die stattfinden soll?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Es wird jetzt geprüft, Frau Kollegin, ob die Vorschläge, die vom niedersächsischen Ministerpräsidenten gemacht worden sind, hinsichtlich ihrer Finanzierung und ihrer Auswirkung das sind, was die Bundesregierung als eine Möglichkeit der Lösung der Probleme in Niedersachsen ansieht.
Herr Stiegler hat sich gemeldet. Bitte schön, eine Zusatzfrage oder zwei.
Herr Staatssekretär, Sie haben von einem Meinungsaustausch gesprochen. Die Meinung des niedersächsischen Ministerpräsidenten kennen wir. Aber was für eine Meinung hat denn die Bundesregierung in diesem Fall?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Verhältnisse in Niedersachsen nicht einfach sind,
das heißt, daß man sich über diese Situation Gedanken machen und alle Vorschläge, die zu einer Lösung
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4144 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988
Parl. Staatssekretär Dr. Vossdieses Problems beitragen können, eingehend prüfen muß. Genau das ist der Zustand, in dem wir uns zur Zeit befinden.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte denn die Bundesregierung auch zu der Meinung gelangen, daß die allgemeine massive Bekämpfung der Arbeitslosigkeit helfen könnte, den Sozialhilfebedarf zu mindern?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Herr Kollege, ist, wie Sie aus vielen Äußerungen der Bundesregierung wissen sollten, eines der vornehmlichen Ziele. Also gehört sie auch hier dazu.
Herr Stahl, Sie haben die Möglichkeit zu zwei Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, da Sie dargestellt haben, daß zwischen dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und dem Kanzler und mit Regierungsmitgliedern ein reger Gesprächsaustausch über dieses Thema stattfindet, darf ich Sie fragen: Kann denn bei solchen Gesprächen überhaupt so ein eklatantes Falschverstehen aufkommen, daß einerseits der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen sagt, der Bundeskanzler habe ihm das zugesagt, und andererseits Sie als Staatssekretär des Finanzministeriums hier sagen, das sei nur eine Prüfung? Kann man davon ausgehen, daß dieser Zustand demnächst ein Dauerzustand der Regierung ist, bezogen auf eine Nichtverständigung zu wichtigen Themen, die das deutsche Volk angehen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, soweit ich die Pressemitteilungen kenne — ich habe sie mir angesehen — , ist von seiten des Bundeskanzlers eine wohlwollende Prüfung zugesagt worden. Das ist genau das, worüber wir uns hier die ganze Zeit bereits unterhalten, eine wohlwollende Prüfung, die zur Zeit stattfindet.
Wünschen Sie noch eine Zusatzfrage zu stellen?
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause hier vielleicht erklären, was der Bundeskanzler dann mit wohlmeinender, ernsthafter Prüfung gegenüber dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, bezogen auf diesen Bereich, ihm zusätzliche Finanzen zur Verfügung zu stellen, gemeint hat?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß es Vorschläge gibt, die man bereits nach kurzer Überlegung in den Bereich verweisen muß, der entweder nicht finanzierbar oder nicht darstellbar ist, oder die nicht in die Situation passen und daher als Lösung ungeeignet sind.
In diesem Falle liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der wohlwollend geprüft werden soll. Das heißt, es soll hier im Wege des Pro und Kontra abgewogen werden, ob es hier zu einer Lösung kommen kann, natürlich
auch unter Berücksichtigung der anderen betroffenen Bundesländer. Man kann nicht nur in den Norden schauen.
Man muß auch sehen, Herr Kollege, wie eine derartige Lösung auf die Länder im Süden unserer Republik wirken würde. Wenn Sie die Presse verfolgt haben, Herr Kollege, dann werden Sie im „Handelsblatt" bereits gelesen haben, daß der bayerische Finanzminister hierzu schon entsprechende Ausführungen gemacht hat.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin von erkannten Problemen gesprochen haben: Stimmt die Bundesregierung dem niedersächsischen Ministerpräsidenten denn zu, daß durch die ungleichmäßige Entwicklung der Sozialhilfeleistungen in den einzelnen Bundesländern — z. B. Niedersachsen im Verhältnis zu Baden-Württemberg — sich ein erhöhter Finanzbedarf zusätzlich ergibt, weil Sozialhilfeleistungen natürlich mit niedriger Kaufkraft und mit den sich daraus ergebenden Steuerproblemen usw. verbunden sind? Wird das Problem in seiner Grundsätzlichkeit des Auseinanderlaufens von Sozialhilfeleistungen bei unterschiedlichen Arbeitslosigkeitsraten von der Bundesregierung als solches gesehen, und liegen Ihnen Informationen über dieses Auseinanderdriften in Form von Zahlen vor?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ja, natürlich, Herr Kollege, liegt uns das vor. Wir wissen, daß die Arbeitslosenzahlen beispielsweise in Niedersachsen anderer Qualität und anderer Natur sind als die Arbeitslosenzahlen in Baden-Württemberg und in Bayern — das ist selbstverständlich — und daß von daher natürlich auch Folgelasten auf das Land Niedersachsen zukommen, die in den anderen Ländern nicht in diesem Ausmaß vorhanden sind. Ob sich daraus aber für die Bundesregierung die Möglichkeit oder die Verpflichtung ergibt, das durch Finanzhilfen auszugleichen, muß zuerst noch geprüft werden, Herr Kollege.
Ich danke Ihnen.
Keine weitere Zusatzfrage dazu.Ich rufe die Frage 59 der Abgeordneten Frau Bulmahn auf:Welche Pläne bestehen seitens der Bundesregierung, den Ländern und Gemeinden zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und zum Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft über die bisher geleisteten Hilfen hinaus weitere Finanzhilfen nach Artikel 91 a und 104 a GG zur Verfügung zu stellen?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung, Frau Kollegin Bulmahn, beabsichtigt im Zusammenhang mit der geplanten Aufhebung des Investitionszulagengesetzes im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990, die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" um 500 Millionen DM — Bund und Land zusammen — aufzustocken.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1988 4145
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Erste Zusatzfrage: Haben sich nach Auffassung der Bundesregierung die regionalen Entwicklungsunterschiede zwischen den nord- und westdeutschen Ländern auf der einen Seite und den süddeutschen Ländern auf der anderen Seite vergrößert oder verkleinert?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Das ist ein Prozeß, Frau Kollegin, der seit vielen Jahren zu beobachten ist und der dazu geführt hat, daß man feststellen muß, daß in bestimmten Bereichen, beispielsweise bei den Arbeitslosenzahlen, beim Bruttoinlandsprodukt, im Bereich des Wachstums, Unterschiede zwischen dem Süden und dem Norden festzustellen sind.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Wenn Sie diese Entwicklungsunterschiede feststellen, dann möchte ich Sie bitten, mir zu beantworten, warum sich die konkreten Pläne zur Minderung regionaler Ungleichgewichte auf die Aufstockung dieser Mittel der regionalen Gemeinschaftsaufgaben beschränken; wobei man dazu ja sagen muß, daß diese Mittel in der Mifrifi noch drastisch reduziert werden sollten. Gibt es außer dem Bereich regionale Wirtschaftsförderung noch andere Bereiche, deren Mittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe erhöht werden sollen? Gibt es hier Überlegungen, auch die Mittel in den anderen Bereichen, z. B. Gemeinschaftsaufgabe Aus- und Neubau von Hochschulen, Wohnungsbau, Städtebau und Raumordnung, zu erhöhen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann hier zur Zeit nur von der Beschlußlage der Bundesregierung reden, und die Beschlußlage ist so, wie ich sie Ihnen eben geschildert habe. Was hier an Plänen und an möglichen Beschlüssen noch vorhanden ist, vermag im Moment nicht konkretisiert zu werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gautier.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, daß die Bundesregierung beabsichtigt, die Gemeinschaftsaufgabe um 500 Millionen DM aufzustocken. Verstehe ich Sie richtig, daß Sie vergessen haben, zu sagen, daß durch den Wegfall des Investitionszulagengesetzes die Bundesregierung an Regionalfördermitteln insgesamt ca. 1,4 Milliarden DM einspart und daß die Mittel nach dem Investitionszulagengesetz für die Unternehmen steuerfrei sind, während die Mittel nach der GA zu versteuern sind, von dorther der Nettoeffekt für die Unternehmen in benachteiligten Regionen Niedersachsens erheblich größer ist, als aus Ihrer Antwort hervorgeht, wo scheinbar eine Aufstockung von 500 Millionen DM vorgenommen ist, aber real eine Absenkung über 1 Milliarde DM?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Das habe ich nicht vergessen, Herr Kollege. Danach war nicht gefragt,
aber Sie haben das ja aus Ihrer Sicht im Rahmen eines Zusatzreferates noch erörtert.
Schönen Dank, ich wußte aber nicht, daß ich das Zusatzreferat geben mußte.
Ich glaube allen Ernstes, Herr Staatssekretär: Es ist nicht der richtige Stil, den Sie eben angewendet haben. Das möchte ich in allem Ernst sagen.
Die Bundesregierung hat hier sehr viel Raum und kann sehr viele Minuten für eine Antwort verwenden. Wenn ein Abgeordneter in einer Frage eine solche Ausführung macht, dann glaube ich nicht, daß dieses in der Form dieser etwas satirischen Kritik enden soll.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich habe das nicht kritisiert, Frau Kollegin, ich habe das nur festgestellt.
Verzeihen Sie, Herr Staatssekretär. Ich bitte darum.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, da von der Kollegin Bulmahn nach der Entwicklung der regionalen Wirtschaftsförderung gefragt worden war und Sie daraufhin gesagt haben, die Bundesregierung beabsichtige, sie um 500 Millionen DM aufzustocken, und da Sie anschließend durch einen nachfolgenden Kollegen korrigiert worden sind, möchte ich Sie fragen: Können Sie meiner Interpretation folgen, daß die Bundesregierung in Ihrer Gestalt in dieser Fragestunde entweder das Parlament notorisch zu belügen versucht oder diese Fragestunde zu einer Posse umzuwandeln versucht?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß mich bei meiner Beantwortung auf das einrichten, was in der Frage dargelegt worden ist. Hier in der Frage ist dargelegt worden, in welchem Rahmen die GA erhöht werden soll. Das habe ich in einer kurzen Antwort dargelegt: In den Richtlinien steht, daß die Antworten der Bundesregierung auf Fragen der Abgeordneten kurz sein sollen. Ich habe daher davon abgesehen, die Entwicklungsgeschichte für die Erhöhung der GA hier darzustellen. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß das in diesem Zusammenhang auch nicht meine Aufgabe war.
Gewisse Worte sind auch von seiten des Parlaments nicht üblich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen schon bewußt, daß gefragt war, was über die bisher geleisteten Hilfen hinaus geleistet wird, so daß eine Saldierung der gesamten Situation bei den Mitteln als Antwort durchaus hätte erwartet werden können, und können Sie mir bestätigen, daß von den weiteren
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Stiegler500 Millionen DM 45 % für das Zonenrandgebiet reserviert werden sollen?Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist der Plan, der zur Zeit vorliegt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Andres.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie meine vorhergehenden Fragen so beantwortet haben, daß die Bundesregierung keine Zusage gemacht habe, sondern nur ein Prüfen zugesagt habe, hätte ich nun gerne die Frage an Sie gerichtet, welcher Anteil von diesen 500 Millionen DM etwa auf Niedersachsen entfallen wird, welcher Anteil in etwa auf die norddeutschen Länder entfallen wird — denn das muß man im Zusammenhang sehen — und ob Sie der Auffassung sind, daß diese Aufstockung der regionalen Wirtschaftsförderung um 500 Millionen DM ausreichend ist, um die zentralen Belastungen, die die norddeutschen Länder durch Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeleistungen und vieles mehr in der Folge haben, aufwiegen zu können?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Aufstockung um 500 Millionen DM ist ein Pendant zu dem, was durch das Investitionshilfegesetz wegfällt. Das habe ich ausgeführt.
Von daher kann das natürlich nicht dafür gedacht sein, die anderen Probleme, die sich in dieser Region stellen, damit erledigen zu wollen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.
— Das liegt nun in seiner Verantwortung; es tut mir leid.
— Meine Damen, meine Herren, wir sind hier an bestimmte Regeln gebunden.
Es folgt nun die Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, nachdem Ihnen nun die, glaube ich, sehr hilfreiche Erklärung des Kollegen Gautier zum Gesamtvorgang doch als Stütze dienen sollte, und Sie sehr unhöflich und sehr unwirsch geantwortet haben, darf ich Sie fragen: Stimmt das denn nun im Kern der Aussage, was der Kollege Gautier sagte, daß diese 500 Millionen DM, die Sie ja angesprochen haben, überhaupt nur zu einem kleinen Bruchteil, wenn man alle anderen Nebenwirkungen mitbedenkt, anteilmäßig dem Land Niedersachsen zugute kommen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Zum Anteil kann ich sagen, daß das Land Niedersachsen bei der GA natürlich auch im Rahmen dieser Aufstockung den Anteil
bekommen wird, den es normalerweise bekommt. Das gilt auch für alle übrigen norddeutschen Länder. Ich habe eben dargelegt, daß die Bundesregierung der Meinung ist, daß das, was durch das Investitionszulagengesetz an Hilfe für die Regionen insgesamt wegfällt, durch 500 Millionen DM zusätzliche GA ersetzt werden soll. Das ist die Beschlußlage, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Herr Kühbacher.
Herr Staatssekretär, da Sie ja bestätigt haben, daß 500 Millionen DM zusätzliche GA-Mittel 1,4 Milliarden DM nach dem Investitionszulagengesetz ersetzen sollen, was einen Saldo von 900 Millionen DM bedeutet, frage ich Sie: Würden Sie denn zustimmen, daß es für die hier in Rede stehenden Bundesländer einen zusätzlichen Investitionsausfall gibt, der die dort ja bereits vorhandene überproportionale Arbeitslosigkeit zumindest auf dem Bausektor, wenn nicht auch im Bereich der Anschaffung von Industriegütern mit sich bringt, und würden Sie weiterhin bestätigen, daß dieses erst recht, da es von der Bundesregierung inszeniert ist, zusätzlichen Handlungsbedarf für die finanz- und strukturschwachen Länder bedeutet?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kühbacher, ich habe den Saldo in dieser Form nicht bestätigt. Ich habe lediglich gesagt, daß nach den Überlegungen der Bundesregierung das Investitionszulagengesetz mit seinen Nachteilen, die von mancher Seite beklagt worden sind, abgeschafft werden soll und daß dafür diese 500 Millionen DM Gemeinschaftsaufgabe erhöht werden sollen.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß auf diese Weise die Probleme im Norden unseres Vaterlandes, die zu lösen sind, besser gelöst werden können als beispielsweise durch Mitnahmeeffekte, die wir bei der Investitionszulage immer wieder gemeinsam beklagt haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börnsen.
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Saldierung, die eben genannt wurde, mit einem Minus von knapp einer Milliarde DM zu Lasten der betroffenen Bundesländer nicht bestätigen können, besitzen Sie dann vielleicht die Freundlichkeit, dem Parlament zu sagen, welcher Saldo tatsächlich entstehen wird?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben über diese Frage in einer Fragestunde des Deutschen Bundestages bereits einmal debattiert. Hier habe ich damals dargelegt, daß die Berechnungen, je nachdem auf welches Jahr man sie bezieht, sehr unterschiedlich sind. Ich habe damals eine Berechnung angestellt auf Grund eines Dreijahreszeitraums der Inanspruchnahme der Investitionszulage. Von daher kam ein bedeutend geringerer Betrag heraus, als er eben hier genannt worden ist.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seidenthal.
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Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, die 500 Millionen DM sollen Mittel ersetzen, oder fallen dadurch Mittel weg? Das ist praktisch eine Ergänzung dessen, was der Kollege Börnsen gefragt hat.
Eine zweite Zusatzfrage vielleicht im Zusammenhang — —
Pardon, Sie haben nur eine.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Investitionszulagengesetz ist nach Meinung der Bundesregierung den Aufgaben, die damit erfüllt werden sollen, nur zu einem geringen Teil gerecht geworden. Ich habe bereits gesagt, hier seien Mitnahmeeffekte zu beklagen gewesen, die nicht zu einer Erfüllung des Zieles führen. Von daher hat die Bundesregierung im Rahmen des Subventionsabbaus im Zuge der Steuerreform 1990 den Beschluß gefaßt bzw. beabsichtigt sie, das weiter zu behandeln, daß das Investitionszulagengesetz wegfällt und daß dafür, um hier einen Ausgleich zu schaffen, Gemeinschaftsaufgabemittel um 500 Millionen DM erhöht werden.
Ich rufe die Frage 60 der Frau Abgeordneten Bulmahn auf:
Trifft es zu, daß sich die Niedersächsische Landesregierung wegen einer Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben sowie der Finanzhilfen des Bundes an die Bundesregierung gewandt hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Bulmahn, die regionale Entwicklung in den einzelnen Bundesländern ist Gegenstand eines ständigen Gedankenaustausches zwischen Bund und Ländern in den Gremien der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" . Hinsichtlich der geplanten Aufstockung der Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe verweise ich auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bulmahn.
Erste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, wären Sie oder Ihr Ministerium bereit, für jedes einzelne Bundesland eine Saldo-Rechnung aufzumachen und die auch den Abgeordneten zur Verfügung zu stellen?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich könnte mir vorstellen, Frau Kollegin, daß das eine Aufgabe ist, die wir erfüllen können.
Zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Sie haben vorhin gesagt, daß die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe um 500 Millionen DM erhöht werden sollen. Ich habe vorhin ausgeführt, daß in der Mifrifi eine drastische Kürzung dieser Mittel vorgesehen ist, die weit über diese 500 Millionen DM hinausgeht. Beabsichtigen Sie, zusätzlich zu den geplanten 500 Millionen DM Mittel aufzuwenden?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Ich habe eben bereits ausgeführt, Frau Kollegin, daß die Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe um 500 Millionen DM die Beschlußlage ist, die im Moment vorliegt. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang keine Erhöhung vorgesehen, Frau Kollegin, weil das nämlich dem Willen der Bundesregierung, Subventionen in einer Größenordnung zwischen 18 und 19 Milliarden DM abzubauen, entgegenlaufen würde.
— Nein.
Es tut mir leid, meine Damen und Herren, daß ich die Fragestunde jetzt beenden muß.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Donnerstag, den 25. Februar 1988, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.