Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine amtliche Mitteilung bekanntzugeben. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß der Abgeordnete Hansen seit dem 14. Dezember 1981 nicht mehr der Fraktion der SPD angehört.
Wir treten in die Tagesordnung ein.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über den Besuch des Bundeskanzlers in der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. bis 13. Dezember 1981
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Woche erfüllen uns die Entwicklung in Polen und die Verhängung des Kriegsrechts dort mit tiefer Sorge. Wir hören von zahlreichen Verhaftungen, von großen Internierungslagern, von Zusammenstößen, von Verletzten — und von Toten. Soldaten schießen auf Arbeiter. Gewerkschafter werden verhaftet. Die Solidarität wird zerschlagen.
Ich stehe mit ganzem Herzen auf der Seite der Arbeiter!
Wir alle wünschen von ganzem Herzen, daß der Kriegszustand in Polen alsbald beendet werde.
Johannes Paul II. hat appelliert, daß kein polnisches Blut vergossen werde, da schon so viel polnisches Blut geflossen sei. Angesichts der deutsch-polnischen Geschichte muß sich jeder deutsche Politiker diesem Appell anschließen.
Es dürfen den tiefen Leiden des polnischen Volkes nicht neue Wunden hinzugefügt werden.
Die Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben Anfang der Woche in London gemeinsam gesagt, mit welchen Gefühlen und Erwartungen die Regierungen und Völker die Vorgänge in Polen beobachten. Die Bundesregierung schließt sich dieser deutlichen Erklärung voll und ganz an. Ich teile vor allem die Erwartung, daß alle Unterzeichnerstaaten der Schlußakte von Helsinki sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen enthalten, daß die Polen ihre Probleme selbst und ohne weitere Anwendung von Gewalt lösen
und daß die polnische Regierung selber ihre Verpflichtungen aus der Helsinki-Schlußakte ernsthaft erfüllt, so daß der unterbrochene Prozeß der Reform und der Erneuerung wieder aufgenommen werden kann.
Wir stehen zu denen, die, wie der Papst, helfen wollen, daß die Entwicklung nicht für die Polen — und sogar für uns alle! — lebensgefährlich werden könnte.
Unsere eigene Politik gegenüber der Volksrepublik Polen bleibt eine Politik des strengen Respekts vor der nationalen Unabhängigkeit dieses Staates. Aber sie bleibt auch eine Politik, die unsere tiefe Sympathie mit den Menschen in Polen zum Ausdruck bringt. Wir wollen deshalb im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft die Nahrungsmittelhilfe an Polen fortsetzen.
Die vielfältige spontane Hilfsbereitschaft von Tausenden unserer Mitbürger bestätigt diesen Kurs der Bundesregierung.
Ich bitte jedermann: Lassen Sie in Ihrer aktiven Solidarität mit dem polnischen Volk nicht nach!
Diese Solidarität ist ja auch ein Ausdruck unseres deutschen Friedenswillens und unserer Friedensbereitschaft.
Den gleichen Friedenswillen beweisen die Gespräche, über die ich heute zu berichten habe.
Ich hatte am 3. Dezember den Bundestag über
Verlauf und Ergebnisse unserer Gespräche mit dem sowjetischen Generalsekretär berichten können. Ich hatte im Zusammenhang damit zweitens davon gesprochen, daß mit dem Beginn der amerikanisch-so-
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wjetischen Verhandlungen in Genf ein Tor aufgestoßen worden ist, das den Weg für Fortschritte eröffnet, den Frieden in Europa und in der Welt sicherer zu machen. Heute kann ich dem Parlament drittens Rechenschaft über mein Treffen mit dem Vorsitzenden des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik, Generalsekretär Erich Honecker, ablegen, das am 11., 12. und 13. Dezember am Werbellin-
und am Döllnsee in der Uckermark stattgefunden hat. Alle drei Ereignisse fügen sich in die friedenspolitische Gesamtkonzeption der Bundesregierung ein.
Das Treffen zwischen Herrn Honecker und mir — das erste auf deutschem Boden seit den Begegnungen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt und Kassel mehr als ein Jahrzehnt zuvor — erlaubt ein ähnliches Urteil, wie es für den Beginn der Genfer Verhandlungen gegeben wurde, und zwar in zweierlei Hinsicht: Das Treffen lieferte einen deutsch-deutschen Beitrag zur internationalen Friedenssicherung, und es bedeutete zugleich einen neuen Anlauf auf dem mühseligen Weg hin zu einem gutnachbarlichen Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten und ihren Bürgern. Die Chance zur konstruktiven Fortsetzung auf vielen Gebieten ist eröffnet.
Herr Honecker und ich hatten diese Begegnung seit längerem beabsichtigt. Wegen des Einmarsches in Afghanistan und wegen eines im vorigen Sommer drohenden Einmarsches in Polen wurde die Begegnung zweimal verschoben. Aber die Menschen in der DDR wie bei uns erhofften sich aus einer solchen Begegnung eine Perspektive für die Zukunft, und ich wollte ihnen dazu Mut machen.
Vor fast 20 Jahren haben Marion Gräfin Dönhoff, Theo Sommer und Rudolf Walter Leonhardt einem Bericht über eine Journalistenreise durch die DDR den Titel „Reise in ein fernes Land" gegeben. Seit zwölf Jahren haben sich die Bundesregierungen der sozialliberalen Koalition aus Überzeugung und mit Leidenschaft darum bemüht, diese „Ferne" zu verringern. Wir sind im Laufe dieser zwölf Jahre einander tatsächlich etwas nähergerückt. Aber die Hürden der Abgrenzung sind noch immer sehr hoch. Und für Millionen Deutsche sind diese Hürden immer noch unübersteigbar. Deshalb war das Treffen notwendig.
Das Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten hat nach einer Phase der Rückschläge den Anlauf zu neuen Fortschritten nötig.
Der sehr lange, fast 15stündige, sehr intensive und freimütige politische Meinungsaustausch zwischen Herrn Honecker und mir gehört mit zu den intensivsten Gesprächen, die ich als Bundeskanzler mit einer anderen Regierung bisher geführt habe. Er verlief übrigens in freundlichem Ton und hat insgesamt zu mehr gegenseitigem Verständnis geführt, zur besseren Befähigung, den jeweils anderen richtig in seinen Zielsetzungen, in seinen Bestrebungen einzuschätzen.
Dieses gegenseitige Verständnis ist für eine positive Entwicklung unerläßlich. Noch sind wir von gutnachbarlichen Beziehungen weit entfernt, aber wir haben in sehr schwierigen, zugleich sehr offen geführten Gesprächen größere Klarheit über die beiderseitigen Interessen gewonnen. Wir haben gesucht, Vergangenes aufzuarbeiten, um künftig zumindest vernünftiger miteinander umgehen zu können. Dies war seit langem nötig.
Wenn das Geflecht der Beziehungen verstärkt und ausgebaut werden kann, so wird es für die Menschen in beiden deutschen Staaten von Nutzen sein.
Wir haben diese Möglichkeit angestrebt, und wir haben sie wahrgenommen. Ich habe dies aus Überzeugung getan, weil nämlich die Menschen hier und ebenso drüben die Erfüllung dieser Pflicht von jedem deutschen Bundeskanzler erwarten dürfen.
Sicher gilt: Auch nach diesen Gesprächen bleibt es bei dem Spannungsverhältnis zwischen der Realität, der Wirklichkeit der Existenz zweier deutscher Staaten und der in der Präambel unseres Grundgesetzes niedergelegten Aufforderung an das gesamte deutsche Volk, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden".
Die gegensätzlichen Auffassungen in dieser Frage und in anderen grundsätzlichen Fragen sind am Werbellinsee und am Döllnsee nicht vertuscht worden. Und es hat sich keiner der Illusion hingegeben, er könne den anderen zwingen, seine Überzeugungen aufzugeben. Wir haben unsere Positionen in aller Offenheit deutlich gemacht. Das gilt auch und gerade für die nationale Frage; denn — und dies ist meine tiefe Überzeugung — der Gedanke der Nation, die Identität der Nation, ist bei uns Deutschen unverändert lebendig und gegenwärtig.
In meiner Regierungserklärung am 3. Dezember hatte ich darauf hingewiesen, daß im Vordergrund dieses Treffens das Gespräch und der Dialog zwischen den beiden deutschen Staaten stehen sollten und daß es bei dieser Gelegenheit keine Unterzeichnung von neuen Abmachungen geben werde. Ich hatte mich ausdrücklich gegen Spekulationen und Erwartungen und hochgehängte Meßlatten gewendet. Tatsächlich sind beide Seiten ohne Vorbedingungen in diese Gespräche gegangen. Wir haben unsere Anliegen unmißverständlich vertreten. Natürlich gehört dazu auch die Mindestumtauschregelung.
Die Bundesminister Franke und Graf Lambsdorff haben durch persönlichen und sachlichen Einsatz dazu beigetragen, daß diese Reise Früchte tragen kann. Im nächsten Jahr können — so ist meine begründete Hoffnung — Bewegungen für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in verschiedenen Bereichen erkennbar werden.
Es ist in den Gesprächen deutlich geworden, daß auch die DDR-Führung an einer Überwindung der
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Stagnation interessiert ist. Ich entnehme einem Interview, das Generalsekretär Honecker am Mittwoch dem „Neuen Deutschland", einer in Ost-Berlin erscheinenden Zeitung der SED, gegeben hat, daß auch er im Geiste des Treffens an die praktische politische Umsetzung der Gesprächsergebnisse herangehen will.
Wir selbst haben schon begonnen, die Anstöße, die sich aus dem Treffen ergeben haben, in die Praxis umzusetzen. Gestern wurde eine Vereinbarung über eine sechsmonatige Verlängerung der derzeit geltenden Swing-Regelung getroffen, deren Auslaufen seit Jahren auf den 31. Dezember dieses Jahres terminiert gewesen war.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen uns und der DDR sind ausbaufähig. Beide Seiten sind bestrebt, sie auszubauen. Dazu kann auch ein langfristiges Rahmenabkommen Impulse beitragen, das die Ernsthaftigkeit einer langfristigen Ausgestaltung des deutsch-deutschen Verhältnisses zum Ausdruck bringt und weiterhin fördert.
Beide Seiten wollen demnächst Gespräche darüber aufnehmen. Es besteht Einvernehmen, daß die bestehenden Verfahren und Abkommen — also insbesondere das Berliner Abkommen von 1951 — nicht eingeschränkt, sondern daß sie ergänzt werden sollen. Die kommerziellen Verträge würden weiterhin voll im Rahmen der bestehenden Abkommen abgewickelt werden. Die TSI würde als Treuhandstelle für Industrie und Handel uneingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen, einschließlich — wie bisher — aller Berliner Firmen.
Aber es gibt auch keinen Zweifel, daß wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Beziehungen herausgelöst werden können. Wir haben der anderen Seite auch bei diesem Treffen deutlich gemacht, daß vor allem der Mindestumtausch, die Fragen des Reise- und Besucherverkehrs in beiderlei Richtung sowie die humanitären Fragen in den gleichen politischen Zusammenhang gehören, wenn auch einzelne Entscheidungen nur souverän getroffen werden können.
Wie erwartet, hat die DDR-Führung ihre Grundsatzforderungen aufrechterhalten; ich will sie hier nicht nochmals aufzählen. Ich habe unterstrichen, daß die Bundesregierung sich strikt an das Grundgesetz und an die Bestimmungen des Grundlagenvertrages hält und halten wird. Eine Änderung dieser Grundlagen kommt nicht in Betracht.
Die Bundesregierung wird sich aber bemühen, in praktischer Hinsicht das zu tun, was innerhalb dieses Rahmens ihr möglich ist. Die DDR hat verstanden, daß für uns die deutsche Staatsangehörigkeit unabdingbar ist, wie sie durch das Grundgesetz vorgegeben wird. Uns ist bewußt, daß die DDR 1967 ein eigenes Staatsbürgerschaftsgesetz erlassen hat. Wir sollten aber nicht aus dem Auge verlieren, daß nicht alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik — ich verwende hier die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts! —, die zu uns kommen, bei uns Rechte in Anspruch nehmen wollen, die jedem Deutschen zustehen. Ich denke hier z. B. an Vertreter von Institutionen, von Betrieben oder Medien der DDR, die vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten.
Mir will z. B. nicht einleuchten, warum sie zu allgemeinen Wahlen Wahlbenachrichtigungen erhalten oder von Wehrersatzämtern erfaßt werden. Wenn wir in diesem Sinne die tatsächlich existierende DDR-Staatsbürgerschaft respektieren — in diesem Sinne —, so wird der uns vom Gesetz und Grundgesetz vorgegebene Rahmen sicherlich nicht angetastet.
Die nicht zu behebenden Unterschiede und Gegensätze in grundsätzlichen Fragen müssen durch ein Geflecht des für beide Seiten praktisch Möglichen und Vernünftigen gemildert werden. Nur auf diesem Wege sind vernünftige nachbarschaftliche Beziehungen zu erreichen, die dann später zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen ausgebaut werden können,
um sodann noch später in ein wirkliches Miteinander einzumünden.
Wir haben uns für die angenehme Gastfreundschaft von seiten der DDR-Führung bedankt. Auf den Schluß des Treffens hat allerdings der übertriebene Polizei- und Parteieinsatz in Güstrow einen Schatten geworfen,
der vielen Güstrower Bürgern die Möglichkeit genommen hat, Herr Mertes, mit meinen Begleitern und mir direkten Kontakt zu haben.
Der Kontrast zwischen dem Verständnis in den Delegationsgesprächen einerseits und diesem Spectaculum andererseits beleuchtet die Schwierigkeiten,
denen sich deutsch-deutsche Begegnungen noch immer gegenübersehen.
Aber Güstrow steht auch, meine Herren Zwischenrufer, für eine andere Erfahrung. Unser gemeinsamer Besuch im Dom, der Besuch des — ich zitiere — „Marxisten Erich Honecker und des Christen Helmut Schmidt" — wie Landesbischof Heinrich Rathke uns beide dort angeredet hat —, dieser Besuch und das Fernsehbild dieser drei Personen nebeneinander auf dem Gestühl des Chores
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hat den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik und den Bürgern bei uns — und zwar nicht nur den Christen unter uns! — ein wichtiges Zeichen der Gemeinsamkeit gegeben.
Dies war ein wichtigeres Zeichen der Gemeinsamkeit, Herr Abgeordneter Marx,
als Tischreden, Kommuniqués, Resolutionen oder Zwischenrufe dies geben können.
Ich selbst kann an dieses Erlebnis im Güstrower Dom nicht ohne innere Bewegung zurückdenken. Der Landesbischof hatte Herrn Honecker und mich darauf hingewiesen, daß Barlach, der Güstrower Dom und die Backsteingotik des Ostseeraumes Symbole dessen sind, „was wir gemeinsam haben", so sagte er, „gemeinsame Vergangenheit und Erinnerung". Ich habe ihm erwidert, daß dieses Erbe auch gemeinsame Zukunft bedeuten könne.
Bundesminister Franke und Staatsminister Huonker haben in meinem Namen Kränze im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen und auf dem Soldatenfriedhof Halde niedergelegt, wo neben deutschen Soldaten russische Zwangsarbeiter beerdigt sind. Auch dies hat die gemeinsame Vergangenheit ins Bewußtsein gerufen, den gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund, auf dem die Bemühungen um Annäherung und Verständnis erst ihre Tiefenschärfe gewinnen.
Dieser gemeinsame geschichtliche Hintergrund gilt heute unverändert so wie damals, als nach 1969 die sozialliberale Koalition die Wende in der Deutschlandpolitik eingeleitet und mit dem Vertragswerk der frühen 70er Jahre Grundlagen und Rahmen für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander geschaffen hat. Damals hat sich diese Koalition aktiv in den zwischen den beiden Weltmächten in Gang kommenden Entspannungsprozeß eingeschaltet. Sie hat ihn zugleich genutzt, und sie hat ihn zugleich verstärkt. Heute bieten die kritischen, die gefährlichen Probleme zwischen Ost und West eine völlig andersartige Chance, nämlich durch friedenspolitische Anstrengungen zugleich zu besserer deutsch-deutscher Nachbarschaft zu gelangen.
Natürlich waren unsere Gespräche ein Teil des heute so dringend nötigen Dialogs zwischen West und Ost. Wir haben natürlich die Lage in Europa sorgfältig erörtert, dabei besonders über Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle gesprochen. Wir haben die Gegensätze dabei nicht verkleistert, sondern sehr klar und sehr offen miteinander geredet. Ich habe — auf der Grundlage der gemeinsamen westlichen Position unseres Atlantischen Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaft — gegenüber Herrn Honecker natürlich ebenso eindeutig gesprochen wie schon vier Wochen zuvor gegenüber Herrn Breschnew.
Als Deutsche in der DDR und als Deutsche in der Bundesrepublik Deutschland tragen wir gemeinsame Verantwortung dafür, daß durch unseren Umgang miteinander Spannungen in Europa nicht verschärft, sondern so weit wie möglich abgebaut werden.
Unsere Partner im Westen, aber auch unsere Nachbarn in Osteuropa müssen und können darauf vertrauen — so habe ich dies vor dem Bundestag am 9. April dieses Jahres gesagt —, daß jedenfalls von der Entwicklung in Deutschland keine zusätzlichen Spannungen ausgehen.
Im Kommuniqué vom letzten Sonntag heißt es, „..., daß vom Verhältnis der beiden deutschen Staaten keine zusätzlichen Belastungen für das Ost-
West-Verhältnis ausgehen dürfen".
Dies ist ein wesentliches Element der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung.
Nun zweifle ich nicht, daß die Sorge um die Erhaltung des Friedens auch im Denken und in der Politik der politischen Führer der DDR eine zentrale Rolle spielt. Ich zweifle nicht daran, daß der Wille zum Frieden in der DDR ebenso stark ist wie bei uns.
Ich stimmte mit Generalsekretär Honecker überein: Vorrangige Aufgabe ist, konkrete Vereinbarungen über ein stabiles Gleichgewicht der militärischen Kräfte in Europa auf möglichst niedrigem Niveau zu erzielen. Zu einem Zeitpunkt, in dem die zentralen Verhandlungen über Mittelstreckenwaffen in Genf eben begonnen haben, ist diese Übereinstimmung wichtig, und ich hoffe, sie ist hilfreich.
Ich halte es für nützlich und für notwendig, diesen Meinungsaustausch über internationale Fragen mit der DDR fortzusetzen, sei es bei späteren Begegnungen mit Generalsekretär Honecker, sei es in Gesprächen der Außenminister, die es ja schon mehrfach gegeben hat. Durch solchen Meinungsaustausch soll und kann Vertrauen wachsen.
Ich stimme Bundesminister Genscher nachdrücklich zu, wenn er formuliert, daß man nach neuen Wegen sucht, um die Sicherheit der Völker durch einen Ausgleich, durch eine Verzahnung der Interessen zu gewährleisten und eben nicht in dem Streben nach Überlegenheit oder gar nach ideologischer Missionierung. Ich wiederhole Genschers Wort von der Deutschlandpolitik als europäischer Friedenspolitik.
In der Tat können bessere deutsch-deutsche Beziehungen dazu beitragen, das Verhältnis zwischen West und Ost in Europa stetiger und verläßlicher zu machen.
Nun haben im Nachhinein der bayerische Ministerpräsident und einige andere mir geraten, wir hätten angesichts der Entwicklung in Polen unsere
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Gespräche mit Generalsekretär Honecker und seiner Delegation Sonntag früh abrupt abbrechen sollen. Ich frage mich, was sie eigentlich erreichen wollten, die mir solches angeraten haben. Welchen Menschen wollten Sie damit eigentlich helfen?
Welche Menschen hätten davon einen Nutzen haben sollen? — Wenn Sie mir „Polen" dazwischenrufen, antworte ich Ihnen: Eine vorwegnehmende Dramatisierung der Ereignisse in Polen ausgerechnet durch uns Deutsche hätte tatsächlich weder den Polen noch den Deutschen genützt.
Deutsche dürfen sich noch immer nicht zum Richter über Polen aufwerfen, noch immer nicht!
Es war umgekehrt vielmehr richtig und hat umgekehrt viel mehr der internationalen Lage und der DDR geholfen, daß ich am Sonntagmorgen auf dem Boden der DDR öffentlich und für alle Bewohner der DDR hörbar der Hoffnung Ausdruck geben konnte, daß es den Polen gelingen möge, ihre inneren Konflikte allein und selbst zu lösen.
Ich habe am 3. Dezember hier an diesem Ort gesagt, das Erscheinungsbild der CDU und CSU in der Friedens- und Sicherheitspolitik sei diffus. Ich habe damals die Opposition um Klarstellung ihres Kurses und ihrer Absichten gebeten. Diese Klarstellung ist bisher nicht erfolgt; und heute erlebt jedermann erneut die gleiche Direktionslosigkeit.
So sagt der Berliner Regierende Bürgermeister von Weizsäcker, CDU, unter großem Beifall einer großen Versammlung in Berlin, niemand hätte es verstanden, wenn unsere Reise in die DDR wegen der Ereignisse in Polen abrupt abgebrochen worden wäre; dies hätte vielmehr die neuerlichen deutsch-deutschen Ansätze, dies hätte Vertrauen zerstört.
Ich teile von Weizsäckers Meinung, die übrigens den spezifischen Interessen der Stadt entspricht, die er zu regieren hat.
Herr Ministerpräsident Strauß, CSU, sagt gleichzeitig öffentlich das Gegenteil. Und Herr Ministerpräsident Späth, CDU, äußert sich wiederum auf der Linie von Weizsäckers.
Herr Kohl, der eine gemeinsame Fraktion von CDU und CSU leitet, muß sich nun heute morgen zwischen diesen beiden Auffassungen entscheiden.
Herr Dr. Kohl, Sie werden diese Entscheidung nicht gerne treffen. Wir erkennen ja, wie in der trügerischen Hoffnung auf einen raschen Kanzlerwechsel allzu leicht vergessen wird, daß jedweder Führungsanspruch nur durch klare Zielsetzung, durch Leistung und durch Entscheidungskraft begründet werden kann.
Wer kein Risiko eingehen will, der kann auch nichts gewinnen.
Wer in der schwierigen, in der komplizierten, in der gefahrenträchtigen Lage in der Mitte Europas, wer in solcher Lage seinem Nachbarn das Gespräch verweigert oder das Gespräch abbricht, der vergeht sich gegen unser Interesse.
Und wer in Europa Gewalt anwendet, der vergeht sich gegen die Menschenrechte.
Und wer sich von außen mit Gewalt in ein anderes Land einmischt, der vergeht sich gegen das Völkerrecht und gegen den Frieden.
Wir haben solches alles in den vergangenen drei Jahrzehnten schon des häufigeren miterlebt. Nicht nur wir Deutschen und nicht nur die Polen haben Angst, dies alles könnte sich wiederholen.
Alle Europäer wissen: Auch ihr Frieden könnte aufs Spiel gesetzt werden. Auch auf die deutschdeutschen Gespräche und Beziehungen könnten schwere Schlagschatten fallen. Die Großwetterlage der Welt wird nicht in Ost-Berlin gemacht und nicht in Bonn. Aber Bonn muß und wird alles tun, um Gefährdungen abzubauen, und wir werden alles tun, unsererseits Zuspitzungen zu vermeiden.
Wir stützen uns dabei auf das Einverständnis innerhalb unseres Bündnisses. Zu ihm tragen wir bei mit unserer Verständigungsbereitschaft, aber ebenso mit unserer Verteidigungsbereitschaft und mit der Pflichterfüllung durch unsere Bundeswehr.
Wir lassen uns von der doppelten Erkenntnis leiten: Nie wieder darf ein Krieg von deutschem Boden
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ausgehen; nie wieder darf Deutschland durch einen Krieg verheert werden.
Dies ist in der Tat der Kern! Und diesem Ziel dienten auch meine Gespräche mit Herrn Honecker.
In Güstrow und in Lübeck, in Köln und in Magdeburg, in Dresden und in München, überall erwarten die Deutschen von uns, daß wir unsere Pflicht tun; unsere Pflicht, die in der gemeinsamen deutschen Geschichte begründet ist, unsere Pflicht, die in der schuldbeladenen gemeinsamen deutschen Geschichte begründet ist.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, wenn man über Ihre Regierungserklärung debattieren will und eine Aussage dazu machen muß
— selbstverständlich; das ist j a der Sinn der Aussprache —, dann muß man natürlich auch Ihre Außerungen während Ihres Reiseaufenthalts im Gebiet der DDR mit zugrunde legen.
Bevor ich dies aber tue, will ich noch eine Bemerkung machen zu dem Ausflug in die deutsche Innenpolitik, den Sie wiederum unternommen haben. Herr Bundeskanzler, ich kann dazu nur sagen: Sie wären doch ein glücklicher Mensch, wenn Sie in den Grundfragen der deutschen Politik eine solche Übereinstimmung in der SPD hätten, wie wir sie in der CDU/CSU selbstverständlich haben.
Wenn ich als Vorsitzender meiner Partei — oder auch als stellvertretender Vorsitzender, aber immer noch erhoben, auch im Selbstgefühl der Kanzlerschaft — vor einen Landesparteitag träte wie Sie vor 14 Tagen in Bremen und den Landesparteitagsdelegierten genau das vortrüge, was ich für elementar für die deutsche Politik halte, und wenn dann anschließend diese Delegierten das genaue Gegenteil beschlössen, würde ich mir ernsthaft überlegen, Herr Bundeskanzler, ob es nicht Zeit ist, in meiner Partei abzutreten. Das ist das, was man Ihnen sagen muß.
Ich fände es sehr viel mutiger von Ihnen, wenn Sie auch hier einmal offen sagten, mit wem Sie es in Ihrer Partei zu tun haben, als derlei Ausflüge zu unternehmen. Sie haben für die Sicherheitspolitik Ihrer Regierung in diesem Hause in Wahrheit doch nur deswegen eine Mehrheit, weil die CDU/CSU für diese Sicherheitspolitik eintritt.
Ihre eigene Partei kann es j a nicht einmal mehr wagen, auf dem nächsten Parteitag diese Themen zu diskutieren.
Aber dieser Ausflug hatte natürlich einen zugleich pädagogischen und strategischen Sinn: Die Dürftigkeit des Ergebnisses Ihres Besuches sollte durch diese Ausfälle überdeckt werden.
Herr Bundeskanzler, wer die Gespräche im Fernsehen verfolgt hat, der wurde mit Bildern und Worten konfrontiert, die viel mehr Aussagekraft haben als das gemeinsame Kommuniqué über Ihre Gespräche mit Herrn Honecker. Diese Bilder haben Symbolcharakter. Millionen unserer Landsleute diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs haben diese Bilder gesehen.
Am Samstagabend schloß die Fernsehberichterstattung mit der Nachricht, daß ein Bürger der DDR die Sperranlagen überwinden wollte und dabei von einer Selbstschußanlage schwer verletzt wurde. Auch das gehört zu den Bildern mitten aus Deutschland.
Am Sonntag, Herr Bundeskanzler, sprachen Sie auf der abschließenden Pressekonferenz von Frieden, von Entspannung und Abrüstung, während die Nachrichten mit der Meldung über den Kriegszustand und die Internierung von Tausenden von Polen eingeleitet wurden. Am Nachmittag desselben Tages mischten sich im deutschen Fernsehen die Bilder eines Weihnachtsmarktes mit den Bildern von Geheimpolizisten in allen Hausfluren Güstrows, von Hundertschaften der Volkspolizei am Rande der Straßen und mit Bildern von bestellten Jublern mit ihren kläglichen Hochrufen auf den Generalsekretär der SED.
Bedrückend wirkten die Fernsehbilder von Ihrem Besuch, Herr Bundeskanzler, in der Barlach-Gedenkstätte in Güstrow. Zusammen mit Erich Honekker erwiesen Sie einem großen deutschen Künstler Ihre Reverenz,
einem Künstler, dessen Liebe zum leidenden Menschen eine zwingende Konsequenz seiner Vorstellungen von der Würde des Menschen war. Sein unbestechlicher Wirklichkeitssinn und seine Phantasie haben Ernst Barlach früher als andere erkennen lassen, daß totalitäre Politik immer zur Quelle persönlichen Leids wird. Die nationalsozialistische Diktatur war für ihn die Inkarnation des Bösen. So fände sich Barlach, hätte er das Hitler-Regime überlebt, heute mit großer Gewißheit in totaler Opposition zur kommunistischen Variante totalitärer Politik, wie sie heute Alltag im anderen Teil Deutschlands ist.
Er stünde auf der Seite derjenigen, Herr Bundeskanzler, die sich nicht mit der Unterdrückung der Menschenrechte, mit der Verweigerung der Bürgerrechte, mit dem politisch verfügten Leid ihrer Mitbürger abfinden könnten.
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Dr. Kohl
Wenn der Führer durch die Barlach-Gedenkstätte vor Ihnen, Herr Bundeskanzler, und vor Herrn Honecker an die Zeilen „Freiheit, die ich meine" erinnert hat, denen Barlach in der NS-Zeit Gestalt geben wollte, dann wirkte dies an diesem Ort, in dieser Begleitung vor dem frei gewählten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und dem Repräsentanten der kommunistischen Diktatur makaber,
denn weder das Freiheitsverständnis des Autors der Zeilen: „Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt" — ich meine Max von Schenkendorf —, der im Kampf gegen Napoleon darunter die Unabhängigkeit und die nationale Einheit Deutschlands verstand, noch die von Ernst Barlach damit verbundenen bürgerlichen Freiheiten, die vom Nationalsozialismus aufgehoben wurden,
sind Möglichkeit des Denkens und Handelns für die SED. — Meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie bei solchen Passagen unruhig werden, zeigt, wie weit wir uns im Denken voneinander entfernt haben.
Mit der Partei Kurt Schumachers wäre es kein Problem gewesen übereinstimmend über diese Fragen zu reden.
In der totalitären Alltagspolitik der SED hat weder die Idee der nationalen Einheit, wie wir sie verstehen, noch die Forderung nach persönlicher Freiheit einen Platz. Deswegen, Herr Bundeskanzler, wäre es schon interessant, von Ihnen zu erfahren: Warum haben Sie sich in dieser Gedenkstätte in Güstrow dieser Peinlichkeit ausgesetzt? Daß es peinlich war, hat j a selbst Herr Brandt empfunden, der ja auch von „Peinlichkeiten in Güstrow" sprach.
Herr Bundeskanzler, auch wenn es eine Kleinigkeit ist, aber Millionen — ich werde Ihnen gleich bestätigen, wer alles noch — haben es so empfunden: Auf dem Bahnhof reicht Ihnen der Generalsekretär ein Bonbon, von dem viele sagen: Das ist das einzige, was Sie möglicherweise von dieser Reise mitgebracht haben.
Meine Damen und Herren, das alles sind Szenen aus der deutschen Wirklichkeit des Jahres 1981.
— Verehrter Herr Kollege, mit Ihnen in der SPD diskutieren wir allemal über die deutsche Frage, und wir haben keinen Nachholbedarf im Erweisen patriotischer Gesinnung. Herr Ehmke, Sie sollten bedenken, wer da vielleicht Nachholbedarf hat.
Herr Bundeskanzler, ich will vor allem auf drei Ihrer Reaktionen in der DDR eingehen. Auf die Ereignisse in Polen angesprochen, sagten Sie:
Herr Honecker ist genauso bestürzt gewesen wie ich,
daß dies nun notwendig war.
Herr Bundeskanzler, muten Sie uns wirklich zu, zu glauben, daß Herr Honecker über die Maßnahmen des polnischen Militärrats bestürzt war? Was glauben Sie eigentlich, was unsere Mitbürger in beiden Teilen Deutschlands von der Politik des Herrn Honecker in dieser Frage halten?
Nicht zuletzt er war es doch, der allen voran im Reigen der kommunistischen Parteiführer im Warschauer-Pakt-Bereich schon seit Monaten am entschiedensten ein hartes Vorgehen gegen die Reformkräfte in Polen gefordert hat.
Herr Bundeskanzler, es muß Ihnen doch bekannt sein, daß jene tumbe, an Nazi-Methoden erinnernde Hetze gegen das polnische Volk — seine angebliche Faulheit und was sonst noch alles erzählt wird — ja von den Agitatoren der SED drüben in der DDR Tag für Tag unter die Leute gebracht wird.
Und wenn Ihnen dies bekannt war — ich muß unterstellen, daß Ihnen dies bekannt war —, wie können Sie uns dann zumuten, über alle deutschen Sender hören zu müssen: Herr Honecker ist genauso bestürzt gewesen wie ich, daß dies nun notwendig war!
— Ja, daß dies „notwendig" war; ich betone das: „notwendig war". Was ist das eigentlich für ein Denken mitten in Deutschland mit Leuten, mit denen es doch wirlich in diesem Punkt keinerlei Gemeinsamkeit gibt!
An anderer Stelle sagten Sie — ich zitiere wörtlich —:
Und deswegen ist sowohl Herr Honecker als auch ich unter der uns gegenseitig stark ausgesprochenen Hoffnung, daß es den Polen gelingen möge, die uneinigen Kräfte ihres Landes auf der Grundlage eines Übereinkommens zur Einigung zu führen und dies fertig zu bringen, ohne daß jemand sich von außen einmischt.
Wir stimmen Ihnen zu, daß dies eine Hoffnung ist. Aber glauben Sie wirklich im Ernst, daß dies auch die Hoffnung von Herrn Honecker ist? Glauben Sie denn im Ernst, daß Herr Honecker aus seiner Interessenlage heraus überhaupt fähig ist, in dieser Sa-
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che die gleiche Sprache zu sprechen, wie Sie und wir das tun?
Es ist richtig: Um des Friedens und um der Entspannung willen wäre dies wünschenswert. Nur, meine Damen und Herren, das, was wünschenswert ist, ist eine Sache; das, was eine realistische Betrachtung des Regimes der SED betrifft, ist eine andere Sache. Und hier muß ich doch die Frage stellen: Herr Bundeskanzler, wer hat wem hier etwas vor der deutschen Öffentlichkeit vorgemacht?
Herr Bundeskanzler, Sie mußten doch davon ausgehen, daß Generalsekretär Honecker über die Maßnahmen der polnischen Führung im voraus unterrichtet worden war. Sie mußten doch auch davon ausgehen, daß diese Maßnahmen der polnischen Führung — getroffen nicht nur im Einverständnis, sondern vielleicht sogar nach Weisung der Machthaber im Kreml — auch die spätere Billigung erfahren würden. Das haben Sie ja auch, kaum waren Sie abgereist, erfahren. Was soll aber dann — dies ist meine Frage — der Versuch, die polnischen Ereignisse in einer gemeinsamen Bewertung mit Herrn Honecker zusammenzufassen? Das kann doch nur Ihre eigene, unsere eigene deutsche Position, die Position der Bundesrepublik Deutschland, ins Zwielicht bringen.
Wenn Sie schon nicht die Konsequenz gezogen haben, abzureisen, dann, finde ich, sollten Sie einmal die Gründe dafür ins Feld führen. Das, was Sie hier soeben polemisch angemerkt haben, ist doch keine Begründung, Herr Bundeskanzler, für das, was Sie für richtig gehalten haben.
Man kann doch sehr wohl darüber diskutieren, ob man die Entscheidung trifft, abzureisen, oder ob man glaubt, man müsse durchhalten. Aber man kann und muß es begründen. Die Begründung, die ich soeben neben den polemischen Nebentönen von Ihnen gehört habe, war, daß es nicht Sache der Deutschen sei, sich als Richter über die Polen — so habe ich wörtlich notiert — aufzuspielen. Herr Bundeskanzler, wer mutet uns, wer mutet Ihnen denn zu, hier Richter zu spielen? Wenn eine frei gegründete Gewerkschaft, eine Gewerkschaftsbewegung, der die breite Sympathie des Landes gehört, mit brutalen Terrormethoden unterdrückt wird, wenn Zehntausende, viele Zehntausende praktisch in Konzentrationslager eingeliefert werden — lassen Sie uns diesen Begriff nennen, der leider Gottes auch durch deutsche Schuld zu einem Begriff für diese Dinge geworden ist —, wenn Menschen wegen ihrer Gesinnung ermordet und erschossen werden — dann, Herr Bundeskanzler, muß man schon begründen, warum man sich so oder so verhält. Das ist doch keine Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, und die Deutschen spielen sich doch wahrlich nicht als Richter auf. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß irgendein polnischer Bürger meint, wir würden uns in die inneren Angelegenheiten der stolzen Polen einmischen, wenn wir heute gegen Unrecht protestieren, das dort geschieht. Die Leute warten auf das Wort der Sympathie von uns.
Ich hätte Sie an diesem Punkt nicht angesprochen, wenn Sie in der Beurteulung und Begutachung anderer Völker und Länder sonst immer genauso zurückhaltend gewesen wären, Herr Bundeskanzler.
Sie haben sich ja in der Weltpolitik einen gewissen Ruf als jener Mann erworben, der seine Meinung eilfertig zum besten gibt — und zwar in einer Form, die für die Betroffenen oft nicht sehr erfreulich ist. Wenn dieser Ruf bei Ihnen nicht beheimatet wäre, wäre jetzt kein Grund gegeben, über dieses Thema zu reden. Eines muß aber klargestellt werden, weil es ein schlimmes Wort war, das Sie hier gesprochen haben: Wenn wir jetzt über Polen reden und den Polen unsere Sympathie bekunden, dann sind wir nicht die Richter Polens, sondern wir möchten die Freunde Polens sein. Das ist das, was in dieser Stunde gesagt werden muß.
Eine andere Äußerung von Ihnen hat uns sehr betroffen gemacht. Auf die Frage eines Journalisten:
Haben Sie denn überhaupt nichts in Ihrer Tasche, von dem Sie sagen könnten, das ist das eigentlich Neue?
Antworteten Sie — wörtliches Zitat —:
Ich habe Ihnen ja allen vorher in Bonn angekündigt und es ankündigen lassen, daß ich die Absicht nicht hätte. Und ich hatte wirklich nicht. Wenn ich etwas Neues mitbringen könnte, würde ich es vielleicht nicht mal nennen wollen; denn ich möchte den Eindruck zerstören, als ob Deutsche nur dann miteinander reden könnten, wenn etwas dabei herauskommt. Das ist eine krämerische Betrachtung.
— Sie brauchen doch in der jetzigen Lage der FDP Ihr Übersoll nicht bei jedem Punkt durch Applaus oder durch anderes zu bekennen.
Daß der Kanzler bei dieser Passage, die er sicher selber gerne ungeschehen machen würde, von Ihrer Seite auch noch Applaus bekommt, ist schon bedeutsam für den Zustand der FDP.
Herr Bundeskanzler, was hatten denn Sie selber vorher alles angekündigt? Sie hatten doch gesagt, eine solche Gipfelbegegnung mit Herrn Honecker habe nur dann einen Sinn, wenn — so wörtlich — „substantielle Ergebnisse" möglich seien. Einige Zeit später erklärten Sie plötzlich, ein solches Treffen sei „ein Wert an sich". Bundesminister Franke hat das gleiche vor Ihrer Reise gesagt. Das ist doch ein törichtes Wort. Wie töricht es ist, beweist Ihre Feststellung, daß Sie Ihre Kenntnisse über die Poli-
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tik der DDR über die Aktenlage hinaus erweitern konnten.
Dieses Wort war aber vor allem auch deswegen töricht, weil es ein Freibrief für die DDR-Führung war, über Zugeständnisse gar nicht nachdenken zu müssen — geschweige denn Zugeständnisse gewähren zu müssen. Ich frage mich wirklich, Herr Bundeskanzler: Warum haben Sie ohne jede Not schon vor diesem Gespräch Ergebnisse zunichte gemacht? Sie haben doch damit selbst ein wichtiges Kapital aus der Hand gegeben. Es kann doch nur zum Vorteil sein, wenn alle Regierungsverantwortlichen, also auch Herr Honecker, wissen, daß sie unter einem hohen Erwartungsdruck, auch ihrer eigenen Mitbürger in der DDR, stehen. Das kann man doch nicht einfach mit der linken Hand vom Verhandlungstisch wischen.
Herr Bundeskanzler, es ist doch geradezu eine Verhöhnung unserer Landsleute in beiden Teilen Deutschlands — aber vor allem in der DDR —, ihre Erwartungen an diesen Besuch so einfach zu diskriminieren. Ich habe am vergangenen Dienstag wieder einen ganzen Tag Gelegenheit gehabt, mich in Ost-Berlin in vielerlei Gesprächen mit Mitbürgern der DDR darüber zu unterhalten. Es ist doch aus dem Alltag unserer Mitbürger im anderen Teil Deutschlands heraus ganz selbstverständlich, daß auch Erwartungen geweckt werden, wenn ein solches Treffen mit jenem ungeheuren propagandistischen Aufwand, den die DDR-Führung betrieben hat, zustande kommt. Man kann doch diesen Menschen, die ihr Leben dort führen müssen, die gewissermaßen auf der Schattenseite der deutschen Geschichte leben, nicht sagen: Es ist eine krämerische Betrachtung, wenn gesagt wird, es müsse etwas dabei herauskommen. Das ist eine Verhöhnung jener selbstverständlichen Erwartungen, die unsere Mitbürger in beiden Teilen Deutschlands an diese Reise geknüpft haben.
Herr Bundeskanzler, Sie haben auf Ihrer Pressekonferenz in der Jugendhochschule Wilhelm Pieck in Biesenthal folgendes gesagt — ich zitiere —:
Es wird Zeit, daß man den gegenwärtigen Zustand in Deutschland in eine geschichtliche Perspektive bekommt, damit er eine Zukunft hat, daß man eine realistische Einschätzung der Zukunft sich selber macht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was ist denn die geschichtliche Perspektive, die realistische Einschätzung der Zukunft der heute lebenden Generation? Diese Perspektive — das ist doch hoffentlich unter uns unstreitig — heißt doch vorrangig: Überwindung der Folgen der Teilung, weil wir wissen, daß wir gegenwärtig die Teilung selbst nicht überwinden können. Diese Perspektive muß dann doch sein: Mehr menschliche Erleichterungen, mehr Reisemöglichkeiten in beide Richtungen, mehr Menschenrechte. Darüber muß, wann immer möglich, mit der DDR-Führung gerungen werden, zäh und ausdauernd, um jeden Fortschritt für die Menschen selbst. Deswegen sind wir ja für Gespräche mit der DDR.
Ist es dann aber richtig, so hohe Erwartungen, so große Zumutungen an die DDR-Adresse zu richten, wie sie sagen? Handelt es sich nicht einfach um Mitmenschlichkeit, schlichte Mitmenschlichkeit, wenn wir fordern, die Zwangsumtauschgebühren zu senken — vor allem für Rentner und junge Leute —; getrennte Familien zusammenzuführen, Kinder zu ihren Eltern, Eheleute zueinander kommen zu lassen; mehr Reisemöglichkeiten bei den verschiedenen Familienanlässen oder überhaupt mehr Reiseerleichterungen in beiden Richtungen — und nicht erst im Rentenalter — zu gewähren? Das sind nur wenige Beispiele für die Probleme, die den Menschen im geteilten Deutschland auf den Nägeln brennen. Wir müssen sie um der einen Nation willen und um unserer bedrängten Landsleute willen der DDR-Führung zumuten. Das muß Teil deutscher Politik sein.
Es ist ein eigenartiger Zustand auch in diesem Hohen Haus, daß manche schon glauben: Wenn man über Menschenrechte mitten in Deutschland redet, redet man im Geist des Kalten Krieges.
— Doch, Herr Kollege, Sie wissen, daß dies so ist. Meine Damen und Herren, wer soll eigentlich über Menschenrechte in Deutschland reden — wenn nicht die Deutschen selbst im freien Teil unseres Vaterlandes?
In Ihrer Tischrede sagten Sie zu Recht: „Nach meiner tiefen Überzeugung ist der Nations-Gedanke bei allen Deutschen unverändert lebendig." Wir stimmen Ihnen zu. Wie lebendig dieser Gedanke für die SED ist, sahen wir in Güstrow, als die Bürger dieser Stadt eingesperrt wurden, weil der Gast aus Bonn da war.
Es muß uns immer wieder um die nationale Identität gehen, um das Gesicht der Deutschen und ihr Bewußtsein von sich selbst. Es geht um die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft — und es ist unser Auftrag, hier immer wieder Zeichen zu setzen.
Wir müssen begreifen, daß sich seit jenem Ulbricht-Aufruf von 1947 „Vorwärts zum sozialistischen Deutschland" drüben zwar viel geändert hat — nicht aber der fundamentale Anspruch der Machthaber in Ost-Berlin, daß der Sozialismus/ Kommunismus siegen und auf diese Weise eine deutsche Wiedervereinigung im Zeichen des Sozialismus stattfinden werde.
Die DDR hat bei der Betrachtung der nationalen Frage mancherlei Wandlungen durchgemacht. Die amtliche DDR hat auf die Theorie der friedlichen Koexistenz mit einer scharfen Ideologisierung ihrer Politik und mit dem Mauerbau geantwortet. Sie hat auf die Politik der Entspannung, der Ostverträge und des nüchternen Interessenausgleichs mit im-
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mer neuen Aufrufen zu Abgrenzungsaktionen geantwortet. Der Begriff Deutschland sollte getilgt werden. Jede Erinnerung an die gemeinsame deutsche Geschichte wurde verdammt. Das alles paßte — und paßt — in das Bild einer durch und durch unsicheren Führung, die vom freien Austausch der Ideen nichts Gutes erwarten kann.
Und doch werden wir seit Jahren Zeugen einer konsequenten Aneignung der deutschen Nationalgeschichte durch die DDR und ihre Staatspartei. Ihr geht es um die gesamte deutsche Vergangenheit. Geschichte ist in der DDR nicht eine Sache für Festtagsreden und für's Feuilleton. Geschichte ist ein Element der geistigen Herrschaftssicherung. Wer über die Geschichte verfügt, verfügt über den Schlüssel zur Deutung der Gegenwart und zur Bestimmung der Zukunft. Die deutsche Geschichte ist für die DDR in den letzten Jahren zum Schlüssel für die deutsche Identität, für die deutsche Nation und für die Zukunft unseres Volkes geworden.
Im Zusammenhang mit diesem Besuch hat uns eine Bemerkung des Bundesaußenministers mit Sorge erfüllt. Er sagte, daß bei den Gesprächen Schmidt/Honecker besonders dem Thema Abrüstung große Bedeutung zukomme. Herr Honecker hat dieses Thema gern aufgegriffen und ein umfangreiches Programm für einen — wie er es nannte — konstruktiven Beitrag beider deutscher Staaten zu Frieden und Abrüstung vorgeschlagen. Er hat gegenseitige Konsultationen auf der Ebene der Außenminister und ihrer Stellvertreter angeregt. Wir sind davon überzeugt, daß es nützlich ist, Gespräche zu führen. Aber wir warnen davor — und wir haben Grund dazu —, daß damit die politischen Gewichte verschoben werden.
Die Abrüstungsverhandlungen finden auf einer ganz anderen Ebene statt — und sie müssen dort stattfinden —, nämlich zwischen den beiden Weltmächten USA und Sowjetunion und zwischen den Bündnissen und ganz gewiß nicht zwischen den einzelnen Mitgliedern der Allianz.
Was wir erreichen müssen, was wir hoffen erreichen zu können, ist, daß die DDR auf ihren Verbündeten einwirkt, damit die Moskauer Führung wirklich zu Abrüstung und Rüstungskontrolle bereit ist; damit in Wien, in Madrid, in Genf, in der UNO in New York Fortschritte erzielt werden. Wir lehnen es ab, daß über den sogenannten großen Fragen das vergessen wird, um was es für die Menschen im geteilten Deutschland wirklich geht.
Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht zunächst großmäulige Erklärungen über die Notwendigkeit von Frieden und Abrüstung; wir sind alle dafür. Wir brauchen mehr menschliche Erleichterungen. Sie wären aus dem Willen der SED-Machthaber ein sehr konkreter und ein sehr substantieller Beitrag zum Frieden zwischen beiden deutschen Staaten — und damit auch generell zwischen Ost und West. Das ist vorrangig unsere nationale Aufgabe, etwas für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu tun.
In diesem Zusammenhang wird immer viel über den politischen Spielraum der DDR-Führung diskutiert. Wir kennen die Bedeutung der DDR im Rahmen des Systems des Warschauer Pakts. Wir kennen auch die Probleme eines Systems, das bis zum heutigen Tag nie eine demokratische Legitimation gefunden hat. Dennoch bin ich überzeugt, daß der politische Spielraum der DDR heute größer ist, als viele selbst in der DDR es wahrnehmen wollen.
Wie wenig sich die SED-Führung zutraut, hat der Besuchsablauf in Güstrow gezeigt. Ich finde, der Führung der DDR muß deshalb immer wieder klargemacht werden, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, normale und nachbarschaftliche Beziehungen möglich zu machen. Sie sind keine Belastung für das Regime. Sie nützen dem Regime nach innen wie nach außen. Die Führung der DDR muß wissen, daß eine Politik des Friedens, der Entspannung und der Zusammenarbeit mit einer Politik der Abgrenzung, mit einer stalinistischen Politik nach innen nicht zu vereinbaren ist.
Was ist eigentlich jetzt aus diesem Gespräch — auch nach dem Bericht des Kanzlers heute — herausgekommen?
Betrachtet man das, was bei dem Treffen am Werbellinsee herausgekommen ist, so kann man im Grunde überhaupt nicht von einem Ergebnis, sondern nur von einem Zwischenbericht sprechen. Er gibt Auskunft über ein Experiment, dessen Ausgang niemand vorhersagen kann. Das Experiment besteht darin, daß man den DDR-Machthabern Gelegenheit gibt, von sich aus praktische Beweise für ihren schon im Grundlagenvertrag bekräftigten Willen zur guten Nachbarschaft zu liefern. Nach allen bisherigen Erfahrungen, Herr Bundeskanzler, ist das ein gewagtes Experiment?
Sie selber haben ein Stück Ihres Ansehens dafür verpfändet, daß es in den nächsten sechs Monaten zu echten Fortschritten kommt — zu Fortschritten, die den Menschen in Deutschland persönliche Erleichterungen bringen. Aber ich finde: Auf dem Prüfstand steht auch die Glaubwürdigkeit von Herrn Honecker; die Glaubwürdigkeit seiner Aussage, daß es ihm mit einer Verbesserung der innerdeutschen Beziehungen ernst sei. Sein Interview im „Neuen Deutschland" von vorgestern schloß Honecker mit den Worten — ich zitiere —:
Gerade in einer Situation, in der sich die internationale Lage verschlechtert, gewinnen die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland Gewicht als Faktor für Frieden und Stabilität in Europa. Wenn wir uns dessen bewußt sind und danach handeln, kann es Schritt für Schritt vorwärtsgehen. Wir sind dazu bereit.
Alle Deutschen in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland müssen Herrn Honecker an dieses
Wort immer wieder erinnern. Er muß jetzt den Be-
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weis antreten, daß er wirklich gutnachbarliche Beziehungen will.
Die Bundesregierung hat bei dieser Reise einmal mehr konkrete Leistungen erbracht. Der zinslose Überziehungskredit für die DDR, der Swing, ist bis zum 30. Juni 1982 verlängert worden. Und dann kommen so Dinge, die viele nicht beachten, die aber langfristig Wirkung haben: Die „Treuhandstelle für den Interzonenhandel" ist auf Wunsch der DDR in „Treuhandstelle für Industrie und Handel" umbenannt worden. Warum eigentlich nicht in „Treuhandstelle für den innerdeutschen Handel", Herr Bundeskanzler? Herr Minister Franke, in dem gemeinsamen Kommuniqué ist Ihr Amtstitel nicht aufgeführt worden, dagegen die vollständigen Amtstitel Ihrer Kollegen aus der DDR. Das ist nicht irgendeine versehentliche Unterlassung; dahinter steckt eine klare politische Linie.
Es wäre vielleicht auch ein interessantes Thema für den Herrn Bundesaußenminister. Wir hatten doch die Diskussion über das Umweltbundesamt. In der ging es auch nicht nur um Worte, sondern jeder wußte: Es geht um ein Stück mehr.
Dann, Herr Bundeskanzler, haben Sie Korrekturen von Maßnahmen bundesdeutscher Behörden zugesagt, die im Zusammenhang mit unserem Staatsangehörigkeitsrecht stehen. Was ist damit gemeint? Das ist die Frage, die sich aufdrängt.
Was steht diesen Vorleistungen gegenüber? Erwartungen, Hoffnungen, Ankündigungen. Sie sagten: „ein zusätzliches Stück ... gegenseitiger zuverlässiger Berechenbarkeit" und „ein Stück Vertrauen" seien geschaffen worden. Ich zitiere wörtlich: In der Folge unserer Gespräche kann eine positive Bewegung entstehen. Wir haben eine Reihe von schwierigen Fragen, die zwischen uns bestehen, einer Lösung nähergebracht. Die Frage, was dabei herausgekommen ist, werden alle Leute besser beurteilen können heute in zwölf Monaten. Man muß schon die Qualität eines Tiefenpsychologen besitzen, um voll ausloten zu können, was das bedeuten kann. Wir werden binnen zwölf Monaten, Herr Bundeskanzler, auf diese Äußerungen zurückkommen.
Herr Honecker hat erklärt, die Ergebnisse würden eine langfristige Wirkung haben.
Ich hoffe sehr, daß all diese Erwartungen nicht wieder bitter getäuscht werden.
Bereits die weiteren Ereignisse in Polen werden zeigen, ob die Gespräche mit Honecker wirklich ein Stück mehr an gegenseitiger Berechenbarkeit und Vertrauen schaffen. Wir wünschen uns das im Interesse unseres Volkes im geteilten Deutschland.
Herr Honecker hat sich nicht gescheut, die Fortentwicklung der innerdeutschen Beziehungen mit einer Drohung zu verbinden. Wenn, so sagte er, die NATO am Doppelbeschluß festhalte, dann wäre diese Fortsetzung des Kurses folgenschwer. Er fügte hinzu:
Wer wollte leugnen, daß so etwas weder im Interesse der Bürger der DDR noch der Bürger der Bundesrepublik liegen kann.
Aber nicht nur die Geschehnisse in Polen und der Ablauf der Genfer Verhandlungen über Mittelstrekkenwaffen können die Beziehungen belasten. Es ist offensichtlich, daß die SED und auch Honecker für eine — wenn auch nur bedingte — Rückkehr zur Geschäftsgrundlage der Verträge und Abkommen im Bereich des Zwangsumtausches wie für weitere menschliche Erleichterungen neue Leistungen von der Bundesrepublik Deutschland erwarten. Damit liegen klare Vorbehalte, Vorbedingungen und Forderungen seitens der DDR auf dem Tisch.
Ich will hier namens der CDU/CSU-Fraktion klar erklären: Wir halten an der Einheit der deutschen Nation ohne Wenn und Aber kompromißlos fest. Das ist Leitlinie unserer Politik. Daraus folgt für uns, daß das Staatsangehörigkeitsrecht in gar keiner Weise zur Diskussion gestellt werden kann.
Die Ausstellung von vorläufigen Reiseausweisen der Bundesrepublik Deutschland an Bewohner der DDR darf nicht eingestellt werden. Wir wollen die Bewohner der DDR nicht gegen ihren Willen in Anspruch nehmen. Wir respektieren ihre persönliche Entscheidung, ob sie einen Ausweis der Bundesrepublik Deutschland nutzen wollen oder nicht.
Die Aufwertung der Ständigen Vertretungen in Botschaften ist für uns nicht verhandlungsfähig. Über die Regelungen im Grundlagenvertrag kann nicht hinausgegangen werden.
Herr Bundeskanzler, Leistungen und Gegenleistungen müssen ausgewogen sein. Ich zitiere Ihr Wort: Keiner wird den anderen überfordern dürfen. Wir unterstreichen auch das Wort von Herrn Honekker, daß er keine Politik des Junktims und der Vorbedingung, keine Politik des Ausklammerns offener Grundfragen betreiben wolle. Ich sage dies deshalb so nachdrücklich, weil Herr Honecker von seinem Eindruck gesprochen hat — und das ist für uns interessant —, daß sich im Ergebnis der Gespräche am Werbellinsee die Dinge etwas mehr in die richtige Richtung bewegen werden. Sollte sich dieser Hinweis auf die genannten Grundsätze — wie etwa die Staatsangehörigkeitsfrage — beziehen, müssen Sie wissen: Dies wird unseren entschiedensten Widerstand finden.
Unser Ziel bleibt: mehr menschliche Erleichterungen, mehr Reisemöglichkeiten in beiden Richtungen. Mauer, Stacheldraht, Minenfelder müssen endlich verschwinden. Das sind klare Ziele deutscher Politik.
Gerade weil dies so ist, treten wir auch angesichts dieser elenden Verhältnisse für vernünftige Begegnungen und Gespräche ein.
Im Dom von Güstrow haben Sie, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Antwort auf die Ausführungen des Landesbischofs gesagt — ich zitiere —:
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Da Sie den Marxisten Honecker und den Christen Schmidt angeredet haben, so weit, wie es manchmal scheint, sind die nicht auseinander.
Sie haben dabei vom Prinzip Hoffnung gesprochen. Ich bin mir nicht sicher, Herr Bundeskanzler, ob Sie sich diesen Satz wirklich gut überlegt haben — angesichts der Lage mitten in Deutschland, angesichts jener Grenze, die auch Sie passieren mußten und die zum permanenten Unrecht der Geschichte gehört. Es trennen uns Welten von jenen Menschen, die alles das gegenüber unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands zu verantworten haben.
Erlauben Sie mir noch ein Wort zu den Vorgängen in Polen. Alle unsere Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland — jeder von uns spürt dies in den Begegnungen Tag für Tag — sind zutiefst betroffen und bedrückt über die Ereignisse in Polen. In Warschau hat ein Militärrat die Macht übernommen. Viele Zehntausende, vielleicht schon 100 000 Polen sind verhaftet, interniert und eingesperrt worden. Ein Volk, das um seine Freiheiten, um seine Menschenrechte und um die Menschenwürde gerungen hat, steht wieder einmal vor einem Abgrund. Wir sind über diese bedrückende Entwicklung tief erschüttert. Unsere Sympathie und unsere Solidarität gehören dem polnischen Volk.
Wir haben eine lange tragische, blutige, mit Schuld beladene gemeinsame Geschichte. An diesem Pult hat in seiner ersten Regierungserklärung nach seiner Wahl zum Bundeskanzler Konrad Adenauer 1949 — auch vor Weihnachten — davon gesprochen, daß die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bürger den Frieden, den Ausgleich und, wenn möglich, die gute Nachbarschaft mit allen Kriegsgegnern von gestern suchen wolle. Er sagte dann, dies gelte besonders für unsere Nachbarn in Polen, für unsere Nachbarn in Frankreich und für das Volk und den Staat Israel. Es ist uns gelungen, in über 30 Jahren aus der Erbfeindschaft von gestern die deutsch-französische Freundschaft zu begründen — eine Freundschaft, die nicht auf der Begegnung zwischen den Regierenden ruht, sondern die im Herzen der Menschen, der Völker, vor allem der jungen Generation, lebendig ist. Wir haben erlebt, daß nach all dem Schrecklichen, was auch im deutschen Namen geschehen ist, die Freundschaft, die Partnerschaft zum Volke und zum Staate Israel möglich war. Das sind beglückende Ereignisse unserer Geschichte in diesen Jahrzehnten.
Wir wollen alles tun, um unseren Beitrag dafür zu leisten, daß auch das, was zwischen uns und Polen an schrecklichem Geschehnis steht, Vergangenheit bleibt — und daß die jungen Generationen aufeinander zugehen können. Es gibt viele hoffnungsvolle Ansätze in den letzten Jahren.
Um so bedrückender ist es für uns, wenn wir jetzt täglich die Hiobsbotschaften aus Polen hören. Das ist keine Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Landes, das ist ein Miterleben, für viele ein Mitleiden mit einem Volk, mit dem uns in guten wie
in schlimmen Zeiten so viel Gemeinsames verbindet.
Deshalb empfinde ich es als kläglich, wenn das Wort von der Nichteinmischung in die inneren Verhältnisse kommt; denn darum geht es nicht. Ich empfinde es auch als kläglich, wenn gesagt wird, Polen müsse seine Probleme selbst lösen. Jeder weiß doch, wer Polen bedroht. Wie kläglich klingt da auch die Mahnung, jetzt dürfe man keine starken Worte gebrauchen! Wer gebraucht sie denn eigentlich in diesen Tagen? Wie niederträchtig, wie schäbig und arrogant zugleich wirken all jene, die jetzt sagen, die Reformkräfte hätten den Bogen überspannt, und die Maßnahmen des Militärrates hätten nur noch eine größere Katastrophe verhindert. Dabei ist die Katastrophe doch längst da. Ein Volk darf nicht seinen Weg gehen, weil es der übermächtige Nachbar nicht duldet. Das ist doch die reale Lage in Polen.
Weil Menschen, europäische Mitbürger, um ihre Menschenwürde gekämpft haben, weil sie das mit heißem Herzen getan haben, sollen sie jetzt den Bogen überspannt haben und gewissermaßen froh sein, daß ein Regime zum Mittel der Militärdiktatur greift, um mit blanker Gewalt die von der Partei angeblich im Namen des Proletariats ausgeübte Herrschaft über die Arbeiterschaft zu sichern. Müssen wir das alles wirklich schweigend ertragen? Schweigen wir nicht bereits auch deshalb, weil wir stumpf geworden sind gegenüber Unrecht und Unmenschlichkeit, wenn sie von Mächtigen begangen werden?
Wir haben keinen Grund, zu schweigen und zu verschweigen. Wir sind dafür dankbar, daß ganz spontan viele, viele Tausende in unserem Lande in diesen Tagen darangegangen sind, ihre ganz persönliche Hilfsaktion für Polen einzuleiten;
wir sollten dazu ermuntern, daß es möglichst viele tun, damit sich in diesen Tagen erweist, daß deutschpolnische Geschichte auch deutsch-polnische Hilfsbereitschaft heißen kann.
Seit Sonntag haben spontane Demonstrationen in Rom, in Paris und anderswo stattgefunden; das französische Parlament hat seine Sitzung unterbrochen, damit die Mitglieder des Parlaments an Demonstrationen teilnehmen konnten. Ich frage mich und manchen im Lande: Wo waren eigentlich jene in diesen letzten acht Tagen, die so laut für den Frieden eingetreten sind?
Das polnische Volk, die polnischen Nachbarn brauchen unsere Solidarität, die Solidarität der Freiheit gegen die Unfreiheit. Der Primas von Polen, Erzbischof Josef Glemp, sagte in seiner ersten Predigt nach dem Ausrufen der Militärdiktatur: „Um Menschenleben zu retten, werde ich vor keiner Demütigung zurückschrecken und, wenn es sein muß,
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barfuß und auf Knien um die Freilassung von Inhaftierten bitten." Diese Worte richten sich natürlich an die Machthaber in Polen. Aber in einem weiteren Sinne richten sie sich an alle Menschen guten Willens; auch an uns. Denn es muß uns gerade in diesen Tagen vor dem Fest des Friedens um den Menschen gehen.
Deshalb treten wir ein für den Frieden und die Freiheit im eigenen Lande, aber auch dort, wo andere Völker unter Diktaturen leben. Es ist ganz gleich, ob dies eine rote oder eine braune Diktatur ist — jede Diktatur, die die Menschenrechte mit Füßen tritt; jede Diktatur, die menschliches Glück und Freiheit nicht zuläßt, findet unsere erbitterte Gegnerschaft.
Ich hoffe, daß die Resolution, die wir heute gemeinsam beschließen werden, ein Beitrag dazu sein könnte, auch in diesem Haus ein Stück Gemeinsamkeit zur Bekämpfung der Feinde der Menschenrechte zu begründen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mit schwer, nach dieser Rede das Wort zu nehmen. Ich gestehe das offen. Denn, sehr geehrter Herr Kohl, daß Sie am Schluß Ihrer Rede, die eine absolute Polemik war
— ich bitte Sie, können Sie das nicht mal vertragen? —, Ihre Hoffnung in bezug auf die Übereinstimmung für eine Resolution ausdrücken, auf die auch wir gedrängt haben, gibt mir Zweifel an der Ernsthaftigkeit dessen, was Sie in diesem Zusammenhang gesagt haben. Ich bitte Sie dafür um Verständnis.
Denn, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, statt in der Zeit sehr schwerer Ereignisse Übereinstimmungen zu bekräftigen, sogar solche zu suchen, um dann zu sagen: „Hier sind wir doch einander nahe, wenn wir auch sonst wesentliche Unterschiede haben", haben Sie es genau umgekehrt gemacht.
Vielleicht entspricht das der Lage in Ihren beiden Unionsparteien.
— Bitte, ich behaupte das j a nicht, ich sage nur: vielleicht.
Denn wie ist die Situation des Parlaments in einer Zeit, in der die Bundesrepublik Deutschland, die ja glücklicherweise nicht Großmacht ist, verpflichtet ist, ihren erkennbaren Beitrag zu leisten, um, soweit unser Einfluß reicht, den Frieden dort, wo er noch nicht zerstört ist, zu erhalten und ihn dort, wo er
schon gestört ist, wiederherstellen zu lassen? Herr Kohl, hätten Sie darüber einmal nachgedacht, hätten wir eine solche Auseinandersetzung jetzt vielleicht nicht nötig.
Wir Sozialdemokraten danken dem Bundeskanzler Helmut Schmidt für das, was er heute hier in einer besonders schwierigen Situation in großer Sachlichkeit
erklärt und dargelegt hat.
Herr Kollege Kohl, Sie haben sich mit Ihrer Erinnerung — ich weiß nicht, wieso — auf die seltsame Einschätzung berufen, daß es mit der Partei Schumachers möglich gewesen wäre, das und das zu machen, aber nicht mit dieser Partei. Herr Kohl, schauen Sie einmal in den Spiegel — es muß nicht der Rasierspiegel und auch nicht diese Zeitschrift sein — und prüfen Sie, ob Sie sich da nicht sehr geirrt und getäuscht haben oder ob auch das so eine Finte war; und Ihre Rede war ja heute eine Fülle von Finten.
Das tut mir leid, weil die Situation, in der wir leben, es eigentlich notwendig macht, daß wir bei allen Unterschieden und auch Gegensätzen, statt einander ausspielen zu wollen, das, war wir gemeinsam verantworten können, auch gemeinsam zu erreichen versuchen.
Frieden schaffen, das ist so etwas!
Sie werden von mir nicht erleben, daß ich Sie frage: „Wollen Sie vielleicht hier auch noch den Krieg?". Eine solche Unterstellung würde ich Ihnen oder Ihrer Union nie machen. Aber Sie haben hier eine Form gesucht und gewählt, die zu meinem großen Bedauern dem Ernst der Situation — weder dem der Situation in Polen noch dem im Zusammenhang mit dem, was es sonst in dieser Welt um uns herum an Knistern gibt — nicht entspricht. Daß Sie das in dieser Situation so gemacht haben, muß ja wohl Ursachen innerhalb der Union gehabt haben.
Wir jedenfalls — das haben wir in einem Beschluß des Präsidiums der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands klar gesagt — bestärken den Bundeskanzler darin, gerade in schwierigen Zeiten den Dialog mit der DDR fortzusetzen, und zwar in der sicheren Überzeugung, daß es dazu keine Alternative gibt,
wenn man es mit der Sicherung des Friedens in Europa ernst meint und wenn man Fortschritte in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten zum Wohle der Menschen wirklich will.
Deshalb, so heißt es in unserer Erklärung, ist es zu begrüßen, daß die Verhandlungen und die Gespräche nunmehr in den verschiedenen Sachbereichen fortgesetzt werden und zu Ergebnissen führen sol-
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len, die sich insbesondere zugunsten der Menschen in den beiden deutschen Staaten auswirken. — Das sollten Sie sich doch auch einmal genauer überlegen.
Wissen Sie, Herr Kohl, sozialdemokratische Deutschlandpolitik, was immer man kritisch an ihr aussetzen mag, will und auch kann, hat sich immer an der Notwendigkeit orientiert, die Deutschen in beiden Staaten in ihren Zusammengehörigkeitsgefühlen zu stärken, die trotz aller Erfolge der Vertrags- und der Entspannungspolitik nach wie vor bestehenden Härten zu mildern und dafür zu arbeiten, daß von deutschem Boden niemals wieder Krieg ausgehen kann.
Ich hätte es für einen großen Gewinn nicht meiner, unserer Partei, sondern auch für das, was das Parlament darstellt, gehalten, wenn wir wenigstens heute in den wesentlichen Punkten unsere gemeinsame Pflicht — gemeinsame Pflicht! — und Übereinstimmung bekunden würden.
Sie machen das ganz schwer im Zusammenhang mit einem Text, auf den Sie so am Schluß hingewiesen haben wegen einer Entschließung, die Verhältnisse in Polen betreffend. Oder war das vielleicht sogar Taktik, daß es Ihnen darauf ankam? Herr Kohl, ich muß sagen: Das war ein schwerer Fauxpas, den Sie da begangen haben.
Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohl?
Herr Kollege Wehner, wären Sie bereit, zuzugestehen, daß der Text, der nachher abgestimmt wird, der Vorlage entspricht, die die CDU/CSU-Fraktion an die SPD und die FDP herangetragen hat?
Würden Sie — das ist nicht eine Gegenfrage, sondern dadurch wird Ihre Frage besser erläutert, als es jetzt der Fall ist — zugestehen, daß es so war: Sie hatten einen Text, und wir haben gesagt, wenn es einen Text gibt, über den man reden kann — einverstanden, dann ein gemeinsamer Text. Am Schluß Ihrer Rede heute machen Sie dann dem Bundeskanzler und uns eine Situation ganz schwer. Vielleicht ist das Ihre Taktik. Nur: Überlegen Sie sich einmal, was sie wert ist. Überlegen Sie sich einmal, was sie für unsere Situation — ich meine die Situation der Bundesrepublik Deutschland und des gewählten Parlaments — eigentlich bedeutet.
Meine Damen und Herren, warum eigentlich wird das bei Ihnen so angelegt, und das in der letzten Sitzung vor Weihnachten? Es ist eine seltsame Form, muß ich sagen.
Ich habe bei dieser Gelegenheit einmal in der Rede nachgelesen, die der Bundeskanzler Helmut Schmidt hier am 3. Dezember 1981 vor seiner Reise in die DDR gehalten hat. Wenn ich den Inhalt der Rede von damals mit dem vergleiche, was vom Bundeskanzler nach der Reise sachlich und klar berichtet wurde — es waren keine Versprechungen, sondern es wurde über den Ausgang und die Fortsetzung der Gespräche berichtet —, dann muß ich sagen: Helmut Schmidt hat mit Recht und ohne Überheblichkeit in dieser Rede vom 3. Dezember daran erinnert, indem er sagte:
Einige hängen noch an der Praxis der 60er Jahre: Konfrontation statt Kooperation, Druck und Gegendruck statt Entspannung und Interessenausgleich. Das gibt es auf beiden Seiten, in der DDR wie hier bei uns.
Das ist ja nicht zu leugnen. Sie haben sich da in einer Weise eingereiht, die mir leid tut; das muß ich sagen. Ich hatte gedacht, Sie hätten heute vielleicht eine glücklichere Stunde.
Sie haben hier eine ganze Menge Einzelpunkte und Themen, um die es ging, aufgezählt. Da muß es zwischen uns und Ihnen nicht Streit und Gegensätze geben. Wissen Sie, ich habe hier eine Erklärung der Bundesregierung, die am 12. April 1967 abgegeben wurde. Da wurde auf eine Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hingewiesen. Das war damals die Bundesregierung der, wie man es genannt hat, Großen Koalition. Sie hatte damals Leitsätze ihrer Deutschlandpolitik verkündet. Ich zitiere das:
Wir wollen, soviel an uns liegt, verhindern, daß die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinanderleben. Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen, und deshalb wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen mit unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands mit allen Kräften fördern.
Das wollten wir, und das wollen wir fortfahrend immer weiter. Und Sie stellen sich hier hin, als täten wir das nicht, als seien Sie ein Sachwalter von Dingen, die damals mit uns zusammen in der Regierung der Koalition zwischen CDU/CSU und SPD zustande gebracht wurden.
Damals hieß es weiter:
Diese Behauptung ist falsch.
— Nämlich die Behauptung, die die Führung der SED damals aufgestellt hatte, die Bundesregierung hindere Entspannung und Verständigung in Europa.
Die Bundesregierung will Entspannung. Das Ziel ihrer Entspannungspolitik ist eine europäische Friedensordnung, die von allen Beteiligten als gerecht und dauerhaft empfunden werden kann. In ihrem Rahmen werden alle europäischen Staaten zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten können. In dieser Friedensordnung soll auf jede Anwendung von Gewalt verzichtet, Gefahr und Last der Rüstungen abge-
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baut und Recht und Würde aller Menschen geachtet werden.
Die Bundesregierung will Entspannung auch zwischen beiden Teilen Deutschlands.
Wo nehmen Sie jetzt die Substanz und die Verantwortlichkeit dafür her, daß Sie uns, die wir das damals mitgefunden und mitgetragen haben, heute in eine solche Lage bringen, am letzten Sitzungstag des Bundestages vor Weihnachten? Eine solche Form, die unglücklich ist — das ist Ihnen heute schiefgegangen —, erschwert unsere gemeinsame Arbeit.
— Ich bitte Sie, ich bin — das gebe ich zu — innerlich tief bekümmert und erregt darüber, daß Herr Kohl, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, es heute für richtig gehalten hat, Schelte gegen den Bundeskanzler zu treiben, der nun wirklich bei vielen — ob es West oder Ost ist, sowohl bei Staatsmännern als auch bei anderen — Hochachtung deswegen verdient, weil er sich um Entspannung und um Realisierung des Miteinanderlebens bemüht.
Wenn ich Ihnen, Herr Kollege Kohl, jetzt noch etwas zu dem vorlesen würde — ich lasse ein paar Pünktchen aus —, was Sie in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten im getrennten Deutschland für wichtig halten, so würden Sie feststellen, daß das damals, 1967 — unter Bezugnahme auf die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 — eine ganze Seite ausmachte. Die jetzige ist nicht geringer. Wir kümmern uns darum, d. h. die Koalition der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten kümmert sich darum, daß das Menschenmögliche aus diesen Notwendigkeiten realisiert und auch wirklich weiterentwickelt wird.
Ich fände es gut, wenn wir, statt miteinander zu zetern, bitte prüften: Wie ist das mit den Erklärungen, z. B. mit der Stellungnahme der Partei- und Staatsführung zum Besuch des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland in der DDR? Das ist in deren Blatt am 17. Dezember 1981 veröffentlicht worden. Da wird festgestellt:
Mit dem Treffen wurde unter komplizierten internationalen Bedingungen der Ost-West-Dialog weitergeführt und vertieft, um das in Europa bei der Entspannung Erreichte zu bewahren, zu festigen und auszubauen. Die Begegnung unterstreicht, daß gerade in der heutigen Weltlage Kontakte auf hoher Ebene zwischen Ost und West für die Sache des Friedens notwendig sind.
Ich habe diese Sätze nicht erfunden und auch nicht konstruiert. Nur, halten Sie es denn für sinnlos, Herr Kohl oder andere, von denen Sie meinen, man sollte sie jetzt nicht sozusagen zum Gegenstand einer Diskussion oder eines Tadels machen, daß man bei passender Gelegenheit und dort, wo es notwendig erscheint, Bezug nimmt auf die Ergebnisse
der Gespräche des Bundeskanzlers mit dem Staatsratsvorsitzenden und einiger Mitglieder unserer Bundesregierung — des Grafen Lambsdorff, der Herrn Kollegen Franke — mit denen, die auf der anderen Seite entsprechende Ressorts vertreten, auch Bezug nimmt auf das, was die am Abschluß der Gespräche selber geschrieben und verkündet haben? Da wird ja gesagt:
Die von beiden Seiten im gemeinsamen Kommunique getroffene Feststellung, „daß es zur friedlichen und gleichberechtigten Zusammenarbeit der Staaten keine vernünftige Alternative gibt und daß diese Zusammenarbeit von den Zielen und Prinzipien geleitet sein muß, die in der Charta der Vereinten Nationen und in der Schlußakte von Helsinki niedergelegt sind", gilt in gleicher Weise für die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten.
Und dann wird betont:
Ausgehend davon kommt es darauf an, das in den beiderseitigen Beziehungen Erreichte zu bewahren und entsprechend dem Grundlagenvertrag und in Übereinstimmung mit den Prinzipien der friedlichen Koexistenz weiterzuentwickeln.
Ist es nicht richtiger, sich auch darauf zu berufen und zu sagen: Hier geht es um Weiterentwicklung? Gut, daß sich die Bundesregierung in dieser schwierigen Zeit diesen Notwendigkeiten auch gewidmet hat.
Dann heißt es noch — ich zitiere auch den Satz aus der Erklärung der drüben lenkenden Körperschaft —:
Die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten auf dieser Grundlage ist ein wesentliches Element der Stabilität in Europa.
Sie sollten sich — wenn nicht jetzt, so doch in Zukunft — einmal überlegen, wie es eigentlich zwischen denen, die nicht zu einer Partei gehören — nein, wir wollen Sie ja nicht erobern, wir wollen uns auch nicht an Ihre Stelle stellen —, in gewissen Fragen, in denen es Übereinstimmung geben kann, möglich ist, zu versuchen, diese Übereinstimmung auch deutlich zu machen. Das würde dann beiden Seiten zugute kommen, Ihrer und unserer,
daß wir uns hier nicht in Polemiken erschöpfen.
Ich habe mir ja das einmal angeguckt, was der Bundeskanzler in seinem Redemanuskript — er hat es hier auch so gesagt — an einer Stelle dargelegt hat. Er hat positiv darauf hingewiesen, daß der Berliner Regierende Bürgermeister von Weizsäcker deutlich gemacht habe: „Niemand hätte verstanden, wenn unsere Reise in die DDR wegen der Ereignisse in Polen abrupt abgebrochen worden wäre; dies hätte vielmehr die neuerlichen deutsch-deutschen Ansätze, dies hätte Vertrauen zerstört." — Ich teile seine Meinung. Sie entspricht auch den spezifischen Interessen Berlins. Nun, Herr Strauß, aber nicht nur Herr Strauß — wenn ich ein bißchen weiter gucke,
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da kaut gerade Herr Zimmermann etwas, guten Appetit! —,
der hat das j a noch viel schlimmer gemacht. Aber ich zitiere ihn nicht, er braucht das nicht zu hoffen.
Der Kanzler hat etwas gesagt, was zu dem gehört, was Herr Kohl im Hinblick auf seine Rolle ganz anders verstanden hat. Herr Kohl — so hat der Kanzler gesagt —, der eine gemeinsame Fraktion von CDU und CSU leitet, muß sich heute morgen zwischen beiden entscheiden. Er wird es nicht gerne tun. In der trügerischen Hoffnung auf einen raschen Kanzlerwechsel wird allzu leicht vergessen, daß jeder Führungsanspruch nur durch Leistungs- und Entscheidungskraft begründet werden kann. Wer kein Risiko eingehen will, der kann auch nichts gewinnen.
Da hat der Kanzler es richtig eingeschätzt, nur: Der erste Mann der Opposition hat sich in einer Weise verhalten, von der ich sage: Schade, denn es wäre sowohl für das, was angesichts der schwierigen Entwicklungen in Polen, als auch für das, was in unserer geographischen und politischen Lage, in der wir uns befinden, steckt, statthaft gewesen, sich heute hier in wesentlichen sachlichen Fragen nicht auseinander und gegeneinander in Rhetorik zu stürzen.
Was Polen betrifft, meine Damen und Herren: Das, was dort geschieht, wird nicht durch Kraftworte hier und nicht durch gegenseitige Vorwürfe hier, Herr Kohl — die einen täten nicht genug — im Hinblick darauf beeinflußt, es — wenn es möglich ist und wenn wir etwas dazu beitragen können — auf eine friedliche Weise zu lösen, statt es dort zu einem Zusammenstoß, der j a zum Teil schon da ist, und zu einem Zusammenbruch dessen kommen zu lassen, was es noch an Freiheiten in diesem Lande Polen für die Mitbürgerinnen und Mitbürger dort ergibt. Die Entwicklung in Polen müsse etwas sein, bei dem wir uns nicht gegenseitig Vorwürfe machen. Sie haben genau das Gegenteil für richtig gehalten, nämlich in dieser Beziehung Vorwürfe gegen die Sozialdemokraten zu erheben. Schade, Herr Kohl. Ich will das nicht bewerten, ich bedaure es nur, denn das hätten Sie nicht nötig gehabt,
das hätte die Union nicht nötig gehabt und würde in manchen anderen Ländern — ob es die des Westens oder die des Ostens sind — gewirkt haben; nicht, damit wir uns sozusagen hinstellen und sagen können, was wir für Kerle seien, nein, um zu zeigen, daß wir in diesen Punkten fähig sind, Differenzen in den Hintergrund oder in die zweite Linie zu drängen und uns diesen Hauptsachen zu widmen.
Das fehlt bei Ihnen; tut mir leid.
Das sage ich noch einmal, weil mir das wichtiger erscheint, als nun umgekehrt das fortzusetzen, was Sie hier einzuführen versucht haben und was denen
nicht hilft, die nun durch die Medien erfahren, wie wir uns hier gegenseitig auseinanderdriften; das ist sehr schade. Vielleicht wird das auch in Ihren Reihen einmal besser begriffen, als es zur Zeit aus einem — ich will nicht sagen: Solidarität — gewissen Korpsgeist heraus hier gezeigt wird. — Schönen Dank für Ihre große Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ronneburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen in seiner Regierungserklärung an einer Stelle folgendes gesagt:
Die nicht zu behebenden Unterschiede und Gegensätze in grundsätzlichen Fragen müssen durch ein Geflecht des für beide Seiten praktisch Möglichen und Vernünftigen gemildert werden.
Ich glaube, Herr Kollege Dr. Kohl, Sie hätten gut daran getan, wenn Sie heute in Ihrer Erwiderung die Grenze zwischen dem praktisch Möglichen und dem Erstrebenswerten deutlicher gemacht hätten, als Sie es getan haben,
und wenn Sie nicht zum wiederholten Male den Versuch unternommen hätten, einen Unterschied zu machen, nämlich zu sagen: das Wünschbare ist Ziel der Union, und der Koalition sowie der Bundesregierung ist der Vorwurf zu machen, daß sie sich mit dem Machbaren zufriedengeben. Von Zufriedengeben kann überhaupt keine Rede sein. Aber eines, meine ich, sollte hier doch wohl gesagt werden dürfen: daß alles dies, was wir an Machbarem tun, ein Schritt hin auf dem Wege zu dem ist, was wir gemeinsam wünschen.
Für die Fraktion der FDP des Hohen Hauses spreche ich dem Bundeskanzler, den Bundesministern Graf Lambsdorff und Franke sowie der gesamten Delegation die Anerkennung und den Dank aus für das Engagement, für die Klarheit und die Redlichkeit der Argumente sowie auch für die untadelige Art und Weise — ich sage das absichtlich an dieser Stelle —, in der der Bundeskanzler und die Delegation sowohl auf die Vorgänge in Güstrow als auch auf die polnischen Ereignisse dort in der DDR reagiert haben.
Diese Anerkennung muß auch deswegen ausgesprochen werden, weil es der Regierung Schmidt/ Genscher — wie beim Breschnew-Besuch Ende November — erneut gelungen ist, durch unvoreingenommene Gesprächsbereitschaft und gleichzeitige Eindeutigkeit und Festigkeit in der Darstellung unserer Standpunkte einen weiteren wichtigen Beitrag zur politischen Vertrauensbildung zwischen Ost und West zu leisten.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4305
Ronneburger
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle einige wenige grundsätzliche Bernerkungen, die ich für eine Bewertung dieser Reise und ihrer Ergebnisse für wichtig halte. Diese Reise zum Werbellinsee, das deutsche Treffen auf dieser seit 1970 nicht mehr genutzten Ebene, die Gespräche, die dort geführt worden sind, waren ein Teil jener Politik, die wir verkürzt Deutschlandpolitik zu nennen pflegen. Diese Bezeichnung ist richtig, soweit sie das langfristige Ziel unserer Bemühungen beschreibt. Diese Bezeichnung verleitet jedoch zu einer Verengung unseres Denkens, wenn wir sie als Anweisung für unser gegenwärtiges Handeln, als die Beschreibung des Rahmens unserer politischen Handlungsfähigkeit unkritisch verwenden. Heute — ich hoffe, Herr Dr. Kohl, daß wir uns in diesem Punkt einig sind; und niemand kann den Zeitraum exakt abgrenzen, der mit dieser Formel „heute" umschrieben sein soll — muß sich unsere Politik zuerst um den deutschen Menschen
und erst danach um das deutsche Land bemühen.
Daß Politik in erster Linie dem Menschen zu dienen habe, ist eine Feststellung, über die wir nicht zu streiten brauchen oder über die wir jedenfalls nicht streiten sollten. Ich entnehme dem Kopfnicken des Herrn Oppositionsführers, daß wir darüber einig sind. Aber diese Feststellung erfordert gerade bei der Suche nach einer Antwort auf die noch immer offene deutsche Frage Konsequenzen bei der Setzung von Prioritäten, bei denen Übereinstimmung schon nicht mehr so leicht und schnell wie im Grundsätzlichen gefunden werden wird.
Ich meine, auch unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in Polen sollte nicht zerredet werden, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 3. Dezember mit Blick auf die Gespräche mit SED-Generalsekretär Honecker ausgeführt hat. Er sagte dort:
Die sozialliberale Koalition ist sich einig darin, daß dieses Treffen Zeichen dafür setzen soll, daß der gute Wille auf beiden Seiten vorhanden ist, eine Phase der Rückschläge in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten zu überwinden. Ich hoffe,
— so hatte der Herr Bundeskanzler hinzugefügt —
daß dieses Treffen allen Deutschen erfahrbare Ausblicke eröffnet und daß es ihnen Mut machen kann.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Die Koalition war sich einig im Ausblick auf das Treffen. Sie ist sich aber auch einig — und dies sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition — in der Frage der Beurteilung der Ergebnisse. Es wäre ein von vornherein fehlgeschlagener Versuch, Herr Dr. Kohl, wenn Sie glauben, mit einem Blick auf die FDP-Fraktion uns ein Übermaß an Zustimmung unterstellen zu können, das dann doch wohl nur taktische Gründe hätte haben können. Hier geht es nicht um Taktik, sondern um Überzeugung.
Jeder, der unvoreingenommen, sei es am Fernsehschirm oder hinterher in der Presse, das gemeinsame Kommuniqué, die Tischreden oder die Ansprachen gelesen oder gehört hat, wird feststellen müssen, daß die Mitverantwortung für die Sicherung und Bewahrung des Friedens nach diesen Gesprächen auch von der DDR in Zukunft nicht mehr geleugnet werden kann.
Gewiß haben die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten gemeinsam als Ergebnis ihrer intensiven und ausführlichen Beratungen einen Wechsel auf die Zukunft gezogen. Ich hoffe aber sehr, daß im Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten niemand bei uns auch nur ein nicht ausgesprochenes Interesse daran haben könnte, daß dieser Wechsel platzt.
Die Menschen in beiden deutschen Staaten haben zu viele Spannungen und Schwierigkeiten aushalten müssen und ausgehalten, als daß sie nicht heute realistisch genug wären, um beurteilen zu können, was machbar und was nicht machbar ist. Den Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland und denen in der DDR, die sich der westlichen Medien bedient haben, ist vor dem Besuch des Bundeskanzlers und seiner Delegation nichts Unerfüllbares versprochen worden. Statt dessen wurde die deutsche Wirklichkeit vor der Reise und während des Treffens ehrlich und offen beschrieben. So kann heute gesagt werden, daß der Wert dieses deutschen Gipfeltreffens und folglich auch seiner Resultate in den Chancen und Möglichkeiten liegt, die eröffnet worden sind.
Ich bin davon überzeugt, daß nicht nur politisch Denkende in der Bundesrepublik, sondern vor allen Dingen die Bürger in der DDR mit Erschrecken und Bestürzung die wiederholten Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß und seines Parteifreundes Zimmermann vernommen haben. Hat doch der Kollege Zimmermann selber für eine solche Erwägung die Meßlatte angelegt, als er am 9. Oktober hier im Hohen Hause in Richtung auf die SPD-Fraktion folgendes feststellte:
Zur Diskussion
— so sagten Sie damals, Herr Kollege Zimmermann —
müssen auch die sonstigen Meinungsäußerungen aus diesem Hause herangezogen werden, die außerhalb dieses Hauses abgegeben worden sind.
Und diese Meinungsäußerungen in den letzten Tagen haben j a nun wirklich nicht zur Verbesserung des Klimas und zur sachlichen Bewertung der Ergebnisse dieses Besuches beigetragen.
Ich will auf einzelne Zitate hier im Augenblick verzichten. Aber eines sei hier doch einmal deutlich genannt. Herr Strauß hat am Sonntag gesagt, der Bundeskanzler sei bei Honecker in eine Falle gegangen. Und da ein guter und weiser politischer Rat aus Bayern selten allein kommt, erklärte dazu der Kollege Zimmermann, ein selbstbewußter und handlungsfähiger Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hätte unter diesen Umständen einen Besuch
4306 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Ronneburger
gar nicht erst angetreten oder zumindest abgebrochen.
Ich weise für die FDP-Fraktion diese Anschuldigungen eines angeblichen Fehlverhaltens des Bundeskanzlers und seiner Delegation mit aller Deutlichkeit zurück.
Diese Rezepturen der Härte und der vermeintlichen Unnachgiebigkeit, in Wahrheit also der Politik der Konfrontation,
unter der die Menschen in Zukunft noch mehr als bisher leiden müßten, wird es für uns allerdings nicht geben.
Die Fernsehbilder des Besuchs in Güstrow, aber auch die Darstellungen darüber in der Presse — ich verweise auf den Bericht im „Stern" — machen deutlich, daß die Erfahrungen von Erfurt im Jahr 1970 bei der DDR-Spitze offenbar tiefer sitzen, als manche glauben. Auch wenn die Bürger von Güstrow und aus anderen Teilen der DDR daran gehindert waren, ihre Sympathie persönlich zum Ausdruck zu bringen, behaupte ich aus eigener Erfahrung: Dieser Besuch hat den Menschen gezeigt, daß für uns in der sozialliberalen Koalition nicht nur durch das Wollen, sondern durch das Tun alte Verbindungen gehalten und neue geschaffen werden.
Die völlig unangemessene und übertriebene Überängstlichkeit der DDR-Spitze hat dazu geführt, daß eine innerliche Solidarisierung — wie auch bei früheren Gelegenheiten schon abgesehen von den bezahlten Jublern — mit der politischen Führung der DDR noch immer nicht erreicht ist.
Ich glaube, ermessen zu können, welchen Dienst Sie, Herr Bundeskanzler, den Deutschen in beiden deutschen Staaten durch Ihr Verhalten erwiesen haben. Ich glaube überdies, das auch für einen großen Teil derer aussprechen zu können, denen noch immer versagt ist, von elementaren Freiheiten Gebrauch zu machen.
Überraschung hätte es allerdings bei uns ausgelöst, wenn Franz Josef Strauß oder der Kollege Zimmermann mäßigend argumentiert hätten.
Aber so ist niemand enttäuscht worden.
Für mich persönlich — nur das möchte ich diesem Punkt noch hinzufügen — ist es bedrückend, daß die Berliner und mit ihnen Herr von Weizsäcker unter diesem negativen Zwangsverhalten von Teilen der Union leiden müssen. Niemand als die Berliner weiß besser, welcher Nutzen für die Sicherheit und die Lebensfähigkeit ihrer Stadt aus den Ostverträgen gezogen werden konnte. Die Entspannungspolitik, die unverändert Grundsatz der Politik der sozialliberalen Koalition seit mehr als elf Jahren ist, wird sich auch weiterhin an den Prinzipien des Interessenausgleichs und der Gegenseitigkeit orientieren.
Nur eines, Herr Kollege Dr. Kohl, haben wir heute von Ihnen nicht erfahren können, ob Sie nämlich der Meinung Strauß/Zimmermann zuneigen und damit Herrn von Weizsäcker im Regen stehenlassen.
— Ja, ich habe Ihnen sehr genau zugehört — im Gegensatz zu Ihnen bei der Regierungserklärung.
Aber darauf komme ich bei einem anderen Punkt noch zurück.
Ich hätte gern einmal gewußt, was Sie denn von der Meinung von Herrn von Weizsäcker gehalten haben und halten. Eine demonstrative Abreise des Bundeskanzlers aus der DDR hätte fatale Folgen gehabt. Mit Selbstbewußtsein kann ich hier für die FDP darauf zurückblicken, daß sie sich entsprechend den politischen Gegebenheiten immer wieder bemüht hat, die von den „Falken" in beiden deutschen Staaten gern akzeptierte Gesprächslosigkeit zu überwinden. An dieser Stelle sage ich — und ich bitte, es nicht falsch zu verstehen —: Ich gebe meine Hoffnung nicht auf, daß sich auch die Mehrheit der Union der Politik zur Überwindung dieser Sprachlosigkeit gerade auch in schwierigen Zeiten anschließt.
Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Bundeskanzler den Generalsekretär zu einem Gegenbesuch in die Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit eingeladen hat. Ich würde mir sehr wünschen, daß die Zeit bis dahin auf allen Ebenen der Regierung, aber auch des Parlaments genutzt wird, um die vielen ungelösten Fragen einer Klärung zuzuführen.
Ich glaube, wir alle haben erkannt, meine Damen und Herren, daß entgegen allen Unkenrufen die deutsche Frage keineswegs vom Tisch ist. Die Zusammengehörigkeit — ich verweise auf das, was der Bundeskanzler zu Güstrow und dem Ereignis im Dom gesagt hat — ist, wenn auch in unterschiedlichen Bündnissen und trotz unüberbrückbarer Meinungsunterschiede, durch das Treffen von Schmidt und Honecker unübersehbar dokumentiert worden.
Niemand wird allerdings in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Staaten dieser Erde abseits stehen, wenn heute das Stichwort Polen fällt. Auch wir können uns mit unserem Denken und Fühlen der polnischen Entwicklung natürlich nicht entziehen. Ich will in der momentanen Situation, in der es darauf ankommt, daß wir die Lage dort nicht erschweren, sondern erleichtern, Theo Sommer zitieren, der in der jüngsten Ausgabe der „Zeit" unter der Überschrift „Rückfall in den Kalten Krieg" festgestellt hat:
Man braucht dem perfekten Militärputsch des
— Ich zitiere, Herr Kollege! —
Die innere Lösung schafft Atemluft: den Polen selber, den Russen, dem Westen. Sie bietet allen eine Chance, einen Schritt vom Abgrund zurückzutreten — vielleicht die letzte.
— Herr Kollege Jäger, ich glaube, wir sollten in dieser Frage wirklich mit aller Zurückhaltung argumentieren.
Wenn Herr Dr. Kohl vorhin von dieser Stelle aus gesagt hat, die Polen warteten auf ein Wort der Sympathie von uns, dann zitiere ich an dieser Stelle die Regierungserklärung, der Herr Kohl vielleicht doch nicht genau genug zugehört hat.
Es heißt dort nämlich:
Unsere Politik gegenüber der Volksrepublik Polen bleibt eine Politik des strengen Respekts vor der nationalen Unabhängigkeit dieses Landes, aber auch eine Politik, die unsere tiefen Sympathien mit den Menschen in Polen zum Ausdruck bringt.
Ich glaube, dies ist genau das, was wir in dieser Situation tun können — und was offenbar auch Herr Kohl gefordert hat. Nur haben Sie, Herr Dr. Kohl, eines nicht getan: Als Sie das Wort von der Nichteinmischung zurückgewiesen haben, haben Sie versäumt, darzustellen, was denn der Gegensatz zu dieser Nichteinmischung sein könne — außer dieser von Ihnen geforderten Sympathie-Kundgebung, die der Bundeskanzler Ihnen offenbar vorweggenommen hatte. Hier darf man, glaube ich, nicht so leichtfertig argumentieren, wie Sie es getan haben.
Ich meine deswegen, daß wir das unterschreiben können, was die EG-Außenminister gemeinsam am Mittwoch dieser Woche erklärt haben, als sie sich auf die Schlußakte von Helsinki beriefen und vor jeglicher Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen warnten.
Ich glaube, gerade wir Deutschen haben unter den Ergebnissen des Kalten Krieges früher gelitten wie kein anderes Volk. Deshalb sollten wir dem Frieden in Europa einen großen Dienst erweisen, indem wir heute alles unternehmen, was wir können, damit die Volksrepublik Polen ihre politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in eigener Entscheidung überwindet.
Das bedeutet eine Fortsetzung unserer Hilfeleistungen, und das bedeutet die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen, die dem polnischen Volk seine Lage erleichtern kann und soll.
Lassen Sie mich abschließen, meine Damen und Herren, mit einigen wenigen grundsätzlichen Bemerkungen, die um so notwendiger sind, als es einen unübersehbaren Zusammenhang zwischen dem Stand der Lösung der deutschen Frage und dem weiteren Fortgang in Polen gibt. Es gibt möglicherweise Formeln, die oft nur noch aus Gewohnheit verwendet werden. Es gibt vielleicht Prinzipien, deren Gültigkeit nur noch aus der Vergangenheit, nicht jedoch aus der gegenwärtigen Situation abgeleitet werden kann. Sollten — und dies sage ich mit allem Nachdruck — solche Formeln oder Prinzipien uns daran hindern, die Situation der Menschen im geteilten Deutschland Schritt für Schritt — kleine Schritte sind nur möglich — zu verbessern, so wären wir — und ich spreche für meine Freunde in der FDP-Fraktion — ohne Zögern bereit, jeden Ballast dieser Art über Bord zu werfen.
Ich glaube, daß es für diese Bereitschaft einleuchtende Gründe gibt. Im humanitären Bereich liegen sie auf der Hand. Ich verweise daher an dieser Stelle nur auf eine Äußerung des Journalisten Peter Bender vom letzten Wochenende auf einer Tagung in Loccum, der damals feststellte, daß in der Deutschlandpolitik Humanität vor Prestigedenken stehen müsse.
Doch auch der moralische Aspekt dieser Frage sollte nicht übersehen werden.
Meine Damen und Herren, wenn es eine Verantwortungsgemeinschaft der Deutschen über die Grenze hinweg gibt — und ich behaupte das und betrachte diese Gemeinschaft als eine der wesentlichen Klammern zwischen den beiden Teilen der deutschen Nation —, dann bezieht sich diese Verantwortung nicht nur auf den Scherbenhaufen, vor dem wir 1945 standen und den wir gemeinsam zu verantworten haben, sie gilt auch für Gegenwart und Zukunft. Von den Auswirkungen unseres gegenwärtigen Handelns und der Verantwortung dafür sind wir, die wir frei zu reden und frei zu handeln vermögen, allerdings in besonderer Weise betroffen. Aber die Richtigkeit einer solchen flexiblen und phantasiebemühten Politik für die Menschen läßt sich auch daran nachweisen, daß ohne sie das zentrale Ziel unserer Deutschlandpolitik, nämlich die Überwindung der Grenze quer durch Deutschland, nie erreicht werden könnte. Gelänge es uns nicht, den Willen zur Zusammengehörigkeit wachzuhalten, könnten politische Entwicklungen die Einheit Deutschlands eines Tages möglich machen, ohne daß sie sich dann noch vollziehen würde. Aber es gibt neben den Formeln und Prinzipien, von denen ich eingangs gesprochen habe, eine Reihe von Grunddaten für diese unsere Politik, die ich an dieser Stelle noch erwähnen möchte. Die sind in dieser Reihenfolge der Präambel des Grundgesetzes zu entnehmen: ich nenne Friede, Freiheit und Einheit und füge hinzu, diese Reihenfolge ist offenbar genauso wenig zufällig wie das
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Ronneburger
Fehlen der Formel „Wiedervereinigung" — mit ihrem möglichen Mißverständnis der Restauration des Deutschen Reiches, in welchen Grenzen auch immer.
So hat auch die Reihenfolge dieser Grundwerte ihre unmittelbare Bedeutung für das Urteil über die Gespräche am Werbellinsee. Es ist nämlich die Frage zu beantworten, ob das Treffen dem damit gesetzten Maßstab entsprochen hat. Ich stelle hier für die FDP fest, daß in der Orientierung an Realitäten und im Rahmen des gegenwärtig Möglichen, aber auch im Sinne des Auftrags des Grundgesetzes sowohl der Bundeskanzler als auch Graf Lambsdorff und Minister Egon Franke diesen Maßstäben mehr als entsprochen haben.
Als Fazit dieses deutschen Gipfeltreffens möchte ich feststellen: nicht Einheit um jeden Preis ist Ziel unserer Politik. Ob Angehörige eines Volkes oder einer Volksgruppe oder mehrerer Volksgruppen in einem Einheitsstaat, einem Bundesstaat, einer Konföderation oder in getrennten Staaten leben wollen, ist jeweils von den Betroffenen selber zu entscheiden. Auch das Grundgesetz engt nicht auf nur die eine Möglichkeit der Einheit in einem Nationalstaat ein.
Für uns ist und bleibt als Richtschnur daher unverändert, daß wir als Deutsche auf unserem unveräußerlichen Grundrecht auf Selbstbestimmung bestehen und damit auf unserer Zusammengehörigkeit als deutsches Volk.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache zu der Regierungserklärung.
Zur Erklärung der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der FDP vor; er ist auf der Drucksache 9/1220 verzeichnet. Dazu hat der Herr Kollege Barzel um das Wort gebeten. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von allen Seiten des Hauses bin ich gebeten worden, als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses zu der Vorlage zu sprechen. Der Auswärtige Ausschuß des Deutschen Bundestages hat gestern gemeinsam mit dem Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates getagt. Dies geschah zum letzten Mal im Jahre 1963. Ich verweise darauf, weil dieser Vorgang bereits für sich spricht und die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen unterstreicht.
Wir haben einen vertraulichen Bericht des Herrn Bundesaußenministers entgegengenommen, ihn diskutiert und Informationen ausgetauscht. Dies alles fand im Geiste fester Besonnenheit und in dem Bemühen statt, aufeinander zuzugehen.
Der dem Hause vorliegende Antrag aller Fraktionen gibt das Ergebnis der gemeinsamen Auffassungen wieder. Der Bundesaußenminister hat außerdem zugesagt, vor der Entscheidung über weitere öffentliche Hilfsmaßnahmen die zuständigen Ausschüsse zu konsultieren. Was verabredet ist, soll abgewickelt werden.
Wir legen Wert darauf, den Text, der gemeinsam beraten und unterschrieben worden ist, hier vorzutragen:
1. Der Deutsche Bundestag verfolgt mit wachsender Besorgnis die Entwicklung in und um Polen, und er bekundet in diesem schicksalhaften Augenblick seine Solidarität mit dem leidgeprüften polnischen Volk
und seinem Ringen um Menschenwürde,
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
2. Er appelliert an die polnische Militärregierung, ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen durch Freilassung aller Inhaftierten, durch Wiederherstellung der durch den Reform-und Erneuerungskurs erreichten Freiheiten, durch Wiederaufnahme des Dialogs mit den reformwilligen und patriotischen Kräften des polnischen Volks.
3. Die seit August 1980 wirksame polnische Reform- und Erneuerungsbewegung für Menschenwürde, Arbeiterrechte und nationale Selbstbestimmung wird derzeit niedergeschlagen. Der seit dem 13. Dezember 1981 gewaltsam abgebrochene Dialog der polnischen Patrioten, der sich auf die Internationalen Menschenrechtspakte und auf die Schlußakte von Helsinki berufen konnte, muß wieder aufgenommen werden; er darf nicht scheitern.
4. Entgegen dem grundsätzlichen Bekenntnis General Jaruzelskis zum polnischen Reformkurs werden derzeit in Wirklichkeit die Führer der jungen Arbeiter- und Bauern-Gewerkschaften, der Wissenschaftler und Studenten zu Tausenden verhaftet. Der freie Ausdruck des Volkswillens wird unterdrückt, Gewalt wird angewendet.
5. Der Deutsche Bundestag erinnert an die strikte völkerrechtliche Verpflichtung aller Staaten, insbesondere der Unterzeichner der KSZE-Schlußakte, zur Nichteinmischung und zur Achtung der Souveränität aller Staaten im Interesse von Sicherheit, Zusammenarbeit und Frieden in Europa. Er verfolgt deshalb mit ebenso großer Besorgnis das anwachsende propagandistische Kesseltreiben gegen den polnischen Reformkurs und die offenen oder versteckten Gewaltandrohungen gegen die polnische Unabhängigkeit von außen.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4309
Dr. Barzel
6. Der Deutsche Bundestag appelliert an alle Bürger unseres Landes, an die Gewerkschaften und Parteien, an die Kirchen, an die karitativen und humanitären Organisationen, an die Jugend, gerade jetzt dem notleidenden polnischen Volk jene mitmenschliche und moralische Solidarität zu bekunden und jene materielle Hilfe gegen Hunger, Not und Kälte zu leisten, die dieses Nachbarvolk heute so dringend braucht und verdient.
7. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, staatliche Wirtschaftshilfe an die Volksrepublik Polen so lange offen zu lassen und auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft darauf hinzuwirken, wie die Unterdrückungsmaßnahmen des derzeitigen Regimes gegen das polnische Volk anhalten.
Verehrte Damen und Herren, ich glaube, wir würden der Sache und der Lage einen guten Dienst tun, das sofort mit breitestmöglicher Mehrheit zu akzeptieren.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer diesem interfraktionellen Entschließungsantrag auf Drucksache 9/1220 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke sehr. Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Ich stelle fest, die Entschließung ist bei einer Stimmenthaltung vom Deutschen Bundestag angenommen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die Anträge der Fraktionen der SPD und der FDP zu den Einsprüchen des Bundesrates ergänzt werden. Diese Punkte sind in der Liste „Zusatzpunkte zur Tagesordnung" aufgeführt, die Ihnen vorliegt.
1. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksachen 9/1214, 9/1217 —
2. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen
— Drucksachen 9/1215, 9/1218 —
3. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
— Drucksachen 9/1216, 9/1219 —
Ist das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP GLOBAL 2000
— Drucksache 9/1157 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt folgende Überweisung vor: zur federführenden Beratung an den Innenausschuß, zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Ausschuß für Forschung und Technologie und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1981;
hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kapitel 1113 Titel 646 05
— Leistungen des Bundes für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz usw. —— Drucksachen 9/948, 9/1149 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Grobecker Dr. Friedmann
Wird von den Herren Berichterstattern das Wort gewünscht? — Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1149, von der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 9/948 Kenntnis zu nehmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist so. Es ist entsprechend beschlossen.
Ich rufe nun die Punkte 4 bis 8 der Tagesordnung auf:
4. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
4310 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ermächtigung der Republik Griechenland, im Wirtschaftsjahr 1981/82 bestimmte innerstaatliche Maßnahmen für Tafeloliven beizubehalten
— Drucksachen 9/934 Nr. 23, 9/1135 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Blunck
5. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2771/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Eier
— Drucksachen 9/934 Nr. 19, 9/1138 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Müller
6. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms unter dem Leitgedanken „Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung" 1982-1985
— Drucksachen 9/536, 9/1125 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Boroffka, Grunenberg
7. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 925/ 79 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 926/79 des Rates vom 8. Mai 1979 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung
— Drucksachen 9/388, 9/760, 9/1164 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ahrens
8. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten
— Drucksachen 9/934 Nr. 26, 9/1165 — Berichterstatter: Abgeordneter Hinsken
Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Ich lasse jetzt über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/1135, 9/1138, 9/1125, 9/1164 und 9/1165 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Stimmt jemand dagegen? — Enthält sich jemand der Stimme? — Es ist entsprechend beschlossen.
Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung rufe ich nun die Zusatzpunkte 1 bis 3 zur Tagesordnung auf:
1. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP
Einspruch des Bundesrates gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksachen 9/1214, 9/1217 —2. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP
Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen
— Drucksachen 9/1215, 9/1218 —3. Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP
Einspruch des Bundesrates gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
— Drucksachen 9/1216, 9/1219 —
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sollen jetzt Erklärungen zu den Zusatzpunkten 1 bis 3 der Tagesordnung abgegeben werden. Ist das Haus damit einverstanden? — — Keine Erklärungen?
Sollen keine Erklärungen abgegeben werden?
Meine Damen und Herren, mir sind drei Redner gemeldet. Für die sozialdemokratische Fraktion erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Westphal. — Darf ich um Aufmerksamkeit für den Redner bitten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gebe ich folgende Erklärung ab, die Sie nicht lange beschäftigen wird:
Die SPD-Fraktion weist die Einsprüche der Bundesratsmehrheit gegen das Verbrauchsteueränderungsgesetz, das Mineralölsteueränderungsgesetz und das Kindergeldänderungsgesetz zurück. Wir tun
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4311
Westphal
dies, weil wir uns durch die konservative Mehrheit der Länderregierungen nicht daran hindern lassen wollen, die notwendige Verbesserung der Haushaltsstruktur des Bundes herbeizuführen. Während wir durch das Zweite Haushaltsstrukturgesetz den Ländern, auch den unionsgeführten Ländern, in beachtlicher Größenordnung geholfen haben, Defizite in ihren Etats abzudecken, verweigert nun die Ländermehrheit uns die entsprechende Gegenleistung. Würde man den Einsprüchen des Bundesrates folgen, entstünde allein für 1982 ein zusätzliches Defizit von nicht weniger als 3,4 Milliarden DM im Bundeshaushalt. Wenn die CDU/CSU-geführten Länder keine Mitverantwortung übernehmen wollen für die Erhöhung der Tabaksteuer, der Alkoholsteuer und der Sektsteuer, weil sie am Aufkommen nicht beteiligt sind, so mag das hingehen, doch bleibt festzuhalten, daß wir zu diesen Maßnahmen seitens der Konservativen im Bundestag und auch im Bundesrat nur Kritik, nicht aber konkrete, verwendbare Einsparungsvorschläge — —
Einen Augenblick, Herr Kollege Westphal! — Meine Damen und Herren, der Bundestag bietet im Augenblick kein Bild der Disziplin, und er zeigt kein Interesse an dem Vortrag, der hier gehalten wird. Ich schließe nicht aus, daß diese letzte Sitzung des Deutschen Bundestages in diesem Jahr vom Fernsehen live mitgeschnitten wird. Ich wäre doch sehr dankbar, wenn die Damen und Herren Abgeordneten ihre Plätze einnehmen und dem Redner zuhören würden.
Es bleibt festzuhalten, meine Damen und Herren, daß wir zu diesen Maßnahmen seitens der Konservativen aus beiden Häusern, Bundestag und Bundesrat, nur Kritik, nicht aber konkrete und verwendbare Vorschläge zu Einsparungen an anderen Stellen zu hören bekommen haben. Diese Mehrbelastungen bei Tabak und Alkohol sind für die Bürger jedenfalls eher zu ertragen als tiefe Einschnitte in unser Sozialleistungssystem, die uns von den Unionsparteien immer wieder empfohlen worden sind.
Meine Damen und Herren, wir bedauern außerordentlich — und das ist der Punkt, zu dem hier noch einmal ein Wort gesagt werden muß —, die Kürzung im Kindergeldbereich nicht ganz oder zumindest teilweise zurücknehmen zu können. Dies wäre möglich gewesen, wenn sich die CDU/CSU-geführten Länder bereit gefunden hätten, zunächst dem nordrhein-westfälischen Antrag und dann dem Mehrheitsbeschluß des Bundestages zu folgen und die leidigen Kinderbetreuungskostenbeträge aus dem Einkommensteuerrecht wieder herauszunehmen.
Untersucht man den sozialen Gehalt dieser öffentlichen Leistungen, kann es keinen Zweifel daran geben, daß die Kinderbetreuungskostenbeträge den Bezieher eines höheren Einkommens für seine Kinder stärker entlasten als den Bezieher eines kleineren Einkommens. Diese Art von „Freibeträgen" erlaubt entgegen den früheren Erklärungen der mitverantwortlichen Unionsminister durch eine weite Auslegung sogar die steuerliche Absetzung von Reitkursen u. ä. Eine Abschaffung dieser Mißgeburt des Steuerrechts wäre ohne Zweifel sozialer und leichter hinzunehmen als eine Kindergeldkürzung.
Dieselben konservativen Parteien, die uns den Vorwurf machen, wir würden nicht tief genug in soziale Leistungsgesetze einschneiden, verweigern sich bei dem an dieser Stelle wohl oder übel erforderlichen Schnitt.
Meine Damen und Herren, den Bürgern sagen wir bei diesem schmerzhaftesten der Eingriffe in der Gesamtoperation, daß die Eltern 1982 nicht weniger Kindergeld als am Anfang dieses Jahres 1981 haben werden. Für das dritte Kind bleibt die Hälfte der Verbesserung vom Februar 1981 erhalten, vom vierten Kind an bleibt die ganze Verbesserung um 40 DM monatlich im Gesetz.
Wir stehen zu unserer damit zu tragenden Verantwortung, doch wir hätten dies im Interesse der Familien gemeinsam besser machen können, wenn die Christdemokraten bereit gewesen wären, einen Teil der Mitverantwortung aus ihrem Recht abzuleiten, die Steuergesetzgebung über den Bundesrat mitzugestalten. Dieser hohe Grad von Verantwortungsbewußtsein ist offensichtlich von unserer Opposition nicht zu erwarten. Wir registrieren dies nüchtern.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion beantragt die Zurückweisung der Einsprüche des Bundesrates bei allen drei vorliegenden Gesetzen, und zwar jeweils in namentlicher Abstimmung.
Zur Abgabe einer Erklärung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Schäuble das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt gegen die Anträge von SPD und FDP, die Verbrauchsteuern zu erhöhen und das Kindergeld zu kürzen.
Für uns sind Steuererhöhungen kein taugliches Mittel zur Sanierung des Bundeshaushalts. Die Abgabenquote hat ohnedies schon eine beschäftigungsfeindliche Höhe erreicht.
Auch die Verbrauchsteuern, die ja bei Mineralöl und Branntwein in diesem Jahr schon einmal erhöht worden sind, können keine unbegrenzte Reservekasse für Herrn Matthöfer bilden. Mit den weiteren Steuererhöhungen für Tabak, für Branntwein und für Sekt sowie mit der Verlängerung der Heizölsteuer wird erneut klar, daß alle Bürger die Zeche für die verfehlte Politik dieser Bundesregierung zu bezahlen haben.
4312 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Dr. Schäuble
Für besonders verhängnisvoll halten wir die von Ihnen vorgesehene Kürzung des Kindergeldes für die zweiten und dritten Kinder der Familien.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, noch vor einem Jahr haben Sie den Wahlkampf mit der Ankündigung einer Erhöhung des Kindergelds geführt.
Jetzt wird das zum 1. Februar erhöhte Kindergeld wieder gekürzt.
Wir, die CDU/CSU, haben immer gesagt, daß alle anderen Einsparmöglichkeiten zuerst ausgeschöpft werden müssen.
Wir haben zahlreiche Vorschläge für weitere Einsparungen in diesem Haus öffentlich und im Vermittlungsausschuß eingebracht. Sie haben diese Vorschläge abgelehnt.
Mir leuchtet noch immer nicht ein, daß Sie die Kürzung der Ausbildungsförderung für Schüler nicht mitzumachen bereit waren und statt dessen das Kindergeld kürzen wollen.
Die kinderreichen Familien gehören in diesem Land zu den benachteiligten Gruppen. Daß Sie heute diesen Familien zusätzliche Sonderopfer auferlegen wollen, ist ein neuer Beweis, daß Sie für die drückenden Probleme kein Gespür mehr haben.
Darüber hinaus setzen Sie ein neues Zeichen Ihrer familienfeindlichen Politik, an deren Folgen wir alle noch bitter zu tragen haben werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vermittlungsausschuß haben wir mit Mehrheit beschlossen, die Kürzung des Kindergelds und die Steuererhöhungen abzulehnen. Sie haben das letzte Woche zurückgewiesen. Jetzt hat der Bundesrat Einspruch dagegen eingelegt. Ich appelliere an Sie, diese letzte Chance zur Korrektur einer falschen Politik zu nutzen.
Ich erteile das Wort zur Abgabe einer Erklärung dem Herrn Abgeordneten Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Freien Demokraten werden die Einsprüche des Bundesrats zurückweisen. Wir lassen uns dabei davon leiten, daß es nicht angeht, wie hier soeben von der Opposition wieder zu hören, ununterbrochen zu sagen, daß erstens gespart werden soll, daß zweitens eine Fülle von Anliegen — und das sind fast alle Anliegen — ganz wichtig sind und deshalb die dafür bestimmten Finanzmittel nicht angetastet werden dürfen, und zum
Schluß soll dabei ein solider Bundeshaushalt herauskommen.
Wir müssen den Mut haben, auch zu sagen, daß schmerzliche Eingriffe vorgenommen werden müssen. Es geht nicht an, daß nach ermüdenden und ungewöhnlich umfangreichen Sitzungen des Vermittlungsausschusses hinterher bei einer Masse, die von allen Beteiligten als ein Paket angesehen worden ist, die Opposition sich herausstiehlt, mir nichts dir nichts ein Loch von 3,4 Milliarden DM hinterläßt
und das mit sehr freundlichen Reden zugunsten der Personenkreise begleitet, die von dieser „Einsparung", einer Einsparung nach Art der CDU/CSU, begünstigt sind, um sich so zu empfehlen.
Wir sind der Meinung, daß ein Paket, wenn es nun einmal schmerzlich verhandelt worden ist, wenn nun einmal wenigstens einigermaßen gleichmäßig alle Bevölkerungsgruppen betroffen sind, auch so durchgestanden werden muß und daß es dann nicht angeht, nach langen Beteuerungen, wie sehr man den Gesamtzusammenhang sehen muß, hier drei Gesetze der Koalition zurückzuschieben, um mit dem schlanken Fuß durch die Tür zu kommen unter Hinterlassung von 3,4 Milliarden DM Schulden.
Meine Damen und Herren, das Wort zur Abgabe weiterer Erklärungen wird nicht gewünscht.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Um den Einspruch des Bundesrats, den dieser mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen hat, zurückzuweisen, bedarf es gemäß Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes der Mehrheit der Mitglieder des Hauses. Das sind 249 Stimmen.
Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung betreffend den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP bezüglich des Einspruchs des Bundesrats gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes, verzeichnet auf den Drucksachen 9/1214 und 9/1217. Wer den Einspruch des Bundesrats zurückweisen will, muß mit Ja stimmen.
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung verlangt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie einen Augenblick um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten. Zu drei Vorlagen ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: jeden Abstimmungsvorgang für sich abzuschließen
oder nach jeder Abstimmung den nächsten Abstimmungsvorgang aufzurufen und dann alle drei Abstimmungen zusammen auszuzählen. Am Ende wird dann das Ergebnis aller drei Abstimmungen bekanntgegeben.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4313
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
— Einen Moment. Ich möchte nicht allein entscheiden. Ich möchte wissen, ob gegen den zweiten Vorschlag Einspruch erhoben wird.
— Es gibt also keinen Widerspruch dagegen. Danke schön. Dann wird so verfahren. — Wir setzen die Abstimmung zum ersten Zusatzpunkt fort.
Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? — Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP betreffend Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen — Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982 —, verzeichnet auf den Drucksachen 9/1215 und 9/1218. Wer den Einspruch des Bundesrates zurückweisen will, muß mit Ja stimmen.
Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung verlangt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, sind noch Abgeordnete im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Zusatzpunkt 3 zur Tagesordnung. Wer den Einspruch des Bundesrates zurückweisen will, muß mit Ja stimmen.
Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt.
Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich darf bitten, die Plätze einzunehmen, damit ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben kann.
Ich gebe zuerst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982 — Drucksache 9/1218 — bekannt. Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 467 ihre Stimme abgegeben. Ungültige Stimmen! keine. Mit Ja haben 266 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 200 Abgeordnete gestimmt. Der Stimme enthalten hat sich ein Abgeordneter.
20 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Davon ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 10 gestimmt; mit Nein haben 10 gestimmt. Enthalten hat sich niemand.
Ergebnis
Abgegebene Stimmen 467 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 266 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 200 und 10 Berliner Abgeordnete
enthalten: 1
Nein
CDU/CSU
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha
Frau Benedix-Engler Berger Biehle
Böhm
Dr. Bötsch Bohl
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler
Dr. Bugl
Carstens Clemens
Conrad
Dr. Czaja Dallmeyer Daweke
Deres
Dörflinger Dr. Dollinger Doss
Dr. Dregger Echternach Eigen
Engelsberger
Erhard Eymer (Lübeck)
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer Fischer Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Funk
Ganz
Frau Geier Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach Gerstein
Gerster
Glos
Dr. Götz
Haase
Hanz
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Frau Hoffmann Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
Jagoda
Dr. Jahn
Dr. Jobst
Jung
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Kiep
Dr. Klein
Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler Köster
Dr. Kohl Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz
Lamers
Dr. Lammert
Lampersbach
Landré
Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz Lenzer
Link
Linsmeier Lintner
Löher
Louven
Lowack
Maaß
Magin
Dr. Marx
Dr. Mertes
Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller
Müller
Müller
Nelle
Neuhaus Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pfeffermann Pfeifer
Picard
Dr. Pinger Pohlmann Dr. Pohlmeier
Prangenberg
Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riesenhuber
Röhner
Dr. Rose Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer
Sauer
Sauter
Sauter
Dr. Schäuble
Schartz
Schmitz Schmöle
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer
Dr. Schroeder Schröder (Wilhelminenhof) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
4314 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Dr. Schwörer Seehofer
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Vogel
Vogt Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiskirch
Weiß
Werner
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms Wimmer Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner
Baron von Wrangel
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete Bahner
Frau Berger Boroffka
Buschbom Dr. Hackel Kalisch
Kittelmann Lorenz
Schulze Straßmeir
Ja
SPD
Dr. Ahrens
Antretter
Dr. Apel
Auch
Baack
Bahr
Bamberg
Dr. Bardens
Becker Bernrath
Berschkeit
Biermann
Bindig
Frau Blunck
Dr. Böhme Börnsen
Brandt
Brandt Brück
Büchler
Büchner
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Collet
Conradi
Coppik
Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Dreßler
Duve
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm
Esters
Ewen
Feile
Fiebig
Fischer Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs Gansel
Gerstl
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig
Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg Dr. Haack Haar
Haase
Haehser
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann Hofmann (Kronach)
Dr. Holtz Horn
Frau Huber Huonker
Ibrügger
Immer Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Junghans Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein
Dr. Klejdzinski
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Dr. h. c. Leber
Lennartz Leonhart
Frau Dr. Lepsius Leuschner Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens Möhring
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann Neumann (Stelle)
Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Dr. Osswald
Paterna Pauli
Dr. Penner
Pensky
Peter
Polkehn Porzner Poß
Purps
Rapp
Rappe
Rayer
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rosenthal Roth
Sander
Dr. Schachtschabel Schäfer Schätz
Dr. Scheer
Schirmer Schlaga Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)
Frau Schmidt Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schreiner
Schröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl
Dr. Steger
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stockleben
Stöckl
Dr. Struck
Frau Terborg
Thüsing Tietjen Frau Dr. Timm
Topmann
Frau Traupe Dr. Ueberschär
Urbaniak
Vogelsang
Voigt
Vosen
Wallow
Waltemathe Walther
Wehner
Weinhofer
Weisskirchen Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek Wiefel
von der Wiesche
Wimmer Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram Wrede
Würtz
Wuttke
Zander
Zeitler
Frau Zutt
Berliner Abgeordnete Bühling
Dr. Diederich
Dr. Dübber Egert
Hitzigrath Löffler
Frau Luuk Männing
Dr. Mitzscherling Wartenberg
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bergerowski
Frau von Braun-Stützer Bredehorn
Cronenberg Eimer
Engelhard Ertl
Dr. Feldmann
Frau Fromm Funke
Gärtner
Gallus
Gattermann Genscher Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Holsteg
Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff
Frau Matthäus-Maier Merker
Mischnick Möllemann Neuhausen Frau Noth Paintner
Popp
Rentrop
Dr. Riemer
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4315
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Rösch Dr. Zumpfort
Ronneburger Zywietz
Dr. Rumpf
Schäfer fraktionslos
von Schoeler
Frau Schuchardt Hansen
Dr. Solms
Timm Enthalten
Dr. Vohrer
Dr. Wendig CDU/CSU
Wolfgramm
Wurbs Würzbach
Die nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von 249 Stimmen ist damit erreicht. Der Einspruch des Bundesrates ist zurückgewiesen.
Ich gebe jetzt das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksache 9/1217 — bekannt. Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 470 ihre Stimme abgegeben. Ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 264 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 206 Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich niemand.
20 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Davon ungültige Stimmen: keine. Mit Ja haben 10 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 10 Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich keiner.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 469 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 263 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 206 und 10 Berliner Abgeordnete
Nein
CDU/CSU
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha
Frau Benedix-Engler Berger Biehle
Böhm Dr. Bötsch
Bohl
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler Dr. Bugl
Carstens Clemens
Conrad Dr. Czaja
Dallmeyer Daweke
Deres
Dörflinger Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger Echternach
Eigen
Engelsberger
Erhard Eymer (Lübeck)
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer Fischer Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Funk
Ganz
Frau Geier Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach Gerstein
Gerster
Glos
Dr. Götz
Haase
Hanz
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath
Hinsken Höffkes
Höpfinger
Frau Hoffmann Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
Jagoda
Dr. Jahn
Dr. Jobst
Jung
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Kiep
Dr. Klein Klein (München)
Dr. Köhler Dr. Köhler (Wolfsburg) Köster
Dr. Kohl Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz Lamers
Dr. Lammert Lampersbach
Landré
Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz Lenzer
Link
Linsmeier Lintner
Löher
Louven
Lowack
Maaß
Magin
Dr. Marx
Dr. Mertes Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller Müller (Wadern)
Müller Nelle
Neuhaus Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pfeffermann Pfeifer
Picard
Dr. Pinger Pohlmann
Dr. Pohlmeier Prangenberg Dr. Probst Rainer
Rawe
Reddemann Regenspurger
Repnik
Dr. Riesenhuber
Röhner
Dr. Rose
Rossmanith
Rühe
Ruf
Sauer
Sauer
Sauter
Sauter
Dr. Schäuble Schartz
Schmitz Schmöle
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder Schröder (Wilhelminenhof) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel
Vogt Volmer
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiskirch Weiß
Werner
Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wimmer Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete Bahner
Frau Berger Boroffka
Buschbom
Dr. Hackel
Kalisch Kittelmann
Lorenz
Schulze
Straßmeir
SPD
Coppik Thüsing
fraktionslos Hansen
4316 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Ja
SPD
Dr. Ahrens Antretter Dr. Apel Auch
Baack
Bahr
Bamberg
Dr. Bardens
Becker Bernrath
Berschkeit Biermann Bindig
Frau Blunck
Dr. Böhme Börnsen
Brandt
Brandt
Brück
Büchler
Büchner
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen
Collet
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. DäublerGmelin Daubertshäuser
Dreßler
Duve
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm Esters
Ewen
Feile
Fiebig
Fischer Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs Gansel
Gerstl
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase
Haehser
Frau Dr. Hartenstein Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann Hofmann (Kronach)
Dr. Holtz Horn
Huonker Ibrügger
Immer Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich Dr. Jens
Junghans Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein
Dr. Klejdzinski
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Dr. h. c. Leber
Lennartz Leonhart
Frau Dr. Lepsius Leuschner Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens Möhring
Müller
Müller
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann Neumann (Stelle)
Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo
Dr. Osswald
Paterna
Pauli
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn Poß
Purps
Rapp
Rappe Rayer
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rosenthal Roth
Sander
Dr. Schachtschabel Schäfer Schätz
Dr. Scheer Schirmer Schlaga
Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)
Frau Schmidt Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiber Schreiner
Schröder Schröer (Mülheim)
Schulte
Dr. Schwenk Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl
Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stockleben Stöckl
Dr. Struck Frau Terborg Tietjen
Frau Dr. Timm
Topmann Frau Traupe
Dr. Ueberschär
Urbaniak
Vogelsang
Voigt
Vosen
Wallow
Waltemathe Walther
Wehner
Weinhofer
Weisskirchen Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek Wiefel
von der Wiesche
Wimmer Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram Wrede
Würtz
Wuttke
Zander
Zeitler
Frau Zutt
Berliner Abgeordnete Bühling
Dr. Diederich Dr. Dübber
Egert
Hitzigrath
Löffler
Frau Luuk
Männing
Dr. Mitzscherling Wartenberg
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bergerowski
Frau von Braun-Stützer Bredehorn
Cronenberg Eimer
Frau Dr. Engel
Engelhard Ertl
Dr. Feldmann
Frau Fromm Funke
Gärtner
Gallus
Gattermann Genscher Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Hölscher
Holsteg
Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff
Frau Matthäus-Maier Merker
Mischnick Möllemann Neuhausen Frau Noth Paintner
Popp
Rentrop
Dr. Riemer Rösch
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer
von Schoeler Frau Sehuchardt
Dr. Solms Timm
Dr. Vohrer Dr. Wendig
Wolfgramm Wurbs
Dr. Zumpfort
Zywietz
Die nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von 249 Stimmen ist auch bei dieser Vorlage erreicht. Der Einspruch des Bundesrates ist damit zurückgewiesen.
Ich gebe nun das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache 9/1219 — bekannt. Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 472 ihre Stimme abgegeben. Keine ungültige Stimme. Mit Ja haben 267 Abgeordnete, mit Nein 205 Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich niemand.
20 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Keine ungültige Stimme. Mit Ja haben zehn
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4317
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Abgeordnete, mit Nein zehn Abgeordnete gestimmt. Enthalten hat sich niemand.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 471 und 20 Berliner Abgeordnete; davon
j a: 267 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 204 und 10 Berliner Abgeordnete
Nein
CDU/CSU
Dr. van Aerssen
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Barzel Bayha
Frau Benedix-Engler Berger Biehle
Böhm
Dr. Bötsch Bohl
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler
Dr. Bugl
Carstens Clemens
Conrad
Dr. Czaja Dallmeyer Daweke
Deres
Dörflinger Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger Echternach Eigen
Engelsberger
Erhard Eymer (Lübeck)
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer
Fischer Francke (Hamburg) Franke
Dr. Friedmann
Funk
Ganz
Frau Geier Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach Gerstein
Gerster
Glos
Dr. Götz
Haase
Hanz Hartmann Hauser (Bonn-
Bad Godesberg) Hauser
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Frau Hoffmann Dr. Hornhues Horstmeier
Dr. Hubrig Frau Hürland
Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
Jagoda
Dr. Jahn
Dr. Jobst
Jung
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Kiep
Dr. Klein Klein (München)
Dr. Köhler Dr. Köhler (Wolfsburg) Köster
Dr. Kohl
Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kunz Lamers
Dr. Lammert Lampersbach
Landré
Dr. Langner Dr. Laufs Lemmrich
Dr. Lenz Lenzer
Link
Linsmeier Lintner
Löher
Louven
Lowack
Maaß
Magin
Dr. Marx
Dr. Mertes Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner Milz
Dr. Möller
Müller Müller (Wadern)
Müller Nelle
Neuhaus
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pfeffermann Pfeifer
Picard
Dr. Pinger Pohlmann Dr. Pohlmeier
Prangenberg
Dr. Probst
Rainer Rawe
Reddemann
Regenspurger
Repnik
Dr. Riesenhuber
Röhner Dr. Rose Rossmanith
Rühe
Ruf
Sauer
Sauer
Sauter
Sauter
Dr. Schäuble
Schartz
Schmitz Schmöle
Dr. Schneider
Freiherr von Schorlemer Dr. Schroeder Schröder (Wilhelminenhof) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Spilker Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark Graf Stauffenberg
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken
Stücklen Stutzer Susset Tillmann Dr. Todenhöfer
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel
Vogt
Volmer Dr. Voss Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiskirch
Weiß
Werner
Frau Dr. Wex
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wimmer Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner
Baron von Wrangel Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete Bahner
Frau Berger Boroffka
Buschbom
Dr. Hackel
Kalisch Kittelmann
Lorenz
Schulze Straßmeir
Ja
SPD
Dr. Ahrens Antretter Dr. Apel Auch
Baack
Bahr
Bamberg
Dr. Bardens
Becker Bernrath
Berschkeit Biermann Bindig
Frau Blunck
Dr. Böhme Börnsen
Brandt
Brandt
Brück
Büchler
Büchner
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen
Collet
Conradi Coppik
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. DäublerGmelin Daubertshäuser
Dreßler
Duve
Dr. Ehmke Dr. Ehrenberg
Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Engholm Esters
Ewen
Feile
Fiebig
Fischer
Fischer
Franke
Frau Fuchs Gansel
Gerstl
Dr. Geßner Gilges
Ginnuttis Glombig Gnädinger Gobrecht Grobecker Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase
Haehser
Frau Dr. Hartenstein
Hauck
Dr. Hauff Heistermann
Herberholz Herterich Heyenn
Hoffmann Hofmann (Kronach)
Dr. Holtz Horn
Frau Huber
4318 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
Vizepräsident Dr. h. c. Leber
Huonker
Ibrügger
Immer Jahn (Marburg)
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Junghans Jungmann Kiehm
Kirschner
Klein
Dr. Klejdzinski
Kolbow
Kretkowski
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus
Dr. h. c. Leber Lennartz Leonhart
Frau Dr. Lepsius Leuschner Liedtke
Dr. Linde Lutz
Mahne
Marschall
Frau Dr. Martiny-Glotz Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens Möhring
Müller Müller (Schweinfurt) Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann Neumann (Stelle)
Dr. Nöbel Offergeld Oostergetelo Dr. Osswald Paterna
Pauli
Dr. Penner Pensky
Peter
Polkehn
Poß
Purps
Rapp Rappe (Hildesheim) Rayer
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rosenthal Roth
Sander
Dr. Schachtschabel Schäfer Schätz
Dr. Scheer Schirmer Schlaga
Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg) Schmidt (München)
Frau Schmidt Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Dr. Schöfberger
Schreiber Schreiner
Schröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)
Dr. Schwenk Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl
Dr. Steger Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stockleben Stöckl
Dr. Struck Frau Terborg
Thüsing
Tietjen
Frau Dr. Timm
Topmann Frau Traupe
Dr. Ueberschär
Urbaniak Vogelsang Voigt
Vosen
Wallow
Waltemathe Walther
Wehner
Weinhofer
Weisskirchen Dr. Wernitz
Westphal Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek Wiefel
von der Wiesche
Wimmer
Wimmer Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram Wrede
Würtz Wuttke Zander Zeitler Frau Zutt
Berliner Abgeordnete
Bühling
Dr. Diederich
Dr. Dübber Egert
Hitzigrath Löffler
Frau Luuk Männing
Dr. Mitzscherling Wartenberg
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bergerowski
Frau von Braun-Stützer Bredehorn
Cronenberg Eimer
Frau Dr. Engel
Engelhard Ertl
Dr. Feldmann
Frau Fromm
Funke Gärtner
Gallus Gattermann
Genscher
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch
Hölscher
Holsteg
Jung
Kleinert
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Frau Matthäus-Maier Merker
Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Frau Noth
Paintner
Popp
Rentrop
Dr. Riemer
Rösch Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer
von Schoeler
Frau Schuchardt
Dr. Solms
Timm
Dr. Vohrer
Dr. Wendig
Wolfgramm Wurbs
Dr. Zumpfort
Zywietz
Die nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von 249 Stimmen ist auch bei dieser Vorlage erreicht. Der Einspruch des Bundesrates ist damit zurückgewiesen.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Es ist die letzte Sitzung im ablaufenden Kalenderjahr. Ich wünschen Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, ein friedvolles, glückliches und gesundes neues Jahr und an jedem Tag — bei aller Arbeit, die wir haben — einmal auch einen richtigen Grund zur Freude. Ich hoffe, daß wir uns alle gesund im neuen Jahr wiedersehen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Januar 1982, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.