Protokoll:
5075

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 75

  • date_rangeDatum: 25. November 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 11:03 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 75. Sitzung Bonn, den 25. November 1966 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 3495 A Fragestunde (Drucksachen V/1133, v/1137, V/1147) Frage des Abg. Lautenschlager: Empfang des Zweiten Fernsehprogramms im Altmühltal Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 3495 D Lautenschlager (SPD) 3495 D Fragen der Abg. Frau Freyh: Versand der Grußkarten der UNICEF zu Weihnachten und Neujahr als Standardbriefe Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 3496 A Frau Freyh (SPD) 3496 B Frage des Abg. Jahn (Marburg) : Erhebung verjährter Telefongebühren Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 3496 D Jahn (Marburg) (SPD) 3496 D Dr. Dehler, Vizepräsident . . . 3497 A Fragen der Abg. Moersch und Raffert: Leistungsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage TR 440 Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3497 B Moersch (FDP) . 3498 C, 3500 C, 3501 C Raffert (SPD) . . . . . . . . . 3499 A Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . . 3500 A Geiger (SPD) . . . . . 3500 D, 3501 D Junghans (SPD) . . . . . . . . 3501 B Frage des Abg. Dr. Meinecke: Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 14. Oktober 1960 Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3502 A Frage des Abg. Dr. Meinecke: Schaffung besserer Ausbildungskapazitäten Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3502 B Dr. Meinecke (SPD) . . . . . . 3502 B Frage des Abg. Dr. Meinecke: Abbau von Zulassungsbeschränkungen Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3502 C Dr. Meinecke (SPD) 3502 D Dr. Rau (SPD) . . . . . . . . 3502 D Dr. Martin (CDU/CSU) . . . . 3503 A Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein: Deutsches Arzneibuch Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 3503 B, 3504 C Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) . . . 3503 C, 3504 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1966 Frau Dr. Hubert (SPD) . . 3503 D, 3505 A Dr. Wörner (CDU/CSU) . 3504 B, 3505 A Fragen des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Sicherheit der Ölleitung der ENI-Gesellschaft — Konsequenzen aus dem Ölunglück von Dürrlauingen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 3505 B, 3506 D Frau Dr. Hubert (SPD) . . 3505 D, 3507 A Fellermaier (SPD) . . . . . . 3506 B Aktuelle Stunde Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 14. Oktober 1960 — Numerus clausus Dr. Meinecke (SPD) . . . . . . 3507 C Dr. Vogel (Speyer) (CDU/CSU) . . 3508 C Moersch (FDP) . . . . 3509 A, 3516 A Dr. Schmid, Vizepräsident 3510 B, 3514 B Dr. Rau (SPD) . . . . . . . . . 3510 B Dr. Martin (CDU/CSU) . 3511 A, 3512 C, 3517 B Frau Funcke (FDP) . . . . . . . 3511 D Dr. Kühler (SPD) . . . . . . . 3512 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 3513 C Dr. Jungmann (CDU/CSU) . . . . 3513 D Dr. Lohmar (SPD) . . . 3514 B, 3515 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 3514 C, 3516 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Mühlengesetzes (Drucksache V/899) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksache V/1109) — Zweite und dritte Beratung — Müller (Worms) (SPD) 3518 A Nächste Sitzung 3518 C Anlage 3519 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1966 3495 75. Sitzung Bonn, den 25. November 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 74. Sitzung, Seite 3464 B, Zeile 11 statt Herr Abge-: Wenn der Seite 3464 D, Zeile 20 statt Wenn der: Herr Abge- Seite 3478 B, Zeile 5 statt zwar richtig, ab: zwar formal richtig, aber Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 75. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1966 3519 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Arendt (Wattenscheid) 25. 11. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 25. 11. Bauer (Wasserburg) 25. 11. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 25. 11. Berberich 25. 11. Beuster 25. 11. Blachstein 30. 11. Blumenfeld 25. 11. Dr. Burgbacher 25. 11. Dr. Conring 25. 11. Dichgans 25. 11. Diekmann 25. 11. van Delden 25. 11. Deringer * 25. 11. Dr. Dittrich * 25. 11. Draeger 15. 12. Dr. Effertz 25. 11. Erler 30. 11. Ertl 25. 11. Faller * 25. 11. Dr. Freiwald 25. 11. Frieler 25. 11. Dr. Furler 25. 11. Gscheidle 25. 11. Haage (München) 25. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Hahn (Bielefeld) * 25. 11. Herold 25. 11. Dr. Hofmann (Mainz) 30. 11. Hörmann (Freiburg) 25. 11. Frau Dr. Krips 31. 12. Lenz (Trossingen) 30. 11. Mauk * 25. 11. Dr. von Merkatz 30. 11. Michels 25. 11. Missbach 29. 11. Ott 25. 11. Paul 31. 12. Frau Pitz-Savelsberg 30. 11. Pöhler ** 25. 11. Porten 25. 11. Dr. Preiß 25. 11. Frau Dr. Probst 25. 11. Dr. Reinhard 25. 11. Richarts 25. 11. Frau Schroeder (Detmold) 25. 11. Seibert 25. 11. Seifriz * 25. 11. Dr. Serres 25. 11. Seuffert * 25. 11. Storm 25. 11. Strauß 25. 11. Struve 30. 11. Varelmann 25. 11. Dr. Verbeek 30. 11. Weigl 1. 3.1967 Wendelborn 25. 11. Wienand 4. 12. Dr. Wilhelmi 25. 11. Wurbs 25. 11. Zerbe 25. 11.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die
Siebzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966, (Zollkontingent für Feinstzink)

— Drucksache V/1145 —an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung überwiesen.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 24. November 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. § 205 d RVO (sogenannter Reichszuschuß an die gesetzlichen Krankenkassen) — Drucksache V/1040 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1149 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 74. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. November 1966 gestellten Fragen des Abgeordneten Raffert, Drucksache V/1133 Nrn. XI/3, XI/4 und XI/5 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 24. November 1966 eingegangen. Sie lautet:
1. Der Bildtelegrammdienst weist eine erhebliche Kostenunterdeckung auf. Die „Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost" hat in ihrem Gutachten vom 6. 11. 1965 (Drucksache V/203) die Aufgabe der öffentlichen Bildtelegraphenstellen vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten bereits erklärt, daß die restlose Einstellung dieses Dienstes nicht möglich sei, jedoch eine Einschränkung auf wenige öffentliche Bildtelegraphenstellen beabsichtigt werde.
Von der Einschränkung, von welcher der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost am 4. 10. 1966 zustimmend Kenntnis genommen hat, sind betroffen: zum 1. November 1966 die öffentliche Bildtelegraphenstelle Köln und zum 1. Februar 1967 die öffentlichen Bildtelegraphenstellen in Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Hamburg, Hannover, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg und Stuttgart.
Nach dem 1. Februar 1967 werden im Bundesgebiet noch 3 öffentliche Bildtelegraphenstellen zur Verfügung stehen, und zwar in Berlin, Bonn und Frankfurt; demgegenüber wird von den Fernmeldeverwaltungen des Auslandes in der Regel nur eine einzige öffentliche Bildtelegraphenstelle unterhalten.
2. Die Aktualität der Zeitungsberichterstattung wird nach unserer Auffassung nicht beschnitten, wenn die von der Deutschen Bundespost gebotenen sonstigen Möglichkeiten für die Bildübertragung ausgenutzt werden; dies sind: a) die Übertragung im öffentlichen Bildtelegraphennetz über Anschlüsse für private Bildstellen, b) der Bildfunk für mehrere Empfänger und c) der Bildtelepraphendienst auf dauernd überlassenen Leitungen. Darüber hinaus unterhält die Deutsche Bundespost im öffentlichen Bildtelegraphennetz öffentliche Anschaltestellen; diese stehen entweder als ständige Einrichtung oder für die Dauer besonderer Ereignisse den Presseunternehmen sowie den selbständigen Bildreportern für die Anschaltung von tragbaren Bildtelegraphen-Sendegeräten zur Verfügung.
*) Siehe 74. Sitzung, Seite 3475 A
Die erwähnten Dienste werden im Gegensatz zum Bildtelegrammdienst rege in Anspruch genommen und weisen steigende Verkehrszahlen auf.
3. In der Bundesrepublik Deutschland verfügen drei Nachrichtenagenturen und ein Verlag über eigene Bildtelegraphennetze. Es ist daher keine Monopolstellung gegeben. Die in der Anfrage unterstellte Vormachtstellung würde nur dann durch die vorgesehenen Einschränkungen verstärkt, wenn anderen Verlagen künftig keine Möglichkeit mehr gegeben wäre, Bilder telegraphisch zu übermitteln; dies ist aber nicht der Fall. Hierzu wird auf die vorher erwähnte Möglichkeit zur Benutzung des öffentlichen Bildtelegraphennetzes verwiesen ,sowie auf die Möglichkeit, daß kleine Verlage mit Inhabern privater Bildstellen über die Mitbenutzung Absprachen treffen können, wenn ihnen die Beschaffung eigener Bildtelegraphengeräte unwirtschaftlich erscheint.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksachen V/1133, V/1137, V/1147 —
Ich rufe zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Frage XI/8 des Herrn Abgeordneten Lautenschlager:
Ist das Bundespostministerium bereit, in Kürze die Empfangsverhältnisse für das Zweite Fernsehprogramm im mittleren Altmühltal, besonders in den Landkreisen Riedenburg und Beilngries, zu verbessern oder mittels eines Provisoriums his zur Errichtung einer festen Relaisstation der dort wohnenden Bevölkerung einen besseren Empfang des Zweiten Fernsehprogrammes zu ermöglichen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507500100
Herr Präsident! Die Planung zur Versorgung des Altmühltales mit dem Zweiten Fernsehprogramm ist bereits abgeschlossen. Wegen fehlender Investitionsmittel können die Bauvorhaben noch nicht freigegeben werden. Auch für den Aufbau provisorischer Anlagen stehen zur Zeit Mittel noch nicht zur Verfügung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507500200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lautenschlager.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0507500300
Herr Staatssekretär, können Sie ungefähr einen Zeitpunkt nennen, bis wann in diesem Raum vielleicht mit einem Provisorium, vielleicht schon mit einer festen Anlage zu rechnen ist, so daß die dortige Bevölkerung, die ja auch ihre Gebühren entrichtet, das Zweite Fernsehprogramm besser empfangen kann?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507500400
Herr Abgeordneter, das kann ich nicht bestimmt sagen. Aber



Staatssekretär Dr. Steinmetz
ich kann der Hoffnung Ausdruck geben, daß nach Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 1967 und Beseitigung der bisher noth festgelegten Sperre für bestimmte Ausgaben im Einverständnis mit dem Bundesminister der Finanzen gewisse Aussichten bestehen, daß noch 1967 mit den Arbeiten begonnen werden kann.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507500500
Ich rufe die Fragen XI/9 und XI/10 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung fur die vor allem zu Weihnachten und Neujahr verwandten Grußkarten des Weltkinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF), die hinsichtlich ihres Formates nicht mehr den Vorschriften der Deutschen Bundespost für Standardbriefsendungen entsprechen, eine bis zum 31. Dezember 1966 befristete Sonderregelung für den Versand als Standardbriefe getroffen hat?
Ist die Bundesregierung bereit, die Anwendung der in Frage XI/9 erwähnten Regelung in Hinblick auf den Verwendungszweck des Erlöses aus diesen Karten für bedeutsame Maßnahmen des Weltkinderhilfswerkes zeitlich so auszudehnen, daß die UNICEF-Grußkarten auch zu Neujahr als Standardbriefe versandt werden können?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507500600
Ich darf, Herr Präsident, im Einverständnis mit der Frau Abgeordneten die Fragen gemeinsam beantworten.
Für eine Reihe von Bestimmungen der neuen Postordnung vom 16. Mai 1963 wurden durch die Postgebührenordnung vom 15. Juni 1964 Übergangsfristen bis zum 31. Dezember 1965 gewährt. Nach § 4 Abs. 1 der Postgebührenordnung galten die Gebühren für Standardbriefsendungen bis zum 31. Dezember 1965 praktisch für alle Briefsendungen bis 20 g. Damit hatten die Versender seit der Verkündung der neuen Postordnung annähernd drei Jahre Zeit, ihre Sendungen den neuen Bestimmungen anzupassen.
Seit dem 1. Januar 1966 unterliegen Briefe, die die Maße für Standardbriefe überschreiten, der nächsthöheren Gebührenstufe, die zur Zeit 50 Pf beträgt. Für vergleichbare Briefdrucksachen betragen die Gebühren 40 Pf je Sendung.
Die Bundesregierung hat aus Gründen der Gleichbehandlung aller Postbenutzer, aber auch aus betrieblichen Gründen keinerlei Ausnahmen von dieser Regelung zugestanden. Dies gilt auch für Grußkarten des Weltkinderhilfswerks der Vereinten Nationen. Eine entsprechende Auskunft ist dem Kinderhilfswerk bereits Anfang 1966 gegeben worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507500700
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0507500800
Herr Staatssekretär, da Sie sich sicherlich auch um diese Dinge bemüht haben, möchte ich Sie fragen: wie erklären Sie sich dann, daß auf den Bestellkarten dieser Karten für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen von einer Sonderregelung — mit einer Erlaßnummer, die auch näher bezeichnet worden ist die Rede ist? Dort wird mitgeteilt, daß durch eine Sonderregelung eine Verlängerung bis zum 31. Dezember 1966 stattfinde.

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507500900
Gnädige Frau, mir sind die Bestellkarten nicht bekannt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie im Einverständnis mit irgendeiner Dienststelle der Deutschen Bundespost herausgegeben worden sind. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir eine solche Karte übermittelten. Ich werde die Sache sofort nachprüfen lassen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507501000
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0507501100
Herr Staatssekretär, ich bin selbstverständlich gern bereit, Ihnen diese Information zukommen zu lassen. Aber darf ich noch einmal weiter fragen, da ja offensichtlich diese Organisation ihr Format in allen Ländern der Welt verwendet: sehen Sie nach dieser Überprüfung — die ja eine andere Angelegenheit betrifft — nicht die Möglichkeit, diese Grußkarten, deren Erlös einem besonderen Zweck dient, doch noch mit einer Sonderregelung zu bedenken?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507501200
Gnädige Frau, aus den Gründen, die ich schon dargelegt habe, kann ich Ihnen leider keine Hoffnung machen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507501300
Ich rufe aus der Drucksache V/1137 die Frage des Herrn Abgeordneten Jahn (Marburg) auf:
Bleibt die Bundesregierung bei der in der Fragestunde ans 16. März 1966 geäußerten Ansicht, daß die Erhebung verjährter Telefongebühren zulässig und die Verjährung nur auf Einrede des Fernsprechteilnehmers zu berücksichtigen ist?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507501400
Die Bundesregierung bleibt bei der in der 30. Sitzung am 16. März 1966 geäußerten und bereits ausführlich begründeten Ansicht, daß die Erhebung verjährter Fernsprechgebühren zulässig und die Verjährung nur auf Einrede des Fernsprechteilnehmers zu berücksichtigen ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507501500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0507501600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Sie sich damit in Widerspruch zur gesamten Verwaltungsrechtslehre und auch zu der im § 148 der Abgabenordnung geäußerten Meinung des Gesetzgebers befinden, wonach die Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen ist und verjährte Forderungen erlöschen?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507501700
Herr Abgeordneter, mir ist bekannt, daß es in der Literatur bezüglich dieser Frage verschiedene Auffassungen gibt. Darf ich aber sagen, daß es müßig ist, sich mit einem so angesehenen Juristen, wie Sie es sind über die Rechtsnatur der Einrede der Verjährung in einer Seminarform zu unterhalten.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507501800
Eine weitere Zusatzfrage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0507501900
Herr Staatssekretär, auch wenn Ihnen das müßig erscheint, habe ich dennoch die Frage: Sind Sie nicht der Meinung, daß es, ungeachtet des Standes der Auffassungen in der Rechtslehre und teilweise auch in der Gesetzgebung, dem angemessenen Umgang der Verwaltung mit dem Bürger entspräche, wenn die Bundesregierung sich darum bemühte, ihre Auffassung noch einmal einer gründlichen Revision zu unterziehen?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0507502000
Das Rechtsinstitut der Einrede der Verjährung wird erfahrungsgemäß von allen Bundes- und Länderbehörden sowie Kommunen, aber auch von Versorgungsunternehmen gleichermaßen gehandhabt. Soweit und solange die Einrede der Verjährung nicht geltend gemacht wird, werden angefallene Gebühren erhoben. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dem gesamten Fragenkomplex würde vielleicht eine andere Situation schaffen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507502100
Es ist nicht mehr zu erwarten, daß hier eine höchstrichterliche Entscheidung Ordnung schafft. Es ist an sich eine klare Rechtsfrage. Aber wir wollen hier — wie der Herr Staatssekretär meint — kein Seminar veranstalten.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und rufe nun die Dringlichen Mündlichen Anfragen aus der Drucksache V/1147 auf. Zuerst die Frage des Herrn Abgeordneten Moersch:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die in der FAZ Nr. 272 vom 23. November 1966 mitgeteilte erhebliche und schwerwiegende Behinderung deutscher wissenschaftlicher Forschungsinstitute durch eine den wachsenden Anforderungen nicht gerecht werdende Ausstattung des Deutschen Rechenzentrums in Darmstadt zu vermeiden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507502200
Herr Präsident, die vier Dringlichen Mündlichen Anfragen der Drucksache V/1147 überschneiden sich in der Thematik oder berühren sich so eng, daß ich mit Ihrem Einverständnis und dem Einverständnis der Fragesteller diese Fragen in einer ausführlicheren Darstellung beantworten möchte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507502300
Dann rufe ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Raffert ebenfalls auf:
Sind Verträge über die Lieferung einer Datenverarbeitungsanlage (TR 440) an das Deutsche Rechenzentrum in Darmstadt rechtskräftig abgeschlossen?
Treffen Berichte zu (FAZ vorn 23. November 1966), nach denen die erwartete Leistung der TR 440 — im Gegensatz zu der Antwort des Bundeswissenschaftsministers vom 26. Oktober 1966 —weit hinter der Leistung bereits am Markt vorhandener Computer vergleichbarer Preislagen zurückbleibt?
Ist es richtig, daß bei der Anschaffung der noch zu entwickelnden und zu erprobenden TR 440 die Leistungsfähigkeit des Deutschen Rechenzentrums und der mit diesem zusammenarbeitenden wissenschaftlichen Einrichtungen gofährdet werden kann?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507502400
Die Frage des Herrn Abgeordneten Moersch geht von der Annahme aus, die Leistungsfähigkeit des Deutschen Rechenzentrums werde durch die Beschaffung eines deutschen Rechners beeinträchtigt. Dies trifft nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu.
Die Entscheidung wurde vom Hauptausschuß der Deutschen Forschungsgemeinschaft ohne Gegenstimmen — bei zwei Enthaltungen — getroffen. Ihr gingen folgende Beratungen voraus.
Bei einer Prüfung im Apparateausschuß der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft kam dieses Gremium hinsichtlich der bestellten deutschen Anlage zu der Feststellung, daß es sich vom Konzept her um eine sehr fortschrittliche Anlage handelt. Sodann hat die Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Anwesenheit von Mitgliedern des wissenschaftlichen Rates des Deutschen Rechenzentrums und des Kuratoriums des Deutschen Rechenzentrums mit dem von einer Mehrheit getragenen Ergebnis beraten, daß die Beschaffung der deutschen Anlage der der ausländischen vorzuziehen sei. Schließlich hat der wissenschaftliche Rat des Rechenzentrums sich mit knapper Mehrheit für den ausländischen Rechner ausgesprochen. Alle diese Beratungen fanden in fachkundigen Gremien der akademischen Selbstverwaltung statt. Erst an der Beschlußfassung des Hauptausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft waren Vertreter des Bundes und der Länder beteiligt. Daraus folgt, daß die Mehrzahl der an der Entscheidung beteiligten Wissenschaftler nicht der Ansicht ist, daß die Beschaffung des deutschen Rechners zu einer erheblichen und schwerwiegenden Behinderung deutscher wissenschaftlicher Forschungsinstitute führt.
Die Befürchtung, ,das Deutsche Rechenzentrum könne den Bedarf an Rechenkapazität, der auf das Zentrum zukomme, nicht mehr decken, ist unbegründet. Es ist festzustellen, daß nicht nur die gegenwärtige Kapazität erhalten bleibt, vielmehr durch die Beschaffung eines zweiten Rechners zusätzliche Kapazität gewonnen wird. Denn es ist, was allerdings von den Kritikern der Entscheidung verschwiegen wird, mit dem Votum für die Beschaffung des deutschen Rechners zugleich beschlossen worden, daß der gegenwärtig vorhandene Rechner des Typs IBM 7094 zumindest für eine längere Übergangszeit in Betrieb bleibt. Die Bundesregierung beabsichtigt, die für die Aufstellung der zweiten Maschine erforderlichen Investitionskosten zu tragen. Es ist hierdurch die Voraussetzung dafür geschaffen, daß das Deutsche Rechenzentrum unter Umständen auch auf die Dauer mit zwei Rechnern verschiedener Größenordnung ausgestattet bleibt. Außerdem hat das Kuratorium des Deutschen Rechenzentrums die Geschäftsführung gebeten, zu prüfen, ob alle vom Rechenzentrum bisher übernommenen Aufgaben dorthin gehören oder ob sie nicht teilweise von den Hochschulrechenzentren zu übernehmen sind, deren Kapazität durch die Errichtung mehrerer regionaler Großrechenzentren erheblich erweitert werden soll.



Bundesminister Dr. Stoltenberg
In beiden Anfragen wird ferner das Problem der Leistungsfähigkeit des deutschen Rechners im Verhältnis zu dem beantragten ausländischen Rechner angesprochen. Ich möchte feststellen, daß hierzu zwischen den beteiligten Wissenschaftlern, wie die verschiedenen Abstimmungen zeigten, keine einheitliche Auffassung besteht. Es könnte der Eindruck entstehen, die Leistungsfähigkeit eines Großrechners lasse sich mit schlichten, leicht errechenbaren Zahlen ausdrücken. Das ist nicht der Fall. Je nachdem, welche Kriterien man für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestimmend sein läßt, kommt man zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen. Vielleicht ist es aber bezeichnend — ich teile dies mit —, daß der Apparateausschuß der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft Zweifel geäußert hat, ob angesichts der Vergleichbarkeit des bestellten deutschen Rechners mit ausländischen Rechnern für deren Einfuhr noch Zollfreiheit gewährt werden kann. Diese Frage ist nur deswegen jetzt noch nicht akut, weil der deutsche Rechner noch nicht auf dem Markt ist. Hierzu muß ich bemerken, daß eine Bestellung auf Grund technischer Beschreibung in der Datenverarbeitung üblich ist.
Schließlich wird in der Anfrage befürchtet, die internationalen Verbindungen des Deutschen Rechenzentrums würden durch die Beschaffung des deutschen Rechners beeinträchtigt oder gar unterbunden. Wenn diese Annahme richtig wäre, so wäre die Konsequenz, daß alle Rechenzentren der Welt überhaupt nur noch ein und denselben Rechner verwenden dürften. Die modernen, problemorientierten Programmiersprachen, wie z. B. FORTRAN, werden aber von allen Großrechnern, also auch dem deutschen, gelesen.
Im übrigen wird bei den Anfragen nur auf eine Aufgabe des Rechenzentrums, nämlich den Dienstleistungsbetrieb, eingegangen. Es hat aber satzungsgemäß noch eine zweite Aufgabe, nämlich der Forschung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung zu dienen. Hier kann ich mir kaum eine bessere Aufgabe vorstellen als die, die „Software" für einen neuen, von kompetenten Wissenschaftlern als sehr fortschrittlich bezeichneten Rechner zu entwickeln. Dies dient außerdem der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Raffert, ob die TR 440 inzwischen in rechtsverbindlicher Weise bestellt wurde, beantworte ich mit Ja. Der Vertrag ist inzwischen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Firma Telefunken abgeschlossen worden. Auch hierin kommt zum Ausdruck, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft in eigener Verantwortung entschieden hat. Ich möchte dennoch gerade auch hier noch einmal betonen, daß die Bundesregierung die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft begrüßt.
Sie steht auch im Einklang mit den Plänen der Bundesregierung zur Förderung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Zur Vorbereitung dieser Pläne wurde zunächst eine umfassende Analyse über die Lage der Datenverarbeitung in Deutschland durchgeführt. Als Unterlagen hierfür dienten unter anderem ein Memorandum deutscher Firmen, eine Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und eine Ausarbeitung des Bundesministeriums für Wirtschaft. Für die Aufstellung eines konkreten Forschungs- und Entwicklungsplans wurde eine Studie erarbeitet, in der detaillierte Vorschläge für die in den nächsten Jahren durchzuführenden Förderungsmaßnahmen enthalten sind. Das Programm und die ausgearbeiteten Förderungsrichtlinien werden bei den Beratungen des Bundeshaushalts 1967 den zuständigen Ausschüssen dieses Hohen Hauses vorgelegt und damit auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507502500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507502600
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der Stiftungsvorstand des Deutschen Rechenzentrums eine ganz andere Auffassung zu diesen Fragen vertreten hat, als sie soeben hier vorgetragen wurde und offensichtlich auch in dem Beschluß des Hauptausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Ausdruck kommt, und sind Sie nicht der Meinung, daß die einzig kompetente Stelle in diesem Fall diejenige ist, die mit dieser Anlage zu arbeiten hat?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507502700
Diese Annahme trifft nach den Statuten des Rechenzentrums nicht zu. Zweifellos hat das Votum des Stiftungsvorstandes ein großes Gewicht. Die Entscheidung und die sachliche Prüfung liegen aber maßgeblich bei den anderen genannten akademischen Gremien, und die letzte Verantwortung liegt bei dem stark von wissenschaftlichen Voten und von Wissenschaftlern bestimmten Hauptausschuß der Forschungsgemeinschaft.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507502800
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507502900
Herr Minister, darf ich Sie bitten, zu definieren, was Sie in diesem Zusammenhang für inländisch und für ausländisch halten. Halten Sie es für inländisch, wenn Anlagen geliefert werden, deren Hauptteile im Ausland hergestellt werden, und für ausländisch, wenn Anlagen geliefert werden, deren Hauptteile in Sindelfingen hergestellt werden, das immerhin in Württemberg liegt und nicht im Ausland?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507503000
Nach meiner Kenntnis ist der hier zur Diskussion stehende deutsche Rechner im wesentlichen eine deutsche Entwicklung, von der nicht gesagt werden kann, daß ihr Hauptteil aus dem Ausland kommt.
Im übrigen möchte ich folgendes bemerken. Man darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß Regierungen anderer Nationen, etwa die der USA oder Großbritanniens, Firmen in ihrem Lande seit Jahren durch hohe Entwicklungs- und Forschungs-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
aufträge fördern, die ihnen sicher einen internationalten Wettbewerbsvorteil gegeben haben. Wenn die Bundesregierung in bescheidenem Maße und ohne die Absicht einer Diskriminierung bei einem Votum der Wissenschaftler, das Anlagen als etwa gleichwertig bezeichnet, eine in deutschem Besitz befindliche Firma als die in diesem Fall geeignete Firma ansieht, dann bleibt sie damit weit hinter den Gepflogenheiten zurück, die andere Regierungen in diesem Zusammenhang zur Förderung ihrer Industrie haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507503100
Herr Abgeordneter Raffert zu einer Zusatzfrage.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0507503200
Herr Minister, darf ich zunächst feststellen, ob nach Ihrer Antwort mein Eindruck richtig ist, daß Sie meinen, in diesem Fall sei wieder einmal bewiesen, auch hinter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" stecke nicht immer „ein kluger Kopf"?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507503300
Herr Kollege Raffert, ich habe bewußt davon abgesehen, zu Veröffentlichungen näher Stellung zu nehmen, sondern mich auf die Anfrage beschränkt. Wenn man diese Veröffentlichungen näher würdigen wollte, würde man allerdings zu sehr negativen Schlußfolgerungen kommen. Ich glaube, daß das bereits aus meiner Antwort hervorgeht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507503400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0507503500
Herr Minister, ist es aber nicht so, daß Journalisten, die die Entwicklung auf diesem Gebiet beobachten, zu solchen Schlüssen kommen müssen, weil die Bundesregierung bisher zuwenig deutlich gemacht hat, in welcher Weise, auf welchen Gebieten, wie stark usw. sie die Entwicklung in der Elektronik und speziell auf dem Gebiet der Datenverarbeitung zu fördern bereit ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507503600
Eine Darstellung der Bemühungen der Bundesregierung in größerem Zusammenhang ging über die Möglichkeit der Antwort in der Fragestunde hinaus, die sowieso etwas lang wurde. Aber auf Grund Ihrer Zusatzfrage, Herr Kollege Raffert, möchte ich gern das, was ich schon sagte, etwas näher präzisieren. Ich möchte darauf hinweisen, daß ich wenige Monate nach meinem Amtsantritt auf Grund einiger vorliegender Memoranden mit allem Nachdruck versucht habe, die Unterlagen von der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Verwaltung erstellen zu lassen, die wir für ein Förderungsprogramm brauchen. Ich kann auch mit Befriedigung feststellen, daß die Bundesregierung sich zur Aufnahme erster Förderungsmittel in den Haushaltsentwurf 1967 entschlossen hat. Ich habe soeben angekündigt, daß wir in der Lage sein werden, zum Zeitpunkt der parlamentarischen Beratung dieses Punktes, also etwa im Januar oder Februar, den Ausschüssen des Deutschen Bundestages ein sehr genau abgestimmtes Förderungskonzept vorzutragen, um es anschließend auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das ist unsere Absicht seit Beginn dieses Jahres. Wenn diese Arbeiten fast ein Jahr dauern, dann zeugt das von der Schwierigkeit der Materie, den sehr unterschiedlichen Beurteilungen der Wissenschaftler, die wir nicht nur in dieser Frage der Gerätbeschaffung haben, und von der Gewissenhaftigkeit, mit der die Bundesregierung solche Arbeiten durchzuführen bestrebt ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507503700
Herr Abgeordneter Raffert zu einer Zusatzfrage.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0507503800
Herr Minister, stimmen Sie mir, nachdem Sie gesagt haben, daß Sie für den Haushalt 1967 Mittel dieser Art vorgesehen haben, zu, wenn ich sage, daß bei der Bestellung der TR 440 für das Rechenzentrum in Darmstadt der Eindruck entstehen kann, die Bundesregierung wolle hier drei Fliegen mit einer zu kleinen Klappe schlagen, d. h. an diesem Objekt gleichzeitig Forschung, Entwicklung und Erprobung einer solchen Anlage zu fördern versuchen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507503900
Herr Kollege Raffert, ich habe mich bemüht, in meiner ausführlichen Antwort darzustellen, daß hier nicht die Bundesregierung mit der Klappe geschlagen hat, sondern auf Grund wissenschaftlicher Voten die Organe der akademischen Selbstverwaltung. Die Bundesregierung begrüßt aber diese Entscheidung. Ihre Vertreter in den Organen, die die Verantwortung haben, haben gemeinsam mit den Wissenschaftlern und den anderen Vertretern des öffentlichen Lebens und der Länder so gestimmt.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0507504000
Herr Minister, wenn das so ist, wie kommt es dann, daß Ihre Antwort auf die Kleine Anfrage, die Sie am 26. Oktober gegeben haben, so blaß erscheint und darin keine Hinweise auf die wesentlichen Dinge gegeben worden sind, die gerade mit der Bestellung dieser TR 440 gefördert werden sollen, nämlich: mikrominiaturisierte Schaltkreise, Seitenadressierung, Vielfachzugriff, alles Dinge, die da entwickelt werden? Darauf sind Sie in Ihrer Antwort damals nicht eingegangen und haben so den Eindruck erweckt, als sähen Sie nur die wirtschaftliche, nicht aber die wissenschaftliche Seite der Angelegenheit.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507504100
Herr Kollege Raffert, falls Sie bei der Lektüre der Unterlagen der Bundesregierung bis zum Haushaltsplan 31 und den Erläuterungen des entsprechenden Titels vorstoßen, werden Sie feststellen, daß dort — seit Wochen schriftlich für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich — genau diese von Ihnen genannten Stichworte und weitere Förderungsabsichten erläutert sind.




Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0507504200
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht erkannt haben, daß ich mich nicht etwa auf die Erläuterungen des Haushaltsplans 31 bezogen habe, die mir wohlbekannt sind, sondern auf die von Ihnen am 26. Oktober gegebene Antwort.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507504300
Die Schwierigkeit bei Antworten zu solchen technischen Problemen ist immer, daß sie leicht zu lang werden. Ich bin mir darüber im klaren, daß das auch bei meiner Antwort eben der Fall war.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507504400
Herr Abgeordneter Dr. Martin zu einer Zusatzfrage.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0507504500
Herr Minister, können Sie sagen, woher die Behauptung stammt, daß die deutsche Maschine nur ein Drittel der Leistungskraft der amerikanischen hat, und was ist dazu zu sagen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507504600
Ich weiß nicht, woher die Behauptung stammt, da in der Veröffentlichung eine Quelle nicht angegeben ist. Ich habe hier schon dargestellt, daß die wissenschaftlichen Voten zum Teil voneinander abweichen. Nach einer Unterlage, die den Gremien der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Bundesregierung vorgelegen hat, ist diese Behauptung falsch. Darin wird zunächst betont, daß ein ganz exakter Vergleich so großer Anlagen nicht möglich ist. Einen Anhaltspunkt liefert die mittlere Operationszeit, die nach den hier genau angegebenen Zahlen einen gerinfügigen Vorsprung der ausländischen Maschine ergibt, aber keineswegs einen Vorsprung, der etwa die Behauptung rechtfertigt, daß hier ein Verhältnis von 3 : 1 gegeben sei. Demgegenüber gibt es nach dieser wissenschaftlichen Beurteilung aber auch Vorteile für die deutsche Maschine, die TR 440. Sie ist unter den angebotenen Anlagen nach Beurteilung dieses Gutachtens die modernste. Sie hat mikrominiaturisierte Schaltkreise, sie hat Seitenadressierung und dergleichen mehr. Ich nenne idiese Stichworte nur, um Ihnendeutlich zu machen, daß hier zum Teil Voten gegeneinanderstehen. Es mag außer den hier angedeuteten zusätzliche Argumente für jede der beiden Maschinen geben. Dieses Beispiel zeigt mir aber, daß man die Debatte, bei der es natürlich auch um harte wirtschaftliche Interessen geht, nicht mit pauschalen Polemiken und der unkritischen Übernahme einseitiger Behauptungen ohne Abwägung der anderen Argumente führen sollte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507504700
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Frage.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507504800
Herr Minister, können Sie mir sagen, auf welche kompetentere Quelle sich ein Abgeordneter, wenn er zu diesen Fragen Stellung nimmt, stützen sollte als auf den Vorstand des Deutschen Rechenzentrums und einen Brief des
Professors Walther an Sie? Können Sie mir sagen, was in diesen Fragen noch kompetenter sein könnte als das Votum 'des betroffenen Wissenschaftlers?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507504900
Es gibt Äußerungen auch aus dem wissenschaftlichen Rat des Rechenzentrums, die erheblich von der Beurteilung abweichen, die Sie zitierten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507505000
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507505100
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung eine Kleine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion vor wenigen Monaten in einigen Teilen erkennbar nicht zutreffend beantwortet hat, wie mir in einem Briefwechsel nachher indirekt bestätigt werden mußte, und zwar gerade zu diesen Fragen? Glauben Sie also, daß es ein besonderer Beweis für die Kompetenz der Bundesregierung ist, diese Dinge zu beurteilen, wenn sie auf eine Kleine Anfrage erkennbar nicht ganz richtige Antworten gegeben hat?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507505200
Herr Kollege Moersch, die Kleine Anfrage, von der Sie sprechen, ist zwar von mir gelesen worden, doch ist die Antwort nicht von meinem Hause formuliert worden. Deswegen muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht in der Lage bin, Ihnen auf Ihre Frage eine pauschale Antwort zu geben.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507505300
Ich habe einen Briefwechsel geführt.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507505400
Er ist mir unbekannt. Der Briefwechsel ist nicht mit mir geführt worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507505500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Geiger.

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0507505600
Herr Minister, würden Sie so liebenswürdig sein, darzulegen, welches die Merkmale eines deutschen Rechners und eines ausländischen Rechners sind.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507505700
Diese Frage ist hier behandelt worden. Es geht nicht darum, daß in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht Firmen, die sich völlig in ausländischem Besitz befinden, die aber seit langem in Deutschland ansässig sind, der Charakter einer deutschen Firma abgesprochen werden soll. Es geht allerdings um den Tatbestand, den niemand übersehen kann, daß die hier zur Diskussion stehende ausländische Mutterfirma, deren Leistungen wir absolut anerkennen, durch Zuwendungen des amerikanischen Staates, durch Forschungs- und Entwicklungsaufträge und klare Bevorzugung bei der Beschaffung gegenüber ausländischen Wettbewerbern in den USA in den letzten Jahren mit Hunderten von Millionen



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Dollar gefördert worden ist. Deshalb sehe ich die Art, wie hier ein bescheidener Versuch der Bundesregierung, den bisher wettbewerbsmäßig klar benachteiligten deutschen Firmen bei gleichlautenden oder vergleichbaren wissenschaftlichen Voten in Übereinstimmung mit den Organen der Selbstverwaltung eine Chance zu geben, kritisiert wird, als etwas befremdlich an.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507505800
Herr Abgeordneter Geiger zu einer weiteren Zusatzfrage.

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0507505900
Herr Minister, würden Sie die Verwendung der Bezeichnung „deutsch" oder der Bezeichnung „ausländisch" davon abhängig machen, ob die Anlage in Deutschland in einem Betrieb mit Zehntausenden von Arbeitskräften mit eigenen Forschungszentren hergestellt worden ist, oder ist Ihrer Ansicht nach ausschlaggebend, ob sich die Kapitalanteile der betreffenden Firma in deutschem oder in ausländischem Besitz befinden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507506000
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, irgendeine Firma, deren Kapital sich in ausländischem Besitz befindet, auf dem deutschen Markt zu diskriminieren. Sie kann aber bei der Betrachtung dieser Frage, d. h. einer überlegten begrenzten Förderung von Systemen für öffentliche Aufgaben, nicht daran vorbeigehen, daß bestimmte Firmen auf dem deutschen Markt erscheinen, die zwar in Deutschland ansässig sind, die aber durch ihre ausländischen Mutterfirmen gewaltige öffentliche Förderungsmittel erhalten haben, die ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507506100
Herr Abgeordneter Junghans zu einer Zusatzfrage.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0507506200
Herr Minister, ist es richtig, daß im Angebot von IBM wissenschaftlich haltbare Angaben über die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht enthalten waren?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507506300
Ich kann nur sagen, Herr Kollege Junghans, daß offenbar auch das Angebot der IBM in einigen Punkten auf Schätzungen beruhte.
Ich lese gerade — insoweit darf ich meine Antwort zu dem eben angesprochenen Punkt ergänzen —, daß die hier in Rede stehende Anlage importiert wird, d. h. nicht in Deutschland produziert wird, so daß die Annahme, daß es sich in diesem Fall um eine in Deutschland gebaute Anlage handelt, hinfällig ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507506400
Herr Abgeordneter Junghans zu einer weiteren Zusatzfrage.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0507506500
Herr Minister, kann nicht der Eindruck entstehen, daß durch einseitige Information und wissenschaftlich nicht haltbare Angaben über die Leistungsfähigkeit von Rechenanlagen hier im Interesse einer bestimmten Firma, der IBM, gehandelt werden sollte?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507506600
Ich möchte in allgemeinerer Form antworten, daß diese Gefahr bei solchen Erörterungen immer besteht. Nur der Respekt vor dem Hohen Hause und den Fragestellern veranlaßt mich, näher auf die technischen Einzelheiten der wissenschaftlichen Wertungen einzugehen, deren Problematik mir bei den völlig entgegengesetzten Angaben, die aus den Kreisen der Firmen kommen, und auch angesichts der unterschiedlichen Voten der Wissenschaftler durchaus bewußt ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507506700
Herr Abgeordneter Moersch zu einer weiteren Frage.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507506800
Herr Minister, wären Sie bereit, bei Ihren künftigen Maßnahmen zur Förderung von deutschen Entwicklungen, die aus wirtschaftspolitischen Gründen geboten sind, klar zu trennen zwischen dem, was die derzeitige wissenschaftliche Notwendigkeit ist, und dem, was die künftige wirtschaftspolitische Zielsetzung dabei ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507506900
Herr Kollege Moersch, ich freue mich, Ihnen zumindest teilweise zustimmen zu können. Ich möchte auf Grund Ihrer letzten Frage noch einmal deutlich klarstellen, daß es nicht die Absicht der Bundesregierung sein kann, aus wirtschaftspolitischen Förderungsabsichten eindeutig schlechtere oder nicht geeignete Anlagen in der Beschaffung gegenüber besseren zu fördern. Die diskutierte Entscheidung ist deshalb vom zuständigen Gremium der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit Unterstützung, wenn Sie so wollen, der Bundesregierung getroffen, weil hier die vorliegenden wissenschaftlichen Voten und die technischen Angaben eine echte Vergleichbarkeit zulassen. Wenn dagegen für ein staatliches öffentliches Erfordernis oder eine vom Bund finanzierte Aufgabe aus zwingenden wissenschaftlichen und technischen Gründen sich eine eindeutige Überlegenheit einer bestimmten Anlage ergibt, dann sollte man sie auch ohne Rücksicht auf die Herstellerfirma kaufen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507507000
Herr Abgeordneter Geiger, wollen Sie noch eine Frage stellen? — Bitte sehr!

Hans Geiger (SPD):
Rede ID: ID0507507100
Herr Minister, ich wollte noch die Frage stellen, ob Ihnen bekannt ist, daß eine als ausländisch bezeichnete Firma ein großes Forschungslaboratorium in Deutschland unterhält und daß darüber hinaus auch der Großteil der Produktion exportiert wird.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507507200
Dies ist mir wohlbekannt, und es liegt mir völlig fern, meine Damen und Herren, den Eindruck zu erwecken — ich glaube, ich



Bundesminister Dr. Stoltenberg
habe das durch meine letzte Antwort an den Kollegen Moersch auch unterstrichen —, daß es sich hier um die Absicht einer grundsätzlichen Diskriminierung handle. Diese Absicht liegt uns völlig fern. Wir sind allerdings der Auffassung, daß es bei vergleichbaren Entwicklungen möglich sein kann, auch allgemeine Gesichtspunkte des Wettbewerbsnachteils oder einer bestimmten Förderungsabsicht mit zu berücksichtigen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507507300
Ich rufe aus Drucksache V/1133 die Frage XII/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke auf:
Bekennen sich die Bundesregierung und die von der Bundesregierung in den Wissenschaftsrat delegierten Vertreter der Regierung heute noch zu den „grundsätzlichen Überlegungen", die den Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 14. Oktober 1960 zugrunde liegen und mit den Empfehlungen von der Vollversammlung angenommen wurden?
Bitte, Herr Minister

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507507400
Die Bundesregierung bejaht das Prinzip der freien Zulassung, wie es der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen aus dem Jahre 1960 empfohlen hat. Es ist möglich, daß die zwischenzeitliche Entwicklung eine Modifizierung des Grundsatzes notwendig macht. Der Wissenschaftsrat überprüft zur Zeit eine Neufassung seiner Empfehlungen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507507500
Frage XII/2:
Ist die Bundesregierung bereit, durch ihre Vertreter im Wissenschaftsrat bei der Aufstellung von Dringlichkeitsprogrammen und bei der Erstellung eines Gesamtplans gemäß Artikel 2 des Abkommens nachhaltiger als bisher darauf zu dringen, die zur Zeit
bestehenden Zulassungsbeschränkungen durch Schaffung besserer Ausbildungskapazitäten zu beseitigen oder zumindest zu mildern?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507507600
Empfehlungen des Wissenschaftsrates für Ausbildungskapazitäten liegen vor auf dem Gebiet der Pharmazie vom November 1964 und auf dem Gebiet der Medizin vom Juli 1961. Die Empfehlungen für Medizin werden zur Zeit überprüft.
Die Bundesregierung ist bereit, durch ihre Vertreter im Wissenschaftsrat die Durchführung dieser Empfehlung bei der Aufstellung von Dringlichkeitsprogrammen und eines Gesamtplanes nachhaltig zu unterstützen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507507700
Eine Zusatzfrage.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0507507800
Herr Minister, ich bin sehr dankbar für diese Antwort. Darf ich Sie noch einmal fragen. Es geht uns hier ja vorwiegend um die Verwirklichung des Art. 12 des Grundgesetzes, der im übrigen in den Begründungen des Wissenschaftsrates ja von diesem Wissenschaftsrat selbst zitiert wurde, daß er nämlich zu verwirklichen sei. Halten Sie diesbezüglich ein nochmaliges Petitum dieses Hohen Hauses — vielleicht im Rahmen einer Aktuellen Stunde —, den Numerus clausus abzubauen, für politisch wünschenswert?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507507900
Herr Kollege Meinecke, es fällt mir, offen gesagt, etwas schwer, diese Frage eindeutig zu beantworten. Ich möchte sie grundsätzlich gern bejahen. Ich bin mir allerdings darüber im klaren, daß der Abbau des Numerus clausus nicht eine Frage des guten Willens oder bestimmter Entscheidungen ist, sondern eine Frage der zügigen und beschleunigten Verwirklichung großer Investitionsvorhaben mit klaren Schwerpunkten, d. h. eine Frage der Kapazitäten in Forschung und Lehre, die leider zu dem Numerus clausus geführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Vizepräsident Dr. Dehler: Frage XII/3

Wie beurteilt die Bundesregierung das Ergebnis des gemeinsamen Gesprächs der Konferenz der Kultusminister und der Vertreter der Westdeutschen Rektorenkonferenz vom 11. November 1966 hinsichtlich wünschenswerter einheitlicher Bewertungsmaßstäbe beim Zulassungsverfahren und eines Abbaues der Zulassungsbeschränkungen zuni Studium der Medizin und Zahnmedizin?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507508000
Die Bundesregierung ist über das Ergebnis des Gesprächs zwischen der Konferenz der Kultusminister und der Westdeutschen Rektorenkonferenz am 11. November dieses Jahres bisher nicht unterrichtet worden. Die Gesprächspartner haben über ihre Verhandlungen keine Verlautbarung herausgegeben. Wie wir hören, hat es sich um einen ersten Gedankenaustausch zum Zwecke der Meinungsbildung gehandelt, der fortgesetzt werden dürfte. Deswegen haben die Gesprächspartner offensichtlich den Wunsch, zur Zeit noch von Veröffentlichungen und Kommuniqués abzusehen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507508100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0507508200
Herr Minister, grundsätzlich ist der Bundesregierung doch sicher bekannt, daß die Kultusministerkonferenz über dieses Problem bereits seit Beginn des Jahres 1965, also seit anderthalb Jahren, konferiert?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507508300
Daß darüber gesprochen wird, ist uns bekannt, Herr Kollege Meinecke. Ich habe nur Ihre Frage, die sich auf das Gespräch vom 11. November dieses Jahres bezog, etwas eingeengt beantwortet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507508400
Herr Minister, nach den Antworten auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke ist eine Aktuelle Stunde in Aussicht genommen.

(Bundesminister Dr. Stoltenberg: Ja!) — Ich danke Ihnen, Herr Minister.

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Rau.

Dr. Friedrich Rau (SPD):
Rede ID: ID0507508500
Herr Minister, waren Sie zu dem Gespräch im November, von dem Herr Kollege Dr. Meinecke berichtet hat, nicht eingeladen?




Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507508600
Wir- waren nicht eingeladen, Herr Kollege Rau. Ich glaube aber, daß wir Gelegenheit haben werden, uns in anderem Zusammenhang auch im Wissenschaftsrat an diesem Gespräch zu beteiligen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507508700
Herr Abgeordneter Dr. Martin zu einer Zusatzfrage.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0507508800
Herr Minister, sind Sie wenigstens von diesem Gespräch unterrichtet worden und wissen Sie, was dort verhandelt worden ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507508900
Wir wissen, was verhandelt worden ist; aber es ist davon abgesehen worden, ein bestimmtes Ergebnis mitzuteilen, weil die Beratungen noch nicht abgeschlossen sind. Ich bin überzeugt, daß wir informiert werden, sobald ein Ergebnis erzielt ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507509000
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf, zunächst die Frage XIII/1 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Bundesrepublik Deutschland das älteste, seit über 40 Jahren in Kraft befindliche und damit ein wissenschaftlich völlig überholtes Arzneibuch besitzt, obwohl schon seit 15 Jahren an einer neuen (7.) Ausgabe gearbeitet wird und die fachlichen Vorarbeiten bereits 1964 abgeschlossen wurden?
Bitte, Frau Ministerin!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507509100
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß das Deutsche Arzneibuch, 6. Ausgabe, das Datum des Jahres 1926 trägt. Darüber hinaus ist der Bundesregierung bekannt, daß dieses Arzneibuch durch mehrere Nachträge, z. B. durch zwei Verordnungen aus den Jahren 1959 und 1960, in wichtigen Teilen der wissenschaftlichen Entwicklung bis zum Jahre 1960 angepaßt worden ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507509200
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage XIII/2 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Welche Gründe liegen im einzelnen vor, daß seit der Abschlußsitzung der Pharmazeutischen Kommission zur Vorbereitung der 7. Ausgabe des Deutschen Arzneibuchs kein nach außen sichtbarer Fortschritt für die Herausgabe festzustellen ist?
Bitte, Frau Ministerin!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507509300
Die Kommission zur Vorbereitung des Deutschen Arzneibuches, 7. Ausgabe, hat am 28. Juni 1965 den Entwurf eines neuen Deutschen Arzneibuches verabschiedet und dem Bundesgesundheitsamt vorgelegt. Zur Klärung einer Reihe von Fragen, die der Entwurf aufwarf, war ein umfangreicher Schriftwechsel mit in- und ausländischen Inhabern von Warenzeichenrechten erforderlich, so daß der Entwurf meinem Hause erst am 1. April 1966 vorgelegt werden konnte.
Mit ,dem Bundesminister ,der Justiz wird darüber verhandelt, in welcher Form ,die Verordnung über das Deutsche Arzneibuch nach § 5 Abs. 5 des Arzneimittelgesetzes zu erlassen ist. Ich glaube, daß diese Verhandlungen im Laufe der nächsten Wochen zum Abschluß gebracht werden können.
Ich will Ihnen sagen, welche Schwierigkeiten dabei bestehen. Zuwiderhandlungen gegen das Deut, sehe Arzneibuch sind als Vergehen unter Strafe gestellt. Die einzelnen Vorschriften müssen deshalb so gefaßt sein, daß sie hinreichend bestimmte strafrechtliche Tatbestände im Sinne des Art. 103 des Grundgesetzes darstellen. Der Charakter des Deutschen Arzneibuches, der durch einen umfassenden wissenschaftlichen Gehalt bestimmt wird, macht es besonders schwierig, diesem grundgesetzlichen Bestimmtheitserfordernis gerecht zu werden. So wie ,die Dinge liegen, wird es wahrscheinlich notwendig sein, die Straf- und Bußgeldvorschriften des Arzneimittelgesetzes zu ändern. Diese Komplikation erklärt die Verzögerung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507509400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0507509500
Frau Ministerin, sind vom Bundesgesundheitsministerium Vorbereitungen getroffen worden, um bei den weiteren Arbeiten für die 7. Ausgabe wie aber auch für die folgenden Ausgaben des Deutschen Arzneibuches formale oder auch rechtliche Schwierigkeiten, die zur Zeit die Herausgabe erschweren, zu beseitigen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507509600
Herr Kollege, das war nicht möglich, ehe man den Text ,des Arzneibuches hatte. Die Schwierigkeiten rechtlicher Art, die jetzt aufgetreten sind, hängen auch mit Entwicklungen in bezug auf das Strafrecht zusammen, so daß wir vor Monaten oder Jahren, als man an dem Deutschen Arzneibuch zu arbeiten begann, diese Dinge noch nicht erledigen konnten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507509700
Frau Abgeordnete Dr. Hubert zu einer Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507509800
Frau Ministerin, warum hat dann die Bundesregierung nicht von der Möglichkeit des § 5 des Arzneimittelgesetzes Gebrauch gemacht, in dem es heißt, daß 'das Deutsche Arzneibuch nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand zu ergänzen und zu ändern ist und daß der volle Wortlaut der Rechtsverordnung nicht verkündet zu werden braucht, sofern in dem verkündeten Teil -
usw.? Damit hätten Sie doch die Möglichkeit gehabt, wenigstens ,die völlig veralteten Teile des Arzneibuches zu ändern. Aus diesem Grunde hat es ja auch der Gesetzgeber im Jahre 1961 so formuliert, und die Bundesregierung hatte dagegen keine Einwendungen. Warum haben Sie davon nie Gebrauch gemacht?




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507509900
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat ja von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, nämlich durch die Verordnungen von 1959 und 1960. In der Zwischenzeit wurde ein gesamtes neues Arzneibuch vorbereitet. Es hätte nur Unklarheiten hervorgerufen, wenn man davon Teile veröffentlicht hätte, ohne daß klargestellt worden wäre, welche rechtliche Bedeutung, auch strafrechtliche Bedeutung, sie haben würden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507510000
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507510100
Frau Ministerin, Ihnen ist doch bewußt, daß dieses Gesetz 1961 erlassen und hier behandelt worden ist. Der § 5 hat sich also nicht auf die Zeit vorher bezogen. Meinen Sie nicht, daß der Gesetzgeber gerade die Möglichkeit schaffen wollte, das Arzneibuch eben in Teilen zu modernisieren, weil er sich bewußt war, wie umfangreich das Werk ist, und nun nicht fünf Jahre warten wollte, bis überhaupt etwas geschieht?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507510200
Frau Kollegin, wenn wir von einem in der Vorbereitung befindlichen Werk, an dem eine Kommission arbeitet, in den vergangenen Jahren Stücke veröffentlicht hätten, ohne die strafrechtliche Bedeutung dieser Stücke klarzustellen, dann hätten Sie, fürchte ich, uns hier wieder den Vorwurf gemacht, daß wir hier sozusagen halbe ) Arbeit geleistet hätten. Diesem Vorwurf wollten wir uns nicht aussetzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507510300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0507510400
Frau Ministerin, könneen Sie schon einen Zeitpunkt in Aussicht stellen, zu dem dieses Arzneibuch nunmehr in Kraft treten kann?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507510500
Ich habe Ihnen schon gesagt: wir hoffen, daß in einer Woche das Ergebnis der Rechtsförmlichkeitsprüfung des Justizministers vorliegen wird. Im Anschluß daran kann die Veröffentlichung erfolgen. Mit dem Inkrafttreten ist im Laufe weniger Monate zu rechnen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507510600
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0507510700
Frau Ministerin, gesetzt den Fall, daß das Justizministerium bei dieser Prüfung nicht zu einem abschließenden Ergebnis kommt: sind Sie nicht der Meinung, daß diese Materie so wichtig ist, daß die fachlichen Teile, unabhängig von Rücksichten auf die weitere Entwicklung unseres Strafrechts, unverzüglich in Kraft gesetzt werden sollten?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507510800
Herr Kollege, ich bin überzeugt, daß das Justizministerium zu einer Entscheidung kommen wird und wir in Kürze die strafrechtlichen Bestimmungen so formuliert haben werden, daß das in Kraft gesetzt werden kann. Allerdings müssen wir zwischen der Verkündung und dem Inkrafttreten eine Spanne von Monaten lassen, um der Praxis ein Studium der neuen Bestimmungen und eine Umstellung auf das neue Arzneibuch zu ermöglichen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507510900
Ich rufe die Frage XIII/3 des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich dem Verfahren anderer Staaten anzuschließen: nämlich Neubearbeitungen des Deutschen Arzneibuchs in Zeitabläufen von wenigen Jahren zu veranlassen, um dem schnellen Fortschritt der Wissenschaft zügig zu folgen?
Bitte, Frau Ministerin!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507511000
Es ist beabsichtigt, eine Kommission zur Ergänzung des Deutschen Arzneibuchs in Zukunft laufend mit der wissenschaftlichen Bearbeitung der neu in die Therapie eingeführten Arzneistoffe zu betrauen. Diese Kommission soll das Arzneibuch laufend ergänzen und in angemessenen Zeitabschnitten eine Neuherausgabe vorbereiten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507511100
Eine Zusatzfrage.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0507511200
Frau Ministerin, gibt es nur in der Bundesrepublik Deutschland formale Gründe, die das Erscheinen eines Fachbuchs, wie es ja das Deutsche Arzneibuch letztlich darstellt, so verzögern?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507511300
Herr Kollege, das Buch ist mehr als ein Fachbuch. Es enthält zugleich rechtliche Bestimmungen. An dieses Fachbuch sind Strafbestimmungen gebunden. Außerdem haben wir ein Grundgesetz, das an die Bestimmtheit strafrechtlicher Normen hohe Anforderungen stellt. Das erschwert selbstverständlich die Änderung und Herausgabe eines solchen Buches mit einem sehr weitgehenden und ins einzelne gehenden wissenschaftlichen Gehalt. Dadurch werden die Änderungen verzögert. Andererseits ist es der Sinn dieser Bestimmungen, daß dem einzelnen Apotheker in der Praxis eine größere Rechtssicherheit gegeben wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507511400
Eine Zusatzfrage, bitte.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0507511500
Frau Ministerin, trifft es zu, daß in anderen Ländern und auch auf nationaler Ebene, etwa in der Zone, solche Schwierigkeiten nicht in diesem Umfang bestanden haben? Denn dort sind diese Ausgaben bereits in den letzten Jahren erschienen.




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507511600
Sie bestehen nicht in diesem Maße.-

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507511700
Frau Abgeordnete Hubert zu einer Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507511800
Darf ich also aus Ihren Äußerungen den Schluß ziehen, daß sich die Bundesregierung 1961 bei Verabschiedung dieses Gesetzes in keiner Weise über die bei den Strafbestimmungen auftretenden Schwierigkeiten im klaren war?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507511900
Es ist ein Unterschied, ob man ein vorhandenes Arzneibuch mit den vorhandenen Strafbestimmungen in einzelnen Abschnitten ändert oder ob man eine neue Gesetzgebung auf diesem Gebiet herausgibt.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507512000
Das ist keine Antwort darauf; denn das ist klar. Es liegt im Gesetz, daß man beide Wege gehen kann. Also war sich die Bundesregierung anscheinend nicht im klaren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507512100
Herr Abgeordneter Dr. Wörner zu einer Zusatzfrage.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0507512200
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, daß zu dieser 7. Ausgabe ein erster Nachtrag geplant ist, und treffen Meldungen zu, wonach für diesen ersten Nachtrag, der offenbar ebenso dringend erforderlich ist, noch keine Vorarbeiten geleistet sind?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507512300
Ich kann Ihnen darüber schriftlich Auskunft geben. Ich weiß nicht, wie weit die Vorarbeiten sind. Wenn ein Nachtrag geplant ist, sind wahrscheinlich auch bereits Vorarbeiten geleistet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507512400
Ich rufe dann die Frage XIII/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung jetzt die Behauptung der Sachverständigen über die Sicherheit der Ölleitung der ENI-Gesellschaft, nachdem bereits beim Probebetrieb dieser Leitung in Dürrlauingen über 10 000 1 01 ausgelaufen sind, welche in die Kanalisation und Kläranlagen und kleineren Wasserläufe der Gegend gelaufen sind?
Die Frage wird von der Frau Abgeordneten Hubert übernommen.
Bitte, Frau Ministerin!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507512500
Ich bitte um Erlaubnis, die ersten beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507512600
Einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage XIII/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert auf:
Glaubt die Bundesregierung immer noch, daß die in Frage XIII/4 erwähnte Ölleitung hinreichend gegen Auslaufen von Öl gesichert ist, daß also ein Auslaufen in den Bodensee praktisch unmöglich sei, an dessen Ufer die Leitung bekanntlich entlangläuft und der für die Wasserversorgung der Großstadt Stuttgart unbedingt vor Ölverschmutzung bewahrt werden muß?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507512700
Die ersten Fragen betreffen beide die am Bodensee entlanglaufende Strecke der Ölleitung und das über die Sicherheitsmaßnahmen dieses Streckenteils erstattete Gutachten der Internationalen Expertenkommission. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung auf Grund ihrer Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten nur insoweit berechtigt war, sich in die Beratungen über die Genehmigung der Ölleitung einzuschalten, als die Auswirkungen der Verlegung der Leitung im Ausland, insbesondere am Ufer des Bodensees, also dieses Streckenabschnitts der Ölleitung auf österreichischem Boden, zur Erörterung stand. Die mit der Verlegung der Leitung auf deutschem Gebiet zusammenhängenden Fragen waren allein von den Behörden der Länder Bayern und Baden-Württemberg, nicht aber vom Bund zu erörtern und zu entscheiden.
Die Internationale Expertenkommission hat für die zusätzliche Sicherung der Leitungsstrecke am Ufer des Bodensees zwischen dem Bregenzer Hafen und dem Strandbad Lochau, einer Strecke von 1,8 km, eine Reihe von Möglichkeiten erwogen und sich letztlich zugunsten der Verlegung der Leitungen in einem Mantelrohr ausgesprochen.
Die Bundesregierung ist auch heute der Meinung, daß diese Sicherung für die hier in Betracht kommende Strecke am Ufer des Bodensees das Äußerste darstellt, was nach Lage der Dinge zu erreichen war. Sie hat aber zu keiner Zeit die Ansicht vertreten, daß ein Außlaufen von Öl aus der Fernleitung in den Bodensee völlig unmöglich sei. Sie sieht nach wie vor unter den gegebenen Umständen darin ein Höchstmaß an Sicherung, daß das Öl bei einer Undichtigkeit der Fernleitung zunächst von dem die Leitung umschließenden Mantel aufgefangen und der weitere Zufluß von Ö1 durch automatische Absperrventile unterbrochen würde.
Die Bundesregierung hätte im übrigen, wie ich ebenfalls in Erinnerung rufen darf, gewünscht — und hat daraus nie ein Hehl gemacht —, daß die Leitung vom See ferngehalten würde. Dies hat sich aber bekanntlich in den internationalen Verhandlungen nicht durchsetzen lassen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507512800
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Hubert.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507512900
Wird die Bundesregierung nun auf Grund der gemachten Erfahrungen darauf hinwirken, daß in Pumpwerken von Ölleitungen ständig eine aufsichtführende Kraft anwesend sein muß, da sich das Unglück anscheinend infolge der Nichtanwesenheit einer solchen Kraft ergeben hat?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507513000
Frau Kollegin, ich habe gesagt,



Bundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
daß diese Pumpwerke usw. im Bereich der deutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg liegen, und ich bin fest davon überzeugt, daß diese Länder bereits Maßnahmen getroffen haben, um sicherzustellen, daß diese Pumpwerke ständig unter Beaufsichtigung sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507513100
Eine weitere Frage, Frau Dr. Hubert.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507513200
Wie steht die Bundesregierung zu dem Gutachten von Professor Sontheimer, der Verbesserungsvorschläge bezüglich solcher Leitungen gemacht hat, vor allen Dingen bezüglich der Art des Öls, das durch diese Leitungen geführt wird, und der anregt, bestimmte Ölarten vorzuschreiben, um die Gefahren etwas zu vermindern, wenn doch Ö1 ausläuft?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507513300
Frau Kollegin, ich bin gern bereit, dieses Gutachten studieren zu lassen. Es ist mir im Augenblick noch nicht bekannt.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507513400
Hat die Bundesregierung schon eine Stellungnahme bezüglich biegsamer Ölleitungen vorliegen und würde sie es für zweckmäßig halten, daß solche biegsamen Ölleitungen, die die erforderliche Stärke haben, erprobt werden — dies hat man ja bei Gasleitungen gemacht, und dort hat es sich bewährt —, um festzustellen, ob auf diese Weise Leitungsbrüche weitgehend vermieden werden könnten?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507513500
Es handelt sich hier um Vorschläge. Die Entwicklungen, die hier laufen, sind noch keineswegs so weit fortgeschritten, daß davon gesprochen werden könnte, daß die Vorschläge zur Verwirklichung reif seien. Wir sind selbstverständlich damit beschäftigt, sie zu prüfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507513600
Herr Abgeordneter Fellermaier für eine Frage.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0507513700
Frau Ministerin, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es ein sehr besorgniserregender Vorgang ist, daß nicht, wie die ENI in ihren Verhandlunngen erklärt hat, die Ölalarmanzeige in ihrer zentralen Pumpstation dann eintritt, wenn eine Tasse Öl ausläuft, daß, wie sich jetzt bei dem Ölunglück in Dürrlauingen herausgestellt hat, 30 000 Liter Öl ohne Alarmanzeige in der zentralen Pumpstation auslaufen konnten und daß die Polizei erst durch einen privaten Grundstücksbesitzer von diesem Unglück benachrichtigt werden mußte?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507513800
Herr Kollege, dieser Ölunfall ist durch das Zusammentreffen einer ganzen Reihe von Tatsachen entstanden, und zwar durch ein mehrfaches Versagen von Personen und auch durch
Nichtbeachtung bestehender Bestimmungen. Ich gebe Ihnen zu, daß dies besorgniserregend ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507513900
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fellermaier.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0507514000
Frau Ministerin, darf ich aus Ihrer Antwort also entnehmen, daß die Aufsichtsorgane zumindest der Bayerischen Staatsregierung ihr Kontrollrecht nicht genügend stark ausgeübt haben, um zu erreichen, daß Anordnungen, die im Bereich des Gesundheitswesens sehr bedeutsam sein können, von den beteiligten Ölkonzernen auch wirklich befolgt werden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507514100
Ich glaube nicht, daß das an den Aufsichtsorganen der Bayerischen Staatsregierung liegt. Aber ich weiß, daß die bayerische Landesregierung damit beschäftigt ist, den Vorfall im einzelnen nachzuprüfen und auch etwa erforderliche Konsequenzen daraus zu ziehen. Es sind daraus in personeller Beziehung bereits Konsequenzen gezogen worden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507514200
Ist die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert damit beantwortet oder nicht?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507514300
Das ist die Frage nach den Konsequenzen. Sie ist bereits zum Teil beantwortet worden. Ich kann aber noch einiges hinzufügen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507514400
Dann rufe ich die Frage XIII/6 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem Ölunglück von Dürrlauingen ziehen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507514500
Soweit ich vom Bayerischen Staatsministerium des Innern unterrichtet bin, ist, wie ich schon sagte, der Unfall auf menschliches Versagen zurückzuführen. Deshalb haben die bayerischen Behörden zunächst einmal die Stillegung der Ölfernleitung im Abschnitt Altheim-Ingolstadt angeordnet. Später wurde die Fortführung des Probebetriebes in der Hauptleitung gestattet, aber die Pumpstationen Dürrlauingen, Holzheim und Hittisweiler blieben plombiert. Der Betreiber der Leitung ist aufgefordert worden, Vorschläge zu machen, wie Unfälle durch menschliche Fehlhandlungen, wie sie hier vorgekommen sind, in Zukunft verhindert werden können. Außerdem wurde die Erwartung ausgesprochen, daß in der Besetzung 'der Stellen der für die Sicherheit der Leitung Verantwortlichen ein Wechsel vorgenommen wird. Dieser Erwartung wurde nach Presseberichten bereits entsprochen.
Im Zusammenhang mit den Überlegungen über die Rohrleitung am Bodensee wurden die §§ 19 a bis 19 f in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügt. Seitdem bedürfen Rohrleitungen einer Genehmi-



Bundesminister Frau Dr. Schwarzhaupt
gung durch die für das Wasser zuständigen Behörden. Auch nachträgliche Auflagen sowie Beschränkungen und sogar Rücknahmen der Genehmigung sind im Interesse des Gewässerschutzes möglich. Diese Rechtsgrundlage reicht aus, die sicherheitstechnischen Anforderungen in dem hier behandelten Fall so zu verschärfen, daß eine Wiederholung eines solchen Unfalls verhindert werden kann.
Nach meiner Unterrichtung wird von den bayerischen Behörden geprüft, ob durch nachträgliche Auflagen Änderungen an der Anlage 'der Ölleitung oder auch Änderungen bei deren Überwachung gefordert werden müssen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507514600
Frau Dr. Hubert, eine weitere Frage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507514700
Frau Ministerin, wissen Sie oder weiß die Bundesregierung, wie es zu idem Ölunglück an der Ölleitung Wilhelmshaven—Köln im Oktober dieses Jahres gekommen ist, bei dem etwa 1 Million Liter 01 ausgelaufen sind, bevor der Leitungsabschnitt stillgelegt wurde?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507514800
Das ist keine Zusatzfrage zur Frage XIII/6. Diese Frage geht dahin, welche Konsequenzen aus ,dem Ölunglück von Dürrlauingen zu ziehen sind.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507514900
Man müßte ja auch Konsequenzen hinsichtlich anderer Ölleitungen gezogen haben.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507515000
Frau Kollegin, die Unterlagen über die Vorgänge bei diesem zurückliegenden Unfall habe ich nicht zur Hand. Ich kann Ihnen daher Ihre Frage nicht ohne Vorbereitung beantworten, bin aber gern bereit, sie schriftlich zu beantworten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507515100
Noch eine Frage, bitte!

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0507515200
Würde es die Bundesregierung nicht für richtig halten, nun die Konsequenz aus den verschiedenen Unglücken zu ziehen und dafür zu sorgen, daß die Ölleitungen im Bundesgebiet in regelmäßigen Abständen auf ihre Druckfestigkeit geprüft werden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0507515300
Frau Kollegin, dies wäre wiederum Aufgabe der Länder, in deren Bereich die Ölleitungen verlegt sind. Sie werden außerdem auf Grund der Aufsichsbefugnisse der Länder regelmäßig geprüft, und sie werden gerade im Hinblick auf die Befugnisse geprüft, die durch die vom Bund erlassene Ergänzung des Wasserhaushaltsgesetzes betreffend Ölleitungen den Ländern gegeben worden sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0507515400
Ich danke Ihnen, Frau Ministerin.
Die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Apel an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft sind zurückgezogen. Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke ist Aussprache beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Ich eröffne damit die
Aktuelle Stunde.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0507515500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand wird in diesem Hohen Hause die sachliche Richtigkeit und Korrektheit der Antworten der Bundesregierung, die bisher zu diesem Themenkreis gegeben worden sind, bezweifeln. Zweitens möchte ich feststellen: Niemand will auch hier den Eindruck erwecken, als wolle man in die Rechte der Kultusminister und der Länderregierungen wie auch in die richtig interpretierten Rechte der Universitäten eingreifen.
Dennoch glauben wir, daß die Tatsache, daß schätzungsweise etwa 8- bis 10 000 enttäuschter Abiturienten vor den geschlossenen Türen unserer Universitäten gestanden haben, Rechtfertigung genug ist, diese Aktuelle Stunde heute durchzuführen. Wir glauben, daß ein Votum des ganzen Hauses an alle Beteiligten erforderlich ist, noch einmal darüber nachzudenken, wie diese Zulassungsbeschränkungen abgebaut werden können. Ein Votum an die Länderparlamente, an die Kultusministerkonferenz, an die Bundesregierung, an die Länderregierungen und an die Rektorenkonferenz ist durchaus gerechtfertigt. Es handelt sich also wohlverstanden nicht nur um eine ungenügende Zahl von Arbeitsplätzen in den medizinischen Fakultäten, sondern das Phänomen ist allumfassend, es herrscht an fast allen Fakultäten, es demonstriert sich nur am katastrophalsten im Bereich der Pharmazie, der Zahnmedizin und der Medizin.
Meine Damen und Herren, das Problem ist auch nicht neu; denn bereits 1960, also vor sechs Jahren, hat der Wissenschaftsrat zu dem Thema des Numerus clausus in seinen Empfehlungen das Für und Wider der Zulassungsbeschränkungen eindeutig diskutiert und ist zu dem Schluß gekommen, der Einführung eines besonderen Maturitätszeugnisses zu widersprechen, jede Beschränkung des Zuganges zu den Hochschulen als einen Eingriff in die freie Berufswahl zu bezeichnen und keine Beschränkung des Zuganges zu den Hochschulen einzuführen, sondern solche durch Erweiterung der Kapazitäten abzubauen.
Meine Damen und Herren, bildungspolitisch werden durch unsere Fragen mehrere wichtige Problemkreise berührt, von denen ich die wichtigsten noch einmal kurz anschneiden möchte: Erstens ist endgültig nochmals die Frage zu stellen, ob denn das Abitur nun generell noch die Maturität umfaßt oder -- wenn dies praktisch nicht möglich ist — ob es



Dr. Meinecke
nicht besser wäre, eine ehrliche Entscheidung zu fällen. Es scheint uns zudem völlig sinnwidrig zu sein, in allen Bundesländern den Zugang zu den weiterführenden Schulen zu erweitern, die Übergangsmöglichkeiten zu erleichtern, sogenannte Bildungsreserven zu mobilisieren, Ausleseverfahren durch Förderungsmaßnahmen zu ersetzen und generell die Gymnasiastenzahl und die Abiturientenquote in der ganzen Bundesrepublik zu erhöhen, wenn auf der anderen Seite im Ablauf des gesamten Bildungsweges völlig willkürlich eine Zäsur nach einem angeblich nicht ausreichenden Abitur erfolgt.
Zweitens muß erneut das Bedürfnis betont werden, eine Gesamtübersicht aller Fakultäten und Disziplinen der Hochschulen zu erreichen, die ihren Lehrauftrag gegenüber den Lernwilligen nicht mehr erfüllen können, um dann nämlich vorbeugende Maßnahmen zu treffen.
Drittens ergibt sich aus all diesen Fragen erneut die brennende Notwendigkeit einer begründenden umfassenden Gesamtschau und Voraussage des künftigen Akademikerbedarfs. Es bedarf einer großen Delikatesse, die Schwierigkeit einer solchen Vorausschau z. B. an Hand der Mediziner einmal zu durchleuchten. Diese Gesamtschau sollte bildungspolitisch, ökonomisch, soziologisch und statistisch gesichert sein und nicht nur vom Status quo ausgehen, sondern auch politisch mögliche und wünschenswerte Entwicklungen berücksichtigen. Wir vernehmen mit Dankbarkeit, daß der Wissenschaftsrat sich mit dieser Frage beschäftigt.
Der vierte Bereich umfaßt die Hochschulgesetzgebung überhaupt. Wir klammern diese Frage hier heute aus. Ich möchte aber doch starke Bedenken gegen eine hochschulgesetzliche Verankerung des Numerus clausus in Permanenz anmelden.

(Beifall bei der SPD.)

Sodann sollte stärker als bisher gehandelt werden. Unsere auslösenden Fragen haben doch wohl verdeutlicht, daß wir den Wissenschaftsrat für die Bundesregierung als das geeignete Instrument hierzu betrachten. Ferner könnte über Studienreformen, über Prüfungsordnungen, ausreichende Gewährung von Stipendien, über Berufsordnungen, eine Überprüfung unseres Berechtigungswesens und viele andere Maßnahmen aller Ministerien gemeinsam manches erreicht werden. Vieles davon wird bereits erarbeitet, das geben wir zu. Aber wir wollten alle diese Dinge noch einmal zusammenfassend unter diesem Gesichtswinkel betrachtet sehen.
Dann sollte man endgültig noch einmal über eine Zentrale, mit allen technischen Hilfsmitteln ausgerüstet Registrier- und Verteilungsstelle nachdenken, um eine umfassende Hochschulstatistik zu erreichen, auch im Interesse des Wissenschaftsministeriums. Dabei denke ich nicht an eine Anhäufung von Fragebogen, in denen als wesentliche Fragen die nach der Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften und ähnliche Dinge behandelt werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

Meine These — meine persönliche These — zu diesem brennenden Thema lautet: den Zugang zu den Hochschulen liberalisieren, die Fortführung des Studiums, wenn schon notwendig, disziplinieren. Wir alle sollten noch heute vielleicht zu einem gemeinsamen Votum kommen, zu dem gemeinsamen Votum, daß die Diskussion über dieses Thema in der Öffentlichkeit, so meine ich, unter einer falschen Flagge segelt, unter einer falschen Überschrift geführt wird: es geht hier nicht um eine Reform der Zulassung zum Medizinstudium, es geht um eine „Reform der Nichtzulassung zum Studium".

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507515600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Bernhard Vogel (CDU):
Rede ID: ID0507515700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist ohne Frage ein wichtiges Thema: ein bedrohlicher Mißstand, den wir beklagen, aber ohne Frage auch ein Mißstand auf einem begrenzten Gebiet. Der Numerus clausus ist nicht die Regel, ein genereller Numerus clausus besteht nur bei drei Fächern: bei den Medizinern, den Zahnmedizinern und den Pharmazeuten, d. h. etwa 20 % der Studentenschaft der Universität — wenn wir hoch greifen — ist direkt oder indirekt betroffen.

(Abg. Dr. Lohmar: Das ist schlimm genug!)

Bei anderen Fächern gibt es an verschiedenen Universitäten — aber nicht generell — Engpässe.

(Abg. Dr. Lohmar: Das ist doch schlimm genug!)

— Für den betroffenen Kreis ist die Sache schlimm genug, und im Interesse dieses betroffenen Kreises muß Abhilfe geschaffen werden.
Diese Abhilfe — hier stimme ich meinem Vorredner zu — muß endlich durch eine wieder einzuführende gemeinsame Stelle geschaffen werden, die nach einheitlichen Kriterien urteilt und den Leerlauf verhindert, den wir gegenwärtig durch die Bewerbung an fünf, acht oder zehn verschiedenen Universitäten haben. Es kommt hinzu, daß diese Stelle, wenn sie wieder vorhanden ist, Kriterien für die vernünftige Auswahl braucht. Natürlich muß das Abitur ein solches Kriterium sein, aber auch andere Dinge kommen hinzu, z. B. Wehrdienst, Zweitstudium, soziale Verhältnisse, Praktikantentätigkeit oder beispielsweise bei den Medizinern ein vernünftiges und hinreichend langes Praktikum in der Krankenpflege.
Das alles wird nur — der Herr Minister hat das vorhin in der Fragestunde richtig gesagt — durch einen zügigen Ausbau der Universitäten möglich sein. Hier hat die Bundesregierung schon zugesagt, gerade für die betroffenen Fächer — die medizinischen Akademien — im Vorgriff auf das kommende und dringliche notwendige Abkommen Leistungen zu erbringen; sie ist schon dabei, diese Leistungen zu vollziehen.
Aber letztlich ist das hier keine Frage, die wir nur durch Gesetze und Dringlichkeitsforderungen lösen können, auch nicht nur durch eine vermehrte Bautätigkeit; sie kann schließlich nur durch mehr



Dr. Vogel (Speyer)

Lehrpersonal gelöst werden. Das hängt nun nicht allein vom guten Willen, sondern auch von den Möglichkeiten ab. Auch auf diesem Gebiet haben wir Kriegsfolgelasten zu tragen. Es fehlt uns die Generation, die jetzt diese Lücken ausfüllen könnte.
Wir sollten also nicht einer allgemeinen Kritik anheimfallen, sondern wir sollten unsere Aufmerksamkeit speziell auf die drei genannten Fächer richten. Wir sollten diese Gelegenheit heute — hier stimme ich Herrn Meinecke zu — dazu verwenden, zu drängen und zu mahnen, zum Teil die Bundesregierung; aber ich glaube, sie hat in den letzten Jahren einiges getan und hat das auch für das Jahr 1967 vor. Drängen und mahnen sollten wir vor allem die Länderinstanzen und uns selbst hier in diesem Hause. Die Diskussion um die bevorstehende Studienreform und über die zugrunde liegenden Entwürfe des Wissenschaftsrates für eine Studienreform sollte bald eingehend geführt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507515800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507515900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist der Adressat dieser Anfragen und dieser Debatte — nämlich die Bundesregierung — nicht der Entscheidende und der Hauptverantwortliche für diesen ganzen Fragenkreis. Aber die Verantwortung für die Volksgesundheit insgesamt — nicht nur für die Wissenschaft — wiegt doch so schwer, daß man nur auf eine entschieden bessere Zusamenarbeit zwischen Bund und Ländern auch in diesem Bereich drängen muß. Es ist einigermaßen befremdlich, wenn man hört, daß derartige Fragen immer wieder unter Ausschluß und bei Nichteinladung des Vertreters der Bundesregierung erörtert werden.

(Beifall.)

Ich weiß nicht, wem damit gedient werden soll. Das ist kein kooperativer Föderalismus, das ist purer Partikularismus, das ist eine provinzielle Verhaltensweise, die man in dieser Frage unter keinen Umständen billigen kann.

(Beifall.)

Wenn es um die Ausbildungskapazitäten geht, sollten wir zwei Dinge unterscheiden: die Idealvorstellung von dem, was wir uns an modernen medizinisch-naturwissenschaftlichen Hochschulen oder Akademien bzw. Fakultäten heute denken können, und das, was aktuell für eine Vermehrung der Ausbildungsplätze getan werden kann. Herr Kollege Dr. Vogel hat auf den Mangel an Lehrpersonal hingewiesen. Ich kann dem, was Sie, Herr Dr. Vogel, gesagt haben, nicht ganz zustimmen. Ich glaube nicht, daß es einen wirklich schwerwiegenden Mangel an Lehrpersonal geben muß, wenn man es anders haben will. Der Mangel an Lehrpersonal hängt doch zum Teil damit zusammen, daß diejenigen, die die Befähigung erteilen sollten, es vielen, die befähigt wären, sehr schwer machen, in solche Stellen und Ämter zu kommen. Es geht hier nicht nur um
die Frage, ob Planstellen vorhanden sind oder nicht.

(Abg. Dr. Vogel meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507516000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Vogel?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507516100
Ja, obwohl ich glaube, daß Fragen in der Aktuellen Stunde nicht zulässig sind.

Dr. Bernhard Vogel (CDU):
Rede ID: ID0507516200
Glauben Sie nicht, Herr Kollege Moersch, daß wir mit einer wesentlichen Erweiterung des Personals das ohnehin schon knappe Reservoir der Gymnasialschullehrer noch weiter einengen und auch hier in Schwierigkeiten kommen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507516300
Herr Dr. Vogel, ich weiß nicht, ob man diesen Zusammenhang so herstellen kann; denn die kommunizierenden Röhren sind nicht für alles ein passendes Bild. Es geht doch darum, daß es beispielsweise eine Reihe von habilitierten Medizinern gibt, die nicht zur Lehre, sondern anderweitig herangezogen werden, weil auch ein mittleres Bezirkskrankenhaus Wert auf den Titel Professor legt, so daß diese Kräfte für die Lehre nicht zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD.)

Das ist doch das Problem: wir halten jahrelang Leute in einer Ausbildung fest, die sie für ihre spätere Tätigkeit in diesem Bereich gar nicht brauchen. Das ist auch eine Verschwendung von volkswirtschaftlichen Mitteln in großem Umfang. Das kann man doch ändern.
Damit komme ich zum nächsten Punkt, nämlich darauf — ich spreche in diesem Fall von dem, was ich kenne —, daß z. B. an den Krankenanstalten in Stuttgart eine Mediziner-Ausbildung sehr wohl in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim für Anfangssemester, für die vorklinischen Semester, vorgesehen werden kann. Durch eine solche enge Zusammenarbeit — auch mit einer Universität wie Tübingen oder Heidelberg — kann man eine Ausbildungskapazität für Ärzte schaffen, die keine sehr hohen zusätzlichen Kosten verursachen muß, weil die benötigten theoretischen Institute ja zum Teil an der TH oder an der Landwirtschaftlichen Hochschule vorhanden sind. Das ist eine Frage des guten Willens. Natürlich ist es für den, der sich in das Buch der Geschichte eintragen will, sehr viel weniger gut, eine improvisierte Lösung anzustreben, als den Neubau einer Medizinischen Akademie voranzutreiben, wobei dann der Name desjenigen, der sich als Gründer fühlt, verewigt werden kann. Uns geht es hier nicht um Eitelkeiten, sondern darum, daß man Tatsachen schafft, die in der Sache selbst auffallen. Das sollte man den Länderinstanzen von der Bundesregierung her in allem Ernst sagen; ,denn die Bundesregierung trägt am Ende eine Verantwortung dafür, wenn wir in katastrophale Zustände hineinkommen.



Moersch
Ein Weiteres nur in einigen Stichworten: der Wert des Abiturs. Ich halte ihn im allgemeinen nicht für sehr hoch, und zwar deswegen, weil die Abiturzeugnisse und ,die Einzelnoten nicht nur von Land zu Land, sondern auch innerhalb eines Landes außerordentlich verschieden in der Wertung sind. In Baden, so habe ich festgestellt, konnte man in Mathematik ohne weiteres einen Zweier machen, wenn man in Württemberg für die gleiche Leistung nur einen Dreier bekam, im gleichen Bundesland!

(Abg. Raffert: Und in der gleichen Stadt und an der gleichen Schule!)

— Ja, aber auch im Landesdurchschnitt. Das niedersächsische Abitur, so hat ein Kollege von mir, Dr. Palmer, im Landtag nachgewiesen, ist offensichtlich leichter zu erwerben als das Abitur in Stuttgart oder überhaupt in Baden-Württemberg. Dieser statistische Beweis ist dem Kollegen gelungen. Sie können das kaum bestreiten. Angesichts solcher ungleicher Bedingungen sollte man nicht davon ausgehen, das Abitur als solches zum zentralen Maßstab für eine Zulassung heranzuziehen. Damit schafft man nur großes Unrecht. Alle ,diejenigen, die als Spätheimkehrer gekommen sind und das Abitur durch Zusatzprüfung nachholen mußten und dann nach dieser rein zufälligen Prüfung, die abgelegt wurde, zugelassen oder nicht zugelassen waren, wissen, was das heißt, wie sie in ihrem Berufsleben behindert worden sind. Meine Kollegin Frau Funcke wird zu dem, was wir uns unter Merkmalen für eine Qualifikation vorstellen, hier im einzelnen noch einiges vortragen.
Nur vor einem möchte ich warnen: vor der Überschätzung von exakten Prüfungsergebnissen gerade in ,der Medizin. Die Medizin ist eben doch eine Mischung von Naturwissenschaft und Intuition. Dabei soll es auch bleiben. Wenn es nicht so bliebe, dann wäre es um die deutsche Medizin wahrlich schlecht bestellt.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507516400
Meine Damen und Herren, ich habe nach der Geschäftsordnung unzulässigerweise eine Frage erlaubt. Ich bitte um Entschuldigung. Sie haben von meinem Irrtum profitiert, Herr Dr. Vogel; es soll das letztemal gewesen sein.

(Heiterkeit.)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rau.

Dr. Friedrich Rau (SPD):
Rede ID: ID0507516500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Stoltenberg hat sich darauf berufen, der Wissenschaftsrat habe bis jetzt jedenfalls die Ansicht vertreten, daß der Numerus clausus abgebaut werden müsse und daß er nach unserer geltenden Verfassung im Grunde unzulässig sei. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat der Herr Minister außerdem gesagt, daß der Wissenschaftsrat diesen Standpunkt einer Überprüfung unterziehen will. Auch Herr Vogel hat nach meiner Auffassung die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten zu sehr relativiert, wenn er sagte, das sei gar nicht so schlimm; von einem generellen Numerus clausus seien nur 20 % der Studenten betroffen, nämlich Mediziner, Zahnmediziner und Pharmazeuten.
Ich will deshalb ein paar Worte über die Bestimmung des Art. 12 Abs. 1 des Bonner Grundgesetzes sagen. Das ist ein völlig eindeutiger Verfassungsgrundsatz, der besagt, daß die freie Berufswahl gewährleistet werden muß. Die von manchen aufgestellte Behauptung, daß sich aus Satz 2 etwas an-: deres ergebe, daß nämlich die Möglichkeit bestehe, gewisse Berufsvorbildungen zu reglementieren, trifft nicht zu. Im Gegenteil. Dort, wo Ausbildungsvorschriften erlassen sind, wo also z. B. die Ausübung eines Berufs davon abhängig gemacht wird, daß ein Studium absolviert worden ist, hat der Staat um so mehr den Auftrag, und zwar den verfassungsmäßigen Auftrag, diejenigen Einrichtungen zu schaffen, die notwendig sind, damit dieser Beruf von jedem, der sich um seine Ausübung bewirbt und zu ihr fähig ist, auch ausgeübt werden kann bzw. daß er sich der dazu notwendigen Vorbildung unterziehen kann.
Denken wir auch an Art. 19 des Bonner Grundgesetzes, der ausdrücklich erklärt, daß die Verfassungsvorschrift des Art. 12 Abs. 1 keinesfalls in ihrem Wesensgehalt ausgehöhlt werden darf.
Wer ist nun Adressat dieses Verfassungsauftrags? Diese Frage ist von Herrn Moersch schon angesprochen worden. Es sind jedenfalls nicht primär die Hochschulen, denn diese haben eben eine bestimmte Kapazität; sie können soundso viele Studenten ausbilden. Der allgemein-rechtliche Grundsatz, daß niemand gezwungen werden kann, etwas zu leisten, wozu er objektiv nicht in der Lage ist — ultra posse nemo obligatur —, gilt selbstverständlich auch hier. Aber der Bund und die Länder müssen zusammenarbeiten, um diesen Verfassungsgrundsatz zu verwirklichen. Hier ist das Wort vom kooperativen Föderalismus am Platze. Ich beklage es, daß Bund und Länder vor allem in der Frage der Neugründung von Hochschulen, von denen wir alle wissen, daß sie notwendig sind, wenn wir die Zahl von 260 000 Studenten — die sich vermutlich noch steigern wird — meistern sollen, wegen der Austragung zum Teil positiver, zum Teil negativer Kompetenzkonflikte zu unzulänglichen Ergebnissen kommen.
Es ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wir haben im vergangenen Jahr 100 Millionen DM mehr beantragt, die der Bund zahlen sollte. Damals hatten wir Deckungsvorschläge gemacht. Jetzt hat die Bundesregierung selber diesen Betrag in den Haushalt 1967 eingesetzt. Aber im Jahre 1967 wird es sehr viel schwieriger sein, die Deckung herzustellen — das wissen Sie alle —, als es 1966 der Fall gewesen wäre. Wir haben da ja unsere Vorschläge gemacht. Der Bund kann sich auch nicht mit einer verfassungsrechtlichen Begründung aus der Sache heraushalten. Er ist hier schon durch Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes mit in der Verantwortung. Und wenn es in einem so föderalistisch strukturierten Land wie der Schweiz möglich ist, daß sogar eine Eidgenössische Technische Hochschule besteht, so werden wir



Dr. Rau
doch mindestens in dieser Neugründungsphase, in der schon vor sechs Jahren für die Entlastung der Hochschulen in Norddeutschland die Schaffung einer Universität in Bremen geplant war, eine Kooperation zwischen Bund und Ländern erwarten dürfen. Wir könnten heute schon 10 000 zusätzliche Studienplätze haben. Es ist also nicht so, daß Bund und Länder, vor allem der Bund, alles getan hätten, was notwendig gewesen wäre.
Ich bin der Meinung, daß speziell auch in der Frage der Rationalisierung und der größeren Effektivität der Mittel, die zur Verfügung stehen, gerade in der Zeit der Not jetzt unbedingt ein energischerer Schritt getan werden muß. Das Geld ist bisher zum Teil in nicht sehr rationeller und effektiver Weise ausgegeben worden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507516600
Das Wort hat Herr Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0507516700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß Herr Kollege Meinecke die Fragen richtig gestellt und auch alle Probleme richtig angesprochen hat. Ich möchte etwas von den Detailfragen abgehen und wieder zu dem Ursprung zurückkehren. Die Tatsache, daß in diesem Sommersemester mehr als 3000 Mediziner nicht zugelassen werden konnten, ist nur ein Indiz für die ungenügende Ausbildungskapazität der deutschen Universitäten; denn die Existenz von Massenfächern ist ja, mutatis mutandis, ebenfalls ein solches Indiz. Man braucht dort den Numerus clausus nur deshalb nicht, weil man keine Laborplätze nötig hat. Deshalb muß man seine Frage auf dieses Problem konzentrieren.
Die Bundesregierung und die Länder haben große Anstrengungen gemacht, mit dem Wissenschaftsrat dieser Sache zu begegnen. Die Empfehlungen sahen den Ausbau auf eine Kapazität von 210 000 Studenten vor. Aber Tatsache ist, daß die Zahl der Studenten viel rascher wächst und wir jetzt ein Defizit von mindestens 50 000 Plätzen haben. Wenn die neuen Universitäten ausgebaut sein werden, werden wir ein noch höheres Defizit haben, weil die Plätze, die dort geschaffen werden, in keiner Relation zum Wachstum der Studentenzahl stehen.
Mit anderen Worten: Es besteht ein Wettlauf zwischen dem Ausbau der Hochschulen und einem sich in nächster Zeit wieder von Jahr zu Jahr verstärkenden Zustrom von Abiturienten zu den Hochschulen. Meine Damen und Herren, man kann viele Einzelabhilfen schaffen, aber man darf das Grundproblem nicht aus den Augen verlieren. Hier muß eine kulturpolitisch sinnvolle Entscheidung getroffen werden. Ich stimme mit Herrn Meinecke überein, daß der Schlüssel in der Abstimmung der Abiturientenzahlen mit dem Bedarf, den Wirtschaft und Gesellschaft haben, besteht. Da ist eine wirkliche Entscheidung zu fällen. Diese heißt für uns und mich, daß das Problem nur durch qualifiziertere Abiturienten, also eine Intensivierung der Oberstufenreform an den Gymnasien gelöst werden kann.
Ich möchte mit Deutlichkeit sagen: Für einen Nachhilfeunterricht gibt es an den Universitäten keine sachlichen und personellen Voraussetzungen. Man muß sich darüber klar werden, daß der Schlüssel in der Reform der Oberstufe der Gymnasien und in einer qualitativen Steigerung liegt. Eine ungezügelte, unkontrollierte Abiturientenschwemme würde zu Qualitätsverlusten führen und die Universitäten letzten Endes zum Numerus clausus zwingen. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist von Herrn Moersch angeschnitten worden. Die Tatsache, daß mehr als 3000 Planstellen an den Universitäten nicht besetzt sind und daß dieses Defizit noch wachsen wird, zeigt eine weitere Schwäche an, die behoben werden muß. Diesen fast 4000 nicht besetzten Stellen stehen in den Jahren 1960 bis 1965 nur 2500 Habilitationen gegenüber. Ich stimme Herrn Moersch völlig zu, daß hier der entscheidende Hebel dafür liegt, die Zustände zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, was ist in diesem Wettlauf zwischen Abiturientenzahlen und Kapazität zu tun? Zunächst muß man sich einmal klar werden, was geschehen ist. Ich glaube, die Bundesregierung und der Bundesminister hatten diese Situation im Auge, als sie zusagten, die Aufwendungen des Bundes Jahr für Jahr um 100 Millionen DM zu vermehren, als sie darangingen, die medizinischen Akademien in Hannover und Lübeck zu unterstützen. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß dieses Problem finanziell und personell nur mit einem neuen Anlauf von Bund und Ländern gelöst werden kann. Die politische Situation, in der wir uns befinden, zwingt uns dazu, das, was wir vor Jahren in der Planung einmal für genügend gehalten haben, zu revidieren und neue Anstrengungen zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507516800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0507516900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint, daß die heutigen Fragen Ausdruck einer großen Unruhe sind, einer großen Unruhe in der Bevölkerung, in der Wissenschaft, die nicht zuletzt immer wieder durch die sich täglich erneuernden Feststellungen der verschiedenen Universitäten über die Diskrepanz zwischen Meldung und Zulassung ausgelöst wird. Es ist die Unruhe einmal derer, die Sorge haben, daß nicht genügend Ärzte für die Zukunft ausgebildet werden, dann die Sorge derer, die ihre gleichen Ausbildungschancen nicht gewahrt wissen, und schließlich die Unruhe derer, die das System und die Prinzipien der Zurückweisung als sehr ungleich und sehr ungerecht empfinden.
Sicherlich ist die Hauptsorge die Erweiterung der Kapazitäten an den Hochschulen — darüber ist gesprochen worden —, und zwar auf ein Fassungsvermögen, das dem zukünftigen, wachsenden Be-



Frau Funcke
darf an Medizinern entspricht und auch eine hinreichende Quote derer einkalkuliert — auch daran müssen wir denken —, die auf der Strecke bleiben. Denn jede Freiheit schließt das Risiko von Fehlentscheidungen naturnotwendig ein.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich glaube nicht, daß der richtige Weg der wäre, den Herr Kollege Dr. Martin gerade angedeutet hat, nämlich die Abiturientenquoten wieder herunterzudrücken. Ich glaube, er käme in große Konflikte mit den übrigen Ressorts.

(Abg. Dr. Martin: Das habe ich nicht gesagt!)

— Doch, Sie wollten höhere Anforderungen an die Abiturienten stellen, damit nicht so viele das Abitur machen — ich habe Sie genau verstanden —; dann würden sich auch weniger zum Medizinstudium melden. Wir sind doch in diesem Hause mit Mehrheit der Meinung, daß die Ausweitung der Abiturientenquote schon aus anderen Gründen erforderlich ist.
Es wäre gut, wenn man sich einmal um exaktere Statistiken darüber bemühte, was eigentlich mit den nicht zugelassenen Studenten passiert. Was tun sie eigentlich, die jetzt nicht zugelassen sind? Warten sie? Kommen sie das nächste Jahr wieder? Gehen sin nach Baden-Württemberg, wo man ja das Anciennitätsprinzip hat, so daß man also, wenn man alt genug ist, auf jeden Fall einmal ankommt? Oder gehen sie in andere Berufe, und wenn ja, in welche? Ich glaube, das wäre eine nützliche Untersuchung, die uns einiges über das Verhalten und damit auch
die Motive dessen, der das Medizinstudium anstrebt, sagen könnte.
Entscheidend scheint mir die letzte Frage des Herrn Kollegen Meinecke zu sein, nämlich die Frage nach den Kriterien, nach denen nicht zugelassen wird. Eines sollte nicht angetastet werden: Das Abitur muß Grundvoraussetzung bleiben. Eine Sonderaufnahmeprüfung scheint mir also nicht der richtige Weg zu sein. Aber ebenso problematisch scheint mir ein Abstellen auf die Noten des Abiturzeugnisses zu sein. Herr Kollege Moersch hat das bereits angesprochen. Die Unterschiedlichkeit bis in die einzelnen Schulen hinein ist groß. Die Beurteilungsmethoden und die Kriterien schwanken von Lehrer zu Lehrer. Zudem wäre es, meine Herren und Damen und insbesondere Herr Minister, eines Forschungsauftrags wert, einmal die Abiturzeugnisse berühmter Ärzte zu untersuchen.

(Abg. Dr. Martin: Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen!)

— Eben darum. Ich möchte annehmen, daß keine sehr große Korrelation zwischen den Zeugnisnoten und der späteren Leistung als Arzt besteht. Darum halte ich es wirklich nicht für sinnvoll, die Noten des Abiturzeugnisses als das Hauptkriterium anzusehen.
Etwas anderes würde ich für nützlich halten, nämlich daß man denjenigen jungen Mann oder dasjenige Mädchen bevorzugt, das ein freiwilliges soziales Jahr auf sich genommen hat und von daher etwas ganz anderes nachgewiesen hat als eine gute
Note in Latein oder Mathematik, nämlich bereits die Liebe zum leidenden Menschen, die Fähigkeit, mit ihm umzugehen, und die besondere Neigung und Eignung zu diesem Beruf. Das wäre sinnvoller als ein Abstellen auf gute Noten in den einzelnen Fächern, das vielleicht für andere Fachgebiete nützlich sein mag.

(Beifall rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507517000
Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0507517100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein Mißverständnis beseitigen, das durch den Beitrag von Frau Funcke entstanden ist.
Zunächst möchte ich eine Vorbemerkung machen. Der Wissenschaftsrat hatte 1960 eine grundlegende Entscheidung zu fällen, nachdem festgestellt worden war, daß die Relation von Professoren und Studenten und die Ausbildungskapazität überhaupt nicht ausreichten. Er konnte sich für einen Numerus clausus oder für den Ausbau der Universitäten entscheiden. Die Engländer haben sich für den Numerus clausus entschieden, wir für den Ausbau der Universitäten. Das ist die grundlegende Entscheidung, und zu der stehen wir auch heute noch.
Inzwischen sind wir aber, u. a. durch die Beiträge der Bildungsökonomen, darangegangen, die Abiturientenzahlen zu erhöhen, und dadurch ist der Wettlauf zwischen Ausbildungskapazität und Abiturientenzahl enorm verschärft worden.
Ich habe gesagt: es kommt darauf an, den Bedarf, den unser Staat, unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft wirklich haben, mit den Abiturientenzahlen abzustimmen, und ich habe gesagt, daß eine unkontrollierte Abiturientenschwemme unter Senkung der Qualität uns nichts nützt. Ich habe dann gemeint, daß man die Hochschulreform nur in Zusammenhang mit der Reform der Oberstufe der Gymnasien durchführen kann. Die Oberstufen der Gymnasien müssen wissenschaftliche Ausbildungsstätten sein. Ich bin der Meinung, daß da die Stelle ist, wo man den Bedarf regulieren kann; nicht durch mechanischen Zwang, sondern durch die Anforderung in der Leistung.
Ich habe zweitens gesagt: ich halte es für ein Mißverständnis, wenn man die mangelnde Ausbildung auf den höheren Schulen im Wege des Nachhilfeunterrichts an den Universitäten nachzuholen versucht. Dazu ist die Universität zu schade.
Ich glaube nicht, daß die Gesichtspunkte Qualität und Quantität miteinander in Konkurrenz stehen; ich glaube aber, daß hier das regulierende Prinzip für die Lösung der Hochschulfrage ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507517200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kübler.

Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0507517300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung verlangt zu Recht



Dr. Kübler
bei aller Wissenschaftsförderung ein Mitspracherecht. Soll sich das nur auf die finanziellen Leistungen beschränken, oder haben wir hier nicht an sich den Ansatzpunkt, schon bei der Planung zu beginnen?
Dr. Martin hat festgestellt: die Studentenzahlen sind zu schnell gewachsen, entsprechend den Überlegungen von etwa 1960. Aber wenn wir diese Empfehlungen von 1960 genau anschauen, sehen wir dort Vorausberechnungen unter drei verschiedenen Denkmodellen.
Das eine Modell ging von der Annahme aus, daß der relative Zugang zur höheren Schule, also der relative Zugang pro Geburtenjahrgang, gleichbleibt und daß die Erfolgsquote ebenfalls gleichbleibt. Wenn sich dieses Denkmodell durchgesetzt hätte, hätten wir jetzt wesentlich weniger Anfangsabiturienten als vorher, weil wir jetzt die ganz schwachen Geburtenjahrgänge vom Kriegsende in die Hochschule wandern sehen.
Modell B errechnete einen relativ größeren Zugang zum Gymnasium bei gleichbleibender Erfolgschance, Abitur zu machen. Das wäre das von uns Anzustrebende, das, was wir alle miteinander mit unserer Bildungspolitik wollen: mehr Schüler auf die Gymnasien, um durch dieses Mehr vergrößerte Chancen in unserem Volk zu haben.
Nur beim Denkmodell C — daß sowohl der Zugang zum Gymnasium als auch die Erfolgschance gesteigert würde — käme diese übertrieben große Zahl von Studierenden heraus.
Ich würde aber hier ansetzen, Herr Kollege Moersch, daß die Noten immer variiert haben, auch in früheren Jahrhunderten, daß aber die Erfolgschance vom Sextaner zum Abiturienten nicht größer geworden ist. Die Variation der Notenskala ist bei der Erfolgschance Sextaner — Abiturient ziemlich gleichgültig. Von da her gesehen wäre es die größte Ungerechtigkeit, nun durch eine Addition willkürlich herausgegriffener Noten dem einen die Zulassung zu geben und dem anderen nicht.
Ich möchte, Herr Dr. Martin, Ihre Ausführungen ergänzen, indem ich sie bestätige, aber gleichzeitig sage, daß folgendes nicht eingetreten ist. Wir haben keine Abiturientenschwemme unter Senkung der Qualität. Es sind, von der Erfolgschance her gesehen, d. h. der Chance des Sextaners, das Abitur zu erreichen, nicht mehr zum Abitur gekommen. Wir haben heute mehr Studierende. Das ist ein anderer Faktor. Die Studentenzahlen sind nicht durch den Zugang im ersten Semester erhöht worden, sondern durch das längere Verweilen der Studierenden an der Universität. Dadurch haben sich die Studentenzahlen so gewaltig erhöht. Wir treffen die Verkehrten, wenn wir den Zugang regeln.
Herr Dr. Vogel, Sie sagten: „Kriegsfolgelasten". Die sind zur Zeit noch unser entlastendes Moment, weil die geburtenschwachen Jahrgänge um 1945 jetzt vor der Tür stehen. Wenn die von 1953 kommen, werden wir eine ganz andere Ausdehnungsquote haben.

(Zuruf.) — Sie haben es bei den Lehrenden gemeint; ich habe das in der Verkürzung gesagt.

Wir müssen den neuen Anlauf finden. Wir können nicht, Frau Kollegin Funcke, junge Menschen sozusagen auf Eis legen und ihnen sagen: in zehn Jahren — nach dem Prinzip: dann seid ihr älter geworden — geht es. Ich stimme Ihnen zu, daß das falsch wäre. Wir müssen den neuen Anlauf finden, und wir müssen ihn von den Möglichkeiten des Bundes her mitgestalten, mitplanen und mitfördern.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507517400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0507517500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich noch einen Gedanken hinzufügen. Der relative Wert ,des Abiturs ist hier wiederholt angesprochen worden. Ich denke 'dabei immer wieder an die jungen Menschen, die aus dem Arbeiter- oder dem Bauernstande kommen, die ihr Abitur nicht auf dem normalen Wege haben machen können, sondern die durch Abendgymnasium oder auf sonstigen besonderen Wegen zum Abitur 'gelangt sind und die nun womöglich auch diesem Numerus clausus mit den strengen Bestimmungen unterworfen 'sind. Eine Durchschnittsnote ist verschieden zu betrachten, je nachdem, ob sie im normalen Gymnasium oder auf einem solchen Sonderwege erreicht wurde. Dieser Gedanke erscheint mir besonders wichtig, wenn ich daran denke, daß wir noch gestern in der Fragestunde —beim Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — gehört haben, daß wir in der Bundesrepublik verhältnismäßig sehr schlecht dastehen, was die Zahl der Studenten aus dem Bereich der Arbeiterschaft, des Bauernstandes usw. anlangt. Wenn wir dieses Verhältnis verbessern wollen —und wir müssen das, es entspricht unserer Politik —, dann, glaube ich, sollten wir auch den jungen Menschen, die auf besonderen Wegen zum Abitur gelangt sind, die auf besonderen Wegen das Hochschulstudium anstreben, den Weg nicht zusätzlich erschweren, sondern ihn erleichtern. Ich möchte also jetzt meinen Appell in erster Linie an die Länderkultusminister richten, hier für besondere Bestimmungen zu sorgen.

(Beifall bei ,der CDU/CSU und der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507517600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jungmann.

Dr. Gerhard Jungmann (CDU):
Rede ID: ID0507517700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte der Wichtigkeit des Gegenstandes wegen auch noch einmal betonen, daß es ein Fehlschluß wäre, durch Steigerung der Abituranforderungen zu einer Lösung des Problems kommen zu können, vor allem dann, wenn man damit zugleich die Zahl der Abiturienten vermindern wollte. Ich bin überzeugt, daß Herr Kollege Martin das in keiner Weise beabsichtigt hat. Die Kürze der hier zur Verfügung stehenden Redezeit bringt es leicht mit sich, daß ein



Dr. Jungmann
solcher Irrtum aufkommt. Ich möchte aber auch umgekehrt meinen, daß es ein Denkfehler wäre, wenn man den Stoff auf den höheren Schulen vermehrte und wenn es auch bei den langen Zeiten, die wir heute haben, bliebe. In das Problem spielt die Frage der allgemeinen Verkürzung der Studienzeit hinein. Wie wir es heute haben, daß die mittlere Studiendauer 14, 15, 16 Semester beträgt, kann es auf die Dauer nicht bleiben.
Ich glaube, daß wir einige Phantasie aufbringen müssen, um nicht nur bei der Schule und nicht nur bei den Aufnahmebedingungen etwas zu ändern, sondern um auch die Konstruktion, den ganzen Aufbau des Studiums zu ändern. Ich will Ihnen sagen, was ich meine. Ich kann hier aus meiner eigenen Berufserfahrung sprechen. Ich weiß aber aus vielen Gesprächen, daß das in anderen Berufen genauso geht. Ich bin der Meinung, daß es für das, was Herr Kollege Martin gesagt hat, daß nämlich die Universität kein Nachhilfeinstitut sei — „Nachhilfe" ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck; kein Institut, das alles das bringt, was die Schule nicht bringen kann, was der junge Mensch aber haben muß, um im Studium seinen Mann zu stehen, daß es dafür auch andere Lösungen gibt, im Sinne eines Vorstudiums, eines propädeutischen Studiums, wodurch sich manche Fragen der Auswahl, der Auslese auf ganz einfache Weise lösen würden. Wenn wir über diese Fragen diskutieren, müssen wir uns auch von überholten Denkmodellen lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0507517800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Meinecke hat zu Beginn gesagt, daß es uns darum gehe, in dieser schwierigen Situation ein gemeinsames Votum zur Sache zustande zu bringen. Außerdem lag uns daran, nicht nur die Meinungen der Fraktionen zu erfahren; vielmehr haben wir die Aktuelle Stunde so begriffen, daß es dabei zu einem Dialog mit der Bundesregierung kommen solle.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)

Ich finde es etwas merkwürdig, daß der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung aus Gründen der Courtoisie auf seiner Abgeordnetenbank Platz genommen hat, anstatt sich in einem früheren Stadium dieser Aktuellen Stunde mit einer klaren Meinungsäußerung der Bundesregierung in das Gespräch einzublenden. Wir wollen von ihm kein Schlußwort hören. Wir wollen mit Ihnen, Herr Stoltenberg, diskutieren. Das ist der Sinn der Aktuellen Stunde.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507517900
Herr Abgeordneter, der Herr Minister hat sich schon lange gemeldet. Ich habe ihm das Wort noch nicht erteilt. Das ist das Geheimnis.

(Abg. Lohmar: Dann beziehen Sie die Kritik auf sich, Herr Präsident! — Oh-Rufe von der Mitte.)

— Herr Abgeordneter, das war schlicht gesagt, eine Ungezogenheit.
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507518000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Lohmar möchte ich, was die Mitwirkung der Bundesregierung anbetrifft, nicht weiter Stellung nehmen. Es ist mein Wunsch gewesen, zunächst sehr genau die Argumente zu hören und dann selbstverständlich in die Diskussion einzugreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe mich deshalb ziemlich früh gemeldet, und ich glaube, daß meine kurzen Ausführungen durchaus den Anlaß bieten können, diese wichtige Debatte fortzuführen, wenn das Bedürfnis bei den Mitgliedern des Hohen Hauses besteht.
Zulassungsbeschränkungen gibt es, wie schon gesagt worden ist, an allen deutschen Hochschulen für das Studium der Medizin, der Zahnmedizin und der Pharmazie. Es sind aber, wie man leider einräumen muß, an einzelnen Universitäten nach Pressemeldungen auch schon für philosophische Fächer erste Zulassungsbeschränkungen eingeführt worden.
Die staatliche Verantwortung bei eventuellen Zulassungsbeschränkungen liegt nach dem Grundgesetz bei den Ländern. Es handelt sich hier um einen zentralen Bereich des Hochschulrechts, der als solcher nicht Gegenstand der Gesetzgebung und damit der Verwaltungskompetenz des Bundes ist. Bei der großen gesamtstaatlichen Bedeutung dieser Frage, die von allen Rednern mit Recht hervorgehoben wurde, gibt es aber für den Bund gewisse politische Verantwortlichkeiten und auch bestimmte politische Möglichkeiten, auf eine Einheitlichkeit in der Behandlung dieser Problematik im ganzen Bundesgebiet hinzuweisen. Der Bund kann sich im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten an den Lösungen beteiligen. So kann er im Wissenschaftsrat Erörterungen anregen oder im Gespräch mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz und den Kultusministern seine Vorstellungen entwickeln. Die Bundesregierung hat diesen Weg schon beschritten. Ich darf hier auf meine schriftliche Antwort vom 2. November 1966 auf die Frage des Kollegen Sänger in Sachen einer zentralen Registrierstelle für alle Studienbewerber hinweisen.
Der Bund wird dem Übel der Zulassungsbeschränkungen allerdings am nachhaltigsten dadurch begegnen — wie in der Debatte von mehreren Rednern mit Recht betont worden ist —, daß er sich, wie vorgesehen, dem Ausbau und auch Neubau von wissenschaftlichen Hochschulen finanziell durch steigende Mittel zuwendet und damit an der Ausweitung der Ausbildungskapazität mitwirkt. Hier werden wir nach meiner Überzeugung den eigentlichen Ursachen begegnen, während wir sonst in der Gefahr sind, vielleicht in unvermeidlicher Form an der Korrektur von Symptomen mitzuwirken.
Wir haben versucht, durch die Empfehlung des Wissenschaftsrats und die Vergabe von Bundes-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
mitteln den Schwerpunkten und Engpässen besonders gerecht zu werden. Ich will nur eine Zahl nennen: Von den Bundesmitteln, die bis 1966 für den Ausbau der Hochschulen zur Verfügung gestellt wurden — ein Betrag von insgesamt über 1,7 Milliarden DM — sind mehr als 30 % allein für Investitionen im Bereich der medizinischen Fakultäten aufgewandt worden. Das macht einen Betrag von über 600 Millionen DM aus.
Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß wir durch eine Entscheidung des Bundestages und der Bundesregierung in einem Vorgriff auf ein späteres Abkommen den Ausbau der medizinischen Akademien gefördert haben.
Lassen Sie mich noch auf ein Problem eingehen, das vielleicht einer gewissen Akzentuierung bedarf. Wir müssen uns völlig darüber im klaren sein, daß es, was die Kapazität der Hochschulen in den nächsten Jahren anlangt, nicht nur um Finanzprobleme, sondern in zunehmendem Maße leider auch um Personalprobleme geht. Nach den Unterlagen der Kultusministerkonferenz sind über 3000 wissenschaftliche Planstellen an den Hochschulen nicht besetzt. In den nächsten Jahren werden etwa 2500 weitere Planstellen in den Lehrkörpern durch Emeritierungen frei werden. Demgegenüber sind in den Jahren 1960 bis 1965 insgesamt 2500 Habilitationen erfolgt. Wenn Sie diese drei Zahlen miteinander vergleichen, dann wird deutlich, daß wir allenfalls eine Sicherung des jetzigen Standes des Lehrkörpers, vielleicht noch eine geringfügige Verbesserung erreichen können, daß aber leider nicht gesichert ist, )daß die jetzt schon verausgabten großen Mittel und ,die für die Zukunft erforderlichen noch höheren Investitionen für die Beseitigung dieser Engpässe von der Personalseite voll korrespondierend befriedigt werden können. Deshalb möchte ich betonen, daß hier auch eine große Verantwortung ,der Selbstverwaltung der Hochschulen gegeben ist und daß manche Fakultäten -- ich sage das ohne Verallgemeinerung — ihre Habilitationspraxis und auch ihre Habilitationsbestimmungen ändern müssen, wenn wir zu einem Ergebnis kommen wollen.

(Beifall.)

Zum Ausbau der Hochschulen darf ich darauf verweisen, daß die Bundesregierung neue und, wie ich glaube, konstruktive Vorschläge für ,die Neufassung des Verwaltungsabkommens gemacht hat. Das Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom Juni 1966 ist bis heute leider noch nicht beantwortet worden. Solange die Briefe nicht beantwortet werden, haben wir natürlich nicht .die Basis für Verhandlungen. Ich weise auf die Dringlichkeit 'dieser Frage nachdrücklich hin.
Auch der uns im Dezember vergangenen Jahres in Aussicht gestellte Vertragsentwurf zu dem Thema der Neugründungen ist bis heute nicht eingegangen. Ich bin mir darüber im klaren, daß die Frage der Neugründungen, eines neuen möglichen Tätigkeitsbereichs des Bundes, in einem gewissen Zusammenhang mit den Themen der Finanzreform steht. Das schließt aber nicht aus, daß man jetzt schon ein sachliches Gespräch über die möglichen Lösungen zwischen Bund und Ländern beginnen sollte, um neben ,der Neufassung des Verwaltungsabkommens und einer Verstärkung ,der Leistungen der Länder und des Bundes für bestehende Universitäten so bald wie möglich auch überzeugendere und praktikablere Lösungen für den Bereich der Neugründungen zu erzielen.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507518100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lohmar.
Dr. Lohmar ((SPD) : Herr Präsident, ich möchte mich bei Ihnen für meine sprachliche Fehlleistung eben entschuldigen.
Zur Sache möchte ich gern ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Minister Stoltenberg machen. Herr Bundesminister, wir sind uns darüber klar, ,daß idle Ausgangsposition für die Möglichkeiten der Bundesregierung mit dem Art. 74 Nr. 13 des Grundgesetzes von der Verfassung her gegeben ist. Wir haben diesen Artikel in seinen Möglichkeiten bisher nicht durch ein Bundesgesetz ausgeformt. Dennoch sollte und müßte die Bundesregierung diese ihr als Ausgangsposition gegebene Möglichkeit im Wissenschaftsrat stärker nutzen. Ich glaube nicht, daß es ausreicht, 'die Aufgaben der Bundesregierung mit Ihrer These zu umschreiben, die Regierung habe die Möglichkeit, Erörterungen im Wissenschaftsrat oder in der WRK oder in anderen Institutionen im wissenschaftlichen Raum anzuregen oder zu erwarten. Ich meine, Sie müßten drängen.
Es gibt zwei unklare Planungsvoraussetzungen bei dem, was Herr Martin als den Wettlauf zwischen Studentenzahlen und Kapazität 'bezeichnet hat. Das eine sind die unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich der zu erwartenden Studentenzahlen, das andere sind die unterschiedlichen Annahmen hinsichtlich des Bedarfs an akademisch ausgebildeten Kräften. Warum drängt die Bundesregierung im Wissenschaftsrat nicht, daß wir zu eindeutigen Planungsvoraussetzungen kommen? Ich finde, das liegt im Rahmen der Kompetenz, aber auch der sachlichen Verpflichtungen der Bundesregierung.
Das gleiche, Herr Bundesminister, muß man zu der von Ihnen eben übernommenen Zahl von rund 5000 offenen Planstellen sagen. Sie haben die Kultusministerkonferenz als Quelle angegeben.

(Abg. Dr. Martin: 3000!)

— Im ganzen, wenn man die neuen dazunimmt, sind es 5000. — Der Präsident der WRK — ich kann das nur registrieren — hat einige Tage später geäußert, er könne sich nicht erklären, wieso die Kultusminister zu dieser Zahl kämen; sie sei nach den Unterlagen der Westdeutschen Rektorenkonferenz ohne sachliche Grundlage. Ich kann mir beides nicht zusammenreimen. Aber der Partner des Bundestages ist die Bundesregierung. Meine Bitte an Sie: Klären Sie diesen Sachverhalt! Es hat keinen Sinn, daß wir hier über ganz unterschiedliche Zahlen reden,



Dr. Lohmar
wenn die KMK von im Saldo 5000 offenen Stellen spricht und die WRK sagt: Es gibt gar keine Grundlage für diese Vermutung.
Dies also meine Bitte: uns in beiden Punkten zu einer Klärung zu verhelfen und das Parlament darüber in angemessener Frist und Form zu unterrichten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507518200
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507518300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf gerade des letzten Teils dieser Debatte zwingt zu der Frage, wer innerhalb der Bundesregierung eigentlich der Adressat dieses Themas ist. Denn das, was zuletzt gesagt wurde — vor allem auch die Schulfragen, die hiermit zusammenhängen —, scheint mir u. a. eine Frage der Bildungsplanung zu sein, und da wäre Herr Lücke als Innenminister zuständig. Die Frage, ob wir die gesundheitliche Versorgung des deutschen Volkes sicherstellen können, wäre ja wohl eine Frage an Frau Dr. Schwarzhaupt als Gesundheitsminister gewesen. Hier hat uns der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung geantwortet. Es wäre ausgezeichnet, wenn wir exakt erfahren könnten, wie es mit der Federführung steht. Ich nehme an, Herr Minister Stoltenberg, Sie sind hier als der Vorsitzende des zuständigen Kabinettsausschusses. Das wäre ja ganz in der Ordnung. Ich will damit nur
sagen: wir beklagen uns — mit Recht — über ein gewisses Durcheinander innerhalb der Länder und im Verhältnis Bund — Länder. Die Sache wird natürlich für die Öffentlichkeit nicht sehr viel klarer, wenn wir hier bei diesem einen Thema von mindestens drei verschiedenen Stellen bei der Bundesregierung auszugehen haben. Es erscheint mir dringlich, auch diese Frage noch einmal gründlich zu klären. Ich bin der Meinung, der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung sollte alle diese Dinge von sich aus kompetent für die gesamte Bundesregierung klären können. Er müßte also künftig auch in dieser Frage der Bildungsplanung ganz eindeutig die Federführung haben. Sonst kommen wir hier, glaube ich, nicht auf einen grünen Zweig.
Das zweite, Herr Minister! Sie haben mit Recht beklagt, daß die Zahl der Habilitierten künftig sicherlich nicht ausreichen wird. In manchen Fächern reicht sie heute schon nicht aus. In der Medizin — ich weiß es nicht so genau — ist es, glaube ich, ein bißchen anders. Aber wir haben nun doch das Gutachten zur Studienreform, und genau da ist doch vorgeschlagen, daß wir künftig in Deutschland nach einem etwas anderen Verfahren, nämlich nach einem weniger starren Verfahren vorgehen, die Lehrbefähigung aus anderen Qualifikationsmerkmalen ableiten und die Zeit nicht unnötig hinausziehen sollten, bis jemand Dozent werden kann. Auch hier scheint es mir um so dringlicher zu sein, daß die Bundesregierung auf Verwirklichung dieser Vorschläge hinarbeitet, wenn sie in den nächsten Jahren bei den dann steigenden Studentenzahlen mit diesem Problem fertig werden will.
Aber, Herr Dr. Martin, noch ein Wort zu Ihnen! Meine Kollegin Funcke hat Sie leider im wesentlichen richtig verstanden; ich kann das nur sagen.

(Abg. Dr. Martin: Was heißt hier „leider"?)

— Ja, leider, weil ich der Meinung bin, daß das, was Sie gesagt haben, in der Sache nicht zutreffend ist. Sie hat also recht gehabt, und Sie haben hinterher einen nicht ganz geglückten Versuch unternommen, das als Mißverständnis darzustellen. Denn in Wahrheit sind alle Ihre Ausführungen — Herr Kollege Dr. Kübler hat das ja eindeutig nachgewiesen — darüber, wie es mit den wirklichen Begabungsreserven steht — und er ist hier als Lehrer ganz kompetent — —

(Zuruf des Abg. Dr. Martin.)

— Herr Dr. Martin, ein wenig habe ich den Eindruck, daß Ihre Beweisführung die Beweisführung des 19. Jahrhunderts und eines ständischen Volks- und Gesellschaftsausbaus ist. Es tut mir leid, das sagen zu müssen. Sie sind hier ein ehrenwerter und liebenswerter Kollege. Aber Sie sind eben doch der Vertreter, ich möchte sagen, einer anderen Zeit, wenn Sie hier in dieser Form sprechen, wie Sie vorhin gesprochen haben.

(Abg. Haase [Kassel]: Konservativ!)

— Ja, man kann es auch so nennen, man kann es auch ein bißchen anders nennen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507518400
Ihre Redezeit ist um, Herr Abgeordneter.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0507518500
Entschuldigen Sie, Herr Präsident.
Ich möchte Ihnen also sagen, Herr Dr. Martin, die Frage, wie es nun wirklich mit der Schule steht, welche Aufgaben sie hat, müßte man wohl noch an einer anderen Stelle eingehend erörtern. Jedenfalls sind Begabung und Eignung in diesem Falle doch zwei Dinge, die wir unterscheiden müssen. Ich meine, es kommt auf dieses Auswahlverfahren an. Wir müssen feststellen, wer für diesen Beruf geeignet ist. Ich frage Sie noch einmal, ob das mit den von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen in der Schule zu erreichen wäre. Wir sollten — und da folge ich Herrn Dr. Rau vollinhaltlich — die Freiheit der Berufswahl auf jeden Fall erhalten und nicht nach den finanziellen Möglichkeiten oder den zufällig gewordenen Gegebenheiten einfach den Aufbau in Wissenschaft und Schule in diese Fragen hineinzwängen. Wir sollten die Freiheit der Entfaltung in vollem Umfange herstellen. Ich hoffe, daß das Haus sich in dieser Frage im wesentlichen einig gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507518600
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0507518700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde es bedauern, wenn auf



Bundesminister Dr. Stoltenberg
Grund meiner Ausführungen der Eindruck entstehen konnte, daß die Bundesregierung sich in diesem Bereich lediglich auf gewisse Anregungen beschränken will. Ich habe in meiner kurzen Darstellung klargemacht, daß wir sehr konkrete Vorschläge für die Fragen des Ausbaus der Hochschulen formuliert haben und daß wir dringend erwarten und unsere Bemühungen darauf richten, zu Verhandlungen und Abschlüssen zu kommen. Die 1,7 Milliarden DM, die wir, Bundestag und Bundesregierung, bisher für den Ausbau der Hochschulen bewilligt haben, sind ja auch mehr als Anregungen. Sie sind Taten, denen wir weitere folgen lassen möchten.
Das, Herr Kollege Lohmar, gilt aber auch für die Erörterung der inneren Fragen, obwohl ich klar sagen muß — und deswegen habe ich auch auf die rechtliche Situation kurz hingewiesen —, daß wir hier wirklich mehr ein Beratungs- und Gesprächspartner sind, dessen Gewicht nicht durch staatliche Exekutivbefugnisse, sondern allenfalls durch die Kraft der Argumente entstehen kann. Man muß auch in einer solchen Debatte, die ich begrüße und bejahe, begrifflich klar erkennen, wo wir staatliche Entscheidungen treffen und wo wir ein Gesprächspartner oder ein wichtiges Mitglied von Gremien sind, die auf Empfehlungen angewiesen sind.
Nun hat Herr Kollege Moersch hier noch einiges zu den Gesamtproblemen der Bildungspolitik und der Hochschulpolitik gesagt. Gegenstand dieser Aktuellen Stunde und der Anfragen sind die Themen des Ausbaus der Hochschulen, innere Organisationsfragen der Hochschulen, ihre Kapazität, aber auch Fragen, die den Wissenschaftsrat berühren. Hier ist die Zuständigkeit des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung innerhalb der Bundesregierung ganz unbestritten. Wenn man diese Diskussion auf den Gesamtzusammenhang unserer Sozial-, Bildungs- und speziell auch unserer Gesundheitspolitik hin ausweitet, sind zweifellos andere Ressorts beteiligt. So sind etwa Fachfragen der medizinischen Ausbildung in fachlicher Hinsicht in der Zuständigkeit des Gesundheitsministeriums, während die Fragen des Ausbaus der Kapazität der medizinischen Fakultäten innerhalb der Bundesregierung von uns wahrgenommen werden. Sicher sind solche Kompetenzfragen immer schwierig, und man kann auch Kompetenzordnungen verbessern. Aber in dem eben genannten Beispiel hat die jetzige Lösung durchaus einen Sinn, und ich halte sie auch für praktikabel.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit der Bekräftigung des Wunsches schließen, daß diese Debatte dazu beitragen möge, daß wir bald von allen Seiten die konkreten Vorschläge und auch die Lösungen bekommen, die wir zum Ausbau der Hochschulen brauchen.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507518800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0507518900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Moersch hat gemeint, das Problem von Quantität und Qualität, das ein Grundproblem aller Kulturpolitik ist, dadurch erledigen zu können, daß er mich ins 19. Jahrhundert zurückverwiesen hat. Herr Moersch, wenn Sie einverstanden sind, würde ich das nicht in den Bereich der Sachlichkeit tun, sondern ich würde es psychologisch mit Ihnen verrechnen; denn anders kann ich das nicht verstehen. Sie kennen meine Überlegungen ganz genau.
Nun noch einmal zur Sache. Herr Moersch, Sie haben sich eigentlich hier selbst die Schlinge um den Hals gelegt. Sie haben doch den Ausführungen des Herrn Ministers entnehmen können, daß wir an den Hochschulen ein steigendes Defizit an Professoren und Habilitierten haben und nicht wissen, wie wir damit fertig werden sollen. Gleichzeitig haben Sie die Studienreform angeschnitten. Die Studienreform ist ja, wie sie empfohlen worden ist, deshalb so interessant, weil den Universitäten zugemutet wird, das, was an sich die Schule schon hätte leisten müssen, nachzuholen, und zwar in den ersten beiden oder in den ersten vier Semestern. Das habe ich mit dem „Nachhilfeunterricht" an den Universitäten gemeint.
Wenn das geschehen soll, wenn die Mängel der Oberschule dadurch behoben werden sollen, werden die Professoren, von denen es jetzt schon zu wenig an den Universitäten gibt, in einem Maße belastet, das ich persönlich für unerträglich halte. Lieber Herr Moersch, da sehen Sie den Zusammenhang. Wenn ich deshalb auf die Qualität und die bessere Ausbildung dränge, so ist das gar nichts Besonderes, sondern es ist logisch.
Herr Lohmar und Herr Meinecke sind übrigens in der Sache, glaube ich, mit mir konform. Beide drängen darauf, daß wir den Bedarf wirklich in allen Ländern kennenlernen. Ich halte das auch für ein Grundanliegen. Wenn wir den Bedarf kennen, haben wir die Aufgabe, die Ausbildungszahlen, die Abiturientenzahlen auf diesen Bedarf abzustimmen. Ich habe gesagt und wiederhole es: im deutschen Bildungssystem ist, wenn Sie keine großen Umänderungen vornehmen wollen, die Schwelle nach wie vor das Abitur. Ich persönlich bin der Meinung, daß es dabei bleiben kann und bleiben muß. Ich glaube, Herr Moersch, ich habe mich hier nicht verteidigt. Meine These ist weder konservativ, noch gehört sie ins 19. Jahrhundert, sondern es ist eine moderne Überlegung über ein modernes Bildungswesen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507519000
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Mühlengesetzes
— Drucksache V/899 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß)

— Drucksache V/1109 —



Vizepräsident Dr. Schmid
Berichterstatter: Abgeordneter Müller (Worms)


(Erste Beratung 55. Sitzung)

Das Wort erteile ich dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Müller (Worms).

Willy Müller (SPD):
Rede ID: ID0507519100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat in seiner gestrigen Sitzung dem Gesetzentwurf zugestimmt, weil durch ihn auf den Bund keinerlei Kosten zukommen.
Er hat auch der Änderung des Art. 3 zugestimmt, nach der der Gesetzentwurf mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in Kraft treten soll.
Namens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf Drucksache V/899 in der geänderten Fassung gemäß Drucksache V/1109 und Drucksache zu V/1109 zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0507519200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
In zweiter Beratung rufe ich die Artikel 1, 2, 3, die Einleitung und die Überschrift auf. Wer zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung, im übrigen einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz im ganzen zustimmt, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Das Gesetz ist angenommen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 30. November, 14.30 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.