Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen in seiner Regierungserklärung an einer Stelle folgendes gesagt:
Die nicht zu behebenden Unterschiede und Gegensätze in grundsätzlichen Fragen müssen durch ein Geflecht des für beide Seiten praktisch Möglichen und Vernünftigen gemildert werden.
Ich glaube, Herr Kollege Dr. Kohl, Sie hätten gut daran getan, wenn Sie heute in Ihrer Erwiderung die Grenze zwischen dem praktisch Möglichen und dem Erstrebenswerten deutlicher gemacht hätten, als Sie es getan haben,
und wenn Sie nicht zum wiederholten Male den Versuch unternommen hätten, einen Unterschied zu machen, nämlich zu sagen: das Wünschbare ist Ziel der Union, und der Koalition sowie der Bundesregierung ist der Vorwurf zu machen, daß sie sich mit dem Machbaren zufriedengeben. Von Zufriedengeben kann überhaupt keine Rede sein. Aber eines, meine ich, sollte hier doch wohl gesagt werden dürfen: daß alles dies, was wir an Machbarem tun, ein Schritt hin auf dem Wege zu dem ist, was wir gemeinsam wünschen.
Für die Fraktion der FDP des Hohen Hauses spreche ich dem Bundeskanzler, den Bundesministern Graf Lambsdorff und Franke sowie der gesamten Delegation die Anerkennung und den Dank aus für das Engagement, für die Klarheit und die Redlichkeit der Argumente sowie auch für die untadelige Art und Weise — ich sage das absichtlich an dieser Stelle —, in der der Bundeskanzler und die Delegation sowohl auf die Vorgänge in Güstrow als auch auf die polnischen Ereignisse dort in der DDR reagiert haben.
Diese Anerkennung muß auch deswegen ausgesprochen werden, weil es der Regierung Schmidt/ Genscher — wie beim Breschnew-Besuch Ende November — erneut gelungen ist, durch unvoreingenommene Gesprächsbereitschaft und gleichzeitige Eindeutigkeit und Festigkeit in der Darstellung unserer Standpunkte einen weiteren wichtigen Beitrag zur politischen Vertrauensbildung zwischen Ost und West zu leisten.
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Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle einige wenige grundsätzliche Bernerkungen, die ich für eine Bewertung dieser Reise und ihrer Ergebnisse für wichtig halte. Diese Reise zum Werbellinsee, das deutsche Treffen auf dieser seit 1970 nicht mehr genutzten Ebene, die Gespräche, die dort geführt worden sind, waren ein Teil jener Politik, die wir verkürzt Deutschlandpolitik zu nennen pflegen. Diese Bezeichnung ist richtig, soweit sie das langfristige Ziel unserer Bemühungen beschreibt. Diese Bezeichnung verleitet jedoch zu einer Verengung unseres Denkens, wenn wir sie als Anweisung für unser gegenwärtiges Handeln, als die Beschreibung des Rahmens unserer politischen Handlungsfähigkeit unkritisch verwenden. Heute — ich hoffe, Herr Dr. Kohl, daß wir uns in diesem Punkt einig sind; und niemand kann den Zeitraum exakt abgrenzen, der mit dieser Formel „heute" umschrieben sein soll — muß sich unsere Politik zuerst um den deutschen Menschen
und erst danach um das deutsche Land bemühen.
Daß Politik in erster Linie dem Menschen zu dienen habe, ist eine Feststellung, über die wir nicht zu streiten brauchen oder über die wir jedenfalls nicht streiten sollten. Ich entnehme dem Kopfnicken des Herrn Oppositionsführers, daß wir darüber einig sind. Aber diese Feststellung erfordert gerade bei der Suche nach einer Antwort auf die noch immer offene deutsche Frage Konsequenzen bei der Setzung von Prioritäten, bei denen Übereinstimmung schon nicht mehr so leicht und schnell wie im Grundsätzlichen gefunden werden wird.
Ich meine, auch unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse in Polen sollte nicht zerredet werden, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 3. Dezember mit Blick auf die Gespräche mit SED-Generalsekretär Honecker ausgeführt hat. Er sagte dort:
Die sozialliberale Koalition ist sich einig darin, daß dieses Treffen Zeichen dafür setzen soll, daß der gute Wille auf beiden Seiten vorhanden ist, eine Phase der Rückschläge in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten zu überwinden. Ich hoffe,
— so hatte der Herr Bundeskanzler hinzugefügt —
daß dieses Treffen allen Deutschen erfahrbare Ausblicke eröffnet und daß es ihnen Mut machen kann.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Die Koalition war sich einig im Ausblick auf das Treffen. Sie ist sich aber auch einig — und dies sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition — in der Frage der Beurteilung der Ergebnisse. Es wäre ein von vornherein fehlgeschlagener Versuch, Herr Dr. Kohl, wenn Sie glauben, mit einem Blick auf die FDP-Fraktion uns ein Übermaß an Zustimmung unterstellen zu können, das dann doch wohl nur taktische Gründe hätte haben können. Hier geht es nicht um Taktik, sondern um Überzeugung.
Jeder, der unvoreingenommen, sei es am Fernsehschirm oder hinterher in der Presse, das gemeinsame Kommuniqué, die Tischreden oder die Ansprachen gelesen oder gehört hat, wird feststellen müssen, daß die Mitverantwortung für die Sicherung und Bewahrung des Friedens nach diesen Gesprächen auch von der DDR in Zukunft nicht mehr geleugnet werden kann.
Gewiß haben die Regierungschefs der beiden deutschen Staaten gemeinsam als Ergebnis ihrer intensiven und ausführlichen Beratungen einen Wechsel auf die Zukunft gezogen. Ich hoffe aber sehr, daß im Interesse der Menschen in beiden deutschen Staaten niemand bei uns auch nur ein nicht ausgesprochenes Interesse daran haben könnte, daß dieser Wechsel platzt.
Die Menschen in beiden deutschen Staaten haben zu viele Spannungen und Schwierigkeiten aushalten müssen und ausgehalten, als daß sie nicht heute realistisch genug wären, um beurteilen zu können, was machbar und was nicht machbar ist. Den Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland und denen in der DDR, die sich der westlichen Medien bedient haben, ist vor dem Besuch des Bundeskanzlers und seiner Delegation nichts Unerfüllbares versprochen worden. Statt dessen wurde die deutsche Wirklichkeit vor der Reise und während des Treffens ehrlich und offen beschrieben. So kann heute gesagt werden, daß der Wert dieses deutschen Gipfeltreffens und folglich auch seiner Resultate in den Chancen und Möglichkeiten liegt, die eröffnet worden sind.
Ich bin davon überzeugt, daß nicht nur politisch Denkende in der Bundesrepublik, sondern vor allen Dingen die Bürger in der DDR mit Erschrecken und Bestürzung die wiederholten Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Strauß und seines Parteifreundes Zimmermann vernommen haben. Hat doch der Kollege Zimmermann selber für eine solche Erwägung die Meßlatte angelegt, als er am 9. Oktober hier im Hohen Hause in Richtung auf die SPD-Fraktion folgendes feststellte:
Zur Diskussion
— so sagten Sie damals, Herr Kollege Zimmermann —
müssen auch die sonstigen Meinungsäußerungen aus diesem Hause herangezogen werden, die außerhalb dieses Hauses abgegeben worden sind.
Und diese Meinungsäußerungen in den letzten Tagen haben j a nun wirklich nicht zur Verbesserung des Klimas und zur sachlichen Bewertung der Ergebnisse dieses Besuches beigetragen.
Ich will auf einzelne Zitate hier im Augenblick verzichten. Aber eines sei hier doch einmal deutlich genannt. Herr Strauß hat am Sonntag gesagt, der Bundeskanzler sei bei Honecker in eine Falle gegangen. Und da ein guter und weiser politischer Rat aus Bayern selten allein kommt, erklärte dazu der Kollege Zimmermann, ein selbstbewußter und handlungsfähiger Kanzler der Bundesrepublik Deutschland hätte unter diesen Umständen einen Besuch
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gar nicht erst angetreten oder zumindest abgebrochen.
Ich weise für die FDP-Fraktion diese Anschuldigungen eines angeblichen Fehlverhaltens des Bundeskanzlers und seiner Delegation mit aller Deutlichkeit zurück.
Diese Rezepturen der Härte und der vermeintlichen Unnachgiebigkeit, in Wahrheit also der Politik der Konfrontation,
unter der die Menschen in Zukunft noch mehr als bisher leiden müßten, wird es für uns allerdings nicht geben.
Die Fernsehbilder des Besuchs in Güstrow, aber auch die Darstellungen darüber in der Presse — ich verweise auf den Bericht im „Stern" — machen deutlich, daß die Erfahrungen von Erfurt im Jahr 1970 bei der DDR-Spitze offenbar tiefer sitzen, als manche glauben. Auch wenn die Bürger von Güstrow und aus anderen Teilen der DDR daran gehindert waren, ihre Sympathie persönlich zum Ausdruck zu bringen, behaupte ich aus eigener Erfahrung: Dieser Besuch hat den Menschen gezeigt, daß für uns in der sozialliberalen Koalition nicht nur durch das Wollen, sondern durch das Tun alte Verbindungen gehalten und neue geschaffen werden.
Die völlig unangemessene und übertriebene Überängstlichkeit der DDR-Spitze hat dazu geführt, daß eine innerliche Solidarisierung — wie auch bei früheren Gelegenheiten schon abgesehen von den bezahlten Jublern — mit der politischen Führung der DDR noch immer nicht erreicht ist.
Ich glaube, ermessen zu können, welchen Dienst Sie, Herr Bundeskanzler, den Deutschen in beiden deutschen Staaten durch Ihr Verhalten erwiesen haben. Ich glaube überdies, das auch für einen großen Teil derer aussprechen zu können, denen noch immer versagt ist, von elementaren Freiheiten Gebrauch zu machen.
Überraschung hätte es allerdings bei uns ausgelöst, wenn Franz Josef Strauß oder der Kollege Zimmermann mäßigend argumentiert hätten.
Aber so ist niemand enttäuscht worden.
Für mich persönlich — nur das möchte ich diesem Punkt noch hinzufügen — ist es bedrückend, daß die Berliner und mit ihnen Herr von Weizsäcker unter diesem negativen Zwangsverhalten von Teilen der Union leiden müssen. Niemand als die Berliner weiß besser, welcher Nutzen für die Sicherheit und die Lebensfähigkeit ihrer Stadt aus den Ostverträgen gezogen werden konnte. Die Entspannungspolitik, die unverändert Grundsatz der Politik der sozialliberalen Koalition seit mehr als elf Jahren ist, wird sich auch weiterhin an den Prinzipien des Interessenausgleichs und der Gegenseitigkeit orientieren.
Nur eines, Herr Kollege Dr. Kohl, haben wir heute von Ihnen nicht erfahren können, ob Sie nämlich der Meinung Strauß/Zimmermann zuneigen und damit Herrn von Weizsäcker im Regen stehenlassen.
— Ja, ich habe Ihnen sehr genau zugehört — im Gegensatz zu Ihnen bei der Regierungserklärung.
Aber darauf komme ich bei einem anderen Punkt noch zurück.
Ich hätte gern einmal gewußt, was Sie denn von der Meinung von Herrn von Weizsäcker gehalten haben und halten. Eine demonstrative Abreise des Bundeskanzlers aus der DDR hätte fatale Folgen gehabt. Mit Selbstbewußtsein kann ich hier für die FDP darauf zurückblicken, daß sie sich entsprechend den politischen Gegebenheiten immer wieder bemüht hat, die von den „Falken" in beiden deutschen Staaten gern akzeptierte Gesprächslosigkeit zu überwinden. An dieser Stelle sage ich — und ich bitte, es nicht falsch zu verstehen —: Ich gebe meine Hoffnung nicht auf, daß sich auch die Mehrheit der Union der Politik zur Überwindung dieser Sprachlosigkeit gerade auch in schwierigen Zeiten anschließt.
Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Bundeskanzler den Generalsekretär zu einem Gegenbesuch in die Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit eingeladen hat. Ich würde mir sehr wünschen, daß die Zeit bis dahin auf allen Ebenen der Regierung, aber auch des Parlaments genutzt wird, um die vielen ungelösten Fragen einer Klärung zuzuführen.
Ich glaube, wir alle haben erkannt, meine Damen und Herren, daß entgegen allen Unkenrufen die deutsche Frage keineswegs vom Tisch ist. Die Zusammengehörigkeit — ich verweise auf das, was der Bundeskanzler zu Güstrow und dem Ereignis im Dom gesagt hat — ist, wenn auch in unterschiedlichen Bündnissen und trotz unüberbrückbarer Meinungsunterschiede, durch das Treffen von Schmidt und Honecker unübersehbar dokumentiert worden.
Niemand wird allerdings in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Staaten dieser Erde abseits stehen, wenn heute das Stichwort Polen fällt. Auch wir können uns mit unserem Denken und Fühlen der polnischen Entwicklung natürlich nicht entziehen. Ich will in der momentanen Situation, in der es darauf ankommt, daß wir die Lage dort nicht erschweren, sondern erleichtern, Theo Sommer zitieren, der in der jüngsten Ausgabe der „Zeit" unter der Überschrift „Rückfall in den Kalten Krieg" festgestellt hat:
Man braucht dem perfekten Militärputsch des
— Ich zitiere, Herr Kollege! —
Die innere Lösung schafft Atemluft: den Polen selber, den Russen, dem Westen. Sie bietet allen eine Chance, einen Schritt vom Abgrund zurückzutreten — vielleicht die letzte.
— Herr Kollege Jäger, ich glaube, wir sollten in dieser Frage wirklich mit aller Zurückhaltung argumentieren.
Wenn Herr Dr. Kohl vorhin von dieser Stelle aus gesagt hat, die Polen warteten auf ein Wort der Sympathie von uns, dann zitiere ich an dieser Stelle die Regierungserklärung, der Herr Kohl vielleicht doch nicht genau genug zugehört hat.
Es heißt dort nämlich:
Unsere Politik gegenüber der Volksrepublik Polen bleibt eine Politik des strengen Respekts vor der nationalen Unabhängigkeit dieses Landes, aber auch eine Politik, die unsere tiefen Sympathien mit den Menschen in Polen zum Ausdruck bringt.
Ich glaube, dies ist genau das, was wir in dieser Situation tun können — und was offenbar auch Herr Kohl gefordert hat. Nur haben Sie, Herr Dr. Kohl, eines nicht getan: Als Sie das Wort von der Nichteinmischung zurückgewiesen haben, haben Sie versäumt, darzustellen, was denn der Gegensatz zu dieser Nichteinmischung sein könne — außer dieser von Ihnen geforderten Sympathie-Kundgebung, die der Bundeskanzler Ihnen offenbar vorweggenommen hatte. Hier darf man, glaube ich, nicht so leichtfertig argumentieren, wie Sie es getan haben.
Ich meine deswegen, daß wir das unterschreiben können, was die EG-Außenminister gemeinsam am Mittwoch dieser Woche erklärt haben, als sie sich auf die Schlußakte von Helsinki beriefen und vor jeglicher Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen warnten.
Ich glaube, gerade wir Deutschen haben unter den Ergebnissen des Kalten Krieges früher gelitten wie kein anderes Volk. Deshalb sollten wir dem Frieden in Europa einen großen Dienst erweisen, indem wir heute alles unternehmen, was wir können, damit die Volksrepublik Polen ihre politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in eigener Entscheidung überwindet.
Das bedeutet eine Fortsetzung unserer Hilfeleistungen, und das bedeutet die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen, die dem polnischen Volk seine Lage erleichtern kann und soll.
Lassen Sie mich abschließen, meine Damen und Herren, mit einigen wenigen grundsätzlichen Bemerkungen, die um so notwendiger sind, als es einen unübersehbaren Zusammenhang zwischen dem Stand der Lösung der deutschen Frage und dem weiteren Fortgang in Polen gibt. Es gibt möglicherweise Formeln, die oft nur noch aus Gewohnheit verwendet werden. Es gibt vielleicht Prinzipien, deren Gültigkeit nur noch aus der Vergangenheit, nicht jedoch aus der gegenwärtigen Situation abgeleitet werden kann. Sollten — und dies sage ich mit allem Nachdruck — solche Formeln oder Prinzipien uns daran hindern, die Situation der Menschen im geteilten Deutschland Schritt für Schritt — kleine Schritte sind nur möglich — zu verbessern, so wären wir — und ich spreche für meine Freunde in der FDP-Fraktion — ohne Zögern bereit, jeden Ballast dieser Art über Bord zu werfen.
Ich glaube, daß es für diese Bereitschaft einleuchtende Gründe gibt. Im humanitären Bereich liegen sie auf der Hand. Ich verweise daher an dieser Stelle nur auf eine Äußerung des Journalisten Peter Bender vom letzten Wochenende auf einer Tagung in Loccum, der damals feststellte, daß in der Deutschlandpolitik Humanität vor Prestigedenken stehen müsse.
Doch auch der moralische Aspekt dieser Frage sollte nicht übersehen werden.
Meine Damen und Herren, wenn es eine Verantwortungsgemeinschaft der Deutschen über die Grenze hinweg gibt — und ich behaupte das und betrachte diese Gemeinschaft als eine der wesentlichen Klammern zwischen den beiden Teilen der deutschen Nation —, dann bezieht sich diese Verantwortung nicht nur auf den Scherbenhaufen, vor dem wir 1945 standen und den wir gemeinsam zu verantworten haben, sie gilt auch für Gegenwart und Zukunft. Von den Auswirkungen unseres gegenwärtigen Handelns und der Verantwortung dafür sind wir, die wir frei zu reden und frei zu handeln vermögen, allerdings in besonderer Weise betroffen. Aber die Richtigkeit einer solchen flexiblen und phantasiebemühten Politik für die Menschen läßt sich auch daran nachweisen, daß ohne sie das zentrale Ziel unserer Deutschlandpolitik, nämlich die Überwindung der Grenze quer durch Deutschland, nie erreicht werden könnte. Gelänge es uns nicht, den Willen zur Zusammengehörigkeit wachzuhalten, könnten politische Entwicklungen die Einheit Deutschlands eines Tages möglich machen, ohne daß sie sich dann noch vollziehen würde. Aber es gibt neben den Formeln und Prinzipien, von denen ich eingangs gesprochen habe, eine Reihe von Grunddaten für diese unsere Politik, die ich an dieser Stelle noch erwähnen möchte. Die sind in dieser Reihenfolge der Präambel des Grundgesetzes zu entnehmen: ich nenne Friede, Freiheit und Einheit und füge hinzu, diese Reihenfolge ist offenbar genauso wenig zufällig wie das
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Fehlen der Formel „Wiedervereinigung" — mit ihrem möglichen Mißverständnis der Restauration des Deutschen Reiches, in welchen Grenzen auch immer.
So hat auch die Reihenfolge dieser Grundwerte ihre unmittelbare Bedeutung für das Urteil über die Gespräche am Werbellinsee. Es ist nämlich die Frage zu beantworten, ob das Treffen dem damit gesetzten Maßstab entsprochen hat. Ich stelle hier für die FDP fest, daß in der Orientierung an Realitäten und im Rahmen des gegenwärtig Möglichen, aber auch im Sinne des Auftrags des Grundgesetzes sowohl der Bundeskanzler als auch Graf Lambsdorff und Minister Egon Franke diesen Maßstäben mehr als entsprochen haben.
Als Fazit dieses deutschen Gipfeltreffens möchte ich feststellen: nicht Einheit um jeden Preis ist Ziel unserer Politik. Ob Angehörige eines Volkes oder einer Volksgruppe oder mehrerer Volksgruppen in einem Einheitsstaat, einem Bundesstaat, einer Konföderation oder in getrennten Staaten leben wollen, ist jeweils von den Betroffenen selber zu entscheiden. Auch das Grundgesetz engt nicht auf nur die eine Möglichkeit der Einheit in einem Nationalstaat ein.
Für uns ist und bleibt als Richtschnur daher unverändert, daß wir als Deutsche auf unserem unveräußerlichen Grundrecht auf Selbstbestimmung bestehen und damit auf unserer Zusammengehörigkeit als deutsches Volk.