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    Plenarprotokoll 9/74 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 74. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Hansen aus der Fraktion der SPD 4289 A Erweiterung der Tagesordnung 4309 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über den Besuch des Bundeskanzlers in der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. bis 13. Dezember 1981 Schmidt, Bundeskanzler 4289 B Dr. Kohl CDU/CSU 4294 A Wehner SPD 4301 A Ronneburger FDP 4304 C Dr. Barzel CDU/CSU 4308 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP GLOBAL 2000 — Drucksache 9/1157 — 4309C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1981; hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 05 — Leistungen des Bundes für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz usw. —— Drucksachen 9/948, 9/1149 — . . . . 4309 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Ermächtigung der Republik Griechenland, im Wirtschaftsjahr 1981/82 bestimmte innerstaatliche Maßnahmen für Tafeloliven beizubehalten — Drucksachen 9/934 Nr. 23, 9/1135 — . 4310A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2771/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Eier — Drucksachen 9/934 Nr. 19, 9/1138 — . 4310A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms unter dem Leitgedanken „Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung" 1982-1985 — Drucksachen 9/536, 9/1125 — . . . . 4310 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 925/79 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 926/79 des Rates vom 8. Mai 1979 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung — Drucksachen 9/388, 9/760, 9/1164 — . 4310 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/ 76 übe das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/934 Nr. 26, 9/1165 — . 4310 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksachen 9/1214, 9/1217 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksachen 9/1215, 9/1218 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksachen 9/1216, 9/1219 — Westphal SPD 4310 D Dr. Schäuble CDU/CSU 4311 D Kleinert FDP 4312 B Namentliche Abstimmungen 4313 B Nächste Sitzung 4318 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4319*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4319* B Anlage 3 Gespräche über die Beachtung der Menschenrechte in Guinea während des Besuchs des Präsidenten Sékou Touré MdlAnfr 40 04.12.81 Drs 09/1134 Thüsing SPD SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4319*C Anlage 4 Soziale Sicherung der in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei Tätigen MdlAnfr 46 20.11.81 Drs 09/1058 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU ErgSchrAntw PStSekr Gallus BML auf ZusFr Baack SPD 4319* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4289 74. Sitzung Bonn, den 18. Dezember 1981 Beginn: 12.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 18. 12. Dr. Ahrens ** 18. 12. Amling 18. 12. Dr. Bardens ** 18. 12. Borchert 18. 12. Günther 18. 12. Häfele 18. 12. Handlos 18. 12. von der Heydt, Freiherr von Massenbach 18. 12. Hoppe 18. 12. Dr. Hüsch 18. 12. Dr. Jenninger 18. 12. Keller 18. 12. Meinike (Oberhausen) 18. 12. Dr. Müller ** 18. 12. Reddemann ** 18. 12. Dr. Riedl (München) 18. 12. Rohde 18. 12. Frau Roitzsch 18. 12. Schmidt (Kempten) 18. 12. Schröder (Lüneburg) 18. 12. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 18. 12. Dr. Schwarz-Schilling 18. 12. Seiters 18. 12. Sick 18. 12. Zink 18. 12. ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1981 mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen, gegen die nachstehenden Gesetze Einspruch einzulegen: Neuntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982 - VerbStÄndG 1982) Zweites Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes. Die Schreiben des Präsidenten des Bundesrates sind als Drucksachen 9/1214, 9/1215 und 9/1216 verteilt. Die in Drucksache 9/1088 unter Nummer 22 aufgeführte EG-Vorlage Mandat vom 30. Mai 1980: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft wird als Drucksache 9/1211 verteilt. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 9/1134 Frage 40): Was hat - wenn man Presseberichten glauben kann - die Bundesregierung veranlaßt, die Frage nach der Beachtung der Menschenrechte in Guinea während des Besuchs des Präsidenten Ahmed Sékou Touré der Opposition zu überlassen? Wie Sie wissen, ist die Achtung der Menschenrechte weltweit ein Anliegen der Politik der Bundesregierung. Die Gespräche während des Staatsbesuchs aus Guinea ebenso wie die Vorbereitungen hierfür wurden genutzt, diese Haltung zu verdeutlichen und konkrete Anliegen anzusprechen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Publizität dem Erfolg solcher Demarchen nicht dienlich ist. Die Bundesregierung hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß auch die Opposition diesen Punkt aufgegriffen hat. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Baack (SPD) zur Frage des Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 46, 67. Sitzung, Seite 3898 C): Der Bund gewährt 1981 zu folgenden sozialen Maßnahmen Zuschüsse: 1. Altershilfe für Landwirte (Haushaltssoll: 2 105 Millionen DM) Die Altershilfe für Landwirte hatte am 30. Juni 1981 645 878 Beitragszahler und 553 018 Bezieher von Dauergeldleistungen. Außerdem wurden 20 149 Waisengelder gezahlt. Im ersten Halbjahr 1981 wurden 10 124 medizinische Rehabilitationsmaßnahmen bewilligt. Die Gesamtaufwendungen der Altershilfe werden für 1981 auf 2 680 Millionen DM geschätzt. Hiervon werden ca. 580 Millionen DM durch Beiträge der Landwirte gedeckt. Durch Artikel 13 und 14 des 2. Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur in der Fassung der Vorschläge des Vermittlungsausschusses wird der Bundeszuschuß zur Altershilfe für Landwirte auf dem Stand des Jahres 1981 (Soll: 2 105 Millionen DM) für die Jahre 1982 und 1983 eingefroren. Der Beitrag der Landwirte erhöht sich hierdurch, die Rentenanpassung zum 1. Januar 1982 ( + 5,76 v. H.) und den Rückgang der Zahl der Beitragspflichtigen um ca. 10 000 von 75 DM/Monat auf 94 DM/Monat. 1983 wird der Beitrag auf ca. 112 DM/Monat steigen. 4320* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 2. Landwirtschaftliche Unfallversicherung (Haushaltssoll: 400 Millionen DM, davon 40 Millionen DM gesperrt nach § 41 BHO) Der Zuschuß dient der Beitragsentlastung der landwirtschaftlichen Unternehmer und der Zahlung einer Schwerverletztenzulage (Vollrente zur Zeit 690 DM/Monat). 1981 werden ca. 800 000 landwirtschaftliche Unternehmer entlastet. Die Beitragsentlastung beläuft sich im Bundesdurchschnitt auf ca. 36 v. H. Ca. 19 000 Schwerverletzte erhalten die Schwerverletztenzulagen. Die Gesamtaufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften liegen 1981 voraussichtlich bei ca. 1 200 Millionen DM (darunter 580 Millionen DM Renten an 173 000 Verletzte und 22 500 Hinterbliebene). Der Zuschuß soll 1982 auf 340 Millionen DM gekürzt werden. Die mittelfristige Finanzplanung sieht bis 1985 einen stufenweisen Abbau auf 160 Millionen DM vor. 3. Landabgaberente (Haushaltssoll: 235 Millionen DM) Ältere Inhaber von Klein- und Mittelbetrieben erhalten vorzeitig (bei Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. des 55. Lebensjahres bei Nichtvermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt) eine Rente, wenn sie ihre landwirtschaftliche Nutzfläche strukturverbessernd (in erster Linie zur Aufstockung entwicklungsfähiger Betriebe) abgeben und die Marktproduktion einstellen. Die Landabgaberente beträgt zur Zeit für Verheiratete 625,10 DM und für Alleinstehende 415,30 DM/Monat. Dauergeldleistungen der Altershilfe für Landwirte werden auf die Beträge voll und andere Renten und Versorgungsbezüge zum Teil angerechnet. Die Maßnahme wird voll durch den Bund finanziert. Am 30. Juni 1981 bezogen 51 871 Personen Landabgaberente. Seit Beginn der Maßnahme (1. August 1969) wurden 55 153 Unternehmen mit 582 267 ha Nutzfläche mit Hilfe der Maßnahme mobilisiert. Erstbewilligungen von Landabgaberente sind zur Zeit nur möglich, wenn die Leistungsvoraussetzungen bis 31. Dezember 1982 erfüllt werden. 4. Nachentrichtungszuschüsse (Haushaltssoll: 1,4 Millionen DM) Landwirte, die Arbeitnehmer geworden sind, können Lücken in der Rentenversicherung durch Nachentrichtung von Beiträgen schließen, wenn sie aus der Altershilfe für Landwirte ausscheiden, weil sie ihr Unternehmen abgegeben haben oder sich von der Beitragspflicht zur Altershilfe befreien lassen. Der Bund gibt hierzu einen Beitragszuschuß (70 v. H. des Beitrags, höchstens 70 v. H. des Durchschnittsverdiener-Beitrags). 1981 werden voraussichtlich etwa 100 Personen den Zuschuß in Anspruch nehmen. 5. Krankenversicherung der Landwirte (Haushaltssoll: 960 Millionen DM) Die Leistungsaufwendungen der landwirtschaftlichen Krankenkassen für Empfänger von Dauergeldleistungen der Altershilfe für Landwirte und für sonstige Altenteiler trägt im wesentlichen der Bund. 1981 sind ca. 360 000 Personen und ihre Angehörigen leistungsberechtigt. 6. Zusatzaltersversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (Haushaltssoll: 22 Millionen DM) Der Bund finanziert die Aufwendungen für ältere ehemalige Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft, die keine oder nur geringe Ansprüche gegen ein tarifvertraglich vereinbartes Zusatzversorgungswerk haben. 1981 werden ca. 28 000 ehemalige Arbeitnehmer sowie ca. 9 000 Witwen eine Ausgleichsleistung erhalten.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kohl?


Rede von Dr. Helmut Kohl
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Wehner, wären Sie bereit, zuzugestehen, daß der Text, der nachher abgestimmt wird, der Vorlage entspricht, die die CDU/CSU-Fraktion an die SPD und die FDP herangetragen hat?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Würden Sie — das ist nicht eine Gegenfrage, sondern dadurch wird Ihre Frage besser erläutert, als es jetzt der Fall ist — zugestehen, daß es so war: Sie hatten einen Text, und wir haben gesagt, wenn es einen Text gibt, über den man reden kann — einverstanden, dann ein gemeinsamer Text. Am Schluß Ihrer Rede heute machen Sie dann dem Bundeskanzler und uns eine Situation ganz schwer. Vielleicht ist das Ihre Taktik. Nur: Überlegen Sie sich einmal, was sie wert ist. Überlegen Sie sich einmal, was sie für unsere Situation — ich meine die Situation der Bundesrepublik Deutschland und des gewählten Parlaments — eigentlich bedeutet.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, warum eigentlich wird das bei Ihnen so angelegt, und das in der letzten Sitzung vor Weihnachten? Es ist eine seltsame Form, muß ich sagen.
    Ich habe bei dieser Gelegenheit einmal in der Rede nachgelesen, die der Bundeskanzler Helmut Schmidt hier am 3. Dezember 1981 vor seiner Reise in die DDR gehalten hat. Wenn ich den Inhalt der Rede von damals mit dem vergleiche, was vom Bundeskanzler nach der Reise sachlich und klar berichtet wurde — es waren keine Versprechungen, sondern es wurde über den Ausgang und die Fortsetzung der Gespräche berichtet —, dann muß ich sagen: Helmut Schmidt hat mit Recht und ohne Überheblichkeit in dieser Rede vom 3. Dezember daran erinnert, indem er sagte:
    Einige hängen noch an der Praxis der 60er Jahre: Konfrontation statt Kooperation, Druck und Gegendruck statt Entspannung und Interessenausgleich. Das gibt es auf beiden Seiten, in der DDR wie hier bei uns.
    Das ist ja nicht zu leugnen. Sie haben sich da in einer Weise eingereiht, die mir leid tut; das muß ich sagen. Ich hatte gedacht, Sie hätten heute vielleicht eine glücklichere Stunde.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben hier eine ganze Menge Einzelpunkte und Themen, um die es ging, aufgezählt. Da muß es zwischen uns und Ihnen nicht Streit und Gegensätze geben. Wissen Sie, ich habe hier eine Erklärung der Bundesregierung, die am 12. April 1967 abgegeben wurde. Da wurde auf eine Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hingewiesen. Das war damals die Bundesregierung der, wie man es genannt hat, Großen Koalition. Sie hatte damals Leitsätze ihrer Deutschlandpolitik verkündet. Ich zitiere das:
    Wir wollen, soviel an uns liegt, verhindern, daß die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinanderleben. Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen, und deshalb wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen mit unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands mit allen Kräften fördern.
    Das wollten wir, und das wollen wir fortfahrend immer weiter. Und Sie stellen sich hier hin, als täten wir das nicht, als seien Sie ein Sachwalter von Dingen, die damals mit uns zusammen in der Regierung der Koalition zwischen CDU/CSU und SPD zustande gebracht wurden.
    Damals hieß es weiter:
    Diese Behauptung ist falsch.
    — Nämlich die Behauptung, die die Führung der SED damals aufgestellt hatte, die Bundesregierung hindere Entspannung und Verständigung in Europa.
    Die Bundesregierung will Entspannung. Das Ziel ihrer Entspannungspolitik ist eine europäische Friedensordnung, die von allen Beteiligten als gerecht und dauerhaft empfunden werden kann. In ihrem Rahmen werden alle europäischen Staaten zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten können. In dieser Friedensordnung soll auf jede Anwendung von Gewalt verzichtet, Gefahr und Last der Rüstungen abge-
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4303
    Wehner
    baut und Recht und Würde aller Menschen geachtet werden.
    Die Bundesregierung will Entspannung auch zwischen beiden Teilen Deutschlands.
    Wo nehmen Sie jetzt die Substanz und die Verantwortlichkeit dafür her, daß Sie uns, die wir das damals mitgefunden und mitgetragen haben, heute in eine solche Lage bringen, am letzten Sitzungstag des Bundestages vor Weihnachten? Eine solche Form, die unglücklich ist — das ist Ihnen heute schiefgegangen —, erschwert unsere gemeinsame Arbeit.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Wie ist denn Ihre Rede? — Die ist auch schiefgegangen!)

    — Ich bitte Sie, ich bin — das gebe ich zu — innerlich tief bekümmert und erregt darüber, daß Herr Kohl, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, es heute für richtig gehalten hat, Schelte gegen den Bundeskanzler zu treiben, der nun wirklich bei vielen — ob es West oder Ost ist, sowohl bei Staatsmännern als auch bei anderen — Hochachtung deswegen verdient, weil er sich um Entspannung und um Realisierung des Miteinanderlebens bemüht.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn ich Ihnen, Herr Kollege Kohl, jetzt noch etwas zu dem vorlesen würde — ich lasse ein paar Pünktchen aus —, was Sie in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten im getrennten Deutschland für wichtig halten, so würden Sie feststellen, daß das damals, 1967 — unter Bezugnahme auf die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 — eine ganze Seite ausmachte. Die jetzige ist nicht geringer. Wir kümmern uns darum, d. h. die Koalition der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten kümmert sich darum, daß das Menschenmögliche aus diesen Notwendigkeiten realisiert und auch wirklich weiterentwickelt wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich fände es gut, wenn wir, statt miteinander zu zetern, bitte prüften: Wie ist das mit den Erklärungen, z. B. mit der Stellungnahme der Partei- und Staatsführung zum Besuch des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland in der DDR? Das ist in deren Blatt am 17. Dezember 1981 veröffentlicht worden. Da wird festgestellt:
    Mit dem Treffen wurde unter komplizierten internationalen Bedingungen der Ost-West-Dialog weitergeführt und vertieft, um das in Europa bei der Entspannung Erreichte zu bewahren, zu festigen und auszubauen. Die Begegnung unterstreicht, daß gerade in der heutigen Weltlage Kontakte auf hoher Ebene zwischen Ost und West für die Sache des Friedens notwendig sind.
    Ich habe diese Sätze nicht erfunden und auch nicht konstruiert. Nur, halten Sie es denn für sinnlos, Herr Kohl oder andere, von denen Sie meinen, man sollte sie jetzt nicht sozusagen zum Gegenstand einer Diskussion oder eines Tadels machen, daß man bei passender Gelegenheit und dort, wo es notwendig erscheint, Bezug nimmt auf die Ergebnisse
    der Gespräche des Bundeskanzlers mit dem Staatsratsvorsitzenden und einiger Mitglieder unserer Bundesregierung — des Grafen Lambsdorff, der Herrn Kollegen Franke — mit denen, die auf der anderen Seite entsprechende Ressorts vertreten, auch Bezug nimmt auf das, was die am Abschluß der Gespräche selber geschrieben und verkündet haben? Da wird ja gesagt:
    Die von beiden Seiten im gemeinsamen Kommunique getroffene Feststellung, „daß es zur friedlichen und gleichberechtigten Zusammenarbeit der Staaten keine vernünftige Alternative gibt und daß diese Zusammenarbeit von den Zielen und Prinzipien geleitet sein muß, die in der Charta der Vereinten Nationen und in der Schlußakte von Helsinki niedergelegt sind", gilt in gleicher Weise für die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten.
    Und dann wird betont:
    Ausgehend davon kommt es darauf an, das in den beiderseitigen Beziehungen Erreichte zu bewahren und entsprechend dem Grundlagenvertrag und in Übereinstimmung mit den Prinzipien der friedlichen Koexistenz weiterzuentwickeln.
    Ist es nicht richtiger, sich auch darauf zu berufen und zu sagen: Hier geht es um Weiterentwicklung? Gut, daß sich die Bundesregierung in dieser schwierigen Zeit diesen Notwendigkeiten auch gewidmet hat.
    Dann heißt es noch — ich zitiere auch den Satz aus der Erklärung der drüben lenkenden Körperschaft —:
    Die Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Staaten auf dieser Grundlage ist ein wesentliches Element der Stabilität in Europa.
    Sie sollten sich — wenn nicht jetzt, so doch in Zukunft — einmal überlegen, wie es eigentlich zwischen denen, die nicht zu einer Partei gehören — nein, wir wollen Sie ja nicht erobern, wir wollen uns auch nicht an Ihre Stelle stellen —, in gewissen Fragen, in denen es Übereinstimmung geben kann, möglich ist, zu versuchen, diese Übereinstimmung auch deutlich zu machen. Das würde dann beiden Seiten zugute kommen, Ihrer und unserer,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    daß wir uns hier nicht in Polemiken erschöpfen.
    Ich habe mir ja das einmal angeguckt, was der Bundeskanzler in seinem Redemanuskript — er hat es hier auch so gesagt — an einer Stelle dargelegt hat. Er hat positiv darauf hingewiesen, daß der Berliner Regierende Bürgermeister von Weizsäcker deutlich gemacht habe: „Niemand hätte verstanden, wenn unsere Reise in die DDR wegen der Ereignisse in Polen abrupt abgebrochen worden wäre; dies hätte vielmehr die neuerlichen deutsch-deutschen Ansätze, dies hätte Vertrauen zerstört." — Ich teile seine Meinung. Sie entspricht auch den spezifischen Interessen Berlins. Nun, Herr Strauß, aber nicht nur Herr Strauß — wenn ich ein bißchen weiter gucke,
    4304 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
    Wehner
    da kaut gerade Herr Zimmermann etwas, guten Appetit! —,

    (Heiterkeit — Dr. Wörner [CDU/CSU]: Das ist Heuchelei, weil Sie das auch tun!)

    der hat das j a noch viel schlimmer gemacht. Aber ich zitiere ihn nicht, er braucht das nicht zu hoffen.
    Der Kanzler hat etwas gesagt, was zu dem gehört, was Herr Kohl im Hinblick auf seine Rolle ganz anders verstanden hat. Herr Kohl — so hat der Kanzler gesagt —, der eine gemeinsame Fraktion von CDU und CSU leitet, muß sich heute morgen zwischen beiden entscheiden. Er wird es nicht gerne tun. In der trügerischen Hoffnung auf einen raschen Kanzlerwechsel wird allzu leicht vergessen, daß jeder Führungsanspruch nur durch Leistungs- und Entscheidungskraft begründet werden kann. Wer kein Risiko eingehen will, der kann auch nichts gewinnen.
    Da hat der Kanzler es richtig eingeschätzt, nur: Der erste Mann der Opposition hat sich in einer Weise verhalten, von der ich sage: Schade, denn es wäre sowohl für das, was angesichts der schwierigen Entwicklungen in Polen, als auch für das, was in unserer geographischen und politischen Lage, in der wir uns befinden, steckt, statthaft gewesen, sich heute hier in wesentlichen sachlichen Fragen nicht auseinander und gegeneinander in Rhetorik zu stürzen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Was Polen betrifft, meine Damen und Herren: Das, was dort geschieht, wird nicht durch Kraftworte hier und nicht durch gegenseitige Vorwürfe hier, Herr Kohl — die einen täten nicht genug — im Hinblick darauf beeinflußt, es — wenn es möglich ist und wenn wir etwas dazu beitragen können — auf eine friedliche Weise zu lösen, statt es dort zu einem Zusammenstoß, der j a zum Teil schon da ist, und zu einem Zusammenbruch dessen kommen zu lassen, was es noch an Freiheiten in diesem Lande Polen für die Mitbürgerinnen und Mitbürger dort ergibt. Die Entwicklung in Polen müsse etwas sein, bei dem wir uns nicht gegenseitig Vorwürfe machen. Sie haben genau das Gegenteil für richtig gehalten, nämlich in dieser Beziehung Vorwürfe gegen die Sozialdemokraten zu erheben. Schade, Herr Kohl. Ich will das nicht bewerten, ich bedaure es nur, denn das hätten Sie nicht nötig gehabt,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    das hätte die Union nicht nötig gehabt und würde in manchen anderen Ländern — ob es die des Westens oder die des Ostens sind — gewirkt haben; nicht, damit wir uns sozusagen hinstellen und sagen können, was wir für Kerle seien, nein, um zu zeigen, daß wir in diesen Punkten fähig sind, Differenzen in den Hintergrund oder in die zweite Linie zu drängen und uns diesen Hauptsachen zu widmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Das fehlt bei Ihnen; tut mir leid.

    Das sage ich noch einmal, weil mir das wichtiger erscheint, als nun umgekehrt das fortzusetzen, was Sie hier einzuführen versucht haben und was denen
    nicht hilft, die nun durch die Medien erfahren, wie wir uns hier gegenseitig auseinanderdriften; das ist sehr schade. Vielleicht wird das auch in Ihren Reihen einmal besser begriffen, als es zur Zeit aus einem — ich will nicht sagen: Solidarität — gewissen Korpsgeist heraus hier gezeigt wird. — Schönen Dank für Ihre große Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)