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    Plenarprotokoll 9/74 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 74. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 Inhalt: Ausscheiden des Abg. Hansen aus der Fraktion der SPD 4289 A Erweiterung der Tagesordnung 4309 B Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über den Besuch des Bundeskanzlers in der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. bis 13. Dezember 1981 Schmidt, Bundeskanzler 4289 B Dr. Kohl CDU/CSU 4294 A Wehner SPD 4301 A Ronneburger FDP 4304 C Dr. Barzel CDU/CSU 4308 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP GLOBAL 2000 — Drucksache 9/1157 — 4309C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1981; hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 05 — Leistungen des Bundes für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz usw. —— Drucksachen 9/948, 9/1149 — . . . . 4309 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Ermächtigung der Republik Griechenland, im Wirtschaftsjahr 1981/82 bestimmte innerstaatliche Maßnahmen für Tafeloliven beizubehalten — Drucksachen 9/934 Nr. 23, 9/1135 — . 4310A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2771/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Eier — Drucksachen 9/934 Nr. 19, 9/1138 — . 4310A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms unter dem Leitgedanken „Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung" 1982-1985 — Drucksachen 9/536, 9/1125 — . . . . 4310 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 925/79 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 926/79 des Rates vom 8. Mai 1979 betreffend die gemeinsame Einfuhrregelung — Drucksachen 9/388, 9/760, 9/1164 — . 4310 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/ 76 übe das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 9/934 Nr. 26, 9/1165 — . 4310 B Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes — Drucksachen 9/1214, 9/1217 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksachen 9/1215, 9/1218 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Einspruch des Bundesrates gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksachen 9/1216, 9/1219 — Westphal SPD 4310 D Dr. Schäuble CDU/CSU 4311 D Kleinert FDP 4312 B Namentliche Abstimmungen 4313 B Nächste Sitzung 4318 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4319*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4319* B Anlage 3 Gespräche über die Beachtung der Menschenrechte in Guinea während des Besuchs des Präsidenten Sékou Touré MdlAnfr 40 04.12.81 Drs 09/1134 Thüsing SPD SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4319*C Anlage 4 Soziale Sicherung der in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei Tätigen MdlAnfr 46 20.11.81 Drs 09/1058 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU ErgSchrAntw PStSekr Gallus BML auf ZusFr Baack SPD 4319* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4289 74. Sitzung Bonn, den 18. Dezember 1981 Beginn: 12.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 18. 12. Dr. Ahrens ** 18. 12. Amling 18. 12. Dr. Bardens ** 18. 12. Borchert 18. 12. Günther 18. 12. Häfele 18. 12. Handlos 18. 12. von der Heydt, Freiherr von Massenbach 18. 12. Hoppe 18. 12. Dr. Hüsch 18. 12. Dr. Jenninger 18. 12. Keller 18. 12. Meinike (Oberhausen) 18. 12. Dr. Müller ** 18. 12. Reddemann ** 18. 12. Dr. Riedl (München) 18. 12. Rohde 18. 12. Frau Roitzsch 18. 12. Schmidt (Kempten) 18. 12. Schröder (Lüneburg) 18. 12. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 18. 12. Dr. Schwarz-Schilling 18. 12. Seiters 18. 12. Sick 18. 12. Zink 18. 12. ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1981 mit der Mehrheit seiner Stimmen beschlossen, gegen die nachstehenden Gesetze Einspruch einzulegen: Neuntes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982 - VerbStÄndG 1982) Zweites Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes. Die Schreiben des Präsidenten des Bundesrates sind als Drucksachen 9/1214, 9/1215 und 9/1216 verteilt. Die in Drucksache 9/1088 unter Nummer 22 aufgeführte EG-Vorlage Mandat vom 30. Mai 1980: Schaffung von Arbeitsplätzen: Prioritäten für eine Aktion der Gemeinschaft wird als Drucksache 9/1211 verteilt. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 9/1134 Frage 40): Was hat - wenn man Presseberichten glauben kann - die Bundesregierung veranlaßt, die Frage nach der Beachtung der Menschenrechte in Guinea während des Besuchs des Präsidenten Ahmed Sékou Touré der Opposition zu überlassen? Wie Sie wissen, ist die Achtung der Menschenrechte weltweit ein Anliegen der Politik der Bundesregierung. Die Gespräche während des Staatsbesuchs aus Guinea ebenso wie die Vorbereitungen hierfür wurden genutzt, diese Haltung zu verdeutlichen und konkrete Anliegen anzusprechen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Publizität dem Erfolg solcher Demarchen nicht dienlich ist. Die Bundesregierung hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß auch die Opposition diesen Punkt aufgegriffen hat. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Baack (SPD) zur Frage des Abgeordneten Schmitz (Baesweiler) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1058 Frage 46, 67. Sitzung, Seite 3898 C): Der Bund gewährt 1981 zu folgenden sozialen Maßnahmen Zuschüsse: 1. Altershilfe für Landwirte (Haushaltssoll: 2 105 Millionen DM) Die Altershilfe für Landwirte hatte am 30. Juni 1981 645 878 Beitragszahler und 553 018 Bezieher von Dauergeldleistungen. Außerdem wurden 20 149 Waisengelder gezahlt. Im ersten Halbjahr 1981 wurden 10 124 medizinische Rehabilitationsmaßnahmen bewilligt. Die Gesamtaufwendungen der Altershilfe werden für 1981 auf 2 680 Millionen DM geschätzt. Hiervon werden ca. 580 Millionen DM durch Beiträge der Landwirte gedeckt. Durch Artikel 13 und 14 des 2. Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur in der Fassung der Vorschläge des Vermittlungsausschusses wird der Bundeszuschuß zur Altershilfe für Landwirte auf dem Stand des Jahres 1981 (Soll: 2 105 Millionen DM) für die Jahre 1982 und 1983 eingefroren. Der Beitrag der Landwirte erhöht sich hierdurch, die Rentenanpassung zum 1. Januar 1982 ( + 5,76 v. H.) und den Rückgang der Zahl der Beitragspflichtigen um ca. 10 000 von 75 DM/Monat auf 94 DM/Monat. 1983 wird der Beitrag auf ca. 112 DM/Monat steigen. 4320* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 2. Landwirtschaftliche Unfallversicherung (Haushaltssoll: 400 Millionen DM, davon 40 Millionen DM gesperrt nach § 41 BHO) Der Zuschuß dient der Beitragsentlastung der landwirtschaftlichen Unternehmer und der Zahlung einer Schwerverletztenzulage (Vollrente zur Zeit 690 DM/Monat). 1981 werden ca. 800 000 landwirtschaftliche Unternehmer entlastet. Die Beitragsentlastung beläuft sich im Bundesdurchschnitt auf ca. 36 v. H. Ca. 19 000 Schwerverletzte erhalten die Schwerverletztenzulagen. Die Gesamtaufwendungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften liegen 1981 voraussichtlich bei ca. 1 200 Millionen DM (darunter 580 Millionen DM Renten an 173 000 Verletzte und 22 500 Hinterbliebene). Der Zuschuß soll 1982 auf 340 Millionen DM gekürzt werden. Die mittelfristige Finanzplanung sieht bis 1985 einen stufenweisen Abbau auf 160 Millionen DM vor. 3. Landabgaberente (Haushaltssoll: 235 Millionen DM) Ältere Inhaber von Klein- und Mittelbetrieben erhalten vorzeitig (bei Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. des 55. Lebensjahres bei Nichtvermittlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt) eine Rente, wenn sie ihre landwirtschaftliche Nutzfläche strukturverbessernd (in erster Linie zur Aufstockung entwicklungsfähiger Betriebe) abgeben und die Marktproduktion einstellen. Die Landabgaberente beträgt zur Zeit für Verheiratete 625,10 DM und für Alleinstehende 415,30 DM/Monat. Dauergeldleistungen der Altershilfe für Landwirte werden auf die Beträge voll und andere Renten und Versorgungsbezüge zum Teil angerechnet. Die Maßnahme wird voll durch den Bund finanziert. Am 30. Juni 1981 bezogen 51 871 Personen Landabgaberente. Seit Beginn der Maßnahme (1. August 1969) wurden 55 153 Unternehmen mit 582 267 ha Nutzfläche mit Hilfe der Maßnahme mobilisiert. Erstbewilligungen von Landabgaberente sind zur Zeit nur möglich, wenn die Leistungsvoraussetzungen bis 31. Dezember 1982 erfüllt werden. 4. Nachentrichtungszuschüsse (Haushaltssoll: 1,4 Millionen DM) Landwirte, die Arbeitnehmer geworden sind, können Lücken in der Rentenversicherung durch Nachentrichtung von Beiträgen schließen, wenn sie aus der Altershilfe für Landwirte ausscheiden, weil sie ihr Unternehmen abgegeben haben oder sich von der Beitragspflicht zur Altershilfe befreien lassen. Der Bund gibt hierzu einen Beitragszuschuß (70 v. H. des Beitrags, höchstens 70 v. H. des Durchschnittsverdiener-Beitrags). 1981 werden voraussichtlich etwa 100 Personen den Zuschuß in Anspruch nehmen. 5. Krankenversicherung der Landwirte (Haushaltssoll: 960 Millionen DM) Die Leistungsaufwendungen der landwirtschaftlichen Krankenkassen für Empfänger von Dauergeldleistungen der Altershilfe für Landwirte und für sonstige Altenteiler trägt im wesentlichen der Bund. 1981 sind ca. 360 000 Personen und ihre Angehörigen leistungsberechtigt. 6. Zusatzaltersversorgung der Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (Haushaltssoll: 22 Millionen DM) Der Bund finanziert die Aufwendungen für ältere ehemalige Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft, die keine oder nur geringe Ansprüche gegen ein tarifvertraglich vereinbartes Zusatzversorgungswerk haben. 1981 werden ca. 28 000 ehemalige Arbeitnehmer sowie ca. 9 000 Witwen eine Ausgleichsleistung erhalten.
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Woche erfüllen uns die Entwicklung in Polen und die Verhängung des Kriegsrechts dort mit tiefer Sorge. Wir hören von zahlreichen Verhaftungen, von großen Internierungslagern, von Zusammenstößen, von Verletzten — und von Toten. Soldaten schießen auf Arbeiter. Gewerkschafter werden verhaftet. Die Solidarität wird zerschlagen.
    Ich stehe mit ganzem Herzen auf der Seite der Arbeiter!

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir alle wünschen von ganzem Herzen, daß der Kriegszustand in Polen alsbald beendet werde.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Johannes Paul II. hat appelliert, daß kein polnisches Blut vergossen werde, da schon so viel polnisches Blut geflossen sei. Angesichts der deutsch-polnischen Geschichte muß sich jeder deutsche Politiker diesem Appell anschließen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Es dürfen den tiefen Leiden des polnischen Volkes nicht neue Wunden hinzugefügt werden.
    Die Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben Anfang der Woche in London gemeinsam gesagt, mit welchen Gefühlen und Erwartungen die Regierungen und Völker die Vorgänge in Polen beobachten. Die Bundesregierung schließt sich dieser deutlichen Erklärung voll und ganz an. Ich teile vor allem die Erwartung, daß alle Unterzeichnerstaaten der Schlußakte von Helsinki sich jeder Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen enthalten, daß die Polen ihre Probleme selbst und ohne weitere Anwendung von Gewalt lösen

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    und daß die polnische Regierung selber ihre Verpflichtungen aus der Helsinki-Schlußakte ernsthaft erfüllt, so daß der unterbrochene Prozeß der Reform und der Erneuerung wieder aufgenommen werden kann.
    Wir stehen zu denen, die, wie der Papst, helfen wollen, daß die Entwicklung nicht für die Polen — und sogar für uns alle! — lebensgefährlich werden könnte.
    Unsere eigene Politik gegenüber der Volksrepublik Polen bleibt eine Politik des strengen Respekts vor der nationalen Unabhängigkeit dieses Staates. Aber sie bleibt auch eine Politik, die unsere tiefe Sympathie mit den Menschen in Polen zum Ausdruck bringt. Wir wollen deshalb im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft die Nahrungsmittelhilfe an Polen fortsetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die vielfältige spontane Hilfsbereitschaft von Tausenden unserer Mitbürger bestätigt diesen Kurs der Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bitte jedermann: Lassen Sie in Ihrer aktiven Solidarität mit dem polnischen Volk nicht nach!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Solidarität ist ja auch ein Ausdruck unseres deutschen Friedenswillens und unserer Friedensbereitschaft.
    Den gleichen Friedenswillen beweisen die Gespräche, über die ich heute zu berichten habe.
    Ich hatte am 3. Dezember den Bundestag über
    Verlauf und Ergebnisse unserer Gespräche mit dem sowjetischen Generalsekretär berichten können. Ich hatte im Zusammenhang damit zweitens davon gesprochen, daß mit dem Beginn der amerikanisch-so-
    4290 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
    Bundeskanzler Schmidt
    wjetischen Verhandlungen in Genf ein Tor aufgestoßen worden ist, das den Weg für Fortschritte eröffnet, den Frieden in Europa und in der Welt sicherer zu machen. Heute kann ich dem Parlament drittens Rechenschaft über mein Treffen mit dem Vorsitzenden des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik, Generalsekretär Erich Honecker, ablegen, das am 11., 12. und 13. Dezember am Werbellin-
    und am Döllnsee in der Uckermark stattgefunden hat. Alle drei Ereignisse fügen sich in die friedenspolitische Gesamtkonzeption der Bundesregierung ein.
    Das Treffen zwischen Herrn Honecker und mir — das erste auf deutschem Boden seit den Begegnungen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph in Erfurt und Kassel mehr als ein Jahrzehnt zuvor — erlaubt ein ähnliches Urteil, wie es für den Beginn der Genfer Verhandlungen gegeben wurde, und zwar in zweierlei Hinsicht: Das Treffen lieferte einen deutsch-deutschen Beitrag zur internationalen Friedenssicherung, und es bedeutete zugleich einen neuen Anlauf auf dem mühseligen Weg hin zu einem gutnachbarlichen Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten und ihren Bürgern. Die Chance zur konstruktiven Fortsetzung auf vielen Gebieten ist eröffnet.
    Herr Honecker und ich hatten diese Begegnung seit längerem beabsichtigt. Wegen des Einmarsches in Afghanistan und wegen eines im vorigen Sommer drohenden Einmarsches in Polen wurde die Begegnung zweimal verschoben. Aber die Menschen in der DDR wie bei uns erhofften sich aus einer solchen Begegnung eine Perspektive für die Zukunft, und ich wollte ihnen dazu Mut machen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Vor fast 20 Jahren haben Marion Gräfin Dönhoff, Theo Sommer und Rudolf Walter Leonhardt einem Bericht über eine Journalistenreise durch die DDR den Titel „Reise in ein fernes Land" gegeben. Seit zwölf Jahren haben sich die Bundesregierungen der sozialliberalen Koalition aus Überzeugung und mit Leidenschaft darum bemüht, diese „Ferne" zu verringern. Wir sind im Laufe dieser zwölf Jahre einander tatsächlich etwas nähergerückt. Aber die Hürden der Abgrenzung sind noch immer sehr hoch. Und für Millionen Deutsche sind diese Hürden immer noch unübersteigbar. Deshalb war das Treffen notwendig.
    Das Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten hat nach einer Phase der Rückschläge den Anlauf zu neuen Fortschritten nötig.

    (Beifall bei der SPD)

    Der sehr lange, fast 15stündige, sehr intensive und freimütige politische Meinungsaustausch zwischen Herrn Honecker und mir gehört mit zu den intensivsten Gesprächen, die ich als Bundeskanzler mit einer anderen Regierung bisher geführt habe. Er verlief übrigens in freundlichem Ton und hat insgesamt zu mehr gegenseitigem Verständnis geführt, zur besseren Befähigung, den jeweils anderen richtig in seinen Zielsetzungen, in seinen Bestrebungen einzuschätzen.
    Dieses gegenseitige Verständnis ist für eine positive Entwicklung unerläßlich. Noch sind wir von gutnachbarlichen Beziehungen weit entfernt, aber wir haben in sehr schwierigen, zugleich sehr offen geführten Gesprächen größere Klarheit über die beiderseitigen Interessen gewonnen. Wir haben gesucht, Vergangenes aufzuarbeiten, um künftig zumindest vernünftiger miteinander umgehen zu können. Dies war seit langem nötig.
    Wenn das Geflecht der Beziehungen verstärkt und ausgebaut werden kann, so wird es für die Menschen in beiden deutschen Staaten von Nutzen sein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben diese Möglichkeit angestrebt, und wir haben sie wahrgenommen. Ich habe dies aus Überzeugung getan, weil nämlich die Menschen hier und ebenso drüben die Erfüllung dieser Pflicht von jedem deutschen Bundeskanzler erwarten dürfen.
    Sicher gilt: Auch nach diesen Gesprächen bleibt es bei dem Spannungsverhältnis zwischen der Realität, der Wirklichkeit der Existenz zweier deutscher Staaten und der in der Präambel unseres Grundgesetzes niedergelegten Aufforderung an das gesamte deutsche Volk, „in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden".
    Die gegensätzlichen Auffassungen in dieser Frage und in anderen grundsätzlichen Fragen sind am Werbellinsee und am Döllnsee nicht vertuscht worden. Und es hat sich keiner der Illusion hingegeben, er könne den anderen zwingen, seine Überzeugungen aufzugeben. Wir haben unsere Positionen in aller Offenheit deutlich gemacht. Das gilt auch und gerade für die nationale Frage; denn — und dies ist meine tiefe Überzeugung — der Gedanke der Nation, die Identität der Nation, ist bei uns Deutschen unverändert lebendig und gegenwärtig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In meiner Regierungserklärung am 3. Dezember hatte ich darauf hingewiesen, daß im Vordergrund dieses Treffens das Gespräch und der Dialog zwischen den beiden deutschen Staaten stehen sollten und daß es bei dieser Gelegenheit keine Unterzeichnung von neuen Abmachungen geben werde. Ich hatte mich ausdrücklich gegen Spekulationen und Erwartungen und hochgehängte Meßlatten gewendet. Tatsächlich sind beide Seiten ohne Vorbedingungen in diese Gespräche gegangen. Wir haben unsere Anliegen unmißverständlich vertreten. Natürlich gehört dazu auch die Mindestumtauschregelung.
    Die Bundesminister Franke und Graf Lambsdorff haben durch persönlichen und sachlichen Einsatz dazu beigetragen, daß diese Reise Früchte tragen kann. Im nächsten Jahr können — so ist meine begründete Hoffnung — Bewegungen für die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in verschiedenen Bereichen erkennbar werden.
    Es ist in den Gesprächen deutlich geworden, daß auch die DDR-Führung an einer Überwindung der
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4291
    Bundeskanzler Schmidt
    Stagnation interessiert ist. Ich entnehme einem Interview, das Generalsekretär Honecker am Mittwoch dem „Neuen Deutschland", einer in Ost-Berlin erscheinenden Zeitung der SED, gegeben hat, daß auch er im Geiste des Treffens an die praktische politische Umsetzung der Gesprächsergebnisse herangehen will.
    Wir selbst haben schon begonnen, die Anstöße, die sich aus dem Treffen ergeben haben, in die Praxis umzusetzen. Gestern wurde eine Vereinbarung über eine sechsmonatige Verlängerung der derzeit geltenden Swing-Regelung getroffen, deren Auslaufen seit Jahren auf den 31. Dezember dieses Jahres terminiert gewesen war.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen uns und der DDR sind ausbaufähig. Beide Seiten sind bestrebt, sie auszubauen. Dazu kann auch ein langfristiges Rahmenabkommen Impulse beitragen, das die Ernsthaftigkeit einer langfristigen Ausgestaltung des deutsch-deutschen Verhältnisses zum Ausdruck bringt und weiterhin fördert.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Beide Seiten wollen demnächst Gespräche darüber aufnehmen. Es besteht Einvernehmen, daß die bestehenden Verfahren und Abkommen — also insbesondere das Berliner Abkommen von 1951 — nicht eingeschränkt, sondern daß sie ergänzt werden sollen. Die kommerziellen Verträge würden weiterhin voll im Rahmen der bestehenden Abkommen abgewickelt werden. Die TSI würde als Treuhandstelle für Industrie und Handel uneingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen, einschließlich — wie bisher — aller Berliner Firmen.
    Aber es gibt auch keinen Zweifel, daß wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Beziehungen herausgelöst werden können. Wir haben der anderen Seite auch bei diesem Treffen deutlich gemacht, daß vor allem der Mindestumtausch, die Fragen des Reise- und Besucherverkehrs in beiderlei Richtung sowie die humanitären Fragen in den gleichen politischen Zusammenhang gehören, wenn auch einzelne Entscheidungen nur souverän getroffen werden können.
    Wie erwartet, hat die DDR-Führung ihre Grundsatzforderungen aufrechterhalten; ich will sie hier nicht nochmals aufzählen. Ich habe unterstrichen, daß die Bundesregierung sich strikt an das Grundgesetz und an die Bestimmungen des Grundlagenvertrages hält und halten wird. Eine Änderung dieser Grundlagen kommt nicht in Betracht.
    Die Bundesregierung wird sich aber bemühen, in praktischer Hinsicht das zu tun, was innerhalb dieses Rahmens ihr möglich ist. Die DDR hat verstanden, daß für uns die deutsche Staatsangehörigkeit unabdingbar ist, wie sie durch das Grundgesetz vorgegeben wird. Uns ist bewußt, daß die DDR 1967 ein eigenes Staatsbürgerschaftsgesetz erlassen hat. Wir sollten aber nicht aus dem Auge verlieren, daß nicht alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik — ich verwende hier die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts! —, die zu uns kommen, bei uns Rechte in Anspruch nehmen wollen, die jedem Deutschen zustehen. Ich denke hier z. B. an Vertreter von Institutionen, von Betrieben oder Medien der DDR, die vorübergehend in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten.
    Mir will z. B. nicht einleuchten, warum sie zu allgemeinen Wahlen Wahlbenachrichtigungen erhalten oder von Wehrersatzämtern erfaßt werden. Wenn wir in diesem Sinne die tatsächlich existierende DDR-Staatsbürgerschaft respektieren — in diesem Sinne —, so wird der uns vom Gesetz und Grundgesetz vorgegebene Rahmen sicherlich nicht angetastet.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die nicht zu behebenden Unterschiede und Gegensätze in grundsätzlichen Fragen müssen durch ein Geflecht des für beide Seiten praktisch Möglichen und Vernünftigen gemildert werden. Nur auf diesem Wege sind vernünftige nachbarschaftliche Beziehungen zu erreichen, die dann später zu guten nachbarschaftlichen Beziehungen ausgebaut werden können,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    um sodann noch später in ein wirkliches Miteinander einzumünden.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben uns für die angenehme Gastfreundschaft von seiten der DDR-Führung bedankt. Auf den Schluß des Treffens hat allerdings der übertriebene Polizei- und Parteieinsatz in Güstrow einen Schatten geworfen,

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Einschließen der Bevölkerung!)

    der vielen Güstrower Bürgern die Möglichkeit genommen hat, Herr Mertes, mit meinen Begleitern und mir direkten Kontakt zu haben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das war ein sehr „freundschaftlicher" Dienst!)

    Der Kontrast zwischen dem Verständnis in den Delegationsgesprächen einerseits und diesem Spectaculum andererseits beleuchtet die Schwierigkeiten,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Das zeigt das wahre Gesicht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    denen sich deutsch-deutsche Begegnungen noch immer gegenübersehen.
    Aber Güstrow steht auch, meine Herren Zwischenrufer, für eine andere Erfahrung. Unser gemeinsamer Besuch im Dom, der Besuch des — ich zitiere — „Marxisten Erich Honecker und des Christen Helmut Schmidt" — wie Landesbischof Heinrich Rathke uns beide dort angeredet hat —, dieser Besuch und das Fernsehbild dieser drei Personen nebeneinander auf dem Gestühl des Chores

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    4292 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
    Bundeskanzler Schmidt
    hat den Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik und den Bürgern bei uns — und zwar nicht nur den Christen unter uns! — ein wichtiges Zeichen der Gemeinsamkeit gegeben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Dies war ein wichtigeres Zeichen der Gemeinsamkeit, Herr Abgeordneter Marx,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So etwas Peinliches!)

    als Tischreden, Kommuniqués, Resolutionen oder Zwischenrufe dies geben können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Marx [CDU/CSU]: Das stecken Sie sich an den Hut!)

    Ich selbst kann an dieses Erlebnis im Güstrower Dom nicht ohne innere Bewegung zurückdenken. Der Landesbischof hatte Herrn Honecker und mich darauf hingewiesen, daß Barlach, der Güstrower Dom und die Backsteingotik des Ostseeraumes Symbole dessen sind, „was wir gemeinsam haben", so sagte er, „gemeinsame Vergangenheit und Erinnerung". Ich habe ihm erwidert, daß dieses Erbe auch gemeinsame Zukunft bedeuten könne.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Bundesminister Franke und Staatsminister Huonker haben in meinem Namen Kränze im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen und auf dem Soldatenfriedhof Halde niedergelegt, wo neben deutschen Soldaten russische Zwangsarbeiter beerdigt sind. Auch dies hat die gemeinsame Vergangenheit ins Bewußtsein gerufen, den gemeinsamen geschichtlichen Hintergrund, auf dem die Bemühungen um Annäherung und Verständnis erst ihre Tiefenschärfe gewinnen.
    Dieser gemeinsame geschichtliche Hintergrund gilt heute unverändert so wie damals, als nach 1969 die sozialliberale Koalition die Wende in der Deutschlandpolitik eingeleitet und mit dem Vertragswerk der frühen 70er Jahre Grundlagen und Rahmen für das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander geschaffen hat. Damals hat sich diese Koalition aktiv in den zwischen den beiden Weltmächten in Gang kommenden Entspannungsprozeß eingeschaltet. Sie hat ihn zugleich genutzt, und sie hat ihn zugleich verstärkt. Heute bieten die kritischen, die gefährlichen Probleme zwischen Ost und West eine völlig andersartige Chance, nämlich durch friedenspolitische Anstrengungen zugleich zu besserer deutsch-deutscher Nachbarschaft zu gelangen.
    Natürlich waren unsere Gespräche ein Teil des heute so dringend nötigen Dialogs zwischen West und Ost. Wir haben natürlich die Lage in Europa sorgfältig erörtert, dabei besonders über Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle gesprochen. Wir haben die Gegensätze dabei nicht verkleistert, sondern sehr klar und sehr offen miteinander geredet. Ich habe — auf der Grundlage der gemeinsamen westlichen Position unseres Atlantischen Bündnisses und der Europäischen Gemeinschaft — gegenüber Herrn Honecker natürlich ebenso eindeutig gesprochen wie schon vier Wochen zuvor gegenüber Herrn Breschnew.
    Als Deutsche in der DDR und als Deutsche in der Bundesrepublik Deutschland tragen wir gemeinsame Verantwortung dafür, daß durch unseren Umgang miteinander Spannungen in Europa nicht verschärft, sondern so weit wie möglich abgebaut werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere Partner im Westen, aber auch unsere Nachbarn in Osteuropa müssen und können darauf vertrauen — so habe ich dies vor dem Bundestag am 9. April dieses Jahres gesagt —, daß jedenfalls von der Entwicklung in Deutschland keine zusätzlichen Spannungen ausgehen.
    Im Kommuniqué vom letzten Sonntag heißt es, „..., daß vom Verhältnis der beiden deutschen Staaten keine zusätzlichen Belastungen für das Ost-
    West-Verhältnis ausgehen dürfen".

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dies ist ein wesentliches Element der Deutschlandpolitik dieser Bundesregierung.
    Nun zweifle ich nicht, daß die Sorge um die Erhaltung des Friedens auch im Denken und in der Politik der politischen Führer der DDR eine zentrale Rolle spielt. Ich zweifle nicht daran, daß der Wille zum Frieden in der DDR ebenso stark ist wie bei uns.
    Ich stimmte mit Generalsekretär Honecker überein: Vorrangige Aufgabe ist, konkrete Vereinbarungen über ein stabiles Gleichgewicht der militärischen Kräfte in Europa auf möglichst niedrigem Niveau zu erzielen. Zu einem Zeitpunkt, in dem die zentralen Verhandlungen über Mittelstreckenwaffen in Genf eben begonnen haben, ist diese Übereinstimmung wichtig, und ich hoffe, sie ist hilfreich.
    Ich halte es für nützlich und für notwendig, diesen Meinungsaustausch über internationale Fragen mit der DDR fortzusetzen, sei es bei späteren Begegnungen mit Generalsekretär Honecker, sei es in Gesprächen der Außenminister, die es ja schon mehrfach gegeben hat. Durch solchen Meinungsaustausch soll und kann Vertrauen wachsen.
    Ich stimme Bundesminister Genscher nachdrücklich zu, wenn er formuliert, daß man nach neuen Wegen sucht, um die Sicherheit der Völker durch einen Ausgleich, durch eine Verzahnung der Interessen zu gewährleisten und eben nicht in dem Streben nach Überlegenheit oder gar nach ideologischer Missionierung. Ich wiederhole Genschers Wort von der Deutschlandpolitik als europäischer Friedenspolitik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In der Tat können bessere deutsch-deutsche Beziehungen dazu beitragen, das Verhältnis zwischen West und Ost in Europa stetiger und verläßlicher zu machen.
    Nun haben im Nachhinein der bayerische Ministerpräsident und einige andere mir geraten, wir hätten angesichts der Entwicklung in Polen unsere
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4293
    Bundeskanzler Schmidt
    Gespräche mit Generalsekretär Honecker und seiner Delegation Sonntag früh abrupt abbrechen sollen. Ich frage mich, was sie eigentlich erreichen wollten, die mir solches angeraten haben. Welchen Menschen wollten Sie damit eigentlich helfen?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Den Polen!)

    Welche Menschen hätten davon einen Nutzen haben sollen? — Wenn Sie mir „Polen" dazwischenrufen, antworte ich Ihnen: Eine vorwegnehmende Dramatisierung der Ereignisse in Polen ausgerechnet durch uns Deutsche hätte tatsächlich weder den Polen noch den Deutschen genützt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Deutsche dürfen sich noch immer nicht zum Richter über Polen aufwerfen, noch immer nicht!

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es war umgekehrt vielmehr richtig und hat umgekehrt viel mehr der internationalen Lage und der DDR geholfen, daß ich am Sonntagmorgen auf dem Boden der DDR öffentlich und für alle Bewohner der DDR hörbar der Hoffnung Ausdruck geben konnte, daß es den Polen gelingen möge, ihre inneren Konflikte allein und selbst zu lösen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Wörner [CDU/CSU]: Durch die Marionetten der Russen!)

    Ich habe am 3. Dezember hier an diesem Ort gesagt, das Erscheinungsbild der CDU und CSU in der Friedens- und Sicherheitspolitik sei diffus. Ich habe damals die Opposition um Klarstellung ihres Kurses und ihrer Absichten gebeten. Diese Klarstellung ist bisher nicht erfolgt; und heute erlebt jedermann erneut die gleiche Direktionslosigkeit.

    (Zustimmung bei der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU]: Was Sie da sagen, ist Unfug!)

    So sagt der Berliner Regierende Bürgermeister von Weizsäcker, CDU, unter großem Beifall einer großen Versammlung in Berlin, niemand hätte es verstanden, wenn unsere Reise in die DDR wegen der Ereignisse in Polen abrupt abgebrochen worden wäre; dies hätte vielmehr die neuerlichen deutsch-deutschen Ansätze, dies hätte Vertrauen zerstört.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    Ich teile von Weizsäckers Meinung, die übrigens den spezifischen Interessen der Stadt entspricht, die er zu regieren hat.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Ministerpräsident Strauß, CSU, sagt gleichzeitig öffentlich das Gegenteil. Und Herr Ministerpräsident Späth, CDU, äußert sich wiederum auf der Linie von Weizsäckers.
    Herr Kohl, der eine gemeinsame Fraktion von CDU und CSU leitet, muß sich nun heute morgen zwischen diesen beiden Auffassungen entscheiden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sie sind ein Kanzler! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Dr. Kohl, Sie werden diese Entscheidung nicht gerne treffen. Wir erkennen ja, wie in der trügerischen Hoffnung auf einen raschen Kanzlerwechsel allzu leicht vergessen wird, daß jedweder Führungsanspruch nur durch klare Zielsetzung, durch Leistung und durch Entscheidungskraft begründet werden kann.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Wer kein Risiko eingehen will, der kann auch nichts gewinnen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: KalauerSchmidt!)

    Wer in der schwierigen, in der komplizierten, in der gefahrenträchtigen Lage in der Mitte Europas, wer in solcher Lage seinem Nachbarn das Gespräch verweigert oder das Gespräch abbricht, der vergeht sich gegen unser Interesse.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und wer in Europa Gewalt anwendet, der vergeht sich gegen die Menschenrechte.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Und wer sich von außen mit Gewalt in ein anderes Land einmischt, der vergeht sich gegen das Völkerrecht und gegen den Frieden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben solches alles in den vergangenen drei Jahrzehnten schon des häufigeren miterlebt. Nicht nur wir Deutschen und nicht nur die Polen haben Angst, dies alles könnte sich wiederholen.

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Schon geschehen!)

    Alle Europäer wissen: Auch ihr Frieden könnte aufs Spiel gesetzt werden. Auch auf die deutschdeutschen Gespräche und Beziehungen könnten schwere Schlagschatten fallen. Die Großwetterlage der Welt wird nicht in Ost-Berlin gemacht und nicht in Bonn. Aber Bonn muß und wird alles tun, um Gefährdungen abzubauen, und wir werden alles tun, unsererseits Zuspitzungen zu vermeiden.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Wir stützen uns dabei auf das Einverständnis innerhalb unseres Bündnisses. Zu ihm tragen wir bei mit unserer Verständigungsbereitschaft, aber ebenso mit unserer Verteidigungsbereitschaft und mit der Pflichterfüllung durch unsere Bundeswehr.
    Wir lassen uns von der doppelten Erkenntnis leiten: Nie wieder darf ein Krieg von deutschem Boden
    4294 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
    Bundeskanzler Schmidt
    ausgehen; nie wieder darf Deutschland durch einen Krieg verheert werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dies ist in der Tat der Kern! Und diesem Ziel dienten auch meine Gespräche mit Herrn Honecker.
    In Güstrow und in Lübeck, in Köln und in Magdeburg, in Dresden und in München, überall erwarten die Deutschen von uns, daß wir unsere Pflicht tun; unsere Pflicht, die in der gemeinsamen deutschen Geschichte begründet ist, unsere Pflicht, die in der schuldbeladenen gemeinsamen deutschen Geschichte begründet ist.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, wenn man über Ihre Regierungserklärung debattieren will und eine Aussage dazu machen muß

    (Zuruf von der SPD: „Muß"?)

    — selbstverständlich; das ist j a der Sinn der Aussprache —, dann muß man natürlich auch Ihre Außerungen während Ihres Reiseaufenthalts im Gebiet der DDR mit zugrunde legen.
    Bevor ich dies aber tue, will ich noch eine Bemerkung machen zu dem Ausflug in die deutsche Innenpolitik, den Sie wiederum unternommen haben. Herr Bundeskanzler, ich kann dazu nur sagen: Sie wären doch ein glücklicher Mensch, wenn Sie in den Grundfragen der deutschen Politik eine solche Übereinstimmung in der SPD hätten, wie wir sie in der CDU/CSU selbstverständlich haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn ich als Vorsitzender meiner Partei — oder auch als stellvertretender Vorsitzender, aber immer noch erhoben, auch im Selbstgefühl der Kanzlerschaft — vor einen Landesparteitag träte wie Sie vor 14 Tagen in Bremen und den Landesparteitagsdelegierten genau das vortrüge, was ich für elementar für die deutsche Politik halte, und wenn dann anschließend diese Delegierten das genaue Gegenteil beschlössen, würde ich mir ernsthaft überlegen, Herr Bundeskanzler, ob es nicht Zeit ist, in meiner Partei abzutreten. Das ist das, was man Ihnen sagen muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich fände es sehr viel mutiger von Ihnen, wenn Sie auch hier einmal offen sagten, mit wem Sie es in Ihrer Partei zu tun haben, als derlei Ausflüge zu unternehmen. Sie haben für die Sicherheitspolitik Ihrer Regierung in diesem Hause in Wahrheit doch nur deswegen eine Mehrheit, weil die CDU/CSU für diese Sicherheitspolitik eintritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch, Lachen und Zurufe von der SPD)

    Ihre eigene Partei kann es j a nicht einmal mehr wagen, auf dem nächsten Parteitag diese Themen zu diskutieren.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber dieser Ausflug hatte natürlich einen zugleich pädagogischen und strategischen Sinn: Die Dürftigkeit des Ergebnisses Ihres Besuches sollte durch diese Ausfälle überdeckt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wer die Gespräche im Fernsehen verfolgt hat, der wurde mit Bildern und Worten konfrontiert, die viel mehr Aussagekraft haben als das gemeinsame Kommuniqué über Ihre Gespräche mit Herrn Honecker. Diese Bilder haben Symbolcharakter. Millionen unserer Landsleute diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs haben diese Bilder gesehen.
    Am Samstagabend schloß die Fernsehberichterstattung mit der Nachricht, daß ein Bürger der DDR die Sperranlagen überwinden wollte und dabei von einer Selbstschußanlage schwer verletzt wurde. Auch das gehört zu den Bildern mitten aus Deutschland.
    Am Sonntag, Herr Bundeskanzler, sprachen Sie auf der abschließenden Pressekonferenz von Frieden, von Entspannung und Abrüstung, während die Nachrichten mit der Meldung über den Kriegszustand und die Internierung von Tausenden von Polen eingeleitet wurden. Am Nachmittag desselben Tages mischten sich im deutschen Fernsehen die Bilder eines Weihnachtsmarktes mit den Bildern von Geheimpolizisten in allen Hausfluren Güstrows, von Hundertschaften der Volkspolizei am Rande der Straßen und mit Bildern von bestellten Jublern mit ihren kläglichen Hochrufen auf den Generalsekretär der SED.
    Bedrückend wirkten die Fernsehbilder von Ihrem Besuch, Herr Bundeskanzler, in der Barlach-Gedenkstätte in Güstrow. Zusammen mit Erich Honekker erwiesen Sie einem großen deutschen Künstler Ihre Reverenz,

    (Liedtke [SPD]: Sie machen wohl einen Fernsehkommentar?)

    einem Künstler, dessen Liebe zum leidenden Menschen eine zwingende Konsequenz seiner Vorstellungen von der Würde des Menschen war. Sein unbestechlicher Wirklichkeitssinn und seine Phantasie haben Ernst Barlach früher als andere erkennen lassen, daß totalitäre Politik immer zur Quelle persönlichen Leids wird. Die nationalsozialistische Diktatur war für ihn die Inkarnation des Bösen. So fände sich Barlach, hätte er das Hitler-Regime überlebt, heute mit großer Gewißheit in totaler Opposition zur kommunistischen Variante totalitärer Politik, wie sie heute Alltag im anderen Teil Deutschlands ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Er stünde auf der Seite derjenigen, Herr Bundeskanzler, die sich nicht mit der Unterdrückung der Menschenrechte, mit der Verweigerung der Bürgerrechte, mit dem politisch verfügten Leid ihrer Mitbürger abfinden könnten.
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4295
    Dr. Kohl
    Wenn der Führer durch die Barlach-Gedenkstätte vor Ihnen, Herr Bundeskanzler, und vor Herrn Honecker an die Zeilen „Freiheit, die ich meine" erinnert hat, denen Barlach in der NS-Zeit Gestalt geben wollte, dann wirkte dies an diesem Ort, in dieser Begleitung vor dem frei gewählten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und dem Repräsentanten der kommunistischen Diktatur makaber,

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    denn weder das Freiheitsverständnis des Autors der Zeilen: „Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt" — ich meine Max von Schenkendorf —, der im Kampf gegen Napoleon darunter die Unabhängigkeit und die nationale Einheit Deutschlands verstand, noch die von Ernst Barlach damit verbundenen bürgerlichen Freiheiten, die vom Nationalsozialismus aufgehoben wurden,

    (Zuruf von der SPD: Sie mißbrauchen Barlach!)

    sind Möglichkeit des Denkens und Handelns für die SED. — Meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie bei solchen Passagen unruhig werden, zeigt, wie weit wir uns im Denken voneinander entfernt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit der Partei Kurt Schumachers wäre es kein Problem gewesen übereinstimmend über diese Fragen zu reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

    In der totalitären Alltagspolitik der SED hat weder die Idee der nationalen Einheit, wie wir sie verstehen, noch die Forderung nach persönlicher Freiheit einen Platz. Deswegen, Herr Bundeskanzler, wäre es schon interessant, von Ihnen zu erfahren: Warum haben Sie sich in dieser Gedenkstätte in Güstrow dieser Peinlichkeit ausgesetzt? Daß es peinlich war, hat j a selbst Herr Brandt empfunden, der ja auch von „Peinlichkeiten in Güstrow" sprach.
    Herr Bundeskanzler, auch wenn es eine Kleinigkeit ist, aber Millionen — ich werde Ihnen gleich bestätigen, wer alles noch — haben es so empfunden: Auf dem Bahnhof reicht Ihnen der Generalsekretär ein Bonbon, von dem viele sagen: Das ist das einzige, was Sie möglicherweise von dieser Reise mitgebracht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Das Niveau wird immer besser, Herr Kohl!)

    Meine Damen und Herren, das alles sind Szenen aus der deutschen Wirklichkeit des Jahres 1981.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Die deutsche Frage vom CDU-Vorsitzenden dargestellt!)

    — Verehrter Herr Kollege, mit Ihnen in der SPD diskutieren wir allemal über die deutsche Frage, und wir haben keinen Nachholbedarf im Erweisen patriotischer Gesinnung. Herr Ehmke, Sie sollten bedenken, wer da vielleicht Nachholbedarf hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ich will vor allem auf drei Ihrer Reaktionen in der DDR eingehen. Auf die Ereignisse in Polen angesprochen, sagten Sie:
    Herr Honecker ist genauso bestürzt gewesen wie ich,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU) daß dies nun notwendig war.


    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Unglaublich! — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Pfui!)

    Herr Bundeskanzler, muten Sie uns wirklich zu, zu glauben, daß Herr Honecker über die Maßnahmen des polnischen Militärrats bestürzt war? Was glauben Sie eigentlich, was unsere Mitbürger in beiden Teilen Deutschlands von der Politik des Herrn Honecker in dieser Frage halten?

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Und die Polen!)

    Nicht zuletzt er war es doch, der allen voran im Reigen der kommunistischen Parteiführer im Warschauer-Pakt-Bereich schon seit Monaten am entschiedensten ein hartes Vorgehen gegen die Reformkräfte in Polen gefordert hat.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es muß Ihnen doch bekannt sein, daß jene tumbe, an Nazi-Methoden erinnernde Hetze gegen das polnische Volk — seine angebliche Faulheit und was sonst noch alles erzählt wird — ja von den Agitatoren der SED drüben in der DDR Tag für Tag unter die Leute gebracht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und wenn Ihnen dies bekannt war — ich muß unterstellen, daß Ihnen dies bekannt war —, wie können Sie uns dann zumuten, über alle deutschen Sender hören zu müssen: Herr Honecker ist genauso bestürzt gewesen wie ich, daß dies nun notwendig war!

    (Zurufe von der CDU/CSU: „Notwendig"! — Dr. Dregger [CDU/CSU]: „Notwendig", auf Arbeiter zu schießen!)

    — Ja, daß dies „notwendig" war; ich betone das: „notwendig war". Was ist das eigentlich für ein Denken mitten in Deutschland mit Leuten, mit denen es doch wirlich in diesem Punkt keinerlei Gemeinsamkeit gibt!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    An anderer Stelle sagten Sie — ich zitiere wörtlich —:
    Und deswegen ist sowohl Herr Honecker als auch ich unter der uns gegenseitig stark ausgesprochenen Hoffnung, daß es den Polen gelingen möge, die uneinigen Kräfte ihres Landes auf der Grundlage eines Übereinkommens zur Einigung zu führen und dies fertig zu bringen, ohne daß jemand sich von außen einmischt.
    Wir stimmen Ihnen zu, daß dies eine Hoffnung ist. Aber glauben Sie wirklich im Ernst, daß dies auch die Hoffnung von Herrn Honecker ist? Glauben Sie denn im Ernst, daß Herr Honecker aus seiner Interessenlage heraus überhaupt fähig ist, in dieser Sa-
    4296 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981
    Dr. Kohl
    che die gleiche Sprache zu sprechen, wie Sie und wir das tun?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist richtig: Um des Friedens und um der Entspannung willen wäre dies wünschenswert. Nur, meine Damen und Herren, das, was wünschenswert ist, ist eine Sache; das, was eine realistische Betrachtung des Regimes der SED betrifft, ist eine andere Sache. Und hier muß ich doch die Frage stellen: Herr Bundeskanzler, wer hat wem hier etwas vor der deutschen Öffentlichkeit vorgemacht?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie mußten doch davon ausgehen, daß Generalsekretär Honecker über die Maßnahmen der polnischen Führung im voraus unterrichtet worden war. Sie mußten doch auch davon ausgehen, daß diese Maßnahmen der polnischen Führung — getroffen nicht nur im Einverständnis, sondern vielleicht sogar nach Weisung der Machthaber im Kreml — auch die spätere Billigung erfahren würden. Das haben Sie ja auch, kaum waren Sie abgereist, erfahren. Was soll aber dann — dies ist meine Frage — der Versuch, die polnischen Ereignisse in einer gemeinsamen Bewertung mit Herrn Honecker zusammenzufassen? Das kann doch nur Ihre eigene, unsere eigene deutsche Position, die Position der Bundesrepublik Deutschland, ins Zwielicht bringen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie schon nicht die Konsequenz gezogen haben, abzureisen, dann, finde ich, sollten Sie einmal die Gründe dafür ins Feld führen. Das, was Sie hier soeben polemisch angemerkt haben, ist doch keine Begründung, Herr Bundeskanzler, für das, was Sie für richtig gehalten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man kann doch sehr wohl darüber diskutieren, ob man die Entscheidung trifft, abzureisen, oder ob man glaubt, man müsse durchhalten. Aber man kann und muß es begründen. Die Begründung, die ich soeben neben den polemischen Nebentönen von Ihnen gehört habe, war, daß es nicht Sache der Deutschen sei, sich als Richter über die Polen — so habe ich wörtlich notiert — aufzuspielen. Herr Bundeskanzler, wer mutet uns, wer mutet Ihnen denn zu, hier Richter zu spielen? Wenn eine frei gegründete Gewerkschaft, eine Gewerkschaftsbewegung, der die breite Sympathie des Landes gehört, mit brutalen Terrormethoden unterdrückt wird, wenn Zehntausende, viele Zehntausende praktisch in Konzentrationslager eingeliefert werden — lassen Sie uns diesen Begriff nennen, der leider Gottes auch durch deutsche Schuld zu einem Begriff für diese Dinge geworden ist —, wenn Menschen wegen ihrer Gesinnung ermordet und erschossen werden — dann, Herr Bundeskanzler, muß man schon begründen, warum man sich so oder so verhält. Das ist doch keine Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, und die Deutschen spielen sich doch wahrlich nicht als Richter auf. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß irgendein polnischer Bürger meint, wir würden uns in die inneren Angelegenheiten der stolzen Polen einmischen, wenn wir heute gegen Unrecht protestieren, das dort geschieht. Die Leute warten auf das Wort der Sympathie von uns.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich hätte Sie an diesem Punkt nicht angesprochen, wenn Sie in der Beurteulung und Begutachung anderer Völker und Länder sonst immer genauso zurückhaltend gewesen wären, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben sich ja in der Weltpolitik einen gewissen Ruf als jener Mann erworben, der seine Meinung eilfertig zum besten gibt — und zwar in einer Form, die für die Betroffenen oft nicht sehr erfreulich ist. Wenn dieser Ruf bei Ihnen nicht beheimatet wäre, wäre jetzt kein Grund gegeben, über dieses Thema zu reden. Eines muß aber klargestellt werden, weil es ein schlimmes Wort war, das Sie hier gesprochen haben: Wenn wir jetzt über Polen reden und den Polen unsere Sympathie bekunden, dann sind wir nicht die Richter Polens, sondern wir möchten die Freunde Polens sein. Das ist das, was in dieser Stunde gesagt werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine andere Äußerung von Ihnen hat uns sehr betroffen gemacht. Auf die Frage eines Journalisten:
    Haben Sie denn überhaupt nichts in Ihrer Tasche, von dem Sie sagen könnten, das ist das eigentlich Neue?
    Antworteten Sie — wörtliches Zitat —:
    Ich habe Ihnen ja allen vorher in Bonn angekündigt und es ankündigen lassen, daß ich die Absicht nicht hätte. Und ich hatte wirklich nicht. Wenn ich etwas Neues mitbringen könnte, würde ich es vielleicht nicht mal nennen wollen; denn ich möchte den Eindruck zerstören, als ob Deutsche nur dann miteinander reden könnten, wenn etwas dabei herauskommt. Das ist eine krämerische Betrachtung.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    — Sie brauchen doch in der jetzigen Lage der FDP Ihr Übersoll nicht bei jedem Punkt durch Applaus oder durch anderes zu bekennen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß der Kanzler bei dieser Passage, die er sicher selber gerne ungeschehen machen würde, von Ihrer Seite auch noch Applaus bekommt, ist schon bedeutsam für den Zustand der FDP.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Ihre Rede ist kennzeichnend für Ihren Zustand!)

    Herr Bundeskanzler, was hatten denn Sie selber vorher alles angekündigt? Sie hatten doch gesagt, eine solche Gipfelbegegnung mit Herrn Honecker habe nur dann einen Sinn, wenn — so wörtlich — „substantielle Ergebnisse" möglich seien. Einige Zeit später erklärten Sie plötzlich, ein solches Treffen sei „ein Wert an sich". Bundesminister Franke hat das gleiche vor Ihrer Reise gesagt. Das ist doch ein törichtes Wort. Wie töricht es ist, beweist Ihre Feststellung, daß Sie Ihre Kenntnisse über die Poli-
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 74. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. Dezember 1981 4297
    Dr. Kohl
    tik der DDR über die Aktenlage hinaus erweitern konnten.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Dieses Wort war aber vor allem auch deswegen töricht, weil es ein Freibrief für die DDR-Führung war, über Zugeständnisse gar nicht nachdenken zu müssen — geschweige denn Zugeständnisse gewähren zu müssen. Ich frage mich wirklich, Herr Bundeskanzler: Warum haben Sie ohne jede Not schon vor diesem Gespräch Ergebnisse zunichte gemacht? Sie haben doch damit selbst ein wichtiges Kapital aus der Hand gegeben. Es kann doch nur zum Vorteil sein, wenn alle Regierungsverantwortlichen, also auch Herr Honecker, wissen, daß sie unter einem hohen Erwartungsdruck, auch ihrer eigenen Mitbürger in der DDR, stehen. Das kann man doch nicht einfach mit der linken Hand vom Verhandlungstisch wischen.
    Herr Bundeskanzler, es ist doch geradezu eine Verhöhnung unserer Landsleute in beiden Teilen Deutschlands — aber vor allem in der DDR —, ihre Erwartungen an diesen Besuch so einfach zu diskriminieren. Ich habe am vergangenen Dienstag wieder einen ganzen Tag Gelegenheit gehabt, mich in Ost-Berlin in vielerlei Gesprächen mit Mitbürgern der DDR darüber zu unterhalten. Es ist doch aus dem Alltag unserer Mitbürger im anderen Teil Deutschlands heraus ganz selbstverständlich, daß auch Erwartungen geweckt werden, wenn ein solches Treffen mit jenem ungeheuren propagandistischen Aufwand, den die DDR-Führung betrieben hat, zustande kommt. Man kann doch diesen Menschen, die ihr Leben dort führen müssen, die gewissermaßen auf der Schattenseite der deutschen Geschichte leben, nicht sagen: Es ist eine krämerische Betrachtung, wenn gesagt wird, es müsse etwas dabei herauskommen. Das ist eine Verhöhnung jener selbstverständlichen Erwartungen, die unsere Mitbürger in beiden Teilen Deutschlands an diese Reise geknüpft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben auf Ihrer Pressekonferenz in der Jugendhochschule Wilhelm Pieck in Biesenthal folgendes gesagt — ich zitiere —:
    Es wird Zeit, daß man den gegenwärtigen Zustand in Deutschland in eine geschichtliche Perspektive bekommt, damit er eine Zukunft hat, daß man eine realistische Einschätzung der Zukunft sich selber macht.